Mehr Sicherheit bei der Arbeit mit Nanopartikeln - Was tun bei Kontamination der Haut?

 
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Mehr Sicherheit bei der Arbeit mit Nanopartikeln - Was tun bei Kontamination der Haut?
© Poprotskiy Alexey/Shutterstock
Mehr Sicherheit bei der Arbeit mit Nanopartikeln
                                               Was tun bei Kontamination der Haut?
                                                        Felix Klee1,2, Max Schnepf1, Jonas Schubert1

A
       m Leibniz-Institut für Polymerfor-              Kollegen erkennen, dass diese Maßnahmen         tung, Reinigung, Probenentnahme, o. ä.)
       schung Dresden (IPF) haben Wissen-              sich angesichts der Menge der auf ihrer         können unter Umständen zur Exposition
       schaftler eine Lücke in der Arbeits-            Haut verbliebenen fluoreszierenden Partikel     von Arbeitnehmer:innen mit potentiell ge-
sicherheit beim Umgang mit Nanopartikeln               nicht als wirksam erwiesen. Im Gespräch         sundheitsschädlichen Stoffen führen. Und
festgestellt – und eine Lösung entwickelt,             mit Fachleuten wie Arbeitsmedizinern, dem       für diese Ausnahmefälle muss es klare
die ab 2021 Kolleginnen und Kollegen zur               Giftnotruf oder dem verantwortlichen Si-        Handlungsanweisungen geben. Während
Verfügung stehen wird.                                 cherheitsingenieur des Instituts erhielt das    etwa die Augendusche als Standard in La-
                                                       Team allerlei Ratschläge, wie sich das Risiko   boren etabliert ist, gibt es keine Lösung, um
                                                       solcher Vorfälle verringern ließe, aber nie-    die Haut von Nanopartikeln zu reinigen.
Der Auslöser                                           mand wusste wirklich, was man als wirksa-           Allein in der Forschung betrifft das
                                                       me Nachsorge tun sollte.                        Thema sehr viele Arbeitnehmer:innen: 2019
Es begann mit einem kleinen ‚Zwischenfall‘                                                             verzeichnete das Web of Science 188.889
in einem Labor am Leibniz-Institut für Po-                                                             neu publizierte Nanotechnologie-betref-
lymerforschung Dresden (IPF) im September              Das Gesundheitsrisiko für                       fende Artikel, 1.849 Nanotechnologie-Paten-
2018. Trotz hochmodernder Laborausstat-                Arbeitnehmer:innen in der                       tanmeldungen wurden über die Europäische
tung, Schulungen und vorschriftsmäßiger                Nanotechnologie                                 Patentorganisation (EPO) veröffentlicht.[1]
Schutzausrüstung verschüttete eine Stu-                                                                    Während die Eigenschaften von Nanop-
dentin versehentlich die Cadmiumselenid-               Trotz intakter Laborsicherheitskonzepte         artikeln neue und aufregende Möglichkeiten
Partikel, mit denen sie arbeitete, und kon-            oder hochgradiger Automatisierung in der        wie neuartige therapeutische Ansätze eröff-
taminierte ihre exponierte Haut zwischen               Industrie sind Arbeitsunfälle und Konta-        net haben, gibt es in der wissenschaftlichen
Laborkittel und Schutzhandschuhen. Was                 minationsszenarien nicht gänzlich aus-          Literatur auch Hinweise auf mögliche nach-
tun? Die Studentin versuchte zunächst, die             zuschließen. Der menschliche Faktor oder        teilige Auswirkungen von Nanopartikeln auf
Partikel mit Wasser und Seife abzuwaschen.             Materialversagen in Kombination mit be-         die Gesundheit, abhängig von den Eigen-
Doch unter UV-Licht konnten sie und ihre               stimmten Arbeitsschritten (z. B. in der War-    schaften und der Größe der Materialien.

GIT Labor-Fachzeitschrift, Wiley-VCH GmbH, Weinheim                                                                                 www.git-labor.de
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Beispielsweise haben Studien       sind, das Risiko von verschiede-
gezeigt, dass bestimmte Nano-      nen Nanopartikeln zu bewerten
materialien zur Bildung mikro-     und dabei versuchen, nachvoll-
metergroßer Lücken zwischen        ziehbare und einheitliche Lösun-
Endothelzellen führen können       gen zu finden, die die Interes-
(was mit dem Begriff „Nanoma-      sen von Verbrauchern, Her-
terials-induced endothelial lea-   stellern und dem Arbeitsschutz
kiness“ [NanoEL] beschrieben       unter einen Hut bringen, muss
wird), ein Effekt, der zu einem    das Vorsichtsprinzip als Richtli-
erhöhten Risiko der Ausbrei-       nie gelten.
tung von Krebszellen im Körper
führen kann.[2] Eine weitere
Gruppe von Wissenschaftlern,       Die Lösung der
die sich mit den Gesundheits-      Wissenschaftler am IPF
risiken berufsbedingter Metall-
exposition befasste, führte die    Nachdem das Team am IPF das
erfasste Entwicklung neurolo-      Problem und das Fehlen einer
gischer Erkrankungen wie Par-      Lösung erkannt hatte, machte es
kinson zurück auf die Fähig-       sich daran, an einer möglichen
keit von Nanopartikeln, über       Lösung zu arbeiten.
die Blut-Hirn-Schranke in das          Zunächst legten sie grund-
Gehirn eindringen zu können.[2]    legende Kriterien fest, die eine
    Doch wie können Nanoparti-     wirksame Lösung zur Dekonta-
kel in den menschlichen Körper     mination der Haut von Nano-
gelangen? Es gibt drei mögliche    partikeln idealerweise erfüllen
Wege: die Lunge, das Verdau-       sollte:
ungssystem und die Haut.           ▪ 1) Die Lösung sollte für ein
    Während die gesunde Haut          möglichst breites Spektrum
eine natürliche Barrierefunk-         an Materialien wirksam sein;
tion hat, können bestimmte            bestenfalls für alle Arten von
Partikel dennoch direkt in die        Nanomaterialien.
Haut eindringen (z. B. Quan-       ▪ 2) Die Lösung sollte die natür-
tenpunkte).[4] Darüber hin-           liche Barrierefunktion der Haut
aus können externe Faktoren           nicht beeinträchtigen (denn:
wie die beteiligte Oberfläche,        „bei gleichzeitiger oder vor-
die Kontaktzeit, das Schwit-          heriger Einwirkung entfetten-
zen, andere chemische Ver-            der Substanzen auf die Haut
stärker wie Seifen sowie der          [Seifen, Tenside, Lösungsmit-
Zustand der Haut (z. B. Risse)        tel] ist von einer erhöhten Ge-
die Hautpenetration potenziell        fährdung auszugehen, da eine
verstärken, was zu schädlichen        Entfettung der Haut eine ver-
gesundheitlichen Auswirkun-           mehrte Aufnahme von Gefahr-
gen führen kann – sowohl lokal        stoffen bedingen kann“)[6].
als auch systemisch. Darüber       ▪ 3) Die Lösung soll-
hinaus können Nanomateria-            te perspektivisch für alle
lien in Haarfollikeln transpor-       Arbeitnehmer:innen in der
tiert und gelagert werden, von        Nanotechnologie verfügbar
wo aus sie für eine gewisse Zeit      und einfach anwendbar sein.
Ionen freisetzen können.[5]            Im zweiten Schritt wurde ein
Nicht zuletzt besteht ohne eine    Testmodell festgelegt, um die
gründliche Reinigung der Haut      Wirksamkeit bereits verfügbarer
nach einer dermalen Kontami-       Hautreinigungs- und Dekonta-
nation die Gefahr von Konta-       minationslösungen zu untersu-
minationsverschleppung und         chen und mögliche Rezepturen
oraler Aufnahme, z.B. durch        auszuprobieren. Schweinehaut
Hand- und Mundkontakt.             wird in präklinischen Studien
    Während      wissenschaftli-   als ein sehr gutes Modell zum
che und politische Gremien wie     Ersatz der menschlichen Haut
die US-amerikanische Nati-         angesehen.[7] Für die erste Ver-
onal Nanotechnology Initia-        suchsreihe arbeitete das Team
tive (NNI) oder die Europäi-       mit Cadmiumselenid-Partikel –
sche Agentur für Sicherheit und    also die Art von Partikeln, die
Gesundheitsschutz am Arbeits-      die studentische Hilfskraft nicht
platz (EU-OSHA) noch dabei         hatte entfernen können.
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Abb. 1: Gegenüberstellung von verbleibenden Partikeln auf dem Testmodel unter UV-Licht nach Behandlung mit verschiedenen Mitteln zur Reinigung
der Haut.

In den Feierabendstunden begannen die
Wissenschaftler mit der Untersuchung der
Wirksamkeit verschiedener Dekontaminati-
onsmittel, Wasser und Seife; und sie began-
nen, ihre eigenen Rezepturen zu mischen.
Die Studien zeigten, dass Wasser nur bis zu
5 % der Partikel zuverlässig entfernen konn-
te, wobei mehr als 95 % der Partikel auf der
Haut verblieben. Seife war in der Lage, bis
zu 75 % der Partikel zu entfernen; allerdings
reduziert Seife, wie erwähnt, die Barriere-
funktion der Haut, was zu einem vermehr-
ten Eindringen von Partikeln über die Haut
führen kann, und ist daher nicht für diese
Problemstellung geeignet.
    Eine Reihe von Dekontaminationspro-
dukten wurde getestet, um die Effizienz der
Studie zu überprüfen. Die besten Produkte
waren in der Lage, zwischen 70 und 88 % der      Abb. 2: Beispielhafte Anwendung eines Pilot-Designs des Produktes: das Gel wird mit einem
auf dem Hautmodell verschütteten Partikel        Schwammaufträger auf der kontaminierten Hautstelle verrieben, um Sekundärkontamintionen zu
zu entfernen. Bei den verfügbaren Dekonta-       vermeiden. Durch anschließendes Abwaschen mit Wasser ist die Reinigung abgeschlossen.
minationsmitteln stellte sich heraus, dass es
einerseits allgemeine Dekontaminationsmit-
tel gibt, die gemäß dem „Schrotflintenprin-      vom Bundesministerium für Bildung und           Zugehörigkeiten
                                                                                                 1 Leibniz-Institut
zip“ darauf abzielen, bei einer Vielzahl von     Forschung (BMBF), um das hochwirksame                            für Polymerforschung
Gefahrstoffen wirksam zu sein, und anderer-      Gel in ein anwendungsbereites Erste-Hilfe-      Dresden (IPF)
                                                                                                 2 Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus,
seits spezialisierte Nischenprodukte, die auf    Produkt weiterzuentwickeln, welches in wis-
eine spezifischere Gruppe von Gefahrstof-        senschaftlichen und industriellen Einrich-      TU Dresden
fen abzielen. Das Fehlen eines spezialisierten   tung vorgehalten werden und im Notfall zur
und wirksamen Dekontaminationsproduktes,         Anwendung kommen kann. Erste Produktde-
das speziell zur Entfernung von Nanoparti-       signs wurden mit Testanwender:innen getes-
keln von der Haut entwickelt wurde, wurde        tet, um die optimale Applikation im Ernstfall
jedoch offensichtlich.                           zu gewährleisten.
    Nach dem Testen von mehr als 60 eigenen          Mittlerweile steht das Start-Up kurz           KONTAKT |
Zusammensetzungen fand das Team schließ-         vor der Gründung. Ab Januar 2021 wird
                                                                                                 Felix Klee
lich eine Formel, die nicht nur für Cadmium-     mit ‚nano-ex‘ das erste Haut-Dekontami-         DermaPurge
Selenid-Nanopartikel, sondern auch bei allen     nationsmittel zur Entfernung von Nano-          c/o Leibniz-Institut für Polymerforschung
anderen Arten von Partikeln – einschließ-        partikeln erhältlich sein – entwickelt von      Dresden (IPF)
lich Metall-, Metalloxid-, anorganische und      Wissenschaftler:innen für Ihre Kolleginnen      Dresden, Deutschland
polymere Nanopartikel – wirkte, und zuver-       und Kollegen in der Nanotechnologie.            klee@dermapurge.com
lässig mehr als 99 % der verschütteten Par-
tikel von der Haut entfernte.
    Nach intensiver Marktrecherche, Gesprä-
chen mit Gründerberatern und dem For-                        Weitere Beiträge zum Thema:                   Literatur:
schungsinstitut folgte eine Patentanmeldung                  https://bit.ly/WAS-Sicherheit                 https://bit.ly/GIT-Klee
und die Einwerbung einer ‚Exist‘-Förderung
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