MEHRSPRACHIGKEIT UND KINDLICHER ERSTSPRACHERWERB - WO SIND DIE POTENTIALE? - Katrin Odermann (psycholinguistic laboratories TU Dortmund)

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MEHRSPRACHIGKEIT UND KINDLICHER ERSTSPRACHERWERB - WO SIND DIE POTENTIALE? - Katrin Odermann (psycholinguistic laboratories TU Dortmund)
MEHRSPRACHIGKEIT UND KINDLICHER
ERSTSPRACHERWERB - WO SIND DIE POTENTIALE?

Katrin Odermann (psycholinguistic laboratories TU Dortmund)
MEHRSPRACHIGKEIT UND KINDLICHER ERSTSPRACHERWERB - WO SIND DIE POTENTIALE? - Katrin Odermann (psycholinguistic laboratories TU Dortmund)
ÜBERBLICK
1.   Wer ist eigentlich mehrsprachig?
2.   Erstspracherwerbsformen
3.   Bilingualer Erstspracherwerb
4.   Exekutive Funktionen
5.   Potentiale von Mehrsprachigkeit
6.   Studien zu kognitiven Vorteilen von Mehrsprachigkeit
7.   Soziökonomischer Status und Mehrsprachigkeit
8.   Fazit und Ausblick
9.   Literatur
MEHRSPRACHIGKEIT UND KINDLICHER ERSTSPRACHERWERB - WO SIND DIE POTENTIALE? - Katrin Odermann (psycholinguistic laboratories TU Dortmund)
Globalisierung

                          26% der Bevölkerung Deutschlands
                          hat Migrationshintergrund
                          (Statistisches Bundesamt, 2021)

                           Nicht alle Mehrsprachigen haben
                           Migrationshintergrund

MEHRSPRACHIGKEIT IST
NORMALITÄT – KEIN SONDERFALL!
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Grosjean (1994, 7): “Für unsere Zwecke werden wir diejenigen
Menschen bilingual nennen, die zwei (oder mehr) Sprachen (oder
Dialekte) in ihrem Alltagsleben nutzen. [...] Demzufolge umfasst unsere
Definition Menschen vom Gastarbeiter, der die Sprache des
Gastlandes nur schwer spricht (und diese nicht lesen und schreiben
kann), bis zum professionellen Dolmetscher, der zwei Sprachen fließend
spricht.“

WER IST BILINGUAL ODER
MEHRSPRACHIG
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Monolingualer              Bilingualer          Frühkindlicher
Erstspracherwerb       Erstspracherwerb        Zweitspracherwerb

    Eine Sprache von       Zwei Sprachen von        Zunächst Erwerb
        Geburt an              Geburt an          einer Sprache (meist
                            (normalerweise         HS), danach Erwerb
                          Umgebungssprache            einer zweiten
                                 und                 Sprache (meist
                           Herkunftssprache)      Umgebungssprache)

    KINDLICHER ERSTSPRACHERWERB
MEHRSPRACHIGKEIT UND KINDLICHER ERSTSPRACHERWERB - WO SIND DIE POTENTIALE? - Katrin Odermann (psycholinguistic laboratories TU Dortmund)
   Eine Person - eine Sprache

   Familiensprache – Umgebungssprache

BILINGUALER ERSTSPRACHERWERB
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   Viele Mythen und Vorurteile
   Studien zeigen unterschiedliche Ergebnisse
   Wieso sollte es überhaupt Potentiale geben?

BILINGUALER ERSTSPRACHERWERB
   Bilinguale Sprecher:innen sind nicht die Summe zweier
    monolingualer Sprecher:innen, sondern eine einzigartige und
    spezielle linguistische Konstellation (Grosjean, 1984)
   Beide Sprachen sind immer aktiv
   Das Kind muss jederzeit die richtige Sprache aussuchen
   Das bedeutet: Aufmerksamkeit und Unterdrückung der nicht
    relevanten Sprache
   Dadurch wird die exekutive Kontrolle gestärkt

WAS PASSIERT, WENN ZWEI SPRACHEN
GLEICHZEITIG ERWORBEN WERDEN?
   komplexes Feld einheitliche Definition schwierig
   Best und Miller (2010) sowie Blair (2016) definieren exekutiven Funktionen als
    kognitive Prozesse, die der adaptiven und zielgerichteten Kontrolle von Gedanken,
    Verhalten und Gefühlen unterliegen.
   Miyake et al. 2000 gehen davon aus, dass exekutive Funktionen aus drei
    Hauptdomänen besteht: Veränderung, Unterdrückung und Aktualisierung.

EXEKUTIVE KONTROLLE / EXEKUTIVE
FUNKTIONEN
Aufmerksam-                 Selbst-
          keitskontrolle          kontrolle

   Exekutive           Kognitive                   Arbeits-
Funktionen             Flexibilität             gedächtnis

          Entscheidung           Zielgerichtetes
          für Prioritäten           Arbeiten
   Konstantes Aufmerksamkeitsmanagement, dem bilinguale und
    mehrsprachige Personen ständig ausgesetzt sind, ist eine mentale
    Übung für das exekutive System (Hilchey und Klein, 2022).
   Exekutive Funktionen sind besonders wichtig in der Schule:
    Aufmerksamkeitssteuerung und Unterdrückung nicht wichtiger
    Informationen.
   Beispiel Lesenlernen: Aufmerksamkeit fokussiert auf das Lesen und
    Unterdrückung bestehender Impulse aus der Umwelt.

    MEHRSPRACHIGKEIT UND EXEKUTIVE
    FUNKTIONEN
Bialystok 1986: Studie zeigt, dass   Aufgabe: Grammatisch korrekte Sätze
bilinguale Kinder früher über eine   von inkorrekten zu unterscheiden
metalinguistisches Bewusstsein auf
grammatischer Ebene verfügen.        Sätze, die zwar grammatisch korrekt,
                                     aber unsinnig waren.
       Aufmerksamkeitskontrolle:
       Relevante Merkmale werden     Bilinguale Kinder erkannten diese
       beachtet und irreführende     Sätze häufiger als grammatisch korrekt
       ausgeblendet.                 als monolinguale Kinder.

STUDIEN ZU POTENTIALEN VON
MEHRSPRACHIGKEIT
Bialystok (1992): Studie zeigt, dass
bilinguale Kinder nicht nur bei
linguistischen Prozessen, sondern auch
bei nicht- linguistischen Prozessen
bessere Leistungen zeigen
       Unterdrückung der
       unwichtigen Informationen und
       Konzentration auf relevante
       Aspekte

STUDIEN ZU POTENTIALEN VON
MEHRSPRACHIGKEIT
Bialystok (1999): Unterdrückung
unwichtiger Informationen
Zwei Regeln: 1. Sortiere nach Form
             2. Sortiere nach Farbe
Bilinguale sind besser beim
Unterdrücken der ersten Regel, wenn
das Spiel geändert wird

STUDIEN ZU POTENTIALEN VON
MEHRSPRACHIGKEIT
Weitere       • Bialystok, Craik, Klein &
                   Viswanathan, 2004
 Studien, die    • Bialystok, Craik & Luk, 2008
  bilinguale     • Costa, Hernandez & Sebastián-
                   Gallés, 2008
   Vorteile      • Costa & Sebastián-Gallés, 2014

   fanden:       • Bialystok, Craik & Luk, 2012

                 • Paap & Greenberg, 2013
Studien, keine   • Paap & Sawi, 2014
  bilingualen    • Gathercole, Thomas, Kennedy,
                   Prys, Young, Vinas Guasch, Roberts,
    Vorteile       Hughes & Jones, 2014
                 • Paap, 2014
   fanden:
Sprachein--
                                  stellungen         Individuelle
              Input                                  Fähigkeiten

    Sprach-
   dominanz                                    SöS

                Bilingualismus

WARUM GIBT ES UNTERSCHIEDLICHE
ERGEBNISSE?
   Studien zeigen, dass ein geringer SöS der Eltern Einfluss auf eine
    Reihe von kognitiven Systemen und das Hirnvolumen, durch eine
    verarmte Umgebung bei Kindern haben kann (Noble et al. 2012).
   Kinder, deren Eltern einen hohen SöS haben, weisen dagegen
    bessere kognitive Leistungen auf und steigen mit besseren
    Voraussetzungen in die Schullaufbahn ein (Niklas, 2015).
   Durch Bilingualismus wird die Umgebung angereichert und
    Mehrsprachigkeit hat somit das Potential das Gehirn und die
    kognitiven Systeme zu modifizieren (Bialystok, 2017).

SOZIOÖKONOMISCHER STATUS UND
MEHRSPRACHIGKEIT
   Beherrschen von zwei oder mehreren Sprachen ist ein
    lebenslanger Vorteil.
   Kognitive Vorteile und Ausgleich von niedrigem SöS.
   Kann Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern.
   Hilft andere Sprachen und Kulturen besser zu verstehen.
   Zukünftige Studien zur Mehrsprachigkeit sollten sämtliche
    Faktoren, die den Spracherwerb beeinflussen, berücksichtigen
    und bilinguale Kinder nicht nur mit monolingualen vergleichen,
    sondern auch untereinander.

MEHRSPRACHIGKEIT IST IMMER EINE
BEREICHERUNG!
Literaturverzeichnis

Best, J. R. & Miller, P. H. (2010). A developmental perspective on executive function. Child Development, 81(6), 1641–1660.
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Gathercole, V. C. M., Thomas, E. M., Kennedy, I., Prys, C., Young, N., Viñas Guasch, N., Roberts, E. J., Hughes, E. K. & Jones, L. (2014). Does language
          dominance affect cognitive performance in bilinguals? Lifespan evidence from preschoolers through older adults on card sorting, Simon, and
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Miyake, A., Friedman, N. P., Emerson, M. J., Witzki, A. H., Howerter, A. & Wager, T. D. (2000). The unity and diversity of executive functions and their
          contributions to complex "Frontal Lobe" tasks: a latent variable analysis. Cognitive psychology, 41(1), 49–100.
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Paap, K. R. (2014). The role of componential analysis, categorical hypothesising, replicability and confirmation bias in testing for bilingual advantages in
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Paap, K. R. & Greenberg, Z. I. (2013). There is no coherent evidence for a bilingual advantage in executive processing. Cognitive psychology, 66(2), 232–
          258. https://doi.org/10.1016/j.cogpsych.2012.12.002
Paap, K. R. & Sawi, O. (2014). Bilingual advantages in executive functioning: problems in convergent validity, discriminant validity, and the identification
          of the theoretical constructs. Frontiers in psychology, 5, 962. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2014.00962
VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT!
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