Mentoring an Hochschulen - ÖZBF
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Mentoring an Hochschulen Herausgeber: Astrid Fritz & Florian Schmid © 2019 Druck: Sandler Grafik/Layout: Mag. Anna Klaffinger, BA Fotos: Dr. Johanna Stahl ISBN: 978-3-9504347-3-6 Eigenverlag: Österreichisches Zentrum für Begabtenförderung und Begabungsforschung (ÖZBF) Schillerstraße 30, Techno 12 A-5020 Salzburg Internet: www.oezbf.at Tel.: + 43/662- 439581 Fax: +43/662-439581-310 E-Mail: info@oezbf.at ZVR: 553896729 Alle Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Die Nutzungsrechte liegen bei den Autorinnen und Autoren.
INHALTSVERZEICHNIS Vorwort 7 TEIL I – THEORETISCHE GRUNDLAGEN UND IMPLEMENTIERUNG 8 1. Einleitung 9 Astrid Fritz / Florian Schmid 2. Definition und Formen von Mentoring 11 Astrid Fritz / Florian Schmid 2.1. Geschichte des Mentorings 11 2.2. Definition 11 2.3. Formelles und informelles Mentoring 13 2.4. Zielsetzung und Ausgestaltung von Mentoring 14 2.5. Formen von Mentoring 15 3. Empirische Befunde zu Mentoring und ihre Bedeutung für die Begabtenförderung an Hochschulen 19 Michael Heilemann / Matthias Mader / Daniel Patrick Balestrini / Heidrun Stöger 3.1. Einleitung 19 3.2. Studien zur Wirksamkeit von Mentoring 20 3.3. Aspekte erfolgreichen Mentorings 22 3.4. Nutzung der Erkenntnisse für Mentoring an Hochschulen 25 3.5. Zusammenfassung 28 4. Implementierung eines Mentoring-Programms 33 Astrid Fritz / Florian Schmid 4.1. Konzeptioneller Rahmen 34 4.2. Mentorinnen/Mentoren & Mentees 36 4.3. Qualifizierung und Veranstaltungsmanagement 42 4.4. Informations- und Kontaktmanagement 45 4.5. Qualitätsmanagement 47 5. Mentoring – ein Must-have? 51 Monika Stegmann / Mechthild Dreyer
TEIL II – GOOD-PRACTICE-BEISPIELE 54 1. Das Mentoring-Programm an der Universität St. Gallen 55 Sarah Rickenbach 1.1. Ziele des Programms 56 1.2. Aufbau und Ablauf 56 1.3. Mentorinnen/Mentoren & Mentees 57 1.4. Fazit 59 2. Mentoring@WU (Wirtschaftsuniversität Wien) 61 Margarethe Karl-Goodwin 2.1. Ziele des Programms 62 2.2. Aufbau und Ablauf 62 2.3. Mentorinnen/Mentoren & Mentees 65 2.4. Fazit und Ausblick 66 3. Choose your Mentor (MedUni Wien) 69 Angelika Hofhansl 3.1. Ziele des Programms 70 3.2. Mentorinnen/Mentoren und Mentees 70 3.3. Aufbau und Ablauf 72 3.4. Fazit und Ausblick 75 4. Club Lise (Humboldt-Universität zu Berlin) 77 Susanne Spintig / Tanja Tajmel 4.1. Ziele des Programms 78 4.2. Mentorinnen und Mentees 79 4.3. Aufbau und Ablauf 79 4.4. Fazit und Stimmen zum Mentoring-Programm 82 5. Das Christine de Pizan-Programm der Universität Mainz 85 Monika Stegmann 5.1. Ziele des Programms 86 5.2. Aufbau und Ablauf 86 5.3. Mentorinnen/Mentoren und Mentees 88 5.4. Fazit 90 VERZEICHNIS DER AUTORINNEN UND AUTOREN 92
Vorwort Das österreichische Wissenschafts- und Forschungssystem arbeitet ständig daran, zu einem der wettbewerbsfähigsten der Welt zu werden. Österreich gilt in Europa als „strong innovator“, befindet sich aber immer noch in der Gruppe der „innovation follo- wer“ und noch nicht im Bereich der „innovation leader“. Um dies zu erreichen, müssen zum einen strategische Schwerpunkte im Hochschulsektor gesetzt werden. Zum ande- ren müssen exzellente Studierende und Forscher/innen weiterhin gezielt gefördert wer- den. Die Förderung durch Mentoring stellt dabei einen wesentlichen Baustein für die in- dividuellen Karrierewege dar – und aggregiert auf Systemebene eine wichtige Kompo- nente zur Etablierung eines exzellenten Hochschulstandorts. Mutatis mutandis kommt dem Instrument Mentoring aber natürlich auch eine erfolgskritische Rolle in der Gestal- tung der sozialen Dimension in der Hochschulbildung zu. Professionelle Begleitung im Rahmen von Mentoring führt in einer frühen Phase des Studiums über fachliche Orientierung, psychosoziale Begleitung und Wissensaustausch dazu, dass Studierende zielgerichteter und schneller ein entsprechendes Leistungs- niveau erreichen. Um im nächsten Schritt wissenschaftliche Exzellenz zu erlangen, braucht es jedoch nicht nur fachliche Expertise, sondern auch wissenschaftliche Netz- werke, um Forschungskooperationen zu initiieren, kompetentes Feedback zu erhalten und Forschungsergebnisse sichtbar zu machen. Mit der vorliegenden Publikation soll die Implementierung formeller Mentoringprogram- me unterstützt werden. Formelle Mentoringprogramme besitzen gegenüber informellem Mentoring den Mehrwert, dass der Zugang zu professioneller Begleitung und relevan- ten Netzwerken systematisch erfolgt. Mit formellen Programmen werden nicht zuletzt auch Studierende angesprochen, denen traditionell der Wissenschaftsbetrieb weitge- hend fremd ist. Dies entspricht dem Ziel der Regierung, „alle potenziellen Talente“ durch flankierende Maßnahmen wie etwa Beratung zu fördern. Wissenschaftliche Talente brauchen diese Begleitung, um ihr Potenzial entfalten zu können. Hochschulen und Forschungsinstitutionen können durch Mentoring und andere gezielte Maßnahmen zur Förderung herausragender Studierender ein exzellentes Um- feld schaffen und so den Hochschulstandort Österreich für junge akademische Talente attraktiv gestalten. Sektionschef Mag. Elmar Pichl Leiter der Hochschulsektion im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) Vorwort 7
1. Einleitung Astrid Fritz / Florian Schmid Um exzellente Leistungen zu erreichen, braucht es jemanden, der das Lernen supervi- diert, Fortschritte diagnostiziert, individuelles Feedback erteilt und die nächsten Lern- schritte plant (vgl. Ericsson, Krampe & Tesch-Römer, 1993). Solch anspruchsvolle Lern- gelegenheiten lassen sich fast nur in einem individuellen Lernsetting bewerkstelligen. Dies zeigen empirische Studien und Metaanalysen, in denen individuell zugeschnittene Lernformen, wie die des Mentorings, mit anderen Förder- und Instruktionsmethoden verglichen werden (z.B. Bloom, 1984; Lipsey & Wilson, 1993; für eine Übersicht siehe Stöger & Ziegler, 2012). So erzielten in einer Studie von Bloom (1984) auf diese Weise unterrichtete Schüler/innen bis zu zwei Standardabweichungen bessere Leistungen als Schüler/innen, die mit Hilfe anderer Instruktionsmethoden unterrichtet wurden. Bloom erklärte deshalb ein individuelles Mentoring zum Goldstandard der Pädagogik und des Lernens, an dem sich alle anderen Erziehungstechniken messen lassen müssen (Zieg- ler, 2009). Viele Hochschulen haben das Potenzial von Mentoring bereits erkannt. Eine Erhebung des ÖZBF aus dem Jahr 2015 hat gezeigt, dass bereits 44 % der 34 befragten österrei- chischen Hochschulen formelle Mentoring-Programme installiert haben (vgl. Fritz, 2015). Um die Attraktivität des Hochschulstandorts zu erhöhen, ist es den Hochschulen ver- stärkt ein Anliegen, Studierende optimal in ihrem Lernprozess zu begleiten. Mentoring ist dabei eine besonders intensive und erfolgversprechende Form der Begleitung von Studierenden. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Zahl an Mentoring-Programmen an Hochschulen weiter ansteigen wird. Das ÖZBF beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit dem Thema Mentoring und setzt dies auch bereits prototypisch um. Im Jahr 2010 wurde ein Mentoring-Programm für die Schüler/innen, die am ÖZBF-Programm Schüler/innen an die Hochschulen teilnehmen, implementiert. Das Programm Schüler/innen an die Hochschulen bietet Schülerinnen/ Schülern die Möglichkeit, bereits während der Schulzeit Lehrveranstaltungen an öster- reichischen Hochschulen zu besuchen und Prüfungen zu absolvieren. Diese werden nach der Matura für ein späteres Studium angerechnet. Seit 2010 werden die studierenden Schüler/innen von Mentorinnen/Mentoren begleitet. Im Rahmen dieses Programms Einleitung 9
konnten zentrale Erfahrungen mit der Implementierung und Begleitung eines Mentoringpro- gramms gesammelt werden. Die vorliegende Handreichung richtet sich an Entwicklungsverantwortliche an Hochschulen und möchte Lust auf die Implementierung von Mentoring-Programmen an der eigenen Hochschule machen. Sie legt dar, wie Mentoring-Programme ausgestaltet werden können (Kapitel 2), wel- che empirischen Befunde für die Effektivität von Mentoring vorliegen (Kapitel 3), wie Mento- ring-Programme implementiert, begleitet und evaluiert werden können (Kapitel 4) und warum sie ein Must-have für Hochschulen sind (Kapitel 5). Anhand von Good-Practice-Beispielen in den Kapiteln 6 bis 10 gewinnt die Leserin/der Leser einen Eindruck von gelungenen Mentoring- Programmen an Hochschulen. Literatur Bloom, B. S. (1984). The 2 sigma problem: The search for methods of group instruction as effective as one-to-one tutoring. Educational Researcher, 13(6), 4–16. Ericsson, K. A., Krampe, R. T. & Tesch-Römer, C. (1993). The role of deliberate practice in the acqui- sition of expert performance. Psychological Review, 100(3), 363–406. Fritz, A. (2015). Der tertiäre Sektor im Fokus – Studie zur Begabungs- und Exzellenzförderung an österreichischen Hochschulen. news&science. Begabtenförderung und Begabungsforschung, 39, 8–12. Lipsey, M. W. & Wilson, D. B. (1993): The efficacy of psychological, educational, and behavioral treatment. American Psychologist, 48, 1181–1201. Stöger, H. & Ziegler, A. (2012). Wie effektiv ist Mentoring? Ergebnisse von Einzelfall- und Meta- Analysen. Diskurs Kindheits- und Jugendforschung, 7(2), 131–146. Ziegler, A. (2009). Mentoring. Konzeptuelle Grundlagen und Wirksamkeitsanalyse. In H. Stöger, A. Ziegler & D. Schimke (Hrsg.), Mentoring: Theoretische Hintergründe, empirische Befunde und praktische Anwendungen (S. 7–30). Lengerich: Pabst. 10 Einleitung
2. Definition und Formen von Mentoring Astrid Fritz / Florian Schmid 2.1. Geschichte des Mentorings Die erste – und zugleich namensgebende – Mentoring-Beziehung wurde im antiken Grie- chenland im Epos „Odyssee“ von Homer dokumentiert. Als Odysseus in den Trojanischen Krieg aufbricht, überlässt er die Erziehung und Ausbildung seines Sohnes Telemachos sei- nem Freund Mentor. Dieser wurde dem Anvertrauten ein väterlicher Freund und Ratgeber. Mentoring steht seither für eine Beziehung zwischen einer etwas älteren, erfahreneren und wohlwollenden Person und einer jüngeren, die in vielen Lebensbereichen begleitet und unterstützt wird (Schmid & Haasen, 2011; Eby, Allen, Evans, Ng & DuBois, 2008). Dieses Konzept war über sämtliche Jahrhunderte von der Antike bis heute attraktiv und gegenwärtig. Am deutlichsten sieht man dies in der Beziehung des Meisters zu seinem Lehrling, die bis heute eine Mentoring-Beziehung darstellt. Dabei wird nicht nur fachli- ches Wissen weitergegeben, sondern der Lehrling wird auch in die Netzwerke und Spiel- regeln der jeweiligen Profession eingeführt. Neben der Vermittlung von Wissen und dem Training von Fertigkeiten ist gerade auch im universitären Kontext die Vermittlung von Einstellungen, Haltungen und Werten bedeutsam, die im Rahmen einer Mentoring-Be- ziehung weitergegeben werden können (Spoun, 2005). Bekannte Mentoring-Tandems im Bereich der Hochschule waren etwa Lise Meitner und Max Planck, Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven oder Charles Darwin und John Henslow (u.a. Graf & Edelkraut, 2014; McGreevy, 1990; Romahn, 2017). 2.2. Definition Viele Definitionen von Mentoring gehen von einem Zweier-Tandem (One-to-one-Men- toring) aus, betten die Beziehung in einen beruflichen Kontext ein und enthalten Begrif- fe wie Unterstützung, Förderung und Entwicklung (Romahn, 2017). Eine etablierte und zweckmäßige Definition hat Ziegler (2009, S. 11) vorgelegt: Definition und Formen von Mentoring 11
„Mentoring ist eine zeitlich relativ stabile dyadische Beziehung zwischen einem/einer erfahrenen Mentor/in und seinem/r/ihrem/r weniger erfahrenen Mentee. Sie ist durch gegenseitiges Vertrauen und Wohlwollen geprägt, ihr Ziel ist die Förderung des Ler- nens und der Entwicklung sowie das Vorankommen des/der Mentee/s.“ Mit dem Wesen von Mentoring haben sich Eby, Rhodes und Allen (2010) beschäftigt. Sie halten fünf wesentliche Merkmale von Mentoring-Partnerschaften fest: • Mentoring stellt eine einzigartige Beziehung zwischen zwei Individuen dar und keine Mentoring-Beziehung gleicht der anderen. • Mentoring ist immer eine Beziehung, die darauf ausgerichtet ist, in irgendeiner Form Wissen zu generieren. • Mentoring ist immer ein Prozess, der durch die Art der Unterstützung oder Beziehung näher definiert wird. So kann Mentoring auf emotionaler oder psychosozialer Ebene von Freundschaft, über Unterstützung bis Akzeptanz reichen. Auf der karrierebezo- genen Ebene kann die Beziehung Informationsweitergabe, Fürsprache oder Coaching bedeuten. • Eine Mentoring-Beziehung ist immer asymmetrisch (jemand mit einem deutlichen Wissens- und Erfahrungsvorsprung begleitet jemanden mit weniger Wissen und Er- fahrung), was jedoch nicht bedeutet, dass sie nicht reziprok wäre. Auch wenn in einer Mentoring-Partnerschaft immer die Weiterentwicklung der/des Mentee/s, in welcher Form auch immer, im Vordergrund steht, profitiert immer auch die Mentorin/der Men- tor vom Austausch. • Mentoring-Partnerschaften stellen dynamische Beziehungen dar. Im akademischen Kontext umfasst der Mentoring-Prozess meist Folgendes (vgl. Allen, Eby, O’Brien & Lentz, 2008; Spoun, 2005): • Eine Hochschullehrende/ein Hochschullehrender teilt ihr/sein Wissen (v.a. Fach- und Institutionenwissen) mit einer/einem Studierenden. • Ziel ist die Förderung der akademischen Entwicklung. • Es findet eine Auseinandersetzung mit überfachlichen Kompetenzen (Einstellungen, Haltungen, Werte etc.) statt. • Der Prozess impliziert eine Weiterentwicklung der Persönlichkeit. Diese Annäherungen an den Mentoring-Begriff sollen allerdings nicht verschleiern, dass es – bedingt durch die unterschiedlichen Ausprägungen von Mentoring-Partnerschaften – unter- schiedliche Auffassungen zur genauen Begriffsdefinition gibt. In Bezug auf folgende Fragen unterscheiden sich Mentoring-Definitionen am häufigsten (vgl. DuBois & Karcher, 2005; Ro- mahn, 2017): • Muss Mentoring zwingend ein Zweier-Tandem sein oder kann Mentoring auch in Grup- pen stattfinden? 12 Definition und Formen von Mentoring
• Wie (emotional) tiefgehend muss eine Mentoring-Beziehung sein? • Dürfen Mentorinnen/Mentoren bezahlt werden? • Kann der Austausch zwischen Mentor/in und Mentee auch ausschließlich mit- tels digitaler Medien stattfinden? • Muss die Mentorin/der Mentor zwingend älter sein? Diesen Rahmen muss jedes formelle Mentoring-Programm selbst definieren und Ziele, Laufzeit, Beziehungsnähe, Häufigkeit der Treffen etc. individuell festlegen. 2.3. Formelles und informelles Mentoring Im Rahmen der Definition des Begriffes „Mentoring“ ist die Unterscheidung von formellem und informellem Mentoring bedeutsam. Informelles Mentoring entwickelt sich natürlich und ohne Unterstützung von außen, also allein durch persönliche Beziehungen und Netz- werke. Diese Mentoring-Beziehung entwickelt sich über einen längeren Zeitraum und es gibt keinen klar definierbaren Anfang und Endpunkt der Mentoring-Beziehung. Formelles Mentoring ist hingegen institutionell veranlasst und die Mentoring-Partner/innen werden von Dritten zusammengeführt („gematched“) (vgl. Eby, Rhodes & Allen, 2007; Pflaum, 2017). Ende des 20. Jahrhunderts hat sich das Konzept des formellen Mentorings vor allem als Maßnahme zur Erhöhung von Chancengerechtigkeit in den unterschiedlichsten Berei- chen etabliert. So wurden vor allem in den USA Mentoring-Programme zur Unterstüt- zung von benachteiligten Kindern und Jugendlichen, jugendlichen Straftäter/innen, Ri- sikoschüler/innen oder von Jugendlichen mit Einschränkungen etc. installiert. Daneben wurde es auch in Unternehmen und Organisationen immer populärer, Mentoring-Pro- gramme als Personalentwicklungstool einzusetzen und Mentoring-Programme firmen- intern und firmenübergreifend zu implementieren (workplace mentoring), um so die po- sitiven Effekte informellen Mentorings für sich zu nutzen (vgl. Romahn, 2017; DuBois & Karcher, 2005; Pflaum, 2017). Sowohl formelles als auch informelles Mentoring haben gewisse Vor- und Nachteile. Informelle Mentoring-Tandems verbindet von Natur aus eine gegenseitige Sympathie und Anerkennung. Sie verhandeln Ausgestaltung und Ausrichtung ihrer Zusammenar- beit selbstbestimmt und können individuell die für sie geeignetste Form der Kooperati- on finden. Nicht zuletzt deshalb zeichnet informelle Mentoring-Tandems tendenziell eine tiefere, teilweise freundschaftliche Verbundenheit aus (Godshalk & Sosik, 2007; Blake- Beard, O´Neill & McGowan, 2007). Formelle Programme weisen folgende Vorteile auf: • Sie bieten Personengruppen Zugang zu Mentoring-Programmen, denen ein informelles Mentoring oftmals verwehrt bleiben würde (z.B. Frauen, die Füh- Definition und Formen von Mentoring 13
rungspositionen anstreben; bildungsferne Studierende, die eine akademische Lauf- bahn ansteuern etc.). • Die Tandems arbeiten oftmals fokussierter an Karriereplanung. • Die Tandems können bei Beziehungskrisen oder Konflikten auf externe Unterstützung durch die Programmleitung zurückgreifen. In Bezug auf die wahrgenommenen Effekte von formellen im Gegensatz zu informellen Men- toring-Beziehungen sind die Ergebnisse empirischer Untersuchungen widersprüchlich (Pflaum, 2017). Befunde zu Effekten von Mentoring werden ausführlich in Kapitel 3 vorgestellt. 2.4. Zielsetzung und Ausgestaltung von Mentoring Im Hochschulbereich wurde erst in den letzten Jahren flächendeckend am Ausbau formeller Mentoring-Programme gearbeitet (Schmid & Haasen, 2011). Durch die exponentielle Zunahme an formellen Mentoring-Programmen haben sich Ausgestaltung und die Zielgruppen von Men- toring-Programmen immer weiter ausdifferenziert. So gibt es Mentoring-Programme, die • Chancengerechtigkeit erhöhen sollen (etwa Frauenförderprogramme), • Studienanfängerinnen/-anfängern den Einstieg in das Studium erleichtern sollen oder auch • Exzellenzförderprogramme, die besonders motivierte, interessierte und talentierte Studierende durch mentorielle Begleitung fördern. Inhaltlich gibt es vor allem drei mögliche Ausgestaltungsformen: • Mentorielle Begleitung durch akademisches Personal der Hochschule mit dem Ziel, akademische Leistungen zu erzielen und eine universitäre Laufbahn einzuschlagen (in- ternes Mentoring) • Mentorielle Begleitung durch Mitarbeiter/innen potenzieller späterer Arbeitgeber (Ko- operation: Hochschule und Wirtschaft) mit dem Ziel, bereits während der Studienzeit praktische Erfahrungen im zukünftigen Berufsfeld zu sammeln und auf Führungsposi- tionen vorzubereiten (externes Mentoring) • Mentorielle Begleitung durch Studierende derselben Hochschule mit dem Ziel, neuen Studierenden einen schnelleren und effektiveren Einstieg in ein Studienfach zu ermög- lichen (Peer-Mentoring). Die Ausgestaltung der formellen Mentoring-Programme variiert je nach Zielgruppe und Aus- richtung. So müssen die Verantwortlichen entscheiden, wie viele gemeinsame Veranstaltungen 14 Definition und Formen von Mentoring
das Programm benötigt, ob Begleitseminare den Effekt des Mentoring verstärken sollen, welche Art der Kommunikation (Mail, Telefon, persönliches Treffen etc.) zwischen den Mentoring-Tandems gewünscht wird etc. 2.5. Formen von Mentoring Mentoring kann in unterschiedlichen Formen organisiert sein. Neben dem dyadischen Ansatz, in dem eine einzelne erfahrene Mentorin/ein einzelner erfahrener Mentor ihre/n bzw. seine/n weniger erfahrenen Mentee wohlwollend unterstützt, kann Mentoring auch in Kleingruppen stattfinden. Sowohl das dyadische wie auch das Gruppen-Mentoring können im direkten persönlichen Kontakt erfolgen (klassisches Mentoring), durch elektro- nische Kommunikationselemente unterstützt (blended-mentoring) oder sogar ausschließ- lich auf virtuelle Kommunikation beschränkt sein (E-Mentoring). Nachfolgend werden die für den Hochschulbereich wichtigen Formen mit ihren Vor- und Nachteilen skizziert. Klassisches One-to-one-Mentoring In dieser Grundform des Mentoring betreut eine erfahrene Person eine jüngere, weni- ger erfahrene Person in einem 1:1 Verhältnis. Durch den direkten persönlichen Kontakt kann eine enge und vertrauensvolle Beziehung zwischen Mentor/in und Mentee aufge- baut werden, in der auch sehr private Fragen der Lebensplanung und Persönlichkeits- entwicklung aufgeworfen und Erfahrungen ausgetauscht werden können. Durch dieses enge Verhältnis bekommt der Mentee Zugang zu informellem Wissen und Netzwerken, die anders kaum zu erhalten sind. Diese klassische Form des Mentorings ist dann ange- bracht, wenn eine kleine gut definierbare Zielgruppe (Mentees) sehr intensiv gefördert werden soll. Somit eignet sich One-to-one-Mentoring vor allem im Hochschulbereich sehr gut, um besonders motivierte, interessierte und talentierte Studierende zu fördern und zu Leistungsexzellenz zu bringen. Gruppen-Mentoring Beim Gruppen-Mentoring werden mehrere Mentees gleichzeitig durch eine Mentorin/ einen Mentor zu berufs-, karriere- oder alltagsbezogenen Fragestellungen begleitet. Das schlechtere Betreuungsverhältnis kann dabei partiell durch kollegiales Lernen und gegenseitige Unterstützung der Mentees kompensiert werden. Das Mentoring in der Kleingruppe beinhaltet durch die unterschiedlichen Persönlichkeiten und ihre Hinter- gründe zumeist eine größere Themenvielfalt als das klassische Mentoring. Diese Form des Mentorings wird vor allem dann eingesetzt, wenn auf eine nachhaltige Vernetzung der Mentees abgezielt wird oder zu wenige Mentorinnen/Mentoren für eine zu große Zahl an Mentees zur Verfügung stehen. An der Hochschule finden sich Gruppen-Men- Definition und Formen von Mentoring 15
torings vor allem im Bereich der Studierendenbetreuung (vgl. Hartung, 2012). Die Mentorinnen und Mentoren können aus der Professorenschaft, aus dem Mittelbau oder aus der Gruppe der Studierenden kommen. Ein so angelegtes Mentoring findet zumeist in Form von mehreren offi- ziellen Gruppentreffen während des Semesters statt. Peer-Mentoring Peer-Mentoring bezeichnet ein Mentoring unter Gleichaltrigen bzw. Gleichgestellten. Dabei beschäftigt sich eine festgelegte Kleingruppe von ca. vier bis sechs Personen aus derselben Qualifikationsstufe in regelmäßigen, strukturierten Arbeitstreffen mit diversen vorher festge- legten Inhalten (Brocke, Brüschke, Ogawa-Müller & Gaede, 2017). Diese können von Fragen der Persönlichkeitsentwicklung bis hin zur Karriereplanung reichen, aber auch von der Bewältigung alltäglicher Probleme handeln. Die Teilnehmer/innen unterstützen sich dabei gegenseitig mit ihren eigenen Kompetenzen und individuellen Erfahrungen. Peer-Mentoring baut auf den Prin- zipien der Eigenverantwortlichkeit, der Selbstorganisation und der Notwendigkeit eigenen En- gagements auf. Die Gruppenprozesse werden von allen Gruppenmitgliedern gesteuert. Wich- tige Schlüsselkriterien sind Verlässlichkeit und Verbindlichkeit sowie der wertschätzende und konkurrenzfreie Umgang miteinander (Graf & Edelkraut, 2014). Während das klassische verti- kale Mentoring eher darauf abzielt, Einsichten in bisher unbekannte bzw. auch informelle Wis- sensbestände zu ermöglichen, besteht im Peer-Mentoring die Möglichkeit eigene Situationen, Herausforderungen und Entscheidungsprozesse mit Gleichaltrigen bzw. Gleichgestellten zu re- flektieren. An Hochschulen findet man diese Form des Mentoring oft in Programmen, in denen Höhersemestrige neu immatrikulierten Studierenden beratend zur Seite stehen. Blended-Mentoring Im Blended-Mentoring werden klassische Mentoring-Aspekte mit Online-Elementen verbun- den. Zwischen den persönlichen face-to-face-Meetings, durch die eine Vertrauensbasis auf- gebaut werden kann, treffen sich Mentor/in und Mentee online, etwa über Videokonferenzen oder bereitgestellte Online-Plattformen mit Kommunikationsfunktion. Durch die Online-Treffen kann trotz Zeit- und Ressourcenknappheit ein regelmäßiger Kontakt innerhalb des Tandems aufrechterhalten werden. Zudem erleichtert die digitale Verbindung die Weitergabe von Mate- rialien oder Hinweisen in unterschiedlichen Formaten und zusätzlich wird nebenbei wird auch die IT- und Medienkompetenz gefördert (vgl. Graf & Edelkraut, 2017). Auch eine Vernetzung mit anderen Tandems ist im Blended-Mentoring zumeist leicht möglich. Blended-Mentoring eignet sich zudem besonders in Fällen, bei denen Mentor/in und Mentee an unterschiedlichen Standorten arbeiten, beispielsweise bei einem externen Mentoring, in dem Studierende durch externe Professionisten von kooperierenden Firmen betreut werden. E-Mentoring Beschränkt sich die Mentoring Beziehung auf rein virtuelle Formen der Kommunikation und Zusammenarbeit, so spricht man vom E-Mentoring. Synonym werden auch die Begriffe Tele- 16 Definition und Formen von Mentoring
Mentoring, Online-Mentoring, Non-face-to-face-Mentoring und virtuelles Mentoring verwendet. Die Kommunikation im Tandem kann dabei sowohl synchron (z.B. Chats, Vi- deokonferenz, Telefon) als auch asynchron (z.B. E-Mails, Foren) erfolgen. Auch wenn sich Vertrauen normalerweise in reinen Online-Beziehungen langsamer aufbaut und Mimik und Körpersprache nicht oder nur eingeschränkt wahrgenommen werden können, finden es manche Personen leichter, sich auf diesem Wege zu öffnen (Law, Ireland & Hussain, 2007). Der größte Vorteil von E-Mentoring ist sicherlich die maximal mögliche Flexibilität von Zeit und Ort. Mentoring-Tandems können sich aus Partnern aus der ganzen Welt zu- sammenfinden, räumliche Distanzen spielen keine Rolle. Und abgesehen von einer mög- lichen Zeitverschiebung ist ein virtuelles Treffen leicht arrangierbar. Zudem wird oft an- geführt, dass Vorurteile bezüglich bestimmter Merkmale wie ethnischer Zugehörigkeit, Hautfarbe, Alter oder Geschlecht bei dieser Form des Mentorings nicht zum Tragen kom- men (Sander, Ebach & Endepohls-Ulpe, 2010). E-Mentoring wird dort eingesetzt, wo es für die Mentees keine oder nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten gibt, direkt vor Ort mit Mentorinnen/Mentoren in Kontakt zu treten (z.B. Mentees aus einem ländlichen Raum). Daneben gibt es auch spezifische Mentoring-Programme, die bewusst auf eine der oben genannten Vorteile von E-Mentoring abzielen und im Austausch mögliche Nachteile der rein virtuellen Kommunikation in Kauf nehmen. Literatur Allen, T. D., Eby, L. T. T., O’Brien, K. E. & Lentz, E. (2008). The state of mentoring research: A qualitative review of current research methods and future research implications. Journal of Vocational Behavior, 73(3), 343–357. Blake-Beard, S., O`Neill, R. & McGowan, E. (2007). Blind Dates? The Importance of Matching in Successful Formal Mentoring Relationships. In B. Ragins & K. Kram (Hrsg.), The Hand- book of Mentoring at Work. Theory, Research, and Practice (S. 617–632). London: Sage. Brocke, P. S., Brüschke, G. V., Ogawa-Müller, Y. & Gaede, I. (2017). Mentoring-Formate: Peer- und Gruppen-Mentoring. In R. Petersen, M. Budde, P. S. Brocke, G. Doebert, H. Rudack & H. Wolf (Hrsg.), Praxishandbuch Mentoring in der Wissenschaft (S. 91–104). Wiesba- den: Springer. DuBois, D. & Karcher, M. (2005). Youth Mentoring: Theory, Research, and Practice. In D. Du- Bois & M. Karcher (Hrsg.), Handbook of Youth Mentoring (S. 2–12). Thousand Oaks: Sage. Eby, L. T., Allen, T. D., Evans, S. C., Ng, T. & DuBois, D. (2008). Does mentoring matter? A mul- tidisciplinary meta-analysis comparing mentored and nonmentored individuals. Journal of Vocational Behavior, 72, 254–267. Eby, L., Rhodes, J. & Allen, T. (2007). Definition and Evolution of Mentoring. In T. Allen & L. Eby (Hrsg.), The Blackwell Handbook of Mentoring (S. 7–20). Oxford: Blackwell. Godshalk, V. M. & Sosik, J. J. (2007). Mentoring and Leadership. In B. Ragins & K. Kram (Hrsg.), The Handbook of Mentoring at Work. Theory, Research, and Practice (S. 149– 178). London: Sage. Definition und Formen von Mentoring 17
Graf, N. & Edelkraut, F. (2014). Mentoring: Das Praxishandbuch für Personalverantwortliche und Un- ternehmer. Wiesbaden: Springer Gabler. Graf, N. & Edelkraut, F. (2017). Blended Mentoring – Soziales Lernen im neuen Leadership-Zeitalter. In C. von Au (Hrsg.), Entwicklung von Führungspersönlichkeiten und Führungskulturen (S. 83–97). Wiesbaden: Springer. Hartung, A. B. (2012). Studie zum Einsatz von Mentoring-Programmen als Instrument struktureller Förderung für Studierende an deutschen Universitäten. Arbeitspapier Hans Böckler Stiftung, Bildung und Qualifizierung, No. 243. Online abrufbar unter: https://www.boeckler.de/pdf/p_ arbp_243.pdf [29.03.2018]. Law, H., Ireland, S. & Hussain, Z. (2007). The Psychology of Coaching, Mentoring and Learning. Chister: Wiley & Sons. McGreevy, A. (1990). Darwin and Teacher: An Analysis of the Mentorship between Charles Darwin and Professor John Henslow. Gifted Child Quarterly, 34(1), 5–9. Pflaum, S. (2017). Mentoring beim Übergang vom Studium in den Beruf. Empirische Studie zu Er- folgsfaktoren und wahrgenommenem Nutzen. Wiesbaden: Springer. Romahn, A. (2017). Mentoring – traditionsreicher Begriff und bewährtes Konzept. In R. Petersen, M. Budde, P. S. Brocke, G. Doebert, H. Rudack & H. Wolf (Hrsg.), Praxishandbuch Mentoring in der Wissenschaft (S. 7–16). Wiesbaden: Springer. Sander, E., Ebach, J. & Endepohls-Ulpe, M. (2010). Mentoring am Beispiel von Ada-Lovelace, einem Projekt zur Förderung von Frauen in MINT-Studiengängen und -berufen. In C. Quaiser-Pohl & M. Endepohls-Ulpe (Hrsg.), Bildungsprozesse im MINT-Bereich: Interesse, Partizipation und Leis- tungen von Mädchen und Jungen (S. 95–107), Münster: Waxmann. Schmid, B. & Haasen, N. (2011). Einführung in das systemische Mentoring. Heidelberg: Carl Auer. Spoun, S. (2005). Mentoring und Coaching an der Universität: Legitimation – Ziele – Gestaltung In S. Spoun & W. Wunderlich (Hrsg.), Studienziel Persönlichkeit. Beiträge zum Bildungsauftrag der Universität heute (S. 335–350). Frankfurt: Campus. Ziegler, A. (2009). Mentoring. Konzeptuelle Grundlagen und Wirksamkeitsanalyse. In H. Stöger, A. Ziegler & D. Schimke (Hrsg.), Mentoring: Theoretische Hintergründe, empirische Befunde und praktische Anwendungen (S. 7–30). Lengerich: Pabst. 18 Definition und Formen von Mentoring
3. Empirische Befunde zu Mentoring und ihre Bedeutung für die Begabtenförderung an Hochschulen Michael Heilemann / Matthias Mader / Daniel Patrick Balestrini / Heidrun Stöger 3.1. Einleitung „One of the most rewarding and important relationships a researcher can have is with his or her mentor“ (American Psychological Society, 1999; zitiert nach Tenenbaum, Crosby & Gliner, 2001, S. 328). Mentoring gilt in den Erziehungswissenschaften aufgrund der individuellen Betreuungs- situation als Goldstandard des Lernens und als eine der effektivsten Methoden zur För- derung von Begabten (Grassinger, Porath & Ziegler, 2010). Fallstudien und Metaanalysen, in denen die Wirksamkeit von Mentoring mit anderen Fördermaßnahmen verglichen wird, weisen auf die hohe Bedeutsamkeit von Mentorinnen und Mentoren für die Entwicklung von Leistungen und Leistungsexzellenz hin (Bloom, 1984; Lipsey & Wilson, 1993; Subot- nik, Edmiston, Cook & Ross, 2010). Obwohl viele erfolgreiche Personen Mentorinnen/ Mentoren hatten und diese für ihre Karriereentwicklung als wichtig empfinden (Roch, 1979; Stöger & Ziegler, 2012; Vaillant, 1977) und auch einige Studien mit leistungsex- zellenten Personen auf die Bedeutung von Mentoring hinweisen (Bloom, 1985; Sosni- ak, 2006), existiert bislang vergleichsweise wenig Forschung zum Mentoring Begabter (Şahin, 2014), auch liegen bislang kaum verlässliche Daten für den Hochschulbereich vor. Aus diesem Grund werden wir im Folgenden vor allem Studien zu Mentoring-Program- men in anderen Bereichen – nämlich allgemeines Mentoring von Jugendlichen, Men- toring in Unternehmen und Mentoring in akademischen Kontexten – aufarbeiten. Dies erscheint vor allem deshalb wichtig, weil aus diesen Bereichen mittlerweile zahlreiche Metaanalysen vorliegen, die zeigen, dass Mentoring nicht immer zu positiven Effekten führt, sondern teilweise auch zu niedrigen oder sogar negativen Effekten (Allen, Eby, Poteet, Lentz & Lima, 2004; Dickson et al., 2014; DuBois, Holloway, Valentine & Cooper, 2002; DuBois, Portillo, Rhodes, Silverthorn & Valentine, 2011; Eby, Allen, Evans, Ng & DuBois, 2008; Eby et al., 2013; Kammeyer-Mueller & Judge, 2008). Gleichzeitig liefern diese Studien aber auch Hinweise, was für die Entwicklung von erfolgreichen Mento- Empirische Befunde 19
ring-Programmen beachtet werden sollte. Eine genaue Betrachtung zeigt, dass die sehr unter- schiedlichen Fördereffekte auf Aspekte der Umsetzung von Mentoring-Programmen zurückzu- führen sind (Greindl, Heilemann, Stöger & Ziegler, 2018; Stöger & Ziegler, 2012). Unter der Voraussetzung, dass bestimmte, aus der empirischen Forschung zu Mentoring bekannte Erfolgsaspekte bei der Planung und Durchführung der Programme berücksichtigt werden, können Mentoring-Programme eine ideale Möglichkeit darstellen, begabte Studierende, Doktorandin- nen/Doktoranden und Post-Doktorandinnen/Doktoranden optimal in ihrer persönlichen und beruf- lichen Entwicklung zu fördern und auf ihrem Weg hin zur akademischen Exzellenz zu unterstützen. Der vorliegende Beitrag fokussiert deshalb die Frage, unter welchen Bedingungen Mentoring eine effektive Maßnahme zur Förderung von Begabten an Hochschulen sein kann. Als erstes gehen wir auf empirische Forschung zur allgemeinen Wirksamkeit von Mentoring ein. In einem zweiten Abschnitt diskutieren wir, welche Aspekte sich in Studien als wichtig für erfolgreiches Mentoring erwiesen haben. In einem dritten und abschließenden Abschnitt erörtern wir, wie diese Erkennt- nisse bei der Umsetzung von Mentoring-Programmen an Hochschulen genutzt werden können. 3.2. Studien zur Wirksamkeit von Mentoring Mittlerweile wurden zahlreiche empirische Studien zur Wirksamkeit von Mentoring-Program- men durchgeführt. Ein großer Teil der Studien wurde in Metaanalysen aufgenommen, wodurch die Ergebnisse der einzelnen Studien zueinander in Beziehung gesetzt werden können (z.B. Du- Bois et al., 2002; DuBois et al., 2011; Eby et al., 2008; Eby et al., 2013). Darüber hinaus stützen wir unsere Ausführungen auf weitere Studien zu Begabten- und Hochschul-Mentoring, deren Ergebnisse bislang nicht in Metaanalysen enthalten sind. Insgesamt bestätigten die Ergebnisse der Metaanalysen zwar die positiven Wirkungen von Mentoring, jedoch konnten den meisten Mentoring-Programmen lediglich niedrige bis mittlere Effektstärken bescheinigt werden. Die Art der Mentoring-Programme beeinflusste dabei die Höhe der Fördereffekte. Beispielsweise erwies sich bei einer Unterscheidung nach Zielgruppe und angestrebten Mentoring-Zielen aka- demisches Mentoring als besonders erfolgreich (Eby et al., 2008). In Abhängigkeit von Zielgruppe und Mentoring-Zielen wird in der Forschungsliteratur häufig zwischen Mentoring für Jugendliche, Arbeitsplatz-Mentoring und Mentoring im akademischen Bereich unterschieden. Im Rahmen dieser drei Mentoring-Bereiche werden jeweils unter- schiedliche Zielgruppen und Ziele fokussiert, auch wenn einige Überschneidungen existieren: Als Jugend-Mentoring werden gemeinhin Mentoring-Programme bezeichnet, in denen Kinder oder Jugendliche in ihrer persönlichen, emotionalen, kognitiven oder psychischen Entwicklung unterstützt werden sollen (Eby et al., 2008). Die Ziele von Mentoring-Programmen für Jugend- liche bestehen häufig darin, risikoreiche Verhaltensweisen wie Drogenkonsum oder Krimina- lität zu minimieren sowie soziales und akademisches Verhalten zu optimieren (DuBois & Kar- cher, 2014), womit sich teilweise eine Überschneidung zum akademischen Mentoring ergibt. 20 Empirische Befunde
Ziele beim Arbeitsplatz-Mentoring, das in Organisationssettings (Unternehmen) ange- siedelt ist, bestehen im persönlichen und professionellen Wachstum der Mentees, die beispielsweise von Vorgesetzten oder anderen Organisationsangehörigen protegiert werden (Kram, 1985). Dabei stehen vor allem karriererelevante Aspekte wie Gehalt, Beförderungen sowie Zufriedenheit mit Karriere und Beruf im Vordergrund (Allen et al., 2004; Blickle & Boujataoui, 2005). Unabhängig von der Zielgruppe waren im Rahmen von Mentoring-Programmen Ziele wie die Bereitschaft, anderen zu helfen, sowie positive Veränderungen der Einstellungen ge- genüber der Schule bzw. der eigenen Karriere, besonders gut zu erreichen. Einstellungs- aspekte konnten insgesamt am stärksten durch Mentoring verändert werden (Eby et al., 2008). Schwieriger war es hingegen, Ziele wie die Minimierung von psychischer Belas- tung und von Stress, konkrete Erfolge für die berufliche Laufbahn (z.B. Beförderungen), Veränderung von abweichendem Verhalten (z.B. aggressives Verhalten, Belügen der El- tern) oder eine Verbesserung der Selbstwahrnehmung zu erreichen. In der Metaanalyse von Eby und Kollegen (2008) zeigten diese Mentoring-Ziele die geringsten Effektstärken, die aber dennoch signifikant positiv waren. Ziele, die im Rahmen von akademischen Men- toring-Programmen im Vergleich zu Jugend- und Arbeitsplatz-Mentoring besonders ef- fektiv gefördert werden können, umfassen die Steigerung von (akademischen) Leistungen (Jacobi, 1991; Johnson, 2007), die Reduzierung von Abbruchabsichten (Larose et al., 2011) und Abbruchquoten (Tinto, 1975) sowie die Verbesserung von Einstellungen und Motiva- tion (Eby et al., 2008). Während die Wirksamkeit der Mentoring-Programme für Jugendli- che mit Effektstärken zwischen .03 und .14 am geringsten war, erwies sich akademisches Mentoring mit Effektstärken zwischen .11 und .36 als am wirksamsten (Eby et al., 2008). Die höhere Wirksamkeit der akademischen Mentoring-Programme ist unter anderem damit zu erklären, dass die Mentoring-Programme in diesem Bereich meist eine klare Zielsetzung aufweisen und gezielt einzelne Aspekte (z.B. Leistungen oder Lernverhalten) gefördert werden sollen – während Mentoring-Programme für Jugendliche häufig brei- ter angelegt sind und versuchen, mehrere Variablen gleichzeitig zu beeinflussen. Zudem werden in akademischen Settings die teilnehmenden Mentorinnen/Mentoren häufiger geschult und speziell auf ihre Rolle als Mentor/in vorbereitet. Dagegen fallen Mento- ring-Bereiche, in denen – wie bei vielen Jugend-Mentorings – Mentorinnen/Mentoren ihre Aufgabe ohne intensive Vorbereitung übernehmen, oft mit vergleichsweise gerin- gen Effektstärken auf. Im Einzelnen zeigt sich die Effektivität von akademischem Mentoring etwa in der För- derung von Lernfortschritten durch die Etablierung einer besonders vertrauensvollen Lernumgebung (Ellis, 1992). Damit fördern Mentoring-Programme auch eine verbesser- te spätere Karriereentwicklung (Beck, 1989; Wilde & Schau, 1991) und im Bereich der Wissenschaft eine stärkere Beteiligung der Mentees im Fachdiskurs (LeCluyse, Tollef- son & Borgers, 1985) und an der Forschung (Cronan-Hillix, Gensheimer, Cronan-Hillix & Davidson, 1986) sowie eine größere Produktivität und höhere Professionalität (Mellott, Empirische Befunde 21
Arden & Cho, 1997; Reskin, 1979; Tenenbaum et al., 2001). Außerdem lässt sich bei Mentees im akademischen Mentoring schon während des Studiums eine größere Zufriedenheit mit der Studiensituation und den dazugehörigen Erfahrungen beobachten (Baker, Hocevar & Johnson, 2003). Nicht zuletzt kann akademisches Mentoring eine Reduktion der Stressempfindlichkeit sowie eine Steigerungen des Selbstvertrauens und der Selbstwirksamkeit erzielen (Ekrut & Mokros, 1984; House, 1981; Newby & Heide, 1992; Wright & Wright, 1987). Akademisches Mentoring scheint demnach besonders erfolgreich zu sein, was positiv für Men- toring an Hochschulen zu werten ist, weil akademisches Mentoring – im weitesten Sinne Men- toring zur Steigerung akademischer Leistungen – häufig im Zentrum von Mentoring an Hoch- schulen steht. Viel wichtiger als Aussagen zur allgemeinen Wirksamkeit von Mentoring erschei- nen aber Erkenntnisse aus den Metaanalysen, die Hinweise dafür liefern, was zu beachten ist, damit Mentoring-Programme erfolgreich sind und wie das Potenzial von Mentoring umfänglich ausgeschöpft werden kann. Diese Erkenntnisse stellen wir im Folgenden dar und ergänzen die Befunde um Studien aus dem Begabtenbereich, die nicht in die Metaanalysen eingeflossen sind. 3.3. Aspekte erfolgreichen Mentorings Um möglichst hohe Fördereffekte im Rahmen von Mentoring-Programmen zu erreichen, ist es notwendig, dass die Programme optimal umgesetzt werden. Bislang liegen speziell für das Mentoring von Begabten keine empirischen Erkenntnisse aus Metaanalysen vor, die Hinweise darauf bieten könnten, welche Aspekte besonders bei der Umsetzung von entsprechenden Pro- grammen zu berücksichtigen sind: „There is lack of a meta-analysis or a review of mentorship of gifted individuals. The literature contains relatively little empirical literature regarding gifted mentoring programs“ (Şahin, 2014, S. 48). Deshalb greifen wir bei den folgenden Ausführungen vor allem auf Erkenntnisse aus Metaanalysen aus dem Nicht-Begabtenbereich zurück. Wichtige Befunde zu Erfolgsaspekten von Mentoring-Programmen aus dem Begabtenbereich, die nicht in die Metaanalysen aufgenommen wurden, ergänzen wir an geeigneter Stelle. Eine wegweisende Metaanalyse zu erfolgreichen Aspekten von Mentoring-Programmen fasst die Evaluationen von 55 Mentoring-Programmen für Jugendliche zusammen (DuBois et al., 2002). Die Autoren bildeten einen theoriegeleiteten Best-Practice-Index aus elf Kriterien, die zu einem erfolgreichen Mentoring beitragen können. Diese Kriterien umfassen die Überwa- chung der Programmumsetzung, die Überprüfung der Eignung der Mentorinnen/Mentoren, die Zusammenstellung der Mentoring-Paare auf der Basis eines oder mehrerer relevanter Merk- male, vorbereitende und begleitende Schulungen, Supervision, Unterstützungsmöglichkeiten für Mentorinnen/Mentoren, strukturierte Aktivitäten für die Teilnehmenden, Einbezug der Eltern bzw. wichtiger sozialer Agentinnen/Agenten sowie eine klare Kommunikation an alle Beteiligten über Erwartungen hinsichtlich Häufigkeit des Kontakts und Dauer der Mentoring- Beziehung. Ein zentraler Befund der Metaanalyse von DuBois und Kollegen (2002) ist, dass die 22 Empirische Befunde
Fördereffekte eines Mentoring-Programms umso größer sind, je mehr dieser Kriterien umgesetzt werden. Im Folgenden wenden wir die Erkenntnisse aus der Forschung zu Erfolgsaspekten von Mentoring-Programmen auf den Bereich Begabtenförderung an Hochschulen an. Um das Potenzial der Fördermethode Mentoring umfänglich ausschöpfen und Mentees in ihrer Entwicklung an der Hochschule hin zur akademischen Exzellenz optimal unterstützen zu können, sind folgende Aspekte als besonders wichtig herauszustellen: 1. sorgfältige Auswahl und explizites Verfolgen konkreter Ziele, 2. geeignete Schulung der Mentorinnen/Mentoren, 3. sorgfältige Zusammenstellung der Mentoring-Paare, 4. angemessene Laufzeit von mindestens einem Jahr sowie 5. Gewährleistung häufiger Kontaktmöglichkeiten und Maßnahmen zur Förderung der Beziehungsqualität der Mentoring-Paare. Festlegung und explizites Verfolgen konkreter Ziele Besonders wichtig für effektives Mentoring ist nach den Metaanalysen von Allen und Kollegen (2004) sowie von DuBois und Kollegen (2002), dass konkrete Ziele zu Beginn des Mentorings ausgehandelt und festgelegt werden, die im Rahmen des Mentoring- Programms erreicht werden sollen. Mentoring-Programme weisen dabei besonders gro- ße Förderwirkungen auf, wenn sie klar definierte wissens- und leistungsbezogene Ziele verfolgen, die einem Individualunterricht möglichst nahe kommen (Bloom, 1984; Stöger & Ziegler, 2012). Dazu gehört auch, dass sich Mentorinnen/Mentoren und Mentees zu den Zielen committen und die Mentorinnen/Mentoren zur Erreichung dieser Ziele ge- schult werden (Allen et al., 2004; DuBois et al., 2002). Breit angelegte, allgemeine Ent- wicklungsziele können zwar im Einzelfall erfolgreich sein, garantieren aber keine hohen Fördereffekte. Geeignete Schulung der Mentorinnen/Mentoren Zudem erwies sich eine Schulung der am Programm teilnehmenden Mentorinnen/Men- toren als besonders wichtig für erfolgreiches Mentoring. Darauf weisen insbesondere die beiden Metaanalysen von DuBois und Kollegen (2002, 2011) hin. Einerseits ist hier- bei von Bedeutung, dass die Mentorinnen/Mentoren vor Beginn des Mentorings auf ihre Rolle als Mentor/in vorbereitet werden. Andererseits waren vor allem Mentoring- Programme wirksam, die zudem eine programmbegleitende Schulung der Mentorinnen/ Mentoren anboten. Die Schulungen sollten die Mentorinnen/Mentoren etwa mit geeig- neten Mentoring-Zielen, Fördermaßnahmen zur Erreichung dieser Ziele und Feedback- Möglichkeiten vertraut machen. Im Kontext des Begabten-Mentorings hat sich zudem bewährt, Mentorinnen/Mentoren ein umfassendes theoretisches Konzept zur Bega- bungsförderung wie das Aktiotop-Modell (Ziegler, 2005; Ziegler & Stöger, 2009) an die Empirische Befunde 23
Hand zu geben und daraus konkrete Möglichkeiten zu erarbeiten, wie das Mentoring effektiv und erfolgreich zu gestalten ist. Sorgfäl ge Zusammenstellung der Mentoring-Paare Einen weiteren wichtigen Erfolgsaspekt für Mentoring-Programme stellt nach den Metaanaly- sen von DuBois und Kollegen (2011) sowie von Eby und Kollegen (2013) die sorgfältige Zusam- menstellung der Mentoring-Paare dar. Die Zusammenstellung der Mentoring-Paare – das so- genannte Matching – sollte Ähnlichkeiten in Einstellungen, Werten und Persönlichkeitsmerk- malen berücksichtigen, um ein möglichst effektives Mentoring zu erreichen (Eby et al., 2013; Finkelstein & Poteet, 2007). Vor allem vergleichbare Einstellungen gegenüber für das jeweilige Mentoring-Programm relevanten Zielen, also etwa innovative Forschungsansätze oder exzel- lente Lehre, sind hierbei zu beachten, während andere Faktoren wie Ethnizität oder demogra- phische Faktoren in den meisten Studien kaum Einfluss auf die Effektivität der Mentoring-Be- ziehung hatten (DuBois et al., 2011). Zudem gibt es Hinweise, dass die Zufriedenheit der Men- toring-Paare am größten ist, wenn das Engagement bei Mentor/in und Mentee vergleichbar hoch ist (commitment fit) (Poteat, Shockley & Allen, 2009). Angemessene Laufzeit von mindestens einem Jahr Als wichtiger Aspekt für erfolgreiche Mentoring-Programme hat sich in der empirischen For- schung zu Mentoring auch die Dauer von Mentoring-Programmen erwiesen. Die Metaanalyse von DuBois und Kollegen (2011) weist darauf hin, dass Mentoring erst dann effektiv ist, wenn der Austausch der teilnehmenden Mentoring-Paare für mindestens drei Monate erfolgt. Besonders erfolgreich sind Mentoring-Programme, die mindestens ein Jahr oder länger dauern (Grossman & Rhodes, 2002). Nicht bekannt – aber von großem Interesse für eine umfassende Bewertung der Effektivität – ist, wie viele Mentoring-Beziehungen nach ihrer Teilnahme an (längeren) formellen Mentoring-Programmen als informelles Mentoring weitergeführt werden und unter Umständen über noch weitaus längere Zeiträume bestehen bleiben (Wanberg, Welsh & Hezelett, 2003). Ein weiteres Forschungsdesiderat ist die Frage, zu welchem Zeitpunkt ein Wechsel der Mentorin- nen/Mentoren oder der Übergang zu informellem Mentoring am besten anzustreben sind. Gewährleistung häufiger Kontaktmöglichkeiten und Maßnahmen zur Förderung der Beziehungsqualität Schließlich ist für erfolgreiches Mentoring von besonderer Bedeutung, dass im Rahmen eines Programms regelmäßige Austauschmöglichkeiten zwischen Mentor/in und Mentee sicherge- stellt sind. Auf dieser Grundlage kann nicht nur ein inhaltlich gewinnbringender Austausch, sondern auch eine gute Beziehungsqualität zwischen den Mentoring-Partnern erreicht werden. Darauf weisen sowohl die Metaanalyse von Eby und Kollegen (2013) als auch eine Studie von Little, Kearney und Britner (2010) mit 72 begabten Schülerinnen und Schülern hin. Dabei ist be- sonders wichtig, dass die regelmäßigen Kontakte von Mentor/in und Mentee durch die Struk- tur des Programms vorgegeben und durch die Programmleitung nachhaltig unterstützt werden 24 Empirische Befunde
(Fagenson-Eland, Marks & Amendola, 1997; Noe, 1988; vgl. auch Greindl et al., 2018). Auf diese Weise erhöht sich nicht nur die Programmeffektivität, sondern die Mentees fühlen sich auch umso besser unterstützt, je häufiger sie mit ihrer/ihrem Mentoring- Partner/in interagieren. Wenn das Mentoring zudem intellektuell anregend ist sowie motivationale und emotionale Unterstützung bietet, lassen sich auch die akademische Leistungsfähigkeit, unabhängige Projektarbeit, allgemeine Lernfähigkeit und Problem- lösetechniken steigern (Gray, 1982; Hebert, 1997; Hebert & Neumeister, 2000; Şahin, 2015; Terry, 1999). 3.4. Nutzung der Erkenntnisse für Mentoring an Hochschulen Zum Mentoring von Begabten an Hochschulen gibt es bis dato nur sehr wenige empiri- sche Studien, so dass unsere abschließenden Empfehlungen für solche Programme ei- nerseits auf der Literatur zum akademischen Mentoring (im weiteren Sinne) und ande- rerseits auf allgemeinen, d.h. nicht hochschulspezifischen Programmen zum Begabten- Mentoring – deren Effektivität empirisch belegt ist (Mammadov & Topçu, 2014; Stoeger, Hopp & Ziegler, 2017) – aufbauen. Grundsätzlich gelten die oben entwickelten Erfolgskriterien natürlich auch für solche spezielleren Mentoring-Programme. Besondere Berücksichtigung verdienen darüber hinaus einige weitere Aspekte. So ist trotz der vermeintlich homogenen Zielgruppe der Begabten an Hochschulen und der Effektivität von Mentoring auf allen Ebenen (Sed- lacek, Benjamin, Schlosser & Sheu, 2007) von unterschiedlichen Bedürfnissen auszu- gehen. Studierende am Beginn des Studiums benötigen andere Unterstützung als fort- geschrittene Studierende oder etwa Promovierende. Es empfiehlt sich also, Mentoring- Programme an Hochschulen je nach Phase unterschiedlich zu konzipieren, dabei aber den gesamten Studien- und Karriereverlauf im Blick zu haben. Studienanfänger werden in der Regel mehr Orientierung – sowohl psychosozial als auch in Bezug auf Wissens- bestände – benötigen, beides Aspekte, die ein geeignetes Mentoring-Programm effek- tiv unterstützen kann (Jacobi, 1991; Nick et al., 2012). Weiter fortgeschrittene Studie- rende profitieren dagegen mehr von der Förderung ihrer Leistungsexzellenz und wis- senschaftlichen Produktivität, von Unterstützung beim Aufbau persönlicher (wissen- schaftlicher) Netzwerke oder bei der Karriereplanung. Sozioemotionale Unterstützung hingegen beeinflusst zwar die Zufriedenheit der Studierenden positiv, erhöht aber ihre wissenschaftliche Produktivität nicht (Tenenbaum et al., 2001). Promovierende schließ- lich benötigen Mentoring-Programme, die wissenschaftliche Leistungsexzellenz und Produktivität fördern (Robertson, 2010; Tenenbaum et al., 2001) und Netzwerk- und Karriereunterstützung bieten, die nicht ausschließlich auf eine akademische Laufbahn abzielen sollte (Sanders & Wong, 1985; Ziegler & Magnin, 2000). Dabei spielen durch Empirische Befunde 25
das Mentoring geknüpfte oder erleichterte Kontakte zu herausragenden Vertreterinnen/Ver- tretern des Fachs ebenso eine Rolle wie die Förderung der Kommunikation im Wissenschafts- system. Post-Doktorandinnen und -Doktoranden und Habilitandinnen/Habilitanden schließ- lich können durch ihre Teilnahme an universitären Mentoring-Programmen profitieren, indem sie beispielsweise Rat und Hilfe bei ihrer Entscheidung für Wissenschaft oder Wirtschaft er- halten, ihr Wissen über das Einwerben von Drittmitteln erweitern oder Unterstützung bei der Vorbereitung auf Berufungsverfahren für Professuren erhalten (Carl, Küchel & Padberg, 2017; Meyer & Ittel, 2009). Darüber hinaus sind beim Hochschul-Mentoring weitere Kriterien zu beachten. Beispielsweise ist zu berücksichtigen, dass vor allem Studierende, die über bessere Sozialkompetenzen ver- fügen, intrinsisch motiviert und offen für neue Erfahrungen sind, an Mentoring-Programmen im Hochschulbereich teilnehmen (Larose et al., 2009). Studierende, die diese Merkmale nicht oder in geringerem Maß aufweisen, werden unabhängig von ihrem jeweiligen Leistungspo- tenzial von herkömmlichen Mentoring-Programmen nicht erreicht. Besonders erfolgreich sind Mentoring-Programme für solche Mentees, die von den Mentorinnen/Mentoren als beson- ders fähig wahrgenommen werden oder die ihre Lernbereitschaft besonders deutlich kommu- nizieren können, da sie mehr Unterstützung von ihren Mentorinnen/Mentoren erhalten (Fel- lenberg, 2007; Green & Bauer, 1995). Robertson (2010) schlägt deshalb Coachings außerhalb des eigentlichen Mentorings vor, um Mentees auf die Bewerbung für und die Teilnahme an Mentoring-Programmen vorzubereiten und so das volle Potenzial der Mentoring-Angebote ausschöpfen zu können. Auf Seiten der Mentorinnen/Mentoren ist zu berücksichtigen, dass sich die große zeitliche Be- lastung vieler Hochschulangehöriger häufig negativ auf die Bereitschaft auswirkt, an Mento- ring-Programmen mitzuwirken. Die Zeitproblematik spielt auch während der Durchführung der Mentoring-Angebote eine große Rolle, was sich darin niederschlägt, dass Mentees teilweise Hemmungen haben, ihre Mentorinnen/Mentoren zu „belästigen“. Mentoring-Programme, in denen die aufgewandte Zeit auch von der beruflichen bzw. akademischen Umgebung gewür- digt oder belohnt wird, können dieses Risiko minimieren (Robertson, 2010). Bereits die Unter- stützung bei der Entwicklung realistischer Erwartungen sowohl der Mentorinnen/Mentoren als auch der Mentees kann sich positiv auswirken (Ehrich, Hansford & Tennent, 2004). In Bezug auf die Bereitschaft von potenziellen Mentorinnen/Mentoren, ihre Zeit zur Verfügung zu stellen, lassen sich allerdings wiederum wesentliche Unterschiede feststellen, je nachdem, in welcher Phase des Studiums sich ihre Mentees befinden. So werden Argumente der Zeitnot bei post- graduierten Mentees deutlich seltener angeführt, da diese Mentees von den Mentorinnen/ Mentoren teilweise als „zukünftige Kollegen“ wahrgenommen werden, mit denen intellektuell stimulierende Interaktionen möglich sind (Sedlacek et al., 2007). Auch die institutionelle Verankerung spielt im Hochschul-Mentoring eine wichtige Rolle: Um Mentoring-Programme an Hochschulen erfolgreich durchzuführen, ist schon bei der Konzipie- rung auf die ausreichende – und dauerhafte – Integration in den institutionellen Kontext zu achten. 26 Empirische Befunde
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