Der Countdown läuft - linke zeitung für politik und kultur in celle Nr. 103 Febr./März 2021 - revista-online
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gratis! linke zeitung für politik und kultur in celle Nr. 103 Febr./März 2021 Der Countdown läuft _________________________________________________________________________________________________ revista Nr. 103, Febr./März 2021 1
INHALT Atommüll-Endlager-Teilgebiet Wolthausen-Meißendorf Kreis steckt den Kopf in den Sand 3 Jochen Stay zum Endlager-Zwischenbericht Das große Nebelwerfen 4 Interview mit dem Frauenhaus Corona und Gewalt 7 Hallo werte Leser*innenschaft, Eine Betrachtung von Nigges Neujahrsbilanz Was schadet’s, wenn es innen hohl 11 die CO2-Uhr des Mercator Research Institute on Glo- bal Commons and Climate Change (MCC) veran- Geschäftsführung und Aufsichtsrat kennen kein Pardon schaulicht, wieviel CO2 in die Atmosphäre abgegeben Sanierung auf Kosten der Beschäftigten 12 werden darf, um die globale Erwärmung auf maximal 1,5°C zu begrenzen. Offener Brief von AKH-Beschäftigten 13 Meldungen 14 Der Sonderbericht des Weltklimarats (IPCC) vom Ok- tober 2018 hat deutlich gemacht, dass gerechnet ab Laternengespräche: Mal alles dichtmachen? 16 Ende 2017 noch knapp 420 Gigatonnen (Gt) CO2 in Food-Saving – Fair-Teiler auf dem Großen Plan 18 die Atmosphäre abgegeben werden, um das 1,5-Grad- Ziel nicht zu verfehlen. Da die Welt jedoch jedes Jahr Wo bleibt das Lieferkettengesetz? 19 circa 42 Gt an CO2 ausstößt – rechnerisch entspricht Neue Stolpersteine in Celle 20 dies 1332 Tonnen pro Sekunde – dürfte dieses Budget in gut sieben Jahren aufgebraucht sein. Der Screen- Adolf-Reichwein-Hochschule Celle (Hans-Hagen Nolte) shot, den wir auf unserem Titelbild platziert haben, ist Von Kräften, die am Werke blieben 22 der Stand nach wenigen Sekunden im neuen Jahr. Den aktuellen Stand findet ihr hier Johanns Bruder (Stephan Lohse) Trauma und Zeugenschaft 23 www.mcc-berlin.net/forschung/co2-budget.html Interview zu Sozio-Kultur in Zeiten der Pandemie Das Corona-Jahr hat in gewisser Weise deutlich ge- 25 Jahre Buntes Haus 24 macht, was zu tun ist: Entschleunigen … und zwar radikal. Filmtip – „Ich bin Greta …“ 27 Starke-Ottich: Mein Weg aus der Plastikfalle 29 Oder – um es mit Greta zu sagen: care – be aware – share. Friedensbewegung /Keine neuen Atomraketen 30 Diverses 34 Eure revista Online-Vorträge 35 Impressum: „revista – linke zeitung für politik und kultur“, PF 1329, 29203 Celle V.i.S.d.P.: Ralf Hübner, e-mail: revista.celle@gmx.de; web: http://www.revista-online.info/ erscheint alle 2 – 3 Monate; liegt kostenlos in diversen Kneipen und Geschäften aus, kann aber gegen Portokosten abonniert werden (5 Ausgaben für 10 EUR) Konto: SKI e.V., IBAN: DE18 2575 0001 0108 0996 98, BIC: NOLADE21CEL Diese Zeitschrift liegt kostenlos aus bei & im: Kino 8 ½, Weltladen, Buntes Haus, Gajah, Linke/BSG-»Das Büro«, Sternkopf & Hübel, Unterwegs, Morlock ___________________________________________________________________________________________________ 2 revista Nr. 103, Febr./März 2021
Atommüll-Endlager-Teilgebiet Wolthausen-Meißendorf Kreis steckt den Kopf in den Sand Nur gut 100 Interessierte hat bisher die bei youtube also keineswegs zu der Hoffnung verführen, „Wolthau- eingestellte Online-Sprechstunde zum Teilgebiet 045 ge- sen-Meißendorf“ sei im nächsten Schritt schon draußen. funden, also dem im Raum Wolthausen/Meißendorf ge- Den Eindruck kann aber gewinnen, wer auf angemes- legenen möglichen Standort für ein Atommüll-Endlager. sene Reaktionen aus der Kommunalpolitik gehofft hat. Woran dies liegen mag, zeigt Jochen Stay in seinem Ar- Weder Landrat Wiswe (CDU) noch Winsens Bürger- tikel „Das große Nebelwerfen“ auf der nächsten Seite meister Oelmann (SPD) hielten es bisher für erforder- auf. Hier wollen wir uns kurz mit der „Sprechstunde“ lich, die Bürger*innen oder wenigstens die Kommunal- und der kommunalpolitischen Resonanz befassen. politiker*innen über die Situation zu informieren. Die geo-wissenschaftliche Bewertung des Salzstocks „Wolthausen-Meißendorf“ hat einen Knackpunkt. Dar- auf haben wir in unserer letzten Ausgabe hingewiesen und dies als Frage für die „Sprechstunde“ formuliert: In der „zusammenfassenden Bewertung“ des Zwischenberichts ist zu lesen: „Alle Indikatoren des „Kriteriums zur Bewertung des Schutzes des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs durch das Deckgebirge“ wurden [...] mit „un- günstig“ bewertet. Im Rahmen der Unsicherhei- ten der Modellhorizonttiefen und aufgrund der in Relation zur Fläche des identifizierten Ge- biets begrenzten betroffenen Fläche wird die Bewertung des Abstands zur Quartärbasis und des Abstands zur Geländeoberkante mit „un- günstig“ geringer gewichtet. Somit ist dennoch damit zu rechnen, dass ein geeigneter ein- schlusswirksamer Gebirgsbereich gefunden werden kann.“ Können Sie bitte das "dennoch" erklären? Eine Antwort gab es anschließend auch per Email: „Im Rahmen der Anwendung der geologischen Abwä- Die Kreisverwaltung nutzte schließlich den Antrag gungskriterien erfolgte keine Klassifizierung innerhalb der Kreistagsabgeordneten Behiye Uca (Die Linke), die der identifizierten Gebiete in „günstige“, „weniger güns- die Einrichtung eines eigenen Fachausschusses einfor- tige“ oder „ungünstige“ Bereiche. Jedes identifizierte dert. Eine Beschlussfassung darüber wurde auf die Gebiet wurde durch die geowissenschaftlichen Abwä- Kreistagssitzung am 10. März (!) verschoben. Dann hat gungskriterien im Ganzen bewertet. Ist ein Indikator die erste „Fachkonferenz Teilgebiete“ bereits stattgefun- oder ein Kriterium also in einer kleinen Fläche innerhalb den. Einen eigenen Fachausschuss hält die Kreisverwal- eines größeren identifizierten Gebietes als ungünstig zu tung im übrigen für unnütz; Begründung: bewerten, so gilt diese Bewertung für das gesamte Ge- „Abgesehen davon, dass der Kreistag in der Endla- biet. So war es auch im vorliegenden Fall. Die betroffe- gerfrage keinerlei inhaltliche Entscheidungskompetenz ne Fläche im identifizierten Gebiet, die zur Bewer- hat, [...] ist für die Begleitung der Angelegenheit die tung „ungünstig“ geführt hat, ist vergleichbar klein. Einrichtung eines gesonderten Ausschusses aus Sicht Auf Grund der kleinen Fläche wurde die ungünstige der Verwaltung nicht notwendig. Bei Bedarf könnte eine Bewertung in der Abwägung gering gewichtet. fachliche Behandlung ohne Weiteres z.B. im Umweltaus- Das Teilgebiet hat eine Gesamtfläche von 59 Quadrat- schuss erfolgen. So wurden in der Vergangenheit auch kilometern. Diese ist deutlich größer als die für einen ähnliche Themen zu überörtlichen Planverfahren, wie Endlagerstandort im Wirtsgestein Steinsalz benötigte etwa zum Ausbau der Schienenstrecken (Y-Trasse) oder Fläche. Deshalb ist „dennoch“ (also trotz der Fläche, die zum Bau der Gleichstromtrasse SuedLink ebenfalls in als ungünstig zu bewerten ist) davon auszugehen, dass bestehenden Fachausschüssen behandelt.“ ein geeigneter einschlusswirksamer Gebirgsbereich ge- Wir können nur hoffen, dass eine derartige Borniert- funden werden kann.“ heit nicht auch zu einem „Kriterium“ bei der Stand- Die „ungünstige“ Bewertung des Deckgebirges darf ortauswahl wird. _________________________________________________________________________________________________ revista Nr. 103, Febr./März 2021 3
Jochen Stay (ausgestrahlt.de) zum Zwischenbericht in Sachen Endlagersuche für Atommüll Das große Nebelwerfen Der erste Zwischenbericht zur Standortsuche für ein lich bereits vorhandene Geo-Daten verwendet, etwa aus tiefengeologisches Atommüll-Lager verklärt mehr, als der Suche nach Ölvorkommen. Für weite Teile des Bun- dass er erhellt. Denn über viele Gebiete, die er ausweist, desgebietes liegen aber gar keine Bohrdaten vor. ist so gut wie nichts bekannt. Und sie sind so zahlreich, Schon zur Anwendung der Mindestanforderungen dass niemand sich betroffen fühlt – selbst dort nicht, wo musste die BGE daher weitflächig auf 3D-Modelle des es dringend angebracht wäre. Untergrunds zurückgreifen, erstellt durch die geologi- 54% des Bundesgebiets sollen „günstige“ Bedingun- schen Landesämter, allerdings nur für 65 Prozent des gen für ein Atommüll-Bergwerk aufweisen, sagt die Bundesgebietes. Diese Modelle sind keine tatsächliche Bundesgesellschaft für Endlagerung. Nicht alle der als Abbildung des geologischen Untergrundes. Laut BGE "Teilgebiete" farbig markierten Regionen sind allerdings bestehen sie teilweise nur aus „fachlich begründeten gleich "heiß" im Rennen. Vermutungen erfahrener Geologen“. Selbst die Qualität der Daten, die in die Modelle eingeflossen sind, ist der „Keiner hat damit gerechnet, dass derart viele Regio- BGE nach eigener Aussage nicht bekannt. nen übrig bleiben würden.“ Das sagt der Präsident des Atommüll-Bundesamtes (BaSE), Wolfram König, im In- Auch die geowissenschaftlichen Abwägungskriterien terview mit der Süddeutschen Zeitung zu der Tatsache, musste die BGE weitgehend ohne Daten vornehmen. Die dass die „Bundesgesellschaft für Endlagerung“ (BGE) Lücke schloss sie mit Hilfe sogenannter „Referenzdaten- 54 Prozent des Bundesgebietes als „Teilgebiete“ ausge- sätze“. Man habe dafür „bekannte sehr günstige Eigen- wiesen hat. Das sind laut Standortauswahlgesetz Regio- schaften für das jeweilige Wirtsgestein zugrunde ge- nen, die „günstige geologische Voraussetzungen für die legt“, also Daten, „die ein ideales Wirtsgestein beschrei- sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle erwarten ben“. lässt“. Um die Dimension des Illusionsmanövers deutlich zu In diesen 54 Prozent stecken zwei gewollte Botschaf- machen: Von den elf Abwägungskriterien wurden, je ten. Die erste fasste BGE-Geschäftsführer Steffen Kanitz nach Gesteinstyp, zwischen sieben und neun lediglich bei der Präsentation des Zwischenberichts so zusammen: anhand von „Referenzdaten“ bewertet, die von idealen „Deutschland eignet sich aufgrund seiner flächenhaften Bedingungen ausgehen – ohne dass bekannt ist, wie es Ausbreitung von Wirtsgesteinen gut für die dauerhafte am jeweiligen Ort tatsächlich aussieht. Nur so sind bei- und sichere Endlagerung hochradioaktiver Abfallstof- spielsweise die riesigen Teilgebiete aus Ton in Nord- fe.“ Die Wirkung der zweiten beschreibt Wolfram Kö- deutschland und Granit in Süddeutschland zu erklären, nig: „Der große Anteil führt auch dazu, dass bei vielen die sich gleich über mehrere Bundesländer erstrecken. der Eindruck existiert: Es wird uns schon nicht treffen.“ Die BGE weiß nicht, ob und wo diese gute Bedingungen Kurz zusammengefasst: Das Atommüll-Problem ist lös- aufweisen und wo nicht. Sie definiert aber einfach mal, bar und niemand ist davon betroffen. dass das Gestein optimale Eigenschaften hat. Karte der Illusion Das Gesetz verlangt, zwischen Regionen, über die konkret bekannt ist, dass sie relativ gute geologische Ei- Wie kam diese Landkarte zustande? Erwartet die BGE genschaften haben, und Regionen, über die so gut wie tatsächlich in mehr als der Hälfte des Landes günstige nichts bekannt ist, zu unterscheiden. Die BGE hingegen geologische Voraussetzungen für ein Atommüll-Berg- rührt beide Kategorien zusammen und vernebelt so mehr werk? Dazu ein kurzer Blick in den Verfahrensablauf: als sie erhellt. Zuerst hat die Bundesgesellschaft Gebiete ausge- Besonders deutlich werden die Folgen dieser Nebel- schlossen, in denen etwa durch Vulkanismus, Erdbeben- werferei in Norddeutschland. Über die dortigen Salzstö- gefahr oder alten Bergbau bekanntermaßen schlechte cke etwa liegen verhältnismäßig viele Geo-Daten vor. Bedingungen herrschen. Auf dieser Grundlage hat die BGE sie schon kräftig aus- Als nächstes mussten Mindestanforderungen, etwa be- gesiebt: Nur noch 60 von mehr als 400 untersuchten sind züglich der Ausdehnung und Tiefenlage des Gesteins, er- noch im Topf. Auf der Karte liegen diese grünen Punkte füllt sein. in einem großen, blau-magenta-violett markierten Gebiet – den norddeutschen Tonvorkommen. Über diese liegen Zuletzt sollte anhand von elf geowissenschaftlichen eher wenige Daten vor, weshalb die BGE sie einfach Abwägungskriterien, die im Gesetz festgelegt sind, be- komplett markiert hat. Die Wahrscheinlichkeit der grü- wertet werden, „ob in einem Gebiet eine günstige geolo- nen Flecken, am Ende als Atommüll-Standort ausge- gische Gesamtsituation vorliegt“. wählt zu werden, ist deutlich größer als die von Orten im Zur Ermittlung der „Teilgebiete“ wurden ausschließ- blau-magenta-violetten Gebiet. Insbesondere die Betrof- ___________________________________________________________________________________________________ 4 revista Nr. 103, Febr./März 2021
fenen an den grünen Standorten sollten sich also drin- getrommelt hatte. gend mit der Materie beschäftigen. Anhand des Zwi- schenberichts und der Karte der BGE kann das aber nie- Mischung aus Desaster, Realsatire und mand erkennen. Geologie-Webinar Verfängt zudem die vereinfachte Botschaft, dass quasi Wenn man von den 500 noch die Mitarbeiter*innen halb Deutschland geeignet sei, dann wird es für die von Behörden und BGE, Politiker*innen, Presse und an- Standorte, die im nächsten Schritt in die engere Wahl dere aus beruflichen Gründen teilnehmende abzieht (die kommen, auch noch extrem schwer, zu vermitteln, war- Zahlen der „Profi-Teilnehmenden“ werden vom Atom- um sie ungeeignet sind – selbst wenn es stimmt. müll-Bundesamt trotz mehrmaliger Nachfrage bisher ge- Der Bericht enthält aber noch eine dritte Botschaft. heim gehalten), bleiben nicht viele übrig, die als direkt Sie ergibt sich aus dem frühzeitigen Ausschluss des Betroffene mit dabei waren. 291 der 401 deutschen Standortes Gorleben aus dem Verfahren. Bisher bestand Landkreise und kreisfreien Städte gehören zu Teilgebie- der begründete Verdacht, dass die neue Suche nur ein ten. Die waren längst nicht alle vertreten. Vorwand ist, um am Ende doch wieder in Gorleben zu Wer dennoch teilnahm, den platzierte das Bundesamt landen. Diesen Verdacht hat die BGE jetzt ausgeräumt. am virtuellen Katzentisch. Ganze 15 Minuten von sieben So soll gerade dem kritischen Teil der Öffentlichkeit ver- Stunden entfielen am ersten Tag, an dem die BGE den mittelt werden: Ihr könnt diesem Suchprozess vertrauen. Zwischenbericht vorstellte, auf Fragen der Teilnehmen- Und ja: Es ist gut, dass sich bei der BGE nicht diejeni- den. Das Wort bekamen sie auch dabei nicht erteilt: gen durchgesetzt haben, die weiter auf Gorleben zuarbei- Stattdessen fasste die Moderation viele Fragen in eige- ten wollten. Denn mit den vagen Kriterien des Gesetzes nen Worten zusammen, der Sinn ging mitunter verloren. hätten sie und die Politik sich diesen Standort auch mit Eine Kommunikation der Teilnehmenden untereinander aller Gewalt zurechtbiegen können – trotz aller geologi- unterband die Behörde gleich ganz. Falschaussagen der scher Mängel. Das Aus für Gorleben heilt aber nicht alle BGE, etwa zur angeblichen Transparenz der Geo-Daten anderen schweren Mängel des Verfahrens. Deshalb wäre (die es weiterhin nicht gibt), blieben so unwidersprochen es blauäugig, nun darauf zu vertrauen, dass im Weiteren stehen. alles mit rechten Dingen zugeht. Die Vorträge der BGE-Geolog*innen waren für Zu- Dass die Strategie der 54 Prozent funktioniert, um Be- schauer*innen, die noch nicht tief im Thema waren, troffenheit zu verhindern, zeigte die Auftaktveranstal- durchaus informativ, zumindest wenn sie fachlich folgen tung der „Fachkonferenz Teilgebiete“ am 17./18. Okto- konnten. Das entscheidende Thema, die Anwendung der ber. An der Online-Veranstaltung nahmen maximal 500, geologischen Abwägungskriterien, kam allerdings erst teilweise nur 300 Personen teil, plus etwa 100 Zuschau- am Ende eines langen Konferenztages überhaupt zur er*innen über den YouTube-Stream. Und dies, obwohl Sprache. Auch dafür hatte das Bundesamt gesorgt, weil die Behörde mit einer gigantischen, fünf Millionen Euro es die Vorstellung des Berichts in einen Tag zwängte. teuren bundesweiten Werbekampagne für die Teilnahme Eine zweite geologische Meinung, also kritische _________________________________________________________________________________________________ revista Nr. 103, Febr./März 2021 5
Teilgebiete wenig bekannt ist und es kein Geld für unab- hängige Expertise gibt, die die Konferenz hinzuziehen könnte. So ist das postulierte „lernende Verfahren“ nicht möglich. Zudem will das Atommüll-Bundesamt durch strenge Begrenzung des Beratungsgegenstands verhin- dern, dass die Konferenz die Grundlagen des Suchver- fahrens noch einmal diskutiert. Währenddessen arbeitet die BGE längst weiter – und wartet nicht auf das Ergebnis der ganzen Konferenz. Und sie wird sich dabei erneut nicht über die Schulter schauen lassen, sondern erst wieder in zwei bis vier Jah- ren ein nächstes Zwischenergebnis präsentieren. Bis dahin muss sie aus 54 Prozent des Bundesgebie- tes, den sogenannten Teilgebieten, weniger als fünf Pro- zent machen: ein Vorschlag für wenige „Standortregio- nen“. Dies passiert weitgehend nur auf der vorhandenen dünnen Datenbasis von heute. Vorgesehen sind „vorläu- fige Sicherheitsuntersuchungen“, vereinfacht ausge- drückt: Modellrechnungen mit unzähligen konstruierten Annahmen, die einen Anhaltspunkt dafür liefern sollen, mit welcher Wahrscheinlichkeit wie viel Radioaktivität aus dem tiefengeologischen Lager entweicht. Wie es so gelingen soll, aus riesigen Gebieten, über deren Unter- grund viel zu wenig Konkretes bekannt ist, wenige Favo- Expert*innen, die aus ihrer Sicht den Zwischenbericht riten zu finden, ohne Gefahr zu laufen, die falschen Re- bewerteten, fehlte vollständig. [...] gionen auszuschließen, bleibt ein Rätsel. Sämtliche Äußerungen der Teilnehmenden wurden im Die BGE könnte daher versucht sein, schon jetzt die Übrigen nicht auf dem Stream übertragen. Auch wer im planungswissenschaftlichen Kriterien (etwa Abstand zur Nachhinein verfolgen möchte, was bei der Veranstaltung Wohnbebauung, Kulturdenkmäler, Naturschutzgebiete) gelaufen ist, wird auf den Video-Aufzeichnungen bei anzuwenden, die eigentlich nachrangig zur Geologie sein YouTube nur die Vorträge von BGE, BaSE, NBG und sollen. So könnte der am wenigsten schlechte Standort Ministerin finden – aber keine Statements derjenigen, die für ein geologisches Tiefenlager unentdeckt bleiben, hier doch angeblich das Recht auf Selbstorganisation weil er unter einem Kulturdenkmal liegt. hatten … Der BGE-Vorschlag für die „Standortregionen“ geht Diese Mischung aus Desaster, Realsatire und Geolo- am Ende an den Bundestag. Dieser ist komplett frei dar- gie-Webinar hatte der „Tagesspiegel“ im Vorfeld so an- in, die Liste nach seinen Vorstellungen zu ändern. Nach gekündigt: „Am Wochenende sollen die Ergebnisse des dem Beschluss des Parlaments wird es in diesen wenigen Berichts auf der Fachkonferenz Teilgebiete erstmals mit Regionen dann Probebohrungen und seismische Messun- einer breiteren Öffentlichkeit, Vertretern aus Politik und gen geben – um mehr über den Untergrund zu erfahren. Wissenschaft, der Kommunen und gesellschaftlichen Alle anderen werden nicht mehr näher betrachtet. Gruppen diskutiert werden.“ Auch hier also, wie beim Dieses Interview erschien erstmalig im .ausgestrahlt- Teilgebiete-Bericht, eine irreführende Botschaft an die Magazin 49 (Nov/Dez 2020 / Jan 2021) breite Öffentlichkeit: Angeblich, soll diese glauben, läuft da eine umfassende Beteiligung der Bürger*innen. Von den tatsächlichen Abläufen bekommt sie ja nichts mit. Mehr Infos unter: Das gesamte Öffentlichkeitskonzept von Bundesamt und BGE zielt darauf ab, mögliche Konflikte und Proteste https://www.ausgestrahlt.de/ ohne tatsächliche Beteiligung von Bevölkerung und Be- troffenen abzufedern und einzudämmen, statt sie kon- struktiv auszutragen und zu klären. Fachkonferenz-Beteiligungsmöglichkeiten unter: Wie geht es weiter? https://www.endlagersuche-infoplattform.de/ Die „Fachkonferenz Teilgebiete“ soll in drei Sitzun- gen bis Juni 2021 den Zwischenbericht diskutieren, eine you-tube-Video zur Onlinesprechstunde zu TG 045: Stellungnahme abgeben und sich danach auflösen. Diese Diskussion kann nur sehr oberflächlich funktionieren, da https://www.youtube.com/watch?v=JR0PzFPsNyo ein Großteil der Datengrundlage geheim ist, über viele ___________________________________________________________________________________________________ 6 revista Nr. 103, Febr./März 2021
FLINTerview Gemeinsam kämpfen! mit dem autonomen Frauenhaus Celle e. V. Frauenhaus Celle – Corona und Gewalt ?? Seit wann gibt es das autonome Frauenhaus in Celle, natürlich auch einen grundsätzlich feministischen Ansatz aus welchem Anlass und mit welcher Perspektive hat es als autonomes Frauenhaus und wir wollen die Frauen da- sich gegründet? für empowern, dass sie ihr eigenes Leben in die Hand nehmen, Selbstbewusstsein gewinnen und eine eigene A: Uns gibt es seit 1983. Ende der 70er, Anfang der 80er selbstständige Lebensperspektive entwickeln. Dabei ist sind in ganz Deutschland überall die ersten Frauenhäuser Netzwerkarbeit auch wichtig. Unsere Frauen bringen alle gegründet worden und so dann auch in Celle. Und der Themen der sozialen Arbeit mit, seien das ausländer- Anlass war letztendlich bei allen der gleiche: Es ging rechtliche, familienrechtliche, psychische Problematiken, darum, Frauen die Möglichkeit zu eröffnen, aus einer ge- Schulden-Thematiken. Wir sind gut vernetzt mit anderen waltbelasteten Beziehung aussteigen zu können. Und ih- Frauenhäusern. nen eine Unterkunft und Unterstützung zu geben auf dem Weg in ein eigenes Leben. Das waren alles Häuser, A: Wir arbeiten auch poli- die aus Fraueninitiativen entstanden sind, also alles erst tisch, auch das ist ein wichti- mal selbstorganisiert und nicht wirklich professionali- ger Punkt. Häusliche Gewalt siert. Es waren engagierte Frauen aus der Gemeinde, die ist ein gesamtgesellschaftli- das gemacht haben. ches Problem. Das war da- mals in den 80ern ein The- D: Wenn wir „Altkolleginnen“ reden hören, wie das war ma, denn da hieß es, was in in den 70ern und 80ern, dann hat sich natürlich sehr viel der Familie passiert, bleibt in schon getan. Und trotzdem ist da noch ein Weg zu gehen der Familie. Wir setzen uns und es gibt das Ziel, patriarchale Gewalt zu eliminieren; ein beim Thema Wohnsitz- das ist natürlich noch lange nicht erreicht. Und da müss- auflagen für gewaltbetroffene Frauen [je nach Aufent- ten noch viele gesellschaftliche Veränderungen passie- haltstitel kann es sein, dass Menschen ihren Lebensmit- ren, bis wir dahin kommen. telpunkt nicht in eine andere Stadt verlegen dürfen]. Die A: Wir sind ein eher kleines Haus. In Celle gibt es zwei: Ämter sagen zum Teil: 'Die darf doch gar nicht in Celle Eins ist unter dem Dachverband des Paritätischen, und sein, also warum ist sie jetzt hier und warum sollen wir wir haben einen Trägerverein mit einem ehrenamtlichen das finanzieren?' Vorstand. Wir können bei uns bis zu 8 Frauen aufneh- Wir setzten uns ein für die Finanzierung von EU-Bürge- men. Insgesamt haben wir 12 Plätze, und es kommt im- rinnen in Frauenhäusern. Es gibt noch viele ungeklärte mer darauf an, wie viele Kinder mit dabei sind, aber Themen rund um das Leben und Arbeiten im Frauenhaus meist sind wir überbelegt. Wir haben Rufbereitschaften, und wir versuchen schon unsere Wege zu finden, da Sa- die wir außerhalb der Bürozeiten und an den Wochenen- den abdecken. - Und dann haben wir im Mehrgeneratio- nenhaus ein Büro angemietet, da ist unsere Beratungs- stelle FeroXia, die mit zum Haus gehört. ?? Passiert es, dass Männer oder Familien eure Adresse herauskriegen und dann Probleme machen? A: Häufig passiert das nicht, aber gelegentlich kommt das vor. Gerade letztes Jahr hatten wir das mehrfach. D: Im Prinzip rufen wir sofort die Polizei, die dann im Normalfall auch schnell kommt, und bisher ist zum Glück noch nichts passiert. Es ist unschön, es macht Angst, es macht den Frauen Angst, es macht auch uns Angst. ?? Wie arbeitet ihr generell und worauf liegt euer Schwerpunkt? D: Generell sind wir erst mal eine Schutzeinrichtung für Frauen und Kinder, die in Krisensituationen zu Hause raus müssen und wollen. Dann sind wir dafür da, die Frauen und Kinder darin zu unterstützen. Dabei ist uns wichtig, dass wir auf Augenhöhe mit den Frauen arbei- ten, also dass unsere Hierarchien flach sind. Wir haben _________________________________________________________________________________________________ revista Nr. 103, Febr./März 2021 7
chen zu verbessern. schnell wieder beruhigt. Im November waren die Auf- nahmeanfragen wieder mehr, also vor dem nächsten ?? Kommt es vor, dass ihr Frauen aus Familien holt, Lockdown. Wir haben schon ein paar Fälle gehabt im oder kommen sie direkt zu euch? Frühjahr, die durch die Corona-Situation eskaliert sind, A: Das machen wir einfach auch aus persönlichen Si- die sich wahrscheinlich zuhause nicht so zugespitzt hät- cherheitsgründen nicht. Wir machen immer Treffpunkte ten, wenn nicht beide zuhause gewesen wären. mit den Frauen aus, die einigermaßen sicher sind. Oder D: Was wir natürlich schon merken, ist eine massive oft kommen die Frauen über die Polizei zu uns, dann ho- Auswirkung auf unsere Frauen und Kinder, weil die kei- len wir die Frau direkt bei der Polizei ab. nerlei Möglichkeit haben, dieser Situation zu entfliehen. ?? Gibt es Begleitung/Unterstützung auch nach dem Normalerweise wohnt eine Mutter auch mit ihren Kin- Auszug aus dem Frauenhaus? dern zusammen in einem Zimmer. Unsere Frauen sind sehr viel zuhause, das wirkt sich negativ auf die psychi- D: Also sie darf sich immer an uns wenden und die Frau- sche Situation aus. Und es fallen alle möglichen Termine en, die in Celle bleiben, die betreuen wir auch nach. Es aus. Auch auf Perspektivenfindung wirkt sich das nega- gibt eine Nachbetreuungsgruppe, aber wir gehen auch tiv aus. Unsere Frauen und Kinder sind eh schon belastet einzeln zu den Frauen nach Hause und beraten sie da zu und nun durch die Corona-Situation also doppelt, würde all den Themen, die sie beschäftigen. ich sagen. A: Von unserer Seite aus ist dieses Angebot immer da, ?? Wie ist das Verhalten von Politik und Verwaltung, auch wenn Frauen weiter weg sind, auch die können sich bemühen die sich, weitere Plätze zu schaffen? telefonisch natürlich melden und mit uns sprechen und noch Hilfe bekommen. A: Ja, es gibt schon Förderprogramme zur Aufstockung der Plätze. Die sind aber auch gekoppelt an besondere D: Oder wir suchen Netzwerkpartner vor Ort, die dann Innovation. Es ist schwierig. Auch das andere Frauen- mit unterstützen können. haus in Celle ist immer sehr voll. Aber wir werden in ?? Welche Entwicklungen beobachtet ihr in Celle bezüg- absehbarer Zeit mehr Plätze bekommen. lich patriarchaler häuslicher Gewalt? D: Ja, also eigentlich ist die Frage gar nicht gegeben, A: Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Hat si- theoretisch, denn die Istanbul-Konvention [„Überein- cherlich auch viel mit Corona zu tun, dass häusliche Ge- kommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung walt mehr in den Vordergrund getreten ist. Aber das ist von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ von nicht spezifisch auf Celle ausgerichtet, das ist, glaube 2018] ist unterschrieben, die ist ratifiziert und eigentlich ich, eine deutschlandweite Entwicklung gerade. Meine muss es umgesetzt werden. Es gibt in ihr relativ klare Einschätzung wäre, dass die Bereitschaft, darüber zu re- Vorgaben, wie viele Frauenhausplätze pro Einwohneran- den und das anzuzeigen, größer geworden ist. In den zahl vorhanden sein müssten. Und die sind längst nicht letzten Jahren würde ich sagen und in den letzten Mona- erfüllt. Die meisten Frauenhäuser, v. a. die in Ballungs- ten sicherlich nochmal ein bisschen mehr. Das ist so ge- räumen, in Großstädten, sind eigentlich fast immer voll. sehen ja auch eine erfreuliche Entwicklung. Nichts desto A: Also in Hannover z.B. einen Frauenhausplatz zu fin- trotz gehen wir von einer nach wie vor hohen Dunkelzif- den, ist wirklich schwierig. fer aus. Wir könnten jetzt nicht unbedingt sagen, häusli- che Gewalt hat zugenommen oder abgenommen. Was ??: Wie ist es allgemein mit der Finanzierung? man feststellen kann, ist, dass der ganze Onlinebereich D: Es ist immer noch so, dass Frauenhaus-Finanzierung mit reinkommt, dass es da inzwischen subtilere Arten ein großes Thema ist, auch ein schwieriges und diskrimi- gibt, Gewalt auszuüben. nierendes Thema für viele Frauen, weil nicht alle Frauen D: Wenn wir jetzt gucken, körperliche Gewalt, sexuelle in Deutschland die gleichen Rechte diesbezüglich haben: Gewalt, psychische Gewalt, da können wir keine Verän- Wenn eine Frau arbeitet, muss sie den Platz selbst bezah- derung feststellen. len. Wenn eine Frau vom Jobcenter oder Sozialamt lebt, kriegt sie ihn bezahlt, was auch richtig ist. Aber wir krie- ?? Öffentliche Präsenz erleichtert manchmal auch eini- gen eine Frau, die arbeitet, oder eine Studentin oder eine ges, erleichtert sie etwas für euch? EU-Bürgerin als Frauenhaus eigentlich nicht finanziert. D: Vor allem die Kommunikation, und auch die Men- Und die Politik oder die Verwaltung erwartet von uns, schen, Politik, Verwaltung sind offener, über das Thema dass wir die einfach aus den allgemeinen Töpfen mitfi- zu reden, weil sie medial gespiegelt kriegen, dass das ein nanzieren, was zur Folge hat, dass wir immer nur einzel- Problem ist. ne Frauen finanziert kriegen. Und das ist schräg. Das kann nicht sein. ?? Merkt ihr weitere Auswirkungen der Pandemie? Wenn ja, welche? ?? Welche Frauen kommen zu euch? Welche Barrieren gibt es? A: Jein. Im Frühjahr gab es eine kurze Phase, wo die Aufnahmeanfragen sprunghaft gestiegen sind, als das A: Wir haben Frauen aus allen möglichen Schichten in Thema Corona stärker aufkam. Dann hat sich das relativ unserer Beratungsstelle. Im Haus sind es tatsächlich eher ___________________________________________________________________________________________________ 8 revista Nr. 103, Febr./März 2021
die Frauen, die finanziell sehr abhängig sind vom Mann, ansprechbar? Wenden sie sich an euch? die keine Ausbildung haben, die keiner Erwerbstätigkeit A: Wir sind ansprechbar. Ob sie sich an uns wenden, nachgehen können oder die nur Mini-Jobs haben. Und weiß ich nicht so genau. Man weiß es ja auch manchmal wo vielleicht die Familie auch ein Teil des Problems ist, gar nicht. Wir haben das Thema mal mit den Bewohne- statt eine Ressource. Oder Frauen, die vorher noch nie rinnen im Haus angesprochen, wie die sich dazu positio- alleine gelebt haben. Die es wirklich erst mal lernen nieren würden, wenn z.B. jemand im Haus wäre, wer müssen, alleine zurecht zu kommen. nicht typisch weiblich ist oder nicht die typisch weibli- D: In Einzelfällen haben wir Frauen, die sehr selbststän- chen Klischees erfüllt. Und unsere Frauen waren da sehr dig sind, auch Ressourcen haben, aber die halt einfach offen und haben gesagt, jeder soll so leben, wie er das gefährdet sind. Ich sage mal, wenn der Mann oder die möchte, und wer Hilfe braucht, soll Hilfe bekommen. Familie sehr sehr gefährdend sind, kann man auch nicht ?? Weltweit wächst feministischer und Frauenprotest. zu seiner Tante gehen oder zu seiner besten Freundin, (Inwiefern) Seht ihr euch als Teil davon und was müsste weil der weiß, wo das ist, und findet einen da. sich aus eurer Perspektive in der Gesellschaft verän- Wir haben überwiegend Frauen aus anderen Städten. dern? Normalerweise geht man in ein Frauenhaus in einer an- deren Stadt, außer in der Situation, gefährdet der Mann oder die Familie nicht so. A: Was das Sprachliche angeht: Wir versuchen ganz viel möglich zu machen. Wir decken im Haus ein ganz gutes Spektrum an Sprachen ab und bemühen uns ansonsten, auch Übersetzung hinzuzuziehen. Es kommt manchmal vor – wenn wir bei einer Sprache gar nicht wissen, wie wir das hinkriegen sollen, dass wir dann die Aufnah- meanfrage auch ablehnen müssen und an andere Häuser verweisen. Unterm Strich ist natürlich Kommunikation eine ganz wichtige Basis unserer Arbeit. Wir versuchen auch viel mit Händen und Füßen. D: Barrierefrei sind wir jetzt nicht, aber wir werden es bald sein. A: Wir sind auch nicht 24-Stunden im Haus, wir haben unsere Bürozeiten und danach haben wir Ruf-Bereit- D: Wir sehen uns definitiv als Teil davon. Erstmal als schaft. In der Zeit, wenn wir nicht da sind, muss gewähr- Frauenhaus Celle, aber auch in unserer Vereinigung der leistet sein, dass die Frauen sich und ihre Kinder gut ver- autonomen Frauenhäuser. Auch unsere Vertreterinnen sorgen können. Auch bei geistigen Behinderungen engagieren sich politisch weltweit in den unterschiedli- kommt es immer darauf an, wie selbstständig die Frau chen Verbänden, arbeiten mit an der Umsetzung der ist. Es ist grundsätzlich kein Ausschlusskriterium, über- Istanbul-Konvention und darüber hinaus. Was müsste haupt nicht. sich aus eurer Perspektive in der Gesellschaft verändern? D: Ein Zugangshemmnis ist tatsächlich, wenn es einen Einiges noch! älteren Sohn gibt über 14. Es gibt Frauenhäuser, die ha- A: Das Denken. Auch in einem eigentlich fortschrittli- ben ein anderes Konzept und andere räumliche Möglich- chen Land wie Deutschland sind wir ja von Gleichbe- keiten, da kann man dann im Prinzip Frauen hin vermit- rechtigung noch ganz weit entfernt. Gleichberechtigung teln, die einen Sohn haben in dem Alter. muss natürlich auf allen Ebenen umgesetzt werden, aber A: Wir gucken uns immer den Einzelfall an, wir lehnen Gleichberechtigung ist auch noch lange nicht in den da nicht pauschal ab. Wir gucken immer, was möglich Köpfen aller Menschen angekommen. Auch nicht in den ist und was wir anbieten können, besprechen das im Köpfen der Frauen. Team und dann schauen wir. D: Wir lassen uns auch immer noch reinpressen und re- D: Ein großes Thema sind die EU-Bürgerinnen. Nehmen produzieren die Rollen und Muster. wir jetzt mal ein plakatives Beispiel, das aber vorkommt: A: Und auch Sprache schafft Realität, beeinflusst das Eine rumänische gewaltbelastete Frau, die einen Platz Denken. Jede und jeder einzelne muss vielleicht da an- braucht. Da ist es für uns sehr schwierig, weil wir gar fangen, nicht mehr nur maskulin zu sprechen, sondern kein Geld für sie kriegen. Es gibt Häuser, bei denen ist eben auch die ganze Vielfalt der Geschlechter miteinzu- das anders, die sind anders finanziert als wir. Aber es ist beziehen. Und natürlich sind auch politische Entschei- eine sehr schlimme Situation, auch für uns als Mitarbei- dungen gefragt. Auch politische Quoten finde ich total terinnen, dass wir das eigentlich nicht machen können. wichtig, denn Frauen brauchen ja auch Vorbilder. ?? Seid ihr auch für Trans* und nicht-binäre Menschen D: Was ich noch gerade in mir bewege, sind intersektio- _________________________________________________________________________________________________ revista Nr. 103, Febr./März 2021 9
nale Diskriminierungen, die unsere Frauen aus anderen Ein Jahr Klima-Notstand Ländern erleben. Gerade haben wir eine Frau, die ist schwarz und hat ein Kopftuch. Und für so eine Frau, in Climate Watch Celle zieht Bilanz einer Stadt wie Celle, klein und konservativ sag ich jetzt mal, ist es schwierig, eine neue Perspektive für sich zu entwickeln. Eine Wohnung zu finden ist super schwierig, Ein Jahr nach den „Klima-Notstand“-Beschlüssen von das beschäftigt uns oft sehr. Das ist auch Realität 2021 Stadtrat und Kreistag hat sich Climate Watch Celle bei uns in Deutschland: Dass Menschen, die in irgendei- (CWC) angeschaut, was seitdem passiert ist. „Zu we- ner Weise anders aussehen, wo man einen anderen reli- nig“, meint Reinhard Rohde, Sprecher der Initiative: giösen Background erkennen kann – einen muslimischen „Während aus den Reihen der Politik eine Reihe nützli- besonders – es wirklich immer noch sehr schwer haben! che Anträge zu Einzelaspekten gekommen sind, treten Frauen, die nicht gut deutsch sprechen, sind weiterhin die Verwaltungen auf der Stelle.“ sehr diskriminiert in unserer Gesellschaft. CWC hat sich die von den Verwaltungen vorgelegten Bi- ?? Was wollt ihr Frauen, Trans* und nicht-binären lanzen genauer angeschaut. Die Kreisverwaltung habe Menschen sagen? sich in den vergangenen Jahren verhalten wie ein Immo- D: Also ich würde ihnen gerne sagen wollen: Bleibt bilienverwalter, der die Klimabilanz seiner Gebäude op- nicht in Situationen, die keine guten Situationen für euch timiert. Dazu Rohde: „Da gibt es einige gute Ansätze, sind! Ihr seid nicht alleine, ihr könnt Hilfe bekommen. aber es reicht nicht aus.“ Als positiven Schritt aber be- Es gibt Strukturen wie unser Frauenhaus, aber auch an- wertet CWC allerdings, dass endlich eine Klimaschutz- dere, die helfen, aus unhaltbaren Situationen heraus zu managerin eingestellt werden soll mit Zuständigkeiten kommen. Lasst euch nicht unterdrücken, wenn ihr nicht für die Erarbeitung eines Konzepts für die nächsten Jah- frei leben könnt! Habt Mut, sucht euch Hilfe und ge- re. Das allerdings, so Rohde, hätte der Kreis auch schon meinsam mit anderen schafft ihr das, da raus zu kom- längst machen müssen und es wird schwer werden, den men. Rückstand mit nur einer Person aufzuholen. Wichtig sei vor allem, endlich über die engen landkreiseigenen Zu- A: Dem ist nichts hinzuzufügen. Frauen sind stark, wir ständigkeiten hinauszuschauen. wissen das! Die Personalkapazitäten sind aus Sicht von CWC auch D: Gerade die Frauen, die zu uns kommen, sind oft sehr bei der Stadt völlig unzureichend. Man könne doch nicht stark! ernsthaft einen Notstand anerkennen und meinen, dass A: Ja, wir haben großen Respekt vor dem, was die schaf- sei nebenbei zu gestalten. [...] fen. Mit welchem Optimismus, die in ihr weiteres Leben Zur Bilanz, die die Stadtverwaltung als Vorlage in den starten, da kann sich manch einer eine Scheibe von ab- letzten Umweltschuss eingebracht hat, die aber aus Zeit- schneiden. gründen nicht behandelt wurde, hat CWC eine detaillier- D: Und man muss sehr stark sein, um zu gehen – gerade, te Stellungnahme verfasst. Reinhard Rohde: „Es gibt wenn man aus sehr engen Rollenbildern heraus kommt, zwei, drei vorbildliche Projekte wie z.B. beim Abfall- kulturellen, religiösen Zwängen, familiären Zwängen – zweckverband oder bei der Stadtentwässerung, die effizi- aber Frauen schaffen das und können das. Wir sehen das ente Technik um- und einsetzen. Bei der Wohnungsbau- immer wieder, ich sage mal, täglich und es lohnt sich. gesellschaft gibt es ambitionierte Projekte wie an der Wittinger Straße, aber eben auch Lösungen wie bei der ?? Was möchtet ihr Männern sagen? Allerinsel, die bei der Wärme auf Lösungen setzen, de- A: Wir möchten Männern gerne sagen, dass es große ren Beitrag zu Klimaneutralität zu gering ist.“ Vieles Stärke erfordert und große Stärke bedeutet, Gleichbe- andere, was die Verwaltung in ihrer Bilanz auflistet, rechtigung aktiv zu leben. grenzt für CWC aber an Augenwischerei. D: Auch Männer haben nur Vorteile von Gleichberechti- Die Stadt muss sich nach Auffassung von CWC vor al- gung, und ich wünsche es ihnen, dass sie das erkennen. lem personell anders aufstellen. Dazu Rohde: „Aktuell Natürlich wollen wir Männern auch sagen, dass Gewalt scheint uns die Verwaltung nicht in der Lage, konzeptio- gar keine Lösung ist! Nicht in geringster Weise eine Lö- nell arbeiten und effektiv auf Fördermittel zugreifen zu sung ist für Konflikte. können. Hier sollte ein Team aufgestellt werden, das Kompetenzen aus unterschiedlichen Bereichen bündelt und die Herausforderung Klimawandel endlich an- nimmt.“ Letztlich sei zu begrüßen, dass die Verwaltung jetzt ein neues Klimaschutzkonzept in Auftrag geben will.unerklärbar ist, warum dafür ein weiteres Jahr ver- streichen musste. [...] Die Stellungnahme zur Bilanz der Stadtverwaltung fin- den sich unter: www.climate-watch-celle.de ___________________________________________________________________________________________________ 10 revista Nr. 103, Febr./März 2021
Eine Betrachtung von Nigges Neujahrsbilanz Was schadet’s, wenn es innen hohl Im Celler Kurier vom 27.12.20 durfte Oberbürger- mengelegt wird. Und dass die Altstädter Kinder dann meister Nigge auf einer ganzen Druckseite Bilanz für das längere Schulwege haben und dass die Kinder vom Na- Jahr 2020 ziehen. Natürlich habe Corona „das Jahr auf delberg in Zukunft eine Bundesstraße queren müssen, links gedreht“, aber er hätte trotzdem einiges ins Werk kontert der „familienfreundliche“ OB mit einer Nebel- gesetzt. Zum Beispiel habe die Stadt den lokalen Handel kerze namens „Schulwegoffensive“ und setzt dabei offen- mit der Plattform kaufregional unterstützt. Ein dilettanti- bar auf die Familien aus den Neubaugebieten, die ihre sches Billig-Produkt, was man/frau beim Ausprobieren Kinder mit dem dicken SUV zur Schule bringen. Was er schnell feststellen kann: Was man auch als Suchbegriff indirekt bestätigt, indem er darauf hinweist, dass in Celle eingibt, man findet nichts. Das wird den absterbenden „der Pkw immer noch das Verkehrsmittel Nummer eins Einzelhandel in Celles Innenstadt sicher nicht retten, sei“. Und was wohl so bleiben soll und muss. denn Amazon funktioniert leider besser. Oder wie schon Bei der Erwähnung seiner „Fahrrad-Offensive“ ge- Wilhelm Busch so treffend formulierte: „Ist es doch nur steht Nigge ein, dass es in Celle großen Nachholbedarf ein Symbol, was schadet’s, wenn es innen hohl“. gibt. Dass das bisherige Stückwerk von aufgepinselten Schutzstreifen und ein paar wenigen Fahrradstraßen zwar besser als nichts ist, aber nicht reicht, hat ihm ja ge- rade eine Beratungsfirma attestiert. Doch gut ausgebaute Fahrradwege und Fahrradzonen kosten Geld, und das ist ja bereits für Autostraßen ausgeben. Und wie es mehr Si- cherheit für Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen geben soll, wenn man das Verkehrsmittel Nummer eins Womit wir schon beim nächsten Selbstlob wären: nicht einschränken will, bleibt sein Geheimnis. Man habe die schwarze Null erreicht. Ein zweifelhafter Dafür ist Ex-Militär Nigge stolz wie Bolle auf die Er- (und kurzer) Erfolg, denn wenn man zu wenig Geld aus- folge im Osten, wo mit Hilfe „einer überparteilichen gibt, dann ist auch das wenige für die Katz. Doch nach- Front“ der Weiterbau der Ostumgehung erreicht wurde. dem der Milchjunge sein nicht vorhandenes Geld gespart Und auch der Ausbau des Nordwalls wurde endlich fer- hat, hat er nun dank der Schwarzen Null „eine solide Ba- tig. Beides Projekte aus der Steinzeit der autogerechten sis, um zu investieren“. So sei man z.B. auf dem Weg zur Stadt, die viel Geld gekostet haben und noch kosten, das „Familienstadt“, das sehe man an den vielen Neubauge- dann für echte Klimaschutzmaßnahmen fehlt. bieten z.B. Im Tale oder Im Blauen Land. Doch dort in- vestieren unterm Strich die Bauträger und nicht die Stadt, die ihnen durch Verzicht auf verbindliche Vorga- ben zum Klimaschutz das Bauen versüßt hat. Und auch das neue Gewerbegebiet Auf der Grafft würde der Stadt Geld bringen. Dass man auf der teuren Grafft keinen Platz für den Neubau der Westerceller Feuerwehr fand, und stattdessen lieber ein billiges Ei- Anzeichen von Realitätsverlust zeigen sich auch hin- chenwäldchen abholzt, ist nur konsequent, denn Klima- sichtlich der „Eventkultur“. Erst hielt man trotz Corona schutz á la Celle darf nichts kosten. ewig am Weihnachtsmarkt fest, konnte dann aber doch Man sei auch das Thema Museums-Depots an- nur eine „Weihnachtsstadt“ mit elf Buden aufbauen. Als gegangen, meint Nigge. Dass dabei die einzigartige sich dann herausstellte, dass sogar in Celle Glühwein Ofenplattensammlung des Bomann Museums verschenkt nicht die richtige Corona-Medizin ist, war’s auch damit wurde, erwähnt er nur beiläufig. Stolz ist er aber, dass schnell vorbei. Dafür klappt es in Sachen Integration man endlich das Stickmuster-Museum los geworden sei laut Nigge hervorragend. Ein Glück nur, dass die Stadt- (Helmstedt nahm es mit Handkuss). Es ist zwar die be- verwaltung sich dagegen sperrt, „Sicherer Hafen“ zu deutendste Sammlung dieser Art in Deutschland, aber werden, denn das hätte dieses Idyll nur gestört. Ein was soll’s: Die Tourist*innen kommen ja ohnehin nur Glück auch für den guten Christen Nigge, dass heuer zum Shoppen und Kaffeetrinken nach Celle, Hauptsache dank Corona die Geburtstagsfeier seines Religionsstif- sie finden in Celle dieselben Ladenketten wie zuhause. ters so ziemlich ausgefallen ist, denn wie sagte doch die- ser weltfremde Spinner Jesus „Lasset die Kinder zu mir 20 Mio. Euro investiere die Stadt in ihre Grundschu- kommen.“ Und was meint Nigge zum Abschluss seiner len. Klingt gut, doch es verschweigt, dass dafür mit der Bilanz: „Keiner weiß was nach Corona ist“. Doch wis- Altstädter Schule eine der pädagogisch und integrativ er- sen wir, Nigge macht weiter so, solange man ihn lässt. folgreichsten Schulen Celles geschlossen bzw. zusam- _________________________________________________________________________________________________ revista Nr. 103, Febr./März 2021 11
Geschäftsführung und Aufsichtsrat kennen kein Pardon AKH: Sanierung auf Kosten der Beschäftigten Die Stimmung unter den AKH-Beschäftigten aus Kü- dacht oder Bestätigung einer Covid-Infektion für uns re- che, Reinigung und Logistik ist verständlicherweise ge- levant. Diese werden fast ausschließlich von den ehema- reizt.. Auf eine Kritik des DGB-Vorsitzenden Dirk Gra- ligen AKH-Mitarbeitern zwischen den übrigen normalen vels hatte der Aufsichtsratsvorsitzende, Landrat Wiswe, Tätigkeiten ausgeführt. gekontert, die Ausgliederung der tertiären Bereiche Teil In dieser Hinsicht haben wir überschaubare Mehrar- eines Sanierungsprozesses sei, ohne den der Fortbestand beit, welche mit unserem eigentlich normalen Bestand an der AKH-Gruppe in ihrer jetzigen Form bedroht sei – Mitarbeitern problemlos zu bewältigen wäre. Aus- was man/frau als Privatisierungsdrohung interpretieren schließlich durch die Ausgliederung und den daraus re- kann. sultierenden Kündigungen und allen weiteren Folgen ist Auf die Kritik am Einsatz von Bundeswehrsoldaten, die Unterstützung der Soldaten notwendig, um den Be- meinte Wiswe betonen zu müssen, „dass die Soldaten trieb in der Logistik aufrecht erhalten zu können. Bei- nicht Aufgaben der jetzt ausgegliederten Mitarbeiter spielsweise war am Nachmittag des 11. Januar 2021 der übernehmen“ würden. Transportdienst mit 3 Soldaten und 3 Zivilisten besetzt. Dabei leisten die Soldaten die gleichen Arbeiten, wie wir Dass sah ein Beschäftigter nun völlig anders und ehemaligen AKH-Mitarbeiter auch. Wenn in der Ant- schrieb einen Leserbrief, den interessanterweise weder wort des Aufsichtsrates das Gegenteil behauptet wird, die CZ noch die Internet-Portale CelleHeute und Celler dann ist das schlicht falsch. Presse bisher veröffentlicht haben. Diesen Leserbrief do- kumentieren wir hier. Auf der Folgeseite noch ein Offe- Des Weiteren spricht Herr Wiswe davon, dass die ner Brief von AKH-Beschäftigten vom November. Die Ausgliederung ein wichtiger Bauteil zum Erreichen des Fotos sind von einer Aktion von ver.di-Mitgliedern, die Sanierungsgutachtens ist. Welche weiteren Maßnahmen vor dem Verwaltungsgebäude Autos geparkt hatten, auf wurden noch getroffen? Seit ca. 2 Jahren ist die Ausglie- deren Dächern mit Kommentaren versehen Pappkartons derung das einzige Thema, und an den wesentlichen standen. Dingen wurde nicht gearbeitet - Entlassungsmanage- ment, Liegezeiten, Dokumentation, Honorarkräfte/Hono- rarärzte – alles unverändert schlecht. LESERBRIEF zum AKH Das Argument, dass eine große Mehrheit der Mitar- beiter die Verträge unterschrieben hat, ist reiner Hohn. Als Mitarbeiter der Logistik des Allgemeinen Kran- Niemand von uns begrüßt die Vorgehensweise der Kran- kenhauses Celle möchte ich auf diesem Wege zur Ant- kenhausleitung mit Verlust von Gehalt, Weihnachtsgeld wort von Landrat Wiswe auf den offenen Brief des DGB und VBL. Ein Kollege, um die 50 Jahre alt, musste die Stellung nehmen. Denn offensichtlich besitzt der Auf- Ausgliederung ablehnen, weil der Wegfall der Alterszu- sichtsratsvorsitzende keinerlei Kenntnis der aktuellen satzversorgung VBL für ihn Altersarmut bedeutet hätte. Lage in den Tertiärbereichen. Ihm wurde gekündigt. Wir Mitarbeiter hatten also prak- Wiswe spricht von einer extra entwickelten Transport- tisch keine andere Wahl: Wir mussten die erzwungene Logistik für Covid-19-Patienten. Diese existiert nicht. Es Ausgliederung hinnehmen, da Familie, Kinder und Woh- gibt lediglich Wegevorgaben über dafür vorgesehene nung finanziert werden müssen. Fahrstühle. Die beschriebenen Wege sind für jeden Mit- Es gab für uns schlichtweg keine Alternative. arbeiter und Patienten frei zugänglich. Es sind aus- schließlich Transporte von der Notaufnahme bei Ver- Aber Herr Wiswe und der Vorstand hatten Alternati- ven. Warum wurde immer wieder der Vorschlag eines Zukunftssicherungsvertrages übergangen? Die einzige Stellungnahme des Vorstandes auf einer Betriebsver- sammlung: „Wir möchten doch nicht an Ihr hart verdien- tes Geld.“ An unser Geld in den untersten Lohngruppen will Herr Wiswe aber schon. Wenn Herr Wiswe dann von persönlichen Angriffen Fotos: Jürgen Elendt im Brief des DGB spricht, sollte er bedenken: Der ei- gentliche persönliche Angriff geht an jeden einzelnen Mitarbeiter der tertiären Dienste. Er droht mit einer kom- pletten Fremdvergabe dieser Bereiche und tritt damit uns Mitarbeiter nochmals mit Füßen. ___________________________________________________________________________________________________ 12 revista Nr. 103, Febr./März 2021
Offener Brief von AKH-Beschäftigten Wir sollen die Misswirtschaft ausbügeln Nun melden wir uns als Mitarbeiter der Küche, Reini- gung und Logistik zu Wort. Lange wurde uns geraten, zu schweigen und nicht unangenehm aufzufallen, damit wir die Verhandlungen zum Sozialplan nicht gefährden. Aus heutiger Sicht war dies ein Fehler. Ob wir etwas hätten ändern können, wissen wir nicht, aber wir hätten es ver- suchen und jeden Tag auf uns aufmerksam machen müs- sen. Denn jetzt ist der Sozialplan in Kraft getreten und das Celler Arbeitsgericht ist mit den eingereichten Kla- gen beschäftigt. „Nein, ich möchte doch nicht an ihr hart verdientes Geld!“ Mit diesen Worten lehnte Herr Windmann einen Zukunftssicherungsplan für alle Beschäftigten ab. Soli- darität machte sich im Hause breit. So war z.B. der Ärzt- liche Dienst bereit, auf die Auszahlung ihrer Überstun- den zu verzichten. Jeder hätte etwas gegeben, doch das war vom Vorstand nicht gewollt. Windmann wollte lie- ber den Geringverdienern das Geld nehmen. Wir wussten nicht, was auf uns zukommen wird. geringste Einkommen haben, sollen diese Misswirtschaft Ängste und Sorgen machten sich breit. Lange Zeit wuss- ausbügeln. te niemand aus unseren Bereichen wie es weitergeht, denn die Informationen des Arbeitgebers waren spärlich. Einige Mitarbeiter haben sich nach der Ankündigung So mussten wir viel aus der Zeitung erfahren. Kollegen, des Outsourcings dazu entschlossen, das AKH zu verlas- die Freunde, Nachbarn oder Vereinskameraden aus der sen, ohne zu wissen, was der Sozialplan bringen wird. Celler Politik haben, konnten uns mit weiteren Informa- Der Sozialplan bringt erhebliche Einbußen. tionen versorgen. Viele dieser Informationen machten Immer wieder ist zu hören, dass es in den nächsten 5 uns fassungslos. Jahren zu jährlichen Lohnsenkungen von 8% kommen So wissen wir, dass aus mehreren Gutachten hervor- wird. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn wir be- geht, dass ein Outsourcing der Wirtschaftsbereiche wirt- kommen auch kein Weihnachtsgeld, sowie alle weiteren schaftlich nicht notwendig oder gar sinnvoll ist, da der Sonderzahlungen, die aus dem Tarif des öffentlichen Arbeitgeber nicht den gesetzlichen Mindestlohn zahlt, Dienstes hervorgehen. Zudem sind wir auch nicht mehr sondern nach Tarif. Auch Beraterfirmen, die dem Kran- in der VBL, eine Betriebsrente für den öffentlichen kenhaus Millionen kosteten, rieten absolut von einem Dienst. Outsourcing ab! Für 2021 ist der Arbeitgeber bereit eine Einmalzah- Dem Aufsichtsrat sind die Mitarbeiter egal. Er möchte lung von 500 Euro zu leisten. Für 2022 dann noch ein- Zahlen haben. Herr Wiswe lobte die Mitarbeiter aus un- mal 250 Euro. Was sich aber nicht ändern wird, ist die seren Bereichen für die erbrachte Arbeit. Im selben Menge der Arbeit. Wir werden das Gleiche tun. Atemzug teilten Windmann und Wiswe mit, dass wir für Einige Mitarbeiter werden diesen Weg nicht mitge- unsere Arbeit zu viel Geld verdienen würden. Eine hen. Der Arbeitgeber schreibt in der CZ, dass es ab dem schlimmere Ohrfeige kann es nicht geben! 01.01.2021 zu keinen Personalengpässen kommen wird, Immer wieder hat der Vorstand auf Betriebsversamm- da man das fehlende Personal mit Leiharbeitern aufsto- lungen berichtet, dass es offene Forderungen gegenüber cken wird. Woher kommt das Geld, um diese Mitarbeiter der Krankenkasse gibt. Es wird lückenhaft, fehlerhaft zu bezahlen? oder gar nicht dokumentiert. Es wird zu viel geröntgt, Auch ein Abteilungsleiter wird diesen Weg nicht mit- die Liegedauer der Patienten ist zu lang usw. Das hat gehen und das Haus ebenfalls verlassen. Was dies mit sich bis heute nicht geändert. der Abteilung machen wird, ist noch unklar und abzu- Es werden Tag für Tag unzählige Honorarkräfte be- warten. Werden weitere folgen? schäftigt. Das Geld wird weiterhin mit vollen Händen Vor einigen Jahren fühlten wir uns noch wertgeschätzt zum Fenster heraus geschmissen und wir, die schon das und Lob klang ehrlich. Heute ist es einfach Heuchelei. _________________________________________________________________________________________________ revista Nr. 103, Febr./März 2021 13
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