Wissenschaftsporträts der BMBF Fördermaßnahme Nachhaltiges Landmanagement - Modul A Inhaltsverzeichnis - Forschung für Nachhaltige ...

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Wissenschaftsporträts der BMBF Fördermaßnahme
      Nachhaltiges Landmanagement - Modul A

                      Inhaltsverzeichnis

1. Die Zukunft des Okavango (The Future Okavango)……..………...Seite 2
2. Landnutzung im Wandel (CC-LandStraD)……………………………….Seite 9
3. Pioniere in Zentral-Vietnam (LUCCi)……………………………….……Seite 16
4. Neue Strategien für Südamazonien (Carbiocial).……….…………Seite 23
5. Neue Strategien für die Waldsteppe (KULUNDA)……………….. Seite 30
6. Neue Wege beim Reisanbau (LEGATO)……………………………….Seite 37
7. Ein Managementplan für den Tarim (SUMARIO)………………....Seite 44
8. Neues Leben für die Steppe (KULUNDA)………………………………Seite 51
9. Wege zu mehr Nachhaltigkeit beim Kautschukanbau
(SURUMER)…………………………………………………………………………..…Seite 58
10. Sichere Zukunft für Deutschlands Küsten (COMTESS)…….….Seite 65
11. Mehr Nachhaltigkeit für Madagaskar (SuLaMa)………………...Seite 72
12. Nachhaltige Nutzung von Stauseen (INNOVATE)….…………… Seite 79
13. Globaler Wandel im regionalen Kontext (GLUES)……….………Seite 86
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Wissenschaf tsporträt 1

Die Zukunft
des Ok avangos

                            (Quelle: M. Finckh)
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                                                                                                                                     (Quelle: M. Finckh)
                                                             (Quelle: TFO)
      Der Okavango, Namibia.                                                 Holzkohlehandel entlang einer Straße, Angola.

      Der Okavango zählt zu den längsten Strömen im                          aus den Fugen zu geraten. »Die Natur ist durch Über-
      südlichen Afrika. Seine Wassermassen sind Lebens­                      nutzung und Privatisierung stark gefährdet«, sagt
      grundlage vieler Menschen. Doch Übernutzung und                        Norbert Jürgens. Der Biodiversitätsprofessor an
      Privatisierung bringen das Ökosystem in Gefahr.                        der Universität Hamburg ist Sprecher des For-
      Verhindern wollen das deutsche Forscher. Ihre                          schungsverbunds »The Future Okavango«, kurz TFO.
      Expertise soll helfen, vor Ort alternative Nutzungs­                   Das Netzwerk aus sechs Universitäten und zwei
      modelle umzusetzen.                                                    Forschungseinrichtungen aus Deutschland sowie
                                                                             drei afrikanischen Partnerländern (Angola, Bots-
                                                                             wana und Namibia) untersucht in zehn Teilprojekten

      D   er Okavango nimmt sich Zeit: In mehreren Seiten-
          armen quert er träge das Hochland im Zentrum
      Angolas, markiert dann über 400 Kilometer die
                                                                             die Nutzung und den Umgang mit natürlichen Res-
                                                                             sourcen im Okavango-Gebiet. Das Bundesforschungs-
                                                                             ministerium fördert das Vorhaben bis 2015 mit
      Landesgrenze zu Namibia, ehe seine Wassermengen                        7,5 Millionen Euro über seine Fördermaßnahme
      nach 1.600 Kilometern im Nordwesten Botswanas                          Nachhaltiges Landmanagement.
      in den Sümpfen des Okavango-Deltas, dem welt-
      größten Binnendelta, langsam versickern und ver-                       Globale Probleme befürchtet
      dunsten. Für rund eine Million Menschen ist das                        Wer die Gefahr für das Ökosystem Okavango begrei-
      Einzugsgebiet des Okavangos die wichtigste Lebens-                     fen will, wird am Oberlauf des Flusses in Angola
      ader. Sie leben seit Jahrhunderten von dem, was                        fündig. Dort hinterließen 37 Jahre Bürgerkrieg Chaos
                                                                             und Verwüstung, die Bewohner flüchteten aus der
                                                                             Region. Jetzt zieht es sie wieder in ihre alte Heimat
      »Die Natur ist durch Übernutzung                                       zurück. Auf zwei Millionen Menschen könnte sich
      und Privatisierung stark gefährdet.«                                   dort die Bevölkerungszahl in den nächsten 40 Jahren
                                                                             erhöhen, schätzt Jürgens. Das hätte Folgen: Savan-
                                                                             nen und Feuchtgebiete würden intensiver genutzt,
      die Natur ihnen anbietet: Sie fangen Fische, bauen                     ökologisch bedeutende Wälder gerodet und in Acker-
      Getreide an, sammeln Faserstoffe, Brenn- und Bau-                      flächen umgewandelt. Auch global bliebe das nicht
      materialien und nutzen Arzneipflanzen. Und das                         folgenlos: Waldtypen wie die Waldsavannen spei-
      im Rhythmus der Natur. 500 Vogel-, 128 Säugetier-                      chern einen erheblichen Teil des weltweiten Kohlen-
      sowie 150 Reptilien- und Amphibienarten zählten                        stoffs. Für solche Probleme und Zusammenhänge
      Forscher allein im Flussdelta in Botswana. Lange                       will Jürgens über das Forschungsprojekt ein
      Zeit war das Gleichgewicht intakt, jetzt droht es                      ökologisches Bewusstsein schaffen, basierend auf
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                                                                                                                       Wissenschaftsporträt

                                                              (Quelle: M. Pröpper)

                                                                                                                                                 (Quelle: M. Finckh)
      Lokaler Markt in der Nähe von Chitembo, Angola.                                Arbeitsalltag der Frauen in Cusseque, Angola.

      wissenschaftlicher Expertise. »Ziel ist, Instrumente                           abhängig. Subsistenzwirtschaft heißt der Fachbegriff
      und Szenarien zu liefern, wie Menschen in der Region                           dafür, wenn die Familien auf ihren Feldern Früchte,
      mit unterschiedlichen Interessen die Vielzahl von                              meist Hirse, Mais oder Bohnen, anbauen und
      Ressourcen dauerhaft nutzen und erhalten können«,                              diese überwiegend selbst verbrauchen. Viel ist es
      sagt er.                                                                       nicht, was die Bauern den kargen Böden abringen.
                                                                                     In Namibia, weiß Gröngröft, ernten die Familien pro
      Basisinformationen fehlen                                                      Jahr rund 95 bis 100 Kilogramm Hirse pro Hektar –
      Diesen Anspruch auf einer Projektfläche von
      430.000 Quadratkilometern umzusetzen, ist kein leich-
      tes Unterfangen. Weil wissenschaftliche Daten                                  »Mit europäischen Verhältnissen ist
      für das Einzugsgebiet des Okavango insbesondere                                das nicht zu vergleichen.«
      in Angola fehlen, müssen die Forscher erst einmal
      Basisinformationen einholen. Etwa über die Land-
      wirtschaft. Bodenkundler wie Dr. Alexander Gröngröft                           ohne dass sie Dünger oder Pestizide einsetzen.
      von der Universität Hamburg stehen dabei mitunter                              »Mit europäischen Verhältnissen, wo auf der gleichen
      vor ungewöhnlichen Problemen: »Die Menge an                                    Fläche im Mittel 7.000 Kilogramm Weizen geerntet
      Phosphor ist auf den meisten landwirtschaftlichen                              wird, ist das nicht zu vergleichen«, sagt er. Viele Land-
      Untersuchungsflächen so gering, dass wir ihn mit                               wirte sind damit nicht zufrieden. Gibt die Fläche
      den gängigen Analyseverfahren gar nicht erfassen                               nicht mehr genug her oder reicht die Ernte nicht aus,
      können«, sagt er. Die Daten sind eminent wichtig,                              um die Familie satt zu bekommen, wird deshalb oft
      da die Phosphor-Verbindungen als Pflanzennährstoff                             das nächste Stück Naturwald gerodet, um die Anbau-
      in der Landwirtschaft essentiell sind. Wie kommt                               fläche zu vergrößern.
      die Vegetation mit so wenigen Nährstoffen aus? Wie
      funktionieren die Nährstoffkreisläufe, wenn kaum                               Nachhaltig ist dieser hohe Flächenbedarf nicht. Um
      Nährstoffe vorhanden sind? Wie können Menschen                                 die Ernteerträge zu erhöhen, starteten die TFO-
      in den Kreislauf eingreifen, um den Boden fruchtbarer                          Wissenschaftler in der Region Kavango an der Grenze
      zu machen? Das sind einige Fragen, auf die Grön-                               Namibias zu Angola mit einer lokalen Nicht-Regie-
      gröft mit Kooperationspartnern über gezielte Messun-                           rungs-Organisation (NGO) und Bauern einige Modell-
      gen und Modellierungen Antworten geben möchte.                                 versuche. Conservation Agriculture heißt der An-
                                                                                     satz, mit dem sie auf sandigen und nährstoffarmen
      Von den Erträgen, die die Landwirtschaft abwirft,                              Flächen mehr Mais oder Hirse als bisher ernten
      sind die meisten Menschen entlang des Okavangos                                möchten. Dabei wird in einem Versuch das Saatgut
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                                                                                                                      Wissenschaftsporträt

                                                             (Quelle: A. Gröngröft)

                                                                                                                                               (Quelle: A. Gröngröft)
      Illegal gefälltes Holz als Baumaterial, Namibia.                                Kommerzielle Bewässerungslandschaft in Namibia.

      nicht wie sonst üblich auf der gesamten Fläche                                  und einen erhöhten Kapitalbedarf, der hauptsächlich
      verteilt, sondern in aufwändiger Arbeit einzeln in                              über die natürlichen Ressourcen gedeckt wird. Und
      kleine vorgebohrte Löcher gesät, die dann mit Kuh-                              mehr Konsum bedeutet letzt­endlich auch mehr Müll.
      mist gedüngt und mit Kompost zugedeckt werden.
                                                                                      Im Visier der Konzerne
                                                                                      Global agierende Agrarkonzerne sind da weitaus
      »Ob die Anbaumethode erfolgreich                                                besser informiert, sie haben bereits die fruchtbaren
      ist, hängt davon ab, wie sehr sich die                                          Flusstäler des Okavangos ins Visier genommen.
      Landwirte engagieren.«                                                          »Die Unternehmen züchten Jatropha-Pflanzen, um
                                                                                      sie bei günstigen globalen Brennstoffpreisen groß-
                                                                                      flächig anbauen zu können«, weiß Jürgens. Das
      Erste Ergebnisse zeigen deutlich höhere Erträge.                                könnte die landwirtschaftliche Nutzung in der Region
      Doch was in dieser Region positive Folgen hat, muss                             drastisch verändern, sollten die Flächen in Zukunft
      anderswo in Botswana oder Angola nicht ebenso von                               zur Produktion von Energie für den Weltmarkt und
      Erfolg gekrönt sein: »Ob die Anbau­methode erfolg-                              nicht mehr für Nahrungsmittel für den heimischen
      reich ist, hängt auch davon ab, wie sehr sich die                               Markt verwendet werden. Abgesehen von dem
      Landwirte engagieren«, sagt Dr. Michael Pröpper.                                ­möglichen Wandel der Landnutzung für Energie­
      Der Ethnologe der Universität Hamburg untersucht                                 produktion kann eine Intensivierung der Agrarwirt-
      anhand von Fallstudien, wie die Bewohner in drei                                 schaft zum Vorteil der Landbevölkerung sein: »Sie
      ausgesuchten Kommunen entlang des Okavangos                                      kann zu höherer Produktivität und damit zur Ver­
      die natürlichen Ressourcen nutzen. Der technolo­                                 besserung der Nahrungssicherung führen«, sagt
      gische Wandel der Landwirtschaft ist nicht einfach,                              Wirtschaftswissenschaftler Dr. Thomas Falk von
      weil Informationen nur tröpfchenweise bei den                                    der Universität Marburg. Wichtig sei, dass die Inter-
      Landwirten ankommen: »Ein Wissenstransfer von                                    essen der lokalen Bevölkerung berücksichtigt und
      den Behörden zu den kleinen Farmern findet kaum                                  ihre Land- und Wasserrechte anerkannt werden.
      statt, da Fortbildungsorganisationen für die Farmer                              Zudem müssten Konzerne für die Kosten ihrer Nut-
      nur über wenig Ressourcen und schlecht ausge­                                    zung von Dienstleistungen der Natur zahlungspflich-
      bildetes Personal verfügen«, sagt Pröpper. Eine der                              tig gemacht werden. Dies würde Anreize für eine
      vorläufigen Erkenntnisse ist dabei zusätzlich, dass                              nachhaltigere Nutzung nach sich ziehen. Um verschie-
      mit neuen Märkten auch neue Konsum­anreize für                                   dene Landnutzungsformen vergleichen zu können,
      Landwirte entstehen. Das bedeutet für die Bauern,                                nutzen die Wissenschaftler bio-ökonomische Com-
      die lange Zeit subsistent gelebt haben, neue Wünsche                             putermodelle. »So erkennen wir, welche Zielkonflikte
Wissenschaftsporträts der BMBF Fördermaßnahme Nachhaltiges Landmanagement - Modul A Inhaltsverzeichnis - Forschung für Nachhaltige ...
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                                                                                                             Wissenschaftsporträt

                                                              (Quelle: TFO)

                                                                                                                                     (Quelle: TFO)
      Ausbeute eines Fischfangs mit traditionellem                            Okavango Delta, Botswana.
      Fanggerät, Namibia.

      sich für die Landnutzer zwischen der Nahrungs­                          gesorgt. Sie gründeten 1994 die Permanent Okavango
      produktion und dem Umweltschutz wie zum Beispiel                        River Basin Water Commission (OKACOM). Diese
      der Bodenqualität ergeben«, sagt Dr. Stephanie                          soll Konflikte um die Wassernutzung in der Region
      Domptail, Agrarwissenschaftlerin der Universität                        verhindern. Ihr Geschäftsführer Ebenizário Chonguica
      Gießen. Der monetäre Wert für ökolo­gische Dienst-                      erhofft sich für das nachhaltige Landmanagement
      leistungen wie zum Beispiel den G
                                      ­ ebrauch von
      Wasser durch Nahrungsmittelpro­duzenten könne
      durchaus berechnet werden.                                              »Die ökologische Bedeutung und
                                                                              der wirtschaftliche Wert des Okavangos
      Vom Wasser abhängig                                                     sind immens.«
      Vom Wasser des Okavangos sind die Menschen ent-
      lang des Flusses abhängig. Wissenschaftler wissen
      noch sehr wenig über die hydrologischen Verhält-                        wichtige Erkenntnisse aus dem TFO-Projekt: »Unsere
      nisse des Stromes: Welche Qualität hat das Wasser?                      Informationen über das Okavango-Einzugsgebiet
      Wo wird es gespeichert? Wie verteilt es sich? Welchen                   sind immer noch dürftig. Deshalb brauchen wir mehr
      Einfluss hat die Landnutzung auf das Wasser? Ant-                       wissenschaftliche Informationen, um einen Manage-
      worten darauf will der Geograph Dr. Jörg Helmschrot                     mentplan für das Gebiet zu entwickeln und die Poli-
      von der Universität Jena mit seinen deutschen und                       tik zu beraten.«
      afrikanischen Kollegen in einem TFO-Teilprojekt
      erarbeiten. »Wir wollen Prozesse modellieren, wie                       Der TFO-Sprecher Jürgens, der seit vielen Jahren
      sich die Wasserverteilung ändert, wenn sich in den                      in Afrika forscht, weiß um die Erwartungen, die die
      Anrainer-Staaten die Landnutzung ändert und der                         afrikanischen Projektpartner an das Projekt stellen.
      Klimawandel Einzug hält«, sagt er. Ein Beispiel:                        »Die ökologische Bedeutung und der wirtschaft-
      Die Forscher wollen Szenarien entwickeln, was pas-                      liche Wert des Okavangos ist für die drei Staaten
      siert, wenn in Namibia mehr Wasser gebraucht wird                       immens«, sagt er. Der Ökologe hofft aus dem For-
      und in Angola sowie Botswana auf großen Flächen                         schungsvorhaben Rückschlüsse für den ganzen
      Bewässerungslandwirtschaft oder Stauwerke für                           Kontinent ziehen zu können, wie man nachhaltiges
      die Energiegewinnung eingeführt werden.                                 Landmanagement gestalten kann: »Das Projekt
                                                                              hat Modellcharakter, weil es typische Probleme
      Damit der Streit ums Wasser nicht wie in einigen                        Afrikas abbildet: Bevöl­kerungsexplosion, Mangel an
      anderen Regionen der Erde zu einem gefährlichen                         Ausbildung, künstlich in der Kolonialzeit gezogene
      Konflikt wird, haben die drei Anrainer-Staaten vor-                     Grenzen, ungünstige Klimaprognosen.«
Wissenschaftsporträts der BMBF Fördermaßnahme Nachhaltiges Landmanagement - Modul A Inhaltsverzeichnis - Forschung für Nachhaltige ...
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                                                                                (Quelle: M. Finckh)

                                                                                                                                                                            (Quelle: M. Finckh)
          Blick ins Tal in der Nähe von Chitembo, Angola.                                             Graslandschaft mit Termitenhügeln, Angola.

          Die Ergebnisse des TFO-Projekts sollen in den nächs-
          ten Jahren vor Ort umgesetzt werden. »Wir bieten                                            Projektleitung:
          wichtige Informationen für Ministerien, Behörden,                                           Biozentrum Klein Flottbek und Botanischer Garten | Universität Hamburg
          NGO und Landnutzer«, sagt Jürgens. Die wissen-                                              Prof. Dr. Norbert Jürgens
          schaftlichen Daten seien hilfreiche Leitplanken für                                         Telefon: +49 (0) 40-42816-260
                                                                                                      E-Mail: norbert.juergens@t-online.de

          »Wir bieten wichtige Informationen für                                                      Projektkoordination:
          Ministerien, Behörden, NGOs und Landnutzer.«                                                Biozentrum Klein Flottbek und Botanischer Garten | Universität Hamburg
                                                                                                      Dr. Alexander Gröngröft
                                                                                                      Telefon: +49 (0) 40-428384-395
          Entscheidungsträger. So sollen zum Beispiel modell–                                         E-Mail: a.groengroeft@ifb.uni-hamburg.de
          basierte Szenarien, die auf Indikatoren wie Klima,
          Energiepreise, Nahrungsmittelpreise, Veränderungen                                          Ansprechpartner in der Untersuchungsregion
          der biologischen Vielfalt oder der Entwicklung der                                          Instituto Superior de Ciências de Educação (ISCED), Lubango, Angola
          Bevölkerungszahl basieren, bei der Entscheidung                                             Prof. Dr. Fernanda Lages
          helfen, welche Flächen entlang des Okavangos                                                Telefon: +244 926008674
          auf welche Weise genutzt oder geschützt werden                                              E-Mail: f_lages@yahoo.com.br
          können, ohne dass es etwa durch Rodung von Wäl-
          dern oder Übernutzung der Wasserressourcen zu                                               Okavango Research Institute (ORI), University of Botswana, Botswana
          irreversiblen Schäden für das Ökosystem kommt.                                              Prof. Dr. Wellington Masamba
          Jürgens: »Wenn uns das gelingt, wäre das ein                                                Telefon: +267 6861833
          ­Gewinn für die Natur und für die Menschen.«                                                E-Mail: wmasamba@orc.ub.bw

                                                                                                      Polytechnic of Namibia (PON), Namibia
                                                                                                      Dr. Ibo Zimmermann
                                                                                                      Telefon: +264 612072461
                                   In der Region beforschte Produktionssysteme sind:
                                   Landwirtschaft (industriell und extensiv),                         E-Mail: izimmermann@polytechnic.edu.na
                                   Forstwirtschaft

                                                                                                      Fördersumme: 7,5 Millionen Euro
          The Future Okavango
          www.future-okavango.org                                                                     Laufzeit: September 2010 bis August 2015
Wissenschaftsporträts der BMBF Fördermaßnahme Nachhaltiges Landmanagement - Modul A Inhaltsverzeichnis - Forschung für Nachhaltige ...
»The Future Okavango« ist eines von zwölf Regional-
projekten, welches im Rahmen der Fördermaßnahme
»Nachhaltiges Landmanagement« (Modul A) vom
Projektträger im DLR im Auftrag des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.

Wissenschaftsporträt 1 erscheint im Rahmen der
Fördermaßnahme »Nachhaltiges Landmanagement« des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).
www.nachhaltiges­landmanagement.de

Herausgeber:
Wissenschaftliche Begleitung,
Koordination & Synthese (GLUES)
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ
Department Landschaftsökologie
Permoserstraße 15 | 04318 Leipzig

Redaktion: Andreas Werntze, MSc.
E-Mail: andreas.werntze@ufz.de

Autor: Benjamin Haerdle, Juni 2012

Gestaltung: Metronom | Agentur für Kommunikation
und Design GmbH, Leipzig

                                     DLR
Wissenschaftsporträts der BMBF Fördermaßnahme Nachhaltiges Landmanagement - Modul A Inhaltsverzeichnis - Forschung für Nachhaltige ...
Wissenschaf tsporträt 2

Landnutzung
im Wandel

                           (Quelle: aid infodienst, Bonn)
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                                                                                                                                          (Quelle: B. Seintsch)
                                                                (Quelle: J. Fick)
      Landwirtschaftliche Bewirtschaftung im Heckengäu.                             Steigende Holzpreise bewirken einer stärkere
                                                                                    forstwirtschaftliche Nutzung der Wälder.

      Die Fläche in Deutschland wird intensiv genutzt.                               bei. Die Abkürzung steht für »Climate Change –
      Nun soll sie auch noch dazu beitragen, Folgen                                  Land Use Strategies in Germany«. Das Projekt will
      des Klima­wandels abzufedern. Wie das gelingen                                 die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen
      kann, wollen Forscher in einem inter- und trans-                               Landnutzungsformen und dem Klimawandel unter­
      disziplinären Projekt belegen: Sie arbeiten an                                 suchen. Ziel ist, nachhaltige Strategien für die
      einer bundesweiten Strategie für ein intelligentes                             ­L andnutzung in Deutschland zu entwickeln. Diese
      Landmanagement.                                                               sollen nicht nur den Ausstoß von Kohlendioxid
                                                                                    ­mindern und damit das Klima schützen, sondern
                                                                                     auch den gesellschaftlichen Anforderungen genügen.

      D     ie Unterschiede könnten gegensätzlicher nicht
            sein. Auf der einen Seite die Altmark im Osten
        Deutschlands: Gering bevölkert, wenig Siedlungs-
                                                                                     Rund 3,5 Millionen Euro stellt das Bundesminis­
                                                                                     terium für Bildung und Forschung für das noch
                                                                                     bis zum Jahr 2015 laufende Vorhaben zur Verfügung,
        und Verkehrsflächen und mehr als 60 Prozent der                              an dem sich 25 Wissenschaftler aus sechs For-
        Fläche landwirtschaftlich genutzt. Im Westen da­                             schungs­einrichtungen beteiligen.
        gegen der Rhein-Sieg-Kreis und der Rheinisch-
      Bergische Kreis: Eine zehnmal höhere Einwohner­                               Starke Flächenkonkurrenz
      dichte, deutlich mehr Siedlungs-, aber viel weniger                           Für Deutschland ist der Forschungsansatz, neue
      Agrarfläche. Die vielfältige land- und forstwirtschaft­                       Nutzungsstrategien für die Landschaft umfassend
      liche Nutzung von Flächen in den beiden Modell­                               und sektorübergreifend zu entwickeln, ein ehrgei­
      regionen ist typisch für viele der rund 300 Land­                             ziges Unterfangen. Denn die Flächen werden schon
      kreise in Deutschland, dennoch sind sie besonders                             jetzt intensiv in Beschlag genommen: Sie liefern
      und deshalb ins Visier der Wissenschaft geraten.                              Nahrungsmittel und Holz, werden für Siedlungen,
      »Wir wollen in den beiden Regionen untersuchen,                               Straßen oder Industrieansiedlungen gebraucht
      wie sich Landnutzungsstrategien umsetzen lassen,                              und vom Menschen zum Zweck der Erholung bean­
      um so dem Klima zu helfen«, sagt Rosemarie                                    sprucht. 52 Prozent der Fläche Deutschlands, das
      ­Siebert. Die promovierte Sozialwissenschaftlerin                             wies das Statistische Bundesamt für das Jahr 2009
       forscht am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschafts­                             aus, werden von der Landwirtschaft in Beschlag
       forschung (ZALF). Vom brandenburgischen Münche­                              genommen. 30 Prozent nehmen die Wälder in
       berg aus trägt Siebert gemeinsam mit Wibke                                   Anspruch und etwa 14 Prozent werden für Siedlun­
       ­Crewett mit ihren Ergebnissen aus dem Teilprojekt                           gen, Verkehr sowie Erholung und Freizeit durch den
      »Regionaler Beteiligungsprozess« einen wichtigen                              Menschen genutzt. Nun sollen die Flächen auch
      Baustein zum Gesamtvorhaben CC-LandStraD                                      noch eine weitere Aufgabe schultern, nämlich die
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                                                              (Quelle: S. Hufe / UFZ)

                                                                                                                                               (Quelle: J. Fick)
      Autobahn in Deutschland. Verkehrsflächen wie diese                                Verschiedene Flächennutzungen der Donau-
      beanspruchen immer mehr Flächen.                                                  niederung bei Ulm.

      Folgen des Klimawandels abfedern: Sie sollen bei­                                  innovative Technologien, müssen nicht nur ökono­
      spielsweise Kohlendioxid stärker in Pflanzen und                                  misch sinnvoll sein, sondern auch gesellschaftlich
      Boden binden; Landwirte sollen mehr Mais und                                      nachhaltig und von den Menschen unterstützt
      Raps anbauen und Kurzumtriebsplantagen pflanzen,                                  ­werden«, sagt Gömann.
      um fossile Energieträger wie Öl und Kohle sowie
      Atomstrom zu ersetzen. Für Dr. Horst Gömann, der                                  Regionale Unterschiede
      zusammen mit Dr. Johanna Fick als einer der beiden                                Um etwas über die Akzeptanz der Menschen vor
      wissenschaftlichen Koordinatoren das C
                                           ­ C-LandStraD-                               Ort zu erfahren, haben Siebert und Crewett in den
      Projekt vom Thünen-Institut (Bundesforschungs­                                    beiden Beispielregionen 40 Interviews mit lokalen
      institut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei)                                 Experten aus Landwirtschaft, Forstwirtschaft,
      in Braunschweig aus steuert, ist der Faktor Klima­                                Naturschutz, Tourismus sowie Siedlung und Verkehr
      schutz ein »neuer Anspruch der Gesellschaft                                       geführt. Sie wollten so unter anderem herausfinden,
      an die nachhaltige Landnutzung«. Diesen umzu­                                     wie die Menschen Klimawandel und Landnutzungs­
      setzen, dürfte nicht ganz einfach werden.                                         änderungen wahrnehmen. Dabei zeigen sich Unter­
                                                                                        schiede: In der Rhein-Region wird der Klimawandel
                                                                                        im Unterschied zur Altmark zum Beispiel eher als
      »Maßnahmen müssen nicht nur ökonomisch                                            Chance erachtet. »Einige Akteure sehen die Klima­
      sinnvoll sein, sondern auch gesellschaftlich                                      änderungen dort auch positiv, weil sich damit unter
      nachhaltig sein.«                                                                 anderem die Vegetationsperiode verlängert, sich
                                                                                        also die Ernteerträge erhöhen können«, sagt Siebert.
                                                                                        In der Altmark, wo die geringe Wasserspeicher­
      Denn die Flächenkonkurrenz ist hierzulande groß,                                  kapazität die Qualität der Böden sinken lässt, würde
      seitdem die Bundesregierung mit der Energiewende                                  sich die Zunahme der Trockenheit sehr viel negati-
      landwirtschaftliche Produkte wie Mais oder Raps                                   ver auswirken. Beide Regionen eint wiederum, dass
      auch zu Energiezwecken nutzen lassen will. Das                                    Änderungen in der Landnutzung sehr aufmerksam
      hat Folgen: So wird beispielsweise in einigen Gegen­                              registriert werden. Dazu zählen etwa die intensivere
      den Deutschlands unter dem Schlagwort »Vermai­                                    Nutzung von Land- und Forstwirtschaft, der Anstieg
      sung« heftig diskutiert, ob der Maisanbau für Biogas-                             der Bodenpreise oder zunehmende Konflikte, ob
      anlagen nicht die Landschaft verschandelt und dem                                 auf Agrarflächen eher Nahrungsmittel oder Energie­
      Anbau von Nahrungsprodukten wertvolle Acker­                                      pflanzen angebaut werden sollten.
      fläche wegnimmt. Wichtig ist deshalb: »Maßnahmen,                                 Aus Interviews und zahlreichen Workshops wissen
      wie etwa neue Formen des Landmanagements oder                                     die Soziologinnen mittlerweile auch, wie Landwirte,
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                                                                                                                                               (Quelle: A. Künzelmann / UFZ)
                                                                (Quelle: J. Fick)
      Kurzumtriebsplantagen wie diese in Brandenburg                                Flächennutzung durch Siedlung und Verkehrsinfrastruktur.
      nehmen zu.

      Waldbesitzer oder Stadt- und Regionalplaner ihren                             wichtiger Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis,
      Teil zum Schutz des Klimas beitragen wollen. Wie                              sondern wir gewinnen damit auch wesent­liche
      realistisch sich diese Ideen verwirklichen lassen,                            ­Erkenntnisse im Umgang mit dem Klimawandel auf
      bewertet das Projektteam CC-LandStraD. Das Ziel:                              regionaler Ebene«, sagt Prof. Dr. Peter Wein­garten,
      »Aus den Forderungen soll ein Maßnahmenkatalog                                Sprecher des Verbundprojektes und am Thünen-
      entstehen, der die Interessen der Nutzer zusam­                               Institut Leiter des Instituts für Ländliche Räume.
      menbringt«, sagt Siebert. Dass das ein schwieriger
      Schritt wird, ist sich die ZALF-Forscherin im Klaren:
      »Das wird zu heftigen Diskussionen führen, aber                               »Das CCLandStraD-Projekt ist ein wichtiger Dialog
      so zeigen wir, dass wir die lokalen Akteure und ihre                          zwischen Wissenschaft und Praxis.«
      Forderungen ernst nehmen.«

      Aufwendige Modellierung                                                       Der Maßnahmenkatalog aus dem regionalen Betei­
      Zwar bemühen sich viele Forschungsprojekte zuneh­                             ligungsprozess bildet eine Grundlage für aufwendige
      mend um praxisnahe Ergebnisse, doch ist der hohe                              Modellierungen, für die in den kommenden Jahren
      Aufwand, den die Sozialwissenschaftlerinnen in Form                           die Rechner am Thünen-Institut, am Potsdam-Institut
      von Interviews und Workshops in den Dialog mit so                             für Klimafolgenforschung und am Bundesinstitut
      vielen Praxispartnern auf regionaler Ebene und Ver-                           für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) heiß
      bandsvertretern auf Bundesebene investieren, unge-                            laufen. Denn die Szenarien sollen zeigen, welche
      wöhnlich. Aber der Prozess ist wichtig, denn: »Wir                            Maßnahmen sich nicht nur für den Klimaschutz rech­
      bringen so ein sehr abstraktes Thema wie den Klima­                           nen und von der jeweiligen Nutzergruppe akzeptiert
      wandel in die Lebenswirklichkeit der Menschen«,                               werden, sondern eben auch gesellschaftlich ge­
      sagt Dr. Annett Steinführer, die das Teilprojekt                              wünscht sind. Mögliche Beispiele: Welche Änderun­
      ­»Nationaler Beteiligungsprozess« in dem Forschungs-                          gen ergeben sich für die Land- und Forstwirtschaft,
       verbund koordiniert. Weil in dem Projekt die Praxis­                         wenn Deutschland mehr auf Bioenergie setzt, um
       partner von Anfang an beteiligt sind, soll das auch                          so den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren?
       die Chancen erhöhen, dass die Ergebnisse tatsäch­                            Welche Folgen hat es für die Emission von Treibhaus­
       lich vor Ort umgesetzt werden. »Das schafft eine                             gasen, wenn aufgrund gestiegener Weltmarkt-
       gute Vertrauensbasis zwischen Anwendern und                                  preise für Getreide die Landwirte den Anbau inten­
       Forschern«, sagt Steinführer. Die starke gesellschaft­                       sivieren? Wie entwickeln sich Siedlungs- und Ver-
       liche Beteiligung gilt deshalb als ein Markenzeichen                         kehrsflächen, wenn Deutschland künftig bestimmte
       des CC-LandStraD-Projektes. »Das ist nicht nur ein                           Klimaziele erreichen will? Diese und ­weitere Fragen
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                                                             (Quelle: aid infodienst, Bonn)

                                                                                                                                                        (Quelle: aid infodienst, Bonn)
      Erholungssuchende genießen den Blick in eine                                            Schutzgebiete sind bedeutsame Landschaftsbereiche und
      vielfältige Landschaft.                                                                 stellen wichtige Ausgleichs- und Erholungsfunktionen bereit.

      wollen die Forscher des Verbund­projektes nicht                                         und ihrem Umland steigt die Nachfrage nach Sied­
      theoretisch beantworten, sondern mit den regionalen                                     lungsflächen prozentual stärker als in den länd­
      und nationalen Praxispartnern diskutieren.                                              lichen Räumen. In vielen Kreisen sehen wir aber
      Für die Berechnung der Szenarien ist eine Menge                                         auch eine andere Entwicklung: Hier wird eine
      von bundesweiten Daten notwendig, etwa zu Böden,                                        ­deutlich zurückgehende Bevölkerungsdichte bei
      Biomasse, Klima, Wasserhaushalt oder dem Aus­                                            gleichzeitig leichter Zunahme der Siedlungsfläche
      stoß von Treibhausgasen. Die sind auch vorhanden,                                        erwartet.«, sagt Goetzke. Davon seien beispielsweise
      zum Beispiel in Form von Agrarstatistiken, Boden-                                        viele ostdeutsche und strukturschwache Land-
      und Flächennutzungskarten, der Waldzustands­                                             kreise in Westdeutschland betroffen.
      erhebung oder der nationalen Klimaberichterstat­
      tung. Passend sind sie zum Leidwesen der Forscher                                       Landnutzung im Jahr 2030
      oft aber noch nicht: Sie müssen an den interdiszi­                                      Die BBSR-Wissenschaftler haben zusammen mit
      plinären Modellansatz angepasst werden oder sind                                        Partnern Trends für die Siedlungsflächenentwicklung
      nicht kleinräumig genug. Denn die Wissenschaftler                                       auf Ebene der Landkreise modelliert, für die sie
      wollen in ihren Vorhersagen für die Fläche möglichst                                    etwa Daten zur Entwicklung der Bodenpreise, der
      präzise sein. Diesen Anspruch hat zum Beispiel                                          Bevölkerung oder zu Wirtschaftsindikatoren genutzt
                                                                                              haben. Dieser noch sehr grobe Maßstab reicht aber
                                                                                              nicht aus. »Wir wollen noch exaktere Aussagen«,
      »Vor allem in westdeutschen Kernstädten                                                 sagt Goetzke. Ermöglichen soll dies das Simulations­
      steigt die Nachfrage nach Siedlungsflächen                                              modell LandUseScanner, das auf einem Geoinfor­
      stärker als in den ländlichen Räumen.«                                                  mationssystem basiert. Mit diesem Modell kann
                                                                                              kleinräumig die Entwicklung verschiedener Land­
                                                                                              nutzungsklassen wie zum Beispiel die Wohnbebau­
      Dr. Roland Goetzke vom BBSR. Er simuliert mit ­                                         ung oder die land- und forstwirtschaftliche Nutzung
      seinen Kollegen im Teilprojekt »Landnutzungs­                                           berechnet werden. Dabei lässt sich zeigen, wie sich
      szenarien« Trends zur Entwicklung der Siedlungs­                                        bis zum Jahr 2030 die Landnutzung ändern könnte.
      flächen in Deutschland bis zum Jahr 2030. Erste                                         Das Modell verteilt dabei die zuvor bestimmte
      Ergebnisse kann Goetzke schon vorweisen: Die                                            ­Nachfrage der Flächennutzung auf die am besten
      bereits in der jüngeren Vergangenheit beobachteten                                      dafür geeigneten Flächen.
      großen räumlichen Unterschiede der Siedlungs­                                           Die von Goetzke eingesetzten Landnutzungs­modelle
      flächenentwicklung werden sich in Zukunft fortset­                                      mit sozio-ökonomischen und biologisch-physika­
      zen. »Vor allem in den westdeutschen Kernstädten                                        lischen Modellansätzen aus den anderen Teilprojekten
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                                                                                                                     In der Region beforschte Produktionssysteme sind:
                                                                                                                     Landwirtschaft (industriell),
                                                                                                                     Forstwirtschaft, Siedlung

                                                               (Quelle: M. Bathke)
                                                                                     CC-LandStraD
                                                                                     www.cc-landstrad.de
          Rhein-Main-Region: Landwirtschaftliche Produktion
          im Ballungsraum.

          zu einem Modellverbund zu verknüpfen, um deutsch­                          Projektleitung:
          landweit regionalspezifische Analysen durchzu­                             Johann Heinrich von Thünen-Institut
          führen, ist aus Sicht von CC-LandStraD-Koordinator                         Prof. Dr. Peter Weingarten
          Gömann eine zentrale Herausforderung. Das Ziel sei                         Telefon: +49 (0) 531-596-5501
          dabei klar. Gömann: »Das Projekt soll die bislang                          E-Mail: peter.weingarten@ vti.bund.de
          emotional geführte Diskussion, was die Landnutzung
          für den Klimaschutz erreichen kann, auf eine sach­                         Projektkoordination:
          liche und wissenschaftliche Grundlage stellen«. Im                         Johann Heinrich von Thünen-Institut
          Idealfall könnten sich damit Maßnahmen definieren                          Dr. Johanna Fick
          lassen, denen alle Nutzergruppen problemlos zu­                            Telefon: +49 (0) 531-596-5505
          stimmen. Anwendung finden dürften die Ergebnisse                           E-Mail: johanna.fick@ vti.bund.de

                                                                                     Johann Heinrich von Thünen-Institut
          »Das Projekt soll die emotional geführte                                   Dr. Horst Gömann
          Diskussion auf eine wissenschaftliche                                      Telefon: +49 (0) 531-596-5513
          Grundlage stellen.«                                                        E-Mail: horst.goemann@ vti.bund.de

                                                                                     Fördersumme: 3,47 Millionen Euro
          des Forschungsverbunds in der Politik, egal ob
          auf Bundesebene, in den Bundes­ländern, den Kom­                           Laufzeit: November 2010 bis Oktober 2015
          munen oder gar international. »Denn dort«, sagt
          Sprecher Weingarten, »besteht großer Bedarf an
          belastbaren Zahlen, wie der ­Klimawandel die                               Neben dem Thünen-Institut als federführender Einrichtung sind
          ­L andnutzung beeinflussen wird und welche Maß­                            das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung,
           nahmen für den Klimaschutz mit welchen Kosten                             das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung,
           verbunden sind.«                                                          das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung,
                                                                                     die Westfälische Wilhelms-Universität Münster sowie
                                                                                     das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung beteiligt.

                                                                                     Vom Thünen-Institut wirken die Institute für Ländliche Räume,
                                                                                     für Agrarrelevante Klimaforschung, für Ökonomie der Forst- und
                                                                                     ­Holzwirtschaft und für Biodiversität mit.
»CC­LandStrad« ist eines von zwölf Regionalprojekten,
welches im Rahmen der Fördermaßnahme »nachhaltiges
Landmanagement« (modul a) vom Projektträger im
dLR im auftrag des Bundesministeriums für Bildung und
Forschung (BmBF) gefördert wird.

Wissenschaftsporträt 2 erscheint im Rahmen der
Fördermaßnahme »nachhaltiges Landmanagement« des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BmBF).
www.nachhaltiges-landmanagement.de

Herausgeber:
Wissenschaftliche Begleitung,
Koordination & Synthese (gLueS)
Helmholtz­zentrum für umweltforschung – uFz
department Landschaftsökologie
Permoserstraße 15 | 04318 Leipzig

Redaktion: andreas Werntze, mSc.
e­mail: andreas.werntze@ufz.de

autor: Benjamin Haerdle, September 2012

gestaltung: metronom | agentur für Kommunikation
und design gmbH, Leipzig

                                   DLR
Wissenschaf tsporträt 3

pioniere in
Zentral-Vietnam

                           (Quelle: D. Meinardi)
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                                                             (Quelle: D. Meinardi)

                                                                                                                                               (Quelle: D. Meinardi)
      Ananasplantage nach der Ernte im Distrikt Dai Loc,                             Landtransformation zu überfluteten Reisfeldern im Hoch-
      ­Provinz Quang Nam.                                                            land, Distrikt Tay Giang, Provinz Quang Nam.

      Vietnam gilt als einer der Tigerstaaten in Asien,                              Claudia Raedig ist aber nicht die einzige deutsche
      denn die Wirtschaft floriert seit Jahren ungebremst.                           Forscherin, die derzeit auf dem schmalen zentral-
      Der Aufschwung birgt aber Nachteile für Land-                                  vietnamesischen Landstreifen den Geheimnissen
      schaft und Natur. Gemeinsam wollen deshalb                                     der Natur auf die Spur kommen will. »Wechsel­
      deutsche und vietnamesische Forscher in Zentral-                               wirkungen zwischen Landnutzung und Klimawandel
      Vietnam nachhaltige Nutzungssysteme erarbei-                                   in Zentral-Vietnam«, kurz und bündig LUCCi, heißt
      ten. Diese scheinen dringend notwendig, denn die                               das Forschungsprojekt, für das sich ein deutsch-
      Region könnte zudem unter den Folgen des Klima-                                viet­namesisches Forscherteam im Einzugsgebiet
      wandels ganz besonders leiden.                                                 der beiden Flüsse Vu Gia und Thu Bon zusammen­
                                                                                     gefunden hat. Die Wissenschaftler kommen aus
                                                                                     den unterschiedlichsten Disziplinen: Von der Agrar-

      B   lutrünstige Egel, lästige Stechmücken, hohe
           Temperaturen und schwer zugängliches Gelände –
      Forschung in den Bergwäldern in Zentral-Vietnam
                                                                                     und Forstwissenschaft über Klima, Hydrologie und
                                                                                     Wassermanagement bis hin zu Sozial- und Politik-
                                                                                     wissenschaften. Noch bis Juni 2015 wollen sie Stra-
      ist schweißtreibend und nicht für jeden ein Vergnü-                            tegien entwickeln, wie sich Zentral-Vietnam mit
      gen. Doch die promovierte Biologin Claudia Raedig                              einer angemessenen Land-, Forst- und Wasserwirt-
      liebt ihren Job. Sonst würde sich die Wissenschaft-                            schaft gegen mögliche Folgen des Klimawandels
      lerin der Fachhochschule (FH) Köln nicht davon                                 wappnen kann. Vier Millionen Euro hat ihnen das
      abhalten lassen, durch Bergwälder und Mangroven-
      wälder zu stiefeln, um Baumarten zu bestimmen.
      »Die Bergregionen Vietnams gehören zu den arten-                               »Wir wollen für die Region nachhaltige Nutzungs­
      reichsten Regionen weltweit, gleichzeitig fehlen                               systeme entwickeln, die soziale, ökonomische und
      aber für die Region präzise Daten«, sagt die Wissen-                           ökologische Anforderungen in Einklang bringen.«
      schaftlerin. Wo gibt es welche Baumarten? Welche
      Höhe und Umfang haben die Bäume? Wie oft kommen
      die einzelnen Baumarten vor? Diese Wissenslücke                                Bundesforschungsministerium für das auf fünf Jahre
      sollen Raedigs Untersuchungen schließen, die                                   angelegte Projekt zur Verfügung gestellt. Geleitet
      sie zusammen mit Wissenschaftlern der Hue Univer­                              wird das Projekt von Lars Ribbe, Professor für
      sität für Land- und Forstwirtschaft sowie lokalen                              integriertes Land- und Wasserressourcenmanage-
      Rangern in der Projektregion von insgesamt ca.                                 ment am Institut für Technologie und Ressourcen-
      12 000 Quadratkilometern macht, einer Fläche mehr                              management in den Tropen und Subtropen (ITT) an
      als 14-mal so groß wie Berlin.                                                 der FH Köln. Sein Ziel: »Wir wollen für die Region
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                                                               (Quelle: D. Meinardi)

                                                                                                                                               (Quelle: D. Meinardi)
      Abschlussarbeiten am Song Tranh 2 Staudamm                                       Brandrodung zur Gewinnung neuer landwirtschaftlicher
      im Jahr 2011, Distrikt Bac Tra My, Provinz Quang Nam.                            Flächen, Distrikt Dong Giang, Provinz Quang Nam.

        nachhaltige Nutzungssysteme entwickeln, die soziale,                           liche Kärrnerarbeit angesagt. Grundlagendaten,
        ökonomische und ökologische Anforderungen in                                   wie sie zum Beispiel Claudia Raedig mühsam zum
        Einklang bringen«, sagt er.                                                    Baumbestand erhebt, fehlen für diese Region weitest-
        In Vietnam werden die Forschungsergebnisse drin-                               gehend oder entsprechen nicht den Ansprüchen, mit
      gend benötigt. Denn anders als in Deutschland,                                   denen die internationale Forschergemeinde gewohnt
      wo der Klimawandel für viele Menschen noch sehr                                  ist zu arbeiten. Während Süd- und Nord­vietnam als
      abstrakt und sehr weit weg erscheint, sind die                                   relativ gut erforscht gelten, stand die Landesmitte
      ­Gefahren für den Staat in Südostasien weitaus                                   bislang nicht im Rampenlicht der g ­ lobalen Wissen-
       ­realer. Vietnam zählt zu den Ländern der Erde, die                             schaft. Deshalb gelten die Forscher um den Kölner
        nach Prognosen des vietnamesischen Ministeriums                                Professor Lars Ribbe dort als Pioniere.
        für natürliche Ressourcen und Umwelt (MONRE)
                                                                                       Klimawandel spürbar
                                                                                       Einer aus Ribbes Team ist der Klimatologe Patrick
      »Der Meeresspiegel in Zentral-Vietnam                                            Laux. Der promovierte Wissenschaftler des Karls­
      könnte bis zum Jahr 2050 um bis zu                                               ruher Instituts für Technologie forscht zum Klima-
      40 Zentimeter steigen.«                                                          wandel und hat mit Kollegen im Untersuchungs­
                                                                                       gebiet unter anderem Daten aus Klimastationen
                                                                                       zwischen den Jahren 1980 und 2009 ausgewertet.
      enorm unter den Folgen der Klimaerwärmung                                        Sein Befund: Die Niederschläge sind über den
      leiden könnten. So soll die Jahresdurchschnitts-                                 ­gesamten Zeitraum insbesondere an der Küste
      temperatur bis zum Jahr 2020 um 1,5 Grad Celsius                                  gestiegen. »Dieser Trend ist besonders deutlich in
      steigen, die Niederschlagsmenge zur Monsunzeit                                    den Wintermonaten«, sagt Laux, der das auf eine
      bis 2070 um bis zu 19 Prozent nach oben schnellen,                                Intensivierung der Regenzeit in Zentral-Vietnam
      und für die Trockenzeiten rechnet das Ministerium                                 zurückführt. Auch bei den Temperaturen lässt sich
      mit einer deutlichen Zunahme von Dürren. Gefahr                                   eine Erhöhung feststellen, was der Klimaforscher
      droht auch vom Meer: Nach MONRE-Angaben könnte                                    als weitere Auswirkung des Klimawandels deutet.
      der Meeresspiegel bis zum Jahr 2050 um bis zu                                     »Wissenschaftlich ganz gesichert sei das aber nicht,
      40 Zentimeter steigen.                                                            weil die Datengrundlage der Stationsdaten zu gering
                                                                                        sei«, sagt Laux. Endgültige Klarheit werde von den
      Doch um wissenschaftliche Modelle und Szenarien                                   Ergebnissen der am Steinbuch Centre for Compu-
      am Computer berechnen zu lassen und Strategien                                    ting (SCC) in Karlsruhe laufenden hochaufgelösten
      entwickeln zu können, ist fürs Erste wissenschaft-                                regionalen Klimasimulationen erwartet.
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                                                                (Quelle: A. Havemann)

                                                                                                                                                    (Quelle: D. Meinardi)
      Landwirtschaflich genutzte Flächen vor dem Viet An                                Za Hung Staudamm zur Wasserkraftnutzung im Zufluss
      Reservoir, Distrikt Hiep Duc, Provinz Quang Nam.                                  des Vu Gia Fluss, Distrikt Dong Giang, Provinz Quang Nam.

      Auch der Forstwirtschaftler Valerio Avitabile, der als                            beeinflussen können und wie sich das auf die Bio-
      Postdoc am Lehrstuhl für Fernerkundung der Uni                                    masse und die Speicherung von Kohlenstoff in Bäu-
      Jena arbeitet, ist regelmäßig im Einzugsgebiet des                                men und Böden auswirken könnte. »Die Zukunft der
      Vu Gia-Thu Bon unterwegs. Er nimmt dort die Entwick­                              Wälder hängt von mehreren Parametern ab«, erklärt
      lung und Verteilung der Wälder unter die Lupe. Denn                               Avitabile. Beispielsweise davon, wie sich der glo-
      der Wald übernimmt wichtige Funktionen: Er speichert                              bale Bedarf für Akazien und Kautschuk entwickelt:
      Kohlenstoff, hält die Niederschläge zurück und ist
      nicht zuletzt Heimat vieler seltener Tier- und Pflan-
      zenarten. Als Ergebnis seiner Untersuchungen hat                                  »Staudämme verringern im Sommer deutlich
      der Forscher Karten zur land- und forstwirtschaft­                                die Verfügbarkeit von Wasser für Landwirtschaft
      lichen Nutzung erstellt. Demnach ist der Waldanteil                               und Trinkwasser.«
      in den mittleren Lagen gestiegen, zumindest offiziellen
      Statistiken zufolge. Der Grund: »Die Zahl der Akazien-
      und Kautschukplantagen, die für den Export nach                                   Steigt die Nachfrage, werden die Bauern noch mehr
      China bestimmt sind, hat enorm zugenommen«, sagt                                  Plantagen anbauen. Wie viel Wald gerodet wird,
      der Forstler. Aber die Zahlen sind trügerisch, denn                               hängt aber auch unter anderem davon ab, wie schnell
      ökologisch wertvoll sind diese angepflanzten Wälder                               die Bevölkerung in der Region wächst, wie hoch der
      kaum noch: Die Biodiversität und die Fähigkeit, Koh-                              Flächenbedarf ist und welche wirtschafts- und ener-
      lenstoff zu speichern, sind in diesen Wäldern deutlich                            giepolitischen Ziele die Regierung vorgibt.
      geringer. Bedroht sind die Urwälder, weil die lokale
      Bevölkerung neue Flächen für Siedlungen und für                                   Vietnam setzt nämlich darauf, den steil steigenden
      die Landwirtschaft in Beschlag nehmen will und die                                Bedarf an Energie durch Wasserkraft zu stillen. Eine
      Regierung für Umsiedlungen neue Flächen braucht.                                  Folge: Die Politik forciert den Ausbau von Staudäm-
      Nachhaltig ist der Ackerbau nicht. »Fünf, sechs Jahre                             men, wo immer es in den höheren Lagen möglich ist.
      lang werden die Felder bewirtschaftet, dann ist der                               Insgesamt neun Dämme plant die nationale Regie-
      Boden ausgelaugt und die Fläche fällt brach«, sagt                                rung im Vu Gia Thu Bon Einzugsgebiet, fünf hat sie
      Avitabile. Die danach wachsenden Wälder sind längst                               bereits bauen lassen. Aber der Bau ist umstritten.
      nicht so artenreich wie ein unberührter Primärwald.                               Denn die Staudämme verändern den Wasserhaushalt
                                                                                        in der gesamten Region. »Wir können nachweisen,
      Staudämme bringen Probleme                                                        dass die Staudämme im Sommer die Verfügbar-
      Der Forstexperte arbeitet nun an Modellen, wie                                    keit von Wasser für Landwirtschaft und Trinkwas-
      bestimmte Faktoren die forstliche Nutzung künftig                                 ser in den Tieflagen deutlich verringern«, weiß
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                                                                   (Quelle: D. Meinardi)

                                                                                                                                                  (Quelle: D. Meinardi)
      Junger überfluteter Reis, Direktsaat im Vu Gia und Thu Bon                           Reisbauern mit Wasserbüffeln nach der Reisernte
      Flussdelta nahe Hoi An, Provinz Quang Nam.                                           in den Lowlands in Tam Ky, Provinz Quang Nam.

      Alexandra Nauditt, die vom ITT aus das LUCCi-Pro-                                    Geschuldet sind zurzeit viele der Probleme in
      jekt koordiniert. Damit steige in der Trockenzeit die                                ­Zentral-Vietnam der rasanten Entwicklung, der
      Gefahr von Dürren.                                                                    die Region und das gesamte Land unterliegen. Die
      Auch die Regenzeit von September bis Dezember                                        Wirtschaft des Tigerstaates brummt seit einigen
      treibt der lokalen Bevölkerung die Sorgenfalten auf                                  Jahren, die Bevölkerung nimmt vor allem in den
      die Stirn: »Die Stauseen werden mit einer Kapazität                                  Städten kontinuierlich zu. Damit schwillt der Bedarf
      von maximal 330 Millionen Kubikmetern allein zur                                     an Energie, Wohnflächen, Infrastruktur und Agrar-
      Energieerzeugung genutzt und bieten keinen Reten-                                    flächen an. Eine Situation, die für den Leiter des
      tionsraum für Hochwasserschutz oder Speicher für                                     LUCCi Projektes Lars Ribbe durchaus wissenschaft-
      die Bewässerung in der Trockenzeit«, sagt sie. Bei                                   liche Reize entfaltet. »Für uns Forscher sind solche
      Starkniederschlägen trete das Wasser in großen                                       dynamischen Systeme eine große Herausforderung,
      Mengen über die Überlaufrinnen und verstärke erheb-                                  weil sich die Voraussetzungen rasant ändern«,
      lich das Hochwasserrisiko im Unterlauf. In den                                       sagt Ribbe. Hinzu kommt die Nähe zur Praxis: »Wir
      Küstenlagen gibt es ein weiteres Problem: Die Land-                                  wollen bewusst sehr praxisnah arbeiten und mes-
      wirte klagen in den vergangenen Jahren über hohe                                     sen unseren Erfolg nicht daran, wie viele Publika­
                                                                                           tionen wir am Ende vorweisen, sondern inwieweit
                                                                                           unsere vietnamesischen Partner unsere gemeinsam
      »Bauern müssen die zweite Ernte                                                      erarbeiteten Empfehlungen und Strategien umge-
      im September oft aufgeben.«                                                          setzt haben«, sagt er.

                                                                                           Schwieriger Brückenschlag
      Ernteverluste, da von März bis August nicht aus­                                     Dass das Projekt Forscher aus verschiedensten
      reichend Niederschlagswasser über die Flussläufe                                     Disziplinen aus Vietnam und Deutschland sowie zahl-
      in das Deltagebiet vordringt, um für die Reisfeldbe-                                 reiche lokale Akteure aus Zentral-Vietnam wie Be-
      wässerung zur Verfügung zu stehen. Weil das Fluss-                                   hörden und Unternehmen an einen Tisch bringt, um
      wasser durch die Speicherung in den Reservoirs                                       gemeinsam über nachhaltige Landnutzung zu disku-
      nicht ins Delta hervordringen kann, presst sich                                      tieren, ist für Ribbe denn auch eines der besonderen
      das salzige Meerwasser landeinwärts in die Reis­                                     Merkmale des Projekts. »Es ist nicht immer leicht,
      bewässerungskanäle. »Vor allem die zweite Ernte                                      eine gemeinsame Sprache zu finden«, sagt er, gerade
      im September müssen die Bauern oft aufgeben«,                                        dann, wenn Wissenschaftler aus vielen verschie­
      berichtet Nauditt. Deshalb wanderten Landwirte aus                                   denen Disziplinen am Tisch sitzen. »Die Begriffe
      betroffenen Distrikten wie Dien Ban ab in die Städte.                                ­Klimawandel oder Boden haben für Wissenschaftler
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                                                                                          vordringt«, sagt Ribbe. Oder das Thema Landnut-
                                                                                          zung: Ribbe und seine Forscherkollegen wollen
                                                                                          anhand von Modellrechnungen prognostizieren,
                                                                                          welche negativen Folgen etwa Plantagenpflanzun-
                                                                                          gen von Akazienbäumen oder Ölpalmen für den
                                                                                          Boden und den Wasserhaushalt haben. »Wenn wir
                                                                                          diese Wechselwirkungen hier in Zentral-Vietnam

                                                                  (Quelle: D. Meinardi)
                                                                                          verstehen, lassen sich die von uns entwickelten
                                                                                          Methoden auch auf andere Gegenden der Welt an-
                                                                                          wenden«, sagt Ribbe. Einer nachhaltigen Land­
                                                                                          nutzung könnte damit sehr viel geholfen sein.
          Gummibaum-Plantage, Distrikt Hiep Duc,
          Provinz Quang Nam.

                                                                                                                                                     In der Region be-
           eine ganz unterschiedliche Konnotation, je nach-                                                                                          forschte Produktions­
                                                                                                                                                     systeme sind: Land-
           dem aus welcher Fachrichtung sie kommen«, sagt                                                                                            wirtschaft (industriell
           Ribbe. Geduld für die Kollegen sei da angebracht.                                                                                         und extensiv), Forst-
                                                                                                                                                     wirtschaft, Tourismus,
           Das gilt auch für die Kooperation mit den vietna­                                                                                         Kautschukanbau,
           mesischen Partnern. »Diesen Brückenschlag des                                  LUCCi                                                      Reisanbau

           Verstehens und Kennenlernens wollen wir schaf-                                 www.lucci-vietnam.info
           fen, das ist unser Anspruch.«
           Der Professor sieht das Projekt dabei auf einem
           guten Weg: »Wir haben die Partner aus Vietnam                                  Projektleitung:
           seit Beginn des Projekts umfassend informiert und                              Institut für Technologie und Ressourcenmanagement
           dazu gebracht, ihre Bedürfnisse für uns zu formu­                              in den Tropen und Subtropen | Fachhochschule Köln

           lieren«, sagt er. Nguyen Dinh Hai, Vize-Direktor des                           Prof. Dr. Lars Ribbe
           Bewässerungsverbands IMC, das die Infrastruktur                                Telefon: +49 (0) 221-8275-2773
          der Bewässerung und die Pumpstationen im Ein-                                   E-Mail: lars.ribbe@fh-koeln.de
          zugsgebiet der beiden Flüsse kontrolliert, kann
          das gute internationale Miteinander nur bestätigen:                             Projektkoordination:
          »Mit dem LUCCi-Projekt fließt viel Wissen in unsere                             Institut für Technologie und Ressourcenmanagement
           Region, das wir für das Management der Fließge-                                in den Tropen und Subtropen | Fachhochschule Köln

          wässer gut umsetzen können«, sagt Hai. So legten                                Alexandra Nauditt
          die Forscher den Fokus auf den Einfluss der Klima-                              Telefon: +49 (0) 221-8275-2125
          variabilität auf Wasser- und Landwirtschaft. Das,                               E-Mail: alexandra.nauditt@fh-koeln.de
          sagt der Vize-Direktor, sei in Zentral-Vietnam
          ­bislang so nicht beachtet worden.                                              Ansprechpartner in der Untersuchungsregion
                                                                                          Vietnam Academy for Water Resources,
          Empfehlungen an die Politik                                                     Center for Training and International Cooperation (CTIC)

          Münden soll die deutsch-vietnamesische Koopera-                                 Ass. Prof. Dr. Nguyen Tung Phong
          tion in wissenschaftlichen Empfehlungen an die                                  Telefon: +84 (0) 0912278959
          Politik. Zum Beispiel, wie die lokalen Behörden das                             E-Mail: phongicd@gmail.com
          Problem der Versalzung in den Griff bekommen
          können. »Wir wollen sagen können, wo konkret in                                 Fördersumme: 4 Millionen Euro
          der Region Versalzung stattfindet und wo Wasser-
          wehre verhindern könnten, dass die Salzfront weiter                             Laufzeit: Juli 2010 bis August 2015
»lUCCi« ist eines von zwölf regionalprojekten, welches
im rahmen der Fördermaßnahme »nachhaltiges land-
management« (modul a) vom projektträger im Dlr
im auftrag des Bundesministeriums für Bildung und
Forschung (BmBF) gefördert wird.

Wissenschaftsporträt 3 erscheint im rahmen der
Fördermaßnahme »nachhaltiges landmanagement« des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BmBF).
www.nachhaltiges-landmanagement.de

Herausgeber:
Wissenschaftliche Begleitung,
Koordination & Synthese (GlUeS)
Helmholtz­Zentrum für Umweltforschung – UFZ
Department landschaftsökologie
permoserstraße 15 | 04318 leipzig

redaktion: andreas Werntze, mSc.
e-mail: andreas.werntze@ufz.de

Autor: Benjamin Haerdle, Oktober 2012

Gestaltung: metronom | agentur für Kommunikation
und Design GmbH, Leipzig

                                     DLR
Wissenschaf tsporträt 4

Neue Strategien
für Südamazonien

                           (Quelle: S. Hohnwald)
2|3                                                                                                                 Wissenschaf tsporträt 4

                                                             (Quelle: S. Hohnwald)

                                                                                                                                             (Quelle: S. Hohnwald)
      Regenwälder werden in Pará zuerst meist                                        Baumwollballen in der ausgeräumten Agrarlandschaft
      in Weiden umgewandelt.                                                         Zentral-Brasiliens.

      Die Wälder im Amazonasgebiet spielen eine                                      ­wickelt. 6,15 Millionen Euro stellt das Bundesminis-
      ­wichtige Schlüsselrolle, um die weltweiten                                    terium für Bildung und Forschung zur Verfügung,
       Aus­wirkungen des Klimawandels abzufedern.                                    damit deutsche und brasilianische Forscher unter
       ­Entscheidend ist deshalb, wie vor Ort Land-                                  Gerolds Leitung fünf Jahre lang in Südamazonien
        wirte ihre Flächen bewirtschaften. Ein inter-                                Landmanagementstrategien erarbeiten. Ihr Auftrag:
        nationales Forschungsteam unter Feder-                                        Sie sollen im tropischen Regenwald und den Savan-
        führung der Uni­versität Göttingen will helfen,                              nen neue Möglichkeiten der Landnutzung entwickeln,
        für mehr Nachhal­tigkeit bei der Nutzung der                                  damit die Böden mehr Kohlenstoff speichern und
        Böden zu sorgen.                                                              dadurch der Ausstoß von Treibhausgasen sinkt.
                                                                                      Denn auch wenn schon seit Jahren zum Klimawan-
                                                                                      del geforscht wird: Immer noch mangelt es an präzi-

      I n den Himmel ragende verkohlte Baumriesen,
        abgeholzte Wälder, riesige monotone Äcker –
      ­Eindrücke wie diese hat Gerhard Gerold oft genug
                                                                                      sen regionalen Modellrechnungen, wie sich Wald-
                                                                                      rodungen und die verstärkte Bodennutzung im
                                                                                      Amazonasgebiet auf das Weltklima auswirken. Der
      gesammelt auf seinen Exkursionen durch das                                      negative Trend vermehrter Treibhausgasemissionen
      ­Amazonasgebiet im Herzen Brasiliens. Stärker als                               ließe sich umkehren, wenn durch geeignete land-
      diese persönlichen Erlebnisse beeindrucken                                      wirtschaftliche Technologien Kohlenstoff auf den
      den Geographieprofessor der Universität Göttingen                               riesigen Ackerflächen Brasiliens gespeichert würde.
      jedoch die Daten über die Freisetzung von klima-
      wirksamen Kohlenstoffverbindungen durch
      Ab­holzung und Landwirtschaft. Grund genug,                                    »Es mangelt an regionalen Modellrechnungen,
      daran etwas zu ändern.                                                         wie sich Rodungen und die Bodennutzung im
                                                                                     Amazonasgebiet auf das Weltklima auswirken.«
      Als Sprecher steht Gerold an der Spitze des Verbund-
      projektes Carbiocial. Das Kürzel steht für das Kon-
      zept, Trends im Bodenkohlenstoff, in der Biodiversi-                           Die Zeichen dafür stehen gut. Zehn deutsche Univer-
      tät und sozialen Prozessen im südlichen Amazonien                              si­täten, das Helmholtz-Zentrum für Umweltfor-
      interdisziplinär zu untersuchen. Gerold und sein                               schung, das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschafts-
      Kollege Professor Karl M. Wantzen haben das Pro-                               forschung (ZALF), die Universitäten Innsbruck und
      jekt g
           ­ emeinsam mit Eduardo Couto, Leiter des Insti-                           Tours sowie mehrere brasilianische Universitäten
      tuts für Bodenkunde und Präzisionslandwirtschaft                               und Forschungseinrichtungen, darunter die nationale
      der Staatlichen Universität von Mato Grosso, ent-                              Agrarbehörde Embrapa, wollen daran arbeiten.
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