"Mission impossible"? Aufbau dualer Berufsausbildung in England und Irland

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aufsätze

                                                                                        „Mission impossible“?
                                                                                        Aufbau dualer Berufsausbildung
                                                                                        in England und Irland
                                                                                        Infolge des massiven Anstiegs der Jugendarbeitslosigkeit in Europa erfährt das duale
                                                                                        Modell der Berufsausbildung neue Aufmerksamkeit. In der öffentlichen Diskussion steht
                                                                                        häufig die Frage im Raum, inwieweit sich dieses als Reformmodell für Länder eignet,
                                                                                        die auf keiner sozialpartnerschaftlichen Tradition in der Berufsbildung aufbauen können.
                                                                                        Um zur Klärung dieser Frage beizutragen, untersucht dieser Beitrag an den Beispielen
                                                                                        England und Irland, unter welchen Voraussetzungen ein Aufbau eines kooperativen
                                                                                        Systems der beruflichen Bildung gelingen kann. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass
                                                                                        der Aufbau eines kooperativen Ausbildungssystems maßgeblich von der Rolle der Partei-
                                                                                        politik abhängt.1

                                                                                        MARIUS R. BUSEMEYER, JANIS VOSSIEK

                                                                                                                                                                    kapital einher. Da die ausbildenden Unternehmen mit dem
                                                                                        1. Einleitung                                                              Risiko der Abwerbung durch Konkurrenten konfrontiert
                                                                                                                                                                    sind, ist ihr Engagement in der grundständigen beruflichen
                                                                                        In Zeiten steigender Jugendarbeitslosigkeit wird das Modell                 Bildung vergleichsweise schwach ausgeprägt. Zudem hält
                                                                                        der dualen Ausbildung in der Öffentlichkeit und unter Po-                   sich der Staat im Hinblick auf Ausbildungsordnungen und
                                                                                        litikexperten gern als Best-Practice-Modell diskutiert.                     -bedingungen zurück und verschafft den Unternehmen
                                                                                             Dies liegt nicht zuletzt daran, dass Länder mit fest etab-             hierdurch die Möglichkeit, eine stark firmenspezifische Aus-
                                                                                        lierten dualen Ausbildungsstrukturen wie Deutschland, Ös-                   bildung zu verfolgen. Dieser hohe Grad an „Voluntarismus“
                                                                                        terreich, die Schweiz, Dänemark oder auch die Niederlande                   (King 1993) kommt auch durch die – im Vergleich zu kol-
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 (gewerbliche Vervielfältigung, Aufnahme in elektronische Datenbanken, Veröffent-

                                                                                        signifikant geringere Jugendarbeitslosenquoten aufweisen.                   lektiven Systemen – geringe Einbindung von Arbeitgeber-
                                                                                        Die Berufsbildungssysteme dieser Länder sind in der Litera-                 und Gewerkschaftsdachverbänden auf nationaler Ebene
                                                                                        tur als kollektive Berufsbildungssysteme bezeichnet worden                  zustande. Aufgrund ihrer schwachen Position in der Be-
                                                                                        (Busemeyer/Trampusch 2012, S. 14f.), die sich durch folgen-                 rufsbildungspolitik können sie die Entwicklung berufsüber-
                                                                                        de Merkmale auszeichnen: erstens eine ausgeprägte Beteili-                  greifender Ausbildungsstandards ohne Unterstützung durch
                                                                                        gung der Arbeitgeber an der Erstausbildung; zweitens eine                   die Regierungen nur schwer vorantreiben.
                                                                                        starke Stellung intermediärer Assoziationen wie zum Beispiel                    Trotz der benannten Unterschiede zwischen den beiden
                                                                                        Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände in der Verwaltung                    Systemen der beruflichen Bildung haben Regierungen so-
                                                                                        und Reform von Ausbildungsinhalten und -strukturen; drit-                   wohl in England als auch in Irland wiederholt versucht,
 lichung online oder offline) sind nicht gestattet.

                                                                                        tens die Vermittlung von relativ breit geschnittenen berufli-
                                                                                        chen Qualifikationen, die in Form von Ausbildungsabschlüs-
                                                                                        sen standardisiert und zertifiziert werden; und viertens die                1   Wir danken Lina Seitzl und Sophie Fendrich für die tatkräf-
                                                                                        duale Organisation der Ausbildung, d. h. eine Kombination                       tige Unterstützung bei der Daten- und Literaturrecherche.
                                                                                        aus praktischer Ausbildung im Betrieb und theoretischem
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                                                                                                                                                                    2   Wir sprechen im vorliegenden Artikel durchgängig von
                                                                                        Unterricht in beruflichen Schulen (vgl. Busemeyer 2009).
                                                                                                                                                                        England und nicht von Großbritannien, da vor allem
                                                                                             Die beiden in diesem Artikel untersuchten Fälle Eng-                       Schottland und Wales im Rahmen der Devolution-Refor-
                                                                                        land2 und Irland werden im Unterschied hierzu der Grup-                         men der letzten Jahrzehnte eigene Kompetenzen in der
                                                                                                                                                                        Bildungspolitik erhalten haben. Allerdings gilt das im
                                                                                        pe der liberalen Berufsbildungssysteme zugeordnet. Dere-
                                                                                                                                                                        vorliegenden Artikel beschriebene Muster der Berufsbil-
                                                                                        gulierte und liberalisierte Arbeitsmärkte gehen hier mit                        dungsreformen grosso modo auch für Großbritannien
                                                                                        einem starken Wettbewerb der Unternehmen um Human-                              insgesamt.

2 54                                                                                                                    https://doi.org/10.5771/0342-300X-2016-4-254
                                                                                                                 Generiert durch IP '46.4.80.155', am 10.11.2021, 00:00:37.
                                                                                                          Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
WSI MITTEILUNGEN 4/2016

Bestandteile von kollektiven Ausbildungssystemen zu über-
nehmen und heimische Strukturen in Richtung eines dua-              2. Parteipolitik und Berufsbildung
len Ausbildungsmodells zu reformieren – auch in der Hoff-
nung, dadurch das Problem der Jugendarbeitslosigkeit in
den Griff zu bekommen. Vor diesem Hintergrund unter-                2.1 Spielarten des Kapitalismus und
suchen wir, unter welchen politischen Voraussetzungen                    institutionelle Stabilität
Regierungen in beiden Ländern solche Reformen einleiten
und in der Lage sind, diese auch nachhaltig umzusetzen.             Der Literatur zu den Varieties of Capitalism (VoC) zufolge
Insbesondere interessiert uns, inwiefern Parteipolitik die          richten Unternehmen ihre Produktions- und Personalstra-
Einbindung organisierter Interessen von Arbeitnehmern               tegien maßgeblich an der Beschaffenheit der vorhandenen
und Arbeitgebern in Reformprozesse ermöglicht und in-               Ausbildungssysteme aus (Hall/Soskice 2001). Da sich die
wieweit sie zur Überwindung eines völlig anders gearteten           von den Ausbildungssystemen generierten Fertigkeiten von
Berufsbildungssystems beitragen kann.                               System zu System unterscheiden, bestimmen diese mit, in
     Allgemein gesprochen scheint eine Übertragung des du-          welchen Bereichen die Unternehmen komparative Vortei-
alen Modells auf Länder mit andersgearteten Ausbildungs-            le ausbilden können und auf welchen Märkten sie sich
strukturen schwierig und voraussetzungsvoll zu sein, da             durchsetzen können. In liberalen Marktwirtschaften spe-
Ausbildungssysteme auf komplexe Weise in soziale, politi-           zialisieren sich Unternehmen auf Produkte und Dienstleis-
sche, ökonomische und kulturelle Institutionen eingebettet          tungen, für die generelle Fertigkeiten („general skills“) re-
sind (Finegold/Soskice 1988; Fuller/Unwin 2011). Unser              levant sind, die vor allem im Sektor der akademisch
Vergleich zeigt, dass diese Voraussetzungen in Irland eher          ausgerichteten Hochschulbildung vermittelt werden. Im
vorhanden waren als in England und dass die Versuche zur            Gegensatz dazu werden in vielen koordinierten Marktwirt-
Etablierung dualer Ausbildungsstrukturen daher dort we-             schaften, wie etwa in Deutschland, auch berufliche Fertig-
sentlich erfolgreicher waren als in England.                        keiten („specific skills“) erzeugt, und die berufliche Bildung
     Im Folgenden dokumentieren wir diese unterschiedli-            ist eine sowohl von Jugendlichen als auch von Unternehmen
chen Entwicklungen im Rahmen von Fallstudien zu Be-                 geschätzte Alternative zur Hochschulbildung. Eine hohe
rufsbildungsreformen in England und Irland in den 1980er            Verfügbarkeit beruflicher Fertigkeiten stärkt die Wettbe-
Jahren und danach. Unser zentraler Befund ist, dass die             werbsfähigkeit von Unternehmen in Bereichen wie dem
Unterschiede zwischen den beiden Ländern auf das Han-               Maschinen- und Automobilbau oder der Chemiebranche
deln von Regierungsparteien in einer kritischen Phase der           (Streeck 1989).
Weichenstellungen in den späten 1980er Jahren zurückge-                  Die VoC-Literatur hebt die Beharrungskraft von Ausbil-
führt werden können. Die englischen Thatcher-Regierun-              dungsregimen hervor.3 Hall und Soskice (2001) zeigen, dass
gen privilegierten in ihrer Berufsbildungspolitik einseitig         die nationalen Berufsbildungssysteme auf vielfältige und
die Interessen der Arbeitgeber, auch mit dem Ziel, die Ge-          komplexe Weise mit anderen „Sphären“ der politischen Öko-
werkschaften in der Berufsbildungspolitik zu marginalisie-          nomie zusammenwirken, beispielsweise mit den industriellen
ren. Die in dieser Zeit in Irland regierenden Koalitionen           Beziehungen. Da die Unternehmen nur dann erfolgreich
verfolgten hingegen einen sozialpartnerschaftlichen Ansatz,         wirtschaften können, wenn die Teilbereiche der Marktöko-
der an den korporatistischen Ansatz christdemokratischer            nomien aufeinander abgestimmt sind, lässt sich ein einmal
Parteien in einigen kontinentaleuropäischen Ländern er-             eingespieltes Arrangement komplementärer Institutionen
innert (van Kersbergen 1995). Die Politik der jeweils von           kaum verändern, ohne die Wettbewerbsvorteile der Unter-
einer bürgerlichen Mittepartei (Fine Gael oder Fianna Fáil)         nehmen zu gefährden. Auch in Bezug auf Ausbildungssyste-
geführten Koalitionen zielte darauf ab, die Kooperation             me lassen sich verschiedene institutionelle Querverbindun-
zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften zu fördern.                gen und Wechselwirkungen zu den anderen Bereichen der
Die Berufsbildungspolitik war ein wichtiges Instrument,             politischen Ökonomie identifizieren (Finegold/Soskice 1988;
das zu diesem Zweck eingesetzt werden konnte.                       Gospel 1995; Senker 1992; Soskice 1994; Streeck 1989).
     Der Artikel ist folgendermaßen aufgebaut: In Abschnitt 2            Konsequent weitergedacht suggeriert die VoC-Perspek-
werden zentrale Theorien der politischen Ökonomie vorge-            tive das Vorhandensein von unterschiedlichen „Gleichge-
stellt, die üblicherweise zur Analyse der Berufsbildungspoli-       wichten“ – liberale Marktwirtschaften einerseits und koor-
tik verwendet werden. Hier kontrastieren wir Ansätze, die           dinierte Marktwirtschaft andererseits –, was von Kritikern
dem Institutionengefüge der politischen Ökonomie und dem            als zu statischer und funktionalistischer Ansatz bemängelt
Politikerbe eine starke Beharrungskraft zusprechen, mit An-         wurde (Streeck 2009). In jedem Fall ist es eine empirische
sätzen, die den Gestaltungsspielraum von parteipolitisch mo-        Frage, wie stark existierende institutionelle Arrange-
tivierten Regierungen betonen. Der dritte Abschnitt stellt das
gemeinsame Politikerbe im Bereich der Berufsbildung in
beiden Fällen vor (3.1), bevor die Reformprozesse in England
                                                                    3    Für eine ausführlichere Diskussion zu den Beharrungskräf-
(3.2) und Irland (3.3) genauer analysiert werden. Abschlie-              ten von Berufsbildungsinstitutionen aus der Perspektive
ßend fassen wir unsere zentralen Befunde zusammen (4).                   des VoC-Ansatzes siehe Busemeyer/Vossiek (2016).

                                                                 https://doi.org/10.5771/0342-300X-2016-4-254                                           255
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aufsätze

           ments und die damit einhergehenden Pfadabhängigkeiten                       sen zielt (van Kersbergen 1995). Unser Argument stellt so-
           den Handlungsspielraum von politischen Akteuren be-                         mit eine Erweiterung der Analyseperspektive der klassi-
           schränken. Politische Akteure sind nicht notwendigerwei-                    schen Parteiendifferenztheorie dar, denn wir betonen den
           se (wie von Vertretern des VoC-Ansatzes suggeriert) vor-                    Einfluss des Regierungshandelns auf die Machtbalance zwi-
           nehmlich daran interessiert, die Wettbewerbsfähigkeit der                   schen organisierten Interessen.
           heimischen Unternehmen zu sichern, sondern könnten                              Unser Ansatz erweitert aber auch die Perspektive, die
           auch andere Ziele verfolgen, die damit in Konflikt stehen                   üblicherweise in der Literatur zu industriellen Beziehungen
           – zum Beispiel die Verringerung der Jugendarbeitslosig-                     eingenommen wird. In Studien zur Berufsbildungspolitik
           keit.                                                                       wird häufig die Existenz kooperativer Beziehungen zwischen
                                                                                       Gewerkschaften und Arbeitgebern als Hauptfaktor für die
           2.2 Parteiendifferenztheorie und                                           Entstehung und Stabilität kollektiver Berufsbildungsinsti-
                institutioneller Wandel                                                tutionen betont. Sofern es keine Zusammenarbeit zwischen
                                                                                       Gewerkschaften und Arbeitgebern gebe, seien duale Aus-
           Die VoC-Perspektive betont die Beharrungskräfte institu-                    bildungsmodelle nur schwer aufrecht zu erhalten oder auf-
           tioneller Arrangements. Im Gegensatz dazu zielt die soge-                   zubauen (Bosch/Charest 2008; Crouch et al. 2004; Gospel
           nannte Parteiendifferenztheorie darauf ab, Gestaltungs-                     1995). Allerdings wird in diesen Ansätzen implizit davon
           spielräume von parteipolitisch motivierten Regierungen zu                   ausgegangen, dass die Machtbalance und das Kooperations-
           identifizieren (vgl. Schmidt 1996 für einen Überblick). Da-                 muster zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften letztlich
           bei geht es ihr um die Erklärung von Unterschieden im                       in der außerparlamentarischen Arena bestimmt werden.
           Policy-Output (also Politikinhalte wie Gesetze, Verordnun-                  Wir betonen jedoch, dass (parteipolitisch gefärbte) Regie-
           gen, Entscheidungen etc.). Parteien unterschiedlicher Cou-                  rungen auch die Machtverteilung und Interaktionsmuster
           leur gestalten Politikinhalte unterschiedlich aus, da sie die               zwischen den Sozialpartnern beeinflussen können und die-
           Interessen von verschiedenen Wählergruppen vertreten.                       se somit nicht als unabänderliche Einschränkungen des
           Sozialdemokratische Parteien setzen sich beispielsweise für                 Regierungshandelns verstanden werden müssen. Ein tradi-
           den Ausbau des Sozialstaates ein, während bürgerliche Par-                  tionelles Beispiel sind Regierungsinterventionen in die
           teien auf Steuersenkungen hinwirken. Regierungsparteien                     Lohnpolitik, sofern sich die Sozialpartner nicht auf gemein-
           werden zwar in ihrem Handeln durch das bestehende ins-                      same Abschlüsse einigen können. Allein dieser „Schatten
           titutionelle Erbe, Vetospieler oder internationale Einflüsse                der Hierarchie“ (Scharpf 1994) eines einseitigen Regierungs-
           beschränkt; entscheidend ist aber letztlich die Aussage, dass               handelns könnte Auswirkungen auf deren Kooperationsbe-
           trotz all dieser Beschränkungen das Regierungshandeln                       reitschaft haben.
           von Parteien signifikante Spuren im Policy-Output hinter-                       Abgesehen von dieser eher drastischen Interventions-
           lässt (parties do matter). Regierungswechsel sollten dem-                   möglichkeit gibt es verschiedene andere Möglichkeiten, wie
           nach auch Neuausrichtungen von Politik ermöglichen, was                     Regierungen die organisierten Interessen von Arbeitgebern
           institutionelle Veränderungen wahrscheinlicher erscheinen                   und Arbeitnehmern auf unterschiedliche Weise berücksich-
           lässt als vom VoC-Ansatz suggeriert.                                        tigen können (Busemeyer 2015, S. 45). Eine erste ist, diesen
                                                                                       Interessen direkt (und unter Umständen selektiv) Zugang
           2.3 Parteidifferenzen und Effekte auf                                      zu der Arena der Gesetzgebung zu gewähren. Es ist zu er-
                organisierte Interessen                                                warten, dass konservative Regierungen eher die Interessen
                                                                                       der Arbeitgeber privilegieren, während linke Regierungen
           An dieser Stelle setzt der theoretische Beitrag dieses Artikels             diejenigen der Gewerkschaften bevorzugen. Parteipolitische
           an. Wir argumentieren, dass das Handeln von Regierungs-                     Ideologien beeinflussen jedoch nicht nur, welche Interessen
           parteien durchaus einen Unterschied machen kann, und                        privilegierten Zugang bekommen sollen, sondern auch, wie
           zwar nicht nur im Hinblick darauf, welche Politikinhalte                    der Prozess der Interessenvermittlung überhaupt ausgestal-
           konkret durchgesetzt werden, sondern auch hinsichtlich                      tet werden soll. So können Regierungen entweder einen
           der Machtverteilung zwischen organisierten Interessen im                    eher „klassenkämpferischen“ Ansatz wählen und die Inte-
           politischen Prozess (vgl. Busemeyer 2015; Dingeldey 1996;                   ressen der ihnen nahestehenden Interessengruppen bevor-
           Vossiek 2015). Regierungsparteien können mit Policy-In-                     zugen, oder sie vertreten einen sozialpartnerschaftlichen
           strumenten darauf abzielen, die Machtbalance zwischen                       Ansatz. Bei Letzterem werden auch die Interessen der „an-
           verschiedenen Interessen so zu beeinflussen, dass ihnen                     deren“ Seite in Form von korporatistischen Institutionen
           nahe stehende Interessengruppen an Macht gewinnen. Lin-                     und Verfahren an der Entscheidungsfindung beteiligt. Die
           ke Parteien könnten somit auf die Stärkung des Einflusses                   klassischen Beiträge aus der Literatur zu den industriellen
           von Gewerkschaften zielen, während es sich bei den bür-                     Beziehungen haben diese Zusammenhänge nicht immer im
           gerlichen Parteien umgekehrt verhält. Christdemokratische                   Blick, da sie davon ausgehen, dass Interessenvermittlungs-
           Parteien könnten hier eine Mittelposition einnehmen und                     strukturen systemische Eigenschaften sind und somit nicht
           einen korporatistischen, sozialpartnerschaftlichen Ansatz                   (oder nur wenig) durch parteipolitische Kräfte beeinflusst
           verfolgen, der auf den Ausgleich unterschiedlicher Interes-                 werden.

2 56                                       https://doi.org/10.5771/0342-300X-2016-4-254
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WSI MITTEILUNGEN 4/2016

    Wie kann dieses theoretische Argument auf den kon-            sowie der Anteil und die Inhalte der außerbetrieblichen
kreten Fall der Berufsbildungspolitik angewendet werden?          Ausbildungskomponenten waren nicht über Kollektivver-
Der Ausgangspunkt unserer Überlegung ist die Feststellung,        einbarungen oder gesetzlich geregelt (King 1993; Ryan 2000;
dass sich auch Regierungen in liberalen Marktwirtschaften         I-1; I-3). Außerdem wurde der Ausbildungsabschluss nicht
in der Berufsbildungspolitik engagieren, selbst wenn dieser       auf der Basis erlangter beruflicher Kompetenzen verliehen,
Bildungszweig im Vergleich zur Hochschulbildung weniger           sondern lediglich nach Ablauf einer bestimmten zeitlichen
gut ausgebaut ist. Ein konkreter Anlass für berufsbildungs-       Frist (Gospel 1995; Ryan 2000; E-10; I-1; I-3).
politisches Engagement in England und Irland war die zu-               Zweitens ging dieser „voluntaristische“ Ansatz in der
nehmende Jugendarbeitslosigkeit in den 1970er und 1980er          Berufsbildung mit äußerst konfliktträchtigen Beziehungen
Jahren. Die Reaktion der jeweiligen Regierungen auf diesen        zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften in den Arbeits-
exogenen Problemdruck fiel jedoch – so unsere These – je          beziehungen einher (Thelen 2004; E-2; I-1; I-6; I-8). Ge-
nach parteipolitischer Prägung sehr unterschiedlich aus,          werkschaften waren im Wesentlichen als Berufs- und nicht
sowohl was die Politikinhalte als auch den politischen Pro-       als Industriegewerkschaften organisiert und verfolgten da-
zess angeht. Regierungsparteien zielten außerdem darauf           her in der Ausbildungspolitik die Strategie, die Anzahl qua-
ab, Berufsbildungsreformen als Instrument zur Beeinflus-          lifizierter Facharbeiter möglichst gering zu halten, um durch
sung von Machtbeziehungen in der außerparlamentari-               diese Verknappung des Angebots die Löhne zu steigern
schen Arena zu nutzen. Unsere These ist somit auch eine           (Costine/Garavan 1995; Dingeldey 1996; E-10; I-1; I-6).
Gegenthese zur VoC-Perspektive, denn wir zeigen im Fol-           Zudem sorgten die Gewerkschaften für hohe Auszubilden-
genden, dass das Handeln der Regierungsparteien in den            dengehälter, um eine Substitution von teuren Facharbeitern
beiden betrachteten Fällen durchaus langfristige Konse-           mit Auszubildenden zu erschweren. Die Arbeitgeber re-
quenzen für die weitere Entwicklung dieser Systeme hatte          agierten darauf, indem sie Ausbildungsinhalte nach Mög-
und unsere Befunde eher für die „parties do matter“-The-          lichkeit so gestalteten, dass Auszubildende mehr Zeit auf
se sprechen.                                                      produktive Tätigkeiten und weniger auf außerbetriebliches
                                                                  Lernen verwendeten (Senker 1992; E-2; I-3; I-5; I-6).
                                                                       Beide Länder verfügten über duale Ausbildungsstrukturen,
                                                                  die allerdings im Vergleich zu kontinentaleuropäischen Län-
                                                                  dern wie Deutschland oder der Schweiz wenig stark reguliert
3. Fallstudien: Berufsbildungsreformen                           waren und daher auch mit mehr Konflikten zwischen Arbeit-
    in England und Irland                                         gebern und Gewerkschaften einhergingen. Dort, wo Regie-
                                                                  rungen Reformversuche unternahmen, änderte sich wenig an
Im Folgenden verdeutlichen wir die zentrale Rolle von Par-        den konfliktträchtigen Beziehungen zwischen Gewerkschaften
teipolitik in Berufsbildungsreformen in England und Irland        und Arbeitgebern (Murphy/Coldrick 1988; Senker 1992). Den-
während der kritischen Phase der 1980er und 1990er Jahre,         noch gab es in beiden Ländern kollektive Institutionen zur
in der die Weichen für die weitere Entwicklung dieser Be-         Steuerung der Berufsbildung, die tripartistisch mit Arbeitge-
rufsbildungssysteme gestellt wurden. Dabei konzentrieren          bern, Gewerkschaften und staatlichen Vertretern besetzt wa-
wir uns vor allem auf die Reformen systemrelevanter dua-          ren. So waren in England die korporatistisch organisierten
ler Ausbildungsstrukturen und nicht dezidiert auf einen           sektoralen Industrial Training Boards (ITBs) befugt, Ausbil-
Vergleich der betrieblichen Ausbildungspraxis. Die Fallstu-       dungsstandards zu setzen sowie eine Ausbildungsabgabe von
dien basieren auf Primär- und Sekundärliteratur sowie auf         Betrieben zu erheben und für Ausbildungszwecke umzuver-
32 Experteninterviews mit Arbeitgebern, Gewerkschaften            teilen. Auch die Manpower Service Commission (MSC), die
und politischen Akteuren.4 Wir schildern zunächst das den         1973 als zentrale Institution zur Neuausrichtung der Berufs-
beiden Ländern gemeinsame Politikerbe in der Berufsaus-           bildung ins Leben gerufen wurde, basierte auf der Einbindung
bildung, bevor wir den Einfluss von Parteipolitik in England      von Arbeitgebern und Gewerkschaften. Allerdings hatte die
und Irland analysieren.                                           Schaffung dieser Institutionen nicht dazu beigetragen, die Kon-
                                                                  flikte zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerrepräsentanten
3.1 Gemeinsames Politikerbe                                      nachhaltig zu entschärfen (Senker 1992).
                                                                       Auch in Irland gab es mit An Comhairle Oiliuna (AnCO)
Bis in die 1980er Jahre gab es zwischen England und Irland        seit 1968 eine tripartistische Institution zur Weiterentwick-
große Ähnlichkeiten in der institutionellen Ausgestaltung         lung und Steuerung der Berufsausbildung. Allerdings
der Berufsbildung (Ryan 2000). Zwar wirkten Arbeitgeber
und Gewerkschaften in beiden Ländern an der Gestaltung
von Ausbildungsinhalten und -bedingungen mit, jedoch
waren die erzielten Übereinkünfte wenig verbindlich: So           4    Eine anonymisierte, institutionelle Auflistung ist auf
                                                                       Anfrage bei den Autoren erhältlich. Die Interviews sind
fehlte es an einer gesetzlichen Grundlage für die notwen-
                                                                       jeweils den Fällen zugeordnet (E = England, I = Irland)
dige Zertifizierung der Kompetenzen der angehenden Fach-               und werden mit Länderkürzel und fortlaufender Nummer
arbeiter, und auch die Entlohnung von Auszubildenden                   notiert.

                                                               https://doi.org/10.5771/0342-300X-2016-4-254                                            257
                                                        Generiert durch IP '46.4.80.155', am 10.11.2021, 00:00:37.
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aufsätze

           führte sie nicht zu einer Auflösung der „voluntaristischen“                 konservativen Regierungen somit über solide parlamentari-
           Strukturen des traditionellen irischen Ausbildungssystems:                  sche Mehrheiten in einer Mehrheitsdemokratie verfügten, die
           So verweigerten viele Firmen ihren Auszubildenden den                       weitreichende Spielräume für einschneidende Reformen bie-
           Besuch gesetzlich vorgeschriebener, außerbetrieblicher                      tet (Lijphart 1999).
           Ausbildungsangebote (I-5), sodass zwischen 1968 und 1973
           40 % aller Auszubildenden keinen Zugang zu diesen Bil-                      3.2.1 Erste Schritte konservativer Reformen
           dungsangeboten hatten (McCarthy 1977, S. 18). Zudem
           basierte der Abschluss einer Ausbildung weiterhin auf dem                   Vor dem Hintergrund konfliktgeladener industrieller Be-
           Prinzip, eine bestimmte Dauer als Lehrling in einem Betrieb                 ziehungen verfolgte die Thatcher-Regierung eine politische
           gearbeitet zu haben, ohne dass der tatsächliche Erwerb von                  Strategie, die zur Steigerung der wirtschaftlichen Wettbe-
           beruflichen Kompetenzen überprüft wurde. Die meisten                        werbsfähigkeit gezielt auf die Entmachtung der Gewerk-
           Gewerkschaften akzeptierten dies als Anstellungsvoraus-                     schaften und eine Stärkung unternehmerischer Freiheiten
           setzung für qualifizierte Tätigkeiten im Rahmen des „clo-                   ausgerichtet war (Finegold/Soskice 1988, S. 31; Rhodes
           sed-shop“-Systems (I-5; I-7). Schließlich gab es bei der Ge-                2000). Diese Strategie lässt sich auch in der Berufsbildungs-
           staltung der Ausbildungsinhalte vielfältige Konflikte                       politik nachvollziehen: Zuerst schaffte die Regierung 1982
           innerhalb von AnCO, sodass es kaum einheitliche Ausbil-                     alle tripartistischen ITBs ab, in denen Arbeitgeber nicht
           dungsstandards gab (I-1; I-7).                                              dagegen votierten (E-2; E-12). Dies führte dazu, dass fast
               Im Vergleich des Institutionen- und Politikerbes beider                 alle ITBs im Laufe der 1980er Jahre verschwanden, da sie
           Fälle wurde weder in England noch in Irland eine dauer-                     nicht mehr finanziell durch die Regierung (und teils über
           hafte Basis für eine zwischen Gewerkschaften und Arbeit-                    Mittel der MSC) gefördert wurden (Senker 1992, S. 59ff.).
           gebern kooperativ organisierte Berufsbildung geschaffen.                    Durch die Abschaffung der ITBs entstand ein institutionel-
           Gleichwohl stellte die Beteiligung der Gewerkschaften an                    les Vakuum im Bereich der Ausbildungssteuerung, in dem
           der Ausbildungspolitik in beiden Fällen eine wichtige                       die MSC als einzige korporatistisch organisierte Institution
           Machtressource für diese dar, die sie allerdings nicht dazu                 verblieb.
           bewog, in der Lohnpolitik kompromissbereitere Positionen                        Das temporäre Überleben der MSC war jedoch kein
           einzunehmen. Trotz ähnlicher Ausgangsbedingungen wa-                        Indiz für die Unterstützung der Regierung für korporatis-
           ren die 1980er Jahre in beiden Berufsbildungssystemen eine                  tische Strukturen, sondern strategischen Überlegungen ge-
           Phase kritischer Weichenstellungen, die zur Herausbildung                   schuldet (King 1993). Die im Zuge der wirtschaftlichen
           deutlicher Unterschiede zwischen England und Irland ge-                     Krise Ende der 1970er Jahre massiv gestiegene Arbeitslo-
           führt hat. Während die Berufsbildung in England stark                       sigkeit, die insbesondere Jugendliche betraf, war zu diesem
           vermarktlicht worden ist und Gewerkschaften ihre Rolle in                   Zeitpunkt ein zentrales und „potentiell explosives“ (Ainley/
           der Berufsbildungspolitik weitestgehend eingebüßt haben,                    Corney 1990, S. 49; Übersetzung der Autoren) Thema in
           sind in Irland dual und korporatistisch organisierte Aus-                   der Wahlbevölkerung (Senker 1992, S. 54; E-9). Da zu die-
           bildungsstrukturen aufgebaut worden. Welche Rolle die                       sem Zeitpunkt nur die MSC unmittelbar zur Steuerung und
           jeweiligen parteipolitischen Regierungsinteressen für diese                 Verwaltung von Arbeitsmarktprogrammen in der Lage war,
           Entwicklungen gespielt haben, diskutieren wir nun in un-                    musste die Regierung noch mit den Gewerkschaften als
           seren Falldarstellungen. Die Auswahl der Fälle England und                  wichtigen Entscheidern innerhalb dieses Politikfeldes ko-
           Irland eignet sich in besonderer Weise, diese Einflüsse zu                  operieren.
           untersuchen, denn trotz großer Ähnlichkeiten im politi-                         Allerdings fand eine strategische Neuausrichtung der
           schen und institutionellen Erbe haben sich diese Länder in                  MSC statt, die nachhaltig die Logik des Berufsbildungsan-
           unterschiedliche Richtungen entwickelt.                                     gebotes in England veränderte. Noch zu Beginn der 1980er
                                                                                       Jahre zielte die MSC darauf ab, die berufliche Bildung lang-
           3.2 England – Entmachtung                                                  fristig auszubauen und dadurch die industrielle Umstruk-
                der Gewerkschaften                                                     turierung zu fördern. Im Gegensatz dazu war die
                                                                                       Thatcher-Regierung vor allen Dingen daran interessiert, die
           In der historischen Nachbetrachtung können die Refor-                       Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Als Ergebnis von Ver-
           men der bürgerlich-konservativen Thatcher-Regierungen                       handlungen zwischen MSC und Regierung wurde 1983 mit
           (1979 – 1990) als fundamentale Neujustierungen gewertet                     dem Youth Training Scheme (YTS) ein Kompromiss gefun-
           werden, die bis heute die Strukturen des englischen Berufs-                 den, der zum Ziel hatte, „eine modernisierte Lehrlingsaus-
           bildungssystems maßgeblich prägen. Die Durchsetzung einer                   bildung [einzuführen], die endlich die überholte und eng
           politischen Ideologie, die auf einen Rückbau sozialstaatlicher              definierte Handwerksausbildung der ITBs ersetzen würde“
           Rechte, die Dezentralisierung von Lohnverhandlungsstruk-                    (Ainley/Corney 1990, S. 53f.; Übersetzung der Autoren).
           turen und die politische Entmachtung von Gewerkschaften                     Ob YTS dem Bereich der Berufsbildungs- oder Arbeits-
           abzielte (Howell 2005; Rhodes 2000), wurde dabei insbeson-                  marktpolitik zugerechnet werden sollte, ist in der Forschung
           dere ab 1981 dadurch erleichtert, dass sich die Labour Party                umstritten (Ryan/Unwin 2001), aber zumindest war diese
           als maßgebliche Oppositionspartei gespalten hatte und die                   Institution im Bereich des nationalen Bildungssystems an-

2 58                                       https://doi.org/10.5771/0342-300X-2016-4-254
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WSI MITTEILUNGEN 4/2016

gesiedelt, der auch die klassische Lehrlingsausbildung um-         (TECs) gewertet werden. Die politische Möglichkeit hierzu
fasste. Bereits kurz nach seiner Einführung wuchs das YTS          bot sich der Regierung, nachdem die Jahreshauptversamm-
massiv an, sodass zu Beginn des Jahres 1986 fast die Hälfte        lung des Trade Union Congress (TUC) Regierungspläne ab-
aller 16-Jährigen, die nicht mehr allgemeinbildende Schu-          gelehnt hatte, die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungen
len besuchten, am YTS teilnahmen. Dies hatte weitreichen-          mit dem Bezug von Arbeitslosenunterstützung zu verknüp-
de Auswirkungen.                                                   fen und so die Teilnahme an YTS für arbeitslose Jugendliche
    Erstens führte der Ausbau von YTS zu einer Umschich-           verpflichtend zu machen. Als Reaktion auf die ablehnende
tung von Ressourcen, die ursprünglich zur Planung und              Gewerkschaftshaltung löste die Thatcher-Regierung die
Umsetzung anspruchsvoller Berufsbildungsreformen vor-              MSC komplett auf und marginalisierte so die Gewerkschaf-
gesehen waren und nun der Finanzierung von Arbeits-                ten noch stärker (King 1993; E-9). Im Zuge dessen wurde
marktprogrammen dienten. Dies schränkte den eigenstän-             auch die Steuerung der Berufsausbildung im Arbeitsminis-
digen Handlungsspielraum der MSC massiv ein (Finegold/             terium angesiedelt, was nicht-staatlichen Akteuren seitdem
Soskice 1988; King 1993).                                          den Zugang zur Berufsbildungspolitik nachhaltig erschwert
    Zweitens fielen die YTS-Trainees nicht mehr unter die          hat (Gospel 1995; Keep 2006). Die Auflösung der MSC wur-
Bestimmungen der bestehenden Arrangements zwischen                 de begleitet durch die Schaffung von TECs zur Verwaltung
Gewerkschaften und Arbeitgebern. Dies ließ Arbeitgebern            und Bereitstellung der staatlichen Ausbildungsprogramme
wesentlich mehr Spielraum für den Einsatz von Trainees             wie YTS. Diese neuen sektoralen Organisationen setzten
für unmittelbar produktive Tätigkeiten (E-4). Arbeitgeber          sich maßgeblich aus Unternehmervertretern zusammen,
konnten außerdem die betriebliche Ausbildungskompo-                die laut Gesetz Geschäftsführer von Firmen sein mussten
nente wesentlich flexibler ausgestalten, da diese durch YTS        (Crouch 1995, S. 299). Die Teilnahme von Gewerkschafts-
nur sehr grob standardisiert war (Gospel 1995). Auch die           vertretern erfolgte hingegen nur auf Einladung des Arbeits-
Standards für die außerbetriebliche Ausbildung waren               ministeriums.
schwach definiert, sodass zwischen April 1986 und Januar                Zusammengenommen haben die Reformen der beiden
1988 weniger als ein Viertel der Trainees überhaupt beruf-         Thatcher-Regierungen maßgeblich dazu beigetragen, die
liche Qualifikationen vorzuweisen hatte (Senker 1992,              Rolle der Gewerkschaften in der Steuerung der beruflichen
S. 55).                                                            Bildung zu schwächen. Das englische Ausbildungssystem
    Drittens hat die Einführung des YTS die Finanzierungs-         ist auch heute noch dadurch gekennzeichnet, dass Arbeit-
strukturen der Berufsbildung nachhaltig verändert. Auszu-          geber geringe Verpflichtungen in der Berufsausbildung ein-
bildende erhielten nicht länger Löhne, sondern – zu einem          gehen und deswegen eine langfristig angelegte Strategie der
Großteil mit öffentlichen Geldern finanzierte – Ausbildungs-       Förderung der Berufsausbildung oftmals durch kurzfristige
entschädigungen. Diese Entschädigungen waren nun nicht             Firmenziele konterkariert wird. Ausbildungen haben häufig
mehr Gegenstand von kollektiven Lohnverhandlungen, son-            eher den Charakter von Arbeitsmarktprogrammen und
dern Ergebnis staatlichen sozialpolitischen Handelns, was          nicht von inhaltlich-gehaltvollen Bildungsangeboten. Ge-
den Einfluss der Gewerkschaften auf deren Ausgestaltung            werkschaften, die für eine hochqualitative Ausbildung ein-
verminderte. Des Weiteren wurde parallel zu YTS ein „Qua-          treten könnten, haben aufgrund der Interessenpolitik der
si-Markt“ für die außerbetriebliche Ausbildungskomponen-           konservativen Thatcher-Regierungen ihre historisch starke
te eingeführt, auf dem private und öffentliche Bildungsan-         Position in der Berufsbildungspolitik eingebüßt und neh-
bieter um staatliche Subventionen konkurrieren (E-9).              men in der Ausgestaltung der beruflichen Bildung inzwi-
Finanziell wurde somit der „historische Nexus“ zwischen            schen nur eine marginale Rolle ein. Der englische Fall zeigt
Lehre und Arbeitsverhältnis gebrochen, da Trainees nicht           somit deutlich, wie Regierungsparteien vermittelt über die
länger als Firmenanagestellte galten, sondern unter die Zu-        Berufsbildungspolitik die Machtbalance zwischen Gewerk-
ständigkeit staatlich subventionierter, intermediärer Ausbil-      schaften und Arbeitgebern nachhaltig beeinflussen können.
dungsanbieter fielen (Toner 2008, S. 427). Durch die staatli-
chen Ausbildungssubventionen fielen die Lohnkosten für             3.3 Irland – Korporatismus und
Trainees maßgeblich, was Firmen die Möglichkeit eröffnete,              Sozialpartnerschaft
„teure“ Auszubildende der traditionellen Lehrlingsausbil-
dung (aber auch qualifizierte Arbeitnehmer) durch „günsti-         Im Gegensatz zu England zeigt die irische Entwicklung, dass
ge“ Trainees zu ersetzen (King 1993).                              auch in liberalen Marktwirtschaften duale Ausbildungs-
                                                                   strukturen – als zentrales Element kollektiver Ausbildungs-
3.2.2 Finalisierung und Resultate der                             regime – auf- und ausgebaut werden können. Dabei war
       Reformen                                                    insbesondere die Regierungstätigkeit der Mitteparteien Fine
                                                                   Gael (FG) und Fianna Fáil (FF) in jeweiligen Koalitionen
Als letzter Schritt im Prozess der strategischen Schwächung        mit der irischen Sozialdemokratie (Irish Labour Party – ILP)
der Gewerkschaften kann schließlich die Abschaffung der            von Bedeutung. Diese Regierungen verfolgten einen sozi-
MSC im Jahre 1989 und die Institutionalisierung von un-            alpartnerschaftlichen Politikansatz, der nicht nur, aber auch
ternehmerdominierten Training and Enterprise Councils              in der Berufsbildung auf einen Interessensausgleich

                                                                https://doi.org/10.5771/0342-300X-2016-4-254                                          259
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aufsätze

           zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften zielte. Wie wir                   rung im Rahmen sozialer Pakte die Möglichkeit, elekto-
           nachfolgend beschreiben, weist das irische Ausbildungs-                    ralen Schaden abzuwenden, indem die politische Verant-
           system nach einer kritischen Weichenstellung in den späten                 wortung für schmerzliche Reformen auf mehrere Schultern
           1980er und frühen 1990er Jahren in Bezug auf Ausbildungs-                  verteilt wurde. Zudem kann die Berücksichtigung der
           dauer, Programmstruktur, Finanzierungsprinzip sowie Be-                    Interessen sowohl von Gewerkschaften als auch von Ar-
           teiligung von Gewerkschaften, Arbeitgebern und staatli-                    beitgebern in sozialpartnerschaftlichen Arrangements
           chen Akteuren verschiedene Merkmale eines kollektiven                      auch darauf zurückgeführt werden, dass es sich jeweils um
           Ausbildungssystems auf, wenngleich dieses eingebettet ist                  parlamentarisch schwache Regierungen handelte, die für
           in ein weiterhin im Wesentlichen liberales Wirtschaftsmo-                  die Umsetzung politischer Reformen auf die Zusammen-
           dell.                                                                      arbeit mit organisierten Interessen angewiesen waren (Bac-
                Die wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen vor der kri-                 caro/Lim 2007).
           tischen Weichenstellung durch die irischen Koalitionsre-
           gierungen waren gekennzeichnet durch hohe Arbeitslosig-                    3.3.2 Kooperationsaufbau in der Berufsbildung
           keit, massive und anwachsende Staatsverschuldung,
           verhärtete Lohnkonflikte und Lohndrift aufgrund dezent-                    Im Rahmen der sozialinvestiven Politiken des PNR spielte
           raler Tarifverhandlungen (Roche 2007, S. 395ff.). Diese                    auch die Neuausrichtung der Arbeitsmarkt- und Ausbil-
           stärkste wirtschaftliche Krise der Nachkriegszeit brachte                  dungspolitik eine wichtige Rolle. Bereits 1986 gab es dies-
           Irland an den Rande einer „fiskalpolitischen Übernahme                     bezüglich eine Übereinkunft zwischen der Regierung, den
           durch den IWF“ (Zitat Arbeitgebervertreter in Baccaro/                     Gewerkschaften und den Arbeitgebern, das irische Ausbil-
           Lim 2007, S. 28; Übersetzung der Autoren; ähnlich I-8;                     dungssystem in zwei Aspekten zu reformieren (Department
           I-10). Die Reaktion der irischen Regierung auf diese Situ-                 of Labour 1986): Erstens sollte ein neues System auf ver-
           ation bestand jedoch nicht darin, nach dem Vorbild Eng-                    bindlichen Ausbildungsstandards basieren, wobei der Staat
           lands marktförmige Strukturen in der Berufsbildungs- und                   sich, wie von den Sozialpartnern gefordert, zu einer größe-
           Sozialpolitik weiter zu stärken. Stattdessen entschied sich                ren Übernahme der Kosten für die außerbetriebliche Aus-
           die Regierung für eine korporatistische Strategie der sozi-                bildung bereit erklärte (ebd.; I-1). Zweitens sollten Arbeit-
           alen Pakte zwischen Arbeitgebern, Gewerkschaften und                       geber und Gewerkschaften noch stärker in den Prozess der
           dem Staat.                                                                 Überprüfung und Neuregelung von Ausbildungsstandards
                                                                                      einbezogen werden (I-5; I-6), und zwar unter dem Dach
           3.3.1 Korporatismus als Reformstrategie                                   einer neu zu schaffenden, tripartistisch besetzten Instituti-
                                                                                      on, welche die Funktionen von AnCO effektiv mit beschäf-
           Die Strategie der sozialen Pakte, die seit 1987 für jeweils                tigungspolitischen Kompetenzen verknüpfen sollte (I-6;
           drei Jahre bis 2009 zwischen den oben genannten Partnern                   I-10; I-13).
           verhandelt wurden, basierte wesentlich auf einem politi-                       Die zu diesem Zweck 1987 neu gegründete Foras Áise-
           schen Tauschgeschäft: Die organisierten Interessen der Ar-                 anna Saothair (FÁS – Ausbildungs- und Arbeitsagentur)
           beitswelt (Gewerkschaften und Arbeitgeber) machten                         bildete eine wichtige institutionelle Basis für eine Vermin-
           wechselseitige Zugeständnisse, und der Staat koordinierte                  derung der oben beschriebenen traditionellen Konflikte
           diese. Die Übereinkünfte des ersten Paktes (Programme for                  zwischen Berufsgewerkschaften und Arbeitgebern. Unter
           National Recovery – PNR) betrafen fiskalische und steuer-                  dem Dach von FÁS wurde das National Apprenticeship Ad-
           politische Maßnahmen, den Ausbau von Sozial- und Bil-                      visory Committee (NAAC – Nationales Fachkomittee für
           dungspolitik und – als zentrales Element – die Einigung,                   Berufsausbildung), das eine enge Einbindung der Sozial-
           zu zentralisierten Lohnverhandlungen mit festgelegten                      partner in Ausbildungsfragen ermöglichte (I-1; I-2; I-3; I-6;
           Lohngrenzen zurückzukehren. Diese sollten das Problem                      I-8), zur zentralen Triebfeder des Reformprozesses (I-6; I-8).
           strittiger Lohnverhandlungen und lohngetriebener Inflati-                      Einige Jahre später wurde außerdem ein neues Ausbil-
           on eindämmen (Hardiman 2002). Dieser Kompromiss, der                       dungssystems der Standard-based apprenticeships (SBA –
           maßgeblich auf der von den Sozialpartnern und Regie-                       standard-basierte Berufsausbildung) eingeführt, das die
           rungsvertretern verfassten Analyse „A Strategy for De-                     institutionellen Fundamente der sozialen Pakte im Allge-
           velopment 1986 – 1990“ (NESC 1986) basierte, beinhaltete                   meinen und FÁS im Besonderen ergänzte und weiter aus-
           Zugeständnisse an alle Beteiligten.                                        baute (Boyle 2005). Doch in der Aushandlung des neuen
               Die von der Regierung angebotenen Investitionen in                     Systems kam einer neuen, diesmal von der FF angeführten
           Ausbildung und Sozialpolitik sowie Einkommensteuer-                        Regierungskoalition eine zentrale vermittelnde Rolle zwi-
           erleichterungen führten zu einem Wandel der Positionen                     schen Gewerkschafts- und Arbeitgeberinteressen zu, ins-
           der Gewerkschaften, die nun ihre Lohnforderungen mä-                       besondere durch die Einbettung der Verhandlungen in den
           ßigten und sich mit zentralisierten Lohnverhandlungen                      1991 neu verabschiedeten sozialen Pakt Programme for Eco-
           einverstanden erklärten. Letzteres war für die Arbeitgeber                 nomic and Social Progress (PESP).
           zwar keine präferierte, aber eine akzeptable Option (Roche                     Für die Gewerkschaften boten hier zusätzliche von der
           1994, S. 397). Für die Regierung eröffnete die Konzertie-                  Regierung in Aussicht gestellte finanzielle Mittel für die

2 60                                      https://doi.org/10.5771/0342-300X-2016-4-254
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WSI MITTEILUNGEN 4/2016

ÜBERSICHT 1

Typische Strukturmuster beruflicher Bildung in England und Irland, 2008

               Typische Dauer der                Programmstruktur                      Regulierung und                  Finanzierungsprinzip
               Ausbildung                                                              Hauptakteure der
                                                                                       Governance

England        12 Monate                         Arbeitsmarktprogramme,                Regulierung auf sektora-         staatlich subventionierter
               (Apprenticeship)                  ohne gesetzliche Definition           ler Ebene; loses Zusam-          Ausbildungsmarkt;
                                                 von Ausbildungsstandards              menspiel von Staat,              Subventionen an Betriebe
                                                                                       (privaten und öffentlichen)      und Anbieter für inner-
                                                                                       Ausbildungsanbietern             und außerbetriebliche
                                                                                       und Zertifizierungsagen-         Ausbildung
                                                                                       turen; konsultative Rolle
                                                                                       der Arbeitgeber
Irland         40 Monate                         Duale Ausbildung mit                  Regulierung auf nationa-         staatlich finanzierte
               (Standard-based                   gesetzlicher Definition               ler Ebene; tripartistische       außerbetriebliche
               apprenticeships)                  von Ausbildungsstan-                  Regulierung durch Staat,         Ausbildung mit betrieb-
                                                 dards                                 Arbeitgeberverbände              licher Ausbildungsumlage;
                                                                                       und Gewerkschaften               innerbetriebliche
                                                                                                                        Ausbildung finanziert
                                                                                                                        durch Arbeitgeber

  Anmerkung: Beschrieben wird jeweils das anteilig größte duale Ausbildungsprogramm.

  Quelle: Zusammenstellung der Autoren.

außerbetriebliche Ausbildung einen Anreiz, sich in den                       dungssystems sowohl in Bezug auf die Qualität beruflicher
Verhandlungen kompromissbereit zu zeigen (I-7; I-9). Zu-                     Standards als auch bei der Zufriedenheit der ausbildenden
dem waren sie fest in den sozialpartnerschaftlichen Reform-                  Betriebe und der Auszubildenden zur Verbesserung der
prozess eingebunden und konnten somit politischen Ein-                       Ausbildung geführt haben (O'Connor/Harvey 2001; I-3;
fluss auf Berufsbildungsreformen nehmen, die sie sonst                       I-8).
mühsam mit Arbeitgebern hätten aushandeln müssen. Für
die Arbeitgeber wiederum war insbesondere die Finanzie-
rung der Ausbildung ein zentrales Thema, da sie nicht be-
reit waren, sich hier stärker zu engagieren (Boyle 2005,
S. 48). Zudem verfolgten viele Arbeitgeber noch eine Stra-                   4. Fazit und Ausblick
tegie der Abwerbung von qualifizierten Fachkräften oder
Auszubildenden von konkurrierenden Firmen (Nyhan                             Übersicht 1 fasst die zentralen Unterschiede der Strukturmus-
2009). Jedoch waren sie zu diesem Zeitpunkt über ihre                        ter der Berufsausbildung in England und Irland noch einmal
Rolle in der FÀS und dem sozialpartnerschaftlich organ-                      vergleichend zusammen. Wie wir in diesem Beitrag argu-
sierten Reformprozess so eingebunden, dass sie sich einer                    mentiert und in den Fallstudien verdeutlicht haben, ist der
Übernahme eines größeren Teils der Ausbildungskosten                         Aufbau von dualen Ausbildungsstrukturen als zentrale Ele-
nicht gänzlich entziehen konnten, um damit ihren Einfluss                    mente kollektiver Berufsbildungsregime prinzipiell auch in
auf die wirtschafts- und fiskalpolitischen Verhandlungen                     Ländern möglich, deren politisches und institutionelles Erbe
zu behalten.                                                                 zunächst dagegen zu sprechen scheint. Wir haben gezeigt,
    Unter der Verhandlungsführung einer Koalition aus                        dass das Handeln von Regierungsparteien in Phasen kriti-
FF und ILP wurde 1993 beschlossen, das SBA-System für                        scher Weichenstellungen hier von zentraler Bedeutung ist.
ca. 30 Berufe in Form einer neuen Stufenausbildung ein-                          So hat die Stärkung unternehmerischer Einzelinteressen
zuführen. In diesem System sind die Inhalte sowohl der                       durch die konservativ-säkularen Regierungen unter
inner- als auch der außerbetrieblichen Ausbildung ge-                        Thatcher maßgeblich dazu geführt, dass kollektive Akteure
setzlich geregelt. Im Finanzierungsmodell der SBA über-                      wie Gewerkschaften, aber auch Arbeitgeberverbände, dau-
nehmen die Arbeitgeber die Kosten für die betriebliche                       erhaft von der Berufsbildungspolitik ausgeschlossen worden
Ausbildung sowie über eine Ausbildungsumlage auch                            sind. Dies hat bis zum heutigen Tage eine nachhaltige Ins-
einen Teil der außerbetrieblichen Ausbildungskosten, die                     titutionalisierung dualer Ausbildungsstrukturen erschwert
allerdings primär vom Staat getragen werden. Bei der                         (Fuller/Unwin 2011; Payne/Keep 2011). Darüber hinaus
Reform und Anpassung des SBA spielen die Sozialpartner                       setzten die konservativen Thatcher-Regierungen auch in
durch das NAAC eine zentrale Rolle. Einige Befunde deu-                      der inhaltlichen Ausgestaltung der Berufsbildungspolitik
ten darauf hin, dass diese Reformen des irischen Ausbil-                     auf marktorientierte Steuerungsinstrumente und die

                                                                          https://doi.org/10.5771/0342-300X-2016-4-254                                                  261
                                                                   Generiert durch IP '46.4.80.155', am 10.11.2021, 00:00:37.
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aufsätze

stärkere Ausrichtung der Berufsbildung auf die kurzfristigen Bedürfnisse                  Busemeyer, M. R. (2009): Wandel trotz Reformstau: Die Politik der beruflichen
des Arbeitsmarktes. Paradoxerweise hat somit die stärkere Berücksichti-                   Bildung seit 1970, Frankfurt a. M./New York
                                                                                          Busemeyer, M. R. (2015): Skills and inequality: the political economy of educa-
gung der Interessen der Arbeitgeber dazu geführt, dass deren Engagement
                                                                                          tion and training reforms in western welfare states, Cambridge/New York
in der Erstausbildung deutlich geringer ist als das der Arbeitgeber in kol-               Busemeyer, M. R./Trampusch, C. (2012): Introduction: the comparative political
lektiven Systemen. Der weiterhin liberal-voluntaristische Ansatz der bri-                 economy of collective skill formation, in: Busemeyer, M. R./Trampusch, C. (Hrsg.):
                                                                                          The political economy of collective skill formation, S. 3 – 38, Oxford/New York
tischen Berufsbildungspolitik geht mit einem Qualitäts- und Ansehens-
                                                                                          Busemeyer, M. R./Vossiek, J. (2016): Global convergence or path dependency?
verlust der beruflichen Bildung einher, sodass diese weder vonseiten der                  Skill formation regimes in the globalized economy, in: Mundy, K./Green, A./
Jugendlichen noch vonseiten der Arbeitgeber als vollwertige Alternative                   Lingard, B./Verger, A. (Hrsg.): The handbook of global education policy,
zur akademischen Hochschulbildung angenommen wird.                                        Chichster, UK/Malden, MA, S. 145 – 161
                                                                                          Costine, P./Garavan, T. N. (1995): Trade union attitudes to training and develop-
    Im Gegensatz dazu zeigt das irische Beispiel, dass korporatistische In-
                                                                                          ment: the road to a more positive and proactive approach?, in: Journal of Eu-
stitutionen, in denen die Interessen von Gewerkschaften und Arbeitgebern                  ropean Industrial Training 19 (10), S. 38 – 44
gleichermaßen repräsentiert sind, die Herausbildung kollektiver Strukturen                Crouch, C. (1995): Organized interests as resources or as constraint: rival logics
in der Berufsbildung befördern können. Diese Kooperation zwischen Ge-                     of vocational training policy, in: Crouch, C./Traxler, F. (Hrsg.): Organized indus-
                                                                                          trial relations in Europe: what future?, Aldershot, Hampshire, S. 287 – 308
werkschaften und Arbeitgebern wird letztlich auch in der Forschung als                    Crouch, C./Finegold, D./Sako, M. (2004): Are skills the answer? The political
wichtige Voraussetzung für die institutionelle Stabilität kollektiver Berufs-             economy of skill creation in advanced industrial countries, Oxford/New York
ausbildung betrachtet (Busemeyer/Trampusch 2012; Culpepper/Thelen                         Culpepper, P. D./Thelen, K. (2008): Institutions and collective actors in the pro-
                                                                                          vision of training. Historical and cross-national comparisons, in: Meyer, K. U./
2008), aber wir konnten zeigen, dass Regierungen genau diese Zusammen-
                                                                                          Solga, H. (Hrsg.): Skill formation. Interdisciplinary and cross-national perspec-
arbeit auch beeinflussen können. Dass die irischen Regierungen statt des                  tives, New York, S. 21 – 49
englischen „klassenkämpferischen“ einen sozialpartnerschaftlichen Ansatz                  Department of Labour (1986): White Paper on manpower policy: Stationery
verfolgten, lag zum einen an der ideologischen Orientierung der Mit-                      Office, Dublin
                                                                                          Dingeldey, I. (1996): Wandel gewerkschaftlicher Strategien in der britischen
te-Rechts-Parteien FF und FG, aber auch an der machtpolitischen Logik
                                                                                          Berufsbildungspolitik der 1980er und 1990er Jahre, in: Politische Vierteljahres-
der Koalitionsregierungen mit der Labour-Partei. Der Ausbau der Sozial-                   schrift 37 (4), S. 687 – 712
partnerschaft in der Berufsbildung ging außerdem einher mit parallel ver-                 FÀS (Foras Áiseanna Saothair) (2012): Apprentice registrations, Dublin
laufenden Entwicklungen in anderen Politikbereichen wie der Arbeits-                      Finegold, D./Soskice, D. (1988): The failure of training in Britain: analysis and
                                                                                          prescription, in: Oxford Review of Economic Policy 4 (3), S. 21 – 53
markt- und Sozialpolitik, sodass hier institutionelle Komplementaritäten                  Fuller, A./Unwin, L. (2011): Vocational education and training in the spotlight.
ansatzweise genutzt werden konnten. Die korporatistische Ausgestaltung                    Back to the future for the UK's coalition government, in: London Review of
der dualen Ausbildungsstrukturen in Irland hatte auch Konsequenzen für                    Education 9 (2), S. 191 – 204
                                                                                          Gospel, H. (1995): The decline of apprenticeship training in Britain, in: Industri-
die Stellung der beruflichen Bildung im gesamten System in dem Sinne,
                                                                                          al Relations Journal 26 (1), S. 32 – 44
dass sie eher noch unter bildungspolitischen und nicht vordringlich unter                 Hall, P. A./Soskice, D. (Hrsg.) (2001): Varieties of capitalism: the institutional
arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten gefördert wurde.                                  foundations of comparative advantage, Oxford/New York
    Allerdings ist die Zukunft des irischen dualen Ausbildungssystems durch               Hardiman, N. (2002): From conflict to co-ordination: economic governance
                                                                                          and political innovation in Ireland, in: West European Politics 25 (4), S. 1 – 24
die aktuell anhaltende Wirtschaftskrise zumindest unklar. Die Anzahl neuer
                                                                                          Howell, C. (2005): Trade unions and the state. The construction of industrial re-
Auszubildender ist von 8.300 im Jahr 2006 auf knapp 1.200 im Jahr 2010                    lations in Britain, 1890 – 2000, Princeton/Oxford
gefallen (FÁS 2012), für die nun ein Überangebot an staatlichen Ausbildungs-              Keep, E. (2006): State control of the English education and training system.
kapazitäten vorliegt, die nicht schnell zurückgebaut werden konnten (I-1, I-4).           Playing with the biggest train set in the world, in: Journal of Vocational Educa-
                                                                                          tion and Training 58 (1), S. 47 – 64
Zudem sind in der Nachbetrachtung der Krise kritische Kommentare zu                       King, D. S. (1993): The Conservatives and training policy 1979 – 1992: from a tri-
hören, die den wirtschaftlichen Erfolg Irlands unter der Politik der sozialen             partite to a neoliberal regime, in: Political Studies 41 (2), S. 214 – 235
Pakte relativieren (siehe exemplarisch McDonough/Dundon 2010; Regan                       Lijphart, A. (1999): Patterns of democracy, New Haven, CT
                                                                                          McCarthy, T. (1977): Apprenticeships in Ireland: Commission of the European
2012), wobei diese Beiträge allerdings nicht die Berufsbildung thematisieren.
                                                                                          Communities, Brussels
Dementsprechend besteht im Fall Irland – aber auch zu England – Forschungs-               McDonough, T./Dundon, T. (2010): Thatcherism delayed? The Irish crisis and the
bedarf hinsichtlich der Frage, welche (aus-)bildungspolitischen Reaktionen                paradox of social partnership, in: Industrial Relations Journal 41 (6), S. 544 – 562
auf die arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen der Wirtschafts- und                    Murphy, T./Coldrick, A. J. (1988): The role of the social partners in vocational
                                                                                          education, including continuing education and training, in Ireland: European
Finanzkrise zu beobachten waren und sind.
                                                                                          Centre for the Development of Vocational Training, Berlin
                                                                                          NESC (National Economic and Social Council) (1986): A strategy for develop-
                                                                                          ment. 1986 – 1990, Dublin
                                                                                          Nyhan, B. (2009): Creating the social foundations for apprenticeship in Ire-
                                                                                          land, in: Journal of European Industrial Training 33 (5), S. 457 – 469
Literatur                                                                                 O'Connor, L./Harvey, N. (2001): Apprenticeship training in Ireland: from
                                                                                          time-served to standards based: potential and limitations for the construction
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S. 428 – 447                                                                              Welfare and work in the open economy. Diverse responses to common chal-
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2 62                                                              https://doi.org/10.5771/0342-300X-2016-4-254
                                                           Generiert durch IP '46.4.80.155', am 10.11.2021, 00:00:37.
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