Mit Wasserstoff in die Zukunft - Schwerpunkt H2 - Hoffnung oder Hype? 4 21 - Fichtner

 
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Mit Wasserstoff in die Zukunft - Schwerpunkt H2 - Hoffnung oder Hype? 4 21 - Fichtner
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                                                                                     Auszug aus
                                                                                     Ausgabe 4
                                                                                     August 2021

                  Schwerpunkt H2 – Hoffnung oder Hype?
                  Mit Wasserstoff in die Zukunft
                  Von Matthias Schlegel, Head of Hydrogen, Fichtner GmbH & Co. KG
                  und Oliver Broich, Consultant, Fichtner Management Consulting AG
ISSN: 1611-2997
Schwerpunkt H2 – Hoffnung oder Hype?

Mit Wasserstoff
in die Zukunft
Chancen für kommunale Unternehmen
    Von Matthias Schlegel, Head of Hydrogen, Fichtner GmbH & Co. KG
     und Oliver Broich, Consultant, Fichtner Management Consulting AG

                                                                        F to: © onurdongel/istockphoto

2   Auszug aus e|m|w Heft 04|2021
                                                                        o
H2 – Hoffnung oder Hype?                       Schwerpunkt

W
            asserstoff ist derzeit eines der                               Gasheizungen sind teils einfach, teilweise aber auch technisch
            dominierenden Themen in der                                    kaum auf die Nutzung von Elektrizität umstellbar. Daher ist die
                                                                           Erwartung realistisch, dass wir auch in einer weitgehend dekar-
            Energiewirtschaft und Industrie.                               bonisierten Welt chemische Energieträger benötigen werden.
            Vor dem Hintergrund zukünftig                                  Europa als Energieimporteur
benötigter Importe bringen sich verschie-                                  Der Stromsektor umfasst lediglich circa ein Viertel der ver-
                                                                           brauchten Endenergie Europas. Das macht deutlich, dass in
dene internationale Player mit Gigaprojek-                                 jedem Fall ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien
ten in Stellung. Doch auch auf kommuna-                                    notwendig sein wird, um eine nachhaltige Elektrifizierung von
                                                                           bisher mit chemischer Energie versorgten Anwendungen zu er-
ler Ebene bieten sich große Chancen.                                       reichen. Wie groß die Herausforderung ist, zeigt sich aber nicht
                                                                           nur im Vergleich der beiden Sektoren Stromnutzung (23 %) und
                                                                           Nutzung chemischer Energieträger (62 %). Auch die Energie-
Wasserstoff ist zur Zeit allgegenwärtig: Eine ständig wachsende            bilanz Europas spricht eine deutliche Sprache: Basierend auf
Zahl an Projekten in stetig zunehmender Größenordnung wird                 Eurostat-Daten lässt sich ermitteln, dass die EU-27 aktuell un-
angekündigt, nationale Wasserstoffstrategien entstehen in vielen           gefähr 55 Prozent der Primärenergie importiert. Dies geschieht
Ländern überall in der Welt und die verschiedensten Unterneh-              vorwiegend in der Form fossiler chemischer Energieträger. Diese
men positionieren sich, um den Trend zu nutzen. Doch woher                 Importe gilt es im Rahmen der Dekarbonisierung zu ersetzen –
kommt diese Entwicklung und welche Chance bietet sie für die               entweder durch Strom aus erneuerbaren Energien oder durch
Energiewirtschaft in Deutschland? Um diese Fragen zu beantwor-             CO2-neutrale chemische Energie.
ten, lohnt es sich, zunächst die Treiber hinter der rasanten und
für viele überraschenden Entwicklung von Wasserstoff in der                Bei Betrachtung des bisherigen Ausbaupfades erscheint es einer-
Diskussion um die Energieversorgung der Zukunft zu beleuchten:             seits nur schwer vorstellbar, dass Europa innerhalb kurzer Zeit
Die Welt hat sich höchst ambitionierte Ziele für die Dekarbonisie-         die Mengen aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms selbst
rung gesetzt. Im Pariser Klimaabkommen wurde eine weitgehen-               erzeugt. Andererseits ist der Import von Strom spätestens seit
de Klimaneutralität bis 2050 vereinbart.                                   dem Scheitern von Desertec nur noch projektbezogen und nicht
                                                                           mehr als Gesamtlösung für Europa in der Diskussion. Aus diesem
Wasserstoff – nachhaltiger Trend oder heiße Luft?                          Grund ist zu erwarten, dass zumindest ein Teil der Energie­
Ob und in welchem Anteil Wasserstoff diese Energiewende be-                importe Europas auf einem CO2-neutral erzeugten, chemischen
stimmen wird, hängt zum guten Teil davon ab, inwieweit ein „all            Energieträger basieren werden.
electric“-Szenario – also die Nutzung von Strom als Hauptener-
gieträger – realistisch ist. Hier sind vor allem zwei Aspekte zu           Die Zeit für Wasserstoff ist gekommen
betrachten: Die Energieform, die Verbraucher heute nutzen, und             Das große Potenzial von Wasserstoff ist es also, bestehende
die Verfügbarkeit von Energie.                                             Prozesse, die chemische Energie nutzen, und die Energie­importe
                                                                           Europas zu dekarbonisieren. Doch dieses Potenzial hatte Wasser-
In den letzten Jahrzehnten wurden große Anstrengungen zur                  stoff schon lange und schon mehrmals in der Geschichte wurde
Dekarbonisierung des Stromsektors unternommen. Betrachtet                  ihm eine große Zukunft vorausgesagt. Für Unternehmen und
man jedoch die Form der Energie in Europa, die letztlich beim              Entscheidungsträger ist es daher wichtig, die Frage zu beant-
Verbraucher ankommt, wird eines schnell klar: Eine Dekarbo-                worten, ob es dieses Mal anders sein wird. Aus unserer Sicht
nisierung des Stromsektors allein wird bei weitem nicht ausrei-            sorgen mehrere Faktoren für ein Umfeld, das sich fundamental
chen, um unsere Klimaziele zu erreichen. Wie in Abbildung 1                von der Vergangenheit unterscheidet. Die Anstrengungen zur
ersichtlich, werden heute gut 60 Prozent der Endenergie als                Dekarbonisierung haben somit eine andere Verbindlichkeit als
Direktnutzung der chemischen Energieträger Kohle, Erdölproduk-             in der Vergangenheit: Erstens ist der Klimawandel immer stärker
te und Erdgas verbraucht. Die Anwendungen vom Verbrennungs-                spürbar. Dies erzeugt einen stetig steigenden Druck von Wählern
motor über Industrieprozesse wie die Stahlerzeugung bis hin zu             und Konsumenten auf Politik und Industrie. Erleichtert werden

01   Zusammensetzung des Endenergieverbrauchs in Europa

                                                                                         Erneuerbare                         Konventionell
                                                                                          Brennstoffe                     erzeugte Elektrizität
                                  Chemische Energie*                                        10 %                                 15 %

                                          62 %
                                                                                            Wärme                             Erneuerbar
                                                                                                                          erzeugte Elektrizität
                                                                                             5%
                                              *Ölprodukte, Kohle, Erdgas                                                          8%

                                                                                                                 Auszug aus e|m|w Heft 04|2021     3
Schwerpunkt                                       H2 – Hoffnung oder Hype?

die Anstrengungen gegen den Klimawandel weiterhin durch                                                   Golfstaaten positionieren sich auch Gazprom in Russland und
historisch niedrige und immer noch fallende Kosten für erneu-                                             Equinor in Norwegen als zukünftige Wasserstofflieferanten.
erbare Energien und durch die große Menge an Kapital, das für                                             Hierbei sollen vor allem türkiser und blauer Wasserstoff eine
nachhaltige Investitionen zur Verfügung steht. Klimaabkommen,                                             große Rolle spielen.
nationale Ziele und Steuern auf CO2-Emissionen, die in den
letzten Jahren verabschiedet wurden, zeigen, dass dieser Weg an                                           Demgegenüber gibt es international auch neue Player, die am
Verbindlichkeit zunimmt. Ergänzt wird dieser regulatorische As-                                           steigenden Bedarf von CO2 freien Energieträgern teilhaben
pekt durch freiwillige Initiativen der Industrie, die Nachhaltigkeit                                      möchten. Hierzu zählen insbesondere Australien und Chile. In
als Wettbewerbsvorteil und immer häufiger sogar als Teil ihrer                                            Australien sind Projekte für eine kumulierte installierte Elektroly-
Geschäftsgrundlage versteht.                                                                              seleistung von 29,9 GW angekündigt. In Chile sollen die weltweit
                                                                                                          einzigartig niedrigen Wasserstoffgestehungskosten genutzt wer-
Globale Wertschöpfungsketten für Wasserstoff                                                              den, um ein Großexporteur zu werden.
Giga-Projekte in potenziellen Exportländern
Die Ernsthaftigkeit, mit der Europa die Dekarbonisierung vor-                                             Skaleneffekte und günstige Wasserstoff-Gestehungskosten
antreibt, wird weltweit wahrgenommen. Die Erkenntnis, dass                                                als Wettbewerbsvorteil
Europa dabei zumindest teilweise vom Import CO2-neutraler                                                 Der Wettbewerbsvorteil von Ländern wie Chile, Australien oder
Energieträger abhängig sein wird, hat die Entwicklung einer                                               den Staaten am Persischen Golf liegt in ihren geringen Kosten für
gigantischen Investitionspipeline weltweit in Gang gesetzt: Fast                                          die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien. So kann in
im monatlichen Abstand werden derzeit Projektpläne für die                                                den Vereinigten Arabischen Emiraten Strom aus Photovoltaik zu
Erzeugung von Wasserstoff im Gigawatt-Bereich veröffentlicht:                                             Kosten unter 1,5 Dollar-Cent pro Kilowattstunde erzeugt werden.
In Saudi Arabien wird beispielsweise im Zuge der Errichtung                                               Wind an der Magellanstraße in Chile schafft mit seinen hohen
der Modellstadt Neom das Projekt Helios geplant. Ziel ist es                                              Vollbenutzungsstunden ebenfalls beste Voraussetzungen für die
hierbei, bis 2025 täglich 650 Tonnen grünen Wasserstoff und                                               Erzeugung von grünem Wasserstoff mittels Elektrolyse, weshalb
3.000 Tonnen grünen Ammoniak zum Export bereitzustellen.                                                  die Fixkosten in Abbildung 2 deutlich geringer sind als beispiels-
Ein Konsortium unter Beteiligung des deutschen Autobauers                                                 weise bei einer Kleinanlage in Europa.
Porsche plant in Chile die Errichtung einer E-Fuels-Anlage, die
bis zum Jahr 2026 550 Millionen Liter Kraftstoff produzieren                                              Es wird klar, dass die Produktion von grünem Wasserstoff in
soll. Dies sind nur zwei Beispiele für die weltweit angekündig-                                           Großanlagen in den Ländern mit den besten Erneuerbare-Ener-
ten Giga-Projekte.                                                                                        gien-Ressourcen der Welt große Wettbewerbsvorteile gegenüber
                                                                                                          Deutschland hat. Neben den geringeren Energiekosten kommen
Aus ihnen lässt sich erkennen: Zum einen streben Staaten                                                  hier die Skaleneffekte der oben beschriebenen Großprojekte
und Unternehmen, die bisher vorwiegend auf den Export von                                                 zum Tragen: Während in Deutschland Projekte im ein-, zwei-
fossilen Energieträgern gesetzt haben, danach, den zukünftigen                                            und inzwischen perspektivisch auch im niedrigen dreistelligen
Absatzrückgang mit Wasserstoff zu kompensieren. Insbesondere                                              MW-Bereich entwickelt werden, setzt die Exportwirtschaft
Staaten in der Golfregion wie Saudi Arabien oder der Oman                                                 weltweit auf Größenordnungen mehrerer Gigawatt. Die dadurch
fokussieren sich darauf, die natürlichen Ressourcen Sonne                                                 entstehende Reduktion der spezifischen Kapitalkosten ergibt
und Wind zur Wasserstoffproduktion zu nutzen. Neben den                                                   zusammen mit den geringen Energiekosten einen deutlichen
                                                                                                          Wettbewerbsvorteil im Produktionsteil der Wasserstoff-Wert-
                                                                                                          schöpfungskette.
02                                    Wasserstoffgestehungskosten                                         Die Chance für Deutschlands Unternehmen
                                                                                                          Bedeuten die Vorteile der Exportländer in der Produktion, dass
                                                                                                          die Chancen für Deutschlands Unternehmen, und insbesondere
                                       6
Wasserstoffgestehungskosten in $/kg

                                                                                                          für die kommunale Energiewirtschaft im Bereich Wasserstoff zu
                                                                                                          klein sind, um hier aktiv zu werden? Im Gegenteil. Transport
                                       5                                                                  und die Entwicklung des Absatzes spielen eine mindestens
                                                                                                          ebenso große Rolle.
                                       4
                                                                                                          Chancen für die kommunale Energiewirtschaft
                                       3                                                                  Beobachtet man die aktuellen Projekte und Initiativen, so lassen
                                                                                                          sich zwei Ansätze zur Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft
                                                                                                          erkennen:
                                       2
                                                                                                          Zum einen ist hier der Top-down-Ansatz, das heißt, große Vor-
                                       1                                                                  abinvestition mit großskaligen Anlagen und dem Ausbau einer
                                                                                                          entsprechenden Infrastruktur zu nennen. Beispiele hierfür sind
                                       0                                                                  North H2, der European Hydrogen Backbone oder die Diskussi-
                                            PV VAE        Wind          Wind      Netzstrom Netzstrom     onen um den Wasserstoffimport. Diese Ansätze fokussieren sich
                                                         Offshore      Offshore     Mittel-    Mittel-    auf Produktion und Infrastruktur. Während sie essenziell für die
                                                          Chile        Nordsee     europa     europa      Entwicklung von Wasserstoff sind, hängen sie ihrerseits davon
                                                                                            Kleinanlage   ab, dass der Bedarf an Wasserstoff entwickelt wird. Bei Diskussi-
                                                                                                          onen über die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft wird daher
                                                            Stromkosten               Fixkosten           oft vom „Henne-Ei-Problem“ gesprochen: Wasserstoffabnehmer
                                                                                                          schieben eine Investition in die Dekarbonisierung ihrer Prozesse

4                                      Auszug aus e|m|w Heft 04|2021
H2 – Hoffnung oder Hype?                         Schwerpunkt

03   Strategische Entscheidungsmöglichkeiten kommunaler Unternehmen

                          Zielbild:                                  Entscheidungspunkte:                       Mögliche Maßnahmen:
            Beispielsweise „Führender H2-Versorger zur                     Entscheidung bezüglich des          ∙ First Mover
           Dekarbonisierung der Kommune und Industrie“                     Timings des Eintritts in den        ∙ Follower
                                                                           H2-Markt und von Maßnahmen          ∙ ...

                                                                           Entscheidung bezüglich der          ∙ Aufbau EE-Erzeugung
         Partner                                                           zukünftigen Geschäfts-              ∙ Einstieg in H2-Produktion
                                                                           tätigkeit des Unternehmens          ∙ Dienstleistungen für Industrie
                                                                                                               ∙ Wärmemarkt
       Technologie                                           4                                                 ∙ ...

                                                                           Entscheidung bezüglich der          ∙ Versorgung der Bestands-
                                                                           angesprochenen Kunden-                kunden im Wärmemarkt
     Märkte/Kunden                                                         märkte (Go-to-Market)               ∙ Ansprache neuer Kunden,
                                                                                                                 z.B. Verkehr, Industrie
                                                                                                               ∙ ...
     Geschäftsmodell
                                                                     4     Entscheidung bezüglich der          ∙ Elektrolyse und Pyrolyse zur
                                                                           zu wählenden Technologie              H2-Produktion
         Timing                                                            zur Ausführung der Geschäfts-       ∙ Erstellung eines Transport-
                                                                           tätigkeit                             portfolios aus Pipeline, LKW
                                                                                                                 etc.
                                                                                                               ∙ ...
                       Ausgangslage:                                       Wahl geeigneter Partner             ∙ Plattformgesellschaft mit
       Beispielsweise „Gasversorger mit starker kommunaler                 zur Zielsicherung                     anderen VNBs
             Verzahnung und großen Industriepartnern“                                                          ∙ Kooperation mit Abnehmer
                                                                                                                 (ÖPNV, Industriekunde, ...)
                                                                                                               ∙ ...
            Gewählte Option            Nicht gewählte Option

auf, da einerseits grüner Wasserstoff noch nicht großflächig ver-        ratung Fichtner Management Consulting in vielen dieser Projekte
fügbar ist und andererseits verschiedene Technologien konkur-            lassen sich vier Erfolgsfaktoren identifizieren:
rieren und ein Lock-in-Effekt vermieden werden soll. Potenzielle
Wasserstoffproduzenten wiederum investieren nicht in Anlagen             Produktion
zur Bereitstellung von Wasserstoff, da nicht ausreichend gesicher-       Dem Nachteil fehlender Skaleneffekte und damit einhergehen-
te Wasserstoffabnehmer existieren.                                       der hoher Wasserstoffgestehungskosten kann dadurch begegnet
                                                                         werden, dass gezielt günstige Stromquellen mit hohen Volllast-
Dieses Problem geht zum anderen ein Bottom-up-Ansatz an, den             stunden als Stromquelle genutzt werden. Beispiele hierfür sind
wir oft in lokal fokussierten Projekten wahrnehmen: Hierbei die-         lokale Wasserkraft, eine Kombination aus Post-EEG-Wind und
nen einzelne Wasserstoffprojekte als Keimzelle zur Dekarbonisie-         -Photovoltaik-Anlagen oder die Müllverbrennung.
rung von Prozessen und Industrien in der Region. Durch die lo-
kale Vernetzung können bereits heute attraktive, örtliche Nischen        Transport
und Synergien gefunden werden. Die Erzeugung, Verteilung und             Durch geringe Entfernungen reduzieren sich die Transportkosten
der Absatz entwickeln sich parallel weiter. Dies reduziert das           für den Wasserstoff. Diesen Wettbewerbsvorteil lokaler Projekte
Risiko für alle Projektbeteiligten und ermöglicht eine Hochskalie-       gilt es zu maximieren. Dies kann einerseits durch Produktion
rung des lokalen Wasserstoffmarktes.                                     direkt beim Verbraucher, durch die Minimierung von Transport-
                                                                         wegen oder durch kurze, lokale Netzabschnitte für Wasserstoff-
Erfolgsnischen für kommunale Wasserstoffprojekte                         transport geschehen.
Vor dem Hintergrund des langwierigen Ausbaus der großen
Wasserstoffprojekte und -infrastrukturen bietet sich für die kom-        Abnehmer
munale Energiewirtschaft gerade ein attraktives Zeitfenster. Der         Auf lokaler und kommunaler Ebene können gezielt hochpreisige
teure Transport von Wasserstoff – sowohl auf der Straße als auch         Anwendungsfälle frühzeitig identifiziert und abgedeckt wer-
auf der See – lässt gepaart mit dem Interesse von Industrie und          den, um hohe Deckungsbeiträge zu erwirtschaften. Essenzieller
Mobilität am Thema Wasserstoff attraktive Nischen entstehen,             Bestandteil dieses Ansatzes ist die Kooperation mit Ankerkunden,
die gezielt zur Projektentwicklung genutzt werden können. Aus            mit denen eine Hochskalierung des Geschäfts möglich ist. Somit
der Arbeit von Fichtner und deren Strategie- und Managementbe-           ist eine frühzeitige Positionierung als lokaler „Dekarbonisie-

                                                                                                                 Auszug aus e|m|w Heft 04|2021     5
Schwerpunkt                        H2 – Hoffnung oder Hype?

rungspartner“ möglich und Schlüsselkunden können frühzeitig
gebunden werden, ohne ein übermäßiges Risiko einzugehen.

Synergien                                                                            MATTHIAS SCHLEGEL
Die lokale Vernetzung und Synergien in allen Wertschöpfungsstu-
fen helfen beispielsweise entstehende Nebenprodukte zu verwer-                       Jahrgang 1982
ten und dadurch die ökonomische Attraktivität der Wasserstoff-
erzeugung weiter zu erhöhen. Ein Beispiel ist die Auskopplung             2002–2008 Studium des Technologiemanagements, Universität
und Vermarktung der Abwärme in Fern- oder Nahwärmenetze.                  Stuttgart
                                                                          seit 2008 unterschiedliche Positionen, Fichtner GmbH & Co.KG
Neben der Akquise von Ankerkunden sollten auch andere As-
pekte betrachtet werden, die in Abbildung 3 auf Seite 27 anhand           seit 2019 Head of Hydrogen, Fichtner GmbH & Co.KG
eines Strategiepfads veranschaulicht sind. So sollte die gesamte          matthias.schlegel@fichtner.de
Wertschöpfungskette der zukünftigen Geschäftsaktivitäten analy-
siert und geeignete Partner gesucht werden. Vor dem Hintergrund
der teilweise sehr jungen Technologien ist weiterhin ein Scree-
ning der Auswahl am Markt essenziell für den Erfolg. Insofern ist
unserer Ansicht nach ein strategisches Gesamtkonzept des Un-                         OLIVER BROICH
ternehmens wichtig, um den Vorhaben über das einzelne Projekt
hinaus „Wert“ zu geben. Einerseits unterstützt dies die Identi-                      Jahrgang 1991
fikation und Ansprache von Ankerkunden. Andererseits kann
so die langfristige Rolle des eigenen Unternehmens im Bereich             2011 –2018 Studium des Wirtschaftsingenieurwesen, TU Braun-
Wasserstoff klar definiert werden und bereits das erste Projekt           schweig
unter Berücksichtigung der eigenen Schwächen und Stärken und
                                                                          2019–2020 Projektingenieur/Projektleiter, ILF Consulting Engineers
der spezifischen Chancen und Risiken ein Schritt in der Entwick-
                                                                          GmbH, München
lung im Bereich Wasserstoff sein. Mit diesen Leitlinien lassen sich
unserer Erfahrung nach bereits heute strategisch wertvolle und            seit 2020 Consultant, Fichtner Management Consulting AG
erfolgreiche Projekte auf kommunaler Ebene entwickeln.                    oliver.broich@fmc.fichtner.de

        Wasserstoff Farbenlehre

                      Schwarzer Wasserstoff                                           Weißer Wasserstoff
          H2          wird mittels Vergasung von Steinkohle                 H2        stammt aus natürlichen Quellen.
                      hergestellt, bei der Herstellung fällt Kohlendio-
                      xid- bzw. Kohlenmonoxid an.
                                                                                      Grüner Wasserstoff
                      Brauner Wasserstoff                                   H2        wird mittels Elektrolyse von Wasser hergestellt,
          H2          wird mittels Vergasung von Braunkohle                           der Energie-Input kommt aus Ökostrom,
                      hergestellt, bei der Herstellung fällt Kohlendio-               Endprodukte: Wasserstoff und Sauerstoff.
                      xid- bzw. Kohlenmonoxid an.

                      Grauer Wasserstoff                                              Oranger Wasserstoff
          H2          wird mittels Dampfreformierung aus Kohlen-
                                                                            H2        wird mithilfe von Abfällen oder Bioenergie
                                                                                      (Biogas, Biomasse, Biomethan) hergestellt;
                      wasserstoffen (meist Erdgas) und Wasser
                                                                                      dabei kommen unterschiedliche Verfahren zum
                      hergestellt. Neben Wasserstoff entsteht dabei
                                                                                      Einsatz (Dampfreformierung, Elektrolyse,
                      Kohlenstoffdioxid. Die für den Prozess
                                                                                      Vergasung).
                      benötigte Energie stammt aus fossilen
                      Energieträgern, in der Regel aus Erdgas.
                                                                                      Roter und gelber Wasserstoff
                      Blauer Wasserstoff                                    H2        wird mittels Elektrolyse von Wasser hergestellt,
          H2          Grauer Wasserstoff, bei dem das CO2 anschlie-                   der Energie-Input kommt aus Atomstrom,
                      ßend abgeschieden wird.                                         Endprodukte: Wasserstoff und Sauerstoff.

                      Türkiser Wasserstoff                                            Bunter Wasserstoff
          H2          wird mittels Methanpyrolyse aus Erdgas oder           H2        wird mittels Elektrolyse von Wasser hergestellt,
                      Biogas gewonnen, als Nebenprodukt entsteht                      der Strom stammt dabei vom Strommarkt,
                      fester Kohlenstoff.                                             Endprodukte: Wasserstoff und Sauerstoff.

6      Auszug aus e|m|w Heft 04|2021
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