MITGEHANGEN, MITGEFANGEN: HAFTUNGSRISIKEN FÜR VERBUNDGRUPPEN MIT DIENSTLEISTUNGS-ANGEBOT
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
MITGEHANGEN, MITGEFANGEN: HAFTUNGSRISIKEN FÜR VERBUNDGRUPPEN MIT DIENSTLEISTUNGS-ANGEBOT 30.09.2020 Rechtsanwalt Alexander Wagner Rechtsanwalt Julian Scheele Partner Senior Associate Fachanwalt für IT-Recht Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz Lehrbeauftragter für IT-Recht der FH Südwestfalen WOLFF GÖBEL WAGNER
AGENDA A. Geschäftsgeheimnisgesetz: LAG Düsseldorf B. Privacy Shield: Einblick in die Aufsichtsbehörde C. Omnibus-Richtlinie: Sie kommt! D. P2B-Verordnung: Sie ist da!
• GeschGehG trat am 26.04.2019 in Kraft. • § 2 I b) GeschGehG Geschäftsgeheimnis ist eine Information [ … ] die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen [ … ] ist. • Konsequenz für Zentrale: Geschäftsgeheimniskonzept erforderlich. • Technische + juristische Konzepte + Dokumentation erforderlich (vgl. auch WGW/Servicon am 21.01.2020 in Köln). • Zu angemessenen Maßnahmen gehören NDA´s; auch mit Mitarbeitern. Die Vertraulichkeitserklärung muss transparent und hinreichend konkret sein. Nur auf „alle bekannt gewordenen Sachverhalte“ („catch-all-Klausel“) abzustellen, ist zu unbestimmt. Im Ergebnis keine angemessene Maßnahme (vgl. Folie 49 ppt. WGW/Servicon v. 21.01.2020 in Köln).
• Jetzt auch LAG Düsseldorf (Az.: 12 SaGa 4/20 vom 03.06.2020) – „Angemessene Geheimhaltungsmaßahmen können auch in vertraglichen Vereinbarungen liegen. Ungenügend ist eine Vereinbarung, die schlicht alle Angelegenheiten und Vorgänge, die im Rahmen der Tätigkeit bekannt werden, für geheimhaltungsbedürftig erklärt.“ – „Bei privaten Aufzeichnungen eines Arbeitnehmers über Kundenbesuche und Kundendaten handelt es sich um Geschäftsgeheimnisse. Dieses setzt angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen voraus. Ohne solche Maßnahmen fehlt es am Geschäftsgeheimnis“
• EuGH: Urteil vom 16. Juli 2020: Das Privacy Shield ist unwirksam. („Schrems II“) • Auswirkung auf Zentrale und Mitglieder erheblich – Mittelstandsverband hat das juristisch erkannt und sich die Bundeskanzlerin gerichtet und auch auf der Staatssekretärsebene zutreffend adressiert. – Staatssekretär Bareiß erkennt die „höchste Dringlichkeit“. • Weshalb „höchste Dringlichkeit“?
• Von der Entscheidung sind potentiell alle IT-Systeme der Zentrale betroffen. • Nicht nur Web-Dienste (Facebook, Google, Youtube, Skype for Business, MS Teams, etc.) sind betroffen. • Alle Systeme (ERP, CMS, DMS, sind SaaS, ASP, PaaS, IaaS) und Services (also jede Software, Webtool, Plattform, etc.) sind denktheoretisch betroffen, denn Anbieter der Leistung (Subunternehmen) kann Dritteinbezug in die Verbundgruppenzentrale und die Anschlusshäuser „tragen“. • Sonderproblem: Microsoft 365
• Auch E-Mail-Server betroffen, denn wegen Cloud-Act / FISA können US-Sicherheitsbehörden auch Zugriff auf E-Mail-Server verlangen. • Rechtsfolgen – Bußgeld (bis zu 20 Mio. EURO, 4 % des Jahresumsatzes; Achtung: AOK-Fall!) – Datenverarbeitungsuntersagungsverfügung (Abschalten) – Abmahnung – Regress Zentrale ./. Anschlusshaus – Sonderkündigungsrecht durch Mitglied? • Schrems legt mit seiner Datenschutzorganisation nach.
• Maßnahmen – Vollständiges Data Mapping (alle Anbieter jeder Software, Tool, etc.) • Sonderproblem: Substituierbarkeit mappen! – Alle Dienstleister abfragen – Über Rechtslage ein Drittland informieren – Risikoanalyse – EU-Standarddatenschutzklauseln vereinbaren • Sonderproblem: Modifikation kann zur Genehmigungspflicht führen – Anpassung Datenschutzhinweise (nicht nur Webpage!) – Anpassung Consent-Tool („Cookies“) • ALLES ENGMASCHIG DOKUMENTIEREN!
• Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in Baden- Württemberg, Dr. Stefan Brink am 23.09.2020 im Video-Call: – „Allein über den Verarbeitungsstandort kommen Sie nicht weiter“. – „Wer was hat: Gut! Wir räumen alle vorab ab, die nichts geprüft und dokumentiert haben.“ – „Wer sagen kann, ich habe es versucht, ist bei den oberen 10 % dabei und kein Ansprechpartner für Bußgeld.“ – „Wenn Ihr Vertragspartner nicht über SCC verhandelt, dann ist er schlicht kein Vertragspartner für Sie.“ – „Sie müssen nur besser sein, als die 80 %, dann befassen wir uns mit den 20 %.“ – „Wir suchen uns die, die den Schuss nicht gehört haben – jedenfalls kommen wir dann nicht mehr dieses Jahr!“ – „Jedes Bemühen ist aufzuschreiben und zu dokumentieren. Bei der Untersuchung bringt das zwar hinsichtlich Verfügung nix, aber kein Bußgeld wird verhängt.“ – „Soweit Ergänzungen zu SCC versucht wurden zu verhandeln, wird der Fall nicht priorisiert. Das Verfahren wird dann nicht geduldet aber hinten angestellt in Sachen Anordnungen und Bußgeldern.“
C. OMNIBUS-RICHTLINIE: SIE KOMMT!
• Omnibus-Richtlinie zum EU-Verbraucherrecht – Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der EU- Verbraucherschutzvorschriften und zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG, 98/6/EG, 2005/29/EG und 2011/83/EU. • Trat am 07.01.2020 in Kraft. • Mitgliedsstaaten haben 24 Monate Zeit, um die für die Umsetzung erforderlichen Maßnahmen zu treffen. • Diese Maßnahmen sind dann 6 Monate später von den Mitgliedsstaaten anzuwenden.
• Was kommt auf Verbundgruppen und Händler zu? – Verbot von Doppelqualitäten von Produkten • Eine identische Vermarktung eines Produktes, das im verschiedenen Versionen in mehreren EU-Ländern verkauft wird und dabei „signifikant“ unterschiedliche Zusammensetzung / Charakteristika hat, ist verboten, es sei den, es besteht eine objektive Rechtfertigung. – Harmonisierte Geldbußen bei Verbraucherrechtsverstoßen • Bis 2 Mio. EURO – Recht auf individuelle Rechtsbehelfe für Verbraucher • Bei bestimmten Verstößen sollen für Verbraucher individuelle „verhältnismäßige und effektive“ Abhilfe-Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Dazu soll auch Recht zur Preisminderung, Vertragsbeendigung, Schadensersatz gehören.
• Transparenzpflichten – Kennzeichnung von bezahlten Suchresultaten. – Es ist verboten, den Eindruck zu erwecken, dass Produktbewertungen von einem Verbraucher stamme, der das Produkt gekauft habe, ohne angemessene und verhältnismäßige Schritte zu Sicherstellung, dass Bewertung von solch einem Verbraucher stammt. – Verbot, falsche Verbraucherbewertungen zu veröffentlichen, um damit zu werben. – Informationspflicht des Händlers bei Kundenbewertungsanzeigen, ob diese tatsächlich von Kunden stammen. – Vorvertragliche Information zum Gewährleistungsrecht. – Vorvertragliche Information, ob angezeigte Preise durch automatisierte Entscheidungssysteme personalisiert sind. • Preisinformationspflicht – Händler muss bei jeder Information über Preisreduktion auch den vorherigen Preis aufführen, den der Händler mind. 30 Tage vor Reduzierung verlangte.
D. P2B-VERORDNUNG: SIE IST DA!
• Im April 2019 hat EU-Parlament die „Verordnung (EU) 2019/1150 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten (P2B-VO oder „Platform-to-Business-Verordnung“) beschlossen. • Seit dem 12. Juli 2020 gilt die P2B-VO in allen Mitgliedsstaaten unmittelbar, d. h. sie ist verbindlich zu beachtendes Recht. • P2B-VO soll die Rechte gewerblicher Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und -plattformen stärken und letztlich dem Verbraucherschutz dienen.
• Digitale Plattformen (z. B. Amazon, eBay, Rakuten, Google Play, Check24, Verivox, Expedia, etc.) ermöglichen es kleinen und mittelständischen Unternehmen den Vertriebskanal zu erweitern. – ALLERDINGS: Dadurch wächst die Gefahr der Abhängigkeit von diesen Online- Marktplätzen, die als Gatekeeper den Marktzugang steuern können. • Brüssel hat daher umfangreiche Transparenz- und Informationspflichten – bis hin zur Pflicht zum Beschwerdemanagement – den Plattformbetreibern auferlegt, was nun in einer umfangreichen Anpassung von Verträgen / AGB mündet.
• Das Problem: Auch die Verbundgruppenzentrale, die ihren Händlern die Teilnahme an „Marktplätzen“ anbietet, wird von der P2B-VO erfasst. Online-Vermittlungsdienst hm B äl tn is („Marktplatz/Zentrale“) ) g“ Nu na (AG erh tra er sv tzu ev ag rt r ng Ve eil /„T Gewerblicher Nutzer Absatz von Ware Verbraucher („Mitglied“) („Verkauf“) („Kunde des Mitglieds“)
• Anwendungsbereich – Online-Vermittlungsdienste gem. Art. 2 Nr. 2 P2B-VO sind Dienste, die folgende Bedingungen erfüllen: • Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne Art. 1 I b) RL 2015/1535 („Fernabsatz“). • Es wird gewerblichen Nutzern ermöglicht, Verbrauchern Waren oder Dienstleistungen anzubieten indem die Einleitung direkter Transaktionen zwischen gewerblichen Nutzern und Verbraucher vermittelt wird, unabhängig davon, wo diese Transaktion abgeschlossen wird. • Dienst wird dem gewerblichen Nutzer auf vertraglicher Grundlage zur Verfügung gestellt.
• Lösungen / Angebote für Webpages, die den Händler durch die Zentrale zu Verfügung gestellt werden, fallen nicht darunter. • Gilt nicht für B2B Marktplätze. • Verordnung gilt für alle Dienste, unabhängig von der Größe und/der Ausrichtung. • Der Bundesverband der Verbraucherzentrale hatte sogar die Forderung, dass Marktplatzbetreiber und Händler gesamtschuldnerisch haften (vgl. Positionspapier vom 12.02.2020, Ziffer 4, Seite 18).
• Verbundgruppenzentrale hat bei den Nutzungsverträgen / Teilnahmevereinbarungen / AGB mit dem Anschlusshaus zwingende „Gestaltungen“ / „Regelungsregime“ zu beachten. – Folge • Neukonzeptionierung der Verträge / AGB für die Zukunft. • Neukonzeptionierung der Verträge / AGB für die Bestandsverträge. – Sonderproblem: Umsetzung bei Bestands-Verträgen. • Anforderungen der P2B-VO gelten auch, wenn Teilnahme am Marktplatz im Anschlusshausvertrag / Mitgliedsvertrag inbegriffen ist. – Das gilt auch dann, wenn kein gesondertes Teilnahmeentgelt gefordert wird. – Achtung: Diese „Bauart“ wird zum Problem.
• Die Anforderungen an die AGB – AGB müssen klar und verständlich sein (= insb. hinreichend bestimmt + genau abgefasst sein) – AGB müssen jederzeit leicht verfügbar sein – Verstoße führen zur Nichtigkeit der AGB (Art. 3 III P2B-VO) – Sonderproblem: Teilnahmevertrag sagt nichts über die Verfügbarkeit des Marktplatzes aus. • In der Regel sind die Teilnahmeverträge Saas, PaaS, IaaS, ASP Lösungen (= Mietrecht) • Wenn Verfügbarkeit nicht eingegrenzt / definiert, so gilt 7/24 an 365 Tagen (= 100 %). – Das kann kein Anbieter wollen. • Insbesondere problematisch, wenn der Mitgliedsvertrag die Marktplatzteilnahme inkludiert. • GEFAHR: Mitglied kann bei Verfügbarkeitsunterschreitung Mitgliedsvertrag fristlos kündigen.
• Übrigens – Wegen der AvP-Insolvenz und möglichem Interesse der BaFin an der Freistellung niemals den ZR mit der Mitgliedschaft vertraglich unauflösbar koppeln schon gar nicht, wenn keine „Subunternehmerklausel“ beinhaltet ist – Begründung: • Wenn auf „externen“ Regulierer umgestellt wird, dann ggf. Sonderkündigungsrecht des gesamten Mitgliedsvertrages.
• Zentrale hat über zusätzliche Vertriebskanäle und Partnerprogramme zu informieren, soweit vorhanden. • Gründe benennen, nach welchen (objektiven) Kriterien die Nutzung der Teilnahme ausgesetzt, beendet oder sonst eingeschränkt werden, Art. 3 I lit. c), Art. 4. • Informationen zu Auswirkungen auf geistiges Eigentum des Mitglieds, Art. 3 I lit. e). – Achtung: Nutzung von Bildern des Mitglieds auch für weitere Mitglieder? • Hauptparameter + Gründe benennen für Gewichtung bei Ranking (Art. 5). – Achtung: Im Falle von Gesellschaftern das Prinzip der Gleichbehandlung der Gesellschafter beachten.
• Informationen über Nebenwaren und Dienstleistungen der Zentrale (Art. 6) – Beispiel: Zentrale bietet Vermittlung von Finanzprodukten, Garantieverlängerungen, Reparatur, etc. • Informationen, wenn eine differenzierte Behandlung von Eigenangeboten stattfindet oder von Händlern, die die Zentrale kontrolliert. – Beispiel: Zentrale mit Direktvertrieb gegenüber Verbrauchern – eher unüblich. • Erläuterungen, ob Zentrale auch nach Ablauf des Marktplatznutzungsvertrages Zugriff auf Verbraucher (= Kunden) – Daten hat. – WICHTIG: Konzeptionell ggf. Anmeldung über Marktplatz und ggf. auch Newsletterpermission zugunsten der Zentrale – Achtung: BGH setzt hohe Anforderungen an wirksame Permisson!
• Informationen zu „Bestpreisklauseln“, Art. 10 – In bestimmten Fällen können Marktplatzbetreiber in AGB einschränken, dass Händler Waren zu günstigeren Bedingungen auf anderem Wege als über Marktplatz anbieten • Information zum internen Beschwerdemanagementsystem, Art. 11 • Information zum Mediationsverfahren, Art. 12
• Das Beschwerdemanagementsystem und das Mediationsmanagment entfällt nur, wenn Marktplatzbetreiber weniger als 50 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz bzw. Jahresbilanzsumme von weniger als 10 Mio. EURO hat. • Übrigens: Wer kein KMU-Unternehmen ist, der hat im Rahmen des Beschwerdemanagements Berichte über getroffene Entscheidungen (Art. 11 IV) zu veröffentlichen.
• Verfahren bei AGB-Änderung (Workflow einrichten!) (Fristenmanagement und Änderungsmanagement) – Beabsichtigte Änderung auf dauerhaften Datenträgern mitteilen (Hinweise im Intranet oder Pop-Up genügen nicht!) an Händler (z. B. per E-Mail). – Zwischen Datum der Information und Wirksamwerden der neuen AGB müssen mind. 15 Tage liegen. Ggf. sogar länger. • ACHTUNG: Dann muss aber auch Änderungsbefugnis im Vertrag / AGB vorgesehen sein.
• Jede Änderung berechtigt zur Kündigung des Händlers – ALLERDINGS: Einstellen neuer Angebote stellt Verzicht auf Kündigungsrecht dar. Auch davon gibt es wiederrum Ausnahmen. Frist gilt nicht bei Notmaßnahmen (Verletzung von Datenschutz, Cybersicherheitslücken). – SONDERPROBLEM: Technische Änderungen wegen Upgrade/Release der Plattform? • Verstoß gegen diese Vorgaben führt zur Nichtigkeit der geänderten AGB, Art. 3 III P2B-VO.
• Begründungsmanagement, Art. 4 P2B-VO – Will die Zentrale Einschränkungen, Aussetzungen oder Beendigung vornehmen, dann spätestens zeitgleich mit der Maßnahme auf dauerhaftem Datenträger begründen. (Beispiel: Angebot entspricht nicht Qualitätsvorgaben der Zentrale) – Soll Nutzung / Teilnahme vollständig für Mitglied beendet werden, so muss die Begründung 30 Tage vor Beendigungszeitpunkt übermittelt werden. Das gilt nur dann nicht, wenn Zentrale wegen behördlicher Weisung handelt, wiederholte Verstöße gegen AGB vorliegen, etc.
• Durchsetzung und Sanktionen – Art. 14 P2B-VO: Möglichkeit für Organisation und Verbände, Verstöße gegen die P2B-VO gerichtlich mit dem Ziel der Beseitigung und Unterlassung zu verfolgen. – Viel relevanter aber die Probleme der Nichtigkeit und damit verbundener Kündigungsmöglichkeiten.
VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT! WOLFF GÖBEL WAGNER Rechtsanwälte Fachanwälte Grünstr. 16, 58095 Hagen Tel.: 02331 9149-0 Fax: 02331 9149-41 info@wgw.law www.wgw.law
Sie können auch lesen