Molekulargenetische Untersuchungen zur Populationsdifferenzierung von Rattus rattus L. auf Madagaskar - Melanie Münster

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Molekulargenetische Untersuchungen zur Populationsdifferenzierung von Rattus rattus L. auf Madagaskar - Melanie Münster
Molekulargenetische Untersuchungen zur
    Populationsdifferenzierung von
    Rattus rattus L. auf Madagaskar

                  von

             Melanie Münster
Molekulargenetische Untersuchungen zur Populationsdifferenzierung von Rattus rattus L. auf Madagaskar - Melanie Münster
Molekulargenetische Untersuchungen zur
    Populationsdifferenzierung von
    Rattus rattus L. auf Madagaskar

                   Diplomarbeit

              am Fachbereich Biologie
              der Universität Hamburg

      Erstgutachter: Prof. Dr. Jörg U. Ganzhorn
        Zweitgutachter: Prof. Dr. J. Parzefall

                   vorgelegt von

                 Melanie Münster

             Hamburg, September 2003
Molekulargenetische Untersuchungen zur Populationsdifferenzierung von Rattus rattus L. auf Madagaskar - Melanie Münster
Ny hazo tokano tsy mba ala

One tree doesn´t make a forest
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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis
1.     Einleitung....................................................................................................... 1

2.     Material und Methoden ................................................................................. 6

     2.1     Untersuchte Art Rattus rattus................................................................... 6
     2.2     Untersuchungsgebiete und Probenmaterial ............................................. 8
       2.2.1        Gebietsbeschreibungen .................................................................... 8
       2.2.2        Probenmaterial................................................................................ 13

     2.3     Molekulargenetische Methoden ............................................................. 14
       2.3.1        DNA Extraktion ............................................................................... 14
       2.3.2        Agarose-Gelelektrophorese ............................................................ 15
       2.3.3        PCR - Polymerase Chain Reaction................................................. 16
       2.3.4        Ethanolfällung ................................................................................. 19
       2.3.5        Single Strand Conformation Polymorphism (SSCP) ....................... 19
       2.3.6        Sequenzierung................................................................................ 22

     2.4     Auswertungsmethoden .......................................................................... 23

3      Ergebnisse................................................................................................... 27

     3.1     mtDNA ................................................................................................... 27
       3.1.1        Zielfragment Hypervariable Region I (HVR I).................................. 27
       3.1.2        Variabilitätsanalyse der HVR I ........................................................ 28
       3.1.3        Genetische Variabilität innerhalb der Populationen ........................ 33
       3.1.4        Populationsdifferenzierung ............................................................. 35
       3.1.5        Potentielle Invasionsherde.............................................................. 37
       3.1.6        Selektive Neutralität ........................................................................ 38
       3.1.7        Biogeographie................................................................................. 40

     3.2     MHC....................................................................................................... 43
       3.2.1        Zielfragment Exon 2 des MHC DRB Genes .................................... 43
       3.2.2        Variabilität des DRB Exon 2 Genortes ............................................ 44
       3.2.3        Selektionsmechanismen in den Antigenbindungsstellen ................ 46

     3.3     Variabilitätsvergleich der Marker ............................................................ 47

4.     Diskussion ................................................................................................... 49
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5.   Zusammenfassung ..................................................................................... 59

6.   Literatur........................................................................................................ 61

7.   Abkürzungen ............................................................................................... 76

ANHANG I - Labormaterialien............................................................................... I

     A            Chemikalien ....................................................................................... I
     B            Kits..................................................................................................... I
     C            Verbrauchsmaterial........................................................................... II
     D            Lösungen .......................................................................................... II
     E            Laborgeräte...................................................................................... IV

ANHANG II - Probenübersicht ............................................................................. V

ANHANG III - mtDNA Alignment......................................................................... IX
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1. Einleitung                                                                    1

1.    Einleitung
Invasive Arten
Der Einfluss invasiver Arten auf einheimische Arten, ihre Gemeinschaften und
Ökosysteme ist bereits seit einigen Jahrzehnten bekannt (PARKER et al. 1999;
ELTON 2000; SAKAI et al. 2001). Er wird heute als wesentlicher Bestandteil der
globalen Veränderung und, nach dem Verlust und der Degradierung von
Habitaten, weltweit als grösste Bedrohung für die Biodiversität angesehen
(VITOUSEK et al. 1996; WILCOVE et al. 1998; WILSON 1999; FRANKHAM et al. 2002).
Neben absichtlich als Haus- oder Nutztier eingeführten Arten wurden seit dem 15.
Jahrhundert im Zuge der Erforschung (Kolonialisierung) der Kontinente durch die
Europäer, und werden heute durch den weltweiten Handel, Pflanzen und Tiere als
„blinde Passagiere“ über lange Distanzen verbreitet (O.T.A. 1993; MCNEELY
2001).
Nicht jede eingeschleppte Art ist jedoch auch eine invasive Art. Essentiell für die
Bezeichnung „invasiv“ ist das Maß ihrer Auswirkungen auf die neue Umwelt (DAVIS
& THOMPSON 2000). Diese Auswirkungen beinhalten zum einen den Effekt der
Konkurrenz, indem eine invasive Art die verfügbaren Ressourcen für andere Arten
reduziert und zum anderen den Effekt auf das Ökosystem, indem sie die
elementaren Gegebenheiten des Ökosystems modifiziert (DUKES & MOONEY
1999). Mindestens drei Stadien gehören zu einer erfolgreichen Invasion: nach (1)
der Einführung in ein neues Gebiet muss es (2) zu einer sich erfolgreich
etablierenden Erstkolonialisierung kommen, von der aus (3) eine nachfolgende
Verbreitung in neue Habitate ausgeht (SAKAI et al. 2001). Der „enemy release
Hypothese“ nach haben invasive Arten den einheimischen Konkurrenten
gegenüber viele Vorteile (KEANE & CRAWLEY 2002). Sie haben primär keine
natürlichen Feinde und ihre Belastung durch Parasiten und Krankheiten ist
geringer als in ihrem ursprüglichen Habitat (TORCHIN et al. 2001; CLAY 2003;
TORCHIN et al. 2003). Der Begriff „invasional meltdown“ wurde eingeführt um die
Akkumulation von biologischen Invasionen zu beschreiben, die in ihrem Erfolg
aufeinander aufbauen. Ein Beispiel hierfür bieten die Habitatveränderungen durch
den Menschen (Homo sapiens sapiens), welche verschiedenen invasiven Arten
erst den nötigen Vorteil verschafft, sich durchzusetzen (SIMBERLOFF & VON HOLLE
1999). Die Etablierung in einer natürlichen Artengemeinschaft benötigt andere
Charakteristika, als das Eindringen in ein anthropogen gestörtes Habitat (HORVITZ
et al. 1998). Studien der Populationsbiologie von invasiven Arten ermöglichen
einen genaueren Einblick in die Charakteristika, die ausschlaggebend sind für ihre
Invasivität (CRAWLEY 1986). Die meisten invasiven Wirbeltiere sind mit dem
Menschen eng verbunden (Koevolution) und haben wie wir ein breites
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1. Einleitung                                                                   2

Nahrungsspektrum (EHRLICH 1989). Auch tolerieren viele Vertebraten eine
grössere Spannbreite physischer Bedingungen als sie in ihrem natürlichen
Lebensraum begegnen (BROWN 1989). Generell ist Toleranz für eine heterogene
Umwelt (Phenotypische Plastizität) von Vorteil (SAKAI et al. 2001), ebenso eine
hohe Reproduktionsrate und die Konkurrenzfähigkeit einer invasiven Art
(MACARTHUR & WILSON 1967; PIANKA 1970). Viele Invasionen führen erst nach
einer langen Latenzzeit oder nach der mehrfachen Einführung einer Art zum
Erfolg, und die Invasoren, die innerhalb historischer Zeit erfolgreich eine neue
Region besiedelt haben, sind lebende Beispiele für einen ökologischen und
evolutionären Wandel (ELLSTRAND & SCHIERENBECK 2000). Diese Invasionen
können     auch    als   natürliche   Experimente      gesehen     werden,     da
populationsökologische Prozesse möglicherweise viel schneller ablaufen als in
einem ungestörtem System (SAKAI et al. 2001). Da eine Kolonialisierung meist von
wenigen Individuen einer Ursprungspopulation ausgeht, ist die neue Population
durch diesen Flaschenhalseffekt genetisch nicht so differenziert wie die, von der
sie abstammt (TSUTSUI et al. 2000).

Madagaskar
Madagaskar ist die viertgrösste Insel der Erde. Ihre Fläche entspricht mit 587.000
km2 etwa 0,4% der terrestrischen Landoberfläche. Seit 165 Millionen Jahren von
anderen Landmassen getrennt, liegt sie heute etwa 350 km östlich vor dem
Afrikanischen Kontinent (LOWRY II et al. 1997; GARBUTT 1999; TYSON 2000). Durch
diese Isolation konnte sich auf Madagaskar eine einmalige Flora und Fauna
entwickeln, deren Endemismenrate jeweils etwa 80% erreicht und sich über das
Artniveau hinaus bis zu Gattungen und Familen erstreckt (DREIER 1992; MYERS et
al. 2000; TYSON 2000; WWF 2001). Die ursprüngliche Vegetation hat seit der
Besiedlung durch den Menschen vor etwa 2000 Jahren stetig abgenommen.
Diese Verluste, die hauptsächlich durch Brandrodung zustandegekommen sind,
haben dazu geführt, dass heute nur noch etwa 9,9% der Primärvegetation
existieren (RABINOWITZ et al. 1983; DEWAR 1997; MACPHEE & MARX 1997; MYERS
et al. 2000). Allein in den Jahren zwischen 1950 und 1983 sind jährlich 111.000 ha
entwaldet worden (GREEN & SUSSMAN 1990). Die dadurch verursachte
Habitatzerstörung und -fragmentierung stellt für viele einheimische Arten ein kaum
überwindbares Hindernis dar. Nachfolgende Sekundärvegetation besteht neben
dem kleinen Anteil an Farmland, Eukalyptusforsten und Kiefernwäldern
hauptsächlich aus sekundärem Grassland (formation herbeuse) oder verholztem
Grassland (formation herbeuse boisée), die nur durch ihre Artenarmut
herausstechen (WHITE 1983; LOWRY II et al. 1997).
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1. Einleitung                                                                  3

Madagaskar gehört weltweit zu den drei am meisten gefährdeten Hotspots für
Biodiversität. Dazu tragen die hohe Endemismenrate, die Artenvielfalt bezogen auf
die Fläche und ihr Bedrohungszustand bei. Nur 20% der verbliebenen
Primärwaldfläche werden bereits geschützt (MYERS et al. 2000; TYSON 2000). Der
mit der Habitatzerstörung einhergehende Biodiversitätsverlust erleichtert
zusätzlich die Invasion durch eingeführte Arten (STACHOWICZ et al. 1999; WESTERN
2001; KENNEDY et al. 2002) und deren Verbreitung bedroht durch Konkurrenz oder
Prädation die endemische Fauna Madagaskars (RAMANAMANJATO & GANZHORN
2001). Die häufigsten fremden Tierarten sind die menschlichen Kommensalen
Ratte (Rattus rattus) und Maus (Mus musculus), die an die durch den
menschlichen      Einfluss    entstehenden      Lebensraumveränderungen      seit
Generationen angepasst sind (LOWRY II et al. 1997; GARBUTT 1999). Die Ratte
steht im Verdacht die auf Madagaskar endemischen Nesomyinae hauptsächlich
durch Nahrungskonkurrenz zu verdrängen (GOODMAN 1995), wobei ein negativer
Einfluss von R. rattus auf die einheimische Nagetierfauna zur Zeit jedoch nicht
bestätigen werden konnte (GANZHORN 2003). Informationen über die Genetik,
Evolution und Interaktionen von invasiven und einheimischen Arten in betroffenen
Gemeinschaften können Aufschlüsse über die Anfälligkeit eines Ökosystems für
Invasionen geben (SAKAI et al. 2001).

Molekulare Marker
Besonders die phylogenetische Analyse von DNA oder Proteinsequenzen ist ein
gutes Instrument für Studien der Molekularen Evolution geworden (NEI & KUMAR
2000). Für die Beantwortung vieler populationsgenetischer Fragestellungen sind
Marker, die keinem Selektionsdruck unterliegen, von Vorteil (SUNNUCKS 2000). Die
DNA der nichtkodierenden Kontrollregion der Mitochondrien ist ein solcher
neutraler Marker. Mitochondrien sind in der Zelle vorwiegend für die oxidative
Phosphorilierung und die Bildung von ATP zuständig (CASTRO et al. 1998). Es
handelt sich bei ihnen um Relikte endosymbiontischer (Purpur-) Bakterien, die mit
Zellen eine stabile Beziehung eingingen (MADIGAN et al. 2001). Aufgrund dieser
Herkunft verfügen sie über eine eigene haploide DNA, die üblicherweise nicht
rekombinant ist, sich autonom vermehrt (CASTRO et al. 1998) und bis auf wenige
Ausnahmen ausschliesslich maternal vererbt wird (AVISE et al. 1987; EYRE-
WALKER et al. 1999; WALLIS 1999; BROMHAM et al. 2003). Die mtDNA ist bis auf
wenige Ausnahmen kovalent ringförmig geschlossen und umfasst etwa 16.500 bp.
Die kodierenden Gene der Mitochondrien sind konservativ und umfassen zwei
ribosomale (rRNA) Gene, je eines für die 12S und 16S rRNA, 22 transfer RNA
(tRNA) Gene und 13 proteinkodierende Gene (Anderson et al. 1981). Für
populationsgenetische Fragestellungen ist die Kontrollregion, der sogenannte
1. Einleitung                                                                   4

’displacement loop’ (d-loop) von besonderem Interesse (RICHARDS & MACAULAY
2001). Die Kontrollregion ist bekannt für ihre hohe Mutationsrate, sowohl für
Nukleotid-Substitutionen als auch für Insertionen/ Deletionen (BROWN et al. 1979;
BROWN & SIMPSON 1982; MORITZ et al. 1987). Bei Menschen und Nagern ist
ausserdem eine höhere Rate von Transitionen als Transversionen nachgewiesen
worden (AQUADRO & GREENBERG 1983; BROWN et al. 1986). Anhand von Studien
an der menschlichen mtDNA wurde der d-loop in drei Bereiche eingeteilt, zwei
hypervariable Regionen (HVR I & HVR II) und einen dazwischen liegenden
konservativen Block (WALBERG & CLAYTON 1981; VIGILANT et al. 1991; MATSON &
BAKER 2001). Die Mutationsrate innerhalb der hypervariablen Regionen ist etwa
zehnmal so gross wie die der proteinkodierenden Region der mtDNA (VIGILANT et
al. 1991; PESOLE et al. 1999; RICHARDS & MACAULAY 2001).
Wegen der aufgezählten Charakteristika der mitochondriellen DNA ist sie und
besonders die HVR I des d-loops zu einem beliebten Marker der
Evolutionsbiologie     geworden. Mit ihrer Hilfe lassen sich phylogenetisch
Beziehungen zwischen eng verwandten Arten und zwischen Populationen
innerhalb einer Art auflösen (AVISE 1986; MORITZ et al. 1987; HARRISON 1989).

Aufgrund ihrer funktionellen Wichtigkeit gewinnen die kodierenden Immungene
des ’Major Histocompatibility Komplex’ (MHC) für vergleichende Untersuchungen
zur genetischen Diversität von Tierarten und der potentiellen Konsequenzen bei
Verlust genetischer Diversität zunehmend an Bedeutung (VAN DER WALT et al.
2001; SOMMER 2003). Der MHC ist eine Genfamilie, die entsprechend ihrer
Funktion und Struktur in drei Klassen eingeteilt wird. Die Expression der MHC
Klasse I kodierten Moleküle, findet auf allen Zelloberfächen ausser auf der der
Erythrozyten statt. Diese MHC-Proteine binden Peptide im Cytosol und sind für die
Unterscheidung von selbst und nicht selbst z. B. bei Gewebetransplantationen
verantwortlich und daher namensgebend für den Komplex (Gewebeverträglichkeit
– histocompatibility) (GRUEN & WEISSMAN 1997). Drei Genloci (beim Menschen A,
B, C) kodieren für je eine Kette. Die Expression der MHC Klasse II Moleküle findet
nur auf den antigenpräsentierenden Zellen statt (B-Lymphozyten, Makrophagen).
Sie sind für die zellvermittelte Immunantwort im interzellulärem Raum (niedriger
pH) verantwortlich, wie sie z. B. gegenüber Bakterien eingesetzt wird. Ebenfalls
drei Genloci sind bekannt, DR, DQ und DA, die ihrerseits für eine α und eine β
Kette kodieren. Die Klasse III kodierten Moleküle sind am Komplementsystem
beteiligte Proteine, die frei im Serum vorliegen. Sie sind an der humoralen
Immunantwort beteiligt. Zwischen einigen Genloci, vor allem zwischen DR und DQ
und zwischen B und C liegt ein ’Linkage Disequilibrium’ (Koppelungs
Ungleichgewicht) vor. Dies bedeutet, dass eng zusammenliegende Gene
1. Einleitung                                                                    5

gemeinsam vererbt werden. Die Gene des MHC sind sehr polymorph und gehören
zu den variabelsten Genen, die bei Vertebraten bekannt sind (HEDRICK 1994).
Diese Diversität wird durch Selektionsprozesse aufrecht erhalten (BERNATCHEZ &
LANDRY 2003). Die möglichen Selektionsmechanismen basieren einerseits auf
pathogen- bzw. parasitengesteuerter Selektion und andererseits auf
Mechanismen, die durch Reproduktionsvor- bzw. nachteile gelenkt werden. Die
Theorie des Heterozygotenvorteils (’overdominant selection’) geht davon aus,
dass durch balancierende Selektion ein breites Abwehrspektrum gegen
koevolvierende Pathogene und Parasiten aufrecht erhalten wird. Die Theorie des
’rare Allele Advantage’ (oder auch ’Red-Queen’-Hypothese) hingegen sieht den
Vorteil einzelner Allele, für den Fall, das Parasiten oder Pathogene durch eigene
Evolution die allgemein verbreitete Immunabwehr umgangen haben
(zusammengefasst in PENN & POTTS (1999) und BERNATCHEZ & LANDRY (2003)). In
diesem Zusammenhang steht auch die ’moving target’-Hypothese von PENN &
POTTS (1999), die wiederum ein koevolutives ’Wettrüsten’ mit Parasiten
beschreibt. Reproduktionsbasiert wird zum einen die Theorie der ’inbreeding
avoidance’ (POTTS & WAKELAND 1990; 1993) diskutiert, die von MHC-abhängigen
Paarungspräferenzen (disassortative mating) z. B. anhand von Gerüchen ausgeht,
um Inzucht zu vermeiden. Zum anderen ist auch die erhöhte Fitness der
Nachkommen selektiv bevorteilter Individuen durch ’disassortative mating’
möglich. Eine balancierende Selektion auf dem molekularen Level dieser Loci
manifestiert sich durch ein erhöhtes Verhältnis von nichtsynonymer zu synonymer
Substitution (dN/dS) an den funktionell wichtigen Antigenbindungsstellen (ABS)
(HUGHES & NEI 1988; YANG & NIELSEN 2002). Nach BROWN et al. (1993) sind 27
Aminosäuren der β1-Domäne der MHC Klasse II Proteine mutmasslich an der
Antigenbindung beteiligt.

Ziel dieser Arbeit war es, am Beispiel der auf Madagaskar eingeschleppten Art
Rattus rattus zu zeigen, wie hoch die Variabilität eines selektionsneutralen
Markers (HVR I des mitochondriellen d-loops) dieser invasiven Art innerhalb der
Inselpopulation Madagaskars ist. Auch sollte untersucht werden, ob die Variabilität
des Markers innerhalb verschiedener Regionen Madagaskars unterschiedlich
ausgeprägt ist und mögliche Invasionsherde festgestellt werden. Ein weiteres Ziel
war, durch Vergleich mit R. rattus-Proben aus anderen Orten der Welt das
Herkunftsgebiet der madagassischen Ratten zu klären. Zusätzlich sollte
untersucht werden, wie sich die Variabilität des nichtkodierenden Bereiches (HVR
I des d-loops der mtDNA) zu der Variabilität eines kodierenden Genortes des
Immunkomplexes (MHC DRB Exon 2) verhält.
2. Material und Methoden                                                                     6

2.     Material und Methoden
2.1    Untersuchte Art Rattus rattus

Die Hausratte Rattus rattus (LINNAEUS, 1758) gehört innerhalb der grössten
Säugetierordnung, den Rodentia, zu der Familie der Muridae, den echten Mäusen.
Ursprünglich kam sie in den warmen Regionen Südostasiens, wahrscheinlich in
Indien vor und wurde von dort aus mit Schiffen in alle Teile der Welt verschleppt
(STORCH & WELSCH 1997; NOWAK 1999). Es sind mittelgrosse, bis ca. 200 g
schwere, schwarze bis schwarzbraune schlanke Tiere, deren Schwanz meist
länger als Kopf und Rumpf ist (Abb. 2) (DAVIS & SCHMIDLY 1994). Die
ursprünglichen Baumbewohner sind dämmerungs- und nachtaktiv, exzellente
Kletterer (Abb. 1) und bauen in geeigneten Schlupfwinkeln, wie etwa in Bäumen
oder anderen Erhöhungen, kugelförmige Nester aus verschiedensten verfügbaren
Materialien (KENNEDY 1993; NOWAK 1999).

Abb. 1: Rattus rattus in seinem ursprünglichen Habitat, Photo von Robert L. Curry, Hawaii.

Sie leben einzeln oder in Gruppen bis zu 50 Tieren (BECKER 1978; STORCH &
WELSCH 1997). Zwei bis drei gleichrangige Weibchen sind einem dominanten
Männchen untergeordnet, jedoch den weiteren Gruppenmitgliedern übergeordnet
(EWER 1971; GARBUTT 1999). Feste Rangordnungen oder Paarbindungen lassen
sich nicht nachweisen (MOHR 1954; TELLE 1966). Die allgemeine
Aggressionsbereitschaft ist sehr gering (♀ > ♂) und beschränkt sich auf die
Verteidigung des rund um den Futterplatz gelegenen Gruppenterritoriums gegen
2. Material und Methoden                                                       7

Eindringlinge (NOWAK 1999). Die Fortpflanzung erfolgt meist ganzjährig. Das
bereits mit 3 Monaten geschlechtsreife Weibchen bringt nach 21-23 Tagen
Tragzeit durchschnittlich 8 Junge zur Welt (DAVIS & SCHMIDLY 1994; KAESTNER &
STARCK 1995). Hausratten ernähren sich bevorzugt von Samen, Körnern, Nüssen,
Früchten und Gemüse, aber auch Insekten und andere Invertebraten finden sich
in ihrem Futterspektrum (BECKER 1978; GARBUTT 1999; NOWAK 1999).
R. rattus gehört zu den sieben
bedeutendsten Rattenarten, die sich
als     menschliche      Kommensalen
durchgesetzt haben und in ihrer
Verbreitung          direkt          von
Transportwegen oder indirekt durch
Habitatveränderungen         profitieren
(NOWAK 1999). Sie ist wahrscheinlich
das erste Säugetier, welches sich mit
den frühen Menschen assoziiert hat.
Ihre Ausbreitung von Indien nach
Ägypten erfolgte bereits im 4ten
Jahrhundert BC und daraufhin über alle
Handelswege auch nach Europa
(TAYLOR 1964). Seinen englischen Abb. 2: Vergleichende Darstellung von
Namen ’black rat’ hat R. rattus Schiffsratte (Rattus rattus, oben) und
erhalten, da die Art mit dem Wanderratte (Rattus norvegicus). Unterschiede
’schwarzen Tod’ (black death) in sind ersichtlich anhand der Ohren, der
                                         Schnauze und des Schwanzes.
Verbindung         gebracht        wird.
Nachgewiesen ist, dass sie dem Rattenfloh Xenopsylla cheopis als Wirt dient, der
als Vektor des Bubonenpesterregers Yersinia pestis bekannt ist (MADIGAN et al.
2001). Mit Beginn des 18ten Jahrhunderts wurde die sogenannte Schiffsratte
innerhalb Europas (temperierte Gebiete) graduierlich von der Wanderratte (Rattus
norvegicus) verdrängt. Generell ist die wärmeliebende Art heute in urbanen
Regionen vornehmlich in tropischen Klimaten anzutreffen (NOWAK 1999). R. rattus
ist als invasive Art besonders auf Inseln sehr erfolgreich und richtet durch ihre
Fähigkeit sowohl arboreal als auch auf dem Grund leben zu können, massive
Schäden an der einheimischen Fauna an (nach KING 1985 in AMORI & CLOUT
(2003)). Auf Madagaskar wurde R. rattus wahrscheinlich bereits im 11ten
Jahrhundert eingeführt. Die Art hat sich möglicherweise aber erst seit der
Jahrhundertwende 1900 bis in die entlegendsten Waldgebiete verbreitet
(GOODMAN 1995; GARBUTT 1999).
2. Material und Methoden                                                                         8

2.2    Untersuchungsgebiete und Probenmaterial
Die in dieser Arbeit untersuchten Proben stammen aus insgesamt sechs
Untersuchungsgebieten (Abb. 3) der Südhälfte Madagaskars. Die Probenorte
können zu drei übergeordneten Gebieten zusammengefasst werden, der Province
de Toliara, der Province de Fianarantsoa und der Tolagnaro Region (Fort
Dauphin-Region). Sie unterscheiden sich in Lage, Vegetation und Klima.

2.2.1 Gebietsbeschreibungen

Westen - Province de Toliara:
Der Südwesten Madagaskars, zu dem auch die Province de Toliara mit ihrem
gleichnamigen Überseehafen gehört, hat mit 360–660 mm pro Jahr die geringsten
Niederschlagsmengen der Insel (DONQUE 1972). Neben einer durchschnittlichen
Jahrestemperatur von 30°C dauert die Trockenzeit 6 bis 8 Monate an. Daher wird
die natürliche Vegetation von laubabwerfenden Bäumen und von stark
spezialisierten Pflanzen wie z. B. Euphorbiaceen beherrscht (KOECHLIN 1972).

 Abb. 3: Die Lage der Probengebiete Analavelona, Ioranjatsy, Vinantelo, Ste Luce, Mandena und
 Petriky (rote Pfeile) in Südmadagaskar. Farbig dargestellt ist die erhaltene Primärvegetation, die
 Anker verweisen auf nahe Überseehäfen. Die Darstellung basiert auf GIS-Daten von DU PUY &
 MOAT (1996).
2. Material und Methoden                                                                    9

Forêt d'Analavelona
In der Province de Toliara liegt das natürlich isolierte Feuchtwaldplateau von
Mount Analavelona (Abb. 3). Der verbliebende Regenwald auf dem ca. 1250 m
über NN liegenden Plateau ist von degradiertem Trockenwald, grossen
Grasslandgebieten und exotischen Baumplantagen umgeben, die das Produkt
menschlicher Aktivitäten sind. Die lokale Rattenpopulation ist sehr gross. Es gibt
keine Hinweise auf Beulenpestvorkommen (GOODMAN, mündliche Mitteilung).

Osten - Province de Fianarantsoa:
Der Ranomafana-Andringitra-Korridor (Abb. 4) in der Province de Fianarantsoa ist
ein etwa 160 km langer, 4-15 km breiter Abschnitt des verbliebenen
Küstenregenwaldstreifens der Ostküste, welcher den Andringitra National Park mit
dem Ranomafana National Park verbindet. Die Niederschläge nehmen von der
Küste im Osten (2500 mm / Jahr) zum Hochplateau im Westen (1500 mm / Jahr) ab
(nach HUMBERT & COURS DARNE 1965 in KOECHLIN (1972). Aufgrund der grossen
Höhendifferenzen auf begrenztem Raum ist das Ökosystem wegen seiner
Biodiversität besonders interessant. Das Waldgebiet wird jedoch insbesondere in
geringeren Höhen (500–800 m) durch die sogenannte Tavy Landwirtschaft, die auf
Urbarmachung durch Abholzung und Brandrodung basiert, zunehmend
fragmentiert (FREUDENBERGER & FREUDENBERGER 2002). Der nächstgelegene
Überseehafen liegt südöstlich in Manakara.

Abb. 4: Der Ranomafana-Andringitra-Korridor mit den Probenstellen Ioranjatsy und Forêt de
Vinantelo (verändert nach FREUDENBERGER & FREUDENBERGER (2002)).
2. Material und Methoden                                                      10

Ioranjatsy
Ioranjatsy ist ein kleines Dorf am Rande des Regenwaldes des Ranomafana-
Andringitra-Korridors (Abb. 3 & Abb. 4). Gefangen wurde hauptsächlich im
dortigen Tavy-Wald-Gebiet nahe der Eisenbahnlinie von Fianarantsoa zur
Ostküste. Die lokale Rattenpopulation ist oft mit dem Pesterreger in Kontakt
gekommen (GOODMAN, mündliche Mitteilung).

Forêt de Vinantelo
Der Forêt de Vinantelo liegt mitten im Regenwaldgebiet des Ranomafana-
Andringitra-Korridors auf ca. 1100 m Höhe. Die ersten zoologischen
Lebendnachweise von Rattus rattus auf Madagaskar wurden Ende des 19.
Jahrhunderts von Forsyth-Major erbracht. Die Fänge aus diesem Waldgebiet
wiesen Kontakt mit dem Beulenpesterreger auf (GOODMAN mündliche Mitteilung).

Südosten - Die Tolagnaro / Fort Dauphin Region:
Die Region um Tolagnaro liegt im südlichsten Bereich des immergrünen
Küstenregenwaldes der Ostküste Madagaskars. Der Küstenregenwald gilt als
eigenes Ökosystem, welches sich in seiner Flora- und Faunazusammensetzung
vom immergrünen Regenwald weiter im Inneren des Landes unterscheidet
(LOWRY & FABER-LANGENDORN 1991; DUMETZ 1999; GANZHORN ET AL. 2000) und
ursprünglich den Grossteil der Vegetation an der niederen Ostküste
ausmachte (G REEN & S USSMAN 1990). Der Wald wächst hier auf sandigem
Grund, erreicht eine Höhe von 18 m und weist einen dichten Unterwuchs
auf (DU PUY & MOAT 1996; DUMETZ 1999). Um Tolagnaro sind etwa 4000 ha
Küstenregenwald erhalten, wovon 1992 noch 87% als intakt galten (L EWIS -
E NVIRONMENTAL -C ONSULTANTS 1992). Diese verbliebenen Fragmente des
Küstenregenwaldes gehören zu den am stärksten bedrohten Habitaten
Madagaskars (DU PUY & MOAT 1998; GANZHORN et al. 2001; RAMANAMANJATO &
GANZHORN 2001).
Der Niederschlag in der Region beträgt meist über 2000 mm pro Jahr, wobei die
Gebiete Ste Luce und Mandena höheren Niederschlagsmengen ausgesetzt
sind als Petriky, da der Südost-Passat mitgeführte Wassermassen vor dem
Bergmassiv im Landesinneren abregnet (KOECHLIN 1972; DUMETZ 1999). Eine
Trockenzeit gibt es nicht (RAMANAMANJATO & GANZHORN 2001). Die Temperatur
liegt im Jahresmittel bei 26°C, sie nimmt von Norden nach Süden hin zu. In den
Wintermonaten können Zyklone auftreten (DONQUE 1972; WWF 2001). Die
klimatischen Unterschiede führen zu zwei Formen des Küstenwaldes: dem
feuchten Küstenregenwald, wie er in Ste Luce und Mandena vorliegt und dem
trockenen Küstenübergangswald, wie er in Petriky (Abb. 5) zu finden ist. Generell
ist die Art der Vegetationszusammensetzung in dieser Region eher von der
2. Material und Methoden                                                             11

Höhenlage als von der geographischen Breite des Habitats abängig (DONQUE
1972; DU PUY & MOAT 1996). Die Stadt Tolagnaro verfügt über einen eigenenen
Überseehafen.

Ste Luce
Ste Luce liegt etwa 50 km nordöstlich von Tolagnaro. Etwa 43% des noch intakten
Küstenregenwaldes sind hier zu finden (UNKNOWN & STEER 2000). Wie zuvor
schon in Mandena soll von der Qit Madagascar Minerals (QMM) Titaneisen
(FeTiO 3 ) aus den Sandböden gewonnen werden. Die gefangenen Tiere
stammen daher sowohl aus intakten als auch aus degradierten
Waldgebieten.

Abb. 5: Die Tolagnaro Region (nach QMM 1998, DAWSON (2000) & INGRAM ET AL. (2000))

Mandena
Das Untersuchungsgebiet Mandena liegt 12 km nordöstlich von Tolagnaro. Von
dem ursprünglich zusammenhängenden Waldgebiet existieren lediglich noch
Fragmente (Abb. 6), die jedoch alle kleiner als 1000 ha sind. Der Wald ist
immergrün, 10-15 m hoch und hat einen dichten Unterwuchs. Die Fragmente M4
& M5 (Abb. 6) sind durch Sumpfgebiete mindestens seit 1957 von den restlichen
Fragmenten isoliert. Zwischen M4 & M5 wurde 1998 ein künstlicher Korridor aus
80% exotischen und 20% einheimischen Bäumen angelegt. Daher wurden die
Probenstellen beider Fragmente für die vorliegende Arbeit zusammengefasst.
2. Material und Methoden                                                                 12

Abb. 6: Primärwaldfragmente in Mandena, inclusive der Probenstellen M4, M5 und M16
(RAMANAMANJATO & GANZHORN 2001).

M16 war ursprünglich mit M20 verbunden, jedoch wurde der verbindende
Primärwald sukzessiv von Eucalyptus und Pinus Plantagen ersetzt. Rattus rattus
wurde sowohl in den Primärwaldgebieten als auch in sekundärer Vegetation
gefangen, während endemische Arten nur in Primärwaldgebieten zu finden waren
(zusammengefasst aus RAMANAMANJATO & GANZHORN (2001), siehe auch
LETHONEN et al. (2001)). Die in der Arbeit berücksichtigten Fragmente sind in
Tabelle 1 dargestellt.

Tab. 1: Fragmentgrössen und Degradationszustand in Mandena (RAMANAMANJATO & GANZHORN
2001).

 Fragment                  Grösse [ha]                       Degradation
                                                   [in % des erhaltenen Blätterdaches]

 M4/5                           69                               30-40

 M16                            75                                 60
2. Material und Methoden                                                             13

Petriky
Die Beprobungsstelle Petriky liegt südöstlich von Tolagnaro. Da sie sich nicht
mehr im Einflussbereich der Regengebiete vor dem Bergmassiv befindet, sind die
Niederschläge deutlich geringer (DONQUE 1972). Der trockene Regenwald
repräsentiert die Übergangszone zwischen dem typischen Küstenregenwald
weiter nördlich und der xeromorphen Vegetation im Süden der Insel (CHAUVET
1972; GOODMAN et al. 1997). Die Kronenhöhe ist auf 10 m begrenzt (GOODMAN et
al. 1997; SCHAD 2001).

2.2.2 Probenmaterial

Aus den beschriebenen Regionen standen mir für die mtDNA
Untersuchung insgesamt 100 Proben von Rattus rattus zur Verfügung. Die
Proben stammten aus unterschiedlichen Projekten und wurden für diese
Untersuchung zusammengetragen. Die Tiere wurden mit ShermanTraps von den
in Tabelle 2 aufgeführten Biologen gefangen. Der Tabelle sind ebenfalls die
Anzahl der Proben pro Gebiet zu entnehmen. Gefangen wurde in den
verschiedenen Projekten insgesamt von 1998 bis 2001. Das Gewebematerial
bestand aus Ohrknorpel and wurde in Ethanol (70%) konserviert. Für die globale
Einordnung der madagassischen Ratten wurden zehn weitere Proben analysiert,
die mir aus Frankreich von J. Abdelkrim (Museum National d'Histoire Naturelle,
Paris), aus Gross-Britannien von S. Nakagawa (University of Sheffield) und aus
Französisch Polynesien von L. Matisoo-Smith (University of Auckland) zugesandt
wurden. Die Untersuchung wurde an der nichtkodierenden hypervariablen Region
(HVR1) des d-loop der mtDNA und am kodierenden Exon 2 des MHC DRB Gens
durchgeführt.

Tab. 2: Probenorte, Angabe der verwendeten Probenanzahl (N), Fangperiode, Proben
bereitgestellt von (Provider) und Vegetationstyp.

Probenort       N   Fangperiode        Proben von                  Vegetationstyp

Analavelona    22          2000        Goodman (WWF Madagascar     Regenwald
                                       & Field Museum, Chicago)
Ioranjatsy     13          2000        Goodman (s.o.)              Tavy -Wald
Vinantelo      12          2000        Goodman (s.o.)              Montaner
                                                                   Regenwald
Ste Luce       12          2001        Hapke (DPZ Göttingen)       Küstenregenwald
Mandena M4/5   12   1998, 1999, 2001   Ganzhorn                    Küstenregenwald
                                       (Universität Hamburg)
Mandena M16    13   1998, 1999, 2000   Ganzhorn (s.o.)             Küstenregenwald

Petriky        8       1999, 2001      Ganzhorn, Rüdel, Schüller   trockener Küsten-
                                       (Universität Hamburg)       übergangswald
2. Material und Methoden                                                       14

2.3   Molekulargenetische Methoden

Die Analyse der mitochondriellen DNA (mtDNA) und die Analyse des
Haupthistokompatibilitätskomplexes (MHC) wurde anhand unterschiedlicher
molekulargenetischer Methoden durchgeführt. Nach der DNA-Extraktion wurde
durch die Polymerasekettenreaktion (PCR) mit spezifischen Primern das jeweilige
Fragment amplifiziert. Die Ergebnisse wurden durch Agarosegelelektrophorese
kontrolliert. Die haploide mtDNA wurde anschliessend aufgereinigt und
sequenziert. Die diploide MHC-DNA wurde über ein SSCP-Gel in ihre einzelnen
Allele aufgetrennt, die Allelbanden ausgeschnitten, gereinigt, erneut amplifiziert
und gereinigt und daraufhin ebenfalls sequenziert.

2.3.1 DNA Extraktion

Die in Ethanol konservierten Gewebeproben wurden auf Papier getrocknet und
anschliessend 1½ h in dH20 vom restlichen Ethanol gereinigt. Das erneut
getrocknete Gewebe wurde nach dem Protokoll DNeasy™ for Animal Tissues von
QIAGEN (04/99) weiter behandelt.
Die Proben wurden in 1,5 ml Tubes überführt, die mit 180 µl ATL Buffer und 20 µl
Proteinase K vorbereitet waren. Sie wurden mechanisch zerkleinert,
anschliessend gevortext und bis zur vollständigen Lyse (mind. 3 h) unter
ständigem Schütteln im Wasserbad bei 55°C inkubiert. Zur besseren Lyse wurde
alle 30-60 min kurz gevortext. Nach kompletter Auflösung des Gewebes wurde
200 µl AL Buffer zu dem Lysat pipettiert und nach sorgfältiger Durchmischung 10
min bei 70°C inkubiert. Weitere Aktivität der Proteinase K wurde so unterbunden.
Zur Fällung der DNA wurden daraufhin 200 µl Ethanol (96-100%) hinzugegeben,
erneut sorgfältig durchmischt und die Lösung anschliessend in ein DNeasy Mini
Column (in 2ml Collection Tube) überführt und bei 8000 rpm 1 min zentrifugiert.
Der Durchfluss wurde verworfen. Die Silica-Säule mit der gefällten zu reinigenden
DNA wurde nun in zwei Waschschritten (AW1 und AW2 Buffer) von restlichen
Salzen und Ethanolresten gereinigt. Der Durchfluss wurde beide Male verworfen.
Die MiniColumn mit der so getrockneten Membran wurde dann in ein 1,5 ml Tube
umgesetzt und, abweichend der QIAGEN Anleitung, zur Eluation der DNA mit 200
µl dH2O versetzt, 5 min stehen gelassen und bei 8000 rpm 1 min zentrifugiert.
Dieser Schritt wurde mit 150 µl dH2O wiederholt. Alle Eluate wurden zur
quantitativen Überprüfung der DNA Extraktion über ein Agarose Gel
elektrophoretisch aufgetrennt. Bei positivem Ergebnis wurden beide Chargen
danach vereinigt. Zur Weiterverarbeitung wurden 50 µl als Arbeitsstock
entnommen (Lagerung 4°C), die restlichen 300 µl als Reservestock bei -20°C
aufbewahrt.
2. Material und Methoden                                                      15

2.3.2 Agarose-Gelelektrophorese

Die Produkte der DNA-Extraktion und der PCR (5 µl) wurden in 2%igen Agarose-
Gelen elektrophoretisch aufgetrennt. Es handelt sich dabei um das
Standardverfahren zur Trennung und Identifizierung von Nukleinsäuren. Agarose
ist ein Polysaccharid, welches aus roten Meeresalgen gewonnen wird. Sie wurde
in Elektrophoresepuffer (1xTAE) aufgenommen und dann durch Erhitzen in der
Mikrowelle in Lösung gebracht. Nach Abkühlung auf ca. 60°C wurde das
Ethidiumbromid hinzugegeben, gut vermischt und dieser Ansatz in einen mit
Kämmen vorbereiteten Gel-Schlitten gegossen. Während des Erstarrens wird eine
homogene Gelmatrix ausgebildet, die innerhalb des Gleichspannungsstromfeldes
während der Elektrophorese die Auftrennung nach Molekülgrösse und Ladung
ermöglicht. Die Grösse der Matrix ist abhängig von der verwendeten Agarose
Menge. Das Gel wurde in die Gelelektrophoresekammer gelegt und vollständig
mit TAE-Puffer bedeckt. Die DNA-Lösung wurde mit ca. 1 µl Loading Dye
vermischt in die Taschen pipettiert. Ein DNA–Längenstandard (100bp Ladder)
daneben aufgetragen ermöglichte die Abschätzung der DNA-Fragmentlänge. Die
Laufzeit der Gele betrug bei 60-80V etwa 40-60min. Die Visualisierung der
Nukleinsäuren erfolgte durch das Ethidiumbromid, welches mit den Basenpaaren
der DNA interkaliert und somit das Fluoreszenzverhalten unter UV-Anregung
verstärkt, so dass die angefärbten Molekülbanden sichtbar werden (KNIPPERS
1997). Das UV bestrahlte Gel wurde über einen Videoprinter dokumentiert.

DNA Isolierung aus Agarose Gelen
Einige Einzelbanden wurden zur Reamplifizierung oder Sequenzierung unter
möglichst geringer UV-Beleuchtung, da sonst Pyrimidindimere induziert werden
(WEHNER & GEHRING 1995), aus dem Agarosegel ausgeschnitten und
anschliessend mit dem Gel Extraction Kit (Qiaquick) gereinigt. Hierfür wurden die
ausgeschnittenen Banden eingewogen, das dreifache Volumen des QG-Buffers
hinzugegeben und unter mehrfachem Vortexen 10 min bei 50°C inkubiert. Um
einen pH-Wert von 7.5 einzuhalten, sollte gegebenenfalls NaAcetat hinzugegeben
werden. Die Lösung wurde nach Zugabe des einfachen Volumens an Isopropanol
in eine Spin Column überführt und 1 min bei 13000 rpm zentrifugiert. Für den
folgenden Waschschritt der an der Säulenmembran fixierten DNA wurde 0,75 ml
PE Buffer hinzugegeben und bei 13000 rpm 1 min zentrifugiert. Der Durchfluss der
letzten beiden Schritte wurde verworfen. Anschliessend wurde die Säule in ein 1,5
ml Tube überführt und die DNA mit 30 µl dH2O 5 min von der Membran gelöst und
1 min herunterzentrifugiert (13000 rpm). Nach Wiederholung der Eluation mit
gleicher Menge dH2O wurde das Gesamtvolumen auf der SpeedVac auf etwa die
2. Material und Methoden                                                         16

Hälfte eingeengt     und   für   grösstmögliche    Reinheit   eine   Ethanolfällung
durchgeführt.

2.3.3 PCR - Polymerase Chain Reaction

Die Polymerase Kettenreaktion (PCR) ist eine Methode zur Vervielfältigung von
spezifischen DNA-Fragmenten, die 1983 von K. B. Mullis erfunden wurde. Eine
Abfolge von Denaturierung, Annealing und Elongation wird zyklisch wiederholt,
wobei theoretisch in jedem Zyklus der zu amplifizierende Abschnitt verdoppelt
wird, was zu einer exponentiellen (2n; n=Zyklenanzahl) Amplifikation führen
müsste. Real wird jedoch nur ein Multiplikationsfaktor von ca. 1,6 bis 1,7 erreicht,
da die Vermehrungsmenge am Anfang geringer ist und am Ende die Amplifikation
durch Pyrophosphat, Nukleotidfragmente und rehybridisierendes Produkt
gehemmt wird (MÜLHARDT 2001). Der PCR-Zyklus beginnt mit der
Hitzedenaturierung (92°C) eines doppelsträngigen DNA-Fragmentes zu zwei
einzelsträngigen Matrizen. Da die enzymatische Synthese ausschließlich in
5´Æ3´- Richtung verläuft, werden zwei regiospezifische, dem Anfangs- und
Endpunkt des zu amplifizierenden Bereichs komplementäre Oligonukleotide
(Primer) benutzt, die sich bei ca. 50-60°C an die beiden 3´-Enden dieses
gewünschten DNA-Fragmentes anlagern (Annealing). An diesem kurzen
doppelsträngigen Abschnitt     kann eine thermostabile DNA Polymerase die
Neusynthese des Stranges mit Hilfe der Desoxynukleotidtriphosphate (dNTP)
beginnen (Elongation). Die Thermostabilität der Polymerase wird aufgrund der
Automatisierung (programmierbare Thermocycler) des Gesamtablaufs benötigt.
Das Temperaturoptimum für die meist benutzte Taq-Polymerase (nach
Thermophilus aquaticus) liegt bei 72°C. Für eine optimale Aktivität des Enzyms
werden ausserdem 1-3mM Mg2+-Ionen benötigt. Da die Aktivität der Taq ab 40
Zyklen ermüdet und auch unspezifische Amplifikate vermehrt auftreten, sollte die
Zyklenanzahl darunter bleiben.

Primer
Für eine möglichst spezifische Amplifikation ist die Sequenz der Primer
ausschlaggebend, sowie die sich daraus ergebende Schmelztemperatur. Diese
hängt hauptsächlich von der Anzahl der Basenpaare und dem Anteil an G/C
Paaren ab und kann in ihrer einfachsten Form wie folgt berechnet werden
(MÜLHARDT 2001):     Tm = 4 x (Anzahl G+C) + 2 x (Anzahl A+T) [°C].
Die normale Länge für Primer variiert zwichen 18 und 25 Basen. Ihr Anteil an
Cytosin und Guanin sollte 40-60% betragen und es sollten nicht mehr als vier
gleiche Basen nacheinander enthalten sein. Wichtig ist, dass die Primer intern
2. Material und Methoden                                                                   17

keine Sekundärstrukturen wie z. B. sogenannte ’hair pins’ bilden, und dass sie
nicht miteinander hybridisieren.
Für die Amplifikation der HVR I des d-loops der mtDNA wurden die Primer L283 &
H16498 verwendet. Die Nummern zeigen die Position des 3’ Endes der Primer für
die menschliche mtDNA Sequenz an (ANDERSON et al. 1981). L steht für ‘light
strand’ und H steht für ‘heavy strand’. Bei Amplifikationsschwierigkeiten wurden
die Vor- und Rückprimer mit je einem anderen Primer ergänzt. Hierfür wurden Eli-r
und Eli-f eingesetzt, konstruiert von S. Sommer nach den oben beschriebenen
Kriterien. Für die Amplifikation des MHC DRB Exon 2 wurden verschiedene
Oligonukleotide eingesetzt. Das Primerpaar Tub1JS und Tub2JS (SCHAD et al.
2003) sollte auf Nullallele (einzelne Allele die mit einem Primerpaar aufgrund von
Mutationen in der Primerbindungsstelle nicht amplifiziert werden) getestet werden.
Hierfür wurde mit dem Degenerate-Primer MUFP1 (GO et al. 2002) amplifiziert.
Es gilt: Y = C oder T und W = A oder T (nach IUB: International Union of
Biochemistry and Molecular Biology). In Tab. 3 sind alle Primer mit ihren
Sequenzen aufgelistet. Alle unmarkierten Primer wurden von der Firma MWG-
Biotech AG in Ebersberg hergestellt, die mit * markierten bei der Firma Gibco BRL
Life Technologies in Karlsruhe.

Tab. 3: Primersequenzen für die Amplifikation und die Sequenzierung der HVR1 des d-loops und
des DRB Exon2 Gens von R. rattus.

 Primername (Richtung)        Sequenz (5´ to 3´)

 L283*          (forward)     TAC ACT GGT CTT GTA AAC C
 H16498*        (reverse)     CCT GAA GTA GGA ACC AGA TG
 Eli-f          (forward)     CGA ACC AAT CTT CTT AGG GCA TC
 Eli-r          (reverse)     CGT AGG AAG GAG ATG TCT GAT AAA G
 Tub1JS         (forward)     GAG TGT CAT TTC TAC AAC GGG ACG
 Tub2JS         (reverse)     GAT CCC GTA GTT GTG TCT GCA
 MUFP1          (forward)     TGA GTG TCA YTT CYW CAA YGG GAC

Die PCR-Bedingungen wurden an die verschiedenen verwendeten Primer durch
Temperaturgradienten-PCR, Variationen im Magnesiumgehalt und den Annealing-
zeiten angepasst. Alle PCR–Bedingungen, die in dieser Arbeit erfolgreich
verwendet wurden, sind im folgenden aufgelistet. Verwendet wurden die
Programme MTDNA für die Amplifikation der mtDNA, TOUCHDOWN für DRB Exon2
Amplifikation für den SSCP Einsatz und das Programm DRB für die Amplifikation
vor der Sequenzierung der aus SSCP-Gelen isolierten Allele. Die entsprechenden
Reaktionsansätze (MasterMix) sind in Tab. 4 dargestellt. Der Erfolg der PCR
wurde jeweils durch eine Elekrophorese über ein 2%iges Agarose-Gel überprüft.
2. Material und Methoden                                                     18

Programme auf Biometra-PCR-Geräten (TGRADIENT und TPERSONAL)

Der Heizdeckel wurde jeweils auf 10°C höher als die Denaturierungstemperatur
vorgeheizt.

PCR für mtDNA (MTDNA)

1. Denaturierung   94,0°C     0m    45s
2. Annealing       50,0°C     0m    45s
3. Elongation      72,0°C     1m     0s          │zu Schritt 1 ► 34Zyklen
4. Extension       72,0°C     5m     0s
5. Kühlung          4,0°C     Pause

PCR für DRB (vor SSCP) (TOUCHDOWN)

1. Denaturierung   94,0°C     2m     0s
2.     "           92,0°C     0m    30s
3. Annealing       65,0°C     1m     0s          │je Zyklus -1°C
4. Elongation      72,0°C     1m     0s          │zu Schritt 2 ►10 Zyklen
5. Denaturierung   94,0°C     0m    30s
6. Annealing       55,0°C     1m     0s
7. Elongation      72,0°C     1m     0s          │zu Schritt 5 ► 30 Zyklen
8. Extension       72,0°C     2m     0s
9. Kühlung          4,0°C     Pause

PCR für DRB (vor Sequenzierung) (DRB)

1. Denaturierung   92,0°C     1m     0s
2. Annealing       53,3°C     0m    30s
3. Elongation      72,0°C     1m     0s          │zu Schritt 1 ► 34 Zyklen
4. Extension       72,0°C     2m     0s
5. Kühlung          4,0°C     Pause
2. Material und Methoden                                                                 19

Tab. 4: Einzelne Reaktionsansätze mit spezifischer Einsatzmenge der unterschiedlichen Primer
und des DNA-Templates.

 MasterMix für:               MTDNA                TOUCHDOWN                  DRB

 Ansatzmenge                    20µl                   10µl                   20µl

 Incubation Buffer                        2µl                    1µl                    2µl
 dNTP / ddNTP                           1,6µl                  0,8µl                  1,4µl
 Primer1                   L283         1,0µl    MUFP1         0,5µl   Tub1JS         0,3µl
 Primer2                  H16498        1,0µl    Tub2JS        0,2µl   Tub2JS         0,3µl
 dH2O                                  13,5µl                  5,4µl                 13,8µl
 Taq-Poymerase                          0,2µl                  0,1µl                  0,2µl
 DNA-Template                             1µl                    2µl                    2µl

2.3.4 Ethanolfällung

Vor allen Schritten, die eine möglichst reine DNA benötigten, wurde eine
Ethanolfällung durchgeführt. Hierbei macht man sich die Eigenschaft der DNA
zunutze, in Gegenwart von Salzen bei einem Überschuss an Alkohol aus der
wässrigen Lösung auszufallen. Die etwa 20 µl PCR- oder Autosequence Produkte
wurden hierfür mit 80 µl 0,3M NaAc (pH 5,2) und 300 µl eisgekühltem 96%igen
Ethanols vermischt, 5 min inkubiert und dann 25 min bei 13000 rpm zentrifugiert.
Für das anschliessende Dekantieren empfahl es sich, die Tubes in einer
definierten Richtung zu zentrifugieren, um bei der Weiterverarbeitung das Lösen
des kaum sichtbaren DNA-Niederschlages (Pellets) vom Boden zu vermeiden.
Zum Auswaschen des restlichen Natrium-Acetats wurde nach Zugabe von 100 µl
eisgekühltem 70%igen Ethanol kurz runterzentrifugiert und wieder dekantiert. Das
restliche Ethanol wurde über die Vacuumzentrifuge abgezogen. Für die
laborinterne Weiterverarbeitung wurde das Präzipitat in 20 µl dH2O aufgenommen.
Die für die Sequenzierung bestimmte DNA wurde bis zur Abgabe im Service Labor
des Instituts für Zellbiologie und Klinische Neurobiologie der Universität Hamburg
trocken bei -20°C gelagert.

2.3.5 Single Strand Conformation Polymorphism (SSCP)

SSCP ist eine einfache und sehr sensitive Methode, mit der die durch
Nukleotidsubstitution einhergehende Konformationsänderung der einzelsträngigen
DNA (ssDNA) dargestellt werden kann (ORITA et al. 1989). Bei geringer
Temperatur und unter nicht denaturierenden Bedingungen falten sich die Stränge
2. Material und Methoden                                                                       20

der ssDNA sequenzspezifisch auf und zeigen im Polyacrylamid-Gel ein
unterschiedliches Laufverhalten, das auf dieser gebildeten Tertiärstruktur beruht
(LIU et al. 1999; SUNNUCKS et al. 2000). Anhand des daraus entstehenden
charakteristischen Bandenmusters können die Genotypen mit ihren Allelen
bestimmt werden. Die Empfindlichkeit der Methode verhält sich umgekehrt
proportional zur Fragmentgrösse, wobei zwischen 100-300 bp ein Nachweis einer
einzigen Basensubstitution noch mit 99%iger Wahrscheinlichkeit aufgelöst wird
(ORTI et al. 1997).

Anwendung
Das dehydrierte Gel wurde für ca. 1h auf 40ml DELECT Puffer rehydriert,
anschliessend mit Drying Cardboard sorgfältig getrocknet und auf die bereits auf
Lauftemperatur     (12°C)      vorgekühlte  Keramikplatte   der    horizontalen
Elektrophoreseapparatur plan aufgebracht. Ein intermediärer dünner Kerosinfilm
(ca. 1,5 ml) gewährleistet eine homogene Temperaturübertragung. Die Anode und
Kathode flankierend, wurden die in Elektrodenpuffer (+/-) getränkten
Elektrodenstreifen an das Gel gelegt und somit der Kontakt zwischen Gel und
Elektroden hergestellt. Bei der gesamten Vorbereitung ist auf eine exakte
Austarierung der Gerätschaften zu achten, sowie auf eine luftblasenfreie
Verteilung der Flüssigkeiten.
Je nach PCR-Ergebnis wurden 1-6 µl Produkt eingesetzt und mit 6-8 µl Loading
Dye vermischt, anschliessend 10 min bei 50°C denaturiert und dann je 6 µl in die
Geltaschen pipettiert. Die Elektrophorese startete unter Normalbedingungen für
ein 36 Kammer-Gel mit einem Vorlauf von 20 min bei einer Spannung von 200V
(20mA / 10W); der Hauptlauf erfolgte bei 450V (30mA / 20W). Es wurden
verschiedene Gele mit verschiedenen Hauptlaufzeiten eingesetzt (Tab. 5).

Tab. 5: Eingesetzte Gele mit deren Laufzeiten und dazugehörige Elektrodenstreifen mit Puffer
Einsatzmenge

"SSCP-Gel“ 10%                                    CleanGel HP15%

DELECT-Puffer-System                              DELECT-Puffer-System

Glasfaser Elektrodenstreifen in 25-30ml           Papier Elektrodenstreifen in 20ml

Laufzeit des Gels: ca 3½h                         Laufzeit des Gels: ca 4-4½ h

Anschliessend an die Elekrophorese wurde das Gel vom Kerosin gesäubert und
zur Silberfärbung und Fixierung in den Hoefer Automated GelStainer überführt.
Die Silberfärbung ist ein autokatalytischer Prozess in dem sich Silberionen (Ag+)
2. Material und Methoden                                                       21

an die ssDNA anlagern und zu metallischem Silber (Ag0) reduziert werden, das
durch seine schwarze Farbe das Bandenmuster sichbar werden lässt. Die
Färbung wurde in sechs Schritten nach Herstellerprotokoll durchgeführt und ist in
Tab. 6 zusammenfassend dargestellt. In Step 5 wurde das Developing manuell
abgebrochen, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Das Gel wurde über Nacht
an der Luft getrocknet und konnte danach ausgewertet werden. Bei Bedarf wurden
einzelne Allele aus den kontaminationsfrei gelagerten Gelen ausgeschnitten und
konnten so einzeln sequenziert werden (SUZUKI et al. 1991).

Tab. 6: Protokoll der Silberfärbung

 Step     Prozess           Reagenz                                   Dauer

   1      Fixing            40 ml Fixing Concentrate (5x)             40 min
                            160 ml Fixing Diluter (~24%EtOH)
   2      Washing           100 ml Washing Concentrate (6x)         3x10 min
                            500 ml dH20
   3      Silvering         40 ml Silvering Concentrate               40 min
                            160 ml dH20
                            260 µl Formaldehyd

   4      Water             400 ml dH20                              1x2 min
                                                                     1x1 min
   5      Developing        40 ml Developing Concentrate (5x)         >7 min
                            160 ml dH20
                            260 µl Formaldehyd
                            200 µl Thiosulfate Concentrate

   6      Stoppping &       40 ml Stopping Concentrate (5x)         1x30 min
          Preserving        160 ml dH20

Isolierung aus SSCP Gelen und Reamplifizierung
Zur Sequenzierung einzelner Allele wurden die gefärbten Banden unter sterilen
Bedingungen aus dem SSCP Gel ausgeschnitten (SCHAD 2001). Unter Zusatz von
ca. 20 µl 1x TBE–Puffer wurden die zerkleinerten Gelstücke über Nacht
geschüttelt und so die Fixierung aufgehoben. Die folgende PCR wurde unter
Standardbedingungen (DRB vor Sequenzierung) durchgeführt.
2. Material und Methoden                                                        22

2.3.6 Sequenzierung

Die Sequenzierreaktion erfolgte enzymatisch nach der Kettenabbruch-Methode
(SANGER et al. 1977). Durch Zugabe eines geringen Anteils an Didesoxy-
nukleosidtriphosphaten (ddNTP) zu den dNTP´s wird dabei die Synthese des
neuen Stranges zufällig, aber basenspezifisch abgebrochen, so dass DNA
Fragmente aller möglichen Kettenlängen entstehen. Die Fragmente der
Sequenzierung werden anschliessend elektrophoretisch der Grösse nach
aufgetrennt. Durch die basenabhängige Fluoreszenzmarkierung der ddNTP´s ist
eine direkte Detektierung der Basensequenz möglich.

Folgende Sequenzierbedingungen wurden für die sogenannte       AUTOSEQ   Reaktion
verwendet:

Heizeckel auf       106°C
1. Denaturierung   96,0°C        0m    30s
2. Annealing       50,0°C        0m    15s
3. Elongation      60,0°C        4m     0s          │zu Schritt 1) ► 26Zyklen
4. Kühlung          4,0°C        Pause

Der Reaktionsansatz enthielt je Probe:

       5 µl        2,5 x Puffer
     9,0 µl        dH2O
     0,5 µl        Primer (f oder r)
     1,5 µl        Big Dye

Es wurden standardmässig 4 µl PCR-Produkt eingesetzt, bei schwachen
Produkten wurde die Menge bis 10 µl Template variiert und die Gesamtmenge
durch den verminderten Einsatz von dH2O korrigiert. Das Sequenz Produkt wurde
mit Ethanol gefällt (siehe 2.3.4), anschliessend trocken und rückstandsfrei an das
Service Labor der Universitätsklinik Eppendorf gegeben. Die Auftrennung erfolgte
gelelektrophoretisch über den 377 DNA Sequencer von ABI Prism oder
kapillarelektrophoretisch am 3100 Genetic Analyser ebenfalls von ABI Prism. Die
chromatographischen Ergebnisse waren die Grundlage für die statistische
Auswertung.
2. Material und Methoden                                                        23

2.4   Auswertungsmethoden

Die chromatographischen Sequenzrohdaten wurden mit BioEdit (HALL 1999)
editiert und in GeneDoc (NICHOLAS et al. 1997) aligned. Die Varabilitätsindizes der
genetischen Diversität und der Nukleotiddiversität nach NEI (1987) wurden mit
dem Programm ARLEQUIN V 2000 (SCHNEIDER 2000) berechnet.
Für den populationsgenetischen Vergleich der verschiedenen Probenorte wurden
zwei Testverfahren angewandt. Zum einen wurde eine AMOVA (Analysis of
molecular Variance) durchgeführt: die AMOVA (EXCOFFIER et al. 1992) ist ein der
ANOVA (Analysis of Variance) analoger hierarchischer Ansatz, in dem die
Zuordnung von Unterschieden zwischen den Haplotypen auf verschiedenen
hierarchischen Ebenen als Analoga der FST (ΦST) genutzt wird (GONZÁLEZ et al.
1998). Die ΦST-Werte wurden (analog den FST-Werten) nach WRIGHT (1978)
interpretiert, so dass der Bereich von: 0 bis 0,05 eine geringe,
                                        0,05 bis 0,15 eine moderate,
                                        0,15 bis 0,25 eine große und
                                        über 0,25 eine sehr große Differenzierung
charakterisiert. Als Unterscheidungs-Matrix für die Berechnung wurde TAMURA &
NEI (1993) gewählt, da neben der Unterscheidung zwischen Transitionen und
Transversionen bei den Transitionen auch Unterschiede zwischen Purin und
Pyrimidin Substitutionen berücksichtigt werden. Inzwischen hat sich
herausgestellt, dass es innerhalb der Hypervariablen Regionen nochmals
„Hotspots“ für Mutationsraten gibt, während die meisten Stellen eher eine
geringere Anzahl von Veränderungen zeigen (HASEGAWA et al. 1993; TAMURA &
NEI 1993; WAKELEY 1993; EXCOFFIER & YANG 1999). Es wird versucht diese
Heterogenität mit Hilfe einer Gamma Verteilung zu modellieren (UZZELL & CORBIN
1971), da eine Vernachlässigung der Unterschiede zu einer falschen
Einschätzung der genetischen Distanzen zwischen Sequenzen (HASEGAWA et al.
1993; TAMURA & NEI 1993) und somit zu einer falschen Auflösung der
genealogischen Strukturen führen kann (FINNILÄ et al. 2001; ENDICOTT et al. 2003).
Daher wurde für die Varianzanalyse die von EXCOFFIER & YANG (1999) für die
menschliche HVR I des d-loops ermitteltete Gamma Korrektur von a = 0,39
angewendet.        Neben     der    AMOVA       wurde     der    ’Exakt-Test    für
Populationsdifferenzierung basierend auf den Haplotypenfrequenzen’ nach
RAYMOND & ROUSSET (1995) angewandt.                    Der Exakt–Test ist ein
Unabhängigkeitstest, der die beobachtete Verteilung mit einer Zufälligen
vergleicht. Die AMOVA und der Exakt-Test wurden mit ARLEQUIN V 2000
(SCHNEIDER 2000) berechnet.
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