Monat Die Zeitschrift - Ausgabe 1/2019 - Österreichischer Behindertenrat

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Monat Die Zeitschrift - Ausgabe 1/2019 - Österreichischer Behindertenrat
Die Zeitschrift
                   monat
                     Ausgabe 1/2019
Foto: AdobeStock

                       behindertenrat • www.behindertenrat.at • Aboservice Tel.: (01) 513 1 533 • Abo: 24,00 Euro /Ausland + Porto
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Monat Die Zeitschrift - Ausgabe 1/2019 - Österreichischer Behindertenrat
Foto: Privat
editorial
            D
                 ie erste Ausgabe des „monat“ 2019 behandelt das Thema EU-Wahl
                 2019 und politische Partizipation von Menschen mit Behinde-
                 rungen. Das Bundesministerium für Inneres veröffentlicht auf
            6 Seiten Informationen in Leichter Sprache zum Thema EU-Wahl und
            ermöglicht so Menschen mit Lernschwierigkeiten, sowie allen weiteren
            Nutzern und Nutzerinnen von Leichter Sprache eine barrierefreie Wahl
            (ab Seite 6). Zu diesem Thema erwarten Sie noch mehr Artikel im Heft,
            beispielsweise ein Interview mit österreichischen Kandidatinnen und
            Kandidaten der EU-Wahl (ab Seite 15) und ein Artikel darüber, warum
            diese Wahl gerade für Menschen mit Behinderungen so wichtig ist
            (ab Seite 12).

            Nutzen Sie die Chance zur Partizipation und gehen Sie wählen!

            Neben der anstehenden EU-Wahl beschäftigte uns in den letzten
            Monaten auch das neue Sozialhilfegesetz (früher: Mindestsicherung).
            Vor Wochen haben wir eine umfassende Stellungnahme zum neuen
            Gesetz eingebracht mit vielen Kritikpunkten. Diese Stellungnahme und
            intensive Gespräche mit dem Sozialministerium haben Wirkung gezeigt.
            Viele Punkte wurden gemäß unseren Vorschlägen verändert. Der nächste
            große Brocken ist das Thema Pflegereform – auch hier werde ich mich
            mit meinem Team im Österreichischen Behindertenrat für Menschen mit
            Behinderungen einsetzen. 

                         Herzliche Grüße und einen schönen Start in den Frühling!
                                                            Euer Herbert Pichler

                                                                  www.behindertenrat.at   3
Monat Die Zeitschrift - Ausgabe 1/2019 - Österreichischer Behindertenrat
Nachrichten                                                                                                 Ausgabe 1/2019

                  DAS FEHLT              Wahlheld:
                 Von
                 Gabriele Sprengseis     Andreas Zehetner
    A    lle Menschen haben ein
         Recht auf Gesundheit. Ge-
    sundheit ist für die gesellschaft-
                                         D  ie Europawahlen finden in Öster-
                                            reich am 25. Mai 2019 statt.

    liche Teilhabe und für die per-      In diesem Jahr spricht "Inclusion
    sönliche Lebensfreude wichtig.       Europe" darüber, wie die Wahlen
    Sie ist individuell und wird von     für Menschen mit Lernschwierig-
    vielen Faktoren bestimmt. Für        keiten barrierefrei gemacht werden
    Menschen mit Behinderungen           können. "Inclusion Europe" ist eine
    ist ein gleichberechtigter Zugang    Organisation für Menschen mit Lern-
    zum Gesundheitssystem noch           schwierigkeiten und ihren Familien.
    immer nicht möglich. Bei-            Inclusion Europe kämpft dafür, dass
    spielsweise haben Frauen mit         diese Menschen in Europa gleiche
    Behinderungen viel seltener          Rechte haben.
    gynäkologische Untersuchungen
    als Frauen ohne Behinderungen.       Jeden Monat spricht "Inclusion
    Das hat viele Gründe: mangelnde      Europe" mit einem „Wahlhelden“
    Barrierefreiheit der Ordinationen    oder einer „Wahlheldin“
    und der Geräte, fehlende             für ein Interview.
    Verfügbarkeit von Gebärden-          Wahlhelden und Wahlheldinnen sind
    sprachdolmetscherInnen oder          Menschen, die über
    das Fehlen von entsprechender        das Wahlrecht reden.
    Unterstützung für Menschen mit       Wahlheld im Februar war
    Lernschwierigkeiten. Es fehlen       Andreas Zehetner.                      Andreas Zehetner   Foto: Lebenshilfe Österreich
    Gesundheitsinformationen, die
    barrierefrei zur Verfügung stehen    Andreas Zehetner ist Mitglied der      in Leichter Sprache geben soll.
    und es fehlen ÄrztInnen sowie        Lenkungsgruppe der Europäischen        Wahllokale müssen barrierefrei
    Pflegepersonen, die auf die          Plattform der Selbstvertreter.         werden. Zum Beispiel für Menschen,
    Anforderungen für Menschen mit       Er ist Selbstvertreter bei Inclusion   die keine Treppen steigen können.“
    Behinderungen geschult sind.         Europes Mitglied Lebenshilfe Öster-
    Eine Begegnung auf Augenhöhe         reich und im Präsidium des Öster-      Warum ist es für Sie wichtig,
    ist so nicht möglich.                reichischen Behindertenrates.          wählen zu gehen?
    Oft bin ich im Pflege- und Be-       Andreas kämpft für Barrierefreiheit
    treuungszentrum NÖ in Mauer          in vielen Bereichen.                   Andreas Zehetner:
    zu Besuch. In das einzige Café,                                             „Es gibt 7 Millionen Menschen mit
    das vor kurzem erst renoviert        In Österreich haben Menschen unter     Lernschwierigkeiten in Europa.
    wurde, gelangt man nur nach          Sachwalterschaft schon seit 1988       Es ist wichtig, dass wir
    Überwindung von vier schweren        das Wahlrecht.                         im Europäischen Parlament gut
    Doppeltüren. Viele PatientInnen                                             vertreten sind.“ 
    und BewohnerInnen sind mobi-         Was muss noch getan werden,
    litätseingeschränkt und nutzen       damit Wählen in Österreich
    einen Rollstuhl. Das Café bleibt     barrierefrei wird?
    ihnen verschlossen.                                                          Mehr Informationen
    Inklusion ist hier noch lange        Andreas Zehetner:                       finden Sie hier:
    nicht angekommen.                   „Das Behinderten-Gleichstellungs-       bit.ly/WahlheldAndreas
                                         gesetz sagt, dass es Informationen

4          www.behindertenrat.at
Monat Die Zeitschrift - Ausgabe 1/2019 - Österreichischer Behindertenrat
Aus dem Inhalt                                                                                                     Ausgabe 1/2019

Editorial Herbert Pichler             3

Informationen zur EU-Wahl 2019
in Leichter Sprache                   6

Mitbestimmungsrecht nutzen!          12

EU-Wahl: KandidatInnen
im Gespräch                          15

"Es soll sich etwas ändern!"         20

"Es braucht Politiker*innen
mit Behinderungen!"                  22

Von Anfang an inklusiv!              26

Bergerlebnis für Alle!               30

Expertinnenliste macht Frauen
mit Behinderungen sichtbar           32

Nachruf: Martin Habacher             34

                                                                    Foto: Gregor Wenda                        Foto: Michael Janoussek

                                          D                                              K
 Liebe Leserin, lieber Leser!                   as Bundeministerium für                       andidatinnen und Kandidaten
 Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim              Inneres präsentiert auf 6 Seiten              aller sich zur EU-Wahl stellen-
 Lesen des neuen Heftes und freuen              Informationen zur EU-Wahl                     den Parteien antworteten dem
 uns über Ihre Rückmeldung an:            2019 und zum barrierefreien Wählen             Österreichischen Behindertenrat auf
 presse@behindertenrat.at                 in Leichter Sprache.                           die wichtigsten europäischen Fragen

 monat
                                                                                         zum Thema Behinderung.

     Gefördert aus den Mitteln des                              Seiten 6 bis 11                              Seiten 15 bis 19
     Sozialministeriums

IMPRESSUM: Medieninhaber: Österreichischer Behindertenrat · Herausgeber: Herbert Pichler · Redaktion:
Dr.in Gabriele Sprengseis (gs) - Mag.a Heidemarie Egger (he) · Adresse: 1100 Wien, Favoritenstraße 111/11, Tel.: 01
513 1533, Mail: presse@behindertenrat.at · Website: www.behindertenrat.at · Offenlegung nach dem Mediengesetz:
www.behindertenrat.at/impressum · Gestaltung, Anzeigenverkauf, Layout und Druck: Die Medienmacher GmbH ·
8151 Hitzendorf · Filiale: 4800 Attnang-Puchhheim, 07674 62 900, www.diemedienmacher.co.at Nachdruck nur nach
ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung der Redaktion gestattet. · Nicht alle Artikel entsprechen unbedingt der Mei-
nung der Redaktion. Wir haben das Ziel, eine möglichst breite Diskussionsbasis für behindertenpolitische Themen und
Standpunkte zu schaffen und die Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen zu erhöhen. · Bankverbindung: easy-
bank, IBAN: AT85 1420 0200 1093 0600, BIC: EASYATW1 DVR 08 67594 · ZVR-Zahl: 413797266 · Erscheinungsort Wien.

                                                                                                www.behindertenrat.at             5
Monat Die Zeitschrift - Ausgabe 1/2019 - Österreichischer Behindertenrat
Bundesministerium für Inneres

                                                               Informationen zur EU-Wahl 2019
                                                               in Leichter Sprache
                                                               Alle Menschen haben das Recht,
                                                               sich selbst und ohne Hilfe von Anderen
                                                               informieren zu können.
                                                               Aber viele Menschen haben Probleme,
                                                               die Behörden-Sprache zu verstehen,
                                                               weil die Sprache für sie zu schwer ist.

                                                               Österreich ist eine Demokratie.
                                                               Das heißt, die Österreicherinnen und die Österreicher wählen die Personen,
                                                               die sie vertreten.

                                                               Bei der Europa-Wahl wählen die Österreicherinnen und Österreicher
                                                               Abgeordnete für das Europäische Parlament.
                                                               Wenn eine Person wählen will, ist es gut, wenn sie sich davor über die Wahl informieren kann.

                                                               Das Bundes-Ministerium für Inneres stellt deshalb Informationen in leichter Sprache zur Verfügung.
                                                               Die Texte in leichter Sprache sind ein Zusatzangebot und sollen Sie nur informieren.
                                                               Rechtsgültig sind nur die Gesetze. Die Texte in leichter Sprache sind keine rechtliche Beratung.

                                                               Das Europäische Parlament
                                                               Das Europäische Parlament vertritt die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union.
                                                               Das Europäische Parlament trifft wichtige Entscheidungen für die Europäische Union.
                                                               Im Moment werden ungefähr 500 Millionen Bürgerinnen und Bürger aus den Mitglieds-Staaten durch
                                                               das Europäische Parlament vertreten.

                                                               Die Mitglieder des Europäischen Parlaments heißen auch Abgeordnete.
                                                               Jeder Mitglied-Staat ist durch seine gewählten Mitglieder im Europäischen Parlament vertreten.
                                                               Österreich hat als Mitglied-Staat der Europäischen Union das Recht,
                                                               im Europäischen Parlament durch Abgeordnete vertreten zu sein.
Entgeltliche Einschaltung des Bundesministeriums für Inneres

                                                               Die Wahl zum Europäischen Parlament findet in Österreich am 26. Mai 2019 statt.

                                                               Die Funktions-Periode des Europäischen Parlaments dauert 5 Jahre.
                                                               Das heißt, das Europäische Parlament wird immer nach 5 Jahren neu gewählt.

                                                               Die Wahlen finden normalerweise immer im gleichen Zeitraum statt.
                                                               In allen Mitglied-Staaten der Europäischen Union wird zwischen Donnerstag und Sonntag gewählt.
                                                               In Österreich wird am Sonntag, 26. Mai 2019, gewählt.

                                                               6       www.behindertenrat.at
Monat Die Zeitschrift - Ausgabe 1/2019 - Österreichischer Behindertenrat
Ausgabe 1/2019

Europäisches Parlament											                                                            Foto: Gregor Wenda

Wer darf bei der Europa-Wahl wählen?
Aktiv wahlberechtigt heißt, dass man wählen darf.
Aktiv wahlberechtigt sind Sie, wenn Sie spätestens am Tag der Wahl 16 Jahre alt sind und
• Österreicherin oder Österreicher sind oder
• nicht-österreichische Bürgerin oder nicht-österreichischer Bürger der Europäischen Union sind
   und in Österreich Ihren Hauptwohnsitz haben.

Sie müssen am Stichtag in der Europa-Wählerevidenz einer österreichischen Gemeinde eingetragen sein.
Eine Evidenz ist ein besonderes Verzeichnis, in dem alle Wählerinnen und Wähler stehen.
Sie dürfen nicht wegen einer gerichtlichen Verurteilung von der Wahl ausgeschlossen sein.

Welche Grundsätze gibt es für die Europa-Wahl?
Es gilt das Verhältnis-Wahlrecht.
Das heißt, die Sitze im Parlament werden verhältnismäßig
nach der Verteilung der Wähler-Stimmen vergeben.

In Österreich werden grundsätzlich Parteien gewählt.
Jede Partei hat auf ihrem Wahlvorschlag Namen von Kandidatinnen und Kandidaten.
Diese werden in einer bestimmten Reihenfolge festgelegt.

Sie können auch eine Vorzugs-Stimme vergeben, wenn Sie möchten.
Eine Vorzugs-Stimme ist eine zusätzliche Entscheidung für
eine bestimmte Kandidatin oder einen bestimmten Kandidaten der Partei, die Sie gewählt haben.
Durch Ihre Vorzugs-Stimme können Sie eine Person vorreihen.
Eine Liste mit allen Namen finden Sie im Wahllokal.
Wenn Sie mit Briefwahl wählen, bekommen Sie die Liste mit der Post.

Es gibt keine Wahlpflicht. Das heißt, Sie dürfen wählen, aber Sie müssen nicht.

                                                                           www.behindertenrat.at            7
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Bundesministerium für Inneres

Wählen im Wahllokal
Am Sonntag, 26. Mai 2019, findet in Österreich die Europa-Wahl statt.
Bei der Europa-Wahl können Sie mitbestimmen,
welche Parteien im Europa-Parlament vertreten sein sollen.
Sie können auch eine Vorzugs-Stimme für eine bestimmte Kandidatin oder
einen bestimmten Kandidaten abgeben.

Amtliche Wahlinformation
Sie bekommen in den meisten Gemeinden eine amtliche Wahl-Information.
Diese Wahl-Information kommt 2-3 Wochen vor der Wahl mit der Post.
In der Wahl-Information steht
• welches Ihr Wahllokal ist
• ob es barrierefrei ist.

Wie wählen Sie im Wahllokal?
1. Am 26. Mai 2019 gehen Sie in das Wahllokal.
2. Im Wahllokal nennen Sie Ihren Namen und zeigen Ihren Lichtbild-Ausweis.
3. Sie bekommen von der Wahlleiterin oder dem Wahlleiter
     den amtlichen Stimmzettel und ein leeres blaues Wahlkuvert.
4.   Sie geben Ihre Stimme in der Wahlzelle ab.
     Sie kreuzen die Partei an, die Sie wählen wollen.
5.   Wenn Sie eine Behinderung haben und ohne fremde Hilfe nicht wählen können,
     darf eine Begleitperson Ihnen helfen und Sie auch in die Wahlzelle begleiten.
6.   Geben Sie den ausgefüllten Stimmzettel in das blaue Kuvert.
7.   Werfen Sie das Kuvert in die Wahlurne ein.
     Oder geben Sie das Kuvert der Wahlleiterin oder dem Wahlleiter.
     Die Wahlleiterin oder der Wahlleiter wirft dann das Kuvert in die Wahlurne.

Wie sieht der Stimmzettel aus?                                                                                          Amtlicher Sti

                                                                                                                                  für die
                                                                                                                                          mmzettel

                                                                                                                  Wahl der öste
                                                                                                                               rreichischen
                                                                                                                                             Mitglieder
                                                                                                                      des Europäisch

Auf dem Stimmzettel stehen die Namen der Parteien, die Sie wählen können.
                                                                                                                                     en Parlaments

                                                                                                                            am XX. XXXXX
                                                                                                                                            XXXX

Sie kreuzen die Partei an, die Sie wählen wollen.                                   Liste
                                                                                             Für die gewäh
                                                                                            Partei im Kreis
                                                                                                            lte
                                                                                                            ein

Wenn Sie mehr Parteien ankreuzen,
                                                                                     Nr.                             Kurz-
                                                                                                   X              bezeichnung
                                                                                                                                                            Bezeichnung
                                                                                                                                                           Bewerbers oder
                                                                                                                                                                          eines
                                                                                               einsetzen!                            Parteibezeich
                                                                                                                                                  nung    Bewerberin (Nameeiner
                                                                                                                                                          oder Reihungsnum und/
                                                                                                                                                            durch den Wählemer)
                                                                                                                                                                             r
                                                                                    1                                                                         (die Wählerin)

ist ihr Stimmzettel ungültig und ihre Stimme zählt nicht.                          2

                                                                                3
Neben den Namen der Parteien ist ein freies Feld für die Vorzugs-Stimme.
                                                                                4
Hier können Sie den Namen einer Kandidatin oder eines Kandidaten
                                                                               5
hinschreiben. Oder die Nummer dieser Kandidatin oder des Kandidaten.
Eine Liste mit allen Namen und Nummern finden Sie im Wahllokal.
Wenn Sie mit Briefwahl wählen, bekommen Sie die Liste mit der Post.
Die Kandidatin oder der Kandidat muss von der Partei sein,
die Sie gewählt haben.
Sonst ist die Stimme für die Kandidatin oder den Kandidaten nicht gültig.

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Monat Die Zeitschrift - Ausgabe 1/2019 - Österreichischer Behindertenrat
Ausgabe 1/2019

Barrierefrei wählen
Menschen mit Behinderungen müssen
barrierefrei wählen können.
In Österreich hat man dafür mehrere
Möglichkeiten.

1. Im Wahllokal
   barrierefrei wählen
In jeder Gemeinde sollte es mindestens ein
Wahllokal geben, wo Sie barrierefrei wählen
können.
Ob Ihr Wahllokal barrierefrei ist,
steht in der amtlichen Wahlinformation.
Wenn Sie nicht in Ihrem Wahllokal wählen
können, dürfen Sie in jedem anderen
Wahllokal in Österreich wählen.
Das können Sie zum Beispiel machen,             Barrierefreie Wahlkabine		                      Foto: Gregor Wenda

wenn Ihr Wahllokal nicht barrierefrei ist.

Dazu brauchen Sie eine Wahlkarte.
Sie müssen die Wahlkarte rechtzeitig in Ihrer Gemeinde beantragen.
In das Wahllokal müssen Sie einen Lichtbild-Ausweis mitnehmen.
Das ist zum Beispiel:
• ein Reisepass
• ein Behinderten-Ausweis
• ein Führerschein oder
• ein Personal-Ausweis.

Wie können blinde und stark sehbehinderte Menschen wählen?
In jedem Wahllokal gibt es Stimmzettel-Schablonen.
Mit der Schablone können blinde Menschen den Stimmzettel ohne Unterstützung geheim ausfüllen.
Blinde oder stark sehbehinderte Wählerinnen und Wähler haben das Recht,
sich von einer selbst ausgewählten Begleitperson führen zu lassen.
Diese Begleitperson darf auch beim Wählen helfen.
Nach der Wahl nehmen Sie die Stimmzettel-Schablone mit.
Sie können in das Wahllokal einen Blindenführ-Hund mitnehmen.

Wer darf eine Begleitperson in die Wahl-Kabine mitnehmen?
Sie haben eine Behinderung und können nicht alleine wählen?
Sie haben das Recht, dass Sie von einer selbst ausgewählten Begleitperson dabei unterstützt werden.
Sie müssen der Wahlleiterin oder dem Wahlleiter aber sagen,
dass Sie mit dieser Begleitperson in die Wahlzelle gehen wollen.

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Bundesministerium für Inneres

2. Die Briefwahl
Sie können auch mit Briefwahl wählen. Dazu brauchen Sie auch eine Wahlkarte.
Das können Sie zum Beispiel machen, wenn Sie am Wahltag nicht zu Hause sind.
Sie können auch im Ausland mit Briefwahl wählen.
Sie können die Wahlkarte in der Gemeinde beantragen, wo Ihr Hauptwohnsitz ist.
Sie füllen dann den amtlichen Stimmzettel persönlich, unbeobachtet und unbeeinflusst aus.
Das heißt, Sie wählen ganz alleine.
Niemand darf Ihnen sagen, wen Sie wählen sollen. Niemand darf Ihnen dabei zusehen.

Wann bekommen Sie Ihre Wahlkarte?
Der Versand der Wahlkarte beginnt knapp 3 Wochen vor dem Wahltag.
Sie können die Stimme sofort abgeben, wenn Sie die Wahlkarte bekommen haben.
Sie müssen nicht bis zum Wahltag damit warten.

Die Wahlkarte ist ein verschließbares Kuvert.
In der Wahlkarte befinden sich:
• der amtliche Stimmzettel,
• ein Wahlkuvert und
• ein Informationsblatt.

Wie funktioniert die Briefwahl?
1. Nehmen Sie den amtlichen Stimmzettel und das Wahlkuvert heraus.
2. Füllen Sie den amtlichen Stimmzettel persönlich, unbeobachtet und unbeeinflusst aus.
     Das heißt, Sie wählen ganz alleine. Niemand darf Ihnen sagen, wen Sie wählen sollen.
     Niemand darf Ihnen dabei zusehen.
3.   Legen Sie den ausgefüllten Stimmzettel in das Wahlkuvert.
4.   Kleben Sie das Wahlkuvert zu und geben Sie es in die Wahlkarte zurück.
5.   Auf der Wahlkarte gibt es ein Feld mit der Überschrift:
     Eidesstattliche Erklärung bei einer Stimmabgabe mittels Briefwahl.
     Sie müssen mit Ihrer Unterschrift erklären, dass Sie den amtlichen Stimmzettel persönlich,
     unbeobachtet und unbeeinflusst ausgefüllt haben.
     Das heißt, dass Sie den Stimmzettel alleine und wirklich genau so ausgefüllt haben.
6.   Kleben Sie die Wahlkarte zu.
7.   Sorgen Sie dafür, dass die Wahlkarte rechtzeitig bei der zuständigen Bezirkswahl-Behörde ankommt.
     Sie können die Wahlkarte zum Beispiel:
     • in einen Briefkasten der Post einwerfen,
     • auf einer Post-Geschäftsstelle aufgeben oder
     • bei der zuständigen Bezirkswahl-Behörde direkt abgeben.

Wenn Sie die Wahlkarte mit der Post schicken, bezahlt der Bund die Kosten.
Die Wahlkarte muss spätestens am Tag der Wahl bei der zuständigen Wahl-Behörde angekommen sein.
Werfen Sie das Briefwahl-Kuvert daher schon ein paar Tage vorher in den Briefkasten.

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Ausgabe 1/2019

3. fliegende Wahlbehörde
Möchten Sie wählen, obwohl Sie zum Beispiel krank sind oder nicht gut gehen können?
Dann können Sie den Besuch einer fliegenden Wahlbehörde beantragen.
Die fliegende Wahlbehörde ist eine besondere Wahlbehörde.
Sie besucht Sie an dem Ort, an dem Sie am Wahltag sind.
Sie können dann dort Ihre Stimme abgeben.
Sie brauchen auch dafür eine Wahlkarte.

Wie beantragen Sie eine Wahlkarte?
Wenn Sie am Wahltag nicht in Ihr Wahllokal gehen können, können Sie mit einer Wahlkarte wählen.
Die Wahlkarte ist ein verschließbares weißes Kuvert.
In der Wahlkarte finden Sie den amtlichen Stimmzettel und ein Wahlkuvert.
Mit der Wahlkarte können Sie:
• in jeder Gemeinde in Österreich Ihre Stimme abgeben oder
• vor einer fliegenden Wahlbehörde wählen oder
• die Briefwahl ausüben.

Sie können die Wahlkarte entweder
persönlich oder schriftlich beantragen.

Schriftlich können Sie
die Wahlkarte beantragen:
• mit der Post
• mit E-Mail oder
• über das Internet oder
• mit Fax.

Sie können die Wahlkarte
nicht per Telefon beantragen!
                                                                                            Foto: Gregor Wenda
Sie können die Wahlkarte schriftlich bis zum 22. Mai 2019 beantragen.

Sie können die Wahlkarte persönlich bei der Gemeinde bis spätestens
24. Mai 2019 um 12 Uhr beantragen und bekommen Sie gleich mit.

Achtung: Die Wahlkarte ist nicht das gleiche wie die amtliche Wahlinformation!

 Bundes-Ministerium für Inneres
 Auf der Homepage des Bundes-Ministeriums für Inneres finden Sie noch mehr und
 genauere Informationen über die Europa-Wahl in Leichter Sprache.
 Ein Überblick: www.europa-wahl.at
 Sie können ab 23. April 2019 auch diese Hotline anrufen: 08 00 20 22 20

                                                                          www.behindertenrat.at         11
EU-Wahl

Mitbestimmungsrecht nutzen!
Wahl des Europäischen Parlaments 2019			                                                      Von Gudrun Eigelsreiter

V
      on 23. bis 26. Mai 2019 wird das Europäische           von Menschen mit Behinderungen als Ziel vorgesehen.
      Parlament in allen EU-Mitgliedsstaaten neu ge-         Unter zwei Bedingungen werden finanzielle Mittel aus
      wählt. Die Wahlen zum Europäischen Parlament fin-      dem Fonds an Projekte in den Mitgliedsstaaten vergeben:
den alle 5 Jahre statt. Das EU-Parlament ist die einzige     sie müssen nach den Prinzipien der Nicht-Diskriminierung
europäische Institution, sowie supranationale Orga-          und Barrierefreiheit ausgerichtet sein. Die finanziellen
nisation, die von den EU-BürgerInnen direkt gewählt          Mittel des ESF sollen auch die Inklusion in den Arbeits-
wird und nimmt damit weltweit eine Vorbildfunktion in        markt unterstützen. In Österreich gibt es viele kofinan-
Sachen Demokratie ein.                                       zierte Arbeitsmarktprojekte für Menschen mit Behin-
                                                             derungen, wie beispielsweise das Netzwerk beruflicher
Wer darf wählen?                                             Assistenz (NEBA).
In Österreich dürfen alle Menschen ab 16 Jahren mit
österreichischer Staatsbürgerschaft oder EU-BürgerInnen      EDF-Manifest
mit Hauptwohnsitz in Österreich an nationalen und            Das EDF hat beim 4. Europäischen Parlament der Men-
europäischen Wahlen teilnehmen, auch Menschen mit            schen mit Behinderungen im Dezember 2017 im Hinblick
Behinderungen. Es gibt die Möglichkeit per Wahlkarte         auf die nächsten EU-Wahlen ein Manifest beschlossen,
zu wählen sowie durch „fliegende Wahlkommissionen“,          das folgende Punkte enthält:
die z.B. bettlägerige Personen aufsuchen. In vielen
EU-Mitgliedsstaaten wird Menschen mit Behinderungen          1. Barrierefreie und inklusive europäische Wahlen
jedoch ihr Recht, an politischen Wahlen teilzunehmen,           mit barrierefreien Wahllokalen und barrierefreien
verwehrt. Laut Ergebnis einer aktuellen Studie des              Wahlinformationen
Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses dürfen       2. Eine umfassende, neue „Europäische Behinderten-
Menschen mit Behinderungen in 16 EU-Mitgliedsstaaten            strategie 2021-2030“ mit eigenem Budget für die
nicht wählen. In 18 EU-Mitgliedsstaaten können blinde           Umsetzung von politischen Maßnahmen und Einbin-
Menschen sowie Menschen mit Sehbehinderungen nicht              dung von Menschen mit Behinderungen und ihrer
selbstständig wählen, da keine Wahlschablonen vorhan-           Organisationen
den sind und ihnen ein/e WahlassistentIn zur Verfügung       3. Eine Europäische Säule der Sozialen Rechte, welche
gestellt wird, die sie sich nicht selbst aussuchen können.      die Lebensbedingungen von Menschen mit Behinde-
                                                                rungen und ihrer Familien verbessert.
EU und die UN-BRK                                            4. Ein barrierefreies Europa, z.B. durch Gesetze wie
Die EU und auch alle ihre Mitgliedsstaaten haben                den European Accessibility Act oder Schaffung eines
mittlerweile die UN-Konvention über die Rechte von              europaweit barrierefreien Transportsystems
Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) ratifiziert und          5. Ein Europa der Menschenrechte: dazu bräuchte es
sich somit auch zu ihrer Umsetzung verpflichtet. Aus            eine „horizontale Gleichstellungsgesetzgebung“ –
Artikel 29 UN-BRK geht klar hervor, dass die Teilhabe am        also Gleichstellung von Menschen mit Behinderun-
politischen und öffentlichen Leben für alle Menschen mit        gen als Querschnittsmaterie aller Politikbereiche.
Behinderungen gewährleistet werden muss.
                                                             Barrierefreie Wahlinformationen
Seit 2011 ist die UN-BRK innerhalb der EU in Kraft und       Barrierefrei zugängliche Informationen im Vorfeld von
ist somit der erste Menschenrechtsvertrag zu dessen Um-      Wahlen sind wichtig, um eine fundierte Wahlentschei-
setzung sich eine supranationale Organisation wie die        dung treffen zu können. Artikel 29 der UN-BRK über die
EU verpflichtet hat. Die „Europäische Behindertenstra-       „Teilnahme am politischen und öffentlichen Leben“ legt
tegie 2010-2020“ soll der Implementierung der UN-BRK         dar, dass die Vertragsstaaten Menschen mit Behinderun-
innerhalb der EU dienen. Auch die Europäischen Struk-        gen ihre politischen Rechte garantieren müssen. Dies
tur- und Investmentfonds, vor allem der ESF (Europäi-        schließt mit ein, Wahlmaterialien leicht verständlich und
scher Sozialfonds) haben die gesellschaftliche Inklusion     barrierefrei zugänglich zu gestalten.

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Ausgabe 1/2019

                                                                                                              Foto: Pixabay

Warum wählen?                                              Welche Fraktionen kann man wählen?
Die EU-Parlamentswahl 2019 bestimmt, welche Abgeord-       Es gibt 8 Fraktionen im EU-Parlament. In folgenden
neten für die nächsten fünf Jahre das politische Gesche-   6 Fraktionen sind österreichische ParlamentarierInnen
hen in Europa beeinflussen. Die EU hat in Bereichen wie    vertreten: EVP (ÖVP), S&D (SPÖ), ALDE (NEOS), Grüne/
Binnenmarkt oder Sozialpolitik unmittelbaren Einfluss      EFA (die Grünen) und ENF (FPÖ).
auf die Gesetzgebung ihrer Mitgliedsstaaten und spielt
auch für die Beseitigung der Diskriminierung von           Die Disability Intergroup
Menschen mit Behinderungen schon lange eine                Die gesellschaftliche Inklusion von Menschen mit
bedeutende Rolle.                                          Behinderungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen
                                                           und Barrierefreiheit in all ihren Dimensionen (bauliche,
Jüngstes Beispiel dafür ist der European Accessibility     soziale, kommunikative) sicherzustellen, sind auch die
Act. Zu den Aufgaben des EU-Parlaments zählt auch die      Ziele der interfraktionellen Arbeitsgruppe Behinderung
Abstimmung über Gesetzesentwürfe der EU-Kommission         („Disability Intergroup“) des EU-Parlaments.
und etwaige Abänderung, die Kontrolle der EU-Kommis-       Der Österreichische Behindertenrat arbeitet gemeinsam
sion und des EU-Rats – beide Institutionen müssen dem      mit dem EDF daran, dass mehr EU-Parlamentarier sich
EU-Parlament Berichte über ihre Tätigkeiten vorlegen       dieser Disability Intergroup anschließen, um somit der
und die Wahl des EU-Kommissions-Präsidenten.               Einhaltung sowie Erweiterung der Rechte von Menschen
                                                           mit Behinderungen mehr Nachdruck zu verleihen.
Außerdem beschließt das EU-Parlament gemeinsam mit
dem EU-Rat das EU-Budget. Durch den Ausstieg Groß-         Das politische Mitbestimmungsrecht ist ein integraler
britanniens aus der EU wird es einen Einschnitt in den     Bestandteil einer Demokratie und das Recht aller
finanziellen Mitteln geben und es besteht das Risiko,      Bürgerinnen und Bürger, selbstverständlich auch von
dass das EU-Budget im sozialen Bereich gekürzt wird.       jenen 80 Millionen EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern die
Dies wird auch Auswirkungen auf Projekte und Maßnah-       mit Behinderungen leben.
men für Menschen mit Behinderungen haben. Deshalb          Um die Entwicklung in diese Richtung nachhaltig zu
ist es essentiell sich über die Positionen der EU-Par-     beeinflussen, ist es sehr wichtig, wählen zu gehen. 
laments Fraktionen zu informieren, beispielsweise zur
Sozialpolitik, und wählen zu gehen.

                                                                                      www.behindertenrat.at          13
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EU-Wahl                                                                                                                    Ausgabe 1/2019

Die Positionen der KandidatInnen
Interviews zur EU-Wahl 2019			                                                    Von Gabriele Sprengseis und Heidemarie Egger

I
    m Februar und März 2019 fanden Interviews mit                       schriftlich. Mit diesen Gesprächen wurden die Positionen
    Kandidatinnen und Kandidaten aller zu diesem                        der Parteien zum Thema Behinderung im EU-Kontext
    Zeitpunkt zur Wahl stehenden Parteien statt. Grund-                 erfragt und auch wichtige Sensibilisierungsarbeit für das
sätzlich waren alle interessiert an einem Interview                     Thema Behinderung geleistet.
zum Thema Behinderung und nahmen sich die Zeit für                      Auf den folgenden vier Seiten finden Sie Antworten auf
ausführliche Gespräche. Herr Vilimsky musste das verein-                die fünf brennendsten aktuellen behindertenpolitischen
barte Gespräch aus gesundheitlichen Gründen absagen                     Fragen für Menschen mit Behinderungen zur EU-Wahl.
und übermittelte uns die Antworten auf unsere Fragen                    Die KandidatInnen kommen alphabetisch zu Wort. 

Gabriele Sprengseis und Claudia Gamon               Foto: Felix Egger   G. Eigelsreiter, A. Brandstetter, O. Karas   Foto: Michael Janoussek

Andreas Schieder und Gabriele Sprengseis    Foto: Michael Janoussek     Monika Vana und Herbert Pichler               Foto: Michael Janoussek

Harald Vilimsky    			                     Foto: Harald Vilimsky, FPÖ   J. Voggenhuber, G. Sprengseis, H. Pichler            Foto: Alex Böhm

                                                                                                       www.behindertenrat.at           15
EU-Wahl

Claudia Gamon, NEOS        Foto: Felix Egger   Othmar Karas, ÖVP          Foto: Janoussek   Andreas Schieder, SPÖ      Foto: Janoussek

Frage 1: Derzeit wird an der nächsten EU Behindertenstrategie (2021-2030) gearbeitet.
Wie kann es zu einer starken EU Behindertenstrategie kommen?

Wie bei vielen anderen Bereichen               Nach der Neuwahl des EU-Parlaments           Die derzeitige Behindertenstrategie
in Europa wird eine Strategie erst             muss eine Kommissionsstrategie               läuft bis 2020 und spricht die richti-
dann wirksam, wenn konkrete und                beschlossen werden. Bei der Neuwahl          gen Punkte an. Bei einer Verlänge-
messbare Ziele gesetzt und mittels             des EU-Kommissionspräsidenten                rung bzw. bei einer neuen Strategie
Monitoring nachgewiesen werden.                muss eine der Forderungen des Parla-         geht es darum, wie Zugänglichkeit
Ein eigenes Budget ist dafür wichtig.          ments sein, dass er oder sie sich dazu       und Barrierefreiheit definiert werden
Das hat mit Wertschätzung zu tun.              erklärt. Die Kommissionsstrategie            und welche Möglichkeit der Umset-
"Es zeigt sich in Europa und auch              muss einerseits eine Umsetzungs-             zung geschaffen werden. "Zusätzlich
national, wenn kein Geld hinterlegt            stragie der UN-Behindertenrechts-            dazu ist Barrierefreiheit ein Quer-
ist, dann ist es schwierig, etwas wei-         konvention sein und andererseits die         schnittsthema und muss überall
ter zu bringen", stellt Gamon fest.           Sicht der Betroffenen selbst, einge-         mitgedacht werden", hält Schieder
                                               bracht durch das European Disability         fest. 
                                               Forum, berücksichtigen. 

Frage 2: Nach den Trilogverhandlungen steht nun ein Entwurf des European Accessibility Acts (EAA) fest.
Wie wollen Sie die Umsetzung des EAA unterstützen?

Es liegt nun an den nationalen                 "Menschen mit Behinderungen müs-             "Es ist gut, wenn es europäische
Politikerinnen und Politikern den              sen von den Vorteilen der Europäi-           Richtlinien und Standards gibt" hält
European Accessibility Act umzuset-            schen Union profitieren können, ge-          Schieder fest. Gerade bei der bau-
zen. "Es wäre schön, wenn Öster-               rade was die Produktanforderungen            lichen Barrierefreiheit geht es um
reich hier ein Best-Practice Land              oder die Barrierefreiheit betrifft"          Selbstbestimmung. Unternehmen
wäre", wünscht sich Gamon. Die                 hält Karas fest. Der nächste wichtige        sagen oft, Menschen mit Behinde-
persönliche Freiheit von jedem Men-            Schritt für den EAA ist, dass der eu-        rungen könnten anläuten und es
schen in Europa wird in der liberalen          ropäische Rat dieses Trilogergebnis          würde ihnen dann geholfen werden.
Fraktion sehr hoch geschätzt.                 beschließt. Durch die Einrichtung            Menschen mit Behinderungen wol-
                                               einer begleitenden Gruppe könnten            len diese Art von Angewiesenheit
                                               Vorschläge für die Umsetzung und             nicht. Dafür müsse Bewusstsein in
                                               für Verbesserungen eingebracht               der Gesellschaft geschaffen werden,
                                               werden.                                     fordert Schieder. 

16       www.behindertenrat.at
Ausgabe 1/2019

Monika Vana, Die Grünen   Foto: Janoussek   Harald Vilimsky, FPÖ          Foto: FPÖ   Johannes Voggenhuber, Initiative 1
                                                                                      Europa (Liste Jetzt)       Foto: Alex Böhm

Frage 1: Derzeit wird an der nächsten EU Behindertenstrategie (2021-2030) gearbeitet.
Wie kann es zu einer starken EU Behindertenstrategie kommen?

Die Erfahrung mit diesen Strategien         Es ist notwendig, sich auf die wich-      Voggenhuber sieht den Weg zur
zeigt, dass es verbindliche Maßnah-         tigsten Problembereiche zu konzen-        Inklusion nicht nur in der Behinder-
men und ein Budget geben muss.              trieren, um Menschen mit Behinde-         tenstrategie. Der Rechtsweg steht
Viele Strategien klingen nur am             rungen einen ganzheitlichen Ansatz        ebenfalls offen, um im nationalen
Papier gut und es fehlt an Geld und         für die noch lange nicht abgeschlos-      Recht Verbindlichkeiten zu schaffen.
am Willen der Mitgliedsstaaten zur          sene Inklusion in der Gesellschaft        Anti-Diskrimnierung ist laut Voggen-
Umsetzung. "Es muss von Anfang              bieten zu können. "Ich erwarte mir        huber "eine relativ starke Rechts-
an Druck gemacht werden, nicht              nicht nur eine aktuelle Evaluierung,      ebene" und bis zum EuGH einklagbar.
nur was die Inhalte der Strategie,          sondern werde auch die zuständi-          "Es besteht die Möglichkeit Präze-
sondern auch was die verbindlichen          gen Kommissionsdirektionen bitten,        denzfälle zu schaffen. Die Kommission
Umsetzungsmaßnahmen anbelangt",             anhand einer Benchmarkanalyse alle        macht aus Präzedenzfällen dann
fordert Vana.                              2015 kritisierten Bereiche selbst zu      allgemeines Recht", zeigt Voggen-
                                            bewerten", plant Vilimsky.               huber einen weiteren Weg auf. 

Frage 2: Nach den Trilogverhandlungen steht nun ein Entwurf des European Accessibility Acts (EAA) fest.
Wie wollen Sie die Umsetzung des EAA unterstützen?

"Mit dem European Accessibility Act         Die FPÖ-Abgeordneten haben am             Barrierefreiheit sei für Menschen
wurde ein wichtiger Schritt vorwärts        14. September 2017 den im Fokus           mit Behinderungen essentiell, ist
gemacht, aber der EAA geht nicht            stehenden Bericht über Barriere-          Voggenhuber überzeugt. "Vieles, was
weit genug", ist Vana überzeugt.            freiheitsanforderungen für Produkte       ich da weiß, habe ich von Theresia
Das EU Parlament hätte eine pro-            und Dienstleistungen im Europäi-          Haidlmayr, mit der ich viele Jahre
gressivere Position gehabt und die          schen Parlament mitgetragen.              gemeinsam Politik gemacht habe.
Umsetzungsfristen seien zu lang,            "Darüber hinausgehend unterstützten       Sie war früher meine ganz persönli-
gibt Vana zu Bedenken. Die Mit-             wir Forderungen zur Schaffung einer       che Informationsquelle", berichtet
gliedstaaten haben blockiert. Jetzt         Folgenabschätzung, um zu verdeut-         Voggenhuber. 
muss darauf geachtet werden, dass           lichen, welche Stellen zusätzlichen
der European Accessibility Act auch         Handlungsbedarf bedürfen", berich-
von den Mitgliedstaaten umgesetzt           tet Vilimsky. 
wird. 

                                                                                              www.behindertenrat.at         17
EU-Wahl

              Claudia Gamon                             Othmar Karas                              Andreas Schieder
              NEOS                                      ÖVP                                       SPÖ

Frage 3: Die von der EU Kommission initiierte EU-Disability Card (europäischer Behindertenpass) wird nur in 8
Ländern angeboten. Österreich ist nicht dabei. Wie stehen Sie zu dem Projekt eines europäischen Behindertenpasses?

Innerhalb der EU gibt es große           "Der europäische Behindertenpass           Bis jetzt gibt es den europäischen
Unterschiede, wie Behinderung defi-      muss kommen, am besten in allen            Behindertenpass in acht Ländern. Es
niert wird. "Der Europäische Behin-      Mitgliedsstaaten", fordert Karas und       fehlen noch die großen Länder und
dertenpass kann ein wichtiger erster     fände eine rasche Einführung in Ös-        auch die skandinavischen Länder.
Schritt dahin sein, allen EuropäerIn-    terreich erfreulich. Das Grundproblem      "Mir erscheint ein europäischer Be-
nen ihre Rechte zu garantieren", so      ist, dass es noch keine Anerkennung        hindertenpass sinnvoll", so Schieder.
Gamon. Die Personenfreizügigkeit         des Behindertenstatus zwischen den         Die EU gründet sich auf mehrere
für Menschen mit Behinderungen ist       Mitgliedsstaaten gibt. Daran müsse         Freiheiten, eines davon ist die Per-
in Europa nicht gegeben. Das sollte      gemeinsam gearbeitet werden, hält          sonenfreizügigkeit. Die Verankerung
eine prioritäre Herausforderung in       Karas fest.                               des Prinzips der Freizügigkeit gilt für
der nächsten Periode der EU sein.                                                  alle Menschen. 

Frage 4: Auf EU-Ebene gibt es kaum statistische Daten zu Menschen mit Behinderungen.
Wie kann das EU-Parlament die Sammlung statistischer Daten zu Menschen mit Behinderungen unterstützen?

                                                                                    Schieders Erfahrung ist, dass dort
"Wir sind grundsätzlich große            Das EU-Parlament hat im Februar            wo es gute Statistiken über Fra-
Fans einer evidenzbasierten Poli-        über die Verordnung zur Sammlung           gestellungen gibt, Diskussionen
tik und unterstützen das, immer          von statistischen Daten abgestimmt         sachlicher geführt werden. Oft ist
aber auch mit dem Fokus auf einen        und gezeigt, das es Daten zu Men-          die Verweigerung von Statistik der
ausreichenden Datenschutz" erklärt       schen mit Behinderungen sammeln            erste Schritt, um politische Maßnah-
Gamon. Auf einzelne Fälle sollen         will. Die Verhandlungen mit den            men zu verhindern. "Wenn es wenig
keine Rückschlüsse gezogen werden        Mitgliedsstaaten darüber stehen noch       statistisches Material über Menschen
können. Es wäre sinnvoll, wenn man       aus. "In den Mitgliedsstaaten muss         mit Behinderungen gibt, werden
die Behindertenstrategie mit Budget      nun Druck gemacht werden, dass             auch weniger politische Diskussionen
hinterlegt, um zu einer gemeinsa-        diese Verhandlungen rasch zu einem         darüber geführt, was zu tun ist",
men Datenbasis zu kommen.               Ergebnis führen", fordert Karas.          gibt Schieder zu bedenken. 

Frage 5: Momentan sind 18 Abgeordnete aus Österreich im EU-Parlament, nur einer ist Teil der Disability Intergroup
(Heinz Becker, EVP). Was können Sie tun, damit mehr ParlamentarierInnen der Intergroup beitreten?

Gamon kann sich sehr gut vorstel-        Mit der federführenden Mitglied-           Innerhalb der österreichischen
len, Teil der Disability Intergroup zu   schaft von Heinz Becker sei die ÖVP        Abgeordneten schaut man über die
sein. "Meine Mutter hat eine körper-     Delegation sehr gut vertreten, erklärt     Fraktion hinweg, dass alles, was für
liche Behinderung, dadurch bin ich       Karas. "Ich bin stolz darauf, die einzi-   Österreich wichtig ist, abgedeckt
etwas sensibilisiert. Ist man selber     ge in der Disability Group vertretene      wird. "Wir haben ein buntes Team,
direkt oder indirekt betroffen, än-      Delegation aus Österreich zu sein", so     alle haben unterschiedliche Erfah-
dert das die Sichtweise", so Gamon.      Karas. Becker sei nicht nur für sich,      rungshorizonte aus ihren bisherigen
Die Teilnahme in dieser Intergroup       sondern auch für die Delegation dort       politischen Tätigkeiten und bringen
sei jedoch etwas, das man innerhalb      und berichtet über die diskutierten        diese ein", erläutert Schieder. 
der liberalen Fraktion vereinbare,       Themen. So funktioniert die Arbeits-
schränkt Gamon ein.                     teilung innerhalb der Delegation. 

18       www.behindertenrat.at
Ausgabe 1/2019

              Monika Vana                               Harald Vilimsky                          Johannes Voggenhuber
              Die Grünen                                FPÖ                                       Initiative 1 Europa
                                                                                                 (Liste Jetzt)

Frage 3: Die von der EU Kommission initiierte EU-Disability Card (europäischer Behindertenpass) wird nur in 8
Ländern angeboten. Österreich ist nicht dabei. Wie stehen Sie zu dem Projekt eines europäischen Behindertenpasses?

"Es ist beschämend, dass Österreich       Dieses Projekt widmet sich der           Ein europäischer Behinderten-
den europäischen Behindertenpass          Anerkennung und Wertschätzung            pass wäre wichtig. Die Fragen,
nicht hat" so Vana. Österreich ist lei-   von Menschen mit Behinderungen.          die sich hier stellen, betreffen die
der nicht Vorreiter in Sozialfragen,      Dennoch befürchteten einige Regie-       Standards. Wird es in jedem Land
obwohl das immer wieder behauptet         rungen die Geltendmachung uner-          dieselben Standards geben und wie
wird. Die Personenfreizügigkeit in        warteter sozialer Ansprüche durch        können diese aussehen? 
Europa werde dadurch für Menschen         EU-Bürger. "Ich würde es begrüßen,
mit Behinderungen möglich oder            wenn Österreich eine Teilnahme,
erleichtert und ein barrierefreier        nach einer transparenten Bewertung
Zugang zu insbesondere Kulturein-         des Pilotprojekts, in Erwägung ziehen
richtungen ist eminent wichtig.          würde", argumentiert Vilimsky. 

Frage 4: Auf EU-Ebene gibt es kaum statistische Daten zu Menschen mit Behinderungen.
Wie kann das EU-Parlament die Sammlung statistischer Daten zu Menschen mit Behinderungen unterstützen?

Für die Datenerhebung zu Men-             Das EU-Parlament kann der Kom-           Wenn man politisch handeln will,
schen mit Behinderungen ist die           mission durch Initiativberichte          hat man einen großen Bedarf an
Grundrechteagentur mit Sitz in Wien       vorschlagen, Menschen mit Behin-         Daten. "Wie sieht es bsw. mit dem
eine Anlaufstelle. Das europäische        derungen auch im statistischen           Wohlstandsgefälle innerhalb der
Parlament steht sehr geschlossen          Arbeitsprogramm zu inkludieren.          Gruppe von Menschen mit Behin-
hinter der Forderung, mehr Daten zu       "Leider kann ich Ihnen nicht sagen,      derungen aus und wie verändert
erheben, für mehr Vergleichbarkeit        wieso dies bislang nicht der Fall ist,   sich das?" fragt sich Voggenhuber.
in der EU. "So könnte europaweit          darf Ihnen aber versprechen mich         Für die Datenerhebung selbst ist
der Bedarf für Menschen mit Behin-        darüber zu erkundigen und einen          Datenschutz wichtig. Menschen mit
derungen erhoben werden", ist sich        dahingehenden Initiativbericht           Behinderungen sollten ein Mitspra-
Vana sicher.                             anzuregen", so Vilimsky.                cherecht dahingehend haben. 

Frage 5: Momentan sind 18 Abgeordnete aus Österreich im EU-Parlament, nur einer ist Teil der Disability Intergroup
(Heinz Becker, EVP). Was können Sie tun, damit mehr ParlamentarierInnen der Intergroup beitreten?

Vana gibt zu bedenken, dass Inter-        Vilimsky versichert, "auch als           "Ich unterstütze Sie auf jeder Schie-
groups zwar wichtige überparteiliche      Nicht-Mitglied dieser interfrakti-       ne, so wie ich kann. Ich bin gerne
Arbeitsgruppen sind, es gäbe jedoch       onellen Arbeitsgruppe, stets im          die Anlaufstelle für den Österreichi-
dutzende von Intergroups und viele        Interesse von Menschen mit Behin-        schen Behindertenrat. Was ich tun
Abgeordnete seien nur symbolisch          derungen zu handeln und dieses           kann, werde ich selbstverständlich
dort Mitglied. "Um auf Themen und         stille Engagement auch weiterhin         tun", betont Voggenhuber. 
Inhalte aufmerksam zu machen, ist         fortzusetzen." 
Aktionismus rund um Plenartage ein
ebenso nützliches Mittel," regt
Vana an. 

                                                                                          www.behindertenrat.at       19
Partizipation

Wünsche an das Wohnen als Erwachsene: Zeichnung einer Teilnehmerin				 Foto: Tiroler Monitoringausschuss

„Es soll sich etwas ändern!“
Eine Stimme für Kinder & Jugendliche mit Behinderungen                                          Von Petra Flieger

D
      ie Partizipation von Kindern    Entwicklung entsprechend geachtet      Beteiligung von Kindern mit Behin-
      und Jugendlichen, also deren    werden.“ Sie sollten „in verschie-     derungen im Rahmen der Diskussion
      aktive Einbeziehung nicht nur   denen Gremien wie dem Parlament,       über (selbstbestimmtes) Wohnen zu
bei persönlichen Entscheidungen,      Ausschüssen und anderen Foren ver-     ermöglichen. Auf Grundlage dieser
sondern darüber hinaus bei politi-    treten sein, in denen sie Meinungen    Erfahrungen sollten nächste Schritte
schen Gestaltungs- und Entschei-      äußern und an der Herbeiführung        zur längerfristigen Mitwirkung von
dungsprozessen, ist ein wichtiger     von Entscheidungen, die sie als Kin-   Kindern mit Behinderungen in der
Grundsatz für die Umsetzung der       der im Allgemeinen und als Kinder      Arbeit des Monitoring-Ausschusses
Kinderrechtskonvention. Er gilt       mit Behinderungen im Besonderen        entwickelt werden.
selbstverständlich auch für Kinder    berühren, mitwirken können.“
und Jugendliche mit Behinderun-                                              In Kooperation mit der Tiroler Kinder-
gen, doch in der Praxis wird deren    Das Pilotprojekt                       und Jugendanwaltschaft sowie mit
Perspektive wenig bis gar nicht       Dem Tiroler Monitoring-Ausschuss       dem Landesschulrat für Tirol wurden
berücksichtigt. Der zuständige        war es von Beginn an ein Anliegen,     Kinder mit Behinderungen und deren
Ausschuss der Vereinten Nationen      Möglichkeiten der Partizipation von    Eltern angesprochen und die Kinder
hat bereits im Jahr 2006 gefordert,   behinderten Kindern und Jugendli-      zur Teilnahme an drei Workshops
„dass Kinder mit Behinderungen        chen zu erproben. Daher wurde im       eingeladen. Inhaltlich standen bei
in allen sie berührenden Verfahren    Schuljahr 2016/17 ein Pilotprojekt     den Treffen, an denen schließlich
gehört und ihre Meinungen ihrer       gestartet. Dessen Ziel war es, die     13 Jugendliche mit Behinderungen

20       www.behindertenrat.at
Ausgabe 1/2019

Zehn Jugendliche präsentierten die Arbeit und den Film des Jugendbeirats 					                            Foto: Land Tirol

im Alter zwischen 13 und 20 Jahren     ihnen wichtig waren und setzten         nun regelmäßig einmal pro Monat
teilnahmen, folgende Fragen im         diese filmisch mit der Abteilung        in einem Jugendzentrum der Stadt
Mittelpunkt: „Wie wohne ich jetzt?     Öffentlichkeitsarbeit des Landes        Innsbruck statt.
Wie möchte ich wohnen, wenn ich        Tirol um. Der Film „Unsere Rechte“
erwachsen bin? Was brauche ich auf-    behandelt zentrale Themen der           Als großer Themenkomplex für
grund meiner Behinderung, damit        UN-Behindertenrechtskonvention aus      die nächste Zeit haben sich Diskri-
ich so wohnen kann, wie ich will?“     der Perspektive von jungen Men-         minierungs-, Ausgrenzungs- und
Die TeilnehmerInnen bearbeiteten       schen mit Behinderungen, z.B. das       Belästigungserfahrungen im Alltag
diese Fragen in Kleingruppen und       Recht auf Teilhabe, auf Barrierefrei-   der Jugendlichen herauskristallis-
formulierten daraufhin eine Stel-      heit, auf berufliche Bildung sowie      iert. Diese reichen von angestarrt
lungnahme zum Thema Wohnen für         auf Freundschaft und Familie.           oder nicht ernst genommen werden
den Tiroler Monitoring-Ausschuss.      Im November 2018 wurde der Film         über Beschimpfungen und Belei-
Notwendige Unterstützung erhielten     im Rahmen einer gemeinsamen             digungen hin zu vielen Formen
sie von begleitenden Erwachsenen.      Sitzung des Bundes- und des Tiroler     konkreter Ausgrenzung, sowohl
                                       Monitoring-Ausschusses der Öffent-      durch verschiedene Barrieren als
Der Film „Unsere Rechte“               lichkeit präsentiert.                   auch durch das konkrete Verhalten
Am Ende des Pilotprojekts bespra-                                              von Menschen aus dem Umfeld der
chen die TeilnehmerInnen, ob eine      Der Jugendbeirat                        Jugendlichen. Die Treffen eröffnen
weitere Zusammenarbeit mit dem         Um die Arbeit der Jugendgruppe          einen Raum, über solche Erleb-
Tiroler Monitoring-Ausschuss statt-    langfristig und entsprechend der        nisse zu sprechen und gemeinsam
finden soll und wie diese aussehen     gesetzlichen Möglichkeiten zu ver-      zu überlegen, was dagegen getan
könnte. Verschiedene Möglichkeiten     ankern, beschloss der Tiroler Moni-     werden kann. Denn darin sind sich
wurden diskutiert, schließlich         toring-Ausschuss nach Rücksprache       alle einig: Es soll und muss sich
beschloss die Gruppe in einer Ab-      mit den Jugendlichen zu Beginn des      noch viel ändern, damit Kinder und
stimmung, dass sie einen Film          Jahres 2019, dass die Gruppe als        Jugendliche mit Behinderungen
produzieren wollte. Mit diesem Ziel    Jugendbeirat für den Ausschuss ein-     in Österreich alle Menschenrechte
fanden im Schulahr 2017/18 weitere     gerichtet wird. Anstelle von unregel-   genießen können. 
Treffen statt. Die jungen Männer und   mäßigen, an einzelnen Projekten
Frauen überlegten, welche Themen       ausgerichteten Treffen, finden diese

                                                                                      www.behindertenrat.at         21
Partizipation

"Es braucht Politiker*innen
mit Behinderungen!"
Erfahrungen der 1. gehörlosen Nationalratsabgeordneten                                            Von Helene Jarmer

Helene Jarmer am Pult im Österreichischen Parlament					                               Foto: Bildagentur Zolles KG. Christian Hofer

M
      ein politischer Werdegang begann auf Umwe-         der Barmherzigen Brüder eingerichtet und die Gesund-
      gen bereits 1997. Ich kam in Kontakt mit dem       heitsversorgung von gehörlosen Menschen dadurch
      Liberalen Forum und setzte mich als Expertin       massiv verbessert.
gemeinsam mit den Abgeordneten dafür ein, dass auch
Wien eine Gehörlosenambulanz bekommt. Ich nahm           Ein weiterer Meilenstein war die Tätigkeit im Österreich-
dazu auch an Sitzungen der Gesundheitskommission im      ischen Gehörlosenbund. Von 1997 bis 2001 war ich
Wiener Stadtrat teil. Diese Arbeit hatte Erfolg. Schon   Generalsekretärin und seit 2001 bin ich Präsidentin.
bald wurde eine Gehörlosenambulanz im Krankenhaus        In diesen Funktionen trieb ich die Anerkennung der

22       www.behindertenrat.at
Ausgabe 1/2019

Gebärdensprache voran. Am 6. Juli 2005 wurde die
Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) durch eine Ab-
stimmung im Nationalrat einstimmig als eigenständige
Sprache in die Bundesverfassung aufgenommen. Das
war mein größter Erfolg als Präsidentin des Österreich-
ischen Gehörlosenbundes.

Obwohl der Weg in die Politik ursprünglich nicht mein
berufliches Ziel war, ist er doch die logische Konse-
quenz, die sich aus meinem Engagement für den Öster-
reichischen Gehörlosenbund ergab. Ich finde es extrem
wichtig, dass Behindertenpolitik auch von behinderten
Menschen gemacht wird. Wir sind ExpertInnen in eige-
ner Sache, machen Barrieren sichtbar und haben die
besten Ideen, sie zu beseitigen. Ich rate, Kontakte zur
Partei der persönlichen Wahl zu knüpfen und selbst-
bewusst für Funktionen zu kandieren, es braucht behin-
derte Politiker*innen auf allen Ebenen, vom Bezirk bis
ins Parlament. Wichtig dafür fände ich vorbereitende
Schulungen in politischer Bildung.

Meine politische Heimat fand ich schließlich bei den
Grünen. Am 10. Juli 2009 wurde ich als erste gehör-
lose Abgeordnete des deutschsprachigen Raums als
Nationalratsabgeordnete angelobt. Bis 2017 war ich als
Behindertensprecherin der Grünen im Parlament tätig.
Gerne hätte ich noch an einigen Themen im Parlament
weitergearbeitet: an der Novellierung des Behinder-
tengleichstellungsgesetzes zur Erreichung von
Barrierefreiheit auf allen Ebenen, der Herstellung von
Inklusion in der Bildung, der Einführung von zweispra-
chigem Unterricht für gehörlose Kinder, der Umsetzung
des Nationalen Aktionsplans Behinderung, um nur ein-
ige Punkte zu nennen. Es ist schade, dass derzeit keine
gehörlose Repräsentant*in im Nationalrat vertreten ist,
dadurch ist es stiller um unsere Anliegen geworden.
Immerhin ist die Österreichische Gebärdensprache
durch die Übersetzung aller Nationalratssitzungen
sichtbar geblieben und gehörlose Menschen können
sich barrierefrei in ÖGS über die Vorgänge im
Parlament informieren.

Die Behindertenpolitik im Nationalrat empfinde ich
derzeit als nicht sehr präsent und leider hat nur eine
der Sprecher*innen selbst eine Behinderung. Als Präsi-
dentin des Österreichischen Gehörlosenbundes werde
ich aktiv die Behindertensprecher*innen der im
Nationalrat vertretenen Parteien kontaktieren und sie
über die wichtigen Forderungen der gehörlosen
                                                                                              Anzeige

Menschen informieren. 

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Monitoringausschuss                                                                                     Ausgabe 4/2018

„Echte“ Partizipation!
Umsetzung der UN-BBRK		                                   Hannah Wahl für den Unabhängiger Monitoringausschuss

L
    ange Zeit waren Menschen
    mit Behinderungen in zen-
    tralen Handlungsfeldern einer
Gesellschaft, wie politischen und
demokratischen Prozessen, alles
andere als gleichberechtigt.
Vielmehr wurde Menschen mit
Behinderungen die eigenständige
Handlungsfähigkeit gleich gänzlich
abgesprochen. Das paternalistische
Fürsorgeprinzip stellte die Grund-
lage für die Ausgestaltung der
Lebenssituationen von Menschen
mit Behinderungen und somit auch
der für sie betreffenden Gesetze dar.

Die Ratifizierung der UN-Konvention
über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen (CRPD) im Jahr 2008
läutete einen längst notwendigen
Paradigmenwechsel ein: Es wurde
anerkannt, dass Inklusion, also die
gleichberechtigte gesellschaftliche     politischen Konzepten zur Durch-      Menschen mit Behinderungen
Teilhabe, eine Voraussetzung für        führung dieses Übereinkommens         wurden in diesen Prozess der
Partizipation ist.                      und bei anderen Entscheidungsproz-    Neuwerdung des Gesetzes ein-
                                        essen in Fragen, die Menschen mit     bezogen. Durch die Expertise von
Menschen mit Behinderungen              Behinderungen betreffen, führen die   Menschen mit Behinderungen
ernst nehmen!                           Vertragsstaaten mit den Menschen      können Maßnahmen, Projekte und
Vielen Selbstvertreter*innen wird       mit Behinderungen, einschließlich     Gesetze zielgenau und wirkungsori-
tatsächliche Partizipation und          Kindern mit Behinderungen, über       entiert geplant und initiiert werden.
gleichberechtigte Teilhabe trotz        die sie vertretenden Organisationen
menschenrechtlichen Fortschritts bis    enge Konsultationen und beziehen      Umfassendes Verständnis
heute verwehrt. Wenn Menschen mit       sie aktiv ein.“                       von Inklusion
Behinderungen zu Veranstaltungen                                              Damit ein Bekenntnis zur Partizipa-
eingeladen werden, wird ihnen oft       Aktive Mitgestaltung                  tion von Menschen mit Behinderun-
das Gefühl vermittelt, dass ihre        So wird sichergestellt, dass Men-     gen ernst genommen werden kann,
Meinung zwar wichtig ist, aber im       schen mit Behinderungen nach dem      muss dieses in ein umfassendes Ver-
Ergebnis habe man nicht wirklich        People-First-Prinzip „Nichts über     ständnis von Inklusion eingebettet
was zu sagen.                           uns ohne uns“ in allen Prozessen,     sein. Nur durch die Anerkennung der
                                        die ihr Leben betreffen, aktiv und    vielseitigen Expertisen von Men-
Dass diese Art der „Einbeziehung“       mitgestaltend einbezogen werden       schen mit unterschiedlichen Behin-
keineswegs partizipativ ist, geht aus   müssen. Dieser politische Grundsatz   derungen, aber auch unabdingbaren
Art. 4 Abs. 3 der CRPD klar hervor:     wurde bei der Entstehung des neuen    Rahmenbedingungen wie Barriere-
„Bei der Ausarbeitung und Um-           Erwachsenenschutzgesetzes             freiheit kann „echte“ Partizipation
setzung von Rechtsvorschriften und      berücksichtigt.                       in Österreich ankommen. 

24       www.behindertenrat.at
Inklusion                                                                                                Ausgabe 1/2019

Österreichischer Inklusionspreis 2019
Auszeichnung der Lebenshilfe Österreich				 Von Eudora Loitsch

                                                           Wer kann einreichen?
                                                           Institutionen, Schulen, Betriebe, Organisationen,
                                                           Vereine, Plattformen, Projekte, Initiativen, an Menschen
                                                           mit Behinderungen, an Begleitungs- und Unterstützungs-
                                                           einrichtungen, an Assistenzprojekte, Freiwilligeninitia-
                                                           tiven und engagierte Privatinitiativen.

                                                           Wir freuen uns auf Einreichungen aus den Bereichen:
                                                           Bildung & Kultur, Gesundheit & Bewegung, Wohnen
                                                           & Freizeit, Gesellschaftliche Teilhabe & Politik. 2019
                                                           möchten wir den Zusatzschwerpunkt auf Projekte aus
                                                           dem Bereich Arbeit & Erwerbs-Einkommen legen.

                                                           Wie kann ich ein Projekt einreichen?
                                                           Die gesammelten Einreichunterlagen sind abrufbar

I
   mmer noch gibt es zahlreiche Barrieren in Kopf und      unter: www.inklusionspreis.at
   Alltag für Menschen mit Behinderungen. Damit diese      Fragen können gerne an inklusionspreis@lebenshilfe.at
   Barrieren abgebaut werden, geht der Inklusionspreis     geschickt werden.
heuer in die vierte Runde.
                                                           Wann kann ich einreichen?
Was ist der Inklusionspreis?                               Die Ausschreibung läuft von
Die Lebenshilfe sucht in Kooperation mit den Österre-      15. März bis 30. August 2019. 
ichischen Lotterien Projekte, die Menschen mit intellek-
tuellen, körperlichen, psychischen oder sinnesbedingten
Behinderungen ein inklusives Leben ermöglichen. Für
mehr Chancengleichheit und Selbstbestimmung! Es geht
um neue Sichtweisen, um gelebtes Miteinander. Egal ob
erste Schritte in die richtige Richtung oder bereits gut
funktionierende Beispiele. Wege hin zu Inklusion.

Warum gibt es den
Inklusionspreis?
Der Inklusionspreis dient dazu, praktische Beispiele für
die gelungene Umsetzung von Inklusion in Österreich
aufzuzeigen. Die PreisträgerInnen des Inklusionspreis
wirken motivierend – auf Einzelpersonen, Organisa-
tionen und Unternehmen!
                                                                                                                          Anzeige
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