Seenotrettung an Europas Grenzen - Projektbericht 2020 - Sea-Watch
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#SafePassage VO RST E L LUNG 4 Unser Auftrag Für legale Fluchtwege, Bewegungsfreiheit und ein solidarisches Europa. 5 Mission & Vision STO RY 6-7 Aus dem Einsatz AU F D E M W A SS E R 8-9 Sea-Watch 3 10 - 11 Sea-Watch 4 STO RY 12 - 14 Junior ist einer dieser Menschen I N D E R LU F T 16 - 17 Moonbird 18 - 19 Seabird I NFO KA RT E 20 - 21 Zivile Seenotrettung im Kontext VO RST E L LUNG 22 - 24 Rechtliche Grundsätze unserer Arbeit 26 - 27 Politische Öffentlichkeitsarbeit 28 - 29 Das Mittelmeer geht uns alle etwas an TIMELINE 30 - 31 Festung Europa VO RST E L LUNG 32 - 33 Danke 34 - 36 Menschen hinter Sea-Watch Foto: Chris Grodotzki 2 3
Unser Auftrag Mission & Vision Dem Sterben im Mittelmeer nicht tatenlos zusehen – das ist Menschenleben retten Die Wende einleiten schon immer zentraler Antrieb aller Sea-Watch-Aktivist*innen. Seit 2015 waren Sea-Watch-Aktivist*innen an der Ret- Sea-Watch ist eine zivilgesellschaftliche Initiative, die tung von mehr als 38.000 Menschen beteiligt. Unsere ein klares Zeichen der Humanität setzt. Wir stärken all Sea-Watch e.V. ist eine gemeinnützige Initiative, die sich der Freiwilligen-Crews handeln schnell, besonnen und pro- jenen den Rücken, die sich in Zeiten zunehmender ras- fessionell. Jedes einzelne gerettete Leben ist für uns ein sistischer Hetze – sei es in Deutschland oder anderen zivilen Seenotrettung von Flüchtenden verschrieben hat. Zeichen der Menschlichkeit. Staaten der EU – für ein vielfältiges, menschliches Euro- pa und eine politische Lösung im Sinne der von uns ge- Angesichts der humanitären Katastrophe leistet Sea-Watch forderten #SafePassage einsetzen. Öffentlichkeit herstellen dort Nothilfe, wo staatliche Stellen versagen. Die humanitäre Katastrophe hat stets eine persönliche Parallel fordern und forcieren wir die Rettung durch die und eine politische Seite. Deshalb machen wir sowohl Schicksale geflüchteter Menschen als auch die Men- zuständigen europäischen Institutionen und stehen öffentlich schenrechtsverletzungen publik, die durch europäische Kriegs- oder Handelsschiffe begangen werden, wenn sie für legale Fluchtwege ein. Obwohl wir uns zunehmender Notrufe bewusst ignorieren, oder indem die europäi- schen Staaten alleine 2019 über 9.000 Menschen durch Kriminalisierung und Repressionen durch verschiedene die sogenannte Libysche Küstenwache in das Bürger- kriegsland hat zurück schleppen lassen. EU-Staaten ausgesetzt sehen, entwickeln wir laufend neue Handlungskonzepte und setzen neue Strategien um. Sea-Watch ist politisch und religiös unabhängig und finanziert sich durch Spenden. Foto: Chris Grodotzki 4 5
„Europa hat sich an Bilder von Ertrunkenen und sinkenden Schlauchbooten gewöhnt. Wir können das nicht!“ Johannes Bayer ist seit 2015 Einsatzleiter auf Rettungsschiffen und aktuell Vorstandsvorsitzender von Sea-Watch. Hier erzählt er von seinen Erfahrungen als Seenotretter. Tagelang fuhren wir mit einem toten Kleinkind in der Gefrier- truhe an der europäischen Küste auf und ab. Er bleibt einer AUS DEM EINSATZ: der wenigen Menschen, die nach Tagen auf See in Würde an Land begraben wurden, und nicht wie Tausende unbemerkt zum Meeres- In den vergangenen fünf Jahren haben wir auf dem zentralen grund sanken. Mittelmeer unseren ganz persönlichen Albtraum erlebt. Während wir der Pflicht aller Seeleute nachgekommen sind, Starke Wellen, Kälte und Wind, oder im Sommer unerträgliche nämlich Menschenleben zu retten, haben meine Kolleg*innen und Hitze, sorgen immer wieder für Seekrankheit und schlaflose ich immer wieder unser Leben auf See riskiert, und wie sich Nächte. Die Geschichten über das Erlebte und die erfahrenen herausstellt, auch unsere persönliche Freiheit. Grausamkeiten, die Gerettete an Bord dann erzählen, überstei- gen bis heute mein Vorstellungsvermögen. Ihr Überlebenswille Im Winter zogen wir gemeinsam unterkühlte Kinder aus dem strotzt nur so von Stärke, Mut und Hoffnung. Wasser, versorgten aufgelöste Eltern bei uns an Bord, wir alle durchgefroren, nass und unter Schock. Die schmerzerfüllten Ich schäme mich, dass für unsere Gäste an Bord, die Sicher- Schreie eines Mannes werde ich wohl nie vergessen, nachdem er heit suchen, diese langen Irrfahrten ohne einen sicheren Hafen merkte, dass sein Bruder nicht unter den Geretteten war. Wie immer die erste Erinnerung an Europa bleiben werden. bietet man jemandem Trost, wenn man es selbst nicht in Worte Ich bin es leid, fremdenfeindliche Propaganda hören zu müssen, fassen kann? und besonders die Verleugnung der humanitären Katastrophe im zentralen Mittelmeer. Wir haben keine Flüchtlingskrise. Viele Menschen konnten wir retten, aber oft kamen wir auch zu Wir haben eine Solidaritätskrise. spät. Aus der Luft schauen wir immer wieder machtlos Menschen beim Ertrinken zu, können nur dokumentieren, wie Kriegsschiffe oder auch Handelsschiffe knapp hinter dem Horizont liegen. MEINE LEKTION: Sie wissen, dass Menschen sich in akuter Lebensgefahr befinden, und sie tun nichts. Im Cockpit der Moonbird fließen Wir müssen uns das Europa, in dem wir leben wollen, gemeinsam dann Tränen der Wut und Verzweiflung. erkämpfen. Für mich ist der Gedanke unerträglich, Menschen in Seenot nicht helfen zu können und mit ihnen unsere Menschen- rechte ertrinken zu lassen. Europaweit wird über Migrations- politik gestritten, während auf See das Sterben weitergeht. Wir sagen: retten statt reden! Wir werden auch weiterhin auf See fahren und Menschen vor dem Ertrinken bewahren. 6 7
Auf dem Wasser Die Sea-Watch 3 patrouilliert im zentralen Mittelmeer nördlich von Libyen und sucht in internationalen Gewässern aktiv nach Booten in Seenot. Sea-Watch 3 Trotz der weiten Überfahrt werden meist besonders kleine und seeuntaug- liche Boote, wie z.B. Schlauchboote, genutzt. Sobald wir das Such- und Rettungsgebiet erreicht haben, fahren wir dieses einem Suchmuster folgend ab. Wir halten Ausschau mit Hilfe von Ferngläsern, nutzen Radar und weitere technische Hilfsmittel wie beispielsweise eigens entwickelte, extrem hoch- auflösende Kamerasysteme. Jedes Boot, das wir entdecken, melden wir sofort an die zuständige Rettungsleitstelle und leiten die nötigen Rettungs- maßnahmen ein. Vor fünf Jahren gründeten wir Sea-Watch mit dem Ziel, weiter unter niederländischer Flagge zu betreiben. den Ausnahmezustand im Mittelmeer zu beenden, in- Dieser Zynismus ist kaum in Worte zu fassen: dieselbe dem wir die dramatische Situation sichtbar machen. Politik, die Menschen in größter Not das Anlanden ver- Wie naiv wir waren und wie groß der Unwille der Euro- weigert, straft gleichzeitig Rettungsschiffe dafür ab, sie päischen Union ist, die humanitäre Krise an der töd- nicht an Land bringen zu können. lichsten Grenze der Welt zu beenden, wird uns Jahr für Jahr erneut schmerzlich bewusst. Im Sommer 2017 ha- ben wir die Sea-Watch 3 gekauft, weil die Entwicklungen auf dem zentralen Mittelmeer uns absehen ließen, dass Es gibt keinen Grund, warum wir immer weniger auf die Unterstützung der Mitglied- Menschen wochenlang auf See staaten, deren Verpflichtung zur Seenotrettung wir dort draußen übernehmen, zählen konnten. Wir mussten ausharren, geschweige denn aus Seenot gerettete Personen selbst an den nächsten im zentralen Mittelmeer er- sicheren Hafen bringen. Doch diese Verzögerungen, die die Transfers mit sich brachten, waren bald nicht mehr trinken müssen — es sei denn, die einzige willentliche Behinderung unserer Arbeit. Im es ist politisch so gewollt. darauffolgenden Sommer 2018 begann die Blockade der Rettungsschiffe und Italiens Politik der geschlosse- nen Häfen, und mit ihr die Zeit der langen Stand-offs. An der Sicherheit der Rettungsschiffe wird gezweifelt. Die staatliche Alternative: ertrinken lassen. Diese Pra- Unsere Missionen sind nicht dafür ausgelegt, solche xis der Blockade ist auch heute noch präsent: immer Foto: Tim Wagner politischen Schikanen zu kompensieren. Stand-offs ver- wieder werden Rettungsschiffe unter vorgeschobenen langen unseren Gästen und Crews psychisch und auch Gründen am Auslaufen und damit am Retten gehindert. körperlich das Äußerste ab. Tage-, manchmal wochen- Stattdessen müssen wir immer öfter beobachten, dass lang harren wir gemeinsam in Sichtweite der sicheren bekannte Seenotfälle sich selbst überlassen werden Küste Europas aus, erschöpft und hoffnungslos, im Stich oder die illegale Rückführung durch die sogenannte gelassen. Wenige Seemeilen entfernt weigern sich euro- Libysche Küstenwache in das Bürgerkriegsland Libyen päische Politiker*innen, Verantwortung für die Aufnahme durch die EU forciert wird. selbst einiger weniger Menschen zu übernehmen. Aber wir geben nicht auf: Allen Widrigkeiten zum Trotz Die Sea-Watch 3 ist kein Kreuzfahrtschiff und für einen kämpfen wir stetig mit Hochdruck dafür, unsere Schiffe wochenlangen Aufenthalt vieler Menschen nicht vor- und Flugzeuge in den Einsatz zu bringen, bis niemand gesehen. Doch genau das wirft man uns nun vor. Politi- mehr auf der Flucht über das Mittelmeer ertrinken scher Druck der EU-Mitgliedstaaten und die Willkür der muss. niederländischen Regierung führen zu einem Erlass, der vorgeblich der Schiffssicherheit dienen soll und es uns tatsächlich aber unmöglich machte, die Sea-Watch 3 Foto: Tim Wagner 8 9
Auf dem Wasser Mit 60 Metern Länge ist die Sea-Watch 4 größer als unsere Sea-Watch 3 und bietet Platz für eine größere Crew bei höherer Energieeffizienz und daher geringeren Einsatzkosten. Mit der Schaffung zusätzlicher neuer Posi- Sea-Watch 4 tionen an Bord können wir neue und alte Herausforderungen erfolgreich bewältigen. Außerdem bietet das Schiff ausreichend Platz für die kurz- fristige, sichere Versorgung und Unterbringung von aus Seenot geretteten Personen. In einem neu eingerichteten Bordhospital können wir medizinische Notfälle versorgen, und eine Recovery-Area bietet Frauen und Kindern einen zusätzlichen Schutzraum. „ Die Sea-Watch 4 ist die Antwort der europäischen Zivilgesellschaft auf die tödliche Abschottungspolitik der EU. Mit hunderten Aktivist*innen aus ganz Europa haben wir die Sea-Watch 4 monatelang unermüdlich, entgegen aller Widrigkeiten und logistischen Herausforderungen für ihren ersten Einsatz vorbereitet. Umso bedeu- Foto: Chris Grodotzki tender ist es für uns alle, sie jetzt im Einsatzgebiet zu wissen.“ Rebecca • Aktivistin und Gastkoordinatorin an Bord der Sea-Watch 4 Foto: Erik Marquardt Wie alles begann Am 20. Februar 2020 konnten wir in Kiel das ehemalige Wir freuen uns über diesen starken Rückenwind, den uns Die erste Mission Forschungsschiff POSEIDON auf den Namen Sea-Watch 4 die Zivilgesellschaft mit dem Bündnis United4Rescue taufen. gibt, und darüber, mit diesem Schiff unsere Präsenz in Im März 2020 haben wir die Sea-Watch 4 in die Werft nach am Schiff arbeiteten. Erst im Zuge der ersten Lockerun- der Such- und Rettungszone an der tödlichsten Grenze Burriana in Spanien überführt. Nachdem die Arbeiten gen im Mai und unter Einhaltung eines strengen Hygie- Das Bündnis United4Rescue, das der Welt zu steigern. zunächst gut voran gingen, machte schließlich die Coro- nekonzeptes zur Vorbeugung eines potentiellen Covid- die Evangelische Kirche Deutsch- na-Pandemie auch uns – insbesondere durch Reisebe- 19-Ausbruches konnten wir die Arbeiten abschließen und land (EKD) im vorigen Jahr ins Die operative Verantwortung für das neue unter deutscher schränkungen für Crewmitglieder und Lieferengpässe für im August in den ersten Einsatz im zentralen Mittelmeer Leben gerufen hat, konnte den Kauf des Schiffes durch Flagge fahrende Schiff liegt bei Sea-Watch. Das medizini- benötigtes Arbeitsmaterial – einen dicken Strich durch aufbrechen. Die Sea-Watch 4 war damit nach über sechs Spenden ermöglichen. Dem Bündnis gehören heute be- sche Personal unserer Crew wird während der Einsätze im die Rechnung. Viele Werftmitarbeiter*innen mussten Wochen das erste zivile Rettungssschiff – und konnte in reits über 600 Organisationen an. Sie stellen sich klar hin- Jahr 2020 von Ärzte ohne Grenzen gestellt – ein weiterer vorsorglich abreisen, während die verbliebenen Mitarbei- mehreren Rettungseinsätzen über 350 Menschen sicher ter das Projekt mit der zentralen Forderung: „Man lässt Partner, der mit uns gemeinsam der Politik des Sterben- ter*innen an Bord den alltäglichen Schiffsbetrieb organi- an Bord nehmen. Erst 12 Tage nach der ersten Rettung keine Menschen ertrinken. Punkt.“ lassens an Europas südlicher Außengrenze entgegentritt. sierten und langsam aber stetig an den offenen Projekten bekamen wir einen sicheren Hafen zugewiesen. 10 11
Zivile Seenotrettung im Eine Mutter flieht mit ihren Kindern von der Elfenbeinküste in Richtung Norden. Von dem westafrikanischen Land Mittelmeer bedeutet viel an der Atlantikküste sind es über 5.000 km Luftlinie bis an die Küste Libyens – die erste lebensgefährliche Etappe. zu oft, Zeuge des sinnlo- Im Bürgerkriegsland Libyen wird der kleine Junior von seiner Mutter und sen Sterbens zu werden. Schwester getrennt, die ohne eine Alternative ihren Weg auf der Suche nach Sicherheit fortsetzen müssen. Doch es gibt immer wieder auch Erfolgserlebnisse. Bei ihrer Flucht über das Mittelmeer haben sie großes Glück: Die Ocean Sea-Watch war in den Viking, das zivile Rettungsschiff von SOS Mediterranée, entdeckt ihr Boot. Ende Januar 2020 schafften es die fünf letzten 5 Jahren an der Jahre alte Princesse und ihre Mutter nach Italien – nach Europa. Rettung von über 38.000 Junior bleibt zurück in Libyen … Menschenleben beteiligt … und überlebt. Zusammen mit einer an- – jedes einzelne davon deren geflüchteten Mutter wagt er im Juni 2020 den gefährlichen Weg über das Mittelmeer. So riskiert nun auch er unbezahlbar. sein Leben, um aus der Hölle Libyens zu entkommen, in der Flüchtende Gewalt und schlimmsten Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt und in der auch geflüchtete Kinder wie Junior nicht vor Misshand- lungen geschützt sind. Junior ist einer DAS MITTELMEER IST DIE TÖDLICHSTE GRENZE DER WELT Eine Grenze, die durch das Wegschauen und die menschenverachtende Politik der dieser Menschen. europäischen Mitgliedsstaaten zu einem blinden Fleck auf der Weltkarte geworden ist, in der libysche Milizen mit europäischer Unterstützung Menschen wie Junior und seine Familie daran hindern sollen, Europa zu erreichen. 12 13
Junior schafft die Fahrt über das Mittelmeer. Die Crew der Sea-Watch 3 entdeckt das kleine, völlig überladene Boot am 17. Juni 2020. Und an Bord unseres Schif- fes passiert ein kleines Wunder: Eine italienische Journalistin, die bei der Rettung von Princesse und ihrer Mutter an Bord der Ocean Viking von SOS Medi- AIN’T NO BORDER terranée dabei war und von der verzweifelten Suche nach Junior weiß, sucht den Kontakt zu Sea-Watch. Hoffnung keimt auf, Fotos bringen Klarheit: Der verloren geglaubte Sohn hat überlebt und ist jetzt sicher an Bord der Sea-Watch 3. HIGH ENOUGH Mittlerweile konnte sich die Familie wieder in die Arme schließen. Auch wenn wir die Freudentränen der Familie niemals vergessen werden, können sie über eines nicht hinweg- täuschen: Wir hätten Junior nicht mutterseelenallein auf dem Mittelmeer finden dürfen. Europa muss seine unmenschliche Politik beenden. Dass wir Junior gefunden haben, ist ein Hoffnungsschimmer in der über- wältigenden Grausamkeit dessen, was im Mittelmeer tagtäglich passiert. WAS GANZ KLAR BENANNT WERDEN MUSS Was auf dem Mittelmeer passiert, ist staatlicher Rassismus. Es ist Rassismus, der jährlich tausende Menschenleben fordert. Gemeinsam kämpfen wir für eine menschliche Migrationspolitik, sichere Fluchtwege und Bewegungsfreiheit für alle. Foto: Felix Weiß 14 15
Foto: Felix Weiß In der Luft Wir schauen hin, wo Europas Politik wegschaut: Das Sterben- Moonbird lassen auf dem Mittelmeer Schmerzliche Bilder ertrunkener Menschen begleiten unsere Crew in der Luft, Bilder von Menschen, die an Zusammen mit der Schweizer Humanitären Piloteninitiative (HPI) betreiben wir die libysche Küste gespült werden, Bilder toter Körper, seit dem Frühjahr 2017 ein ziviles Beobachtungsflugzeug vom Typ Cirrus SR22 die tunesische Fischer als makabren “Beifang” aus ih- – unsere Moonbird. Mit einer Crew von 3–4 Personen können wir in sechsstün- ren Netzen ziehen. So auch im Juni diesen Jahres: ein digen Missionen ein Seegebiet von ca. 16.000 km² abdecken. Mensch, leblos, eingeklemmt in den halb versunkenen Resten eines Schlauchbootes, das ihn und viele andere hinaus aus dem Krieg und in ein sicheres Leben bringen sollte. Ein Mensch, einsam, würdelos zurückgelassen auf dem weiten Meer. Ob die Leiche bei einer Bergungs- aktion zurückgelassen wurde oder – schlimmer noch – ob sie der einzige verbliebene Beweis für viele wei- tere Todesfälle ist, das wissen wir nicht. Ereignisse wie diese machen immer wieder deutlich: Europa hat seine „Dass bei der Überque- Werte, hat die Menschenrechte mit diesen Menschen rung des Mittelmeers im Mittelmeer untergehen lassen. Schuld ist ein struk- Menschen sterben, ist die tureller, tiefgreifender Rassismus, und die Weigerung, Folge davon, dass Euro- eine politische Lösung zu finden. Denn wäre dies in der pa eine Festung um sich Nord- oder Ostsee passiert, es wäre ein ganzer Such- gebaut hat. Wenn nicht ein- trupp an Schiffen geschickt worden, um den Menschen mal die Toten geborgen und ihre Würde mit einem ordentlichen Begräbnis zurück- die Angehörigen informiert werden, damit sie zugeben. Doch auf dem Mittelmeer wird zwei Wochen trauern können, dann ist das letzte bisschen lang nichts unternommen. Immer wieder sichten unse- Würde der EU mit diesen Menschen im Mittel- re Crews den Körper, den die Behörden nicht einmal meer ertrunken.“ bergen und identifizieren wollen. Neeske • Einsatzleiterin bei Sea-Watch Airborne Unser ziviles Auge: Die Moonbird Auf Grund fadenscheiniger Vorwürfe werden zivile Ret- che, jeden Fluchtversuch und lässt die Menschen in die tungsschiffe regelmäßig festgesetzt, eine staatliche Ini- illegalen Lager des vom Bürgerkrieg zerrütteten Libyen tiative zur Rettung schiffbrüchiger Flüchtender gibt es zurück schleppen. Regelmäßig müssen unsere Crews bislang noch immer nicht. Doch auch wenn Rettungs- aus der Luft diese Völkerrechtsbrüche beobachten. Die schiffe im Einsatz sind, übermitteln Rettungsleitstellen Daten, die unsere Aufklärungsmission erhebt, spielen oder die Aufklärungsflugzeuge der Grenzschutz-Agen- eine entscheidende Rolle dabei, staatliche Akteure für tur Frontex nur noch selten Koordinaten an die Ret- unterlassene Hilfeleistung und grobe Menschenrechts- tungskräfte. Immer wichtiger wird deshalb auch die Be- verletzungen zur Verantwortung zu ziehen. Diese Doku- obachtung von Menschenrechtsverletzungen mit Hilfe mentation ist auch entscheidend um all denen, die ihr unseres zivilen Auges aus der Luft. Denn statt dafür zu Leben auf der Überfahrt verlieren oder zurück nach Li- sorgen, dass Rettungsmaßnahmen eingeleitet und die byen verschleppt werden, eine Stimme zu leihen. Menschen an einen sicheren Hafen gebracht werden können, unterbindet die Europäische Union mit Hilfe ih- rer Handlanger, der sogenannten Libyschen Küstenwa- Foto: Felix Weiß 16 17
In der Luft „Wie wir damit umgehen, wenn Menschen vor unseren Augen verschleppt werden oder sogar ertrinken? Die Antwort, die ich persönlich für mich gefunden habe, ist: Als ehrenamtliche Akti- vist*innen haben wir nur begrenzte Möglichkeiten, die wir bestmöglich nutzen. Deshalb ist das Seabird nicht das, was mir nachts den Schlaf raubt. Regierungen kommen vorsätzlich ihrer Pflicht, Menschen in Seenot zu retten, nicht nach. Und das, obwohl sie das Leid und die Verbre- chen, die wir sehen, verhindern könnten. Das lässt einen verzweifeln. Dass das nicht getan wird, ist eine Schande. Das ist es, was mich nachts nicht schlafen lässt!” Omar • Pilot der Flugzeuge Moonbird und Seabird Weil das Mittelmeer nicht zum blinden Fleck werden darf Aufgrund von regelmäßig nötigen Wartungsarbeiten muss unser Flug- zeug Moonbird immer wieder tage- land am Boden bleiben. Während auch die zivilen Rettungsschiffe an der Kette liegen, bedeutet das: Niemand sieht mehr, was auf dem Mittelmeer geschieht. Doch das Mittelmeer darf nicht zu einem blinden Fleck und einem menschenrechtsfreien Raum ver- kommen, in dem Menschen auf der Suche nach Freiheit und Sicherheit verschwinden oder in einem Kreis- lauf aus Gewalt und Not gefangen sind. Um diese Zwangspausen zu vermeiden entschieden wir uns im Frühjahr 2020, ein zusätzliches Flugzeug in den Einsatz zu schicken – die Seabird. Immer öfter beobachten wir, wie be- kannte Seenotfälle tagelang igno- riert werden oder Boote viele stun- denlang von europäischen Schiffen Unser Kooperationspartner tatenlos beobachtet werden, bevor Humanitarian Pilots Initiative Rettungsmaßnahmen eingeleitet (HPI) ist eine Schweizer Initiative werden – teilweise so lange, bis die engagierter Pilot*innen, die ihre sogenannte libyische Küstenwache Fähigkeiten für humanitäre Zwe- die Menschen nach Libyen zurück- cke einsetzen. Die Verbindung aus Das zweimotorige Hochleistungsflugzeug vom Typ Beechcraft schleppt. Die mit mehr Sicherheit Know-How unserer Crew und ihrer Baron 58 ermöglicht uns, bis zu fünf Crew-Mitglieder an Bord zu für die Crews verbundene längere Expertise der Aviatik erhöht seit nehmen. Das Seegebiet, das wir bei einer siebeneinhalbstündigen Einsatzdauer ermöglicht es, diese 2017 die Effizienz der zivilen Luft- Mission mit der Seabird absuchen können, ist fast doppelt so groß Fälle zu dokumentieren und öffent- aufklärung erheblich, und macht wie das der Moonbird: rund 27.000 km² – das entspricht in etwa der lich zu machen, um Druck auszu- besonders auch die Dokumentation Größe von Brandenburg. üben und die zuständigen Behör- staatlicher Menschenrechtsverstöße den zur Verantwortung zu ziehen. erst möglich. 18 19
Legende Ägäis: EU versucht, Grenzen abzuriegeln, z.B. installiert Griechenland schwimmende Zäune und drängt Boote zurück in Moonbird & Seabird türkische Gewässer. Auf den griechischen Sea-Watch unterstützt medizinische Sea-Watch 3 & 4 ITALIEN Inseln sind bis zum Spätsommer 2020 etwa Projekte auf Lesbos und fordert 40.000 Menschen unter absolut Handelsschiff staatliche Akteure zum Handeln auf menschenunwürdigen Bedingungen (S. 25-26) Mission IRINI untergebracht. Europäische Union SAR-Region Umverteilung von Ankommenden an Einsatzgebiet EU-Staaten passiert in einem Ad-Hoc- Detentioncamps Mechanismus. Das Fehlen eines funktionie- Die EU unterstützt die sogenannte Sardinia Italienische SAR-Region renden Verteilungsschlüssels führt zu Libysche Küstenwache mit Millionen- Europäische Hotspots monatelangen Verzögerungen auf Kosten beträgen, Trainings & Schiffen. EU-Außengrenze der Schutzsuchenden. Staaten sagen „Relocations“ zu, die dann nicht stattfinden. SAR Suche und Rettung (Search-and-Rescue) RCC Rettungsleitstelle GRIECHENLAND Lesbos (Rescue Coordination Center) Frontex & EUNAVFOR Med Palermo Chios Algerische SAR-Region Beide Missionen sind hauptsächlich mit Flugzeugen im Einsatz. Die neue Marineoperation IRINI soll ein Waffen- Samos embargo gegen Libyen durchsetzen und Catania hat die Auflage, bei „Aufkommen von Fluchtbooten“ östlich abzuziehen. Handelsschiffe (S. 27) MRCC Rome & RCC Malta Schiffe umfahren Fluchtrouten weitläufig - ignorieren Notrufe um Rettungen und damit verbundene Tunis - koordinieren illegale Pushbacks mit der Verzögerungen mit starken wirtschaftli- sogenannten Libyschen Küstenwache chen Einbußen zu vermeiden. Sea-Watch operiert im zentralen Lo Mittelmeer mit zwei Rettungs- Italienische SAR-Region schiffen (S. 8-11) und zwei Aufklä- MALTA rungsflugzeugen (S. 16-19). Lampedusa Gri ech isc ALGERIEN he SAR -Re Sfax Sogenannte Libysche Küstenwache & Navy gio n Mittelmeertote 2019 - beschäftigt Milizen 1.262 Menschen haben laut IOM 2019 ihr Leben bei dem - spricht kein Englisch Versuch, das zentrale Mittelmeer zu überqueren, verloren. Maltesische SAR-Region TUNESIEN - schwer erreichbar Die Dunkelziffer ist weitaus höher. Libysche SAR-Region Vollstreckung illegaler Rückführungen von Fluchtbooten, eigenständig und 19.01.–21.01. | Mehr als 12.08. | Mann in kritischem unter Koordination von Europa. 170 Menschen auf der Flucht Zustand mit Helikopter von ertrinken vor der libyschen Schlauchboot evakuiert. Küste. Elf Tage zuvor war er mit 14 Tunesien, Algerien: weiteren Menschen gestartet, Können keinen sicheren Hafen haben, 04.07. | 85 Menschen starten nur er überlebt. da es kein Asylsystem gibt und LGBTQ- Zuwara in Libyen, eine Leckage lässt Eine Leiche wird geborgen. Flüchtende Diskriminierung erfahren. Tripolis al-Baida Gubba ihr Boot sinken. Ein Überle- al-Chums bender stirbt später im 27.08. | Boot sinkt vor der Tamimi Krankenhaus, 17 Leichen libyschen Küste. Etwa 40 Bengasi werden an die Küste gespült, Menschen werden vermisst. Misrata weitere bleiben vermisst. Libyen: 07.10. | Boot kentert vor - anhaltender Bürgerkrieg 25.07. | Das Alarmphone Lampedusa, 22 von 50 - kein Einheitsstaat LIBYEN erhält etliche Notrufe, Menschen werden gerettet. - Mißachtung international anerkannter LIBYEN mindestens ein Boot kentert 13 weibliche Leichen werden Menschenrechte mit 250 Menschen an Bord. gefunden, 8 Kinder vermisst. Az-Zuwaytinah 67 Leichen werden geborgen, Menschen in Inhaftierungslagern droht mindestens 138 Menschen 23.11. | Boot kentert vor Folter, Vergewaltigung und Versklavung. Qasr Abu Hadi 20 werden nach mehreren Lampedusa. 20 Menschen 21 Es gibt keinen Zugang zu medizinischer Bootsunglücken vermisst. werden vermisst, 5 Leichen Versorgung. geborgen. 100 KM
Rechtliche Grundsätze Die Pflicht zur Seenotrettung unserer Arbeit Seenotrettung ist nicht nur eine mo- ralische, sondern auch eine völker- und menschenrechtliche Pflicht. Jede*r Kapitän*in ist nach interna- tionalem Seerecht dazu verpflich- tet, Personen aus Seenot zu retten Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu Kollektivausweisungen aus- und in einen sicheren Hafen zu brin- gen. Die Nichteinhaltung kann straf- schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. ländischer Personen sind nicht rechtlich verfolgt werden. [Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland]. zulässig. [Art. 4 des 4. Zusatzprotokolls der Europäischen Menschen- Das Recht auf Flucht rechtskonvention]. Seenotrettung ist nicht nur eine moralische, sondern auch eine Sea-Watch steht vehement für das völker- und menschenrechtliche Pflicht, die im Seerechtsüber- Niemand darf der Folter oder Recht auf Flucht ein. Die Zahl der Menschen, die vor Krieg, Konflikten einkommen, im Internationalen Übereinkommen zum Schutz unmenschlicher oder erniedrigen- und Verfolgung fliehen, war noch nie des menschlischen Lebens auf See, aber auch im nationalen der Strafe oder Behandlung so hoch wie heute. Laut dem UNHCR waren Ende 2019 weltweit 79,5 Mil- Recht verankert ist. unterworfen werden. lionen Menschen (Stand Juli 2020) auf der Flucht, weil sie aus verschie- [Art. 98 Abs. 1 Seerechtsübereinkommen, Art. 33 Abs. 1, Kapitel V, Annex der Internationalen Übereinkommen zum [Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention]. densten Gründen in ihren Heimat- Schutz des menschlischen Lebens auf See, §2 Abs. 1 Verordnung über die Sicherung der Seefahrt]. ländern nicht mehr sicher oder ihre Existenzgrundlagen zerstört sind. In Libyen führte der Sturz von Gaddafi Jede*r hat das Recht, in anderen Ländern vor 2011 zu einem verheerenden Krieg, der bis heute andauert. Während Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen. die Sicherheitslage nicht nur die lo- kale Bevölkerung gefährdet, stellt [Art. 14 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte]. der Konflikt ein Sicherheitsrisiko für die gesamte Region dar. Fehlende Nach dem Non-Refoulment-Prinzip ist die staatliche Strukturen und die Ge- waltherrschaft verschiedener Mili- Auslieferung, Ausweisung oder Rückschiebung zen verschärfen die derzeitige Lage. einer Person in ein Land, in dem für die Libyen hat kein nationales Asylsys- tem, und internationalen Organisa- betreffende Person ein ernsthaftes Risiko von tionen wird der Zugang erschwert. unmenschlicher Behandlung, Folter oder Ausländer*innen werden oftmals durch offizielle Beamte oder andere Verfolgung besteht, verboten. Gruppen abgefangen und in illegale Dieses Prinzip ist gewohnheitsrechtlich an- Hafteinrichtungen gebracht. Die Be- dingungen dort sind alarmierend erkannt, aber auch in verschiedenen völker- und die Berichte über schwere Men- rechtlichen Verträgen verankert. schenrechtsverletzungen wie Folter, Ausbeutung und Menschenhandel [wie z.B. in Art. 3 der Antifolterkonvention, Art. 19 Abs. 2 der Europäischen Grund- nehmen zu. Da es weiterhin keine rechtecharta und in Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention]. legalen Fluchtmöglichkeiten nach Foto: Tim Wagner 22 23
Europa gibt und der Landweg fast Shire sprechen eine deutliche Spra- Ankünfte gerechnet liegt die Todes- Wir haben Platz vollständig abgeschottet ist, bleibt che: Menschen, die sich in ein Boot rate im Jahr 2019 sogar bei 7,82%, vielen nur der gefährliche Weg über setzen und die potenziell tödliche d.h. auf 13 Personen, die die Küste das Meer. Überfahrt riskieren, haben dafür Italiens erreichen, entfällt ein Todes- immer Gründe. Sie befinden sich in fall. Dieser Unterschied ergibt sich #LeaveNoOneBehind #dreizehntausend einer akuten Notsituation, fliehen aus den abgefangenen und nach Li- Das Non-Refoulement-Prinzip & vor Krieg und Verfolgung, Armut byen zurück geschleppten Personen Warum wir Menschen nicht nach und Not. – allein bis Juli diesen Jahres sind es Nordafrika bringen laut UNHCR bereits 6.027 Menschen, Unterschiedliche Studien der letz- die erneut in den Kreislauf aus Miss- Wohin aus Seenot gerettete Perso- ten Jahre zeigen, dass die Anzahl der brauch und Gewalt zurückgedrängt nen gebracht werden – also welchen Versuche, das Mittelmeer zu über- wurden. Einen Anstieg der Fluchtbe- Hafen ein Rettungsschiff ansteuern queren, schwanken. Dies hat viele wegung über das Mittelmeer in Rela- muss –, entscheidet nicht der*die Ka- verschiedene Gründe. Zum einen tion zu NGO-Aktivitäten kann nicht pitän*in, sondern diejenige Seenot- spielen die Wetterbedingungen eine festgestellt werden. Eines ist aber rettungsleitstelle, die für die Such- große Rolle. Zum anderen sind Men- ganz klar: Weniger Rettungsschiffe und Rettungszone zuständig ist. Das schen auf der Flucht der Willkür der auf dem Mittelmeer bedeuten, dass Non-Refoulement-Prinzip verbietet Schlepper ausgesetzt. Oft werden ein viel höherer Anteil derjenigen, dabei den Staaten die Auslieferung, sie misshandelt und erpresst oder die die Überfahrt wagen, ertinkt. Ausweisung oder Rückführung einer als Zwangsarbeiter*innen oder Pros- Person in ein Land, in dem dieser tituierte verkauft, bis sie die Kosten eine unmenschliche Behandlung, der Überfahrt “verdient” haben. Im- Viele weitere Fragen beantworten Folter oder Verfolgung drohen. Dies mer wieder wird hier eine müßige wir auf: trifft auf die Länder Nordafrikas zu: In Diskussion über Ursache und Wir- sea-watch.org/faq Libyen sind Menschen auf der Flucht kung geführt. Fakt ist: Zivile Seenot- Misshandlung, Vergewaltigung und rettung entstand als eine Reaktion Folter ausgesetzt. Die Internierung auf katastrophale Bootsunglücke, in Gefangenenlager wurde vom UN- bei denen teils über 800 Menschen Flüchtlingswerk und Amnesty Inter- auf einmal ertranken. Diese Unglü- national mehrfach als untragbar cke ereigneten sich, nachdem staat- und unmenschlich bezeichnet. Auch liche Rettungsmissionen eingestellt in Tunesien gibt es kein nationales wurden. Asylsystem. Eine Rückführung nach Im letzten Jahr sanken die Ankunfts- Libyen oder Tunesien verstößt gegen zahlen im Vergleich zu den Vorjah- völkerrechtlich verbriefte Menschen- ren deutlich. Die Kooperation der rechte und internationales Seerecht, EU mit der sogenannten Libyschen da weder Tunesien noch Libyen si- Küstenwache, die sie finanziert und chere Häfen sind. Mit der Ausschif- ausrüstet, führt dazu, dass immer fung Schiffbrüchiger in diese Länder mehr Menschen illegal in das Bür- könnten sich unsere Kapitän*innen gerkriegsland zurückgeschleppt also strafbar machen. werden. Während die IOM 2018 24.855 Menschen zählte, die Euro- Warum fliehen Menschen über das pa über das zentrale Mittelmeer er- Mittelmeer? reicht haben, so waren es 2019 nur noch 14.874 Personen. Gleichzeitig „No one puts their children on a stieg die Todesrate unter denjeni- boat unless the water is safer than gen, die eine Überfahrt riskieren the land” – Die Worte der geflüchte- mussten, von 2,88% 2018 auf 4,78% ten somalischen Dichterin Warsan im Jahr 2019. Auf die tatsächlichen „Gemeinsam mit Aktivist*innen von Sea-Watch, Seebrücke, LeaveNoOneBehind und Campact Foto: Agata Szymanska-Medina haben wir 13.000 Stühle vor den Bundestag gestellt. Ein Stuhl für jeden Menschen, der zu diesem Zeitpunkt im Camp Moria auf Lesbos untergebracht war. Unsere Botschaft an die Politik: Wir haben Platz. Alle Camps an den Außengrenzen müssen evakuiert werden.“ 24 Doreen • Sprecherin Politische Öffentlichkeitsarbeit 25
Politische Unterstützung der Handelsschifffahrt Öffentlichkeitsarbeit Während der Einsätze mit unseren zivilen Aufklärungs- Um Kapitän*innen und Reedereien zu unterstützen und flugzeugen werden wir immer wieder Zeug*innen von sie zu ermutigen, standhaft gegenüber der unmenschli- Fällen, in denen Handelsschiffe sich in unmittelbarer chen europäischen Migrationspolitik zu bleiben, bieten Nähe von Booten in Seenot befinden. Weil gezielte Blo- wir regelmäßig unsere operationelle Expertise im Falle ckademaßnahmen nach Rettungseinsätzen auch vor ih- einer Rettung, den Zugang zu einem Netzwerk aus Ju- nen keinen Halt machen und die durch die Verweigerung rist*innen sowie politische und psychologische Unter- eines sicheren Hafens entstehenden Verzögerungen Ree- stützung an. Dazu haben wir im September ein Rescue dereien sehr viel Geld kosten, müssen wir immer wieder Kit zur Unterstützung von Kapitän*innen und Crews von erleben, wie Handelsschiffe ihre Pflicht zu retten ignorie- Handelsschiffen veröffentlicht. ren und Menschen in Seenot ihrem Schicksal überlassen. Das Thema der zivilen Seenotret- Landesaufnahmeprogramme tung verkommt mehr und mehr zu einem politischen Machtspiel in- Die Schaffung von Landesaufnahmeprogrammen nach §23 Absatz 1 Auf- nerhalb der Europäischen Union enthaltsgesetz ist hier ein wichtiges politisches Instrument. Wir fordern „Fünf Tage lang hat Malta seine Pflichten nicht und ihrer Mitgliedstaaten, obwohl die deutschen Bundesländer auf, ihren rechtlichen Spielraum zu nutzen, erfüllt. Die Zivilgesellschaft, NGOs und Rechtsan- die Sicherheit und der Schutz von eigenständig schutzbedürftige Menschen aus humanitären Gründen auf- wält*innen mussten den Druck erhöhen, um eine Menschen auf der Flucht im Vorder- zunehmen – insbesondere, wenn der Bund sich seiner humanitären Ver- Lösung zu finden. Kapitän*innen von Handelsschif- grund stehen sollte. Auf nationaler antwortung entzieht. Mit dem Moria-Monitor beleuchteten wir beispiels- fen sollten sich ermutigt fühlen, Menschen überall und europäischer Ebene fordern wir weise in einer breiten Kampagne die in den Lagern auf den griechischen und an jedem Ort zu retten. Sie sollten sich durch deshalb unermüdlich die Schaffung Inseln herrschenden katastrophalen Zustände und forderten die Länder den Druck der EU-Koordinierungszentren nicht ein- sicherer und legaler Fluchtwege zum Handeln auf. Im Juni 2020 haben Thüringen und Berlin solche Lan- schüchtern lassen und können sich sicher sein, dass nach Europa und die Einrichtung ei- desaufnahmen beschlossen. Bundesinnenminister Seehofer hat jedoch es eine enorme Unterstützung geben wird und sich nes staatlichen Seenotrettungspro- sein Einvernehmen verweigert. Nun liegt es an den aufnahmebereiten Menschen dafür einsetzen, dass die Geretteten so gramms. Stattdessen sieht sich die Bundesländern, dagegen zu klagen. schnell wie möglich von Bord gebracht werden.“ zivile Seenotrettung, die seit Jahren Kapitän Mohammad • Er und die Besatzung des Handelsschiffs TALIA retteten am Freitag, den 3. Juli 2020, 52 Menschen aus Seenot. diese tödliche Lücke füllt, zuneh- Das kann allerdings nur ein mend mit der Verweigerung von Anfang sein: Weitere Bun- sicheren Häfen, unrechtmäßigen desländer müssen die ihnen Festsetzungen unserer Rettungs- rechtlich zur Verfügung ste- schiffe und der juristischen Verfol- henden Handlungsspielräu- gung unserer Aktivist*innen in ei- me nutzen und dafür kämp- nem kontinuierlich schrumpfenden fen, Menschen in den mehr humanitären Raum konfrontiert. als 200 aufnahmebereiten Städten und Kommunen will- Die Menschen, die über das zent- kommen zu heißen. rale Mittelmeer oder die Ägäis in Europa ankommen, müssen oft monate- oder sogar jahrelang in überfüllten Lagern, in sogenann- ten Hotspots, unter widrigsten Le- bensbedingungen ausharren. Wir fordern, dass diese Menschen wei- Das Handelsschiff Etienne hat am 4. August 27 terreisen können und schnellst- Menschen aus Seenot gerettet. Über 5 Wochen lang möglich und fair auf die europäi- verwehrte Malta ihnen die Hafeneinfahrt. Damit hat schen Länder verteilt werden, um die Etienne einen traurigen Rekord gebrochen: den so eine Chance auf ein selbstbe- längsten Stand-off in der Geschichte der Such- und stimmtes Leben zu erhalten. Rettungsaktivitäten im Mittelmeer. 26 27
Das Mittelmeer geht uns alle etwas an Das, was auf dem Mittelmeer Foto: Philip Eichler passiert, ist keine Naturka- tastrophe, sondern politi- scher Wille. Von Anfang an ist Im Stand-off im Sommer 2019 vor der italienischen Küste kommen Die Fotoausstellung "SW5Y – es daher unser Ziel, eine breite Presse und internationale Politik an Bord. Unsere Gäste dürfen das Fünf Jahre Zivile Seenotrettung" Öffentlichkeit für die humani- Schiff aber nicht verlassen. Als Kapitänin Carola Rackete gefragt wird, was sie zu Salvinis Hasskommentaren sagt, erwidert sie: „Ich muss dokumentiert die Anfänge, Professionalisierung und Krimi- täre Krise auf dem Mittelmeer mich um 43 erschöpfte Gäste und 22 Crewmitglieder kümmern. nalisierung ziviler Seenotrettung zu schaffen. Wenn er was von mir will, soll er sich hinten anstellen.“ in einem stetig schrumpfenden humanitären Raum. #SeaWatch3 #FreeCarolaRackete Deshalb haben wir uns Sea-Watch, und nicht etwa Sea- #SW5Y Rescue genannt. Wir begleiten und dokumentieren Foto: Fabian Jung unsere Einsätze und veröffentlichen in Echtzeit das Ge- schehen an der europäischen Außengrenze, um die Bli- Gemeinsam mit Menschen aus cke der Zivilgesellschaft auf die politisch gewollte und dem griechischen Lager Moria anhaltende Krise auf dem Mittelmeer zu lenken und demonstrieren Aktivist*innen, diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die den un- Auf zahlreichen Veranstaltungen setzen wir in Form einer Hologramm-Demo menschlichen Status quo erhalten. uns mit vielfältigen Themen wie beispielswei- für die sofortige Evakuierung se Flucht und Feminismus auseinander, wie der unmenschlichen Lager. in unserer Veranstaltungsreihe „Das Mittelmeer und Wir“ im silent green Kulturquartier Berlin. #LeaveNoOneBehind Events Foto: Lennart Diesen Besonders hart trifft die Kriminalisierung von Flucht diejenigen, die gezwungen sind, sich auf den gefähr- lichen Weg nach Europa zu machen. Wir unterstützen „Wir sind den tyrannischen und die #ElHiblu3, drei Jugendliche, die verhindert haben, unmenschlichen Behandlungen dass sie und 105 Mitreisende nach Libyen zurück ge- schleppt werden – und heute dafür in Malta vor Ge- in Libyen entkommen, um auf richt stehen. Malta Leben zu finden.“ Mehr Informationen: #ElHiblu3 elhiblu3.info/ Foto: Chris Grodotzki 28 29
JANUAR | ZUSTAND LIBYSCHER LAGER MÄRZ | LEAVE NO ONE BEHIND Zivilgesellschaftliche Bewegung Die Welt veröffentlicht Zitate aus einem Auf den griechischen Inseln befinden sich Drahtbericht der deutschen Botschaft im über 40.000 Menschen in Aufnahmelagern Niger zum Zustand von Flüchtlingslagern MÄRZ | ITALIEN ohne Sanitäreinrichtung. Die Bewegung LNOB in Libyen. Die Diplomaten berichten darin Der Senat stimmt gegen eine Aufhebung der fordert die sofortige Evakuierung der Lager von „allerschwersten, systematischen JUNI | MATTEO SALVINI Immunität Salvinis und unterbindet damit ein wegen enormer Corona-Infektionsgefahr und Menschenrechtsverletzungen in Libyen“ Der Neofaschist und Migrationsgegner wird Gerichtsverfahren gegen ihn. wird zu einer schnell wachsenden internatio- und beschreiben „KZ-ähnliche Verhältnisse Innenminister von Italien. Er verkündet über nalen Solidaritätsbewegung. 10/2014 | TRITON (gr. Meeresgott) in den sogenannten Privatgefängnissen“. Twitter die Sperrung italienischer Häfen für APRIL | OPERATION SOPHIA beendet Die Frontex-Mission TRITON ersetzt Schiffe mit geretteten Migrant*innen an Bord. Marineoperation und beschränkt sich auf MÄRZ | OPERATION IRINI (gr.: Frieden) Mare Nostrum, mit geringem JULI | Italien fordert Verhaltenskodex Luftaufklärung im zentralen Mittelmeer. löst Sophia ab. Irinis Kernaufgabe ist die Aktionsradius & drastisch reduzier- für zivile Seenotrettungsschiffe. Der Vorschlag JULI | 200.000 Menschen unterschreiben Das macht sie praktisch rettungsunfähig. Überwachung und Umsetzung des UN-Waf- ten Kapazitäten liegt der Fokus auf ist in manchen Teilen illegal, da er internatio- Petition an Heiko Maas: Beenden Sie das fenembargos gegen das sich im Bürgerkrieg 2013 | Mare Nostrum (it.: Unser Meer) Grenzsicherung statt Seenotrettung. nales Recht überschreibt. Eine Klausel soll Sterben im Mittelmeer! APRIL | OSTERAPPELL befindliche Libyen. Irinis Einsatzschiffe haben Die am 18. Oktober 2013 angelaufene Italien das Recht zugestehen, die Häfen für 211 Bundestagsabgeordnete fordern von die Auflage, die Region zu verlassen, sobald italienische Seenotrettungsmission läuft MÄRZ | EU-TÜRKEI-DEAL NGO-Schiffe zu schließen, wenn diese sich JULI | DIE BEWEGUNG SEEBRÜCKE, der Regierung mehr Einsatz für Menschen Fluchtboote in der Nähe sind. nach nur einem Jahr aus und wird Erschwerungen von Zugang zu Asyl und weigern sollten, den Verhaltenskodex zu gerade entstanden, färbt die Straßen auf der Flucht im Mittelmeer. mangels Unterstützung anderer Rückführungsabkommen sollen die Flucht- unterschreiben. deutschlandweit orange. APRIL | Italien, Malta und im Anschluss Zivile Seenotrettung EU-Staaten nicht verlängert. Mare bewegungen unterbinden und kontrollieren. MAI | Das UN-Büro des Hochkommissars für auch Libyen erklären ihre Häfen für nicht Nostrum rettete über 150.000 Menschen AUGUST | IUVENTA AUGUST | Die sizilianische Staatsanwalt- Menschenrechte fordert die maltesischen sicher im Rahmen des Gesundheitsnotstan- das Leben. APRIL | Bewaffnete libysche Milizen Nur zwei Tage nachdem sich Jugend Rettet schaft leitet Untersuchungen gegen den Behörden auf, die Anschuldigungen gegen des durch COVID-19. bedrohen und entern die Sea-Watch 2. geweigert hatte, den Verhaltenskodex zu Innenminister wegen Freiheitsberaubung, die El Hiblu 3 fallenzulassen. Die drei unterschreiben, wird ihr Schiff, die IUVENTA, illegaler Inhaftierung und Amtsmissbrauch Heranwachsenden wurden inhaftiert, JULI | AUFNAHMEVERBOT FRÜHJAHR 2015: SCLYCG AUGUST | SCHÜSSE AUF DIE BRÜCKE in Italien wegen der angeblichen Koopera- ein, in der Folge lässt Salvini die Geretteten nachdem ein Tanker sie gerettet und, infolge Innenminister Seehofer verbietet dem Land Die EU beginnt, die sogenannte Libysche Mindestens 13 Schüsse auf das zivile tion mit Schmugglern beschlagnahmt. des Küstenwachschiffs Diciotti an Land. eines erfolglosen Pushbackversuchs nach Berlin, Geflüchtete aus Moria aufzunehmen. Küstenwache zu finanzieren und auszubilden. Seenotrettungsschiff Bourbon Argos (Ärzte Libyen, in Malta angelandet hatte. Die erste Entscheidung dieser Art in der ohne Grenzen). Die Crew versteckt sich im JULI | SAR-REGION LIBYEN OKTOBER | WE'LL COME UNITED Bundesrepublik Deutschland. MAI | EUNAVFOR MED ‚safe room‘, als bewaffnete Männer der Versuch der Einrichtung einer 72 nautische holt 35.000 Menschen in Hamburg auf die JULI | SEEBRÜCKE Ratsbeschluss zur Einrichtung einer „militäri- sogenannten Libyschen Küstenwache an Meilen großen lib. Such- und Rettungsregion. Straße: sie demonstrieren für Seenotrettung Es gehen über 50.000 Menschen in über 100 AUGUST | Trotz monatelanger Kampagnen- schen Operation der EU im südl. zentralen Bord kommen. Im DEZEMBER widerruft Libyen den Antrag und gegen den Rechtsruck, gegen Rassis- Städten und Kommunen europaweit auf die arbeit diverser Politiker*innen und NGOs Mittelmeer“ zur Bekämpfung krimineller bei der IOM. Eine koordinierende Leitstelle mus, gegen Fremdenfeindlichkeit und gegen Straßen: für eine Welt, in der Flucht und für die sofortige Evakuierung des Camps Kriminalisierung ziiviler Seenotrettung Schleusernetzwerke – nicht Seenotrettung. OKTOBER | Die sogenannte Libysche muss laut des Internationalen Übereinkom- Abschiebungen. Migration Menschenrechte sind und Seenot- Moria auf Lesbos wird im August der erste Küstenwache entert ein vollbesetztes men zur Seenotrettung eine lückenlose rettung eine Selbstverständlichkeit. Corona-Infektionsfall bekannt. 18.10. | PROTEST-STUNT Schlauchboot 14,5 Seemeilen vor der Küste Abdeckung des Gebiets gewährleisten (24 OKTOBER | Das EU-Parlament nominiert Sea-Watch setzt Abgeordnete des Bundes- Libyens. Die Migrant*innen werden mit Stunden in Betrieb sein, Englisch sprechen Seenotrettungs-NGOs für den Sakharov-Preis OKTOBER | Malta unterstützt die illegale SEPTEMBER | Das Lager in Moria brennt nach Staatliche Seenotrettung tags in ein Schlauchboot auf die Spree – Stöcken geschlagen und die Sea-Watch- und ausreichend Rettungsmittel zur für Menschenrechte, nimmt das aber nicht Rückführung 50 Flüchtender aus ihrer coronabedingter Abschottung ab. Die EU/ als Protest gegen die Zustimmung zu der Crew davon abgehalten, Rettungswesten Verfügung stellen können). Libyen kann dies zum Anlass, eine staatliche oder vereinigte eigenen SAR-Zone durch die sogenannte griechische Regierung baut ein neues Lager militärischen Operation Sophia. zu verteilen. nicht leisten. Seenotrettungsmission zu starten. Libysche Küstenwache. neben einen vermienten Truppenübungsplatz. 2 0 1 5 2 0 1 6 2 0 1 7 2 0 1 8 2 0 1 9 2 0 2 0 Sea-Bird Luftaufklärung Chartermaschine Moonbird BLOCKIERT Moonbird MS Sea-Watch Sea-Watch 4 Sea-Watch 2 Sea-Watch 3 BLOCKIERT Sea-Watch 3 09.11.2014 | 25 Jahre deutscher Mauerfall – Die Idee Sea-Watch ist geboren. Freiwillige Winter+Frühjahr: Sea-Watch operiert ein APRIL | Mit einer gecharterte Propeller- MAI | Der Moonbird wird die MAI | Moonbird dokumentiert, wie JANUAR | Zusammen mit dem frisch wollen dem Sterben nicht länger zusehen. Schiff im zentralen Mittelmeer und maschine, einer Cirrus SR22, startet die Starterlaubnis in Malta entzogen. Menschen vom europäischen Handels- gegründeten Bündnis United4Rescue zeitgleich in der Ägäis, vor allem Schnell- Luftaufklärungsmission Moonbird. schiff Vos Triton gesetzeswidrig der wird die Sea-Watch 4 ersteigert. boote kommen in der Ägäis zum Einsatz. JULI | Der Sea-Watch 3 wird die Ausfahrt sogenannten Libyschen Küstenwache 19.05. | VEREINSGRÜNDUNG JUNI | Es kommt aufgrund einer extremen aus Malta verweigert – bis Ende Oktober. ausgehändigt werden. MÄRZ | Die COVID-19-Pandemie legt die Sea-Watch e.V. Juni–November: Erste Testflüge für eine Schönwetterperiode zu einer Situation, in zivile Seenotrettung vorübergehend lahm. Suchmission aus der Luft werden über der über 5.000 Menschen auf dem Wasser SEPTEMBER | Sechs tunesische Fischer JUNI | Nach 18 Tagen Stand-off fährt 20.06. | 1. MISSION dem zentralen Mittelmeer gemacht. sind. Ohne die Koordination durch unser helfen einem Boot in Seenot und werden Kapitänin Rackete gegen den Willen der JUNI | Nach einer Rettungsmission wird Die MS Sea-Watch legt ab. Aufklärungsflugzeug Moonbird, das in der von italienischen Behörden festgenommen. Behörden mit noch 43 Geretteten an Bord die Sea-Watch 3 sofort im Hafen festge- In 2016 befinden sich zu Hochzeiten Luft auch in dieser Lage die Übersicht Der Vorwurf lautet Menschenschmuggel, in den Hafen von Lampedusa. setzt. 08.07. | Erste Rettung der 13 Schiffe ziviler Seenotretter*innen behalten kann, wären an diesen Tagen geahndet mit 15 Jahren Haft. MS Sea-Watch-Crew. im zentralen Mittelmeer. vermutlich sehr viele Menschen ertrunken. DEZEMBER | Nach sechs Monaten AUGUST | Die Sea-Watch 4 rettet auf ihrer OKTOBER | In einer Kollaboration von Blockade gibt das Zivilgericht in Palermo ersten Mission 354 Menschen in Seenot aus 07.12. | Sea-Watch kauft zweites NOVEMBER | Erstmalige Dokumentation Sea-Watch und Mediterranea startet das die Sea-Watch 3 frei. Das Schiff kann wegen vier Booten. Zwei in Kollaboration mit dem Rettungsschiff, die Sea-Watch 2. gewaltvoller Übrgriffe durch die sogenann- neue Rettungsschiff Mare Jonio in den Kriminalisierung insgesamt nur drei neuen Rettungsschiff Louise Michel, auch te Libysche Küstenwache und deren fatale ersten Einsatz. Moonbird von neuer Basis Missionen in diesem Jahr fahren. die Open Arms und Mare Jonio eilen zur Konsequenzen. wieder im Einsatz. Hilfe, als Europa nicht reagiert. Die zivile Flotte engagiert sich dort, wo die Friedens- nobelpreisträgerin EU ihre eigenen Gesetze Im Jahr 2015 stach die MS Sea-Watch mit naiver Hoffnung in See: Wenn alle wüssten, was dort passiert, würde schon jemand etwas und grundlegende Menschenrechte 31 30 ändern. Dieser Zeitstrahl zeigt exemplarisch die seither systematisch voranschreitende Abschottung der Europäischen Union mißachtet. und ihrer Mitgliedsstaaten, die Kriminalisierung von Solidarität und Seenotrettung und den ungebrochenen Willen der zivilen Flotte, dem Sterben etwas entgegenzusetzen.
Danke! Ohne Euch wären wir nichts. Ohne sellschaftlichen Rückhalts. Mit Hilfe der Luft und auf dem Wasser am Organisationskoordination und das finanzielle Mittel erfordern. Seien unsere vielen Freiwilligen, unsere dieser Unterstützung konnten wir Laufen zu halten. Und auch 2019 Events-Team gehören, hat im gro- es Corona-bedingte Verzögerungen Spender*innen und unsere Förder- unsere Mission im Kampf gegen die haben wir den größten Teil unserer ßen Maße dazu beigetragen. oder neu anfallende Kosten durch mitglieder könnten wir unsere Arbeit menschenverachtende Politik der Einnahmen für unseren operatio- die stetig voranschreitende Krimina- nicht tun. Nur Dank Eurer Hilfe wa- Europäischen Union ausbauen. Wäh- nellen Bereich verwendet. So war Wenn Du mehr zu unseren Einnah- lisierung ziviler Seenotrettung. Be- ren wir seit 2015 an der Rettung von rend diese weiter mit allen Mitteln beispielsweise unsere Landcrew un- men und Ausgaben im Jahr 2019 sonders unsere Fördermitglieder ge- über 38.000 Menschenleben betei- versucht, zivile Seenotrettung zu ermüdlich im Einsatz. Bereiche wie erfahren möchtest, schau Dir gerne ben uns in diesen unvorhersehbaren ligt. Danke für Eure Zeit und Energie, blockieren, konnte Sea-Watch seine Legal, Advocacy, Medien, Crewing, unseren Finanzbericht an. Diesen ver- Zeiten die Sicherheit, unsere nächs- Eure Kraft, die finanzielle Unterstüt- Flotte sogar erweitern. Das Betrei- Airborne, Shipmanagement, unser öffentlichen wir Ende diesen Jahres in ten Einsätze planen zu können. zung und vor allem für Euren Einsatz ben eines zweiten Schiffs, der Sea- Supervisionsteam oder das medi- digitaler Form auf unserer Webseite. dafür, dass das Mittelmeer nicht zur Watch 4, und der Kauf eines zweiten zinische Department haben hart Wenn auch Du Dich mit einer menschenrechtsfreien Zone wird. Flugzeugs, der Seabird, wären 2020 dafür gearbeitet, die Sea-Watch 3 Auch unsere zukünftigen Rettungs- Fördermitgliedschaft gegen die ohne diese finanzielle Durchschlags- und die Moonbird 2019 so oft wie einsätze hängen ausschließlich tödliche Politik des Sterbenlassens 2019 haben wir eine große Welle kraft nicht möglich gewesen. nur möglich in den Einsatz zu schi- von Spendengeldern ab stellen willst, findest Du hier Von ganzem Herzen möchten wir an der Solidarität erfahren. Wir waren cken. Auch der nicht-operative Be- weitere Informationen: dieser Stelle allen unseren Unter- bewegt durch diese Anteilnahme Auch 2019 hatten wir hohe Aus- reich, zu dem das Finanzteam, das Immer wieder stehen wir vor neuen sea-watch.org/spenden/ stützer*innen danken! und das starke Zeichen des zivilge- gaben, um unsere Missionen aus IT-Team, das Fundraising-Team, die Herausforderungen, die erhebliche foerdermitglied/ 32 33
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