Moorschutzstrategie der Bundesregierung - Diskussionspapier
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Stand: November 2020 Diskussionspapier Moorschutzstrategie der Bundesregierung Inhalt Einleitung: Moorschutz – mehr als der Schutz intakter Moore ................................................. 4 1. Ausgangslage....................................................................................................................... 5 1.1 Moore in Deutschland ..................................................................................................... 5 1.2 Moore als Lebensräume ................................................................................................. 9 1.3 Moore als Kohlenstoffspeicher ..................................................................................... 11 1.4 Moore als Wasserspeicher und Nährstoffsenke ........................................................... 13 1.5 Moore als Archive der Natur- und Siedlungsgeschichte ............................................... 14 2. Bezüge zu anderen Strategien und Programmen der Bundesregierung ........................... 15 3. Schützen, wiederherstellen, nachhaltig nutzen – Grundsätze und Ziele der Moorschutzstrategie ............................................................................................................... 20 4. Handlungsfelder ................................................................................................................. 22 4.1 Schutz und Wiederherstellung naturnaher Moore ........................................................ 22 4.1.1 Aktuelle Situation ................................................................................................... 22 4.1.2 Ziele ....................................................................................................................... 24 4.1.3 Maßnahmen ........................................................................................................... 25 4.2 Landwirtschaftliche Nutzung von Moorböden ............................................................... 27 4.2.1 Aktuelle Situation ................................................................................................... 27 1 von 63 | www.bmu.de
4.2.2 Ziele ....................................................................................................................... 28 4.2.3 Maßnahmen ........................................................................................................... 29 4.3 Forstwirtschaftliche Nutzung von Moorböden ............................................................... 32 4.3.1 Aktuelle Situation ................................................................................................... 32 4.3.2 Ziele ....................................................................................................................... 33 4.3.3 Maßnahmen ........................................................................................................... 34 4.4 Torfabbau und Torfnutzung .......................................................................................... 37 4.4.1 Aktuelle Situation ................................................................................................... 37 4.4.2 Ziele ....................................................................................................................... 37 4.4.3 Maßnahmen ........................................................................................................... 38 4.5 Militärische Nutzungen ................................................................................................. 39 4.5.1 Aktuelle Situation ................................................................................................... 39 4.5.2 Ziele ....................................................................................................................... 39 4.5.3 Maßnahmen ........................................................................................................... 40 4.6 Überprüfung und Anwendung des Rechtsrahmens ...................................................... 41 4.6.1 Aktuelle Situation ................................................................................................... 41 4.6.2 Ziele ....................................................................................................................... 42 4.6.3 Maßnahmen ........................................................................................................... 42 4.7. Aktivitäten auf Internationaler und EU-Ebene .............................................................. 43 4.7.1 Aktuelle Situation ................................................................................................... 43 4.7.2 Ziele ....................................................................................................................... 45 4.7.3 Maßnahmen ........................................................................................................... 46 4.8 Forschung, Bildung und Öffentlichkeitsarbeit ............................................................... 47 4.8.1 Aktuelle Situation ................................................................................................... 47 4.8.2 Ziele ....................................................................................................................... 50 4.8.3 Maßnahmen ........................................................................................................... 50 4.9. Fördermaßnahmen ...................................................................................................... 51 4.9.1 Aktuelle Situation ................................................................................................... 51 4.9.2 Ziele ....................................................................................................................... 52 2 von 63 | www.bmu.de
4.9.3 Maßnahmen ........................................................................................................... 53 4.10 Daten und Monitoring ................................................................................................. 53 4.10.1 Aktuelle Situation ................................................................................................. 53 4.10.2 Ziele ..................................................................................................................... 54 4.10.3 Maßnahmen ......................................................................................................... 54 5. Berichtspflichten und Evaluierung ...................................................................................... 56 X. Anhang............................................................................................................................... 57 X.1 Begriffserklärungen ...................................................................................................... 57 X.2 Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................ 61 X.3 Quellenverzeichnis und weiterführende Literatur ......................................................... 62 3 von 63 | www.bmu.de
Einleitung: Moorschutz – mehr als der Schutz intakter Moore Intakte Moore sind beeindruckende Landschaften. Sie sind einzigartige Lebensräume hochspezialisierter Tier- und Pflanzenarten und zugleich ein kulturgeschichtliches Archiv, an dem sich unsere eigene Entwicklung nachverfolgen lässt. Sie haben eine regulierende Wirkung im Wasser- und Nährstoffhaushalt und eine kühlende Verdunstungswirkung, die für das lokale und regionale Klima wichtig ist. Zunehmend werden sie als Erholungs- und Erlebnisraum entdeckt. Darüber hinaus sind Moore aber auch Langzeitspeicher für Kohlenstoff und ihre Schädigung kann sich gravierend auf das Klimasystem auswirken. Neben dem Schutz intakter Moore bilden daher die Wiederherstellung und die nachhaltige Bewirtschaftung entwässerter Moorböden ein zentrales Thema der Moorschutzstrategie. Lange Zeit wurden Moore als lebensfeindlicher Raum betrachtet und ihre Kultivierung als ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Lebensgrundlagen der örtlichen Bevölkerung angesehen. Dies hat dazu geführt, dass heute nur noch ein geringer Teil der Moorgebiete in Deutschland als naturnahe Moore erkennbar ist. In Deutschland wurden mehr als 90% der Moorböden entwässert und werden heute für die Land- und Forstwirtschaft oder als Siedlungs- und Verkehrsflächen genutzt. Mittlerweile verstehen wir, dass es gerade die Trockenlegung der Moore ist, deren Folgen uns vor erhebliche Herausforderungen stellen - für den Klimaschutz, den Biodiversitätsschutz, aber auch für eine nachhaltige Nutzung. Werden Moorböden entwässert, kommt der Torf, aus dem sie bestehen, mit Luft in Berührung. Dann beginnt ein Zersetzungsprozess, bei dem große Mengen Kohlendioxid freigesetzt werden. Der Torf löst sich sozusagen auf. Sichtbar wird der Prozess an den starken Sackungen der Moorböden. Je nach Region sind dies bis zu einem Zentimeter pro Jahr bzw. einem Meter in 100 Jahren. Für Deutschland entspricht die Menge der Treibhausgase, die dabei jährlich freigesetzt wird, einem Viertel der Emissionen des Verkehrssektors. Dies verdeutlicht die Klimarelevanz der Moore. Es besteht jedoch nicht nur aus Sicht des Klimaschutzes erheblicher Handlungsbedarf. Mit der Torfzersetzung verlieren die Böden langfristig zudem ihre Fruchtbarkeit. Dieser Prozess wird weitergehen, bis die entwässerte Torfschicht vollständig aufgezehrt ist oder die Wasserstände in den Böden wieder angehoben werden. Auch aus einer langfristigen ökonomischen Perspektive ist es daher wichtig, zu nachhaltigen Bewirtschaftungsformen dieser Flächen zu kommen. Mit der Erarbeitung einer Moorschutzstrategie kommt die Bundesregierung dem Auftrag aus der Koalitionsvereinbarung nach und will der Bedeutung des Moorschutzes für den 4 von 63 | www.bmu.de
Biodiversitäts- und Klimaschutz gerecht werden. Sie wendet sich nicht nur an die innerstaatlichen Einrichtungen auf den verschiedenen Ebenen, sondern an alle gesellschaftlichen Akteure. Die Bundesregierung ist dabei überzeugt, dass der Schutz, die Wiedervernässung und die nachhaltige Nutzung von Mooren und Moorböden nur im Schulterschluss mit der örtlichen Bevölkerung und denjenigen, die die Flächen derzeit bewirtschaften, gelingen können. Die Moorschutzstrategie baut deshalb auf verstärkter Öffentlichkeitsarbeit und kooperativen Ansätzen auf, durch die ein Transformationsprozess hin zu moorerhaltenden Bewirtschaftungsformen unterstützt werden soll. Mit Blick auf die besondere Herausforderung, die der Moorschutz für den Klimaschutz und für die Landwirtschaft darstellt, besteht die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Die Moorschutzstrategie der Bundesregierung soll daher ergänzt werden durch eine Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Moorbodenschutz, die auch eine Brücke zu den Moorschutzstrategien der Länder bildet. 1. Ausgangslage 1.1 Moore in Deutschland Mit dem Ende der Eiszeit vor 12.000 Jahren begann in Mitteleuropa die Entstehung unserer heutigen Moore. Voraussetzung dafür war das kühle gemäßigte Klima und ein Wasserüberschuss in der Landschaft. Die Moore bestehen aus Torf, der sich aus den abgestorbenen Teilen von Pflanzen bildet und Wasser speichern kann wie ein Schwamm. In diesen Ökosystemen gibt es im Vergleich zu anderen heimischen Landschaften eine spezielle Biodiversität; viele Pflanzen und Tiere, die heute vom Aussterben bedroht sind, finden hier ihren letzten Rückzugsraum. Bereits absehbar ist, dass die Folgen des Klimawandels deutliche Auswirkungen auf die Moore haben werden (1), (2): Der erwartete Temperaturanstieg führt zu einer stärkeren Verdunstung. Darüber hinaus können Veränderungen der Niederschlagsmenge und ihrer jahreszeitlichen Verteilung die Moore zusätzlich belasten. Beides kann dazu führen, dass der Wasserstand verstärkt sinkt, insbesondere in den Sommermonaten. Es wird daher damit gerechnet, dass verschiedene Moorlebensräume verschwinden oder sich deutlich verändern werden. Vor allem die Waldmoore in Nordostdeutschland sind durch den Klimawandel zusätzlich gefährdet. Mit den Moorlebensräumen sind auch die Arten bedroht, die auf diese Lebensräume angewiesen sind. 5 von 63 | www.bmu.de
Die weit überwiegende Anzahl der Moore in Deutschland ist heute entwässert und mehr als drei Viertel dieser Flächen werden land- oder forstwirtschaftlich genutzt. Sie sind für den Laien in der Landschaft vielfach nicht mehr als Moorgebiete zu erkennen. Oft erinnert nur noch die Gebietsbezeichnung an die ehemaligen Verhältnisse. Die Böden in diesen Gebieten werden meist als „Moorböden“ oder „organische Böden“ bezeichnet. Von diesen Moorböden sind 92 % entwässert. Es gibt in Deutschland rund 1,8 Millionen Hektar Moorböden. Sie konzentrieren sich insbesondere auf das Norddeutsche Tiefland sowie das Alpenvorland. Obwohl dies nur rund 5 % der gesamten Landfläche Deutschlands sind, ist in diesen Moorböden genauso viel Kohlenstoff gespeichert wie in den deutschen Wäldern. Durch den abgesenkten Wasserstand sind diese Böden aber Zersetzungsprozessen ausgesetzt, weil der Torf mit Luft in Berührung kommt. Dabei werden große Mengen des gespeicherten Kohlenstoffs als Treibhausgase freigesetzt. Freisetzungen sind auch über Torfbrände möglich, deren Wahrscheinlichkeit mit fortschreitendem Klimawandel weiter zunimmt. Wenn wir das Ziel der Treibhausgasneutralität erreichen wollen, ist es wichtig, dass wir die Kohlenstoffvorräte der Moorböden vor Freisetzung schützen. Dies ist nur möglich, wenn die Wasserstände wieder angehoben werden. 6 von 63 | www.bmu.de
Abbildung 1: Moorgebiete in Deutschland (Quelle: Global Peatland Database, Greifswald Moor Centrum 2020 (17)) 7 von 63 | www.bmu.de
Derzeit wird rund die Hälfte der Moorböden als Grünland, weitere 19 % als Ackerflächen genutzt. Auf Land- und Forstwirtschaft gemeinsam entfallen mehr als drei Viertel der Moorbodenfläche. Die heute vorherrschenden Nutzungsformen sind meist von einer tiefen Entwässerung der Moorböden abhängig, um den Kulturpflanzen geeignete Wachstumsbedingungen zu bieten. Zugleich erhöht sich mit der Entwässerung die Tragfähigkeit der Böden, sodass die Flächen mit schweren Maschinen befahren werden können und für die Beweidung durch moderne Tierrassen geeignet sind. Wenn die Wasserstände auf den Flächen angehoben werden sollen, müssen neue Nutzungsformen für die Flächen entwickelt werden. Abbildung 2: Übersicht über die derzeit bestehenden Nutzungen auf Moorböden in Deutschland - Quelle: UBA 2020 (4) Hindernisse für Wiedervernässungen sind bestehende Siedlungs- und Verkehrsinfrastrukturen, aber auch Windkraft- und Photovoltaikanlagen, die auf einigen Moorböden installiert wurden. Es ist daher davon auszugehen, dass nur ein Teil der Flächen wiedervernässt werden kann und erhebliche Treibhausgasemissionen aus Moorböden auch in Zukunft noch erfolgen werden. Die Errichtung weiterer Bauten und Infrastrukturen auf entwässerten Moorböden muss dringend vermieden werden, um den Weg für einen ambitionierten Klimaschutz nicht noch weiter zu erschweren. Deutlich rückläufig ist die Torfgewinnung in Deutschland. Der Abbau erfolgt vorrangig zur Verwendung im Gartenbau und im Privatgarten, als Kultursubstrat oder zur Bodenverbesserung. Hier wird der im Torf gebundene Kohlenstoff in kurzer Zeit freigesetzt. Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Gesellschaft bildet daher die Beendigung des 8 von 63 | www.bmu.de
Torfabbaus und der Torfverwendung einen weiteren wichtigen Baustein. Da Torf und Pflanzerden innerhalb der Europäischen Union (EU) frei handelbare Güter sind, ist es wichtig, Maßnahmen in diesem Bereich mit den anderen Mitgliedstaaten abzustimmen, um Verlagerungseffekte des Torfabbaus in andere Staaten zu vermeiden. Wegen der ungünstigen Bedingungen für eine Besiedlung sind auf manchen Moorflächen militärische Übungsflächen entstanden. Ehemals militärisch genutzte Flächen insbesondere in den neuen Bundesländern konnten nach 1990 für die Belange des Naturschutzes gesichert und teilweise renaturiert werden. Auf den in einer militärischen Nutzung verbliebenen Moorflächen besteht weiterhin Handlungsbedarf. Diese werden daher in dieser Moorschutzstrategie ebenfalls berücksichtigt. 1.2 Moore als Lebensräume Naturnahe nicht entwässerte Moore sind Lebensraum für eine spezifische Tier- und Pflanzenwelt. Sie tragen heute überdurchschnittlich zur Erhaltung der biologischen Vielfalt bei und sind somit für den Arten- und Biotopschutz von besonderer Bedeutung. Hoch- und Übergangsmoore weisen eine relative Artenarmut auf und nur hoch spezialisierte Arten, die an dauerhafte Nässe, niedrige pH-Werte und Nährstoffarmut angepasst sind, können hier überleben. Niedermoore mit ihren Riedern, Röhrichten und Bruchwäldern sind dagegen meist artenreicher. Hotspots der biologischen Vielfalt in Deutschland stellen basenreiche Moore dar, die mit ihren extensiv genutzten Streuwiesen, Seggen- und Binsenriedern die höchsten Artenzahlen aller Moorbiotope in Deutschland aufweisen. Von den naturnahen Lebensräumen der Moore profitieren diverse Artengruppen, wie Insekten und Vögel. Die Moore sind in ihrer Vielfalt unersetzliche Lebensstätten für zahlreiche Arten, die nationalen Artenschutzbestimmungen, europäischen oder auch internationalen Verpflichtungen unterliegen wie der RAMSAR-Konvention, der Fauna-Flora- Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) und der Vogelschutz-Richtlinie der EU. Wegen der drastischen Verringerung der Feuchtlebensräume haben die verbliebenen Hoch- und Niedermoore auch eine besondere Bedeutung als Ersatzlebensraum für in der früheren bäuerlichen Kulturlandschaft noch häufige Tierarten, wie z.B. Sumpfohreule und Brachvogel. Die nationalen Berichte zur Umsetzung der FFH-Richtlinie und die Roten Listen zeigen jedoch, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Die von der der FFH-Richtlinie geschützten Moor-Lebensraumtypen müssen derzeit weit überwiegend als in einem 9 von 63 | www.bmu.de
„ungünstig-unzureichenden“ oder sogar „ungünstig-schlechten“ Erhaltungszustand eingestuft werden. Unzureichend oder schlecht ist der Zustand auch für sekundäre Lebensraumtypen auf Moorstandorten (z. B. Pfeifengraswiesen) und daran angepasste Arten. Tabelle 1: Erhaltungszustand der wesentlichen Lebensraumtypen der Moore in Deutschland gemäß FFH-Richtlinie und dem nationalen FFH-Bericht 2019 Biogeographische Region gemäß FFH-Richtlinie Code Lebensraumtyp Atlantisch Kontinental alpin 3160 Dystrophe Seen und Teiche x x o 4010 Feuchte Heidegebiete des nordatlantischen xx xx - Raumes mit Erica tetralix 6410 Pfeifengraswiesen auf kalkreichem Boden, xx xx o torfigen und tonigschluffigen Böden (Molinion caeruleae) 7110 Lebende Hochmoore xx x o 7120 Noch renaturierungsfähige degradierte xx xx x Hochmoore 7140 Übergangs- und Schwingrasenmoore xx x x 7150 Torfmoor-Schlenken (Rhynchosporion) x x o 7210 Kalkreiche Niedermoore mit Cladium mariscus xx x o und Arten des Caricion davallianae 7230 Kalkreiche Niedermoore xx x x 91D0 Moorwälder xx xx o Quelle: BMU 2020 (5) Legende: o günstig X ungünstig- XX ungünstig-schlecht unzureichend Der ungünstige aktuelle Zustand der Moore spiegelt sich auch im Umfang und den Gefährdungsgraden der in den Roten Listen erfassten moorgebundenen Arten wider. Selbst ein erheblicher Anteil der Moosarten, die entscheidend zur Torfbildung beitragen, ist in den Roten Listen aufgeführt und Torfmoose (Sphagnum) gehören gemäß § 10 BNatSchG zu den 10 von 63 | www.bmu.de
besonders geschützten Arten. Bei den Tierarten sind es gerade Insekten, wie z. B. Libellen und Schmetterlinge, die aufgrund der Zerstörung und Degeneration von Mooren als gefährdet oder gar vom Aussterben bedroht eingestuft sind. Zur Verbesserung des Erhaltungszustandes der Moore und ihrer charakteristischen Arten sind in der Regel umfangreiche hydrologische Maßnahmen nötig, die den Gesamtwasserhaushalt der Moore beeinflussen. Langfristig absinkende Grundwasserstände durch zunehmende Trocken- und Hitzeperioden können ebenfalls den Gesamtwasserhaushalt von Mooren beeinflussen. Vielfach ist es erforderlich, ausreichende Pufferflächen und das hydrologische Einzugsgebiet von Mooren in die Renaturierungskonzepte mit einzubeziehen, um vor allem die Nährstoffbelastungen in den empfindlichen Moorbiotopen zu reduzieren. Bei Biotopen der extensiv genutzten Kulturlandschaft muss darüber hinaus langfristig eine entsprechende Pflege oder extensive Nutzung gesichert werden. 1.3 Moore als Kohlenstoffspeicher Moore spielen eine besondere Rolle im Kohlenstoffkreislauf und für den Klimaschutz. Hierauf weist auch der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC), im Deutschen meist als „Weltklimarat“ bezeichnet, in seinem Sonderbericht über Klimawandel und Landsysteme hin. Während in anderen Landökosystemen Kohlenstoff für eine begrenzte Zeit eingespeichert und nach Absterben der Pflanzen wieder freigesetzt wird, kann in Mooren der Kohlenstoff als Torf langfristig gespeichert werden. Die Torfschichten in Mooren können über Tausende von Jahren wachsen. Gemäß dem IPCC Report (6) sind schätzungsweise 26 bis 44 % des weltweit in Böden gespeicherten organischen Kohlenstoffs in Mooren gebunden, obwohl nur 3 bis 4 % der Landfläche der Erde von Mooren bedeckt sind. Weltweit betrachtet befinden sich ca. 80 % der Moore in einem natürlichen Zustand, von denen mehr als die Hälfte weiterhin Kohlenstoff einbindet. Die übrigen etwa 20 % der Moore (ca. 80 Millionen Hektar) sind derart verändert, dass keine Torfbildung mehr stattfindet. Viele dieser geschädigten Moore setzen den gespeicherten Kohlenstoff nach und nach wieder frei und sind für ca. 6 bis 7 % der globalen Kohlendioxidemissionen verantwortlich. Nach Indonesien ist die EU der weltweit zweitgrößte Emittent von Kohlendioxidemissionen aus degradierten Mooren. Innerhalb der EU ist Deutschland der größte Emittent. In Deutschland sind 92 % der Moore entwässert und verursachen mit ca. 47 Mio. t CO2-äq (7) einen Anteil von etwa 5,3 % der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen. Der weit 11 von 63 | www.bmu.de
überwiegende Teil (83 %) dieser Emissionen resultiert aus landwirtschaftlich genutzten Flächen. Historisch betrachtet, nahm Deutschland bei der Kultivierung der Moore und deren landwirtschaftlicher Nutzung eine globale Spitzenstellung ein. In der Folge sind heute in Deutschland im internationalen Maßstab mit die meisten Moorflächen degradiert oder zerstört. Der Prozess der Kohlenstoffeinspeicherung verläuft in Mooren sehr langsam. Nur auf Grund ihrer langen Entstehungsgeschichte sind die bereits gespeicherten Kohlenstoffmengen in Mooren so hoch. Geschädigte Moore sind dagegen große Treibhausgasquellen, da die Freisetzungsprozesse sehr schnell ablaufen. Werden Wasserstände in degradierten Mooren wieder angehoben, können diese Prozesse mittelfristig gestoppt werden. Die Höhe der Emissionen hängt unmittelbar mit der Tiefe der Entwässerung zusammen, da bei tieferer Entwässerung größere Mengen Torf trockenliegen und sich zersetzen. Hinsichtlich der Klimawirksamkeit geschädigter Moore lässt sich in Abhängigkeit vom Moortyp, von ihrer Naturnähe und Nutzungsintensität eine Rangfolge bilden. Danach sind die Emissionen aus intensiv genutzten Niedermooren aufgrund der leichter abbaubaren Substanz höher als aus Hochmooren. Die geringsten Emissionen entstehen auf naturnahen Standorten, etwas schlechter sieht es in bewaldeten Mooren aus und mit Abstand am schlechtesten auf tief entwässerten Grünland- und Ackerstandorten. Nur durch eine Anhebung der Wasserstände ist eine Reduzierung der Emissionen erreichbar. Solche Wiedervernässungen wurden in der Vergangenheit zumeist aus Naturschutzgründen in begrenztem Umfang durchgeführt und waren mit Renaturierungsmaßnahmen verbunden. Will man solche Maßnahmen aus Klimaschutzgründen auf größere Flächen ausdehnen, sind Nutzungsänderungen hin zu nassen Bewirtschaftungsformen oder auch Nutzungsaufgaben erforderlich. Durch Wiedervernässungen lassen sich durchschnittlich zwischen 10 und 35 t Kohlendioxid pro ha und Jahr vermeiden. Die Vernässung von Moorböden ist eine der effizientesten Klimaschutzmaßnahmen in der deutschen Land- und Forstwirtschaft. 12 von 63 | www.bmu.de
Jährliche Emissionen in t CO2-äq./ha Entwässerte, Wald und ungenutzte Wiedervernässte Gehölze Ackerland Grünland Flächen Siedlungen Moorböden 45,0 40,0 40,0 34,2 35,0 31,7 30,0 26,6 25,0 22,5 20,0 15,0 10,0 5,5 5,0 0,0 Abbildung 4: Nationale Treibhausgas-Emissionsfaktoren für Moorböden in Deutschland Quelle: Tiemeyer et al (2020) (9) 1.4 Moore als Wasserspeicher und Nährstoffsenke Moore haben eine ausgleichende Wirkung auf den Landschaftswasserhaushalt. Gerade vor dem Hintergrund des zunehmenden Klimawandels sowie häufigerer und länger anhaltender Dürreperioden kommt der Wasserhaltung in Mooren eine steigende Relevanz zu. Moore haben zudem durch ihre Verdunstungsleistung eine kühlende und ausgleichende Wirkung auf das Regionalklima. Intakte Moore und ihre Böden erfüllen zusätzlich wichtige Funktionen, indem sie Nähr- und Schadstoffe aufnehmen und in verschiedenen biogeochemischen Prozessen ab- oder umbauen. Sie werden daher auch als Nieren der Landschaft bezeichnet. Mit der Trockenlegung der Moore verändern sich auch diese Prozesse. Bei der Zersetzung des Torfes werden Nährstoffe freigesetzt und anschließend aus dem Moor in die Oberflächengewässer ausgetragen. Degradierte Moorböden erhöhen so die Gefahr einer Eutrophierung dieser Gewässer und auch der noch vorhandenen nährstoffarmen Moorbiotope. Moorbodenschutz kann hingegen zu einem langfristigen Gewässerschutz positiv beitragen. Die hydrologische Situation der Moore in der Landschaft kann nicht isoliert betrachtet werden. Der Wasserhaushalt der Moore ist unmittelbar von der Situation und Entwicklung des Wasserhaushalts in ihrem gesamten Einzugsgebiet abhängig. Für die Entwässerung der Moore wurde ein umfängliches Netz von Drainagen, Gräben und Kanälen geschaffen, mit dem Ziel, Wasser schnell und umfänglich aus den Flächen abzuleiten. 13 von 63 | www.bmu.de
Durch die mit der Trockenlegung der Moore einhergehenden Sackungen der Böden war und ist es erforderlich, die Entwässerungssysteme immer weiter zu vertiefen. Sacken die Böden zu weit ab (unter das Niveau der sogenannten „natürlichen Vorflut“) kann das Wasser nur noch durch den Einsatz von Schöpfwerken abgeführt werden. Diese dauerhafte Abhängigkeit von einer aktiven Entwässerungstechnik nimmt bei Weiterverfolgung der entwässerungsbasierten Bewirtschaftung weiter zu, je stärker der Torf sich zersetzt und die Flächen absacken. Um diese Prozesse aufzuhalten und eine Entwicklung hin zu einer vorausschauenden Wasserrückhaltung einzuleiten, ist es notwendig, den Wasserrückhalt auf der gesamten Fläche zu verbessern und übergreifende Konzepte für den Landschaftswasserhaushalt zu erarbeiten, die hydrologische Einheiten vollständig einbeziehen. Eine besondere Herausforderung von Wiedervernässungsmaßnahmen besteht darin, jeweils alle in dem Einzugsbereich Betroffenen von der Notwendigkeit und den Vorteilen der Maßnahmen zu überzeugen. 1.5 Moore als Archive der Natur- und Siedlungsgeschichte Intakte Moorböden sind exzellente Archive unserer Natur-, Landschafts- und Kulturgeschichte. Sie können vielfältige Hinweise enthalten, die gut zeitlich eingeordnet werden können. In wassergesättigten Mooren sind z. B. Pollen und Sporen, tierische und pflanzliche Ablagerungen sowie Pilzhyphen oder Algen im Torfkörper konserviert. Aus einer Analyse der Pollen, die in einem ungestörten Moorboden eingelagert sind, können beispielsweise Rückschlüsse auf die Entwicklung der Vegetation und des Klimas in der Vergangenheit gezogen werden. Darüber hinaus können sie auch Informationen zu historischen Umweltbedingungen und zu Ereignissen liefern, die die natürlichen Umweltverhältnisse erheblich beeinflusst haben. Aufgrund der Wassersättigung und der Sauerstoffarmut in Mooren ist die Zersetzung verschiedener Materialien stark gehemmt. Die in Mooren aufgefundenen Reste menschlicher Besiedlungen sind teilweise sehr gut erhalten geblieben und liefern uns wertvolle Informationen zur Besiedlungsgeschichte der entsprechenden Gegenden. Bekannt sind insbesondere die Funde der gut erhaltenen sogenannten Moorleichen, die uns einen sehr eindrucksvollen Einblick in die damaligen Lebensumstände geben. Zahlreiche Moorwege, die bereits vor Jahrtausenden angelegt wurden, liefern Informationen zur Nutzungsgeschichte unserer Landschaften, der Moore und zu historischen Verkehrswegen. 14 von 63 | www.bmu.de
2. Bezüge zu anderen Strategien und Programmen der Bundesregierung Diese Moorschutzstrategie, die die Bundesregierung entsprechend dem Auftrag aus dem Koalitionsvertrag erarbeitet hat, weist enge Bezüge zu einer Anzahl anderer Strategien und Programme der Bundesregierung auf, von denen die wichtigsten in diesem Kapitel dargestellt werden. Für die Umsetzung des Moorschutzes vor Ort sind auch die Moorschutzprogramme und -konzepte der Länder zu beachten, die für Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein über das Internet verfügbar sind (10). Die Moorschutzstrategie der Bundesregierung wird hier eine Lücke auf Bundesebene schließen. Die im Jahr 2007 beschlossene Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) enthält rund 330 Ziele und 430 Maßnahmen zu allen biodiversitätsrelevanten Themen, darunter auch den Moorschutz (11). Das Ziel, den Rückgang der biologischen Vielfalt aufzuhalten und eine positive Entwicklung anzustoßen, konnte trotz umfangreicher Maßnahmen in vielen Bereichen bisher noch nicht erreicht werden und ist damit weiter aktuell. Dazu werden die bisherigen Ziele der NBS für den Moorschutz durch diese Moorschutzstrategie der Bundesregierung weiterentwickelt. 15 von 63 | www.bmu.de
Wesentliche Ziele für den Moorschutz in der Nationalen Biodiversitätsstrategie 2020 (11) - Heute noch bestehende natürlich wachsende Hochmoore sind bis 2010 gesichert und befinden sich in einer natürlichen Entwicklung. - Die Regeneration gering geschädigter Hochmoore ist bis 2010 eingeleitet mit dem Ziel, intakte hydrologische Verhältnisse und eine moortypische, oligotrophe Nährstoffsituation zu erreichen. In regenerierbaren Niedermooren ist der Torfschwund signifikant reduziert. Moore wirken wieder als Nährstoff- und CO2-Senke. - Bis 2020 sind wesentliche Teile der heute intensiv genutzten Niedermoore extensiviert und weisen nur noch Grünlandnutzung auf. Typische Lebensgemeinschaften entwickeln sich wieder. - Bis zum Jahr 2020 hat sich die natürliche Speicherkapazität für CO2 der Landlebensräume (zum Beispiel durch Wiedervernässung und Renaturierung von Mooren und durch die Zunahme naturnaher Wälder) um 10 % erhöht. - Erarbeitung von Moorentwicklungskonzepten in allen Bundesländern bis 2010 und deren Umsetzung bis 2025, - Natürliche Entwicklung in allen Hochmooren und Moorwäldern; signifikante Reduzierung des Torfabbaus ab 2015 bei gleichzeitiger Steigerung der Verwendung von Torfersatzstoffen im Gartenbau, - Schaffung von ökonomischen Anreizen zur Nutzungsextensivierung von Niedermooren; natürliche Entwicklung auf 10 % der heute extensiv genutzten Niedermoore bis 2010 sowie von weiteren 10 % bis 2020 - Einbindung der Moore in ein länderübergreifendes Biotopverbundsystem 16 von 63 | www.bmu.de
Da es auf EU- sowie auf internationaler Ebene auf Grundlage des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) ab dem Jahr 2021 neue Zielsysteme für den Schutz der Biodiversität geben wird, muss auch die NBS weiterentwickelt werden (siehe Kapitel 4.1). Hierbei wird die Moorschutzstrategie berücksichtigt. Der im Jahr 2016 verabschiedete Klimaschutzplan 2050 stellt die nach dem Übereinkommen von Paris geforderte Langfriststrategie der Bundesregierung für den Klimaschutz dar. Der Sektor „Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft“, in dem die Kohlendioxidemissionen aus Moorböden bilanziert werden, wird dabei bisher nicht in Minderungszielen für die anderen Sektoren berücksichtigt. Für den Sektor wird angestrebt, dass dieser insgesamt eine Netto-Senke bleiben soll. Derzeit werden die Emissionen aus Moorböden weitgehend durch die Einbindung von Kohlenstoff im Wald ausgeglichen. Sowohl der prognostizierte Rückgang der Senkenleistung des deutschen Waldes, aber auch der Bedarf nach einem Ausgleich nicht vermeidbarer Restemissionen in anderen Sektoren, machen eine Reduktion der Mooremissionen dennoch erforderlich. Konkretisiert wird der Klimaschutzplan 2050 durch das Klimaschutzprogramm 2030, das im Oktober 2019 von der Bundesregierung beschlossen wurde. Das Bundes-Klimaschutzgesetz von Dezember 2019 legt fest, dass dieses Programms regelmäßig fortzuschreiben ist. Im Klimaschutzprogramm 2030 ist ein Maßnahmenbündel für den „Schutz von Moorböden einschließlich Reduzierung der Torfverwendung in Kultursubstraten“ enthalten. Die hier vorliegende Moorschutzstrategie der Bundesregierung und die Torfminderungsstrategie greifen die Maßnahmen des Klimaschutzprogramms auf. Für die großflächige Umsetzung von Wiedervernässungsmaßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung zudem, eine Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Klimaschutz durch Moorbodenschutz zu schließen. Die Zielvereinbarung soll auf einem gemeinsamen Verständnis des Bundes und der Länder beruhen, dass die für den Klimaschutz in Deutschland festgelegten Ziele nur erreicht werden können, wenn auch im Bereich der Moorböden zügig ambitionierte Maßnahmen ergriffen werden, um die Treibhausgasemissionen dauerhaft zu reduzieren. Mit der Vereinbarung strebt die Bundesregierung an, bis zum Jahr 2030 eine Reduktion der jährlichen Kohlendioxid- Emissionen aus Moorböden zunächst um 5 Millionen t CO2-äq zu erreichen. Die Umsetzung der Ziele und Maßnahmen soll auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhen und erfordert ein kooperatives Handeln des Bundes, der Länder und vor allem derjenigen, denen die Flächen gehören und die sie nutzen. Die Zielvereinbarung soll auf den seit Jahren laufenden Aktivitäten der Länder und des Bundes zum Schutz und zur Renaturierung der Moore aufbauen und diese insbesondere im Sinne des Klimaschutzes konsequent weiterentwickeln. 17 von 63 | www.bmu.de
Der aktuelle Koalitionsvertrag auf Bundesebene enthält den Auftrag zur Erarbeitung einer „Torfschutzstrategie mit dem Ziel, klimafreundliche Alternativen zur Minderung der Torfanteile zur Verfügung zu stellen“. Im Klimaschutzplan 2050 und mit dem Klimaschutzprogramm 2030 hat sich die Bundesregierung bereits zu konkreten Maßnahmen bekannt, die Inhalt dieser Strategie sein sollen und das Ziel haben, den Einsatz von Torf als Kultursubstrat und Bodenverbesserer soweit wie möglich zu verringern und, wo ein Ersatz durch klimafreundliche Alternativen möglich ist, ganz auf den Einsatz von Torf zu verzichten. Die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft auf dieser Grundlage angestrebte Torfminderungsstrategie soll ebenfalls auf dem Grundprinzip der Freiwilligkeit und Förderung basieren. Sie soll ein Ausstiegziel für die Torfverwendung im Hobby- Gartenbau und ein Reduktionsziel für den Erwerbsgartenbau formulieren. Im zweiten Fortschrittsbericht zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel bzw. dem Aktionsplan Anpassung III wird auf die Wiedervernässung von Mooren Bezug genommen. Damit wird auf ihre Bedeutung auch für die Anpassung an den Klimawandel hingewiesen (Steigerung der Resilienz von Ökosystemen) (12). Zur geplanten Nationalen Wasserstrategie bestehen enge und wechselseitige Bezüge. Die Forderungen der Nationalen Wasserstrategie verleihen der Umsetzung der Maßnahmen der Moorschutzstrategie wesentliche Impulse und können diese bei der Erreichung ihrer Ziele unterstützen. Mit der Fokussierung auf die Wiedervernässung und Renaturierung von Moorböden ergänzt die Moorschutzstrategie die strategischen Themen der Nationalen Wasserstrategie und benennt konkrete Maßnahmen für die Umsetzung in die Praxis. Die geplante nationale Stickstoffminderungsstrategie, die den Eintrag von Stickstoff in Wasser und Böden begrenzen soll, wird ebenfalls positive Auswirkungen auf den Moorschutz entfalten. Auch die Moore sind erheblich durch die Eutrophierung aus Luft und Gewässern gefährdet oder bereits stark geschädigt. In der Regel ist eine intensive Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen im Wassereinzugsgebiet der Moore für die Verschlechterung der Moorökosysteme verantwortlich. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft plant, eine Grünlandstrategie zu erarbeiten, die auch die Grünlandnutzung auf Moorböden adressieren soll. Die Anfang 2020 verabschiedete Bioökonomiestrategie hat unter anderem als Ziel, die Potenziale der Bioökonomie innerhalb ökologischer Grenzen zu erkennen und zu erschließen sowie bioökonomische Lösungen für die Nachhaltigkeitsagenda zu entwickeln. Die Biomassenutzung wiedervernässter Moore ist dabei ein Teilbereich der Bioökonomie. Die noch zu entwickelnden Umsetzungsmaßnahmen und die Forschungsförderung werden 18 von 63 | www.bmu.de
die Maßnahmen der Moorschutzstrategie zur nachhaltigen und klimaneutralen Nutzung von bisher stark entwässerten Moorböden aufgreifen und weiterentwickeln. Nicht zuletzt trägt die Moorschutzstrategie zur Umsetzung der 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung und den darin enthaltenen globalen Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals, kurz SDGs) bei. In Deutschland werden die SDGs insbesondere durch die „Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie“ (DNS) mit etwa 65 nationalen Zielen umgesetzt. Die Moorschutzstrategie trägt zur Erreichung wesentlicher SDGs und DNS-Ziele bei, etwa bei der Verringerung von Stickstoffemissionen oder von Treibhausgasen (SDG 2 und SDG 13) und hinsichtlich nachhaltigem Konsum (SDG 12). 19 von 63 | www.bmu.de
3. Schützen, wiederherstellen, nachhaltig nutzen – Grundsätze und Ziele der Moorschutzstrategie Ein erfolgreicher Moorschutz baut zunächst auf einem verstärkten Bewusstsein für die Besonderheiten der Moore und der Moorböden auf. Auf dieser Basis können lokal angepasste Konzepte für den Moor- und Moorbodenschutz entwickelt werden, die die Bedürfnisse in den jeweiligen Regionen berücksichtigen. Für die Umsetzung der Maßnahmen setzt die Bundesregierung auf freiwillige Kooperationen mit den Handelnden vor Ort. Mit Blick auf erhaltene naturnahe Moore soll der Schutz dieser Gebiete konsequent weiterverfolgt werden. Wo möglich, sollen geschädigte Lebensräume wiederhergestellt, Schutzflächen ausgedehnt und die Umsetzung von Moorschutzmaßnahmen verstärkt werden. Ziel ist es, einen günstigen Erhaltungszustand von Moorlebensraumtypen und Arten zu erreichen. Die Auflösung von Zielkonflikten zwischen Moorschutzzielen und Erhaltungszielen für geschützte Arten und Lebensräume sind einer Einzelfallentscheidung vorbehalten. Bei Renaturierungsmaßnahmen auf Moorböden muss eine Wiederherstellung der natürlichen Grundwasserverhältnisse von Beginn an als wesentliches Ziel mitgedacht werden. Durch die Schaffung zusätzlicher renaturierter Moorflächen kann der Moorschutz auch zur Erreichung der Wildnisziele der Bundesregierung (13) beitragen. Dort, wo entwässerte Moorböden in einer wirtschaftlichen Nutzung stehen, soll gemeinsam mit den Nutzenden die Einführung alternativer, teilweise neuer, nachhaltiger Bewirtschaftungsformen auf der Basis freiwilliger Kooperationen vorangetrieben werden. Eine nachhaltige Nutzung von Moorböden ist nur möglich, wenn sie mit ausreichend hohen Wasserständen verbunden ist und die Vorgaben und Ziele des Naturschutzes berücksichtigt. Die Bundesregierung beabsichtigt, finanzielle Anreize zu setzen, durch die die Betroffenen bei der Umstellung der Bewirtschaftungsweisen unterstützt werden und Einkommenseinbußen in der Umstellungsphase ausgeglichen werden. Daneben wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass mittelfristig Fehlanreize auf EU-Ebene abgebaut werden, die derzeit eine nicht nachhaltige Bewirtschaftung von Moorböden begünstigen. Neue Bewirtschaftungsformen auf wiedervernässten und weitergenutzen Moorböden sollen durch eine verstärkte Förderung von Forschung und Entwicklung konsequent weiter vorangetrieben werden. Hierbei sollen nicht nur der Anbau neuartiger Kulturen oder die extensive Viehhaltung im Mittelpunkt stehen, auch die Entwicklung neuartiger ökologisch vorteilhafter Produkte und die Schaffung von Vermarktungsketten müssen vorangetrieben werden. Über Pilotvorhaben, die vom Bundesumweltministerium gefördert werden, soll für 20 von 63 | www.bmu.de
derzeit bereits erfolgversprechende Bewirtschaftungsformen gezeigt werden, wie diese klimaverträglich, biodiversitätsfördernd und ökonomisch nachhaltig eingeführt werden können. Auch die Bilanzierung der mit diesen Bewirtschaftungen möglicherweise einhergehenden Restemissionen von Treibhausgasen soll weiterentwickelt werden. Insgesamt muss der Moorschutz noch stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt werden. Die Vermittlung von Wissen über Moore und deren Bedeutung für den Klima- und Biodiversitätsschutz sowie über die Folgen der land- und forstwirtschaftliche Nutzungen soll insgesamt gestärkt werden. Auch in der Aus- und Weiterbildung innerhalb der Land- und Forstwirtschaft soll die Adressierung dieser Themen eine bedeutendere Rolle einnehmen. Insgesamt soll die Moorschutzstrategie der Bundesregierung einen Beitrag zur Erfüllung der nationalen und internationalen Verpflichtungen im Klima- und Biodiversitätsschutz leisten. Dazu adressiert sie die wesentlichen Nutzungen und Gefährdungen der Moore in Deutschland. Sie benennt konkrete Maßnahmen, die für die Erhaltung und die Wiederherstellung der Funktionen der Moore von Bedeutung sind und für eine Verbesserung der Situation der Moore umgesetzt werden müssen. Die Ausgestaltung der Vorbildfunktion des Bundes und die Umsetzung des Moorschutzes auf den Bundesliegenschaften sind dabei wichtige Bausteine. 21 von 63 | www.bmu.de
4. Handlungsfelder 4.1 Schutz und Wiederherstellung naturnaher Moore 4.1.1 Aktuelle Situation Naturnahe Moore oder Restgebiete davon sind in Deutschland selten. Viele Standorte der für den Naturschutz bedeutsamen moortypischen Biotope sind gegenwärtig bereits entwässert und degradiert, so dass diese Biotope in ihrer Qualität beeinträchtigt und in ihrem Bestand gefährdet sind. In der Regel sind diese heute gesetzlich als Schutzgebiet geschützt und zudem Bestandteil des kohärenten europäischen Schutzgebietssystems Natura 2000 der FFH- und Vogelschutz-Richtlinie. Für den Moorschutz ist die Umsetzung der FFH-Richtlinie von besonderer Bedeutung, da viele Moorlebensräume und Arten unter den strengen Schutz dieser Richtlinie fallen. Die Richtlinie hat zum Ziel, einen Beitrag zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen zu leisten. Dafür sind solche Maßnahmen zu ergreifen, die die Bewahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse sicherstellen. Gerade bei den Mooren reichen oft gebietsbezogene Maßnahmen in den Natura 2000- Gebieten nicht aus, um diese Ziele zu erreichen und es bedarf klarer Regelungen und verbindlicher Umsetzungsziele über die gemeldeten Gebietsgrenzen hinaus, um die hydrologische Situation wiederherzustellen. Die typischen Moorbiotope sind vielfach in den höchsten Gefährdungskategorien der Roten Listen eingestuft und Moore sind auch in die Liste der gesetzlich geschützten Biotope gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 2 BNatSchG aufgenommen worden. In der Regel bedürfen Moorflächen mit einem intakten Wasser- und Nährstoffhaushalt keiner Pflege und ihre Existenz ist nicht von einer Bewirtschaftung abhängig. Oftmals werden jedoch Moorflächen aus Naturschutzgründen gepflegt oder es finden einzelne Eingriffe wie Entbuschungen statt, um Moorbiotope zu erhalten. Dies ist jedoch in der Regel ein Hinweis darauf, dass hier bereits gestörte Verhältnisse des Wasser- und Nährstoffhaushalts vorliegen oder die Erhaltungsziele sich nicht an den natürlichen Verhältnissen orientieren. Der Umfang der möglichen Zielkonflikte zwischen Naturschutz (Erhaltung von Arten und Biotopen) und Klimaschutz (Wiedervernässung) auf degradierten Moorböden ist derzeit nicht ausreichend bekannt. Naturnahe und ungenutzte Moore können nicht gleichgesetzt werden. Ungenutzte Moore unterliegen aktuell keiner wirtschaftlichen Nutzung. Der Grad der Naturnähe spielt hierbei keine Rolle. Vielfach handelt es sich um nicht mehr genutzte Flächen, die ehemals land- 22 von 63 | www.bmu.de
oder forstwirtschaftlich genutzt wurden. In der Regel sind diese Flächen in unterschiedlichem Umfang degradiert. Trotzdem haben sie überwiegend eine große Bedeutung für den Naturschutz und sind vielfach entsprechend geschützt. Zu den ungenutzten Flächen werden auch die vom Naturschutz gepflegten Flächen gezählt, sofern keine wirtschaftlichen Ziele mit der Nutzung der Flächen verfolgt werden. Im Mai 2020 hat die Europäische Kommission im Rahmen des "Grünen Deals" die EU- Biodiversitätsstrategie für 2030 (14) vorgelegt. Sie ist eng an die "Vom Hof auf den Tisch (Farm to Fork)"-Strategie für ein faires, gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem gekoppelt. Der Rat hat den Zielen der Biodiversitätsstrategie am 23. Oktober 2020 zugestimmt. Die Biodiversitätsstrategie umfasst konkrete Ziele für die nächsten zehn Jahre, darunter die Schaffung eines EU-weiten Netzes von Schutzgebieten an Land und auf See, Verpflichtungen zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme und die Ermöglichung eines tiefgreifenden Wandels mithilfe praktikabler verbindlicher Maßnahmen. Zudem soll die EU bei der Bekämpfung des Rückgangs der biologischen Vielfalt auf globaler Ebene eine Führungsrolle übernehmen. Die Kommission beabsichtigt bis 2021 rechtsverbindliche Ziele für die Wiederherstellung der Natur in geschädigten und für den Klimaschutz relevanten Ökosystemen vorzuschlagen und konkrete Vorschläge für ihre Umsetzung vorzulegen. 23 von 63 | www.bmu.de
Wesentliche Ziele der EU Biodiversitätsstrategie 2030 (14) mit Bedeutung für den Moorschutz 1. Ein kohärentes Netz der Schutzgebiete - Es sollen mindestens 30 % der Landfläche in der EU gesetzlich geschützt werden. Davon sollte mindestens ein Drittel der Schutzgebiete - also 10 % der EU-Landflächen und 10 % der EU-Meeresgebiete - streng geschützt werden. - Bei Primär- und Urwäldern handelt es sich um die reichsten Waldökosysteme, die CO2 aus der Atmosphäre entfernen und in denen gleichzeitig erhebliche Mengen Kohlenstoff gespeichert sind. Bedeutende Flächen anderer kohlenstoffreicher Ökosysteme wie Torfmoore, Grünland, Feuchtgebiete, Mangroven und Seegraswiesen sollen ebenfalls streng geschützt werden, wobei prognostizierte Verschiebungen von Vegetationsgebieten zu berücksichtigen sind. - Alle Schutzgebiete sind unter Festlegung klarer Erhaltungsziele wirksam zu bewirtschaften und angemessen zu überwachen. 2. Ein EU-Plan zur Wiederherstellung der Natur: Wiederherstellung von Ökosystemen an Land und im Meer - Die Kommission wird im Jahr 2021 – vorbehaltlich einer Folgenabschätzung – einen Vorschlag für rechtsverbindliche EU-Ziele für die Wiederherstellung der Natur vorlegen, um geschädigte Ökosysteme wiederherzustellen, insbesondere jene, die das größte Potenzial für die Einbindung und Speicherung von CO2 sowie für die Verhinderung und Eindämmung der Auswirkungen von Naturkatastrophen aufweisen. - Die Kommission wird die Mitgliedstaaten insbesondere auffordern, dafür zu sorgen, dass sich die Erhaltungstrends und der Erhaltungszustand aller geschützten Lebensräume und Arten bis 2030 nicht verschlechtern. Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass mindestens 30 % der Arten und Lebensräume, die sich derzeit nicht in einem günstigen Zustand befinden, in diese Kategorie fallen oder einen starken positiven Trend aufweisen. 24 von 63 | www.bmu.de
4.1.2 Ziele a. Erhalt aller naturnahen Moorflächen Der Erhalt der naturnahen Moorflächen und die Sicherung ihrer natürlichen Entwicklung haben höchste Priorität. Dies dient gleichzeitig dem gesetzlichen Auftrag zur Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der Moorlebensraumtypen gemäß FFH-Richtlinie. b. Erhalt und Wiedervernässung ungenutzter Moorflächen Derzeit ungenutzte Moorflächen werden keiner neuen Nutzung zugeführt. Die hydrologische Situation der Flächen wird verbessert. Bisher ungenutzte Flächen werden wo immer möglich vollständig wiedervernässt. c. Stärkung der Senkenfunktion Naturnahe und ungenutzte Moorbodenflächen entwickeln sich zu wachsenden Mooren und können ihre CO2-Senkenfunktion ausbauen. d. Erweiterung von Moorschutzgebieten Die Bundesregierung setzt sich für eine Erweiterung der unter Schutz stehenden Moorflächen unter Berücksichtigung ausreichender Pufferzonen in Deutschland ein. 4.1.3 Maßnahmen - Alle noch erhaltenen naturnahen Moore und Moorflächen werden, unabhängig von ihrem Schutzgebietsstatus, konsequent vor weiteren Belastungen geschützt. Eine Inanspruchnahme dieser Flächen für wirtschaftliche Belange wird ausgeschlossen. - Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass zusätzliche Moorflächen einer natürlichen Entwicklung überlassen und unter Schutz gestellt werden. Eine Unterstützung entsprechender Maßnahmen über den Wildnisfonds ist möglich. - Die Bundesregierung unterstützt die Länder bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen im Naturschutz, insbesondere bei der Erreichung eines günstigen Erhaltungszustandes von Arten und Lebensraumtypen der FFH- Richtlinie. - Die Bundesregierung setzt sich für die Berücksichtigung der Belange des Arten- und Biotopschutzes bei der Wiedervernässung von Moorböden und für 25 von 63 | www.bmu.de
die verstärkte Nutzung von Synergien zwischen Natur-, Gewässer- und Klimaschutz ein. - Die Bundesregierung wirkt darauf hin, dass die insbesondere in der Anfangsphase der Wiedervernässung auftretenden Methanemissionen durch gezieltes Management minimiert werden. - Die Bundesregierung setzt sich, unter anderem im Rahmen der Bund-Länder- Zielvereinbarung zum Klimaschutz durch Moorbodenschutz, dafür ein, dass ungenutzte Moore und Moorflächen erhalten bleiben und so weit wiedervernässt werden, dass die Torfzersetzung gestoppt und Moorwachstum ermöglicht wird. Die Interessen der Flächeneigentümer*innen sowie der Bewirtschafter*innen angrenzender Flächen sind dabei angemessen zu berücksichtigen. - Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass auf EU-Ebene bestehende Förderprogramme, die für den Schutz naturnaher und ungenutzter Moorflächen zur Verfügung stehen, weiterentwickelt und ausreichend finanziert werden. Maßnahmen im Rahmen der Vorbildfunktion des Bundes - Die Bundesregierung stellt durch geeignete Maßnahmen sicher, dass der Umfang und der Zustand der naturnahen Moore und Moorflächen sich auf den Liegenschaften des Bundes nicht verschlechtert. - Die Bundesregierung ergreift die notwendigen Maßnahmen, um einen günstigen Erhaltungszustand der Arten und Lebensraumtypen in den Natura 2000-Gebieten auf ihren Liegenschaften zu bewahren oder wiederherzustellen. - Die Bundesregierung prüft bis zum Jahr 2023 systematisch ihre Liegenschaften auf ungenutzte Moorflächen und leitet eine möglichst vollständige Wiedervernässung ein, soweit dies die Belange der Eigentümer*innen und Nutzungen angrenzender Flächen nicht beeinträchtigt. - Die im Bundeseigentum verbliebenen naturnahen bewaldeten Moorstandorte werden durch geeignete Maßnahmen gesichert und aus einer forstwirtschaftlichen Nutzung genommen. - Die Bundesregierung prüft, welche Flächen nach Wiederherstellung der natürlichen Verhältnisse als Wildnisgebiete ausgewiesen oder anderweitig unter Schutz gestellt werden können. 26 von 63 | www.bmu.de
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