Naturverträglicher Ausbau der Windenergie - Handlungsbedarf und Leitlinien für die weitere Entwicklung in Deutschland - NABU

Die Seite wird erstellt Johannes Fritz
 
WEITER LESEN
Naturverträglicher Ausbau der Windenergie - Handlungsbedarf und Leitlinien für die weitere Entwicklung in Deutschland - NABU
NABU-HINTERGRUND – Naturverträglicher Ausbau der Windenergie in Deutschland

Naturverträglicher Ausbau der Windenergie
Handlungsbedarf und Leitlinien für die weitere Entwicklung in Deutschland

Im Spannungsfeld von Klimawandel und Naturschutz – Stand und Perspektiven der Windenergienutzung in
Deutschland – Räumliche Steuerung und Standortplanung – Potenziale des Repowering – Windenergie und
Vögel – Windenergie und Fledermäuse – Offshore-Windenergie und Schutz der Meeresumwelt

                                                            Windparks im Offshore-Bereich umgesetzt werden.
1. Einführung                                               Gemeinsam mit einer verbandsinternen Arbeitsgruppe
                                                            hat der NABU verschiedene Ansatzpunkte identifiziert,
Um den Anforderungen des Klimaschutzes gerecht zu           wie ökologische Risiken bei der Planung und Steue-
werden und gleichzeitig negative Auswirkungen auf die       rung der Windenergienutzung an Land und im
biologische Vielfalt zu verringern, hat die NABU-           Offshore-Bereich vermieden bzw. verringert werden
Bundesvertreterversammlung im November 2007 in              können. Das vorliegende Hintergrundpapier erläutert
Hamburg das Grundsatzprogramm Energie beschlos-             dazu den derzeitigen, sicher nicht abschließenden
sen. Darin bekennt sich der NABU zu einem naturver-         Erkenntnisstand und möchte eine Orientierung in der
träglichen Ausbau der erneuerbaren Energien auf             kontroversen Debatte um den weiteren Ausbau der
mindestens 30 Prozent an der Stromerzeugung in              Windenergie in Deutschland bieten.
Deutschland bis 2020. Im Mittelpunkt der öffentlichen
und verbandsinternen Diskussion steht neben der             Die wesentlichen Eckpunkte zur Naturverträglichkeit
Biomassenutzung vor allem die Windenergie, die              des weiteren Ausbaus der Windenergie in Deutschland
derzeit und in absehbarer Zukunft mit einem Anteil          hat der NABU-Bundesverband in einer vierseitigen
von rund 50 Prozent unter den erneuerbaren Energie-         Kurzfassung zusammengestellt. Da die räumliche
quellen im Stromsektor eine dominierende Rolle für          Steuerung und Standortplanung auf den im Bundes-
die Energiewende spielt.                                    gebiet unterschiedlich vorhandenen Potenzialen und
                                                            den naturräumlichen Voraussetzungen bzw. Restrikti-
Die ökologischen Auswirkungen der Windenergienut-           onen für die Windenergienutzung aufbauen müssen,
zung konzentrieren sich auf Vogel- und Fledermausar-        werden die NABU-Landesverbände die entsprechen-
ten, die entweder durch Kollisionen tödlich                 den Anforderungen ggf. mit Blick auf die Situation in
verunglücken oder die aus ihren Lebensräumen wegen          ihren Regionen weiter entwickeln und wo notwendig
eines ausgeprägten Meideverhaltens vertrieben werden.       konkretisieren.
Für einige Vogelarten kann zudem durch die Konzent-
ration von Windparks an Engstellen von Flugrouten           Energiepolitische Zielsetzungen
auch eine Barrierewirkung entstehen. Außerdem sind
die Folgen für die Meeresumwelt noch weitgehend             Deutschland muss bis 2020 seinen Treibhausgasaus-
ungeklärt, wenn die umfangreichen Planungen für             stoß um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 ver-
                                                            ringern, um die nationalen und internationalen

                                                        1
Naturverträglicher Ausbau der Windenergie - Handlungsbedarf und Leitlinien für die weitere Entwicklung in Deutschland - NABU
NABU-HINTERGRUND – Naturverträglicher Ausbau der Windenergie in Deutschland

Klimaschutzziele erreichen zu können. Bis 2050 muss            Diese Leitlinien hat der NABU bereits in seinem Ende
uns eine möglichst umfassende Umstellung der Ener-             2007 von der Bundesvertreterversammlung in Ham-
giewirtschaft auf Basis Erneuerbarer Energien gelingen,        burg beschlossenen Grundsatzprogramm Energie
die durch eine massive Verringerung unseres Energie-           eingefordert, um die immensen Umweltbelastungen zu
und Ressourcenverbrauchs sowie bedeutsame Effizi-              begrenzen, die mit unserem weiterhin viel zu hohem
enzsteigerungen überhaupt erst möglich wird. Die               Verbrauch an fossilen und nuklearen Energieträgern
Windenergie wird dabei in Deutschland beim Mix der             verbunden sind. Zum Netzausbau und zur Netzanpas-
erneuerbaren Energien im Stromsektor mit rund 50               sung für die bessere Integration Erneuerbarer Energie-
Prozent der wichtigste Bestandteil bleiben. Gleichzeitig       quellen im Stromsektor hat der NABU bereits eigene
müssen bis 2020 aber genauso konsequent die vorhan-            Grundsätze entwickelt, die künftig im Hinblick auf
denen und wirtschaftlich erschließbaren Potenziale zur         eine nationale und europäische Netzplanung noch
Senkung des deutschen Stromverbrauchs um ca. 10 bis            stärker ausdifferenziert werden sollen.
15 Prozent gehoben werden.
                                                               In der politischen Auseinandersetzung um Energie-
Mittelfristig muss eine zukunftsfähige, klimafreundli-         konzepte und Strategien auf europäischer, Bundes-
che und naturverträgliche Stromversorgung auf einem            und Länderebene geht es derzeit vor allem um eine
möglichst breiten Mix an erneuerbaren Energien                 verstärkte Nutzung der Atomenergie und den Neubau
aufbauen (Wind onshore und offshore, Sonne, Wasser,            von effizienteren Kohlekraftwerken. Dabei geraten die
Biomasse, Erdwärme). Sowohl der Sachverständigenrat            Zerstörung und Vergiftung der Umwelt bei der Ge-
für Umweltfragen der Bundesregierung als auch das              winnung der Brennstoffe in den Abbaugebieten, die
Umweltbundesamt gehen in ihren aktuellen Studien               Sicherheitsrisiken im Betrieb und bei der Entsorgung
davon aus, dass eine komplette und sichere Umstellung          des radioaktiven Atommüllbergs völlig aus dem Blick.
unserer Stromversorgung auf erneuerbare Energien bis           In Brandenburg und Nordrhein-Westfalen kämpft der
2050 in Deutschland technisch möglich und volkswirt-           NABU gegen den massiven Landschaftsverbrauch
schaftlich sogar kostengünstiger als unser derzeitiges,        durch den Aufschluss neuer Braunkohle-Tagebaue.
überwiegend auf Atom- und Kohlekraftwerken basie-              Politik und Energiewirtschaft setzen aber trotz vorhan-
rendes System ist. Das erfordert neben der verstärkten         dener Alternativen bei der Stromversorgung weiterhin
Realisierung von Energieeinsparungen eine intelligente         vor allem auf die Laufzeitverlängerungen für die deut-
Vernetzung, Steuerung und Integration verschiedener            schen Atomkraftwerke und die klimaschädliche Ver-
Technologien zur effizienten Energieumwandlung und             brennung von Kohle.
Nutzung erneuerbarer Energien einschließlich der
dezentralen Kraft-Wärme-Kopplung, neuer Speicher-
möglichkeiten sowie der Anpassung und dem Ausbau
der Stromnetze.

                                                               Braunkohletagebau bei Jänschwalde

                                                               Allerdings spielten aus Sicht des NABU in früheren
                                                               Potenzialabschätzungen zur Nutzung erneuerbarer
                                                               Energien naturschutzfachliche Anforderungen und
                                                               Restriktionen mit Blick auf den Erhalt von geschützten
Atomkraftwerk in Grohnde                                       Arten und Lebensräumen kaum eine Rolle, wenn zum
                                                               Beispiel die Flächenverfügbarkeit für den Anbau von
                                                               Energiepflanzen viel zu optimistisch eingeschätzt

                                                           2
Naturverträglicher Ausbau der Windenergie - Handlungsbedarf und Leitlinien für die weitere Entwicklung in Deutschland - NABU
NABU-HINTERGRUND – Naturverträglicher Ausbau der Windenergie in Deutschland

wurde. So geht mittlerweile der Sachverständigenrat              Erneuerbare Energien, dass die Windenergie in 2020
für Umweltfragen davon aus, dass sich die Biomasse-              bereits 25 Prozent unseres Strombedarfs bereitstellen
nutzung zur Strom- und Wärmeerzeugung nur noch                   kann, würden dafür an Land inklusive der Abstandsflä-
sehr begrenzt steigern lässt und sich viel stärker auf die       chen weniger als ein Prozent der Gesamtfläche
Verwertung von Reststoffen statt auf dem Anbau von               Deutschlands benötigt, allerdings mit deutlichen Un-
Energiepflanzen stützen muss.                                    terschieden in den Regionen. Im Vergleich zum Anbau
                                                                 von Energiepflanzen kann aber auf der gleichen Fläche
Um dennoch in Deutschland bis 2020 das oben ge-                  mindestens 15 bis 30 Mal mehr nutzbare Energie
nannte Ziel von 30 Prozent Stromerzeugung aus er-                „geerntet“ werden. Gleichzeitig ist die Intensität und
neuerbaren Energien zu realisieren, muss die                     Qualität des ökologischen Eingriffs bezüglich des Flä-
Windenergienutzung an Land und offshore in etwa die              chenverbrauchs begrenzt. Zwar gibt es bei der Errich-
Hälfte davon leisten, was ungefähr einer Verdopplung             tung von Windenergieanlagen kurzfristige Störungen
ihres Anteils am deutschen Strommix in 2009 ent-                 während des Aufbaus und danach anlagenbedingte
spricht. Die Gesamtanzahl der installierten Anlagen in           Beeinträchtigungen durch Zuwegungen und Funda-
Deutschland sollte aber künftig durch ein verstärktes            mente. Aber während des Betriebs ist der Lebensraum
Repowering, also dem vorzeitigen Ersatz von Altanla-             unterhalb des Rotorbereiches für die meisten Tier-
gen durch neuere, leistungsstärkere Windenergieanla-             arten weiterhin nutzbar.
gen nicht mehr wesentlich zunehmen. Wenn auf die in
den Regionen unterschiedlichen Voraussetzungen für
die Windenergienutzung Rücksicht genommen wird,
ist der NABU überzeugt, dass sich der weitere Ausbau
der Windenergie in Deutschland unter Wahrung der
Belange des Naturschutzes und auf ökologisch verträg-
lichen Standorten erreichen lässt.

Im Spannungsfeld von Klima- & Naturschutz

Wenn eine umfassende Reduzierung unseres Energie-
und Ressourcenverbrauchs sowie eine weitgehende
Umstellung auf Erneuerbare Energien nicht gelingen,
dann werden sich die Auswirkungen des Klimawandels
in vielen Regionen der Welt dramatisch verschlim-
mern. Eine Anpassung ist dann für die menschliche                Rotmilan als Schlagopfer einer Windenergieanlage
Zivilisation, aber auch für Ökosysteme, Pflanzen und
Tiere nicht mehr in einem ausreichenden Maß mög-                 Die ökologischen Auswirkungen der Windenergienut-
lich. Umso dringender muss sichergestellt werden, dass           zung konzentrieren sich auf Vogel- und Fledermausar-
durch Maßnahmen zur Reduzierung des Treibhaus-                   ten, die entweder durch Kollisionen tödlich
gas-Ausstoßes die Anpassungs- und Funktionsfähigkeit             verunglücken oder die aus ihren Lebensräumen wegen
der Natur in unserer intensiv genutzten Kulturland-              eines ausgeprägten Meideverhaltens vertrieben werden.
schaft nicht zusätzlich gefährdet wird. Der Erhalt der           Für einige Vogelarten kann durch die Konzentration
biologischen Vielfalt und intakte Ökosysteme sind                von Windparks an Engstellen von Flugrouten auch
dafür eine Grundvoraussetzung. Auch die Entwicklung              eine Barrierewirkung entstehen. Bereits 2004 hat das
der Windenergienutzung muss im Hinblick ihrer                    Michael-Otto-Institut im NABU eine Studie zu den
Auswirkungen für Arten und Ökosysteme überprüft                  "Auswirkungen regenerativer Energiegewinnung auf
und entsprechend gesteuert bzw. angepasst werden.                die biologische Vielfalt am Beispiel der Vögel und
                                                                 Fledermäuse" vorgelegt, die den aktuellen Forschungs-
Der Flächenbedarf für die Windenergienutzung an                  stand vor allem für die Windenergienutzung umfas-
Land ist dabei vergleichsweise gering. Selbst bei der            send aufgearbeitet hat, und die bis Ende 2006
sehr ambitionierten Zielsetzung des Bundesverbandes              nochmals aktualisiert wurde. Auch wenn für die meis-

                                                             3
Naturverträglicher Ausbau der Windenergie - Handlungsbedarf und Leitlinien für die weitere Entwicklung in Deutschland - NABU
NABU-HINTERGRUND – Naturverträglicher Ausbau der Windenergie in Deutschland

ten Brut- und Rastvögel eine geringe Betroffenheit             le zwischen Windenergienutzung und Naturschutz
durch die Windenergienutzung festgestellt werden               weiter zu verringern.
konnte, ist die Datenbasis nach wie vor äußerst dürftig.
Deshalb sind in Deutschland flächendeckende und                Aus der Branche der erneuerbaren Energien wird
unabhängige Begleituntersuchungen der Todesraten               immer wieder die Forderung aufgestellt, dass der
und der Populationsentwicklung im Sinne eines konti-           Nutzen für den Klimaschutz bei Festlegung von Aus-
nuierlichen, langfristigen Monitorings unbedingt               gleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie bei Natur-
erforderlich. In den letzten Jahren stand dabei vor            schutzbelangen, die der Genehmigungsfähigkeit
allem das hohe Kollisionsrisiko von Greifvögeln und            entgegen stehen, stärker berücksichtigt werden müsste.
Fledermäusen sowie die Auswirkungen der umfangrei-             Der Anteil des einzelnen Windparks in Deutschland an
chen (aber in Deutschland bisher kaum umgesetzten)             der Minderung des globalen Klimawandels und der
Planungen für Windparks im Offshore-Bereich im                 damit verbundene Beitrag für den Erhalt der biologi-
Mittelpunkt der naturschutzfachlichen Diskussion und           schen Vielfalt kann aber nicht sinnvoll operationalisiert
neuerer Studien, auf die in den folgenden Kapiteln             werden. Die Wirkungsmechanismen sind aus Sicht des
noch näher eingegangen wird.                                   NABU mit den konkreten Beeinträchtigungen durch
                                                               Bau und Betrieb von Windenergieanlagen zeitlich wie
Für den Zeitraum 1990 bis 2006 gibt es keinen statis-          räumlich nicht vergleichbar und daher naturschutz-
tisch belegbaren Zusammenhang, dass die Bestands-              fachlich auch nicht miteinander verrechenbar. Für die
entwicklung von Greifvögeln durch den zum Teil                 Bewertung des Eingriffs in den Naturhaushalt durch
massiven Zubau von Windparks in einigen Regionen               Windenergieanlagen darf es daher keine Ungleichbe-
Nord- und Ostdeutschlands beeinflusst wurde. Dies              handlung mit anderen Bauvorhaben geben. Der Be-
lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass die Windener-          deutung der Windenergie für den Klimaschutz wird
gie in Anbetracht des weiteren Ausbaus auch in Zu-             aus Sicht des NABU ausreichend Rechnung getragen,
kunft keinen Einfluss haben wird. Vermutlich                   z. B. durch die Privilegierung in der Raumplanung, den
wesentlichere Einflussfaktoren auf die biologische             Vorrang der Einspeisung und der garantierten Vergü-
Vielfalt sind Nahrungsverfügbarkeit und Habitat-               tung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).
qualität, die vor allem durch die Intensivierungen in
der Landwirtschaft beeinflusst werden. Dennoch müs-            Stand und Perspektiven der Windenergie-
sen bei den Planungen für die Ausweitung der Wind-             nutzung in Deutschland
energienutzung die kumulativen Auswirkungen mit
bereits vorhandenen Gefährdungen für die nach EU-              Die Windenergie ist die bisher und in absehbarer
Recht besonders geschützten Lebensräume und Arten              Zukunft effizienteste und kostengünstigste Technolo-
künftig stärker geprüft und berücksichtigt werden.             gie zur klimafreundlichen Stromerzeugung. Ende 2010
                                                               drehten sich bundesweit 21.600 Windenergieanlagen
Die Zusammenfassung und Konzentration von Einzel-              mit einer installierten Leistung von über 27.000 MW
anlagen in Windparks im Rahmen des Repowerings                 (Megawatt). Die erzeugte Energiemenge entspricht
verringert negative Auswirkungen wie die Vertrei-              einem Anteil von über 7 Prozent des Stromverbrauchs
bungseffekte zum Teil deutlich. Schlecht gewählte              in Deutschland und reicht für die Versorgung von
Standorte von Einzelanlagen und Windparks stellen              rund 11 Millionen privaten Haushalten. Im küstenna-
aber erhebliche Risiken dar. Durch sorgfältiges                hen Bereich (innerhalb der 12-Seemeilen-Zone der
Repowering sollte deshalb die Chance genutzt werden,           Nord- und Ostsee) wurden bereits erste Pilotanlagen
Windenergiestandorte, die aus heutiger Sicht natur-            für die Offshore-Windenergienutzung in Betrieb ge-
schutzfachlich nicht mehr genehmigungsfähig wären,             nommen. Die überwiegende Anzahl der geplanten
vorzeitig aufzugeben und dafür weniger und leistungs-          Windparks soll aber in der Ausschließlichen Wirt-
stärkere Anlagen an anderer, geeigneter Stelle zu er-          schaftszone (AWZ) errichtet werden. In der deutschen
richten. Hierzu müssen auch die rechtlichen                    AWZ der Nordsee wurden in 2009 die ersten 12 Wind-
Voraussetzungen geschaffen werden. Außerdem müs-               energieanlagen im Offshore-Testfeld Alpha Ventus
sen neue Forschungsergebnisse konsequent genutzt               aufgestellt und ans Stromnetz angeschlossen. Die
werden, um bestehende Risiken und Konfliktpotenzia-            Gesamtleistung beträgt 60 Megawatt (MW). Das reicht

                                                           4
Naturverträglicher Ausbau der Windenergie - Handlungsbedarf und Leitlinien für die weitere Entwicklung in Deutschland - NABU
NABU-HINTERGRUND – Naturverträglicher Ausbau der Windenergie in Deutschland

wegen der höheren Stromerträge (mehr Wind, höhere             Entwicklung ermöglicht inzwischen mit höheren und
Auslastung über das Jahr verteilt) bereits für die Ver-       leistungsstärkeren Anlagen die wirtschaftlich attraktive
sorgung von rund 50.000 privaten Haushalten.                  Erschließung großer Potenziale für die Windenergie,
                                                              die sich allerdings regional unterschiedlich darstellen.
Zwar wurden in 2010 mit den ersten kommerziellen              Deshalb sollte auch keine Gleichverteilung von Wind-
Windpark-Projekten in der deutschen AWZ (Baltic 1             energieanlagen über das gesamte Bundesgebiet ange-
und Bard 1) zusammen 108 MW neu errichtet, aber               strebt werden, sondern eine Konzentration auf
vor allem technische und wirtschaftliche Herausforde-         ausgewiesenen Eignungsflächen erfolgen, um Beein-
rungen drosseln das Tempo des Ausbaus auf See mas-            trächtigungen von natürlichen Lebensräumen sowie
siv. Zudem sind wichtige Fragen wie z. B. der effektive       von gefährdeten Vogel- und Fledermausarten zu ver-
Lärmschutz für Meeressäuger während der Bauphase              ringern.
ungeklärt. Es lässt sich auch noch nicht abschätzen,
welche kumulativen Auswirkungen zu berücksichtigen            Während vor allem im Norden und Nordwesten
sind, wenn nach und nach die derzeit 26 genehmigten           Deutschlands das Repowering von alten, leistungs-
und zum Teil sehr umfangreichen Windparkplanun-               schwachen Anlagen im Vordergrund stehen sollte,
gen (mehr als 70 weitere Windparks befinden sich in           muss aufgrund des starken Zubaus an Windenergiean-
Planung bzw. im Genehmigungsverfahren) umgesetzt              lagen der letzten Jahre in den östlichen Bundesländern
werden. Deshalb wird und muss sich aus Sicht des              künftig vor weiteren Flächenausweisungen die Bedin-
NABU der weitere Ausbau der Windenergie in                    gungen des jeweiligen Landschafts- und Naturraums
Deutschland bis 2020 auf die Ausweisung neuer Stand-          besonders sorgfältig geprüft werden, um eine Ver-
orte an Land, das so genannte Repowering von leis-            schärfung von bereits vorhandenen Konflikten mit
tungsschwachen Altanlagen und erste Offshore-                 dem Naturschutz zu vermeiden. Dies gilt vor allem in
Windparks in der Ausschließlichen Wirtschaftszone             einzelnen Regionen, wo der Anteil der Windenergie
der Nordsee – außerhalb von Meeresschutzgebieten –            am Stromverbrauch bereits 50 Prozent oder mehr
konzentrieren.                                                beträgt. Hier sollten aus NABU-Sicht zunächst Investi-
                                                              tionen in die dringend benötigten Steuerungs- und
                                                              Speichertechnologien sowie in die Netzinfrastruktur
                                                              zur besseren Integration der erneuerbaren Energien
                                                              Vorrang haben. In Mittel- und Süddeutschland man-
                                                              gelt es dagegen bisher noch an der Ausweisung von
                                                              ausreichend vielen und vor allem an geeigneten Stan-
                                                              dorten für die Windenergienutzung – abgesehen von
                                                              wenigen bereits vorhandenen Konzentrationsflächen.

                                                              Die Stromgestehungskosten an Land sind an wind-
                                                              günstigsten Standorten mit 4-5 Eurocent (ct) pro
                                                              erzeugte Kilowattstunde (kWh) Elektrizität schon
Windenergieanlagen auf dem Druiberg bei Dardesheim            heute konkurrenzfähig. Im Normalfall liegen sie um 6-
                                                              7 ct, an ungünstigen Standorten bei 8 ct. Zusätzliche
Die in der Vergangenheit ausgewiesenen Windeig-               Kosten entstehen durch die notwendige Netzanpas-
nungsgebiete an Land können oft aufgrund von Ab-              sung für die Einspeisung und durch die Systemintegra-
stands- und Höhenbegrenzungen nicht sinnvoll mit              tion der erneuerbaren Energien sowie für den Ausbau
Anlagen der neueren Leistungsklasse von zwei Mega-            von Leitungs- und Speicherkapazitäten, die auf alle
watt (2 MW) aufwärts bebaut werden, um die auf den            Stromkunden umgelegt werden. Ökostromanbieter
Flächen zur Verfügung stehenden Windpotenziale und            wie die vom Grüner Strom Label e.V. zertifizierte
Stromerträge effizient auszuschöpfen. Daher wäre es           Naturstrom AG kaufen bereits heute die Erträge aus
hilfreich, in diesen Fällen eine Anpassung vorhandener        älteren Windparks auf, um sie erfolgreich an Ge-
Eignungsgebiete unter Beachtung der Naturschutzbe-            schäfts- und Endkunden zu vermarkten. Dagegen
lange zu ermöglichen. Die rasante technologische              beträgt die Anfangsvergütung durch das Erneuerbare-

                                                          5
Naturverträglicher Ausbau der Windenergie - Handlungsbedarf und Leitlinien für die weitere Entwicklung in Deutschland - NABU
NABU-HINTERGRUND – Naturverträglicher Ausbau der Windenergie in Deutschland

Energien-Gesetz (EEG) für die ersten Offshore-                Naturschutzverbände, um zu örtlich angepassten und
Windparks 15 ct, um die Wirtschaftlichkeit der im-            tragfähigen Lösungen zu kommen.
mensen Investitionen zur Errichtung der Anlagen in
großen Meerestiefen sicher zu stellen. Die Kosten für         2. Räumliche Steuerung und
die Offshore-Nutzung werden auf absehbare Zeit noch
                                                                 Standortplanung
deutlich über denen an Land liegen, wo die Windener-
gie bereits jetzt entscheidend zur Wettbewerbsfähigkeit       Da im Wesentlichen der Standort über die Naturver-
der erneuerbaren Energien und zur Stabilität der              träglichkeit entscheidet, ist die Festsetzung von Eig-
Strompreise beiträgt. Erst nach 2020 rechnen Experten         nungsgebieten für die Windenergienutzung im Sinne
mit dem Durchbruch bei der Wirtschaftlichkeit für             einer Positivplanung mit Ausschlusswirkung für alle
weitere Offshore-Windparks in der deutschen Allge-            anderen Landschaftsbereiche vor allem auf Ebene der
meinen Wirtschaftszone (AWZ) vor allem in der                 Landes- und Regionalplanung unbedingt erforderlich.
Nordsee.                                                      Dieses grundlegende Prinzip zur Vermeidung von
                                                              Nutzungskonkurrenzen und Konflikten mit den Zielen
Über die Naturverträglichkeit der Windenergienut-
                                                              des Naturschutzes muss – bei kontinuierlicher Daten-
zung entscheidet in erster Linie die Standortwahl,
                                                              erhebung und darauf basierender Ausweisung neuer
weshalb sich der NABU vor allem für verbesserte
                                                              Eignungsgebiete – künftig auch für die Raumplanung
Instrumente zur räumlichen Planung und Steuerung
                                                              in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone
einsetzt (siehe folgendes Kapitel). Auch wenn dieses
                                                              (AWZ) in der Nord- und Ostsee Anwendung finden.
Hintergrundpapier den Schwerpunkt auf den Vogel-
und Fledermausschutz legt, sind bei der Flächenaus-           Dabei gilt es weiterhin, dass alle Vorranggebiete für den
weisung und im Genehmigungsverfahren weitere                  Naturschutz im Regelfall von der Windenergienutzung
negative Wirkungen, die von den installierten Anlagen         freizuhalten sind, insbesondere die Schutzgebiete des
ausgehen können, zu berücksichtigen, weil sie ganz            EU-Natura 2000-Netzwerkes. Komplett auszuschlie-
wesentlich über die Akzeptanz des weiteren Ausbaus            ßen sind Standorte innerhalb von Europäischen Vogel-
der Windenergie in der Bevölkerung mitentscheiden.            schutzgebieten und Gastvogellebensräumen zumindest
Dazu zählen insbesondere Lärm, Schattenwurf und               von nationaler oder internationaler Bedeutung, Natur-
Beleuchtung aus Sicherheitsgründen in der Dunkel-             schutzgebieten, Nationalparks, Kernzonen von Bio-
heit. Ein weiterer Punkt sind visuelle Beeinträchtigun-       sphärenreservaten und Meeresschutzgebieten in der
gen durch die Bewegung des Rotors, mögliche                   AWZ. Bei Waldstandorten geht der NABU davon aus,
Lichtreflexe und die Höhe der Windenergieanlagen              dass sich eine Windenergienutzung angesichts der
z.B. im Vergleich zum örtlichen Kirchturm. Die sich           ökologischen Beeinträchtigungen durch die notwendi-
daraus ergebenden Anforderungen an Standortwahl,              gen Baumfällungen, Zuwegungen und Netzanbindung
Auflagen und Nebenbestimmungen zur Genehmigung                sowie aufgrund des Tötungsrisikos für Vogel- und
können mit den Interessen des Naturschutzes kollidie-         Fledermausarten in den meisten Fällen nicht rechtfer-
ren. Während die betroffenen Bürger meistens für              tigen lässt. Neben der naturschutzfachlichen Wertigkeit
möglichst große Abstände zur Wohnbebauung eintre-             des Ökosystems Wald kommt in vielen Regionen auch
ten, können Anlagen in der freien Landschaft eher             der Erholungsfunktion dieses Lebensraumes eine
naturschutzfachliche Probleme aufwerfen. Diese Kon-           besondere Bedeutung zu.
flikte lassen sich auch vor dem Hintergrund der zu-
nehmenden Dezentralisierung der Energieversorgung             Eine Ausweisung von Windeignungsgebieten in den
mit Wind-, Solar- und Biomassekraftwerken im Rah-             oben genannten Flächenkategorien macht aus
men der behördlichen Planungs- und Genehmigungs-              regionalplanerischer Sicht keinen Sinn, weil davon
verfahren mit pauschalen Abstandsempfehlungen oder            ausgegangen werden muss, dass auch die naturschutz-
Höhenbegrenzungen nicht immer sinnvoll lösen. In              fachliche Verträglichkeitsprüfung zu einem späteren
diesen Fällen plädiert der NABU in seinem Kommuni-            Zeitpunkt, nämlich im Rahmen des immissionsschutz-
kationsratgeber zum Ausbau erneuerbarer Energien              rechtlichen Genehmigungsverfahrens, die Zulässigkeit
für begleitende Informations-, Beteiligungs- und Dia-         der Windenergienutzung untersagen würde. Ein sol-
logangebote unter frühzeitigem Einbezug der örtlichen

                                                          6
NABU-HINTERGRUND – Naturverträglicher Ausbau der Windenergie in Deutschland

ches Vorgehen schafft lediglich zusätzliche Unsicher-         könnten dann die Genehmigungsbehörden bei der
heiten für den weiteren Ausbau der Windenergie,               naturschutzfachlichen Prüfung einzelner Standorte für
wenn immer mehr der in den Regionalplänen ausge-              Windenergieanlagen und bei der Festlegung von Ne-
wiesenen Eignungsgebiete faktisch gar nicht oder nur          benbestimmungen sowie von Ausgleichs- und Ersatz-
stark eingeschränkt für eine Projektentwicklung im            maßnahmen zurückgreifen.
Bereich der Windenergie zur Verfügung stehen. Gera-
de bei einem hohen Bestand an bereits vorhandenen             In Brandenburg und Schleswig-Holstein haben sich
Windenergieanlagen muss dabei die Auswahl weiterer            tierökologische Abstandskriterien als geeignete Instru-
Standorte im Hinblick auf die kumulativen Wirkungen           mente für die räumliche Steuerung der Windenergie-
auf Schutzgebiete und betroffene Arten besonders              nutzung erwiesen und sollten aus NABU-Sicht auch in
sorgfältig abgewogen werden.                                  anderen Bundesländern entwickelt und als landespla-
                                                              nerische Vorgabe für die Regionalplanung festge-
Die Ausweisung von Eignungsgebieten und die damit             schrieben werden. Wie die vorsorgeorientierten
verbundene Ausschlusswirkung für Windenergienut-              Abstandsempfehlungen und Prüfradien der Länder-
zungen außerhalb dieser Eignungsgebiete darf in Zu-           arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten sind sie für
kunft nicht mehr als politische Verhinderungsplanung          die Ausweisung von Eignungsgebieten und die Pla-
missbraucht werden. Wenn in einer Region die Poten-           nung von konkreten Standorten für Windenergieanla-
ziale an besonders windhöffigen Flächen außerhalb der         gen an Land eine wichtige Orientierungshilfe, auch im
Vorranggebiete für den Naturschutz, vor allem entlang         Hinblick auf die notwendigen Pufferzonen zu Schutz-
von bestehenden Infrastrukturtrassen und innerhalb            gebieten. Nur in Einzelfällen weisen neuere Untersu-
von Gewerbe- und Industriegebieten nicht ausge-               chungen darauf hin, dass von einer geringeren oder
schöpft werden, ist dies im Rahmen der Nicht-                 auch höheren Empfindlichkeit der Arten als ursprüng-
Ausweisung im Regionalplan fachlich zu begründen.             lich angenommen ausgegangen werden kann oder dass
Der NABU hält die Regionalplanung für das geeignete           die Kriterien nicht praktikabel sind. Die Abstandskrite-
Instrument zur effektiven Steuerung der Windenergie-          rien sind daher auf Ebene der Bundesländer fortlau-
nutzung in Deutschland. Die Naturschutzverbände               fend an neue Forschungserkenntnisse anzupassen. Um
sind bei der Planerstellung aktiv einzubeziehen, um die       mehr Plausibilität für die Ausweisung von Windeig-
sachlichen und verfahrensmäßigen Entscheidungen für           nungsgebieten zu ermöglichen, spricht sich der NABU
eine differenzierte Standortprüfung wirksam beeinflus-        dafür aus, auch bestehende Abstandskriterien zu ande-
sen zu können, bevor das Verfahren in die allgemeine          ren Windparks, zu Autobahnen und Gewerbegebieten
Öffentlichkeitsbeteiligung geht.                              zu überprüfen und ggf. anzupassen.

Die Windenergienutzung sollte sich auf bereits durch          Der zunehmende Nutzungsdruck auf die freie Land-
vorhandene Infrastruktur oder intensive landwirt-             schaft, auch durch Windenergieanlagen, führt zu einer
schaftliche Nutzung vorbelastete Standorte beschrän-          immer stärkeren Anreicherung mit technischen Ele-
ken. Der NABU fordert für die Vorprüfung von                  menten und Bauwerken. Damit verbunden sind die
potenziellen Windenergie-Standorten ein Standard-             häufig sehr emotional und kontrovers geführten
Untersuchungskonzept (StUK), mit dem die wichtigs-            Debatten um Beeinträchtigungen des Landschafts-
ten Fragen zur Klärung der ökologischen Wertigkeit            bildes, des Landschaftserlebens und von Erholungs-
der Flächen und möglicher Konflikte mit dem Natur-            funktionen, die sich kaum wissenschaftlich
schutz auf regionaler Ebene zwingend abgearbeitet             untermauern und planerisch nur sehr schwer hand-
werden müssen – so wie es im Zulassungsverfahren für          haben lassen. Dennoch gibt es Bewertungsansätze in
Offshore-Windparks in der deutschen AWZ bereits               der Landschaftsplanung, die eine besondere Empfind-
verankert ist. Ergänzend sollten zusammen mit dem             lichkeit gegenüber dem Bau von Windenergieanlagen
Regionalplan auch Fachgutachten zur Konfliktminde-            vor allem in Landschaftsräumen herausstellen, die
rung und möglichen Lösungsansätzen mit konkretem              vielfältig strukturiert sind, sich durch große Naturnähe
Bezug zum jeweiligen Naturraum und den betroffenen            auszeichnen und bisher wenig in ihrer Eigenart insbe-
Arten nach anerkannten Standards und Methoden                 sondere durch Vorbelastungen in Form von Nutzun-
erarbeitet werden. Auf diese fachlichen Grundlagen            gen mit ähnlich visuell wirksamen Objekten bzw.

                                                          7
NABU-HINTERGRUND – Naturverträglicher Ausbau der Windenergie in Deutschland

technischen Bauwerken beeinträchtigt sind. Der                 sammeln“, problematische Altstandorte vor allem in
NABU ist der Auffassung, dass der Problematik mit              EU-Vogelschutzgebieten vorzeitig abzubauen und
den hier skizzierten Möglichkeiten der räumlichen              dafür das Repowering in bestehenden und neuen
Steuerung für neue Windparks begegnet werden kann              Eignungsgebieten für die Windenergienutzung zu
und sollte. Vor allem im Rahmen der Eignungs-                  ermöglichen. Aus Naturschutzsicht gibt es keine Ar-
flächenausweisung auf Ebene der Landes- und Regio-             gumente für eine generelle Höhenbegrenzung von
nalplanung ist daher besondere Sensibilität in                 neuen Windenergieanlagen. Lediglich im Hinblick auf
Erholungslandschaften und hinsichtlich der evtl. unter-        wichtige Vogelzugkorridore oder artspezifische Aus-
schiedlichen Qualität von Landschaftschutzgebieten zu          wirkungen könnten Einschränkungen gerechtfertigt
üben. Im Rahmen des Repowering können hier                     sein. Der Standort entscheidet auch beim Repowering
substanzielle Verbesserungen erzielt werden, indem die         über die Naturverträglichkeit. Auf naturschutzfachlich
Eingriffe in das Landschaftsbild durch eine geringere          geeigneten und windhöffigen Flächen sollten aber die
Anzahl und stärkere Bündelung der Anlagen reduziert            vorhandenen Potenziale durch Installation neuer
und auch Abstände zwischen einzelnen Windparks                 Anlagentechnik unbedingt ausgeschöpft werden, um
neu festgelegt werden können. Dabei ist es wichtig, dass       die Energieausbeute zu maximieren und damit den
sowohl mit Blick auf die Akzeptanz der Windenergie-            Bedarf für zusätzliche Ausweisungen zu verringern.
nutzung in der Bevölkerung als auch für die Schonung
des Landschaftsbildes wie zum Schutz von Arten, die            Der NABU fordert die Windbranche, Politik und
sich mit tierökologischen Abstandskriterien schlecht           Verwaltung auf, im Rahmen des Repowering durch
schützen lassen, größere und zusammenhängende                  den vorzeitigen Abbau von naturschutzfachlich beson-
Räume in einer Region von der Windenergienutzung               ders kritischen Windenergieanlagen aktiv zu einer
freigehalten werden.                                           Entlastung des regionalen Naturhaushaltes und des
                                                               Landschaftsbildes beizutragen. Dieser Beitrag kann
Potenziale des Repowering im Sinne des                         dann im Rahmen der Eingriffsregelung bei der Beurtei-
Naturschutzes nutzen                                           lung des Kompensationsbedarfs für Repowering-
                                                               Projekte entsprechend angerechnet werden. Wenn für
Die neue Generation der Multi-Mega-Watt-Klasse mit             das Repowering dennoch an problematischen Standor-
größeren Windenergieanlagen kann bereits vorhande-             ten festgehalten werden soll, ist eine erneute Umwelt-
ne Störwirkungen auf Rastvögel und Kollisionsgefah-            verträglichkeitsprüfung wie im Falle einer Neuplanung
ren verstärken. Gleichzeitig lassen sich Entwertungen          eines Windparks durchzuführen.
von Lebensräumen und Landschaftsbild durch die
Bündelung von Einzelanlagen in Windparks verrin-               Unter Berücksichtigung der vorgenannten Standort-
gern. Zudem reduziert Repowering die Risiken pro               bedingungen unterstützt der NABU eine größtmögli-
erzeugte Energieeinheit deutlich: Von den 2009 rund            che Leistungssteigerung durch Ersatz von Altanlagen
21.000 in Deutschland installierten Anlagen verfügen           auf vorhandenen und neuen Eignungsflächen für die
alleine 3.000 über eine elektrische Leistung von weniger       Windenergie. In der Praxis gibt es vielfältige politische,
als 400 Kilowatt (kW), während der heutige Leistungs-          rechtliche und finanzielle Hürden für die erfolgreiche
standard für Neuanlagen an Land 2.000 bis 3.000 kW             Realisierung von Repowering-Projekten. Ein Leitfaden
beträgt und Großanlagen vor allem für den Offshore-            des Städte- und Gemeindebundes zeigt aber den
Bereich sogar 5.000 bis 6.000 kW leisten.                      Kommunen verschiedene Möglichkeiten auf, wie mit
                                                               der richtigen Ausgestaltung von Bebauungs- und
Da mehr Leistung auch mehr Stromertrag bedeutet                Flächennutzungsplänen, zum Teil in Kombination mit
und da die Windausbeute mit der Höhe des Rotors                städtebaulichen Verträgen, die planungsrechtliche
steigt, gilt folgende Faustregel: Mit der gleichen Anla-       Verbindlichkeit des Abbaus und Ersetzen von Altan-
genzahl ließe sich in einem Windpark mit der heutigen          lagen durch Repowering abgesichert werden kann.
Anlagentechnik die installierte Leistung im Durch-             Eine Fallsammlung der Deutschen WindGuard von
schnitt vervierfachen und die Stromerzeugung ver-              bereits abgeschlossenen Projekten macht außerdem
sechsfachen. Die praktische Herausforderung liegt aber         deutlich, dass neben der politischen Unterstützung ein
vielfach darin, Einzelanlagen in der Landschaft „einzu-        solides und transparentes Genehmigungsverfahren, die

                                                           8
NABU-HINTERGRUND – Naturverträglicher Ausbau der Windenergie in Deutschland

Einbindung der Öffentlichkeit und vor allem die Ko-           Für den Kranich und andere ziehende Großvögel
ordination und Interessenausgleich aller Betreiber von        können durch in der Flugbahn befindliche Windener-
benachbarten Windparks und Einzelanlagen bei der              gieanlagen auch Störungen des Zugablaufs auftreten.
Neuplanung zu den zentralen Erfolgsfaktoren für das           Allerdings ist bisher nicht untersucht worden, wie sich
Repowering zählen.                                            diese auf die Fitness (Energiereserven) der betroffenen
                                                              Individuen auswirken. Eine mögliche Barrierewirkung
3. Windenergie und Vögel                                      für Zugvögel könnte auch eines der wesentlichen
                                                              Probleme des großflächigen Ausbaus der Offshore-
Grundsätzlich lassen sich zwei wesentliche Wege der           Windenergieanlagen in Nord- und Ostsee und den
Beeinträchtigung von Vogelbeständen durch Wind-               angrenzenden Küstenbereichen darstellen und muss
energieanlagen unterscheiden: Entweder Vögel meiden           daher sorgfältig untersucht werden.
Windenergieanlagen und die umgebenden Lebens-
räume oder sie sind durch den Aufenthalt im Bereich           Für Arten, die kein ausgeprägtes Meideverhalten ge-
der Rotoren einem direkten Kollisionsrisiko ausgesetzt.       genüber Windenergieanlagen zeigen und die sich
                                                              regelmäßig im Gefahrenbereich der Rotoren aufhalten,
Störungen durch optische oder akustische Reize kön-           besteht ein Risiko der Kollision mit Windenergieanla-
nen dazu führen, dass Vögel die Umgebung von                  gen. Hiervon sind in erster Linie Großvögel, insbeson-
Windenergieanlagen meiden und eine von der Art und            dere Greifvögel, an der Küste aber z. B. auch Möwen
der Umgebung abhängige Mindestdistanz zu Wind-                und Seeschwalben betroffen. Zum Kollisionsrisiko für
energieanlagen einhalten. Dies führt dazu, dass bisher        Zugvögel, insbesondere nächtlich ziehende Singvögel,
als Lebensraum nutzbare Flächen nicht mehr von den            liegen für das Festland kaum Untersuchungen vor. Da
Vögeln aufgesucht werden und letztlich der verfügbare         moderne Anlagen aber in einen Höhenbereich reichen,
Lebensraum beschnitten wird. Hiervon sind in erster           in dem Nachtzug stattfindet, ist eine Gefährdung nicht
Linie Vogelarten betroffen, die in offenen Landschaften       auszuschließen, insbesondere an Konzentrationspunk-
wie Feuchtgebieten, aber auch in strukturell entspre-         ten wie Bergkämmen (Bruderer & Liechti 2004).
chenden Lebensräumen der Agrarlandschaft vorkom-
men. Während der Brutzeit trifft dies vor allem für die       Für Greifvögel ist ein mit der Größe der Anlagen zu-
Gruppe der Wiesenbrüter zu. Für den Wachtelkönig ist          nehmendes Kollisionsrisiko festzustellen (Rasran et al.
dabei vermutlich die akustische Maskierung der Balz-          2009). In Deutschland wurden bis 18.01.2011 u.a. 163
rufe der Männchen durch die Geräusche der Wind-               Mäusebussarde, 146 Rotmilane und 57 Seeadler als
energieanlagen problematisch. Ähnliches gilt für einige       Opfer von Windenergieanlagen gemeldet (Dürr 2010).
Hühnervögel wie Wachtel oder Birkhuhn.                        Da systematische Erhebungen durch methodisch
                                                              einwandfreie Suche nach Schlagopfern unter Wind-
Außerhalb der Brutzeit zeigen vor allem weidende              energieanlagen weitgehend fehlen und die meisten
Wasservögel, insbesondere Schwäne, Gänse und einige           gemeldeten Schlagopfer auf zufälligen Funden beru-
Gründelenten, aber auch einige Schwimmvögel der               hen, ist das tatsächliche Ausmaß dieser Problematik
offenen Wasserfläche von Binnengewässern und der              nur sehr schwer einzuschätzen. Die Dunkelziffer ist
offenen See (Seetaucher, Meeresenten) sowie Watvögel          jedoch mit Sicherheit erheblich.
ein Meideverhalten gegenüber Windenergieanlagen.
Für einige Arten, zum Beispiel Kiebitz und Goldregen-         Insgesamt lässt sich feststellen, dass die durchschnittli-
pfeifer, zeigt sich eine mit der Größe der Anlagen            che Kollisionsrate für Greifvögel bei einer einzeln
zunehmende Meidedistanz (Hötker 2006). Bei Arten-             stehenden Anlage deutlich höher ist als bei einer Anla-
gruppen wie zum Beispiel Gänsen, Gründelenten und             ge in einem Windpark. Weiterhin sind die Kollisions-
einigen Watvögeln, deren Rastplätze und Nahrungsflä-          zahlen für Standorte im Freiland höher als am
chen räumlich getrennt sind, sind hiervon beide Teille-       Waldrand. Für Rotmilan, Mäusebussard, Seeadler und
bensräume und die verbindenden Flugkorridore                  Turmfalke konnte bisher kein statistischer Zusam-
betroffen.                                                    menhang zwischen der Errichtung von Windenergie-
                                                              anlagen und der Brutbestandsentwicklung bzw. dem
                                                              Bruterfolg nachgewiesen werden.

                                                          9
NABU-HINTERGRUND – Naturverträglicher Ausbau der Windenergie in Deutschland

Übersicht der Vogelarten und Artengruppen mit hoher Empfindlichkeit gegenüber bzw. Gefährdung durch Windenergieanlagen (Stand 2010)

Art/ Artengruppe         Störung zur      Störung außerhalb        Kollisions-    Quelle
                           Brutzeit          der Brutzeit            risiko
Alpenstrandläufer                                 x                               Clemens & Lammen 1995
Bekassine                      x                  x                               Hötker 2006, Pearce Higgins et al. 2009
Birkhuhn                       x                                        x         Zeiler & Grünschachner-Berger 2009
Blessgans                                           x                             Kruckenberg & Jaene 1999, Schreiber 2000
Blesshuhn                                           x                             Winkelmann 1992
Brandseeschwalbe                                                        x         Garthe & Hüppop 2004
Eiderente                                           x                   x         Garthe & Hüppop 2004
Feldlerche                                                              x         Dürr 2010, in litt.
Flussseeschwalbe                                                        x         Everaert & Stienen 2007
Goldregenpfeifer               x                    x                             Reichenbach 2003, Hötker 2006,
                                                                                  Pearce Higgins et al. 2009
Graugans                                            x                             Schreiber 2000
Großer Brachvogel              x                    x                             Pearce Higgins et al. 2009
Großtrappe                     x                    ?                             Dürr 2009
Gründelenten                                        x                             Hötker 2006
Kampfläufer                                         x                             Schreiber 2000
Kiebitz                        x                    x                             Ketzenberg et al. 2002, Reichenbach 2003,
                                                                                  Hötker 2006
Kormoran                                            x                   x         Garthe & Hüppop 2004
Kornweihe                      x                                                  Pearce Higgins et al. 2009, Whitfield & Madders 2006
Kranich                                             x                             Nowald 1995, Brauneis 1999, 2000, Kaatz 1999
Kurzschnabelgans                                    x                             Hartwig 1994, Larsen & Madsen 2000
Lachmöwe                                                                x         Dürr 2010, in litt.
Mauersegler                                                             x         Dürr 2010, in litt.
Mäusebussard                   x                                        x         Dürr 2010, in litt., Pearce Higgins et al. 2009
Möwen                                                                   x         Dürr 2010, in litt.
Nonnengans                                          x                             Schreiber 2000, Kowallik & Borbach-Jaene 2001
(Weißwangengans)
Pfeifente                                           x                             Hötker 2006
Prachttaucher                                       x                             Garthe & Hüppop 2004
Reiherente                                          x                             Winkelmann 1992
Ringelgans                                          x                             Schreiber 2000
Rohrweihe                                                               x         Dürr 2010, in litt.
Rotmilan                                                                x         Dürr 2010, in litt.
Rotschenkel                    x                                                  Reichenbach 2003, Hötker 2006
Saatgans                                            x                             Schreiber 2000
Samtente                                            x                             Garthe & Hüppop 2004
Sandregenpfeifer                                    x                             Clemens & Lammen 1995
Schellente                                          x                             Clausager & Nøhr 1995
Schwäne                                             x                             Hötker 2006
Schwarzmilan                                                            x         Dürr 2010, in litt.
Schwarzstorch                  x                                                  Rohde 2009
Seeadler                                                                x         Dürr 2010, in litt.
Seeschwalben                                                            x         Hötker 2006
Seetaucher                                          x                             Garthe & Hüppop 2004
Silbermöwe                                          x                             Winkelmann 1992
Singschwan                                          x                             Clausager & Nøhr 1995, Schreiber 2000
Steinschmätzer                 x                                                  Pearce Higgins et al. 2009
Sterntaucher                                        x                             Garthe & Hüppop 2004
Tafelente                                           x                             Clausager & Nøhr 1995
Trauerente                                          x                             Garthe & Hüppop 2004
Turmfalke                                                               x         Dürr 2010, in litt.
Uferschnepfe                   x                                                  Reichenbach 2003, Hötker 2006
Wachtel                        x                                                  Bergen 2001, Müller & Illner 2001,
                                                                                  Mehrere Beiträge der Tagung „Windkraft und
                                                                                  Artenschutz in den Alpen“, 3.6.2008 in Graz
Wachtelkönig                   x                                                  Müller & Illner 2001, Joest 2009,
                                                                                  auch Garniel et al. 2007
Watvögel                       x                    x                             Hötker 2006
Weißstorch                                                              x         Dürr 2010, in litt.
Wiesenweihe                    ?                                        x         Grajetzy et al in Hötker 2009

                                                                 10
NABU-HINTERGRUND – Naturverträglicher Ausbau der Windenergie in Deutschland

Erkenntnisse zu Rotmilan und Wiesenweihe                      besondere Verantwortung für ihren Schutz. Dies gilt
                                                              auch, wenn Konflikte erst nach der Errichtung von
Seit dem 01.04.2007 koordiniert das Michael-Otto-             Windenergieanlagen offensichtlich werden. Daher
Institut im NABU das vom Bundesumwelt-                        müssen - neben der Standortplanung - auch Möglich-
ministerium geförderte Forschungsprojekt „Greifvögel          keiten zur Reduzierung des Kollisionsrisikos durch
und Windkraftanlagen: Problemanalyse und Lösungs-             Steuerung der landwirtschaftlichen Aktivitäten im und
vorschläge“. Dazu wurden die besonders häufig                 außerhalb eines Windparks genutzt werden. So kön-
diskutierten Arten Rotmilan und Wiesenweihe in                nen Mastfußbereiche und Zuwegungen z.B. durch
verschiedenen Teilen Deutschlands mit Sendern ausge-          Bepflanzungen und unterlassene Mahd als Jagdgebiete
stattet, um ihre Flugbewegungen in der Nähe von               für Rotmilan unattraktiver gestaltet werden. Da sich
Windenergieanlagen erfassen und analysieren zu kön-           Maßnahmen zur Anlage von Nahrungsflächen und
nen. Auch wurden experimentelle Veränderungen der             damit zur Beeinflussung der Aktionsraumgröße oder
Umgebung von Windenergieanlagen vorgenommen,                  -ausrichtung nicht im ausreichenden Umfang umset-
um Wege zu finden, Kollisionen von Greifvögeln an             zen lassen, fordert der NABU, die Kernlebensräume
Windenergieanlagen möglichst zu vermeiden.                    des Rotmilans von Windenergieanlagen freizuhalten.

                                                              Die Wiesenweihe ist in Deutschland eine seltene Brut-
                                                              vogelart und wird auf der Roten Liste als stark gefähr-
                                                              det eingestuft. Ihre Brutvorkommen konzentrieren
                                                              sich auf wenige Gebiete in Bayern, Brandenburg, Sach-
                                                              sen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen sowie die Küs-
                                                              tenbundesländer Niedersachsen, Schleswig-Holstein
                                                              und Mecklenburg-Vorpommern. Als Brutgebiete
                                                              benötigt sie weiträumig offene Landschaften. Obwohl
                                                              in der jetzigen Situation kein eindeutiges Meide-
                                                              verhalten erkennbar ist, kann der weitere Ausbau von
                                                              Windenergieanlagen zusammen mit anderen Formen
                                                              des Flächenverbrauchs dazu führen, dass für die Wie-
                                                              senweihe als Brutgebiet erforderliche Mindestgröße an
Greifvögel sind besonders kollisionsgefährdet                 offenem Lebensraum unterschritten wird, insbesonde-
                                                              re, wenn es sich um kolonieartige Ansiedlungen mit
Eine Verdrängung von Rotmilanen durch Windener-               entsprechend großem Raumbedarf handelt.
gieanlagen konnte bisher nicht festgestellt werden.
Dafür sind sie von einem hohen Mortalitätsrisiko              In räumlicher Nähe zu Windenergieanlagen brütende
durch Kollisionen an den Rotorblättern betroffen, der         Wiesenweihen unterliegen, wie entsprechende neuere
Hauptteil der windenergiebedingten Mortalität entfällt        Funde belegen, einem Kollisionsrisiko. Dabei sind
auf adulte Vögel im Frühjahr. Die räumliche Aktivi-           neben den überwiegend in Bodennähe erfolgenden
tätsverteilung eines Rotmilans innerhalb und außer-           Jagdflügen vor allem die im Nestbereich in größerer
halb eines Windparks ist überwiegend durch die                Höhe erfolgende Balz, Feindabwehr, Beuteübergabe
Nahrungsverfügbarkeit gesteuert. Die Größe des                sowie das Thermiksegeln zwischen Brut- und Jagdge-
Aktionsraums schwankt in Abhängigkeit vom Nah-                bieten von Bedeutung. In den Kernbrutgebieten von
rungsangebot sehr. Während in einigen Revieren in             Wiesenweihen sollten deshalb keine Windparks errich-
Sachsen-Anhalt rund die Hälfte der Aktivitäten im             tet werden. Diese Gebiete sind auf Grund des Kolonie-
1 km-Radius um den Horst stattfand, lag dieser Anteil         verhaltens, der Verlagerung der Brutflächen mit der
in Thüringen meist nur um 20 %.                               Fruchtfolge sowie der jährlich schwankenden Be-
                                                              standsgröße ausreichend groß abzugrenzen und
Da Rotmilane ihren weltweiten Verbreitungsschwer-             raumplanerisch abzusichern.
punkt in Deutschland haben, tragen Behörden,
Flächenbesitzer, Landwirte, Planer und Betreiber eine

                                                         11
NABU-HINTERGRUND – Naturverträglicher Ausbau der Windenergie in Deutschland

Wofür sich der NABU einsetzt                                   mein verbindlich beantwortet werden, weil ausrei-
                                                               chend großräumig erhobene und langfristige Daten-
Für einen naturverträglichen Ausbau der Windenergie-           reihen selten sind. Einige Populationsstudien und
nutzung in Deutschland ist eine übergeordnete                  -modellierungen z.B. zum Seeadler in Norwegen
räumliche Steuerung durch ökologische Ausschluss-              (Nygard et al. 2010), Steinadler (Hunt et al. 1995),
und Abstandskriterien die zwingend erforderliche               Kanincheneule in Kalifornien (Smallwood 2007) und
Voraussetzung (siehe vorheriges Kapitel). Als informel-        Schmutzgeier in Spanien (Carrete et al. 2009) zeigen,
le Planungshilfe für die Standortausweisung und das            dass auch eine geringe zusätzliche Mortalität an Wind-
Repowering von Windenergieanlagen sollten in Groß-             energieanlagen zur Schaffung von Sink-Populationen
landschaften wie dem Nordwestdeutschen Tiefland                und einer mittel- bis langfristigen Bestandsabnahme
oder den Mittelgebirgen Bereiche auf Basis der Vor-            führen kann. Auch wenn der Anteil der Windenergie
kommen relevanter Brut- und Rastvögel mit hoher                am Bestandsrückgang des Rotmilans bislang nicht
Sensibilität gegenüber Windenergieanlagen abgegrenzt           quantifiziert werden kann, lässt dies nicht den Schluss
werden. Als Vorbild für die räumliche Zonierung                zu, dass die Windenergie bisher keinen Einfluss hatte.
hinsichtlich der Sensibilität für Windenergieplanungen         Selbst wenn bisher keine negativen Wirkungen auf den
können Arbeiten der britischen Royal Society for the           Bestand und die Lebensräume bestimmter Vogelarten
Protection of Birds in Schottland (Bright et al. 2008)         nachgewiesen werden konnten, kann sich diese Bewer-
und der Vogelbescherming Nederland (VBN) dienen –              tung mit Blick auf den geplanten Ausbau der Wind-
beide sind genauso wie der NABU Partner im Netz-               energie in Deutschland in Zukunft ändern. Zudem
werk von BirdLife International. Neben dem vorsorgli-          muss das kumulative Zusammenwirken der Wind-
chen Ausschluss aller europäischen Vogelschutzgebiete          energie mit anderen Faktoren (Netzausbau, Verkehr,
bieten die Empfehlungen der Länderarbeitsgemein-               Flächenverbrauch, Landwirtschaft) auf die Populati-
schaft der Vogelschutzwarten für die Ausweisung von            onsentwicklung untersucht und bei künftigen Planun-
Eignungsgebieten für die Windenergienutzung und die            gen berücksichtig werden.
Planung von konkreten Standorten an Land eine
wichtige Orientierung, damit zu Brut- und Rastplätzen          4. Windenergie und Fledermäuse
empfindlicher und durch Kollisionen gefährdeter
Arten ausreichende Abstände eingehalten werden.                Seit etlichen Jahren ist bekannt, dass Fledermäuse an
Dabei muss sichergestellt werden, dass diese Abstands-         Windenergieanlagen verunglücken. Aufgrund einer
empfehlungen fortlaufend an neue Forschungser-                 Vielzahl von wissenschaftlichen und gutachtlichen
kenntnisse angepasst und ggf. artspezifisch auf Ebene          Vor- und Begleituntersuchungen liegen hierzu gesi-
der einzelnen Bundesländer konkretisiert werden.               cherte Erkenntnisse vor, die ein Handeln aus Sicht des
                                                               Artenschutzes dringend erforderlich machen. Aber
Da die Datenbasis sowohl für die Ermittlung von                auch durch die Errichtung von Windenergieanlagen
Meideabständen als auch für die Kollisionsraten ver-           können Lebensräume von Fledermäusen, insbesondere
schiedener Vogelarten immer noch lückenhaft und                im Wald, beeinträchtigt oder zerstört werden. Von den
vom Umfang sehr dürftig ist, sollte zur wissenschaftli-        24 in Deutschland vorkommenden Fledermausarten
chen Absicherung von naturschutzfachlichen Aussagen            wurden inzwischen 19 Arten als Schlagopfer unter
eine verpflichtende Meldung von Totfunden für jedes            Windenergieanlagen gefunden. Fledermäuse gehören
Bundesland eingeführt sowie ein Monitoring an beste-           europa- und bundesrechtlich zu den streng geschütz-
henden Windparks nach Definition von einheitlichen             ten Arten. Sie dürfen nicht absichtlich getötet, auf ihren
Untersuchungsstandards eingeführt bzw. ausgeweitet             Wanderungen und in ihren Lebensräumen nicht
werden. Durch intensive und systematische Kollisions-          gestört oder beeinträchtigt werden. Nach aktuellem
opfersuchen ist weiterhin zu klären, ob von den großen         Kenntnisstand besteht für fünf Arten, auf die etwa 90
Windenergieanlagen der neuesten Generation eine                Prozent aller nachgewiesenen Totfunde entfallen, ein
Gefährdung des nächtlichen Vogelzuges ausgeht.                 besonders hohes Kollisionsrisiko. Dies sind vorwiegend
Bislang konnte die Frage, wie sich die Mortalität an           im freien Luftraum jagende und ziehende Arten wie
Windenergieanlagen auf die Populationsdynamik der              Großer und Kleiner Abendsegler, Zweifarbfledermaus,
betroffenen Arten auswirkt, nicht schlüssig und allge-         Rauhautfledermaus und die Zwergfledermaus. Für die

                                                          12
NABU-HINTERGRUND – Naturverträglicher Ausbau der Windenergie in Deutschland

Gattung Myotis wurde bis jetzt nur ein geringes Kollisi-          Wofür sich der NABU einsetzt
onsrisiko nachgewiesen.
                                                                  Der NABU fordert, das Umfeld von Wochenstuben
Warum Fledermäuse an Windenergieanlagen verun-                    und regional bedeutsamen Lebensräumen kollisions-
fallen ist noch nicht abschließend geklärt. Ein Grund             gefährdeter Fledermausarten von Windenergieplanun-
könnte darin liegen, dass das Echoortungssystem der               gen freizuhalten. Insbesondere in Wäldern, an
Fledermäuse bei den bis zu 300 Stundenkilometer                   Gewässern sowie entlang von Gehölzstrukturen und
schnellen Rotorblattspitzen versagt. Die Rotoren einer            der Umgebung von Feuchtgebieten können wertvolle
Windenergieanlage nähern sich der Fledermaus von                  Lebensräume durch die Errichtung der Anlagen sowie
oben oder unten und werden deshalb von den vorwie-                durch den Bau von Zuwegungen verloren gehen.
gend nach vorne gerichteten Echoortungslauten der                 Inzwischen ist es möglich, die Schlagopferrate massiv
Tiere nicht wahrgenommen. Kommen Fledermäuse                      zu reduzieren, indem die Windenergieanlagen in
im Jagdgebiet oder während ihrer Wanderungen in die               Zeiten mit hoher Fledermausaktivität automatisch
Nähe einer Windenergieanlage, laufen sie Gefahr, mit              abgeschaltet werden. Deshalb setzt sich der NABU
den Rotoren zu kollidieren. Dabei sterben sie nicht nur           dafür ein, an allen Windenergieanlagen mit einem
durch eine direkte Kollision. Bereits die                         erhöhten Kollisionsrisiko für Fledermäuse diese effek-
Verwirbelungen und Druckunterschiede im Nabenbe-                  tive Vermeidungsmaßnahme einzusetzen. Aus Grün-
reich der Rotoren reichen aus, um die Tiere zu verlet-            den des Artenschutzes ist dies sowohl für neu errichtete
zen oder zu töten. Wahrscheinlich geht sogar ein                  wie auch für bereits bestehende Anlagen erforderlich.
Anlockeffekt von den Windenergieanlagen selbst aus,
wenn die Fledermäuse mögliche Quartiere im Gondel-                An kritischen Standorten muss der Betreiber durch ein
bereich suchen oder wenn eine hohe Insektendichte                 geeignetes Monitoring nachweisen, wie groß die
am Mast der Anlage genügend Nahrung verspricht.                   Schlagopferraten für Fledermäuse sind. Als Untersu-
                                                                  chungsmethode für das Monitoring an bereits genutz-
Bislang ist man davon ausgegangen, dass es vorwie-                ten Windenergiestandorten (z.B. für die Aufstellung
gend während der spätsommerlichen und herbstlichen                zusätzlicher Anlagen oder für das Repowering) werden
Zugzeiten und nach der Jungtieraufzucht Ende Juli zu              nach heutigen Stand der wissenschaftlichen Erkennt-
Kollisionen kommt. Neuere Untersuchungen belegen                  nisse akustische Messungen in Höhe des (künftigen)
aber auch ein erhöhtes Kollisionsrisiko im Zeitraum               Gondelbereichs als geeignet zur Erfassung relevanter
von April bis Juli. Deshalb muss bei zukünftigen Pla-             Fledermausaktivitäten angesehen. Für die Standort-
nungen und Forschungen auch diesem Zeitraum                       wahl und die Planung neuer Windparks wird vorge-
verstärkt Aufmerksamkeit gewidmet werden. Daneben                 schlagen, Vergleichsmessungen an Anlagen im
gibt es Hinweise, dass der Abstand zum Wald und zu                direkten Umfeld des neuen Standortes ergänzt um
Gewässern, die einen bevorzugten Nahrungsraum für                 bodengestützte Detektorerfassungen entlang von
Fledermäuse darstellen, einen Einfluss auf die Fleder-            Leitstrukturen, Netzfänge zur Artbestimmung und ggf.
mausaktivität und damit auf das Kollisionsrisiko hat.             Ballonmessungen am geplanten Standort durchzufüh-
Wie neue Forschungen zeigen, haben Faktoren wie                   ren. Das Monitoring sollte in Anlehnung an die
Windgeschwindigkeit, Monat und Tageszeit einen                    EUROBATS-Richtlinien erfolgen sowie durch unab-
großen Einfluss auf die Fledermausaktivität an Wind-              hängige und qualifizierte Institutionen durchgeführt
energieanlagen. Die Fledermausaktivität nimmt insbe-              werden. Die Auswahl von fachlich geeigneten Gutach-
sondere bei höheren Windgeschwindigkeiten ab und                  tern sollte im Einvernehmen mit den Naturschutzver-
findet häufig bevorzugt in Teilabschnitten der Nacht              bänden und Genehmigungsbehörden erfolgen. Dem
statt. Auch bei niedrigen Temperaturen oder bei Nie-              Habitatschutz für Fledermauslebensräume ist bei der
derschlag ist die Fledermausaktivität relativ gering. Dies        Planung von Windenergiestandorten eindeutig der
kann aber je nach Standort stark variieren und daher              Vorrang gegenüber der Anordnung von Ersatzmaß-
ist jeweils der Einzelfall zu betrachten.                         nahmen einzuräumen. Letztere sind oft sehr spezifisch
                                                                  von Artenzusammensetzung und Quartierssituation
                                                                  für Fledermäuse vor Ort abhängig und können aus

                                                             13
Sie können auch lesen