Morgenkonzert der Vögel - Mitmachprojekt: Das Große Bruch in Sachsen-Anhalt
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5 2022 · Mai · 69. Jahrgang · D: 5,95 € · A: 6,50 € · CH: 9,80 SFr · BeNeLux: 6,90 € · IT: 7,90 € Mitmachprojekt: Morgenkonzert der Vögel Reisetipp: Das Große Bruch in Sachsen- Anhalt Neuentdeckung in Gambia: Sumpfbuschsänger
H. Kruckenberg I A. Kölzsch I J. H. Mooij I H.-H. Bergmann: Das große Buch der Gänse Von sozialen Wesen und rastlosen Wanderern G änse sind Boten am Himmel - im Frühling wie im Herbst kündi- gen ihre Rufe und Keilformationen den Wechsel der Jahreszeit an. Was aber macht die Gans zu so einem faszinierenden Ge- schöpf? Ist es ihr soziales Wesen? Ihre Bereitschaft, gefährliche und kräftezehrende Wanderungen über Tausende von Kilometern auf sich zu nehmen? Die Autoren stellen von Blässgans über Graugans bis zur Ringelgans und Weißwangengans alle in Europa lebenden Gänsearten einschließlich der Hausgänse vor. Mit QR-Codes wer- den die Gänsestimmen hörbar und ihre Zugwege sichtbar gemacht. Das Buch eröffnet spannende Einblicke in das Leben und Verhalten dieser beeindruckenden Vögel und vermittelt zugleich das für ihren Schutz benötigte Wissen. 256 S., 219 farb. Abb., 33 Karten, geb., 16,5 x 23 cm. Best.-Nr.: 97-6205855 € 29,95 Preisstand 2022, zzgl. Versandkosten. ® Industriepark 3 • D-56291 Wiebelsheim Bestellen Sie bitte bei: Tel.: 06766/903-200 (zum Ortstarif) • Fax: 06766/903-320 E-Mail: service@humanitas-versand.de • www.humanitas-versand.de Impressum Der Falke – Journal für Vogelbeobachter Pressevertrieb: Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Mei- ISSN 0323-357X, Erscheinungsweise: monatlich IPS Pressevertrieb GmbH, nung und Daten der Autoren, nicht unbedingt der Redakti- Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier Carl-Zeiss-Str. 5, 53340 Meckenheim on wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf Kürzung und die journalistische Bearbeitung von Beiträgen vor. 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Druck: Strube Druck & Medien GmbH, Felsberg Die veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich ge- Fachredaktion: Prof. Dr. F. Bairlein (fb), T. Brandt (tb), H.-J. Fünfstück (fü), Bezugsbedingungen: schützt. Alle Rechte, auch das der Übersetzung in fremde T. Krumenacker (tk), Dr. H. Stickroth (hs), Dr. C. Sudfeldt (cs) Sprachen, sind vorbehalten. Eine Nachdruckgenehmigung Einzelheftpreis 5,95 €. Das Jahresabonnement für 12 Hef- muss schriftlich erteilt werden. Kein Teil dieser Zeitschrift darf te ist im In- und Ausland für 59,90 € zzgl. Porto erhält- Redaktionelle Mitarbeit: Anita Schäffer ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Verlages lich. Für Schüler-/innen und Studenten/innen 42,95 € zzgl. digital oder analog vervielfältigt werden. Unsere detaillierten Porto (Bescheinigung). In dem Preis ist der „Taschenka- Redaktionsassistentin: Bedingungen entnehmen Sie bitte den Manuskriptrichtlinien, lender für Vogelbeobachter“ eingeschlossen. Die Mindest- Dominique Conrad, Redaktionsbüro, die wir Ihnen auf Anfrage gerne zuschicken. bestelldauer des Abonnements beträgt ein Jahr und ver- Tel.: 06766/903-236; Fax: 06766/903-341; längert sich automatisch, wenn nicht schriftlich gemäß E-Mail: falke@aula-verlag.de der aktuellen gesetzlichen Regelung gekündigt wird. Be- stellungen für Der Falke nehmen jede Buchhandlung und Wir verarbeiten Ihre personenbezogenen Daten un- Gestaltung/Satz: AULA-Verlag: Rolf Heisler (Ltg.) der Verlag entgegen. ter Beachtung der Bestimmungen der EU-Datenschutz- Vertrieb und Abonnementverwaltung: Manuskripte: Grundverordnung (DS-GVO), des Bundesdatenschutz- Britta Fellenzer Sollten Sie einen Beitrag oder eine Manuskriptidee für DER gesetzes (BDSG) sowie aller weiteren maßgeblichen Ge- Tel.: 06766/903-206, Fax: 06766/903-320 FALKE haben, senden Sie uns bitte zunächst eine etwa zehn- setze. 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VOGELWELT AKTUELL WINTER 2021/2022: Tote Seevögel, kaum Seiden- schwänze, aber viele „Trompeter“ Mehr als 20 Nachweise des Papageitauchers gelangen im Februar 2022 – leider betrafen diese ausnahmslos Totfunde. Foto: T. Rautenberg. Westerhever, 28.2.2022. Wir blicken zurück auf einen Winter, der in weiten Teilen des Flachlands kaum einer war. „Äußerst mild und zugleich niederschlagsreich mit viel Sonnenschein“ – so beschreibt der Deutsche Wetter- dienst die zurückliegende Jahreszeit. Abgesehen von Temperatur, Niederschlag und Sonnenschein- dauer waren aber vor allem die Windverhältnisse bemerkenswert. Mitte Februar kam es über mehrere Tage zu einer außergewöhnlichen Sturmserie mit Orkanböen bis über 140 km/h an der Nordseeküste. Neben zahlreichen materiellen Schäden zeigten sich entlang der Küste anschließend auch Auswir- kungen auf die Vogelwelt. In großer Zahl wurden tote Trottellummen angespült. Wir haben uns dies anhand der Daten von ornitho.de einmal genauer angeschaut. Mehr als 1,9 Millionen Vogelbeob- achtungen wurden in den Monaten Dezember bis Februar an das Portal gemeldet. Darunter auffällig wenige Seidenschwänze, aber „Trompetergimpel“ in durchaus ansehnlicher Zahl. Auch diese bei- den Arten schauen wir uns genauer an, bevor wir einen schlaglichtartigen Blick auf die im Winter 2021/2022 entdeckten Seltenheiten werfen. 24 | DER FALKE 5/2022
VOGELWELT AKTUELL D er Winter ist für viele Vogel- 1 2 3 4 5 6 7 120 160 arten eine harte Zeit – nicht Totfunde umsonst sind rund zwei Drittel Windgeschwindigkeit 140 Max. Windgeschwindigkeit [km/h] 100 der bei uns brütenden Arten Helgoland 120 Summe toter Ind. / Tag Zugvögel, die den Winter in milderen Regi- onen verbringen und dafür oft Tausende 80 100 Kilometer Zugstrecke zurücklegen. Nied- rige Temperaturen, zugefrorene Gewässer 60 80 und schneebedeckte Felder machen es den 60 Vögeln am Festland zweifelsohne schwer. 40 Aber wie ergeht es den Seevogelarten weit 40 draußen auf dem Meer? Für sie ist der 20 Winter ebenfalls eine schwierige Phase. 20 Harsche Bedingungen sind kräftezehrend 0 0 und fordern jedes Jahr zahlreiche Opfer. Besonders schwer trifft es diese Arten 1.12. 11.12. 21.12. 31.12. 10.1. 20.1. 30.1. 9.2. 19.2. 1.3. offenbar, wenn sie in dieser Situation auch noch starken Winterstürmen ausgesetzt Infolge der vielen und um Mitte Februar sehr heftigen Sturmereignisse wurden viele tote Trottellummen sind. Durch die dann manchmal über Tage an der deutschen Nordseeküste gefunden. Dargestellt sind die Tagessummen gemeldeter toter Trottel- lummen (Balken) basierend auf den Maxima je Tag und Ort sowie die tägliche maximale Windgeschwin- stark aufgewühlte See wird die Nahrungs- digkeit auf Helgoland (Linie). Die Nummern oberhalb der Grafik markieren markante Sturmereignisse: suche stark erschwert – die Reserven kön- 1 = „Christian“ und „Daniel“; 2 = „Ida“, 3 = „Nadia“; 4 = „Philine“, 5 = „Roxana“ ; 6 = „Ylenia“, „Xandra“, nen dann schnell zur Neige gehen. Im Win- „Zeynep“ und „Antonia“; 7 = „Bibi“. Datengrundlage: Deutscher Wetterdienst, dwd.de ter 2018/2019 führten mehrere Stürme zu stark geschwächten oder bereits tot ange- spülten Trottellummen entlang der Nord- Nordseeküste, örtlich sogar mit Orkan- in Deutschland entstanden enorme Schä- seeküste (FALKE 2019, H.4). Was damals böen. Direkt darauf folgte das Tief „Phi- den und entlang der Nordseeküste bzw. schon Schlagzeilen machte, wiederholte line“, und auch danach wurde es keines- vor allem auf den Inseln wurden zahlrei- sich im vergangenen Winter, jedoch hin- wegs ruhiger. Schon am 6. Februar traf das che Strände und Dünen abgetragen. Die sichtlich der Anzahlen um ein Vielfaches Sturmtief „Roxana“ auf die Küsten. Ab der Halligen meldeten nach Angaben des NDR gravierender. Monatsmitte rauschten dann erneut meh- (19.2.2022) bereits zum siebzehnten Mal im Im Winter 2021/2022 wurden über rere Orkantiefs hintereinander an: „Ylenia“ Jahr 2022 „Land unter“. Geschätzte Schä- Deutschland auffallend viele Stürme regis- sorgte am 16./17. Februar in Schleswig- den in Höhe von über 900 Millionen Euro triert. Ein Tief nach dem anderen fegte Holstein für Sturmfluten und ohne Ver- allein in Deutschland – so die Angaben der über uns hinweg. Zum meteorologischen schnaufpause folgten Sturmtief „Xandra“, Süddeutschen Zeitung – verdeutlichen die Winteranfang sorgten die Winterstürme das vor allem im Binnenland zu Beein- Wucht dieses Sturmtiefs. „Zeynep“ war der „Christian“ und „Daniel“ für einen tur- trächtigungen führte, und am Abend des stärkste Orkan seit „Kyrill“ im Jahr 2007. bulenten Beginn. Nach dem stürmischen 18. Februar „Zeynep“. In Großbritannien Den Abschluss dieser Sturmserie bildete Dezemberauftakt blieb es bis zum Skandi- war „Zeynep“ der stärkste Sturm seit dem am 20. Februar Orkan „Antonia“, der zwar navientief „Ida“ am 19. Januar weitgehend Westeuropa-Orkan von 1987. Mitteleuropa erneut schwere Sturmböen brachte und ruhig. Anschließend wurde es dann richtig befand sich zwar an der Südflanke der von Sturmfluten auslöste, die aber weit unter stürmisch: Tief „Nadia“ erreichte über den den Britischen Inseln über Dänemark nach den Werten der vorherigen Tage blieben. Nordatlantik am 29. Januar die deutsche Südschweden ziehenden Front. Doch auch Am 25. Februar stiegen die Windgeschwin- Beobachtungsorte von Trottellummen von Dezember bis Februar in den Wintern 2018/2019 (links) und 2021/2022 (rechts) nach den Daten von ornitho.de. Meldungen tot gefundener Individuen sind in rot dargestellt, die übrigen Meldungen in blau. Kartengrundlage: QMS Waze (World). 5/2022 DER FALKE | 25
VOGELWELT AKTUELL digkeiten durch das Tief „Bibi“ noch einmal, erreichten aber keine Sturmwerte mehr. Die enge Abfolge der Stürme ab der Monatswende Januar/Februar bzw. vor allem in der zweiten Februar-Hälfte war für viele Seevögel am Ende des Win- ters offenbar zu viel. Allein die Zahl der Beobachtungen von Alken (Gryllteiste, Krabbentaucher, Papageitaucher, Tord- alk, Trottellumme) bei ornitho.de spricht für sich: Fast 2000 Meldungen gingen im Zeitraum Dezember 2021 bis Februar 2022 ein, während es im gleichen Zeitraum des Vorjahres weniger als 400 waren. Unter den knapp 2000 Meldungen waren viele Beobachtungen geschwächter Individuen und fast 700 betrafen Totfunde. Mit mehr als 600 toten Trottellummen entfiel der überwiegende Teil auf die im Winter in der deutschen Nordsee mit Abstand häufigste Alkenart. Dem gegenüber stehen gerade Trauriger Anblick: Insbesondere Trottellummen wurden im Anschluss an eine Reihe von Sturmereignissen in großer Zahl geschwächt oder bereits tot gefunden. Auch der hier abgebildete Vogel schaffte es leider nicht. einmal 75 tote Trottellummen im gleichen Foto: T. Kuppel. Bremen, 10.2.2022. Zeitraum 2018/2019, als diese Art ebenfalls am stärksten betroffen war und lediglich vier Totfunde in dem kaum von Stürmen vorwiegend um Brutvögel der nordöstli- sieren. Von welchen Brutplätzen die vielen geprägten Winter 2020/2021. Zu den tat- chen Britischen Inseln gehandelt haben, toten Trottellummen im Winter 2021/2022 sächlichen Anzahlen betroffener Vögel lässt die sich im Winterhalbjahr überwiegend in stammten, ist schwer zu sagen. Der Win- sich allerdings keine Aussage treffen, da der Nordsee aufhalten. Neben den genann- terbestand in der deutschen Nordsee über- sich nicht abschätzen lässt, welche Anteile ten Alkenarten waren auch Dreizehenmö- trifft mit geschätzten 27 500 Individuen der umgekommenen Vögel an Land gespült wen ungewöhnlich stark entlang der Küste den Brutbestand auf Helgoland um ein und dort gefunden wurden. vertreten. Mehr als 500 Beobachtungen Vielfaches. Mehrere Ringfunde geben Hin- Nach nur ganz vereinzelten Totfunden (davon über 100 Totfunde) wurden zwi- weise auf die Herkunft: Nach einer Trottel- bis Ende Januar nahmen die Zahlen nach schen Dezember 2021 und Februar 2022 lumme mit Metallring der Vogelwarte Hel- den ersten Sturmtiefs „Nadia“, „Philine“ bei ornitho.de gemeldet. Im gleichen Zeit- goland Mitte Januar wurden im Februar und „Roxana“ merklich zu. Als in der zwei- raum 2020/2021 gab es nur 16 Beobach- insgesamt drei Lummen mit britischen ten Monatshälfte dann erneut mehrere, tungsmeldungen dieser Art. Ringen gefunden. Die vielen Totfunde im noch heftigere Sturmereignisse hinterein- Eine gewisse Wintersterblichkeit bei See- Winter 2018/2019 hatten zumindest auf ander über die Deutsche Bucht rauschten, vögeln ist normal. Inwiefern Stürme die die Brutbestände auf Helgoland offenbar stieg die Zahl der Totfunde enorm. Der Mortalität beeinflussen, lässt sich schwer keine Auswirkungen. In der Brutzeit 2019 Tag mit den meisten gemeldeten Totfun- quantifizieren. Ein Teil der tot gefundenen wurden stattdessen sogar erstmals mehr als den war der 26. Februar. Dies dürfte aber Vögel war mehr oder weniger stark verölt. 4000 Brutpaare der Trottellumme ermittelt weniger mit dem (relativ schwachen) Tief Auch wenn es vermutlich nicht die Haupt- – über 1000 mehr als im Vorjahr. Hoffen „Bibi“ am Vortag zu tun gehabt haben als ursache für den Tod der Vögel war, so wir, dass die festgestellten Winterverluste mit einer gezielten Spülsaumkontrolle im dürfte dies doch zumindest teilweise zum sich auch 2022 nicht zu negativ auf die See- Bereich St. Peter-Ording, die allein mehr Verenden der Vögel beigetragen haben. vögel – egal welcher Art und Population – als 100 tote Trottellummen ergab. Es ist durchaus denkbar, dass die Stürme auswirken werden. Von der zweithäufigsten Alkenart in der lediglich zu einer erhöhten Sichtbarkeit deutschen Nordsee, dem Tordalk, wurden an toten Vögel führen, da nur bei solchen Sehr wenige Seidenschwänze … 54 Totfunde gemeldet. Die übrigen drei Bedingungen die fernab der Küste über- Alkenarten sind in der deutschen Nordsee winternden Vögel überhaupt bis an die Der Seidenschwanz ist durch seine beson- selten. Dementsprechend vereinzelt waren Küste gespült werden. dere, auffallend hübsche Färbung, die aus- auch die Funde: zwei Krabbentaucher und Sollte es zu überdurchschnittlich hohen geprägte Haube und sein hierzulande sehr eine Gryllteiste. Auffällig sind aber die Verlusten gekommen sein, so sind auch unregelmäßiges Erscheinen für Vogelbe- mehr als 20 tot gefundenen Papageitaucher. negative Folgen für die kommenden Brut- obachterinnen und -beobachter eine sehr Diese Art ist an den deutschen Küsten sehr zeiten zu erwarten. Sowohl Papageitaucher attraktive Vogelart. Je länger die letzte selten anzutreffen, in den Jahren 2010 bis als auch Trottellummen erreichen frühes- Beobachtung zurückliegt, desto mehr wird 2019 gab es durchschnittlich gerade ein- tens nach vier Jahren die Geschlechtsreife, die nächste Begegnung herbeigesehnt. Um mal vier Nachweise pro Jahr in Deutsch- führen nur eine Brut pro Jahr durch und es kurz zu machen: Der vergangene Winter land. Bei den entlang der deutschen Küste legen jeweils nur ein Ei. Starke Verluste bot für eine Sichtung von Seidenschwänzen gefundenen Papageitauchern dürfte es sich sind daher nicht kurzfristig zu kompen- die schlechtesten Chancen seit dem Start 26 | DER FALKE 5/2022
von ornitho.de. Mit insgesamt nicht einmal des Landes beschränkten Internetportal werden als Vertreter der Nominatform 100 Meldungen auf 61 Kartenblättern der ornitho.ch zum endgültigen Durchbruch, und damit als Wintergäste aus dem Nord- Topographischen Karte 1 : 25 000 (TK 25) und in beeindruckender Zahl waren sie osten eingestuft. Optisch sind diese Vögel war die Art in Deutschland so selten wie auch in Deutschland zu sehen. Das seit- offenbar nicht sicher von hiesigen Brutvö- schon lange nicht mehr. Diese wenigen her stärkste Auftreten fand im Winter geln zu unterscheiden, doch sind sie meist Meldungen konzentrierten sich auf (von 2012/2013 statt, als bundesweit als Summe etwas größer und kräftiger. Farblich fallen Nord nach Süd) Schleswig-Holstein mit der größten Trupps je TK 25 gut 55 000 oft eine heller graue Ober- sowie eine eher Hamburg und dem nördlichen Niedersach- Seidenschwänze erfasst wurden. Maximal himbeerfarbene anstatt orangerote Unter- sen, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin hielten sich damals 2500 Seidenschwänze seite der Männchen auf. „Trompetergim- und Brandenburg sowie Sachsen-Anhalt in einem Schwarm Ende Januar in Mün- pel“ werden seit 2004/2005 allwinterlich in und Sachsen. In der Südhälfte des Bundes- chen auf. Der Winter 2016/2017 kam auf schwankender Zahl in Deutschland beob- gebietes gab es im wahrsten Sinne des Wor- immerhin knapp 20 000 Vögel, der Winter achtet. tes nur eine Handvoll Meldungen. Die drei 2019/2020 auf noch gut 10 000 Seiden- Da Gimpel als Nahrung im Hochsom- größten Trupps bestanden aus etwa 80, 50 schwänze. Im Winter 2021/2022 waren es mer und Herbst gerne Samen von Bäu- und 24 Seidenschwänzen. gerade einmal 362 Vögel. men und beerenartige Früchte aufnehmen, Seidenschwänze kommen als Brutvögel haben wir anlässlich des sehr schwachen von Nordskandinavien und Finnland ent- Auftretens der beerenfressenden Seiden- …und viele „Trompetergimpel“ lang der Taigazone nach Osten vor. Sie sind schwänze das Datenmaterial seit dem Start Teilzieher, die je nach Bedingungen ausge- Als häufiger Brutvogel ist der Gimpel in von ornitho.de auf Parallelen im Auftre- prägte Evasionen durchführen. So über- Deutschland nicht nur allen Vogelbegeis- ten der beiden überprüft. In den Wintern wintern bei guten Nahrungsbedingungen, terten, sondern auch den meisten Natur- 2012/2013, 2016/2017 und 2019/2020 also sehr gutem Beerenangebot, die meis- interessierten bekannt. Weniger verbreitet erschienen beide Taxa tatsächlich in über- ten Seidenschwänze im Brutgebiet oder ist die Erkenntnis, dass nicht alle im Jah- durchschnittlicher Anzahl. In den Wintern nur wenig südlich davon. Ist die Nahrung resverlauf bei uns beobachteten Gimpel 2015/2016, 2017/2018 und auch aktuell hingegen knapp, wandern viele Trupps ab. derselben Form angehören. In Mitteleu- im Winter 2021/2022 konnten jedoch nur Bei großräumiger Fehlmast der beerentra- ropa treffen die in Westeuropa verbreitete „Trompetergimpel“ in überdurchschnittli- genden Gehölze erreichen umfangreiche Unterart europoea und die von Fennoskan- cher Anzahl beobachtet werden, während Schwärme auch Mittel-, West- und Südeu- dien und Nordostpolen südwärts bis in die Seidenschwänze kaum in Erscheinung ropa. Die Temperaturen spielen dabei für Karpaten und ostwärts bis nach Ostsibirien traten. Somit zeigt sich zumindest keine das Auftreten der Seidenschwänze keine und Nordwestchina brütende Nominat- grundlegende Übereinstimmung zwischen Rolle. Viele Vogelbegeisterte erinnern sich form pyrrhula aufeinander. Während der dem Auftreten von Seidenschwanz und noch an die letzte große Invasion im Win- Kontaktruf unserer heimischen Dompfaffe „Trompetergimpel“ in Deutschland. Dies ter 2004/2005, als mehrere Zehntausend ein weiches, sanftes und im Ton abfallendes kann in unterschiedlichen Herkunftsräu- Seidenschwänze nach Mittel- und Westeu- „diü“ ist, werden seit dem Herbst 2004 im men, aber auch im wesentlich weiter rei- ropa einflogen und im Laufe des Winters Winter alljährlich Gimpel mit ungewöhnli- chenden Nahrungsspektrum der Gimpel bis nach Italien und Spanien gelangten. chen, an eine Kindertrompete erinnernden, begründet sein, die neben Beeren auch In der Schweiz verhalfen sie dem damals nasalen Rufen verstärkt wahrgenommen. Samen von Bäumen, Stauden und Kräutern noch auf den französischsprachigen Teil Diese sogenannten „Trompetergimpel“ wie zum Beispiel von Ulme, Mädesüß und 60000 1000 3000 1000 50000 2500 Summe der TK25-Maxima [Ind.] Summe der TK25-Maxima [Ind.] 800 800 TK25 mit Beobachtung TK25 mit Beobachtung 40000 2000 600 600 30000 1500 400 400 20000 1000 200 200 10000 500 0 0 0 0 11/12 12/13 13/14 14/15 15/16 16/17 17/18 18/19 19/20 20/21 21/22 11/12 12/13 13/14 14/15 15/16 16/17 17/18 18/19 19/20 20/21 21/22 Im Winter 2021/2022 machten sich Seidenschwänze so rar wie nie im „ornitho- Im Gegensatz zu den Seidenschwänzen war das Auftreten bei den sogenann- Zeitalter“: Auf lediglich 61 Kartenblättern der Topographischen Karte 1 :25 000 ten „Trompetergimpeln“ überdurchschnittlich. Die durch ihr nasales Tröten (TK 25) wurden sie beobachtet. Beim letzten starken Einflug 2012/2013 gab auffallenden Vögel wurden vor allem im Nordosten und Süden Deutschlands es – trotz einer geringeren Anzahl an Meldern – Beobachtungen von 924 TK 25. angetroffen, was auf eine östliche Herkunft schließen lässt. Zur Darstellung Auch die Anzahl beteiligter Vögel war deutlich unterdurchschnittlich. Darge- siehe Seidenschwanz. stellt ist die Anzahl TK 25 mit einer Seidenschwanz-Beobachtung (Punkte; rech- te Achse) sowie die Summe der größten Trupps je TK 25 (Säulen; linke Achse) in den Monaten Dezember bis Februar nach den Daten von ornitho.de. 5/2022 DER FALKE | 27
VOGELWELT AKTUELL Brennnessel sowie Knospen von Bäumen Deutschland auf. Entlang eines Streifens Viele seltene Enten und Möwen, und Sträuchern nutzen. Bemerkenswert vom westlichen Schleswig-Holstein über kaum Singvögel sind die Unterschiede im räumlichen Auf- den Westen von Niedersachen sowie Nord- treten der „Trompetergimpel“. So traten rhein-Westfalen bis nach Rheinland-Pfalz Der zurückliegende Winter hatte es, was sie im Winter 2020/2021 vor allem in Ost- wurden „Trompetergimpel“ hingegen in die in Deutschland entdeckten Seltenheiten deutschland, im Winter 2021/2022 jedoch beiden Wintern nur sehr selten beobachtet. betrifft, in sich: Gleich mehrere bislang erst zusätzlich zu den dort weiterhin hohen Dieses Muster lässt auf eine östliche Her- sehr wenige Male festgestellte Arten waren Zahlen sehr stark auch in der Südhälfte von kunft dieser Gimpel schließen. unter den fast 2500 ornitho-Meldungen von als „sehr selten“ kategorisierten Arten. Den systematischen Anfang unseres Über- Zwergschwäne 2021 mit überdurchschnittlichem Jungvogelanteil blicks machen mal wieder die Ringschna- Einen Anteil von 13,6 % Jungvögeln ergab die Erfassung des Bruterfolgs um den 11./12. belenten. In den Monaten Dezember bis Dezember 2021 beim Zwergschwan in Deutschland. Die Zählung fand im Rahmen der Februar wurden von dieser nearktischen alljährlichen Erfassung der in Nordwesteuropa überwinternden Zwergschwäne statt. Art ausschließlich Männchen beobachtet. Das ist der mit Abstand höchste Jungvogelanteil, der seit 2013 (14,4 %) ermittelt wurde. In Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen Im Schnitt lag der Anteil in Deutschland bei 10,2 % und in Europa bei 9,0 %. Seit 2013 und Bayern waren bereits aus dem Herbst beteiligt sich der DDA aufgrund des steigenden Rastbestandes im Frühwinter an der bekannte Vögel zu beobachten, neu ent- internationalen Zählung. deckt wurden Ringschnabelenten Mitte Dezember bei Schaalby in Schleswig-Hol- 4709 Individuen wurden Anfang Dezember in Deutschland nach Alter differenziert. stein und am Grimnitzsee in Brandenburg. Davon entfielen 2449 Individuen auf Niedersachsen, 1650 auf Schleswig-Holstein und Von der Kleinen Bergente existiert bislang 558 auf Mecklenburg-Vorpommern sowie 52 auf andere Bundesländer. Dank des gut erst ein als Wildvogel anerkannter Nach- etablierten Netzwerks ehrenamtlicher Zählerinnen und Zähler dürfte ein sehr großer weis aus dem März 2013. Vom 6. Januar Teil des anwesenden Rastbestandes erfasst worden sein. Wir schätzen diesen für Anfang 2022 bis in den März hinein hielt sich ein Dezember 2021 auf mindestens 4800 Individuen. unberingtes, wohl vorjähriges Männchen Anfang Dezember 2021 konnte für 139 Familien die Anzahl an Jungvögeln ermittelt unter zigtausenden Tauchenten auf dem werden. Die meisten erfolgreichen Altvögel hatten einen bis drei Jungvögel „im Schlepp- Ismaninger Speichersee bei München auf, tau“. Aber auch Familien mit vier oder fünf Jungen konnten am Zählwochenende beob- das ebenfalls gute Chancen auf eine sol- achtet werden. Die durchschnittliche Jungenanzahl je Familie lag bei 2,1 Jungvögeln. che Einstufung haben dürfte. Im Herbst Ganz herzlichen Dank allen, die mit ihren Meldungen zu diesen großen Stichproben 2021 war in Westeuropa mit mindestens aus Deutschland beigetragen haben! 14 Individuen in Großbritannien und 9 Hans-Joachim Augst, Axel Degen, Nikolas Prior in Frankreich der bislang stärkste Einflug dieser amerikanischen Entenart regis- Projekt zum Schutz des Zwergschwans triert worden. Seltene Meeresenten waren im vergangenen Winter verhältnismä- Um mehr über den Bestandsrückgang der Zwergschwäne in Nordwesteuropa zu erfah- ßig zahlreich und teils unter sehr güns- ren und der besonderen Verantwortung Deutschlands für diese Art gerecht zu werden, tigen Bedingungen zu beobachten. Am wurde im November 2020 das Projekt „Zwergschwan: Schutzkonzept für eine bedrohte 11. Dezember wurde westlich von Rostock Zugvogelart in Deutschland“ gestartet. Gefördert wird das Projekt im Rahmen des eine Prachteiderente entdeckt. Bei Folge- Bundesprogramms Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit beobachtungen stellte sich heraus, dass auf Mitteln des Bundesumweltministeriums. Das auf sechs Jahre angelegte Projekt wird dem Küstenabschnitt zwischen Rerik und federführend vom Michael-Otto-Institut im NABU durchgeführt. Der DDA und seine Kühlungsborn sogar zwei Männchen dieser Mitgliedsverbände NOV, OAMV und OAGSH sind mit einem Schwerpunkt auf der Art rasteten, von denen eines noch bis zum Erfassung des Rastgeschehens ebenfalls beteiligt. Mehr über das Projekt und die Zugbe- 19. Februar gemeldet wurde. Am 5. Januar wegungen der im Rahmen des Projektes besenderten Zwergschwäne erfahren Sie unter: war eine weitere männliche Prachteider- www.zwergschwan.de ente vor der Insel Fehmarn entdeckt wor- den. Die in den Wintern 2019/2020 und 20 Deutschland Die in Nordwesteuropa über- 2020/2021 im Bereich der Geltinger Birk 18 Nordwesteuropa winternden Zwergschwäne hatten 2021 offenbar einen bei Flensburg beobachtete Pazifiktrauer- 16 ente ließ sich auch im vergangenen Win- überdurchschnittlichen 14 [%] Bruterfolg. Darauf deuten die ter wieder im nun offenbar traditionellen Jugvogelanteil [%] Winterquartier bestätigen. Beobachtungen Jungvogelanteil 12 Ergebnisse der Zählungen 10 Mitte Dezember 2021 in erfolgten vom 29. Dezember bis 22. Januar. Deutschland hin. Der Jung- Ein weiteres Männchen wurde am 3. Januar 8 vogelanteil in Deutschland bei Kühlungsborn nahe der dort anwesen- 6 ist meist höher als der der den Prachteiderente entdeckt und unregel- 4 Gesamtpopulation. Das weist darauf hin, dass erfolgreiche mäßig noch bis in den März bestätigt. Eine 2 Familien weiter östlich über- männliche Weißkopf-Ruderente hielt sich 0 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 wintern. vom 12. Januar bis 6. Februar auf dem Gro- ßen Binnensee in Schleswig-Holstein auf. 28 | DER FALKE 5/2022
Ab dem 13. Februar ließ sich der mutmaß- lich selbe Vogel anschließend rund 180 km nordöstlich in Dänemark beobachten. Ein Auftreten mitten im Winter in einem gro- ßen Ententrupp passt sehr gut in das für einen Wildvogel zu erwartende Muster. Im Winter 2020/2021 ließ sich von Mitte Dezember bis Ende März eine Weißkopf- Ruderente in Bayern und Baden-Würt- temberg beobachten. Aus den letzten Jah- ren liegen Winternachweise auch aus den Niederlanden, Belgien, der Schweiz, Öster- reich und Polen vor. Weißkopf-Ruderenten sind weltweit stark gefährdet und brüten heute in Europa nur noch in Spanien. Ab den 1950er-Jahren kam es insbesondere in Großbritannien zur Fortpflanzung und sehr starken Vermehrung ausgesetzter und entflogener Schwarzkopf-Ruderenten, einer ursprünglich in Amerika beheima- Orientturteltauben werden in den letzten Jahren regelmäßig im Winterhalbjahr in Europa nachgewie- teten Art. Neben Lebensraumveränderun- sen. Bei Anerkennung stellt dieses Individuum den dritten Wildvogelnachweis für Deutschland dar. gen führte die Ausbreitung dieser Vögel Foto: T. Christiansen. Freiburg, 6.3.2022. auf den Kontinent zu Verdrängung und Hybridisierung mit ihren Verwandten und brachte die seltenen Weißkopf-Ruderenten in Bedrängnis. In Großbritannien konnte bei uns auf und wurde auch in Dänemark im Breisgau anwesende asiatische Orient- die Schwarzkopf-Ruderente inzwischen noch von einem solchen Vogel begleitet. turteltaube der am weitesten westlich brü- weitgehend ausgerottet werden, doch die Hoffen wir, dass sich die Wege der Vögel tenden Unterart meena dar. Auch bei die- Problematik besteht weiterhin. Dies wurde früher oder später wieder trennen werden. ser Art passt ein Auftreten im Winter gut auch bei dem aktuellen deutschen Nach- Den dritten Nachweis für Deutschland und zu aktuellen Wildvogelnachweisen in den weis deutlich: Die männliche Weißkopf- ersten für Baden-Württemberg stellt bei Nachbarländern. Bisher wurde diese Tau- Ruderente hielt sich zeitweise mit bis zu Anerkennung als Wildvogel eine ab dem benart hierzulande nur 1985/1986 auf Föhr zwei weiblichen Schwarzkopf-Ruderenten 17. Februar an einer Futterstelle in Freiburg und 2012 in Hessen nachgewiesen. Eben- Eine Prachteiderente an der Ostseeküste machte ihrem Namen alle Ehre und zeigte sich zahlreichen Fotografen in voller Pracht. Foto: J. Janssons. Kühlungsborn, 5.2.2022. 5/2022 DER FALKE | 29
VOGELWELT AKTUELL falls den dritten Nachweis für Deutschland übergeben. Insgesamt vier verschiedene Dezember längere Zeit oder noch an ande- – und in diesem Fall ersten für Brandenburg Große Schlammläufer ließen sich im Som- ren Orten in Deutschland aufgehalten hat, – betrifft die Entdeckung eines Kanada- mer und Herbst 2021 in Schleswig-Hol- wird sich nicht klären lassen. Die nächste kranichs am 24. Februar. Für etwa eine stein und Niedersachsen beobachten. Der Ortung erfolgte am 25. Dezember aus den Woche rastete diese nordamerikanische erste Vertreter dieser nordamerikanischen Niederlanden – rund 400 km weiter west- Ausnahmeerscheinung mit eurasischen Watvogelart für Nordrhein-Westfalen ras- lich. Im Januar wurde „Kajzerka“ dann in Kranichen im Grenzbereich von Branden- tete Mitte Dezember für drei Tage in den der Nähe von Brüssel geortet. Man darf burg und Mecklenburg-Vorpommern. Es Rieselfeldern Münster. gespannt sein, welche Erkenntnisse der wird davon ausgegangen, dass es sich bei Die nordamerikanischen Ringschna- Sender zu den Aufenthaltsorten der Ring- dem nun in Deutschland entdeckten Vogel belmöwen ähneln unseren Sturmmöwen. schnabelmöwe in den kommenden Mona- um einen bereits im Herbst 2021 an meh- Über mehrere Jahre überwinterte ein ten ans Licht führen wird. Typische seltene reren Stellen in Skandinavien beobachteten solcher Vogel am Rhein bei Leverkusen, Wintergäste sind in Deutschland die an Kanadakranich handelte, der mit eurasi- wurde jedoch zuletzt im Winter 2019/2020 ihren komplett hellen Handschwingen von schen Kranichen in Südwesteuropa über- dort festgestellt. Eine andere Ringschnabel- allen anderen Großmöwen zu unterschei- winterte und nun auf dem Frühjahrszug in möwe hält sich seit Jahren im Winter tradi- denden Eismöwen und Polarmöwen. Die Deutschland Rast machte. Die bisherigen tionell an der polnischen Ostseeküste auf. erste Eismöwe des Winters wurde am 5. De- deutschen Nachweise der Art gelangen Bereits 2005 wurde der Vogel mit einem zember auf Mellum entdeckt. Darüber hin- 2010 und 2013. Weit weniger selten, dafür roten Farbring markiert und bekam den aus wurden Eismöwen – alles Vögel im ers- aber auf ungewöhnlich geringe Distanz Namen „Kajzerka“. Um seine Zugbewegun- ten Winterkleid – auf Sylt, Helgoland und zeigte sich ab dem 20. Dezember ein Gelb- gen im Laufe des Jahres noch besser erfor- ab 12. Februar bei Glückstadt an der Elbe schnabeltaucher an der Ostseeküste der schen zu können, wurde der Vogel Anfang beobachtet. Bemerkenswert sind unre- Lübecker Bucht. Leider stellte sich im Laufe Dezember 2021 mit einem GPS-Sender gelmäßige Beobachtungen zwischen dem der folgenden Tage heraus, wieso sich der ausgestattet. Schlechtes Wetter und kurze 27. Dezember und 10. März in der Graf- Vogel so küstennah im Bereich der Seebrü- Tage führten aufgrund schwacher Batterie schaft Bentheim und im Emsland. Vermut- cke Scharbeutz aufhielt. Offenbar war er in den ersten Wochen leider nur zu weni- lich betreffen Sichtungen einer Eismöwe stark geschwächt und wies möglicherweise gen Ortungen. Eine davon gelang aber auch am 24./25. und 30. Januar in Münster eben- ein kontaminiertes Gefieder auf, da er einen in Deutschland. Nachdem der Vogel am falls dieses Individuum. Eine anhand von großen Teil der Zeit mit der Gefiederpflege 8. Dezember letztmalig in der Nähe von Gefiedermerkmalen individuell erkenn- verbrachte. Am 27. Dezember wurde der Stettin geortet wurde, folgte eine Posi- bare Polarmöwe rastete ab dem 18. Dezem- Taucher tot am Strand angespült und an das tion am 22. Dezember am Kiessee Parey ber im niedersächsischen Salzgitter, wurde Museum für Natur und Umwelt in Lübeck in Sachsen-Anhalt. Ob sich der Vogel im Anfang Januar dann im Harzvorland in Polar- (links) und Eismöwe im Kampf um eine verendete Weißwangengans. Kein Foto aus Island, sondern vom Ufer der Elbe. Foto: B. Bischof. Glückstadt, 12.2.2022. 30 | DER FALKE 5/2022
Sachsen-Anhalt gesehen und schließlich Wann, wo, wie viele? Neues Arten-Informationssystem in ornitho.de Anfang Februar in Braunschweig. Weitere Polarmöwen wurden in Minden, Harburg, Seit Anfang Januar 2022 informieren rundum überarbeitete Statistiken auf ornitho.de Osterhever und auf Helgoland gesehen. über das räumliche und zeitliche Auftreten, über Truppgrößen und die Höhenvertei- Für über eine Woche leistete zudem eine lung der einzelnen Arten. Grundlage für die neuen Phänologie-Grafiken sind die voll- Polarmöwe im 3. Kalenderjahr der Eis- ständigen Beobachtungslisten. Diese ermöglichen nicht nur eine realistischere Darstel- möwe bei Glückstadt Gesellschaft – eine lung des jahreszeitlichen Auftretens, sondern auch Vergleiche zwischen einzelnen Jah- in Deutschland seltene Gelegenheit, die ren bzw. mehrjährigen Mittelwerten. Die erfreulicherweise stetig steigende Anzahl an beiden Arten einmal im direkten Vergleich Melderinnen und Meldern fällt dabei nicht ins Gewicht. Tragen Sie dazu bei, die Infor- zu sehen. Diese Situation ergab sich eben- mationen zum jahreszeitlichen Auftreten unserer Vögel stetig zu verbessern, indem Sie falls am 29. Dezember und 3. Januar in der möglichst häufig von der Beobachtungslisten-Funktion Gebrauch machen. Grafschaft Bentheim. Die dort beobachtete Ermöglicht wurde die Erstellung des neuen Arten-Informationssystems durch eine Polarmöwe könnte mit einer am 7. und Zuwendung der Ernst-Commentz-Stiftung. 21. Februar in Münster gesehenen identisch sein. Dass bei Polarmöwen ganz genau hin- geschaut werden sollte, zeigt die Beobach- tung einer Kumlienmöwe – der anhand leicht dunkel gezeichneter Handschwin- gen erkennbaren kanadischen Unterart – vom 23. bis 28. Januar in den Rieselfel- dern Münster. Derselbe Vogel wurde am 4./5. Februar bei Saerbeck, knapp 20 km weiter nördlich, erneut fotografiert. Die Kumlienmöwe im 3. Kalenderjahr stellt erst den zweiten Nachweis für Deutschland dar. Der erste gelang im März/April 2012 Präsenz des Zilpzalps auf vollständigen Beobachtungslisten im Jahresverlauf. Dargestellt ist der prozen- in Niedersachsen. Zwergscharben wurden tuale Anteil der vollständigen Listen mit dieser Art je Woche 2022 (blaue Linie; Stand 4.4.2022) im Ver- nach dem Einflug im Sommer 2021 auch gleich zum Vorjahr (grüne Linie) sowie seit 2012 (graue Fläche). 2022 verlief die Ankunft bis zum Win- über den Winter weiterhin relativ zahlreich tereinbruch Anfang April offenbar „nach Plan“, während 2021 einige früh dran waren, der größte Teil an verschiedenen Stellen Süddeutschlands aber eher etwas später als in den anderen Jahren eintraf. Die Grafiken erreichen Sie über das Phänologie- beobachtet. Im hessischen Kreis Hersfeld- Symbol (Säulendiagramm) hinter jeder Beobachtung sowie unter den Statistiken über „Art für Art“. Rotenburg waren es bis zu 15 Individuen, bei Schweinfurt bis zu 18 und bei Bam- berg sogar bis zu 31. Darüber hinaus gab es Beobachtungen bei Mechtersheim in fotografieren – und führte dadurch allein Seitdem sind Beobachtungen so weit west- Rheinland-Pfalz sowie in den bayerischen bis Ende Februar zu fast 300 Meldungen lich wieder eine große Ausnahme. Umso Kreisen Landshut und Roth. Einzelne Sich- bei ornitho.de. Ende Dezember wurde für bemerkenswerter ist die Entdeckung einer ler wurden zwischen Dezember und Feb- zwei Tage ein Würgfalke nördlich von Bergbraunelle am 2. Dezember im Erz- ruar in vier Gebieten in Hamburg, Nieder- Riesa in Sachsen beobachtet. Eine fotogra- gebirge. Leider blieb es bei einer wenige sachsen und Bayern (2) festgestellt. fisch belegte Beobachtung 4 km nordöst- Minuten dauernden Beobachtung, die aber Angesichts der stark positiven Nach- lich am 23. Februar dürfte denselben, dort glücklicherweise für eindeutige Belegfotos weisentwicklung beim Gleitaar ist es fast offenbar überwinternden Falken betroffen ausreichte. Der einzige Polarbirkenzeisig schon erstaunlich, dass ein vom 26. Januar haben. des Winters wurde am 28. Januar im Kreis bis 7. Februar in Sachsen rastendes Indi- Seidensänger konnten im Winter an Pinneberg in Schleswig-Holstein fotogra- viduum den Erstnachweis für dieses Bun- mehreren bekannten Stellen in Nordrhein- fiert. Am 13. Februar wurde bei Northeim desland darstellt. Ab Ende Februar wurde Westfalen und im Saarland bestätigt wer- in Niedersachsen eine Zwergammer ent- ein weiterer Gleitaar im Ortenaukreis in den. Das Rheinufer bei Kaltenengers in deckt, die sich auch im März noch dort Baden-Württemberg gemeldet. „Unser“ Rheinland-Pfalz suchte sich ein asiatischer beobachten ließ. seit inzwischen mehreren Jahren im Ran- Tienschan-Laubsänger zur Überwinte- Christopher König, Stefan Stübing, dowbruch übersommernder Kaiseradler rung aus. Der Vogel hielt sich dort mindes- Johannes Wahl war Ende November 2021 letztmalig beob- tens vom 28. Dezember bis 12. Februar auf. achtet worden. Die Erstbeobachtung 2022 Im Eriskircher Ried am Bodensee, wo schon gelang bereits am 5. Februar. Nachdem im September 2021 erstmals Zistensänger die Ende Oktober bei Bielefeld entdeckte festgestellt wurden, gab es Anfang Januar Literatur zum Thema Sperbereule leider an den Folgetagen nicht weitere Beobachtungen dieser Art. Bis 2015 Dierschke J, Dierschke V, Stühmer F 2021: Ornitho- wiedergefunden wurde, ergab sich ab dem gab es aus ganz Europa nur 32 Nachweise logischer Jahresbericht 2020 für Helgoland. Orn. Jber. Helgoland 31: 1-89. 4. Februar in St. Peter-Ording eine weitere der asiatischen Bergbraunelle. Im Winter König C, Stübing S, Wahl J 2016: Winter 2015/16: Chance zur Beobachtung dieser attrakti- 2016/2017 folgte ein nie zuvor beobachte- Tafelente nach Geschlechtern, Rotmilane an ven Art. Über viele Wochen ließ sich dort ter Einflug mit mehreren Hundert Nach- Schlafplätzen und viele „Trompetergimpel“. Falke eine Sperbereule perfekt beobachten und weisen, davon auch acht in Deutschland. (4): 12–17. 5/2022 DER FALKE | 31
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