Multiple Sklerose Sascha Hansen Lena Wettinger Philipp Keune - Fortschritte der Neuropsychologie - AWS
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Multiple Sklerose Sascha Hansen Lena Wettinger Philipp Keune Fortschritte der Neuropsychologie
Multiple Sklerose Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus Hansen, Wettinger und Keune: Multiple Sklerose (ISBN 9783840929137). © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
Fortschritte der Neuropsychologie Band 23 Multiple Sklerose Dr. Sascha Hansen, Lena Wettinger, Dr. habil. Philipp Keune Die Reihe wird herausgegeben von: Dr. Angelika Thöne-Otto, Prof. Dr. Siegfried Gauggel, Prof. Dr. Hans-Otto Karnath, Dr. Hendrik Niemann, Prof. Dr. Boris Suchan Die Reihe wurde begründet von: Dr. Angelika Thöne-Otto, Prof. Dr. Herta Flor, Prof. Dr. Siegfried Gauggel, Prof. Dr. Stefan Lautenbacher, Dr. Hendrik Niemann Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus Hansen, Wettinger und Keune: Multiple Sklerose (ISBN 9783840929137). © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
Sascha Hansen Lena Wettinger Philipp Keune Multiple Sklerose Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus Hansen, Wettinger und Keune: Multiple Sklerose (ISBN 9783840929137). © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
Dr. Sascha Hansen, geb. 1984. 2004–2011 Studium der Psychologie in Kiel und Bern. Seit 2012 kli- nisch-therapeutische Tätigkeit als Neuropsychologe an der Klinik für Neurologie der Klinikum Bay- reuth GmbH. Seit 2014 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Klinik für Neurologie in Bayreuth. 2018 Promotion. Arbeitsschwerpunkte: Multiple Sklerose, Neurorehabilitation. Lena Wettinger, geb. 1996. 2015-2019 Studium der Psychologie (B.Sc.) in Bamberg. Seit 2015 Stipen- diatin des Max Weber-Programms Bayern. 2017-2019 Studentische Mitarbeiterin in der Neuropsycho- logie an der Klinik für Neurologie der Klinikum Bayreuth GmbH. Seit 2019 Masterstudium der Psycho- logie (M.Sc.) in Bamberg. Dr. habil. Philipp Keune, geb. 1981. 2002–2008 Studium der Psychologie in Budapest und Bochum. 2008-2011 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Tübingen. 2011 Promotion. Seit 2011 Neuropsychologe und Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Klinik für Neurologie der Klinikum Bay- reuth GmbH. 2020 Habilitation an der Universität Bamberg. Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertig stellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Ver- antwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benut- zung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warenna- men (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Copyright-Hinweis: Das E-Book einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und straf- bar. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten. Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG Merkelstraße 3 37085 Göttingen Deutschland Tel. +49 551 999 50 0 Fax +49 551 999 50 111 info@hogrefe.de www.hogrefe.de Satz: Sina-Franziska Mollenhauer, Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen Format: PDF 1. Auflage 2021 © 2021 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen (E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2913-7; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2913-8) ISBN 978-3-8017-2913-4 https://doi.org/10.1026/02913-000 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus Hansen, Wettinger und Keune: Multiple Sklerose (ISBN 9783840929137). © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
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Inhaltsverzeichnis 1 Beschreibung der Störung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Allgemeine Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1.1 Definition der Störung, neurologische Diagnostik und klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.2 Epidemiologische Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.3 Verlaufsformen und Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2 Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.1 Umwelteinflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.2 Genetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3 Pathogenese, Pathophysiologie und neuropsychologische Störungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3.1 Pathogenese und Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3.2 Neuropsychologische Störungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 4 Neuropsychologische Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 4.1 Einflussfaktoren auf die kognitive Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . 25 4.2 Das neuropsychologische Defizitprofil bei MS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 4.3 Die neuropsychologische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4.3.1 Das neuropsychologische Screening bei MS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 4.3.2 Die ausführliche neuropsychologische Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4.3.2.1 Aufmerksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4.3.2.2 Gedächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 4.3.2.3 Exekutivfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 4.3.2.4 Visuo-räumliche Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4.3.2.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 4.4 Weitere Aspekte neuropsychologischer Diagnostik bei MS . . . . . . . . . 42 4.5 Neuropsychologische Diagnostik im Zusammenhang mit Fahreignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 5 Neuropsychologische Therapie bei MS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 5.1 Neuropsychologische Therapie der Aufmerksamkeits- und Arbeitsgedächtnisfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 5.2 Neuropsychologische Therapie der Gedächtnisleistungen . . . . . . . . . 50 V Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus Hansen, Wettinger und Keune: Multiple Sklerose (ISBN 9783840929137). © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
5.3 Neuropsychologische Therapie von Depressivität und Fatigue . . . . . 52 5.4 Berufliche Teilhabe als Therapieziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 5.5 Effekte pharmakologischer Behandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 5.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 6 Fallbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 6.1 Erläuterungen zum Fallbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 7 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 8 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Karten Die Verlaufsformen Multipler Sklerose Leitfaden für die neuropsychologische Diagnostik bei Multipler Sklerose Konzept eines Achtsamkeitstrainings für Patientinnen mit Multipler Sklerose VI Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus Hansen, Wettinger und Keune: Multiple Sklerose (ISBN 9783840929137). © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
1 Beschreibung der Störung 1.1 Allgemeine Einleitung Multiple Sklerose (MS) ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. Bei dieser chronischen Autoimmunerkrankung führen durch das körperei- gene Immunsystem hervorgerufene Entzündungsprozesse im zentralen Ner- vensystem (ZNS), d. h. im Gehirn und Rückenmark, zu Funktionsausfällen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Pathophysiologisch kommt es hier- bei durch zentralnervöse autoinflammatorische Aktivität zur Schädigung der Myelinscheiden und Axone. Der Begriff MS beschreibt dabei, dass die Ent- zündungsaktivität mit resultierenden neuronalen Schäden an multiplen, also verteilten Stellen und wiederholt im ZNS vorliegt. Während zu Beginn der Erkrankung auftretende Funktionsausfälle meist reversibel sind, bzw. es zu Spontanremission kommt, entwickelt sich im Verlauf eine chronische Neu- rodegeneration mit bleibenden Störungen. Art und Ausprägung der Schädi- Charakteristik der Erkrankung gungen sind dabei insgesamt unvorhersehbar und können mit motorischen, sensorischen und Störungen vegetativer Funktionen (zum Beispiel Blasen- schwäche), der Balance und Koordination einhergehen. Darüber hinaus kön- nen sie auch zu diversen kognitiven Leistungseinbußen führen. Patientin- nen1 mit MS sind außerdem häufig von Zuständen starker Erschöpfung (Fatigue) und von depressiver Symptomatik betroffen. Bei der Mehrheit der Patientinnen (ca. 85 – 90 %) tritt die Entzündungsaktivi- tät schubweise auf, sodass sich entsprechende neurologische Ausfälle relativ plötzlich manifestieren, anschließend abklingen und sich wieder zurückbil- den. Im Verlauf kommt es in der Regel jedoch dazu, dass zwischen abgrenz- baren Schüben eine Restsymptomatik erkennbar bleibt, deren Ausprägung längerfristig schleichend zunimmt. Bei einem kleineren Teil der Patientinnen (ca. 10 – 15 %) entwickeln sich neurologische Ausfälle von Beginn an schlei- chend, wobei keine eindeutigen Schübe inflammatorischer Aktivität abge- grenzt werden können. 1 Zugunsten einer besseren Lesbarkeit verwenden wir im Text in der Regel das generische Fe- mininum. Diese Formulierungen umfassen gleichermaßen alle Geschlechter (m/w/d). Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung. 1 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus Hansen, Wettinger und Keune: Multiple Sklerose (ISBN 9783840929137). © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
Aufgrund der Tatsache, dass sich bei der schubförmigen MS Funktionsdefizite gerade zu Beginn der Erkrankung vollständig spontan zurückbilden können, vergehen häufig mehrere Jahre, bis es zu einer Diagnosestellung kommt. Die- ser Umstand stellt eine große Herausforderung für die Behandlung dar, da immunsuppressive Medikamente möglichst früh gegeben werden müssen, um effektiv sein zu können. Einleitend ist außerdem hervorzuheben, dass die Rückkehr einer Patientin zur normalen kognitiven bzw. körperlichen Leistungsfähigkeit nach einem Schub nicht unbedingt gleichbedeutend damit sein muss, dass sich auch die Aktivi- Chronischer tät des Immunsystems wieder im absoluten Normbereich bewegt. Vielmehr Verlauf geht man nach aktuellem Kenntnisstand davon aus, dass Patientinnen mit MS eine chronisch atypische Immunaktivität aufweisen können, die von Zeit zu Zeit eine kritische Schwelle überschreitet und sich dann in Form von messba- ren neurologischen Ausfällen (hierunter auch kognitive Defizite) manifestiert. Dieses Konzept eines Schwellenmodells spiegelt sich auch in aktuellen Netz- werktheorien kognitiver Störungen bei MS wider, wie in späteren Kapiteln aus- geführt wird. Aus der Tatsache, dass die Immunaktivität bei Menschen mit MS somit chronisch – wenn auch schwankend – atypisch erhöht ist, ergibt sich für medikamentöse Therapien außerdem, dass diese kontinuierlich angewandt werden müssen, um die autoreaktive Immunaktivität zu hemmen und den Prozess neuronaler Schädigung so lange wie möglich zu verzögern. 1.1.1 Definition der Störung, neurologische Diagnostik und klinisches Bild Aktuelle diagnostische Vorgaben leiten sich aus den McDonald-Kriterien ab (McDonald et al., 2001; Polman et al., 2011; Thompson et al., 2018). Für die Diagnostik der MS werden sowohl anamnestische Informationen mit Hin- weisen auf bereits stattgefundene Schübe und entsprechende neurologische Ausfälle als auch unterschiedliche objektive Parameter herangezogen. Fer- ner wird bei der Diagnostik berücksichtigt, ob eine zeitliche bzw. örtliche Dis- semination gegeben ist, d. h. bereits mehrfach Entzündungsherde/Schübe vorgelegen haben (zeitliche Dissemination) und Läsionen mit unterschiedli- cher Lokalisation im zentralen Nervensystem identifiziert werden können Definition (örtliche Dissemination). Ein Schub ist in diesem Zusammenhang definiert eines Schubes als das erstmalige Auftreten oder die Reaktivierung von klinischen Ausfällen und Symptomen, die entweder subjektiv berichtet oder durch objektive Mess- verfahren festgestellt werden können. Dabei ist ein Schub im Rahmen der MS gegeben, wenn neurologische Symptome mindestens 24 Stunden andauern. Schübe werden mit der Vorgabe voneinander abgegrenzt, dass mindestens 30 Tage zwischen den einzelnen Episoden vergangen sind. Die diagnostischen Vorgaben nach McDonald-Kriterien werden in Tabelle 1 zusammengefasst. 2 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus Hansen, Wettinger und Keune: Multiple Sklerose (ISBN 9783840929137). © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
Tabelle 1: Diagnostikschema nach McDonald-Kriterien Diagnose Weitere Kriterien, die für eine anhand der Schübe Läsionen revidierten MS-Diagnose erforderlich wären McDonald- Kriterien 2 oder mehr Nachweis von zwei oder Keine mehr Läsionen oder Nachweis einer Läsion mit hinreichender Information über einen früheren Schub 2 oder mehr Nachweis einer Läsion Örtliche Dissemination, belegt durch: • Eine oder mehr T2 Läsionen* in mindestens zwei für MS typischen Regionen**, oder • Abwarten eines weiteren Schubes, der auf eine Läsion in einer anderen Region zurückzuführen ist 1 Nachweis von zwei oder Zeitliche Dissemination, belegt durch: mehr Läsionen • gleichzeitiges Vorhandensein asymptomatischer Kontrastmittel aufnehmender*** und nicht aufnehmender Läsionen, oder • neue T2 und/oder Kontrastmittel aufnehmende Läsion bei nachfolgen- der MRT-Untersuchung, zeit unabhängig von der früheren Unter suchung, oder • Abwarten eines weiteren Schubes 1 (Klinisch Nachweis einer Läsion Örtliche Dissemination, belegt durch: isoliertes • Eine oder mehr T2 Läsionen in min- Syndrom, KIS) destens zwei für MS typischen Regio- nen**, oder • Abwarten eines weiteren Schubes, der auf eine Läsion in einer anderen Region zurückzuführen ist und • Zeitliche Dissemination, belegt durch: • gleichzeitiges Vorhandensein asymptomatischer Kontrastmittel aufnehmender und nicht auf nehmender Läsionen, oder • neue T2 und/oder Kontrastmittel aufnehmende Läsion bei nach folgender MRT-Untersuchung, zeitunabhängig von der früheren Untersuchung, oder • Abwarten eines weiteren Schubes 3 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus Hansen, Wettinger und Keune: Multiple Sklerose (ISBN 9783840929137). © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
Tabelle 1: Fortsetzung Weitere Kriterien, die für eine Schübe Läsionen MS-Diagnose erforderlich wären 0 (schleichende • Prospektive oder retrospektive Progression klinische Verschlechterung über ein von Beginn an, Jahr und mindestens zwei der PPMS) folgenden drei Kriterien: • Nachweis örtlicher Dissemination durch mindestens eine T2 Läsion in einer für MS typischen Region • Nachweis örtlicher Dissemination durch mindestens zwei T2 Läsionen im Rückenmark • oder positiver Liquorbefund (Nachweis oligoklonaler Banden, erhöhter IgG-Index) Anmerkungen: IgG: Immunglobulin Gamma; PPMS: primär chronisch progrediente MS; *Läsionen in einer T2-gewichteten MRT-Aufnahme erscheinen in Form einer hohen Signalintensität typischerweise als ovale oder elliptische helle Flecken; **Nach McDonald-Kriterien relevante Regionen: periventrikulär, juxtakor- tikal, infratentoriell, Rückenmark; ***Über das intravenös verabreichte Kontrastmittel Gadolinium kön- nen aktive Entzündungen identifiziert werden. Aufgrund der Tatsache, dass die Läsionslast im ZNS unvorhersehbar und un- systematisch auftritt, gibt es bei MS keine eindeutig definierenden, spezifi- schen Symptome. Auffälligkeiten in MRT-Untersuchungen können bei ca. 95 % der Patientinnen festgestellt werden, gehen jedoch nicht immer mit dem Auftreten von Symptomen einher (Compston & Coles, 2008). Dennoch kön- nen Symptomgruppen unterschiedlichen Regionen im ZNS heuristisch zuge- wiesen werden (siehe Tabelle 2). Kognitive Defizite sind bei ca. 60 % der Patientinnen nachweisbar und wer- den in den Kapiteln 4 und 5 detailliert behandelt. Abgesehen von kogniti- ven Einschränkungen zählen motorische Auffälligkeiten sowie Sensibilitäts- Motorische störungen zu den häufigsten initialen Symptomen. Negative Auswirkungen Beeinträchti gungen der Erkrankung auf die Gehfähigkeit können bereits sehr früh erkennbar sein und werden besonders deutlich, wenn Patientinnen versuchen schnell zu gehen (Brück & Stadelmann-Nessler, 2006; Comber, Galvin & Coote, 2017). Im Verlauf kann es zu einer Verkürzung der Gehstrecke kommen und Motorische motorische Fatigue-Symptomatik erkennbar werden. Letztere manifestiert Fatigue sich neben einer verkürzten Gehstrecke in einer während des Gehens zu- nehmenden Verlangsamung, für die ein Zusammenhang mit der subjekti- ven Erfahrung motorischer Fatigue bei Alltagsaktivitäten berichtet wurde (Burschka et al., 2012). Die Prävalenz von Fatigue wird auf bis zu 83 % ge- schätzt (Giovannoni, 2006; Kluger, Krupp & Enoka, 2013). Der Begriff Fa- tigue beschreibt dabei im Allgemeinen das Gefühl von Ermüdung und Er- 4 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus Hansen, Wettinger und Keune: Multiple Sklerose (ISBN 9783840929137). © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
Tabelle 2: Überblick betroffener Regionen und assoziierter Symptome Betroffene Region Betroffen Manifestation Regionen des ZNS Großhirn Kognition Einschränkungen der Aufmerksamkeits leistung, Informationsverarbeitungsge schwindigkeit, Exekutivfunktionen, Arbeits-/ Kurzzeitgedächtnisleistung, planerischer Fähigkeiten, Neugedächtnisleistung Motorik Schwäche, Schwierigkeiten bei feinmotori- schen Fertigkeiten, Hyper-/Hypotonus, Spastik Sensorik Parästhesien (Sensibilitätsstörungen), Taubheitsgefühle, Schmerzen, Hitze- & Kältegefühle Affekt Depressivität, verflachter Affekt, Euphorie (Epilepsie) Selten, sekundär zu potenziellen neuronalen Schäden Sehnerv Sehvermögen Unscharf oder verschwommen Sehen, Gesichtsfeldausfälle Kleinhirn Koordination, Posturaler & Aktionstremor, Defizite im Balance Balancevermögen, Gangataxie, Dysarthrie Hirnstamm Schlucken, Balance, Schluckstörungen, Schwindel, Diplopie Sehvermögen (Doppelbilder), Nystagmus, Dysarthrie Rückenmark Autonome Blasen- & Verdauungsstörungen, sexuelle Funktionen, Motorik Funktionsstörungen, Schwäche, Spastik Anmerkung: Basierend auf Compston und Coles (2008) schöpfung, die Wahrnehmung eines Ungleichgewichts zwischen erwarteter Anstrengung und tatsächlicher Leistung oder generell ein zunehmendes Empfinden von Anstrengung (Rudroff, Kindred & Ketelhut, 2016). Auch Einschränkungen im Bereich der Feinmotorik können beobachtet wer- den. Es wurde gezeigt, dass bei Patientinnen mit motorischen Defiziten eine Erhöhte kortikale Aktivierung als atypische Aktivierung in motorischen kortikalen Arealen vorliegt. Ein schein- mögliche bar paradoxer Befund in funktionellen MRT-Untersuchungen ist dabei, dass Kompensation motorischer Patientinnen mit eingeschränkter motorischer Leistungsfähigkeit relativ zu Beeinträchti gesunden Vergleichspersonen eine erhöhte kortikale Aktivierung zeigen kön- gungen nen. Diese erhöhte kortikale Aktivierung wurde als kompensatorischer Me- chanismus interpretiert (Pantano et al., 2005; Pantano, Mainero & Caramia, 2006). Auch ein erhöhter Bedarf kognitiver Kontrollprozesse für motorische 5 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus Hansen, Wettinger und Keune: Multiple Sklerose (ISBN 9783840929137). © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
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