MUNDHYGIENE IN DER PFLEGE - Hinweise zu Festlegung und Vermittlung von Maßnahmen zur Förderung der Mund-gesundheit bei Menschen mit Pflegebedarf ...
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FORTBILDUNG
ZN SACHSEN-ANHALT I AUSGABE 04 I April 2021
MUNDHYGIENE
IN DER PFLEGE
Dr. Elmar Ludwig, Ulm, ist nie-
dergelassener Zahnarzt und seit
langem in der Alterszahnmedizin
engagiert, u. a. als Referent für
Hinweise zu Festlegung und Vermittlung Alterszahnheilkunde der Landes-
zahnärztekammer Baden-Würt-
von Maßnahmen zur Förderung der Mund-
temberg, als Landesbeauftragter
gesundheit bei Menschen mit Pflegebedarf der DGAZ sowie als Mitglied im
BZÄK-Ausschuss Alterszahnmedi-
Für gesetzlich versicherte pflegebedürftige Menschen wurden zin. Foto: privat
in den vergangenen Jahren zunächst im Rahmen von Koope-
rationsverträgen zwischen stationären Pflegeeinrichtungen
und Zahnärzten und später mit Einführung des § 22a im SGB
V präventionsorientierte Leistungen eingeführt. Mundgesund-
heitsstatus, individueller Mundgesundheitsplan und Mundge-
sundheitsaufklärung ermöglichen es heute schon, ab Beginn Das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) hat in der Fünften
der Pflegebedürftigkeit abrechnungsfähige Maßnahmen zur Deutschen Mundgesundheitsstudie festgestellt, dass in der
Förderung der Mundgesundheit festzulegen und zu vermitteln. Gruppe der 75- bis 100-Jährigen die kontrollorientierte In-
Aber wie geht das genau? Worauf kommt es an, und wie gelingt anspruchnahme zahnärztlicher Dienste von 68,2 Prozent bei
die Mundhygiene in der Pflege am besten? den nicht pflegebedürftigen Menschen auf 38,8 Prozent bei
den pflegebedürftigen Menschen deutlich abnimmt. Die Er-
Immer mehr immer ältere und pflegebedürftige Menschen fahrung aus der Praxis zeigt jedoch, dass im Alter und gerade
haben heute immer mehr eigene Zähne, Implantate oder bei Pflegebedürftigkeit die Intensivierung der zahnärztlichen
technisch aufwendigen Zahnersatz im Mund. Nach der Begleitung im Sinne der Prävention wichtig wäre (Abb. 1). Ein
letzten Geschäftsstatistik der Pflegekassen und der priva- weiteres Ergebnis der Studie: Circa 30 Prozent der Menschen
ten Pflege-Pflichtversicherung vom 28.7.2020 waren zum mit Pflegebedarf im Alter zwischen 75 und 100 Jahren benö-
31.12.2019 insgesamt 4.251.638 Menschen einem Pflegegrad tigen Hilfe bei der Mundhygiene. Natürlich gibt es Menschen
zugeordnet (soziale Pflegeversicherung: 3.999.755 – private mit Pflegebedarf, die ihre Zähne, ihren Mund und ihren Zah-
Pflege-Pflichtversicherung: 251.883). Etwa 75 Prozent dieser nersatz selbstständig reinigen können. Einige benötigen nur
Menschen leben zu Hause und nur die Hälfte der zu Hause le- teilweise Unterstützung. Die angegebene Zahl von nur circa
benden Menschen wird durch ambulante Pflegedienste allein 30 Prozent muss jedoch einer kritischen Betrachtung unter-
beziehungsweise zusammen mit Angehörigen versorgt. Ange- zogen werden:
hörige übernehmen in Deutschland also einen wesentlichen
Teil der pflegerischen Arbeit. 1. Aufgrund verschiedener Umstände wurden in dieser Studie
überproportional viele Menschen mit hohem Pflegegrad
nicht berücksichtigt. Menschen mit Pflegegrad 1 bezie-
hungsweise 2 machen etwa 50 Prozent aller Pflegebedürf-
tigen aus. Bei Menschen mit Pflegegrad 3, 4 und 5 nimmt
die Hilfsbedürftigkeit bei der Mundhygiene dramatisch zu.
2. Die Hilfsbedürftigkeit bei der Mundhygiene wurde le-
diglich abgefragt und nicht anhand objektiv messba-
rer Mundhygieneparameter überprüft und festgestellt.
Das aber wäre sinnvoll gewesen, denn selbst wenn die
Mundhygiene selbstständig erfolgt, sagt dies nichts darü-
ber aus, ob diese Mundhygiene ausreichend ist.
Abb. 1 IDZ-DMS V: Bei der Darstellung der Ergebnisse wurde die Anders als in der DMS V-Studie dargestellt, ist also davon aus-
Gruppe der 75- bis 100-Jährigen insgesamt mit der Teilmenge der zugehen, dass der überwiegende Teil der Menschen mit Pfle-
Menschen mit Pflegebedarf verglichen – hätte man die Teilmengen gebedarf Hilfe bei der Mundhygiene benötigt. Pflegekräfte und
klar getrennt, wären die Unterschiede noch gravierender. erst recht pflegende Angehörige haben häufig nicht die heute
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Abb. 2: Formblatt 2 – Zahnärztliche Information, Pflegeanleitung und Empfehlungen für Versicherte und Pflege- oder Unterstützungspersonen.
notwendigen Kompetenzen, um die Mundpflege sicher und Entfernung von Zahnstein (PBZst) auf Kosten der Krankenkas-
souverän auszuführen. In der Pflegeausbildung waren bei der sen abgerechnet werden. Für privat versicherte Patienten sind
Mundpflege bisher Soor- und Parotitisprophylaxe (nicht Paro- für die Erhebung der Fremdanamnese und für die Instruktion
dontitisprophylaxe!) die relevanten Schlagworte. Aus diesem der Bezugspersonen die PKV-GOÄ-Nr. 4 sowie zum Beispiel die
Grund hat die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg Entfernung harter und weicher supragingivaler Zahnbeläge die
bereits 2007 damit begonnen, eine eigene umfassende Hand- GOZ-Nrn. 4050/4055 je Monatszeitraum einmal erbringbar und
reichung zur Zahn-, Mund- und Zahnersatzpflege zu entwickeln. abrechenbar. Alternativ kann für die Entfernung der Zahnbelä-
Ganz aktuell wurden die Materialien an die Anforderungen der ge auch die professionelle Zahnreinigung nach GOZ-Nr. 1040
neuen generalistischen Pflegeausbildung angepasst. Das Deut- – bei entsprechender Indikation sogar ohne Begrenzung der
sche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) an Häufigkeit – abgerechnet werden.
der Hochschule Osnabrück entwickelt derzeit zudem unter der
wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Erika Sirsch einen Exper- Bema-Nr. 174a (PBa): Mundgesundheitsstatus, Maßnahmen zur
tenstandard zur Erhaltung und Förderung der Mundgesundheit. Zahn-, Mund- und Zahnersatzpflege, Behandlungsbedarf und
Expertenstandards sind ein professionell abgestimmtes Leis- Schritte zur Koordination werden bei gesetzlich Versicherten
tungsniveau der Pflege, das dem Bedarf und den Bedürfnissen im individuellen Mundgesundheitsplan nach Vordruck 10 des
der unterschiedlichen Zielgruppen angepasst ist. Bundesmantelvertrags Zahnärzte (BMV-Z) erfasst. Bema-Nr.
174b (PBb): Mundgesundheitsaufklärung umfasst die Vermitt-
Die eingangs beschriebenen neuen Leistungspositionen Mund- lung der Inhalte des individuellen Mundgesundheitsplans, die
gesundheitsstatus, individueller Mundgesundheitsplan und Demonstration und gegebenenfalls Anleitung notwendiger
Mundgesundheitsaufklärung sind seit Juli 2018 bei gesetzlich Maßnahmen der Mundpflege sowie die Erläuterung des Nut-
versicherten Patienten unter anderem mit zugeordnetem Pfle- zens und Motivation zur Durchführung der Maßnahmen im Pfle-
gegrad nach den Bema-Nrn. 174a (PBa) und 174b (PBb) sowohl gealltag (Abb. 2). Übrigens: „Die Mundgesundheitsaufklärung,
in der Praxis als auch in der Häuslichkeit und in der Pflegeein- auch wenn sie sich an Pflege oder Unterstützungspersonen
richtung einmal je Kalenderhalbjahr erbringbar und abrechen- richtet, erfüllt die Voraussetzungen für die Behandlung von Pa-
bar. Zudem kann seit Juli 2018 je Kalenderhalbjahr einmal die rodontopathien im Hinblick auf die Anleitung des Versicherten
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... und dessen Information über bestehende Mitwirkungspflich- kommt dem Praxisteam bei der Vermittlung, Demonstration
ten.“ Im Folgenden werden Empfehlungen zur Mundpflege für und gegebenenfalls Anleitung zudem eine wichtige psychosozi-
das Unterstützungsumfeld zusammengefasst dargestellt. ale Funktion zu. Die Mutter hat vielleicht bisher aus Scham ihre
Tochter nicht um Hilfe gefragt oder der Ehemann ist bisher gar
WARUM IST MUND- nicht auf die Idee gekommen, die eigene Frau bei der Mundhy-
giene zu unterstützen. Soweit möglich und sinnvoll, sollten
HYGIENE WICHTIG? beide Seiten zunächst getrennt voneinander dazu befragt wer-
Beläge, Karies, Entzündungen des Zahnfleischs sowie scharfe den. Nach Zustimmung sind die unterstützenden Maßnahmen
Zahn- beziehungsweise Prothesenkanten führen zu Mundge- unter Berücksichtigung von Aspirationsgefahr und Ergonomie
ruch und Schmerzen im Mund. Aber nicht nur das: Über Karies einzuleiten. Dabei gilt es zunächst, ein Gespür und einen Plan
und entzündetes Zahnfleisch gelangen Bakterien in den Kör- dafür zu entwickeln, wann der richtige Zeitpunkt ist, zu dem
per und leisten Diabetes, Polyarthritis sowie koronarer Herzer- die Mundpflege am besten gelingt, wie viel und welche Unter-
krankung Vorschub. Schlechte Mundhygiene begünstigt meist stützung tatsächlich notwendig ist und wer genau (z. B. in einer
durch Aspiration zudem nachweislich die Entstehung von Lun- Pflegeeinrichtung) die Unterstützung am besten leisten kann.
genentzündungen – allein indem Prothesen nachts aus dem Schließlich stellt sich noch die Frage, wie diese Unterstützung
Mund herausgenommen werden, kann das Risiko für Pneumo- konkret umgesetzt werden soll.
nien halbiert werden (Abb. 3)!
Beziehungsgestaltung bei Menschen mit Demenz
WORAUF KOMMT ES BEI DER Pflegebedürftige Menschen leiden häufig an Demenz. Demenz
MUNDHYGIENE IN DER PFLEGE bedeutet aber nicht nur Gedächtnisverlust. Es gibt verschiedene
Formen der Demenz, bei denen auch andere Aspekte wie zum
AN? Beispiel Veränderungen im Sozialverhalten eine Rolle spielen
Ressourcen und Eigenaktivität beachten können. Der Zugang zu und der Umgang mit Menschen mit De-
Natürlich geht es nicht ohne Zahnbürste und Zahnpasta. Min- menz erfordert spezielle Kompetenzen. Zentral für die erfolg-
destens genauso wichtig ist es aber, die Ressourcen des Men- reiche Beziehungsgestaltung ist dabei, ausgehend von den mit-
schen mit Pflegebedarf zu berücksichtigen, Eigenaktivität zu unter zunächst sinnlos erscheinenden Äußerungen, Gesten oder
fördern, Vorlieben und Abneigungen im Blick zu haben, gege- Handlungen, das dem Augenblick zugrunde liegende Gefühl
benenfalls Angehörige mit einzubeziehen und gleichzeitig die zu erspüren und den Menschen in seiner Welt „abzuholen“. Die
Privatsphäre beziehungsweise den Intimbereich Mundhöhle Techniken der sogenannten Validation (Wertschätzung) können
angemessen zu würdigen. Ein weiterer Aspekt ist die Leistungs- entscheidend zum Gelingen der Zahn- und Mundpflege wie üb-
bereitschaft – der betroffene Mensch sollte nicht erschöpft sein. rigens auch der zahnärztlichen Behandlung beitragen. Anspra-
Die Brille auf der Nase und die Hörhilfe im Ohr steigern die che mit kurzen und klaren Hinweisen zu den geplanten Maß-
Kooperationsfähigkeit. Vor allem bei pflegenden Angehörigen nahmen sowie Anbahnung (den Körperkontakt also zunächst
Abb. 3 a und b: Abgebrochene Zähne, scharfe Kanten, Karies, Gingivitis/Parodontitis und Beläge haben Folgen – nicht nur in der Mundhöhle,
sondern auch im gesamten Organismus.
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z. B. am Arm zu beginnen und dann die Hand bis zum Kopf bzw.
Mund zu führen) sind weitere wichtige Aspekte für das Gelingen
der Mundpflege.
Aspiration vermeiden und ergonomisch arbeiten
Im Alter und noch mehr bei Pflegebedürftigkeit kommt es bei der
Mundpflege zudem darauf an, Schluckstörungen zu beachten
und die Gefahr der Aspiration zu minimieren. Die Landeszahn-
ärztekammer Baden-Württemberg hat dazu ein Hinweisblatt
für das Praxisteam mit relevanten Informationen zusammen-
gestellt. Zudem ist nicht nur eine geeignete Körperhaltung der
unterstützungsbedürftigen, sondern auch der unterstützenden
Person von entscheidender Bedeutung – sonst schmerzt schnell
der Rücken und die Motivation ist dahin.
Idealerweise erfolgt die Mundpflege im Sitzen am Waschbecken
auf einem Badstuhl mit leicht nach vorn gebeugtem Oberkörper
und das Kinn etwas zur Brust geneigt. Im Rollstuhl gelingt die
aufrechte Kopf-Körper-Haltung noch besser mit den Füßen auf
dem Boden und nicht auf den Fußstützen. Werden die Fußstüt-
zen zudem zur Seite geklappt, kann die unterstützungsbedürf-
tige Person noch näher ans Waschbecken gefahren werden. Die
Unterstützung der Mundpflege erfolgt in breitbeinigem Stand
mit angewinkelten Knien und möglichst vielen Abstützungs- Abb. 4a und b: Die unterstützungsbedürftige Person sitzt idealerweise
punkten seitlich hinter der unterstützungsbedürftigen Person. am Waschbecken, den Oberkörper leicht nach vorn, das Kinn leicht zur
Ein Arm greift dabei um den Kopf, der Zeigefinger kommt über Brust und den Kopf nicht zur Seite geneigt. Die unterstützende Person
dem Kinn, der Mittelfinger unter dem Kinn und der Daumen auf steht breitbeinig mit „federnden“ Knien und mit möglichst vielen
der Wange zu liegen (Kieferkontrollgriff). Ziel ist die möglichst Abstützungspunkten seitlich hinter der zu unterstützenden Person. Ein
gute Führung des Kopfes bei gleichzeitig geringer Verletzungs Arm greift lose, aber bestimmt um den Kopf, die Hand mit dem Mittel-
gefahr. Wichtig ist, dass die unterstützungsbedürftige Person finger unter dem Kinn, den Zeigefinger – besser noch mehr als es hier
während der Mundpflege den Kopf nicht zur Seite dreht oder dargestellt ist – über dem Kinn und den Daumen an der Wange. Etwas
überstreckt. So gelingt das Schlucken am besten. Um noch bes- Übung und immer ein Lächeln auf den Lippen sind weitere wichtige
ser rückengerecht zu arbeiten, kann mit etwas Übung die Mund- Aspekte, wenn die Mundpflege gut gelingen soll.
pflege teilweise über den Badspiegel verfolgt werden (Abb. 4).
Alternativ erfolgt die Mundpflege im Bett mit aufgerichtetem
Oberkörper und angewinkelten Beinen, also in Komfortsitz-Po-
sition, wenn möglich zur Seite der unterstützenden Person hin Was tun bei Abwehr und herausforderndem Verhalten?
gelagert. Die Unterstützung der Mundpflege erfolgt auch hier Abwehr beziehungsweise herausforderndes Verhalten („care
in eher breitbeinigem Stand mit guter Abstützung der Hüfte und resistant behaviour“ – CRB) kann sich im Hinblick auf die
des Oberkörpers seitlich der unterstützungsbedürftigen Per- Mundpflege beispielsweise durch Wegdrehen des Kopfes,
son. Da der Kopf hier bereits „gelagert“ ist, kann die Armhaltung Zusammenpressen der Lippen oder Wegstoßen der Hand bei
wie im Sitzen um den Kopf herum zur besseren Abstützung des Annäherung oder auch erst während der Pflegemaßnahmen
Oberkörpers oder alternativ die Mundpflege von seitlich vorn äußern. In der Pflege werden in diesem Zusammenhang spezi-
erfolgen. Wenn nicht anders möglich, wird die Mundpflege im elle CRB-Konzepte beschrieben: „managing oral hygiene using
Bett in Seitenlagerung von seitlich vorn durchgeführt. Die unter- threat reduction“ (MOUTh) oder „mouth care without a battle“
stützende Person steht dabei entweder wie gerade beschrieben (MCWB). Zentrale Aspekte dieser Konzepte sind:
und das Bett ist entsprechend weit nach oben gefahren, oder die
unterstützende Person sitzt auf einem Stuhl, der über Eck nah • Auf eine ruhige Umgebung mit möglichst wenig anwesen-
ans Bett gestellt wird, auf gleicher Höhe mit den Ellenbogen ab- den Personen achten
gestützt auf den Oberschenkeln. Zur Veranschaulichung sei an • Die Begegnung auf „Augenhöhe“ im visuellen Feld der
dieser Stelle auch auf die weiterführende Literatur verwiesen. unterstützungsbedürftigen Person beginnen
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Abb. 5a und b: Wer selbst ausspülen kann, soll das auch tun. Eine Kompresse, um den Finger oder um die Zahnbürste gewickelt, kann helfen,
Speisereste und überschüssige Zahnpasta sicher aus der Mundhöhle auszuwischen und zu entfernen.
• Entspannt, einfach und respektvoll kommunizieren: Keine Darüber hinaus sollten die Pflegemittel hinterfragt werden.
„Kindersprache“, keine „wir-Form“ verwenden, stattdessen Könnte es am Geschmack der Zahnpasta oder an der Härte der
höfliche Anweisungen und Anleitungen mit Erläuterungen Borsten der Zahnbürste liegen? Wird gegebenfalls das Materi-
der nächsten Schritte geben al der Handschuhe nicht vertragen oder als unangenehm emp-
• Eher tiefe Tonlage, eher kurze und einfache Sätze, den Na- funden? Wird zu viel Haftcreme eingesetzt oder diese zu nah
men des unterstützungsbedürftigen Menschen wiederholen am Zahnprothesenrand platziert? Der Einsatz einer Dreikopf-
• Gerne Komplimente machen zahnbürste – für Kinder und Erwachsene getrennt erhältlich
• Lächeln bei der Interaktion – kann erwogen werden; bei langen Zähnen werden aber die
• Gesten und Pantomime Zahnhälse nicht gut erreicht. Zur Reduzierung der Verletzungs-
• Sanfte Berührungen mit Bedacht anwenden gefahr sollten Kompressen für das Auswischen der Mundhöhle
• Bahnung: Zum Beispiel Mundspülbecher bzw. Zahnbürs- nicht um den Finger, sondern besser um die Zahnbürste gewi-
te nur anreichen – die unterstützungsbedürftige Person ckelt und mit der Hand fixiert werden (Abb. 5 b).
nimmt den Becher bzw. die Zahnbürste und spült bzw.
führt die Zahnpflege selbst aus (Abb. 5a) – alternativ Zahnschmerzen, Probleme mit dem Zahnfleisch, Komplikatio-
verbale kurze und knappe Anweisungen nen im Zusammenhang mit Zahnersatz, Schmerzen beziehungs-
• Spiegelung: Unterstützende Person macht es vor. weise Schwellungen im Bereich der Schleimhäute und Weichtei-
• Verkettung: Unterstützende Person beginnt die Maßnah- le des Mund-Kiefer-Gesichtsbereichs können weitere Ursachen
me in der Erwartung, dass die unterstützungsbedürftige für abwehrendes Verhalten sein und sollten gegebenenfalls mit
Person die Maßnahme fortführt beziehungsweise vollen- zahnärztlicher Unterstützung ausgeschlossen werden.
det
• Hand-über-Hand: Unterstützende Person legt gezielt die Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen!
eigene Hand auf die Hand der unterstützungsbedürftigen Um strukturiert und effizient zu arbeiten, ist es wichtig, dass je-
Person, und beide führen die Bewegung gemeinsam aus. der Handgriff sitzt. Bei Totalprothesen gestaltet sich die Mund-
• „Spieglein-Spieglein“: Menschen öffnen ihren Mund häufig pflege verhältnismäßig einfach. Sobald eigene Zähne, Implan-
automatisch, wenn die Mundpflege vor einem Spiegel tate oder technisch aufwendiger Zahnersatz vorhanden sind,
erfolgt – die unterstützende Person steht seitlich hinter wird es bedeutend schwieriger. Empfehlung: Zunächst sollte
der unterstützungsbedürftigen Person und führt die Maß- die Mundpflege bei Menschen, die gut kooperieren, vielleicht
nahmen durch. sogar im Kreis der eigenen Familie, geübt werden. Erst wenn die
• Rettung: Eine andere unterstützende Person führt die Bewegungsabläufe einstudiert sind, macht es Sinn, sich um die
Mundpflege aus. Zudem kann überlegt werden, ob einmal Menschen zu kümmern, die in ihrer Mobilität und/oder in ihrer
eine andere Gelegenheit oder grundsätzlich ein anderer Kooperationsfähigkeit stärker eingeschränkt sind. Menschen
Zeitpunkt, eine andere Umgebung besser geeignet sind, mögen nicht mehr viel hören oder sehen, trotzdem haben sie
die Mundpflege durchzuführen. ein Gespür dafür, ob jemand weiß, was er oder sie tut.
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Mundpflege – Wie oft und wann? Innenseiten zu putzen. Die Zahnbürste sollte immer mit siche-
Wir empfehlen, mindestens zweimal am Tag die Zähne zu putzen rer Handhaltung geführt und der Anpressdruck wie beim Schrei-
– nach dem Frühstück und vor dem Schlafengehen. Diese Emp- ben mit einem Druckminenbleistift gering gewählt werden. Bei
fehlung sollte idealerweise in ritualisierte Abläufe eingebettet Handzahnbürsten sind entweder kleine Bewegungen vor und zu-
und an die Biografie des Menschen mit Pflegebedarf angepasst rück oder kreisend zu bevorzugen. Bei elektrischen Zahnbürsten
werden. So gibt es Menschen, die die Zähne immer vor dem Früh- sollte die Bürste ohne weitere Putzbewegung von Zahn zu Zahn
stück putzen, da sie am Morgen einen schlechten Geschmack im geführt und für etwa ein bis zwei Sekunden an jedem Zahn ruhig
Mund verspüren. Andere putzen ihre Zähne mindestens dreimal gehalten werden, da die eigentliche Putzbewegung ja durch die
am Tag. Und nochmal: Abhängig von der Leistungsbereitschaft Bürste selbst erfolgt. Die Putzdauer im Mund hängt von der Zahl
des pflegebedürftigen Menschen kann es auch sinnvoll sein, von der Zähne ab. Faustregel: 30 Zähne – drei Minuten, 20 Zähne –
gewohnten Zeiten bzw. Abläufen abzuweichen. zwei Minuten, zehn Zähne – eine Minute. Wann immer möglich,
sollte die Eigenaktivität gefördert werden – zum Beispiel selbst
Systematik, Ablauf und Dauer den Mundspülbecher zum Mund führen und ausspülen, selbst
Bei notwendiger Unterstützung der Mundpflege hat sich die herausnehmbaren Zahnersatz ausgliedern beziehungsweise
nachfolgende Systematik bewährt: eingliedern oder selbst die Außenflächen und Kauflächen der
1. Handschuhe anziehen Zähne putzen und nur bei den Innenflächen unterstützen, wenn
2. Alle notwendigen Pflegemittel bereitlegen und für eine dies die betroffene Person selbst nicht kann.
gute Ausleuchtung sorgen
3. Handtuch umlegen
4. Lippen pflegen MUNDPFLEGESET –
5. Gegebenenfalls vorhandenen herausnehmbaren Zahner- DAS GEHÖRT DAZU!
satz ausgliedern Zur Basisausstattung des Mundpflegesets gehören ein Hand-
6. Wenn möglich, mit Wasser gut und kräftig ausspülen lassen tuch, unsterile Einmalhandschuhe, wenig abrasive Zahnpasta
beziehungsweise mit Kompressen die Mundhöhle auswi- mit Fluorid, eine eher weiche Zahnbürste und ein Mundspülbe-
schen und vorreinigen cher. Sinnvoll sind je nach Situation zudem Kompressen oder
7. Zähne, Zahnfleisch, gegebenenfalls Zunge und die Mund- Tupfer, Lippenbalsam, Zahnzwischenraumbürsten (Interdental-
schleimhäute mit der Zahnbürste und Zahnpasta reinigen bürsten), Zahnprothesenbürsten, Zungenreiniger, Nierenschale
8. Zahnzwischenräume mit Interdentalbürste reinigen und zusätzliche Lichtquellen wie zum Beispiel eine Taschenlam-
9. Zwischendurch kurz ausspucken beziehungsweise mit et- pe oder eine Stirnlampe (Abb. 6).
was Wasser kurz ausspülen und am Schluss nur noch über-
schüssige Zahnpastareste ausspucken lassen – alternativ Lippenpflege – wenn, dann gleich am Anfang!
mit Kompressen immer wieder Überschüsse auswischen Bei rissigen und trockenen Lippen sollte die Lippenpflege mit
10. Zahnersatz reinigen und wieder eingliedern oder über einem Lippenbalsam schon vor der eigentlichen Mundpflege er-
Nacht – wenn möglich – außerhalb des Mundes lagern folgen – dann reißen die Lippen nicht (weiter) ein und die Mund-
pflege wird insgesamt angenehmer empfunden.
Werden die Zähne nicht selbst geputzt und erfolgt die Zahn-
reinigung stehend von seitlich hinten, sollte zunächst im Unter-
kiefer auf der gegenüberliegenden Seite begonnen werden, da
diese Region am besten einsehbar ist. Dann geht es weiter bis zu-
letzt zur zugewandten Seite im Oberkiefer. Im Oberkiefer sollten
Blickkontrollen so kurz wie möglich gehalten werden, um nicht
zu lange in kritischen Körperhaltungen zu verharren. Mit der Zeit
und etwas Übung entwickelt man ein gutes Gespür für die Bewe-
gungsabläufe, sodass es gar nicht mehr notwendig ist, alles se-
hen zu müssen. Wir sagen: „Mit 50 Prozent der Aufmerksamkeit
sind wir im Mund der unterstützungsbedürftigen Person und mit
den anderen 50 Prozent sind wir bei unserem eigenen Rücken!“
Der Spiegel im Bad kann auch genutzt werden, um die Reinigung
indirekt zu verfolgen. Es ist sinnvoll, zunächst alle Außenflä-
chen, dann alle Innenflächen und am Schluss alle Kauflächen zu
putzen. Macht ein Mensch nur sporadisch den Mund weiter auf,
können alternativ diese Momente gezielt genutzt werden, die Abb. 6: Mundpflegeset
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Zahnbürste – weich oder hart? schon etwas zurückgegangen und sind die Zahnzwischenräu-
Normalerweise sollten Zahnbürsten mittelharte Borsten aufwei- me etwas weiter, sind Interdentalbürsten sinnvoll, da sie von
sen, um eine optimale Reinigungswirkung zu erzielen. Bei Men- „außen“ eingesetzt werden und so die Verletzungsgefahr re-
schen mit Pflegebedarf sind das Zahnfleisch und die Schleim- duziert ist. Wird eine wenig abrasive Zahnpasta genutzt, soll-
häute mitunter empfindlicher. Weiche Borsten werden dann ten die Außen-, Innen- und Kauflächen zunächst mit der Zahn-
besser toleriert – vor allem, wenn die Zahnreinigung nicht selbst bürste geputzt und anschließend mit der Interdentalbürste die
möglich ist. Bei weichen Zahnbürsten verschleißen zudem die Zwischenräume gereinigt werden. So kann die Zahnpasta auch
Borsten schneller und die Zahnbürste muss häufiger ausgewech- zwischen den Zähnen optimal wirken. Bezüglich der Härte der
selt werden – das ist zur Infektionsprophylaxe auch sinnvoll. Borsten gelten die Aussagen zu Zahnbürsten.
Handbürste oder elektrische Bürste? Ausspülen – wie, wann, und was, wenn das nicht geht?
Elektrische Zahnbürsten erzielen bessere Reinigungsergeb- Zu Beginn der Mundpflege und nach Ausgliederung eines
nisse als die Zahnreinigung mit Handzahnbürsten – vor allem, eventuell bestehenden herausnehmbaren Zahnersatzes soll-
wenn beispielsweise aufgrund von Polyarthritis oder neurologi- te – wenn möglich – gründlich ausgespült werden – genauso
scher Erkrankungen die manuellen Fähigkeiten eingeschränkt zwischendurch mit einem „kleinen Schluck“ Wasser. So lassen
sind. Die Betroffenen können mit einer elektrischen Zahnbürs- sich am Anfang vor allem Speisereste und im weiteren Verlauf
te die Zahn- und Mundpflege weiterhin selbst ausführen. Ro- überschüssiger Zahnpastaschaum sowie gelöste Beläge aus
tierend oszillierende Systeme sind dabei weniger anfällig für der Mundhöhle beseitigen. Bei eingeschränkter Kooperation
Anwendungsfehler als Ultraschallsysteme, zum Beispiel in Be- empfiehlt es sich, mit Kompressen die Mundhöhle von hinten
zug auf zu starken Anpressdruck. Jedoch ist in jedem Fall für nach vorne auszuwischen (Abb. 5a und b).
die korrekte Anwendung ein Blick in die Bedienungsanleitung
angezeigt. Argumente gegen elektrische Zahnbürsten sind ne- Prothesen – einfach rausnehmen und abspülen?
ben den Kosten vor allem bei kognitiv beeinträchtigten Men- Herausnehmbarer Zahnersatz sollte mindestens einmal täglich
schen die reduzierte Adaptationsfähigkeit – das Geräusch und vor dem Schlafengehen mit einer Zahnprothesenbürste und
die Vibrationen können stark verunsichern und zur Ablehnung Zahnpasta unter leicht laufendem Wasser tief ins Waschbecken
führen. Kommen elektrische Zahnbürsten nicht infrage, können gehalten – dann passiert der Prothese nichts, wenn diese aus der
konfektionierte Griffverstärkungen für Zahnbürsten das Halten Hand ins Waschbecken fällt – gründlich gereinigt werden. Haft-
der Handzahnbürste erleichtern, wenn pflegebedürftige Men- cremereste lassen sich im Vorfeld ebenso wie im Mund leich-
schen noch selbst putzen können oder wollen. ter mit Kompressen entfernen, zusätzlich kann der Einsatz von
Speiseöl hilfreich sein. Bei der Reinigung des Zahnersatzes ist
Zahnpasta – was muss rein, was nicht? auf Absplitterungen, Sprünge und scharfe Kanten zu achten. Die
Die Zahnpasta sollte auf jeden Fall Fluorid enthalten und we- Desinfektion in warmem Wasser mit einer Prothesenreinigungs-
nig abrasiv, also zum Beispiel „für empfindliche Zahnhälse“ tablette ist jeden zweiten Tag – bei hohem Aspirationsrisiko oder
geeignet sein, da bei pflegebedürftigen Menschen verstärkt reduzierter Abwehrlage auch täglich – für 10 bis 15 Minuten
Wurzeloberflächen der Zähne freiliegen und diese dem me- sinnvoll. Werden die Prothesen nachts nicht im Mund getragen,
chanischen Abrieb der Schleifkörper von „normaler“ Zahnpas- sollte die trockene Lagerung in einer Dose mit geöffnetem De-
ta nicht gut standhalten. Eine wenig abrasive Zahnpasta schont ckel empfohlen werden – Trocknung und gute Belüftung töten
zudem die Kunststoffoberflächen herausnehmbarer Prothesen Bakterien besser ab. Zur Eingliederung ist die Prothese kurz zu
besser. Dagegen reizt Natriumlaurylsulfat (NLS) mitunter die befeuchten; bei Verwendung von Haftcreme jedoch nicht die
Schleimhäute und die beabsichtigte schäumende Wirkung ist Prothesenunterseite (Abb. 7). Der Einsatz besonderer Pflegemit-
bei pflegebedürftigen Menschen eher kritisch zu sehen – vor tel oder von Seife zur Reinigung herausnehmbarer Prothesen ist
allem bei Aspirationsgefahr. Polyethylenglykol (PEG) macht die nicht notwendig. Die Verwendung wenig abrasiver Zahnpasta ist
Schleimhäute für Fremdstoffe durchlässiger und Triclosan kann für die Kunststoffoberflächen von Prothesen unproblematisch.
aufgrund seiner antimikrobiellen Wirkung unerwünschte Resis- Über Tag können – wenn möglich – herausnehmbare Prothesen
tenzen gegen Antibiotika fördern. nach jeder Mahlzeit unter laufendem Wasser kurz abgespült und
der Mund kurz ausgespült werden. Haftcreme sollte immer auf
Zahnzwischenräume – was machen wir da? die getrocknete Prothesenunterseite verteilt in drei bis vier erb-
Die Anwendung von Zahnseide ist – wenn überhaupt – nur bei sengroßen Punkten mit etwas Abstand zu den Rändern aufge-
engen Zahnzwischenräumen angezeigt. In der Pflege ist Zahn- tragen werden. Danach lässt man die Haftcreme circa zehn Se-
seide nicht zu empfehlen, da die Umsetzung schwierig und bei kunden antrocknen und drückt die Prothese anschließend etwa
eingeschränkter Kooperation mit erhöhtem Risiko von Ver- zehn Sekunden auf den Kiefer. Bis zum ersten kaufunktionellen
letzungen durch Zubeißen verbunden ist. Ist das Zahnfleisch Gebrauch sollte man etwa weitere zehn Minuten abwarten. Die
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Abb. 7: Pflege von herausnehmbarem Zahnersatz: Mit Zahnbürste und Zahnpasta die Prothesen tief im Waschbecken putzen (links und Mitte),
gegebenenfalls anschließend 10 bis 15 Minuten in Wasser mit Reinigungstablette (rechts oben). Wird die Prothese nachts nicht im Mund
getragen, tötet die trockene Lagerung in einer Dose mit geöffnetem Deckel Bakterien besser ab (rechts).
größte Herausforderung ist die sichere Ein- und Ausgliederung eingeschränkter Kooperationsfähigkeit helfen, in kürzerer Zeit
von technisch aufwendigem herausnehmbarem Zahnersatz, die Zähne von allen Seiten gleichzeitig zu reinigen. Sind die Zäh-
ohne Lippen und Wangen oder die eigenen Finger durch Zubiss ne jedoch durch den Rückgang von Knochen und Zahnfleisch
zu verletzen und ohne dass die Prothese nach hinten in den Ra- verlängert, reinigen Dreikopfbürsten im Bereich des Zahn-
chen abrutscht. Auch hier empfiehlt es sich, den Umgang mit fleisches nicht optimal. Absaugzahnbürsten sind im täglichen
Prothesen zunächst bei kooperativen Menschen mit Pflegebe- Einsatz teuer, gegebenenfalls laut und technisch sowie in der
darf zu üben. Bei Unsicherheiten sollte der Zahnarzt gerufen und Anwendung aufwendig – die Absaugeinrichtung arbeitet nicht
gemeinsam ein guter Weg gefunden werden. geräuschlos und im Hinblick auf Hygiene und den Einsatz selbst
erfordert die Anwendung eine gewisse Übung und Routine. Den-
Mundinspektion – ohne Licht geht es nicht! noch können Absaugzahnbürsten im Einzelfall bei aspirations-
Zu einer guten Mundpflege gehört auch die Inspektion der gefährdeten Menschen angezeigt sein. Spezielle Prothesenab-
Mundhöhle wenigstens einmal in der Woche und bei Auffällig- zieher schließlich können das Ein- und Ausgliedern erleichtern,
keiten, um frühzeitig scharfe Kanten, Druckstellen oder andere ihre Anwendung erfordert jedoch ebenfalls ein wenig Übung.
Erkrankungen an Zähnen, Zunge und Schleimhäuten zu entde-
cken. Dazu ist eine gute Ausleuchtung, am besten mit einer ge- Wechsel der Pflegematerialien
sonderten Lichtquelle (Taschenlampe oder Stirnlampe) notwen- Für den Wechsel der Zahnbürsten ist ein Intervall von vier Wo-
dig. Um die Weichteile abzuhalten, können Metalllöffel, stabile chen sinnvoll. Wenn die Borsten weit gespreizt sind oder sonst
Plastiklöffel oder die Zahnbürste mit dem Griff voraus genutzt starke Abnutzungserscheinungen aufweisen, ist die Zahnbürste
werden. Löffel sind pflegebedürftigen Menschen vertraut, kön- auch schon früher auszuwechseln. Zahnzwischenraumbürsten
nen gespült und beliebig oft verwendet werden – ein wenig mit Metalldrahtkern sollten nicht länger als eine Woche ein-
angefeuchtet gleiten diese zudem leicht auf der Schleimhaut; gesetzt werden, da sonst die Gefahr stark ansteigt, dass sie ab-
Holzspatel sind hier nicht zu empfehlen. brechen. Zahnprothesenbürsten können durchaus drei Monate
genutzt werden. Nach schweren Erkrankungen wie einer Lun-
Mundspülungen und was es sonst noch gibt genentzündung ist der Austausch der Bürsten für die Zahn- und
Mundspülungen und Mundduschen sollten nur zum Einsatz kom- Zahnersatzpflege ebenfalls sinnvoll.
men bei guter Kooperationsfähigkeit und wenn die betroffenen
Menschen die Anwendung gewohnt sind. Bei eingeschränkter MUNDGESUNDHEIT – BESONDERE
Kooperationsfähigkeit und vor allem bei erhöhter Aspirationsge-
fahr zum Beispiel aufgrund gestörter Schluckfunktion (Dyspha- HERAUSFORDERUNGEN
Xerostomie – Mundtrockenheit und Co.
gie) sollte darauf verzichtet werden. Chlorhexidin-Produkte,
Ob Medikamente oder Bestrahlung im Kopf-Hals-Bereich – ist
Fluorid-Produkte mit hohen Fluoridkonzentrationen (z. B. Gele,
der Speichel reduziert oder fehlt er gänzlich, ist nicht nur das
Lacke) sollten nur bei besonderem Bedarf und in Absprache mit
Wohlbefinden stark eingeschränkt. Fehlender Speichelfluss
dem Zahnarzt eingesetzt werden. Dreikopfbürsten können bei
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FORTBILDUNG
ZN SACHSEN-ANHALT I AUSGABE 04 I April 2021
wirkt zudem auf Karies sowie auf Entzündungen des Zahn-
fleisches wie ein „Brandbeschleuniger“, und Prothesen halten
schlechter. In jedem Fall muss bei Betroffenen noch mehr auf
eine gute Mundpflege geachtet werden. Der zähflüssige Spei-
chel und Schleim im Mund können darüber hinaus verkrusten,
und es kommt zur Bildung von Borken. Bei Mundtrockenheit und
gegen Borken hat sich die regelmäßige Benetzung der Schleim-
häute alle zwei bis drei Stunden mit feuchten Kompressen sehr
bewährt – zur Befeuchtung eignen sich Tee oder pflanzliche Öle.
Bei guter Kooperation ist auch der Einsatz von Xylimelts-Haftta-
bletten (OraCoat) zu empfehlen – im Gegensatz zu anderen typi-
schen Speichelersatzmitteln spenden diese Tabletten nicht nur
ein Feuchtigkeitsgefühl, sondern schützen mit den Inhaltstoffen
Xylit und Calcium bei leicht basischem pH-Wert sogar die Zähne.
Abb. 8: Die Pflegeampel, zum Beispiel im Schrank des
Mukositis – wenn die Schleimhaut „brennt“ Pflegebedürftigen aufgehängt, fasst die wichtigsten Informationen
Sind die Schleimhäute entzündet oder ist eine Entzündung der zur Mundpflege übersichtlich zusammen.
Schleimhäute zum Beispiel aufgrund einer anstehenden Che-
mo- oder Strahlentherapie im Kopf-Hals-Bereich zu erwarten,
mildern Tee und Kälteanwendungen, vor allem aber Benzyda- paar Tropfen Minze zuzusetzen. Bei kritisch kranken Menschen
min, Entzündungsreaktionen der Schleimhäute ab. Benzydamin kann zudem der Einsatz destillierten beziehunsweise abge-
ist ein entzündungshemmender, schmerzlindernder und antiba- kochten Wassers sinnvoll sein. Ausspülen gelingt insgesamt
kterieller Wirkstoff, der lokal als Spray, Gurgellösung oder Lut- besser mit einem Nasenausschnittsbecher oder über ein Trink-
schpastillen zur symptomatischen Behandlung von Schmerzen röhrchen. Die Mundhöhle sollte häufiger mit feuchten Kompres-
und Reizungen im Mund- und Rachenraum eingesetzt wird. sen ausgewischt und am besten täglich auf Veränderungen über-
Benzydamin ist auf dem deutschen Markt in verschiedenen prüft werden.
Fertigarzneimitteln in Tablettenform oder als Spray, jedoch nur
in Tantum Verde (Angelini) auch als Mundspülung in alkoholi- Fazit und Pflegeampel
scher Lösung zum Preis von circa 8,– Euro für 240 ml enthalten. Die Mundpflege erfordert im Vergleich zu früher mehr Kompe-
Seit Juli 2015 ist Benzydamin im Neuen Rezeptur Formularium tenzen. Zähne, Implantate und technisch aufwendiger Zahner-
(NRF) des Deutschen Arzneimittel Codex (DAC) auch auf wäss- satz auf der einen Seite sowie Multimorbidität und Polymedikati-
riger Basis mit Lidocain und Bepanthen verfügbar (NRF 7.15 – ca. on auf der anderen Seite stellen große Herausforderungen in der
30,– Euro für 240 ml – die doppelte Menge kostet nicht zwingend Pflege dar. Bei eingeschränkter Mobilität und eingeschränkter
doppelt so viel!). Für die Dauer einer sechswöchigen Bestrahlung Kooperationsfähigkeit, das heißt, wenn die betroffenen Men-
im Kopf-Hals-Bereich sollten 1000 ml verordnet werden. Dabei schen die Mundhygiene nur noch mit Unterstützung oder gar
hat es sich bewährt, bereits ab Beginn der Bestrahlung viermal nicht mehr selbst ausführen können, gelingt die Mundpflege am
täglich für jeweils zwei Minuten die Menge eines Teelöffels (5 besten, wenn mit den richtigen Materialien in angemessener
ml) im Mund hin- und herzubewegen und danach auszuspucken. Zeit unter Berücksichtigung der Aspirationsgefahr ergonomisch
Weitere Hinweise geben die S3-Leitlinie „Supportive Therapie gearbeitet wird. Die Kooperation mit Zahnärzten ist dabei von
bei onkologischen PatientInnen“ sowie die „Mucositis Guide- zentraler Bedeutung. Zur Dokumentation der gemeinsam fest-
lines“ der Multinational Association of Supportive Care in Cancer. gelegten Hinweise im Hinblick auf die Mundpflege hat sich die
sogenannte Pflegeampel sehr bewährt. Auf ihr ist beispielswei-
Risikopatienten – was ist zu beachten? se vermerkt, ob und wie viel Unterstützung bei der Mundpflege
Bei Hochrisikopatienten, etwa bei Immunsuppression, auf notwendig ist, ob es überhaupt herausnehmbaren Zahnersatz
der Intensivstation, bei Wachkoma oder Dysphagie, sollte die gibt, und wenn ja, ob dieser nachts im Mund getragen wird. Auf
Mund- und Prothesenpflege häufiger (dreimal) am Tag durch- der Pflegeampel ist auch der Kontakt des zuständigen Zahnarz-
geführt werden. Die Menge der Zahnpasta sollte minimiert tes eingetragen (Abb. 8).
werden. Die Zahnreinigung kann eventuell mit einer Absaug-
zahnbürste erfolgen (z. B. Plaque vac oder Toothette). Prothe- // Dr. Elmar Ludwig, Ulm
sen sollten in jedem Fall über Nacht trocken außerhalb vom (aktualisierte Version einer Erstveröffentlichung im BZB, No-
Mund gelagert werden. Wird mit Wasser ausgespült, kann es vember 2020; Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der
bei bestehender Schluckstörung hilfreich sein, dem Wasser ein Bayerischen Zahnärztekammer; Literatur beim Verfasser)
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