Nachhaltige Agrarlieferketten - Armut beenden, Ernährung sichern, Klima schützen, Globalisierung gerecht gestalten - Bundesministerium für ...

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NACHHALTIGE AGRARLIEFERKETTEN | 1

                                                         BMZ fundiert

Nachhaltige Agrarlieferketten
Armut beenden, Ernährung sichern, Klima schützen,
Globalisierung gerecht gestalten
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Mangofarm in Kenia
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Die roten Steinfrüchte der Kaffeepflanze
sind auch als Kaffeekirschen bekannt.
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Inhalt
Zeit zu handeln                                                5

1. Eine globale Herausforderung                                7
Warum nachhaltige Agrarlieferketten uns alle betreffen         7

2. Unser Ansatz: Nachhaltige Lieferketten                     11
Neue Wege gehen                                               11
Regierungen setzen den Rahmen                                 12
Unternehmen stehen in der Pflicht                             14
Übergreifend zusammenarbeiten                                 14
Starke internationale Kooperationen                           16
Gemeinsam nachhaltig handeln                                  17

3. Unsere Aktionsfelder                                       19
Wie wir Nachhaltigkeit in globale Agrarlieferketten bringen   19
Maßnahmen in Produktionsländern                               19
Maßnahmen in Deutschland und der EU                           24
Übergeordnete Maßnahme: Digitalisierung                       31

4. Agrarrohstoffe als Grundlage für Wertschöpfung             35
Einzelne Lieferketten im Überblick                            35
Kakao                                                         36
Kaffee                                                        38
Baumwolle                                                     42
Kautschuk                                                     46
Bananen                                                       48
Palmöl                                                        52
Soja                                                          56

5. Perspektiven                                               61
Was jetzt passieren muss                                      61
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4 | NACHHALTIGE AGRARLIEFERKETTEN

   „Für mich ist Kakao wie ein Schatz.
   Er ist Teil unserer Kultur. Erstmals
   angebaut wurde er von unseren
   Vorfahren, dann von unseren Eltern.“
   Cécile Bilé-Assama
   Kakaobäuerin aus Aboisso
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Zeit zu handeln
BEISPIEL: Kakaoanbau in Westafrika
Côte d’Ivoire und Ghana sind die Hauptanbauländer für Kakao. 90 Prozent des An­
baus erfolgen in kleinbäuerlichen Betrieben. Produktivität und Qualität sind gering
– ebenso wie die Einkommen: 87 Prozent der Kakao produzierenden Familien in Côte
d’Ivoire und 83 Prozent der Kakao produzierenden Familien in Ghana verdienen kein
existenzsicherndes Einkommen. Das sind mehr als 1,5 Millionen Kleinbäuerinnen und
Kleinbauern!

Die Folgen
Hunger, Armut, ausbeuterische Kinderarbeit, Landflucht, zunehmende Abholzung
tropischer Regenwälder – kein Leben in Würde und eine Gefahr für das globale Klima;
Ergebnisse des National Opinion Research Centers (NORC) der Universität Chicago
zeigen, dass noch immer mehr als 1,5 Millionen Kinder in Côte d’Ivoire und Ghana
Kinderarbeit verrichten.

BEISPIEL: Palmölgewinnung in Südostasien
84 Prozent des weltweiten Palmöls werden in Indonesien und Malaysia erzeugt. Für
die Ölpalme wird häufig großflächig Regenwald abgeholzt und brandgerodet. Allein in
Indonesien wurden im Jahr 2017 noch 480.000 Hektar Regenwald gerodet. Zusätzlich
geht der Palmölanbau oft mit massiven Menschenrechtsverletzungen einher.

Die Folgen
Zerstörung des Regenwaldes, Artensterben, Freisetzung von Treibhausgasemissionen,
Verlust von Kohlenstoffsenken, Vertreibungen, soziale Ungerechtigkeit

    Weltweit verrichten   160 Mio. Kinder Kinderarbeit.

    112 Mio. Kinder
    sind im Sektor Landwirtschaft tätig,

                                           wovon alleine 71 Mio. Kinder
                                           in Afrika Kinderarbeit verrichten.
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Palmölplantagen bei
Villavicencio in Kolumbien
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1. Eine globale
    Herausforderung
Noch immer arbeiten Kinder für unsere Schokolade auf Kakao­plantagen. Noch immer
wird Regenwald für den Anbau von Palmöl gerodet, das in unseren Fertigprodukten
steckt. Wir müssen handeln: Armut b   ­ ekämpfen, Ausbeutung ver­hindern, den Klima­
wandel s­ toppen. Das gelingt nur, indem wir g
                                             ­ lobale Agrarlieferketten gemeinsam
­nachhaltig gestalten.

Warum nachhaltige                                       Feldern und Plantagen und können doch kein
                                                        existenz­sicherndes Einkommen erwirtschaften.
Agrarliefer­ketten uns alle                             Ein Leben in Würde und eine sichere Existenz
betreffen                                               bleiben ihnen verwehrt.

Agrarrohstoffe – was abstrakt klingt, ist aus unse­
                                                        Geringe Preise
rem Alltag nicht mehr wegzudenken: das Palmöl
in unserem Shampoo, der Kaffee am Morgen, die           Dazu kommt: Soja, Palmöl, Kakao, Kaffee und
Banane im Müsli, ein Stück unserer Lieblings­           Kautschuk gehören zu den größten Entwaldungs­
schokolade, das Baumwoll-T-Shirt oder der Auto­         treibern weltweit. Wald wird großflächig gerodet,
reifen aus Kautschuk. Für viele dieser Produkte,        um diese Rohstoffe anzubauen. Etwa die Hälfte
die wir oft bedenkenlos konsumieren, wird Natur         der globalen Waldvernichtung betrifft Wälder
zerstört, und Menschen werden ausgebeutet.              am Äquator, der wichtigsten Anbauzone für
                                                        Agrarrohstoffe. Wollen wir daran etwas ändern,
                                                        müssen wir globale Agrarlieferketten nachhaltig
Kleinbäuerinnen und Kleinbauern
                                                        gestalten.
80 Prozent der Landwirte weltweit sind Kleinbäue­
rinnen und -bauern. Sie stemmen etwa 90 Prozent         Viele Herausforderungen, wie niedrige Preise für
der Kakaoproduktion und weit über 70 Prozent der        Rohstoffe und geringe Entlohnung von Arbeite­
Kaffee-, Baumwoll- und Kautschukproduktion. Ein         rinnen und Arbeitern, sind tief in den globalen
Großteil des Kakaos für unsere Schokolade kommt         Agrarlieferketten verwurzelt oder systemisch
beispielsweise aus Côte d’Ivoire und Ghana. Ohne        bedingt. Die nachhaltige Gestaltung dieser Liefer­
Kleinbäuerinnen und -bauern müssten wir in              ketten zählt deshalb zu den wichtigsten Hand­
unserem Alltag auf viele Produkte verzichten.           lungsfeldern der internationalen Entwicklungszu­
Trotzdem sind diese Menschen am Anfang der Lie­         sammenarbeit. Wir lösen diese Aufgabe nur, wenn
ferkette heute in aller Regel nicht in der Lage, sich   alle Beteiligten Verantwortung übernehmen und
und ihre Familien durch ihre Arbeit im Anbau zu         Unternehmen, Regierungen, die Zivilgesellschaft,
ernähren. Ihr Einkommen aus der Landwirtschaft          Gewerkschaften und Produzentenvertretungen
ist meist so gering, dass sie in großer Armut leben     zusammenarbeiten. Wenn wir jetzt nicht handeln,
und Investitionen in ihre Betriebe unmöglich sind.      verantworten wir unumkehrbare Folgen, die unser
Ganze Familien, auch Kinder, arbeiten täglich auf       aller Existenz bedrohen.
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schäden durch Pestizide sind nur einige der men­
                                                        schenrechtlichen Probleme in Agrarlieferketten.
                                                        Frauen und marginalisierte Gruppen sind diesen
                                                        Risiken besonders häufig ausgesetzt.

                                                        Migration
                                                        Wälder sind die direkte Lebensgrundlage für mehr
                                                        als 1,6 Mil­liarden Menschen und in vielen Regionen
                                                        der Welt ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. In man­
                                                        chen ländlichen Gebie­ten tragen Wälder bis zu
                                                        80 Prozent zum Haushaltseinkommen bei. Ins­
                                                        besondere Tropenwälder sind eine wichtige Ein­
                                                        kommens- und Nahrungsquelle und schaffen
                                                        Arbeitsplätze. Etwa 60 Millionen Menschen, der
                                                        Großteil Angehörige indigener Völker, hängen in
Kakaofrüchte haben eine                                 ihrem Überleben wesentlich vom Wald ab. Sie ver­
harte und dicke Schale.                                 fügen über traditionelles Wissen, das für den Erhalt
                                                        der biologischen Vielfalt von großer Bedeutung ist.

Klimawandel                                             Wälder sind die direkte Lebensgrundlage für mehr als

2019 vernichteten Brände und Rodungen fast zwölf        1,6 Mil­liarden Menschen
Millionen Hektar Tropenwald. Fast ein Drittel da­
von waren Primärwälder. Das entspricht dem Ver­
lust eines Fußballfeldes aus Primärwald alle sechs
Sekunden während des ganzen Jahres. Primärwäl­
der sind für die biologische Vielfalt und die Kohlen­
stoffspeicherung besonders wichtig. Durch Rodung        Wälder tragen bis zu 80 Prozent            zum Haus-
von Wäldern und Trocken­legung von Torfböden            haltseinkommen bei, sind eine wichtige Einkommens-und
gelangen große Mengen des Treib­hausgases Koh­          Nahrungsquelle und schaffen Arbeitsplätze.
lendioxid (CO2) in die Atmosphäre. Wald­zerstörung
macht etwa 20 Prozent der weltweiten Treibhaus­
gasemissionen aus, die direkt für die globale Erwär­
mung verantwortlich sind. Somit trägt Entwaldung
mehr zum Klimawandel bei als der Transportsek­
tor. Der Klimawandel zerstört unseren Planeten. Er
                                                        Etwa   60 Millionen Menschen,
                                                        der Großteil Angehörige indigener Völker, hängen in ihrem
sorgt dafür, dass die landwirtschaftliche Produk­
                                                        Überleben wesentlich vom Wald ab.
tivität noch weiter sinkt. Außerdem erhöht er das
Risiko von Umweltkatas­trophen.
                                                        Schon heute wandern Menschen, die nicht oder
                                                        kaum von ihrer Arbeit im Anbau leben können, in
Menschenrechtsverletzungen
                                                        Städte ab oder suchen nach Alternativen, um sich
In der landwirtschaftlichen Produktion werden           und ihren Familien ein Leben in Würde zu ermög­
Arbeiterinnen und Arbeiter häufig Opfer von             lichen. Armut und fehlende Existenzsicherheit zäh­
Menschenrechts­verletzungen. Zwangsarbeit,              len zu den wichtigsten Ursachen von Landflucht und
Verbote von Gewerkschaften und Gesundheits­             Migration. Die Folgen des Klimawandels verstärken
NACHHALTIGE AGRARLIEFERKETTEN Eine globale Herausforderung | 9

diese Ursachen. Bereits heute ist der landwirtschaft­     Weltbevölkerung bei aktuellen Konsummustern
liche Sektor für junge Menschen in unseren Partner­       gerecht zu werden. In Anbetracht all dessen führen
ländern kaum mehr attraktiv. Als Folge davon sinkt        wir einen Wettlauf gegen die Zeit. Diesen Wettlauf
die landwirtschaftliche Produktivität.                    gewinnen wir nur, wenn Unternehmen, Regie­
                                                          rungen, die Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und
                                                          Produzentenvertretungen zusammenarbeiten und
Es droht Rohstoffknappheit
                                                          wir gemeinsam neue Wege gehen. Intakte Ökosys­
Geringe Erträge, unzumutbare Einkommen, sich              teme sind die Grundvoraussetzung für die langfris­
verschlechternde Anbaubedingungen durch den               tige Versorgung mit nachwachsenden Rohstoffen.
Klimawandel und ein steigendes Katastrophen­              Produktionssteigerungen dürfen nicht zulasten der
risiko stehen einem Bevölkerungswachstum von              Ökosysteme gehen. Unangepasste landwirtschaft­
aktuell 7,6 Milliarden Menschen im Jahr 2019 auf          liche Praktiken führen zum schleichenden Verlust
rund 9 Milliarden Menschen bis 2050 gegenüber.            der Bodenproduktivität und in letzter Konsequenz
Der Agrarsektor muss seine Produktivität um min­          zu einer erhöhten Rohstoffknappheit.
destens 60 Prozent erhöhen, um der wachsenden

 Ein Beispiel:

 Kakaobauern in Côte d’Ivoire
 Eine typische Kakao produzierende Familie in Côte       Mögliche Lösungsansätze zur Schließung der Ein-
 d’Ivoire hat sieben Mitglieder – vier Kinder und drei   kommenslücke sind zum Beispiel die Durchsetzung
 Erwachsene. Für einen einfachen, guten Lebensstan-      höherer Rohstoffpreise für Kleinbäuerinnen und
 dard benötigt diese Familie ein existenzsicherndes      -bauern, die Förderung alternativer Einkommens-
 Einkommen von 478 Euro pro Monat. Denn nur ein          quellen sowie Trainingsangebote zur Verbesserung
 existenzsicherndes Einkommen ist ein faires Einkom-     der Produktivität und Qualität der landwirtschaft-
 men. Etwa die Hälfte davon deckt die Kosten einer       lichen Erzeugnisse.
 ausgewogenen Ernährung ab. 55 Euro pro Monat
 benötigt die Familie für ein Haus mit angemessenem       Einkommen in einem Kakao produzierenden
 Standard.                                                Haushalt

 Ausgaben für Bildung, Gesundheit, Kleidung und
 weitere Bedürfnisse verbrauchen mehr als ein
 Drittel des gesamten monatlichen Einkommens.                                                    306    pro Monat
                                                                                                 Einkommenslücke
 Die Familie sollte zudem fünf Prozent ihres monat-                                              pro Haushalt
                                                               478    pro Monat
 lichen Einkommens für unerwartete Ereignisse             Höhe existenzsicherndes
                                                                  Einkommen pro
 zurücklegen können, beispielsweise um Ernteaus-
                                                            Haushalt (7 Personen)
 fälle aufgrund von Dürreperioden auszugleichen.
                                                                                                 172    pro Monat
 Tatsächlich verfügt die Familie aber über ein monat-                                            Gesamtnettoeinkommen
                                                                                                 pro Haushalt, davon 99 €
 liches Einkommen von nur 172 Euro. Etwa 100 Euro                                                aus Kakaoproduktion
 erwirtschaftet sie durch den Anbau von Kakao. Ihr
 fehlen also jeden Monat 306 Euro, um ein einfaches,
                                                          Ein Kakao produzierender Haushalt in Côte d’Ivoire
 aber gutes Leben führen zu können.
                                                          verfügt nur über etwa ein Drittel des existenzsichernden
                                                          Einkommens.
                                                         Quelle: The Living Income Community of Practice, 2015
10 | NACHHALTIGE AGRARLIEFERKETTEN Gemeinsam neue Wege gehen

                                                               Kleinbäuerinnen und Kleinbauern
                                                               auf dem Weg zur nächstgelegenen
                                                               Baumwollsammelstelle
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2. Unser Ansatz:
    Nachhaltige Lieferketten
Es ist inakzeptabel, dass noch immer Menschen zur Gewinnung von Agrarrohstoffen
ausgebeutet werden. Um Agrarlieferketten nachhaltig zu gestalten, müssen drin-
gend alle Partnerinnen und Partner entlang der Wertschöpfungsketten nachhaltiger
handeln. Bisherige Ansätze greifen zu kurz. Es gilt, neue Allianzen einzugehen, um
der Ausbeutung von Menschen und Umwelt konsequent entgegenzutreten. Globale
Probleme lösen wir nur gemeinsam auf einer globalen Ebene. Politik setzt hier den
Rahmen für eine nachhaltigere Wirtschaft.

Neue Wege gehen                                       Standardsysteme für den Agrarsektor

Unser Ziel ist klar: Wir müssen erreichen, dass       Gute Ansätze gibt es bereits: So verbessern zum Bei­
Bäuerinnen und Bauern von ihrer Arbeit in Würde       spiel Standardsysteme die Nachhaltigkeit in vielen
leben können. Das gelingt nur, wenn Agrarpro­         Lieferketten. Bekannt sind diese Standardsysteme
dukte nachhaltig produziert und fair gehandelt        als Siegel, wie Fairtrade oder Rain­forest Alliance, auf
werden. Um die wachsende Weltbe­völkerung zu          vielen Produkten. Dank der Siegel ist auf einen Blick
ernähren und gleichzeitig Waldvernichtung zu          erkennbar, dass bei der Herstellung des Produkts
stoppen sowie unsere Ökosysteme zu erhalten           Nachhaltigkeitskriterien eingehalten werden. Ob­
und unser Klima zu schützen, muss die Produk­         wohl die Standardsysteme zu einer Verbesserung der
tivität pro Fläche im Agrarsektor steigen.            Situation in vielen Lieferketten beigetragen haben,
                                                      können sie systemische Probleme, wie ausbeute­
                                                      rische Kinderarbeit und Entwaldung, nicht alleine
Anpassungsmaßnahmen
                                                      lösen. Politik und Privatwirtschaft sind gefordert,
Durch den Klimawandel sind Agrarlieferketten,         Rahmen­bedingungen für nachhaltige Lieferketten
insbe­sondere in der Primärproduktion, schon          zu schaffen. Dabei stehen ihnen verschiedene Stell­
vermehrt von Extremwetterereignissen, Verände­        schrauben zur Verfügung.
rungen bei Niederschlagsmengen und Tempera­
turen sowie von Verschiebungen von Vegetations­
                                                      Agrarökologische Anbauprinzipien
perioden betroffen. Um weiterhin nachhal­tige und
stabile Lieferketten zu gewährleisten, sind ehrgei­   Um die Produktivität auf den bestehenden Anbau­
zige Anpassungsmaßnahmen notwendig. Dabei im          flächen zu erhöhen, bedarf es Anbaumethoden, die
Fokus: kleinbäuerliche Betriebe in Entwicklungs­      die natürliche Fruchtbarkeit der Böden erhalten
ländern. Durch Anpassung und Produktivitäts­          oder sogar erhöhen. Die landwirtschaftliche Pro­
steigerung können wir erreichen, dass der land­       duktion nach agrarökologischen Prinzipien ver­
wirtschaftliche Sektor auch für junge Menschen zu     folgt unter anderem dieses Ziel und erhöht gleich­
einem attraktiven Beschäftigungsfeld wird.            zeitig die Resilienz der Agrarlandschaft gegenüber
                                                      den Auswirkungen des Klimawandels.
12 | NACHHALTIGE AGRARLIEFERKETTEN Gemeinsam neue Wege gehen

                                                            ben. Die Bundesregierung setzt den Rahmen für
Regierungen setzen
                                                            wirtschaftliches Handeln auf dem deutschen
den Rahmen                                                  Markt und kann Regeln zur Sorgfaltspflicht von
                                                            Unternehmen festschreiben. Mit dem Nationalen
Alle Regierungen haben die Pflicht, die Menschen­           Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP)
rechte zu achten, zu schützen und zu gewährleis­            hat Deutschland begonnen, die Leitprinzipien für
ten. Regierungen im Globalen Süden und Norden,              Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten
also in Produktions­ und Konsumländern, kön­                Nationen umzusetzen. Das Monitoring des NAPs
nen Nachhaltigkeit zu einem elementaren Be­                 ergab jedoch in 2020, dass nicht mal 20 Prozent
standteil ihrer Politik machen. Gesetze und deren           der in Deutschland ansässigen Unternehmen
Durchsetzung sind dabei mächtige Stellschrau­               mit mehr als 500 Mitarbeitenden freiwillig ih­

Modell des Wandels

Stellschrauben für nachhaltige Wertschöpfungsketten

               Produktionsland                                                 Konsumland
  Rohstoff-         Verarbeitung/        Transport       Verarbeitung/              Handel/                 Marke/
 produktion           Rohstoff                              Produkt                 Logistik             Einzelhandel

                                                                        Privatwirtschaft setzt     Regierungen schaffen
                                                                Anforderungen an Lieferanten       Rahmen und Anreize

  Regierungen                  Privatwirtschaft           Regierungen                          Privatwirtschaft

  → Politikgestaltung          → Sektororganisation       → Politikgestaltung                  → Einkaufspraxis
  → Regulierung und Gesetze    → Einkaufspraxis           → Regulierung und Gesetze            → Nachhaltigkeits-
                                                                                                 instrumente,
  → Rechtsdurchsetzung         → Nachhaltigkeits-         → Rechtsdurchsetzung
                                                                                                 z. B. Standardsysteme
                                 instrumente,
                                                          → Öffentliche Beschaffung
                                 z. B. Standardsysteme                                         → Nachhaltigkeits-
                                                                                                 management
                               → Nachhaltigkeits-
                                 management                                                    → Sorgfaltspflichten
                               → Rückverfolgbarkeit,                                           → Rückverfolgbarkeit,
                                 Chain of Custody                                                Chain of Custody

                                            Unterstützende Prozesse

        Bildung und                   Finanzierung           Prozessmanagement                   Nichtregierungs-
     Bewusstseinsbildung              des Wandels              und Monitoring               organisationen und Medien

Quelle: GIZ
NACHHALTIGE AGRARLIEFERKETTEN Gemeinsam neue Wege gehen | 13

rer Sorgfaltspflicht nachkommen. Daher hat das        Neben der Einkaufspolitik von Unternehmen, ih­
Bundeskabinett im März 2021 den Entwurf eines         ren Sorgfaltspflichten und der Rückverfolgbarkeit
„Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfalts­       von Produkten können staatliche Regulierung und
pflichten in Lieferketten“ beschlossen. Bundestag     die Durchsetzung von Regeln auch entscheidende
und Bundesrat haben das Gesetz im Juni 2021           Stellschrauben sein, um nachhaltige Lieferketten
beschlossen.                                          zu etablieren. Das gilt für Deutschland und andere
                                                      Konsumländer, aber auch für die Produktionslän­
Auch die EU plant, den Rahmen für Nachhaltigkeit      der. An beiden Enden der Lieferkette legen Regie­
in Lieferketten genauer zu definieren: 2021 wird      rungen den Rahmen für wirtschaftliches Handeln
die Europäische Kommission Legislativvorschläge       fest. Aufgrund der häufig schwachen Rechtsdurch­
zu erstens unternehmerischen Sorgfaltspflichten       setzung kommt es zu Verstößen. Dieses Beispiel
für Menschenrechte und Umweltschutz allgemein         zeigt, wie wichtig die Identifikation relevanter
und zweitens spezifisch zu entwaldungsfreien          Stellschrauben ist. Gleichzeitig müssen alle Akteure
Lieferketten vorlegen. Das Europäische Parlament      aber auch befähigt sein, diese zu bedienen. Hier
hat sich bereits mehrfach durch Resolutionen für      setzt das BMZ in seiner Arbeit an: Wir unterstützen
ambitionierte Sorgfaltspflichten für Menschen­        Regierungen und relevante Akteure in ihrer Arbeit
rechte und Umwelt allgemein und spezifisch zu         für mehr Nachhaltigkeit.
entwaldungsfreien Lieferketten ausgesprochen.

                                                      Zivilgesellschaft
Großbritannien plant ebenfalls ein Gesetz, um Un­
ternehmen Sorgfaltspflichten zu illegaler Entwal­     Nachhaltigkeit ist eine Aufgabe für die gesamte
dung aufzuerlegen.                                    Gesellschaft. Damit Wandel wirklich nachhal­
                                                      tig ist, spielen auch andere Akteure außerhalb
Deutschland hat im April 2020 Leitlinien der Bun-     der Lieferketten eine wichtige Rolle: Medien
desregierung zur Förderung von entwaldungsfreien      und Nichtregierungsorganisationen beeinflus­
Lieferketten von Agrarrohstoffen verabschiedet, um    sen Politik und Unternehmen von außen durch
sich verstärkt auf internationaler Ebene und in der   Berichterstattung und Aufklärung. Sie decken
bilateralen Zusammenarbeit dafür zu engagieren,       Missstände auf und fordern Veränderungen ein.
Entwaldung in Agrarimporten zu reduzieren. Sie        Gleich zeitig erläutern sie Zusammenhänge und
sehen vor, dass die Bundesregierung künftig Initia­   sensibilisieren – in Konsum­ und Produktions­
tiven von Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Ver­      ländern. Generell trägt Bildung zu einer nachhal­
bänden fördert, Produktionsländer beim Aufbau         tigen Produktion und einem verantwortungsvol­
entwaldungsfreier Lieferketten unterstützt sowie      len Konsum bei. Nur wenn Produzentinnen und
die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene,         Produzenten über nachhaltige Anbaupraktiken
insbesondere mit anderen wichtigen Konsumen­          informiert sind, können sie diese auch einsetzen.
tenländern, vertieft.                                 Konsumentinnen und Konsumenten können
                                                      nur dann verantwortungsvolle Unternehmen
Das französische Gesetz über unternehmerische         unterstützen, wenn sie transparent über Nach­
Sorgfaltspflichten verpflichtet große Unterneh­       haltigkeit in der Lieferkette aufgeklärt werden.
men, Menschenrechts­ und Umweltrisiken zu             Informationen zu Produktionsbedingungen
identifizieren, diesen vorzubeugen und darüber        müssen verfügbar und möglichst leicht verständ­
öffentlich Rechenschaft abzulegen. Das niederlän­     lich aufbereitet sein.
dische Parlament hat im Mai 2019 ein Gesetz über
die Sorgfaltspflicht zur Vermeidung von Kinder­       Andere einflussreiche Akteure, die von außen einen
arbeit verabschiedet. Das neue Gesetz tritt voraus­   Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit unterstützen
sichtlich 2022 in Kraft.                              können, sind Banken sowie Investoren. Indem sie
                                                      Nachhaltigkeitskriterien für ihre Investitionen oder
14 | NACHHALTIGE AGRARLIEFERKETTEN Gemeinsam neue Wege gehen

Kreditvergaben festlegen, nehmen sie relevanten
Einfluss auf Lieferketten. Internationale Geber und    Übergreifend zusammenarbeiten
Stiftungen stellen Geld zur Verfügung, um Nach­
haltigkeit gerade in ärmeren Ländern zu fördern. So
finanzieren sie den Wandel mit.
                                                       Ein gutes Beispiel für die notwendige ressortüber-
Bei unseren ganzheitlichen Ansätzen müssen wir         greifende Zusammenarbeit ist etwa die Kooperation
in neuen Allianzen auf nationaler, europäischer        von BMZ und BMEL im Forum Nachhaltiger Kakao.
sowie internationaler Ebene zusammenarbeiten           Die Ministerien bündeln hier gemeinsam mit der
und gemeinsam an einem Strang ziehen. Hier geht        Süßwarenindustrie, dem Lebensmittelhandel und
es nicht um einzelstaatliche Interessen, möglichst     der Zivilgesellschaft ihre Kräfte, um einen nachhalti-
hohe Gewinne für Unternehmen oder die güns­            gen Kakaosektor zu erreichen. Darüber hinaus treten
tigsten Lebensmittel für Verbraucher, sondern um       Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und
die Zukunft unseres Planeten, den Erhalt unserer       Bundesentwicklungsminister Gerd Müller mit einem
Umwelt und das Anrecht eines jeden Menschen auf        Zehnpunkteplan für einen nachhaltigen Kakaosektor
würdige Lebensbedingungen. Das BMZ macht sich          ein, der alle deutschen Akteure einbindet. Gemeinsam
deshalb für Kooperationen stark – national und         wollen wir dafür sorgen, dass langfristig 100 Prozent
international.                                         der in Deutschland verkauften kakaohaltigen Endpro-
                                                       dukte aus zertifiziertem Anbau stammen. Gemeinsam
                                                       arbeiten wir am Waldschutz, verbessern die Lebens-
Unternehmen stehen in                                  bedingungen von Kakao produzierenden Familien in

der Pflicht                                            Westafrika, setzen uns gegen ausbeuterische Kinder-
                                                       arbeit ein und stärken die Rolle von Frauen im Kakao-
                                                       anbau. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, dem
Verbraucherinnen und Verbraucher können mit
                                                       viele weitere Schritte in anderen Bereichen globaler
ihren Kaufentscheidungen zwar Einfluss auf die
                                                       Agrarlieferketten folgen müssen.
Lieferkette nehmen, doch letztlich können sie nur
das einkaufen, was im Regal steht. Die Aufteilung
des gezahlten Preises auf alle Akteure entlang der
Lieferkette bestimmen nicht die Konsumentin­          Partnerländern einkaufen und weiterverarbeiten,
nen und Konsumenten selbst. Die Verantwortung         kommt eine besondere Verantwortung zu. Sie sind
dafür liegt beim Lebensmitteleinzelhandel und bei     in der Pflicht, nur solche Produkte in ihr Portfolio
den Lebensmittelherstellern und ihren Lieferanten.    aufzunehmen, die nachweislich Nachhaltigkeits­
Diese bestimmen die Produktions­ und Lieferbedin­     kriterien entsprechen.
gungen. Unternehmen, die Rohstoffe in unseren
                                                      Die Einkaufspraxis von Unternehmen ist eine
           „Der Kakaosektor zeigt:                    mächtige Stellschraube. Drehen Lebensmittelher­
      Ausbeuterische Kinderarbeit und                 steller in Deutschland an dieser Schraube, können
     illegale Entwaldung nehmen trotz                 sie direkten Einfluss auf die Produktionsbedin­
                                                      gungen in Partnerländern ausüben. Rückverfolg­
  deutlichem Anstieg des Marktanteils von
                                                      barkeit und die Einhaltung von Sorgfaltspflichten
    freiwilligen Standards wie Fairtrade
                                                      sind Stellschrauben, mit denen Unternehmen die
 und UTZ/Rainforest Alliance in den letzten
                                                      Nachhaltigkeit entlang der Lieferketten beeinflus­
 Jahren wieder zu. Deswegen brauchen wir              sen können. So können Unternehmen von ihren
   perspektivisch verbindliche Regeln auf             Lieferanten die Einhaltung bestimmter Sozial­ und
             europäischer Ebene.“                     Umweltstandards einfordern und damit Regeln für
          Bundesminister Dr. Gerd Müller              die gesamte Lieferkette bestimmen.
NACHHALTIGE AGRARLIEFERKETTEN Gemeinsam neue Wege gehen | 15

Ein Früchte tragender Kakaobaum
während der Trockenzeit.

 Anteil nachhaltig erzeugten Kakaos
 in den in Deutschland verkauften Süßwaren                                                         72 %
                                                                                        62 %
                                                                              55 %

                                                                   45 %
                                                           39 %

                                              27 %

                                18 %

                   7%
      3%

     2011         2012          2013          2014          2015   2016       2017      2018      2019

 Quelle: Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI)
16 | NACHHALTIGE AGRARLIEFERKETTEN Gemeinsam neue Wege gehen

Die Politik erwartet von Unternehmen, dass              Kein Hunger, keine Armut, Umwelt­ und Klima­
sie ihrer Sorgfaltspflicht gemäß den fünf Kernele­      schutz – das sind einige der 17 globalen Ziele für
menten der UN­Leitprinzipien für Wirtschaft und         nachhaltige Entwicklung, der Sustainable Develop-
Menschenrechte nachkommen. Sie sollten wissen,          ment Goals (SDGs). Die deutsche Bundesregierung
woher ihre Rohwaren stammen, und diese bis              hat sich zur Erreichung dieser 17 Ziele verpflichtet.
zur kleinbäuerlichen Erzeugung zurückverfolgen          Formuliert wurden sie in der Agenda 2030 für nach-
können. Das ist längst nicht immer der Fall. Aber       haltige Entwicklung der Vereinten Nationen und
schon heute stellen sich einige Unternehmen ihrer       richten sich an Regierungen weltweit, aber auch an
Verantwortung und arbeiten daran, ihre Lieferket­       die Zivilgesellschaft, die Privatwirtschaft und die
ten transparent, fair und nachhaltig zu gestalten.      Wissenschaft. Bis 2030 will die Weltgemeinschaft
Diese werden gut vorbereitet sein, wenn sich die        diese Ziele erreichen. Mit seinem Engagement für
politischen Rahmenbedingungen weiter verändern.         nachhaltige (Agrar­)Lieferketten leistet Deutsch­
Freiwillige Selbstverpflichtungen der Unternehmen       land einen Beitrag dazu.
sind eine Maßnahme für mehr Nachhaltigkeit.
                                                        Zudem hat sich die deutsche Bundesregierung zur
                                                        Einhaltung weiterer internationaler Abkommen
Starke internationale                                   und Initiativen verpflichtet. Dazu zählen insbeson­
                                                        dere das Pariser Klimaschutzabkommen (Paris
Kooperationen                                           Agreement) und die Konventionen der Vereinten
Auch auf europäischer und internationaler Ebene         Nationen zu Menschenrechten (Universal Declara-
sind starke Allianzen unerlässlich. Wir müssen          tion of Human Rights) und zur Biodiversität (Con-
intensiver über Grenzen hinweg denken und auf           vention on Biological Diversity) sowie internatio­
die gleichen Ziele hinarbeiten – nur so werden wir      nale Kernarbeitsnormen der International Labor
unserer Verantwortung gerecht, für eine faire Welt      Organization (ILO). Auch innerhalb der G7 und
zu kämpfen.                                             der G20 setzt sich Deutschland für mehr nachhal­

Nachhaltige Lieferketten zahlen auf die SDGs ein

 Lebensumstände von
                                    durch Integration in globale
 Kleinbäuerinnen und
                                    Lieferketten und faire Einkommen
 Kleinbauern verbessern

                                    durch entwaldungsfreie
 Förderung von
                                    Lieferketten und
 Umweltschutz
                                    Standardverbesserung

 Realisierung                       durch Einbindung aller
 nachhaltiger                       Akteure entlang
 Lieferketten                       der gesamten Lieferkette

 Stärkung
                                    durch Umsetzungskonzepte und
 unternehmerischer
                                    Öffentlichkeitsarbeit
 Verantwortung

Quelle: GIZ
NACHHALTIGE AGRARLIEFERKETTEN Gemeinsam neue Wege gehen | 17

                               Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit

                   ÖKOLOGISCHE                   ÖKONOMISCHE                      SOZIALE
                    DIMENSION                     DIMENSION                      DIMENSION
                     Waldschutz,                Durch nachhaltige              Faire Einkommen
                 Biodiversitätsschutz,           Anbaumethoden                erwirtschaften, faire
                   Bodenschutz und              Rohstoffe sichern             Löhne zahlen, Men-
                 Bodenrehabilitierung,                                       schenrechte einhalten,
                Schutz von Süßwasser-                                        ausbeuterische Kinder-
                    ressourcen etc.                                           arbeit vermeiden etc.

  Quelle: GIZ

tiges Wirtschaften ein: Mit seinem Marshallplan         Handelsabkommen der EU mit Drittstaaten die
mit Afrika möchte Deutschland Partnerländer in          Nachhaltigkeit von Agrarrohstoffen verbindlich
Afrika bei einer nachhaltigen wirtschaftlichen          regeln.
Entwicklung unterstützen. Mit dem multilateralen
Abkommen für Handelserleichterungen der Welt­
handelsorganisation (WTO) können inländische            Gemeinsam nachhaltig
Verfahren in Entwicklungsländern bei ihren
Exporten vereinfacht und unnötige Gebühren              handeln
abgesenkt werden. Industrieländer sollen Entwick­       Unsere Strategie ist klar: Regierungen und die
lungsländer hierbei unterstützen. Auch innerhalb        Privatwirtschaft müssen entlang der gesamten
der WTO hat sich Deutschland für Entwicklungs­          Lieferkette noch enger zusammenarbeiten. Diese
länder eingesetzt.                                      Zusammenarbeit darf nicht an Ländergrenzen
                                                        oder Zuständigkeitsbereichen enden. Es gilt, mit
In der New York Declaration on Forests hat sich die     unseren Maßnahmen die gesamte Lieferkette von
deutsche Bundesregierung zusammen mit anderen           den Kleinbäuerinnen und ­bauern im Produkti­
Regierungen und Unternehmen dazu verpflichtet,          onsland bis hin zu den Endverbraucherinnen und
die Entwaldung bis 2030 zu stoppen. Und auch auf        ­verbrauchern im Konsumland zu erreichen. Zi­
EU­Ebene setzt sich das BMZ für Maßnahmen zur           vilgesellschaftliche Akteure und Medien begleiten
Verbesserung von Nachhaltigkeit in Lieferketten         diesen Wandel. Wir handeln dabei immer im Sinne
ein: Um entwaldungsfreie Agrarlieferketten zu           der Nachhaltigkeit. Das bedeutet, dass wir bei der
fördern, haben 2015 sieben europäische Regierun­        Entwicklung konkreter Maßnahmen immer drei
gen, darunter Deutschland, die Amsterdam­Er­            Dimensionen berücksichtigen: Ökologie, Ökono­
klärungen zu Waldschutz in globalen Lieferketten        mie und Soziales. Nur so können wir Agrarliefer­
und nachhaltigerem Palmölanbau unterzeichnet.           ketten wirklich nachhaltig gestalten.
Außerdem fordert das BMZ, dass internationale
18 | NACHHALTIGE AGRARLIEFERKETTEN Unsere Aktionsfelder

Baumwollsamen werden von
den Fasern getrennt und später zu Öl
oder Saatgut weiterverarbeitet.

folgt
| 19

3. Unsere Aktionsfelder
Wollen wir mehr Nachhaltigkeit in Agrarlieferketten bringen, dürfen wir nicht
mit einzelnen Maßnahmen isolierte Teilbereiche entlang der Wertschöpfungskette
in den Fokus nehmen. Unsere Maßnahmen müssen ineinandergreifen und gleich­
zeitig auf die verschiedenen Rohstoffe und Produktionsorte zugeschnitten sein.
Sie richten sich an alle: Produzierende, Regierungen, Unternehmen, Verbraucherin-
nen und Verbraucher.

Wie wir Nachhaltigkeit in g­ lobale                   Fehlt Geld für Investitionen, leidet die landwirt­
                                                      schaftliche Pro­duk­tivität. Armut und daraus resul­
Agrarlieferketten bringen                             tierende ausbeuterische Kinderarbeit sind häufig
Wie können wir unsere Strategie ganz konkret in       die Folgen. Viele Familien ver­lassen ihre Betriebe,
der Praxis umsetzen? Das BMZ arbeitet in unter­       die ländliche Region oder gar ihre Heimat und
schiedlichen Aktions­feldern. Wir denken immer        begeben sich auf die Suche nach einem besseren
lokal, regional, national und international. So       Leben.
setzen wir sowohl in den Partnerländern als auch
hier in Deutschland verschiedene Hebel in Bewe­       Um diese Zustände zu beenden, muss Transpa­
gung, um mehr Nachhaltigkeit in Lieferketten zu       renz entlang der gesamten Lieferkette geschaf­
erreichen. Dabei nehmen wir die gesamte Liefer­       fen werden. Ein wichtiger Schritt ist die Errei­
kette in den Fokus – vom Produktionsland bis ins      chung von existenz­s ichernden Einkommen für
Konsumland.                                           die Bäuerinnen und Bauern. Dazu berechnen wir,
                                                      wie hoch ein faires Einkommen sein sollte, und
Wir setzen auf eine Kombination verschiedener         haben zum Beispiel mit deutschen Einzelhändlern
Mittel, die ineinandergreifen. Unsere Maßnahmen       eine Arbeitsgruppe gegründet, um die Einkommen
stellen wir im Folgenden vor.                         am Anfang der Lieferkette zu erhöhen.

                                                      An welchen Stellschrauben drehen
Maßnahmen in                                          wir bereits?
                                                      Wir zeigen auf, wie groß die Einkommenslücke
Produktionsländern                                    für ­Bäuerinnen und Bauern in unterschiedlichen
                                                      Teilen der Welt ist.
Faire Einkommen
Ein großer Teil der Menschen am Anfang der            Zusätzlich erarbeiten wir zusammen mit der Privat­
Lieferkette erwirtschaftet trotz Arbeit nicht genug   wirtschaft, Regierungen und der Zivilgesellschaft
Geld, um mit der eigenen Familie ein einfaches,       innovative Ansätze zur Verbesserung der Einkom­
aber gutes Leben führen zu können. Oft reicht         menssituation von Kleinbäuerinnen und -bauern
das Geld nicht einmal zum bloßen Überleben und        und ihren Familien.
schon gar nicht für Investitionen in den eigenen
­Betrieb. Das betrifft insbesondere Kleinbäuerinnen
 und -bauern in Afrika, Asien und Lateinamerika.
20 | NACHHALTIGE AGRARLIEFERKETTEN Unsere Aktionsfelder

WIRKUNG                                                         nehmen schaden. Als Gegenmaßnahme gilt es,
                                                                die Einkommen der Bäuerinnen und Bauern zu
Im besten Fall bewirkt mehr Transparenz über wirk-
                                                                verbessern. Firmen und Regierungen müssen
lich existenzsichernde Einkommen ein Umdenken
                                                                die Produktionsbedingungen vor Ort kennen
bei der Preisgestaltung von Produkten. Bei den
                                                                und unterstützende Maßnahmen für gute land­
Bäuerinnen und Bauern muss mehr Geld ankommen.
                                                                wirtschaftliche Praktiken oder Arbeitssicherheit
Das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer
                                                                einführen. Unternehmen müssen langfristige
fairen Bezahlung.
                                                                Verträge mit den Produzenten aufsetzen und
                                                                faire Preise zahlen. Bisher gibt es jedoch noch
An welchen Stellschrauben müssen                                nicht genug Unternehmen, die diesen Ansatz
wir noch drehen?                                                ernsthaft verfolgen.
→ Nachhaltige Geschäftsbeziehungen fördern: Vie­              → Bei Zertifizierungen einen Fokus auf existenz­
   le Firmen und Regierungen wissen nicht, unter                sichernde Einkommen legen: Zertifizierungen
   welchen Bedingungen ihre Rohstoffe angebaut                  von Produkten allein können oftmals nicht
   wurden. Sie zahlen so geringe Preise für die                 sicherstellen, dass die Produzenten ein existenz­
   Ware, dass diese weder die Produktionskosten                 sicherndes Einkommen erhalten. Einige Stan-
   abdecken noch ein existenzsicherndes Ein­                    dardsysteme versuchen, durch die Festlegung
   kommen ermöglichen können. Oftmals gibt es                   von zusätzlichen Prämien und Mindest preisen
   keine direkte und langfristige Beziehung zu den              ein besseres Einkommen der Kleinbäuerinnen
   Produzenten. Dabei wäre das sinnvoll für Unter­              und ­bauern zu erreichen. Deshalb unterstützen
   nehmen, um den eigenen Rohstoffbezug nach­                   wir Standardsysteme dabei, existenzsichernde
   haltig zu sichern. Wenn Produzenten aus Armut                Einkommen als Kriterium zu integrieren und
   ihre Betriebe aufgeben, kann dies auch Unter­                umzusetzen. Damit Handel und Konsumenten

Berechnung eines fairen Einkommens

         ESSEN                          SONSTIGE KOSTEN                    Faires              Tatsächliches
         228 € pro Monat                172 € pro Monat              Einkommen für eine     Einkommen für eine
                                                                      7-köpfige Familie      7-köpfige Familie

         UNTERKUNFT                    RISIKOAUFSCHLAG                     478 €                  172 €
                                       23 € pro Monat                     pro Monat              pro Monat
         55 € pro Monat

Beispiel einer Kakao produzierenden Familie in Côte d’Ivoire, zu der durchschnittlich sieben Personen gehören.

  DEFINITION: LIVING INCOME / FAIRE EINKOMMEN
  Nettojahreseinkommen eines Haushalts, das unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen an einem be-
  stimmten Ort verdient wird und ausreicht, um allen Mitgliedern des Haushalts einen angemessenen Lebens-
  standard zu ermöglichen. Aspekte, die bei der Berechnung eines existenzsichernden Einkommens einbezogen
  werden, sind: Nahrung, Wasser, Wohnen, Bildung, Gesundheitsversorgung, Transport, Kleidung und andere
  wesentliche Bedürfnisse, einschließlich Vorkehrungen für unerwartete Ereignisse.
  Quelle: The Living Income Community of Practice, 2015
NACHHALTIGE AGRARLIEFERKETTEN Unsere Aktionsfelder | 21

   Aufforstung kann einen
   wertvollen Beitrag zum Klima-
   schutz leisten. Noch wichtiger ist
   es jedoch, Urwälder mit ihrer besonders
   hohen Artenvielfalt zu bewahren.

   beim Einkauf von zertifizierten Produkten             Abnehmern entlang der globalen Lieferketten wer­
   sicher sein können, dass Kleinbäuerinnen und          den diese zum Ausgangspunkt entwaldungsfreier
   ­bauern aus der Produktion ein existenzsi­            Lieferketten. Der Ansatz umfasst alle Rohstoffe, die
   cherndes Einkommen erwirtschaften.                    in der Region produziert werden. Zur Überwachung
                                                         durch die Lokalregierung und unabhängige Dritte
                                                         können verschiedene digitale Systeme (satelliten­
Nachhaltige Anbauregionen                                oder luftbildbasiert) genutzt werden. Über diese
aufbauen                                                 können Unternehmen und die Lokalregierung
Ziel dieser Maßnahme ist die Verbesserung der            nachweisen, dass sie Nachhaltigkeitsregeln ein­
Lebensbedingungen von Kleinbäuerinnen und                halten, zum Beispiel dass die Entwaldung in ihrer
­bauern und eine nachhaltige Entwicklung in der          Lieferkette nicht weiter voranschreitet. Digitale
gesamten Region. Die lokale Regierung im Produk­         Lösungen zur Rückverfolgbarkeit helfen hier, den
tionsland legt gemeinsam mit zivilen und wirt­           Nachhaltigkeitsstatus permanent zu verifizieren
schaftlichen Akteuren, die in einer Region aktiv         und gegebenenfalls zu inter venieren. Nachhaltige
sind, fest, wie die Landnutzung nachhaltig gestaltet     Anbauregionen verbessern auch die Lebenssitua­
und umgesetzt wird. Gemeinsam entscheiden sie,           tion von Bäuerinnen und Bauern. Innerhalb der
in welchen Gebieten nachhaltige Landwirtschaft           Regionen erhalten sie Schulungen zu nachhalti­
betrieben wird, welche Gebiete als Schutzzonen           gen Anbaupraktiken und guter Betriebsführung.
ausgewiesen werden und wo wirtschaftliche be­            Außerdem verbessert sich ihre wirtschaftliche
ziehungsweise industrielle Entwicklung gefördert         Situation durch die direkte Anbindung an globale
wird. Diese Maßnahme stärkt die Nachhaltigkeit           Lieferketten.
innerhalb der administrativen Verwaltungseinheit
(Distrikt, Region, Provinz oder Ähnliches).              Nachhaltige Anbauregionen erfordern nachhaltige
                                                         Landnutzung. Dieses gelingt beispielsweise durch
Durch eine gemeinsame Landnutzungsplanung                den Verzicht auf gesundheitsschädliche Chemikalien.
und deren Umsetzung gehen wirtschaftliche und            Das BMZ unterstützt Kleinbäuerinnen und ­bauern
ökologische Entscheidungen in einer nachhaltigen         auf der ganzen Welt dabei, agrarökologische Prinzipi­
Anbauregion Hand in Hand. Durch die Verknüp­             en anzuwenden und so wirtschaftliche, ökologische
fung solcher nachhaltigen Produktionsregionen mit        und soziale Anliegen zu verbinden.
22 | NACHHALTIGE AGRARLIEFERKETTEN Unsere Aktionsfelder

Die Gleichberechtigung der Frau stärken
Viele Haushalte in ländlichen Regionen in Entwicklungsländern werden von Frau-
en geführt. Sie spielen eine zentrale Rolle bei der Bewirtschaftung von Land
und für das Wohl ihrer Familien. Die Stärkung der Rolle der Frau – durch Aus- und
Fortbildungen sowie Mitspracherechte bei der Verteilung von Land und Ressour-
cen – birgt Potenzial, die Erträge in der Landwirtschaft zu steigern und eine
nachhaltige Entwicklung ländlicher Regionen zu fördern.

                                                    FRAUEN IM KAKAOSEKTOR
                                                    PRO-PLANTEURS ist ein gemeinsames Projekt des
                                                    Forum Nachhaltiger Kakao e. V., der ivorischen Regie-
                                                    rung und der Bundesregierung in Côte d’Ivoire. Das
                                                    Projekt legt einen Fokus auf Frauen. Es schafft zu-
                                                    sätzliche Einkommensmöglichkeiten für sie, etwa
                                                    durch den Anbau weiterer Nahrungsfrüchte sowie
                                                    Fisch- und Hühnerhaltung, und gibt den Familien
                                                    damit auch Ernährungssicherheit.

An welchen Stellschrauben drehen                              die ähnlich wie bei einem Standardsystem
wir bereits?                                                  Kriterien festlegen und nachprüfen. Diese An­
Das BMZ fördert den Aufbau von nachhaltigen                   strengungen unterstützen wir.
Anbauregionen in Indonesien und Côte d’Ivoire               → Vorteile nachhaltiger Anbauregionen sicht­
und weitet diesen Ansatz auch in Äthiopien und                bar machen und Beziehungen stärken: Da­
Kolumbien aus. In Partnerschaft mit der lokalen               mit nachhaltige Anbauregionen auf Dauer
Regierung, der Zivilgesellschaft und Unternehmen              entstehen, bedarf es Unternehmen, die den
wird jeweils eine nachhaltige Beschaffungsregion              wirtschaftlichen Vorteil solcher Ansätze klar
aufgebaut. Landwirtschaft, Waldschutz und wirt­               erkennen und nutzen. Dafür müssen wir die
schaftliche Entwicklung werden gleichberechtigt               Beziehungen zwischen einkaufenden Unter­
angesprochen und die Herausforderung in einem                 nehmen und lokalen Verwaltungseinheiten
Gesamtansatz angegangen.                                      stärken.

WIRKUNG
                                                            Standardsysteme verbessern
Durch unsere Unterstützung lokaler Regierungen
und Unternehmen in Produktions- und Konsum-                 Standardsysteme, wie Fairtrade, Rainforest Alli­
ländern tragen wir zu einer nachhaltigeren Land-            ance oder der Roundtable for Sustainable Palm Oil
nutzungsplanung und damit zum Waldschutz bei.               (RSPO), sind ein Weg, um Nachhaltigkeit entlang
                                                            der gesamten Lieferkette durchzusetzen. Sie geben
                                                            Kriterien vor, nach denen produziert, gehandelt
An welchen Stellschrauben müssen                            und weiterverarbeitet werden darf. Die Einhaltung
wir noch drehen?                                            dieser Kriterien überwachen unabhängige Audito­
→ Damit allgemeingültige Aussagen über die                  ren. Standardsysteme machen es Verbraucherin­
   Nachhaltigkeit einer Region getroffen werden             nen und Verbrauchern, aber auch Unternehmen
   können, bedarf es unabhängiger Institutionen,            durch ihre Siegel leichter, nachhaltig einzukaufen.
NACHHALTIGE AGRARLIEFERKETTEN Unsere Aktionsfelder | 23

Zertifizierte Waren zu beschaffen und einzukaufen          An welchen Stellschrauben müssen
ist einer der effizientesten Wege für Unternehmen,         wir noch drehen?
die Nachhaltigkeit ihrer Produkte zu verbessern.           → Auf zertifizierte Produkte setzen: Zertifizier­
                                                             te Waren kosten mehr, weil die nachhaltigere
Wo Nachhaltigkeit draufsteht, muss allerdings                Produktion aufwendiger ist. Leider werden
auch Nachhaltigkeit drin sein. Deshalb müssen                längst nicht alle Rohstoffe, die unter Einhal­
sich die Kriterien von Standardsystemen weiter               tung eines Nachhaltigkeitsstandards produziert
verbessern und ihre Einhaltung stärker kontrol­              wurden, auch zu einem höheren Preis verkauft.
liert werden. Landschaftliche Ansätze, wie wir               Der Grund: Es gibt nicht genug Abnehmer. Hier
sie für nachhaltige Anbauregionen benötigen,                 sind wir als Konsumenten gefragt, beim Einkauf
werden von Standardsystemen bisher nur verein­               auf zertifizierte Produkte zu achten und deren
zelt aufgegriffen. Sie beziehen sich bislang vor­            Marktposition so zu stärken. Aber auch Unter­
nehmlich auf einzelne Produktionseinheiten. Um               nehmen können in ihrer Einkaufspraxis ver­
Nachhaltigkeit in die Breite zu tragen und Insellö­          stärkt auf zertifizierte Rohstoffe setzen.
sungen auf einzelnen Anbauflächen zu vermeiden,            → Mit der Entwicklung von Standardsystemen ist
unterstützen wir die Entwicklung von Standards               ein neues Instrument entstanden, um Nachhal­
für nachhaltige Landschaften.                                tigkeit in globalen Lieferketten zu verankern.
                                                             Die Regierungen von Konsum­ wie Produk­
An welchen Stellschrauben drehen                             tionsländern sollten das privatwirtschaftliche
wir bereits?                                                 Engagement durch politische und gesetzliche
Das BMZ fördert den nachhaltigen Anbau in                    Rahmenbedingungen unterstützen, die nach­
ganzen Landschaften oder Regionen. Dafür steht               haltig produzierte Rohstoffe in der Steuer und
es, vertreten durch die Deutsche Gesellschaft                Handelspolitik besonders fördern.
für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), in
stetigem Austausch mit den Standardsetzern. Die
GIZ kooperiert mit dem Standardverband ISEAL
Alliance, um die Kriterien der Standardsysteme
im Hinblick auf ganzheitliche landschaftliche
Ansätze zu ergänzen. Über die GIZ engagiert sich
das BMZ für die weitere Verbesserung der Nach­
haltigkeitsstandards. Das geschieht zum Beispiel
durch deren Überarbeitung, um sie zu schärfen
und Themenbereiche zu stärken, die für das BMZ
von zentraler Bedeutung sind.

Außerdem sorgen wir für Transparenz. Auf der
Website www.siegelklarheit.de informieren wir
Konsumentinnen und Konsumenten über die ver­
schiedenen Kriterien von Nachhaltigkeitsstandards.

WIRKUNG
Durch ihre Siegel machen Standardsysteme es Unter-
nehmen sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern
leichter, nachhaltig einzukaufen. Sie wirken so auf
die soziale und ökologische Nachhaltigkeit vor Ort            Getrocknete Kakaobohnen
und entlang der Lieferketten ein.
24 | NACHHALTIGE AGRARLIEFERKETTEN Unsere Aktionsfelder

Rahmenbedingungen vor Ort                            Maßnahmen in Deutschland und
verbessern
                                                     der EU
An welchen Stellschrauben drehen
wir bereits?                                         Multi-Akteurs-Partnerschaften bilden
Das BMZ arbeitet in vielen Projekten mit seinen
Partnerländern daran, die Rahmenbedingungen          Multi­Akteurs­Partnerschaften (MAP) – das sind
vor Ort zu verbessern. Durch landwirtschaftliche     Zusammenschlüsse von Akteuren aus Wirtschaft,
Projekte wollen wir die Situation der ländlichen     Zivilgesellschaft, Wissenschaft und der Regie­
Bevölkerung stärken. Bäuerinnen und Bauern           rung. Sie sind ein Weg, einen Wirtschaftssektor
lernen gute Agrarpraktiken und Betriebsführung.      hin zu mehr Nachhaltigkeit zu verändern. In
Sie lernen, wie sie Qualitätsstandards einhalten,    Multi­Akteurs­Partnerschaften einigen sich die
um ihre Möglichkeiten, am Markt teilzunehmen,        Akteure eines Wirtschaftssektors auf Ziele, die
zu erhöhen.                                          sie gemeinschaftlich erreichen wollen. Ein Zu­
                                                     sammenschluss vieler bewirkt mehr, als einzelne
Hierbei wird auch beachtet, welche Möglich keiten    Unternehmen oder Nichtregierungsorganisati­
moderne Informations­ und Kommunikations­            onen allein erreichen könnten. Multi­Akteurs­
technologien (IKT) bieten, um die Herausforderun­    Partnerschaften sind ein zentrales Instrument zur
gen in den unterschiedlichen globalen Agrarliefer­   Umsetzung der Agenda 2030.
ketten zu bewältigen. Digitale Bildungsangebote
können beim Anbau von Rohstoffen helfen.             An welchen Stellschrauben drehen
Digitale Informationen, etwa über Rohstoffpreise     wir bereits?
per SMS, erhöhen Transparenz und Fairness im         In Deutschland fördert die Bundesregierung ver­
Verkauf.                                             schiedene Multi­Akteurs­Partnerschaften.

WIRKUNG                                              Beispiel Partnerschaften für Nachhaltigen
Mit der Unterstützung guter Regierungsführung,       Orangensaft:
Kapazitätsaufbau und Trainings fördern wir bessere
Landnutzung und nachhaltige Anbaumethoden. So
tragen wir zu höheren Einkommen und besserem
Umweltschutz bei.

                                                     2020 startete das BMZ zusammen mit großen
An welchen Stellschrauben müssen                     deutschen Handelsketten und Saftherstellern
wir noch drehen?                                     wie Beckers Bester, Kaufland und Rewe, den
→ Monitoring: Regierungen und Unternehmen            Gewerkschaften und Fairtrade die Initiative
  müssen zum Schutz der Wälder vor Entwaldung        Partnerschaft für nachhaltigen Orangensaft
  verlässliche Waldmonitoringsysteme etablieren.     (PANAO). Das Ziel dieser Multi­Akteurs­Partner­
→ Rückverfolgbarkeit ermöglichen: Zur Sicherung      schaft ist es, existenzsichernde Einkommen für
  der Agrarlieferketten müssen Rückverfolgbar­       Orangensaft zu verankern, um die Orangensaft
  keitssysteme etabliert werden, die die Zuord­      Lieferkette fairer zu gestalten. Die Initiative
  nung der Rohstoffe bis hin zu den Kleinbäue­       setzt sich für mehr Arbeitsschutz, soziale Gerech­
  rinnen und ­bauern ermöglichen.                    tigkeit und die Zahlung existenzsichernder Löhne
                                                     bei der Produktion ein, insbesondere im Haupt­
                                                     anbauland Brasilien.
NACHHALTIGE AGRARLIEFERKETTEN Unsere Aktionsfelder | 25

Die INA versammelt rund 90 Akteure aus Privat-          stehen existenzsichernde Einkommen und Löhne
wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik. Gemeinsam    sowie Waldschutz. Die INA dient außerdem als
wollen sie durch ganzheitliche Lösungsansätze           Wissensplattform und Servicestelle. Sie schafft
die Lebensbedingungen von Kleinbäuerinnen und           damit Raum für Synergien, zum Beispiel mit Blick
-bauern verbessern und mehr Nachhaltigkeit in           auf digitale Lösungen sowie für mehr Transparenz in
globale Agrarlieferketten bringen. Dabei setzen         der Lieferkette.
sie – zusätzlich zum Engagement bei einzelnen
Rohstoffen und Lieferketten – auf die Entwicklung       Weitere Informationen finden Sie auf
nachhaltiger Regionen. Im Fokus der Arbeit der INA      www.nachhaltige-agrarlieferketten.org

                                                                                           Kleinbäuerin auf
                                                                                               einem Markt
                                                                                               in Äthiopien
26 | NACHHALTIGE AGRARLIEFERKETTEN Unsere Aktionsfelder

Beispiel Global Platform for Sustainable                   rinnen und Ansprechpartnern treten. Das wür­
Natural Rubber:                                            de für mehr Transparenz und Kommunikation
Als Antwort auf die ökologischen und sozialen              sorgen. So könnten Nachhaltigkeitsziele noch
Risiken im Naturkautschuk­Sektor wurde die                 besser vereinbart und durchgesetzt werden.
unabhängige Globale Plattform für nachhaltigen
Naturkautschuk (Global Platform for Sustainable         Faire Handelspolitik etablieren
Natural Rubber, GPSNR) im Oktober 2018 von den
elf führenden Reifenkonzernen ins Leben gerufen.        Die Regeln des internationalen Handels und von
Ziel der Plattform ist die Schaffung einer fairen       bilateralen Freihandelsabkommen bestimmen den
und ökologisch vertretbaren Naturkautschuk­             Marktzugang von Produkten. Zielen diese Regeln
Lieferkette. Gemeinsam entwickeln Reifenher­            auf Nachhaltigkeit ab, haben sie eine positive Wir­
steller, Gummilieferanten und ­weiterverarbeiter,       kung, was nachhaltige Produktionsbedingungen
Fahrzeughersteller und zivilgesellschaftliche           betrifft.
Organisationen Lösungsansätze zu komplexen
Herausforderungen innerhalb der Lieferkette und         An welchen Stellschrauben drehen
tragen so zur nachhaltigen Gestaltung des Natur­        wir bereits?
kautschuk­Sektors bei.                                  Das BMZ setzt sich für eine faire EU­Handelspoli­
                                                        tik ein. Genauso setzt sich das BMZ für Kapitel in
WIRKUNG                                                 Freihandelsabkommen ein, die Vereinbarungen
Multi-Akteurs-Partnerschaften tragen zur Umset-         zur nachhaltigen Entwicklung enthalten. Die Ver­
zung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung        einbarungen sind verbindlicher zu gestalten und
bei. In partnerschaftlicher Zusammenarbeit werden       im besten Fall einklagbar, so wie Vereinbarungen
gemeinsame Ziele und Beiträge der Teilnehmer ver-       im Investitionskapitel. Dazu schließen wir uns mit
einbart. So können sich zum Beispiel Unternehmen        anderen EU­Ländern zusammen.
zur Umsetzung nachhaltiger Einkaufspraktiken ver-
                                                        WIRKUNG
pflichten. Kaufen Unternehmen der MAP ausschließ-
lich zertifizierten Kakao, so können die Vereinbarun-   Indem die EU auf verbindliche, faire Handels-
gen der Multi-Akteurs-Partnerschaft einen direkten,     oder Zollbestimmungen besteht, verändert sie die
positiven Einfluss auf eine nachhaltige Entwicklung     Produktion von Agrarrohstoffen in Partnerländern
nehmen.                                                 positiv.

An welchen Stellschrauben müssen                        An welchen Stellschrauben müssen
wir noch drehen?                                        wir noch drehen?
→ Multi­Akteurs­Partnerschaften in den Partner­         → Netzwerke bilden: Akteure innerhalb der
   ländern bilden und stärken: Bisher nutzen wir          Privatwirtschaft und Regierungen, die für eine
   Multi­Akteurs­Partnerschaften hauptsächlich            fairere Handelspolitik kämpfen, müssen sich
   in Deutschland und Europa. Aber auch in An­            noch stärker strategisch vernetzen.
   bauländern können sie helfen, Ziele für mehr         → Einhaltung der Menschenrechte zur Bedingung
   Nachhaltigkeit durchzusetzen. Außerdem wür­            machen: Auch innerhalb des internationalen
   den Multi­Akteurs­Partnerschaften am Anfang            Handelssystems, also innerhalb der WTO­
   der Lieferkette helfen, einen besseren Dialog          Regeln, sollten Standardsysteme als vorwett­
   mit lokalen Regierungen, Bäuerinnen und                bewerbliche Regeln (precompetitive criteria)
   Bauern sowie industriellen Produzentinnen              gesehen werden. Im Moment ist es nach WTO­
   und Produzenten zu führen. Multi­Akteurs­              Regeln erlaubt, Produkten den Zugang zum
   Partnerschaften in Deutschland könnten dann            EU­Markt zu verwehren, wenn sie bestimmte
   in direkten Dialog mit lokalen Ansprechpartne­         Lebensmittelstandards nicht erfüllen. Dagegen
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