MASSENMARKT SERVICEROBOTIK - IIT Berlin
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MASSENMARKT SERVICEROBOTIK HERAUSFORDERUNGEN UND POTENZIALE FÜR HERSTELLER UND ZULIEFERER IN DEUTSCHLAND Kurzstudie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Rahmen der Begleitforschung zum Technologieprogramm PAiCE – Platforms | Additive Manufacturing | Imaging | Communication | Engineering
Impressum MASSENMARKT Herausgeber Begleitforschung PAiCE iit-Institut für Innovation und Technik in der VDI / VDE Innovation + Technik GmbH Peter Gabriel SERVICEROBOTIK Steinplatz 1 10623 Berlin gabriel@iit-berlin.de Autoren Dr. Matthias Bürger Dr. Jens Schulz HERAUSFORDERUNGEN UND POTENZIALE FÜR HERSTELLER UND Peter Gabriel Gestaltung LoeschHundLiepold Kommunikation GmbH ZULIEFERER IN DEUTSCHLAND Hauptstraße 28 10827 Berlin paice@lhlk.de Stand Dezember 2020 Kurzstudie im Auftrag des Bundesministeriums Bilder Begleitforschung PAiCE für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Rahmen der Begleitforschung zum Technologieprogramm PAiCE – Platforms | Additive Manufacturing | Imaging | Communication | Engineering
4 MASSENMARKT SERVICEROBOTIK MASSENMARKT SERVICEROBOTIK 5 Executive Summary Die vorliegende Studie liefert erstmals eine Schätzung der Umsatz- und Wertschöp- Als mögliche deutsche Herstellerunternehmen kommen insbesondere P roduzenten von fungspotenziale für Roboterhersteller und Komponentenzulieferer im zukünftigen Elektrowerkzeugen und weißer Ware in Betracht, die eine entsprechende Serienfertigung B2C-Markt der Servicerobotik. Grundlage hierfür bilden Schätzungen von Expertin- beherrschen, den Konsumentenmarkt kennen und über die notwendigen finanziellen Res- nen und Experten zu den relevanten Komponenten entsprechender Serviceroboter sourcen verfügen. Gerade für die Herstellerunternehmen von Elektrowerkzeugen bieten und deren Preisen im Rahmen einer nicht-repräsentativen Befragung. Die Analyse sich dabei Synergieeffekte durch die Verwendung gleicher Bauteile sowie die Möglichkeit hat einen ausgeprägten explorativen Charakter. Die Ergebnisse sind dementspre- zur Integration vorgelagerter Wertschöpfungsstufen. Bei anderen Akteursgruppen wie z. B. chend als erste vorsichtige Näherung zu interpretieren. Automobilherstellern, die bereits in Japan als Robotik-Anbieter in Erscheinung treten, In- dustrierobotik-Anbietern und Start-ups sind die individuellen Hürden aus unterschiedlichen Ausgangspunkt der Studie ist die Annahme, dass es im Massenmarkt tendenziell Gründen deutlich höher. drei Arten von Servicerobotern geben wird: mobile Einheiten, insbesondere zum Transport von Gegenständen, Auf Ebene der Komponentenhersteller sind besonders die Segmente für E-Motoren, stationäre Roboterarme zur Manipulation von Objekten sowie Sensorik, Greiftechnik und für den Spritzguss von Kunststoffteilen wie Rädern, Getrieben mobile Roboterarme als eine Kombination von beiden. und Roboterarmgliedern relevant. In einem mittleren Markt mit einer Stückzahl von 10 Mio. verkauften Einheiten ergibt sich dabei ein Marktvolumen von rund 4,27 Mrd. EUR für das Für den sicheren Einsatz in Privat- und Arbeitsumgebungen müssen diese Service- Segment der E-Motoren, 1,55 Mrd. EUR für die Anbieter von Sensoren, 1,33 Mrd. im roboter die Vorgaben der ISO/TS 15066 (Roboter und Robotikgeräte - Kollaborieren- Bereich der Greiftechnik sowie 933 Mio. für den Kunststoff-Spritzguss. Damit wird auch de Roboter) erfüllen. Im Massenmarkt sollten Roboter zudem über eine I/O-Einheit deutlich, dass die Potenziale auf Komponenten-Ebene im Vergleich zu den Potenzialen für verfügen, die eine möglichst intuitive Ein- und Ausgabe von Daten ermöglicht, so die Roboterhersteller eher gering ausfallen. Selbst wenn es bspw. den deutschen Sensor- dass die Bedienung ohne Schulung oder zusätzliche Sicherheitseinrichtungen ge- herstellern gelingt, ihren derzeitigen Marktanteil in Höhe von 20 % im Massenmarkt zu währleistet wird. Die Benutzerschnittstelle kann dabei fast vollständig an Peripherie- behaupten, entspräche das im mittleren Szenario bei 10 Mio. verkauften Robotern einem geräte, wie z. B. Tablets oder Smartphones, ausgelagert werden. Mobile Roboter Umsatz von lediglich 310 Mio. EUR, verglichen mit einem derzeitigen Umsatz von einigen müssen in der Lage sein, sich innerhalb abgegrenzter Bereiche semi-/autonom zehn Milliarden EUR (AMA, 2018). bewegen zu können, wobei eine Genauigkeit im cm-Bereich als ausreichend anzu- sehen ist. Bei der Manipulation von Objekten dagegen ist eine Positioniergenauig- Um als Komponentenhersteller am Massenmarkt teilzuhaben, müssen sich deutsche keit von ca. 5 mm und eine Greifer-Spannweite von 150 mm erstrebenswert, um Unternehmen aus der Elektroindustrie, die bisher E-Motoren, Sensoren und Greifer für die Objekte des täglichen Lebens, die auch ein Mensch mit einer Hand bewegen kann, Industrie herstellen, auf eine Massenfertigung einlassen. Insbesondere Automobilzulieferun- sicher greifen zu können. Das Systemgewicht dieser Roboter sollte aufgrund logisti- ternehmen kennen den dort vorherrschenden Preisdruck bereits und verfügen über die ent- scher Überlegungen 25 kg nicht überschreiten. sprechende Erfahrung in der Großserienproduktion. Als Zulieferer für europäische Roboter- hersteller können sich darüber hinaus Chancen für deutsche Spritzguss-Unternehmen bieten. Ausgehend von Schätzungen der Komponentenpreise ergeben sich Verkaufs- preise für die finalen Endprodukte im Massenmarkt von knapp 1.600 EUR für eine Die Software zum Betrieb der Roboterapplikationen ist ein zentraler Bestandteil zukünftiger mobile Einheit und rund 3.800 EUR für einen Roboterarm bzw. ca. 4.600 EUR für Massenprodukte, der mit erheblichen Entwicklungskosten verbunden ist. Die Betriebssys- die Kombination aus beidem. In einem mittleren Szenario mit geschätzten 10 Mio.1 teme stammen oft von US-Herstellern, oder es werden Open Source-Betriebssysteme ver- weltweit verkauften Einheiten (herstellerübergreifend), gleichmäßig verteilt auf die wendet. Die grundlegende Anwendungs-Software wird von den Herstellern in der Regel drei Roboter-Kategorien, eröffnet sich damit ein Marktvolumen von 33,4 Mrd. EUR. selbst erstellt, bzw. werden auch Entwicklungsaufträge an, meist verbundene Systemhäu- Entsprechend ergibt sich bei 1 Mio.2 bzw. 100 Mio.3 verkauften Exemplaren ein ser vergeben. Wenngleich hier in der Regel hohe Anfangsinvestitionen und zu einem gerin- Marktvolumen von knapp 3,4 Mrd. EUR bzw. 334 Mrd. EUR. geren Teil auch Wartungskosten auftreten, skalieren diese Kosten mit steigender Stückzahl. Die Teilmärkte für die Betriebssysteme und Anwendungs-Software der Serviceroboter fallen damit bei der Marktpotenzialbetrachtung für den Massenmarkt kaum ins Gewicht. 1 Diese Absatzmenge korrespondiert in etwa mit der von Fernsehgeräten in Deutschland im Jahr 2011 (gfu, 2020). 2 Eine Million Exemplare wurden bspw. vom ersten iPhone zur Markteinführung im Jahr 2007 abgesetzt (Business Wire, 2019). 3 Diese Menge entspricht dem weltweiten Absatz von intelligenten Lautsprechern im Jahr 2018 (IDC, 2019).
6 MASSENMARKT SERVICEROBOTIK MASSENMARKT SERVICEROBOTIK 7 Inhalt Anders sieht das allerdings aus, wenn die Roboterhersteller ihre Systeme für Anwendungen von Drit- 1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 ten öffnen, wie dies bei Smartphones sehr erfolgreich praktiziert wird. Dann öffnet sich ein weiterer 2 Methodisches Vorgehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Markt, dessen Potenzial heute quantitativ aber noch nicht fundiert abgeschätzt werden kann. Bei 3 Funktionale Anforderungen an Serviceroboter im Massenmarkt . . . . . . . . . . . . . . 15 Smartphones liegt das Umsatzvolumen der App-Store-Konsumausgaben bei rund 30 % des Hard- ware-Umsatzes. Es lässt sich daher durchaus annehmen, dass auch im Bereich der Servicerobotik im 4 Schätzung der Herstellerkosten und Endpreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Endverbrauchermarkt ein profitables Ökosystem entstehen kann. Grundlegende Voraussetzung für 4.1 Mobile Einheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 dieses Ökosystem von Software-Apps wäre jedoch eine gewisse Standardisierung der Geräte. Basis 4.2 Roboterarm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 dafür wäre entweder eine sehr kleine Anzahl dominierender Hersteller oder eine Einigung der Herstel- 4.3 Sensoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 ler auf eine standardisierte semantische Integration von Software und Hardware, mit deren Hilfe eine 4.4 Energieversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 App auf mehreren Robotern verwendet werden kann. Einige der im Technologieprogramm PAiCE des 4.5 Rechnereinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 BMWi geförderten Plattform-Projekte, wie z. B. SeRoNet, arbeiten bereits an möglichen Lösungen für 4.6 I/O-Einheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 ein solches Ökosystem der Servicerobotik. Wie bei den Smartphones ist es absehbar, dass die Endher- 4.7 Software. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 steller von Servicerobotern mit der Etablierung von App Stores ihre Kundenbindung weiter festigen 4.8 Gesamtkosten und Endpreise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 werden. Das ist ein weiteres Argument dafür, dass sich deutsche Unternehmen auch in dieser Rolle am Markt engagieren sollten. 5 Wertschöpfungspotenziale für deutsche Roboter- und Komponentenhersteller . 29 5.1 Marktpotenziale für Komponenten und Endprodukte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Massenmarkt Servicerobotik 5.2 Chancen deutscher Unternehmen für die Marktteilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 5.2.1 Endprodukt Serviceroboter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 5.2.2 Elektrmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Mindestanforderungen an einen massenmarkttauglichen Serviceroboter 5.2.3 Sensortechnik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Tragfähigkeit 1,5 kg 5.2.4 Greiftechnik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Greifweite 150 mm 5.2.5 Kunststoffspritzguss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Positioniergenauigkeit Greifer 5 mm Gesamtgewicht < 25 kg 5.2.6 Batterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 5.2.7 Prozessoren, Fest- und Arbeitsspeicher. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Preis (je nach Konfiguration) 5.2.8 Software . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 mobile Einheit 1.583 EUR stationärer Roboterarm 3.829 EUR mobiler Roboterarm 4.601 EUR 6 Das Potenzial für ein Ökosystem der Servicerobotik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Marktvolumen (bei 10 Mio. Stück/Jahr) 7 Fazit und Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Endprodukt Serviceroboter 30,40 Mrd. EUR Zulieferung E-Motoren 4,27 Mrd. EUR Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Zulieferung Sensoren 1,55 Mrd. EUR Zulieferung Greifer 1,33 Mrd. EUR Zulieferung Spritzguss 0,93 Mrd. EUR
8 EINLEITUNG EINLEITUNG 9 1 Einleitung Eine traditionelle Stärke der deutschen Wirtschaft ist die Automatisierungstechnik und Unsere eigentliche Analyse basiert auf der generellen Grundannahme, dass es damit insbesondere auch die Industrierobotik. Während der Markt für Industrieroboter im einen Bedarf an privaten Servicerobotern gibt. Grundvoraussetzung dafür ist, Jahr 2018 ein Rekordvolumen von 16,5 Mrd. USD erreichte, ist mittlerweile auch die Servi- dass sie mindestens zwei der folgenden drei Funktionen beherrschen: cerobotik in professionellen und privaten Anwendungsbereichen auf dem Vormarsch. Der Umsatz mit professionellen Servicerobotern erreichte 2018 ein Volumen von 9,2 Mrd. USD. Kommunikation mit Nutzerinnen und Nutzern Als Anwendungsgebiete sind dabei insbesondere die Logistik, die Landwirtschaft und die (Teil-)autonome Navigation in geschlossenen Räumen Medizin zu nennen (IFR, 2019). In der Pflege ist der alltägliche und flächendeckende Ein- Greifen und Bewegen von Gegenständen des Alltags satz von Servicerobotern mittlerweile ebenfalls denkbar (SeRoDi, 2019). Auch im privaten Bereich hat die Nutzung von Servicerobotern stark zugenommen, wobei sich die Anwen- Darauf aufbauend wird die Angebotsseite des Marktes explorativ betrachtet. Da- dungen hierbei noch auf einige wenige Produktgruppen beschränken, wie z. B. Boden- bei werden für den Massenmarkt die Preise von Komponenten und Endproduk- reinigungs-, Rasenmäh- und Multimedia-Roboter (insbesondere aus dem sogenannten ten geschätzt sowie anschließend die Chancen deutscher Komponenten- und Edutainment-Bereich). Zukünftig rechnet man hier aber mit einem starken Wachstum und Roboterhersteller im Massenmarkt diskutiert. Grundlage sind die Meinungen anspruchsvolleren Servicerobotern, die nicht nur der Unterhaltung dienen, sondern auch von Expertinnen und Experten, die wir in einer explorativen, nicht-repräsenta- bei der Hausarbeit assistieren oder ältere Menschen im täglichen Leben unterstützen (IFR, tiven Befragung erhoben haben. Die Studie folgt dabei der Annahme, dass der 2019). Während jedoch in der professionellen Robotik (B2B) im Jahr 2018 rund 47 % der Massenmarkt für Serviceroboter durch deutlich geringere Herstellungskosten weltweit verkauften Serviceroboter aus Europa kamen (46 % aus Amerika, 7 % aus Asien), aufgrund angepasster und standardisierter Produkteigenschaften sowie einer stammten im Consumer-Markt mit Haushaltsrobotern (B2C) im selben Zeitraum lediglich ausgeprägten Stückkostendegression gekennzeichnet sein wird. Es wird dabei 4 % der abgesetzten Einheiten von europäischen Unternehmen (73 % aus Amerika, 22 % sowohl die Hardware der Serviceroboter als auch ihre Software berücksichtigt. aus Asien). Somit stellt sich die Frage, ob deutsche Unternehmen am erwarteten Wachs- Zudem wird die Möglichkeit eines sich entwickelnden Ökosystems für Soft- tum der Servicerobotik im B2C-Bereich partizipieren werden und wenn ja, welche Unter- ware-Anwendungen diskutiert, wie sie von den App Stores der beiden großen nehmen dazugehören können. Diese Studie geht erstmals dieser Frage nach und nähert Smartphone-Ökosysteme bekannt sind und dort maßgeblich zum Erfolg dieser sich dieser auf Angebotsseite in drei Schritten: Geräteklasse beigetragen haben. Hier können jedoch die befragten Expertinnen und Experten sowie die Autoren derzeit nur erste Vermutungen äußern, wohin- 1. Schätzen der Kosten für Hardware- und Software-Komponenten und der daraus ab- gegen quantitative Abschätzungen aktuell nicht möglich sind. geleiteten Preise für Serviceroboter im Massenmarkt 2. Ableiten der Wertschöpfungspotenziale für Roboter- und Komponentenhersteller Die Studie gliedert sich wie folgt: Kapitel 2 erläutert im Folgenden zunächst das 3. Diskussion der Marktchancen für Unternehmen aus Deutschland methodische Vorgehen. Kapitel 3 stellt die technischen Anforderungen an einen idealtypischen Serviceroboter im Massenmarkt vor. Anschließend werden in Dabei wird die Frage nach der oder den Anwendungen, die der Servicerobotik letztlich zum Kapitel 4 die Herstellungskosten und die Endpreise zukünftiger Serviceroboter Marktdurchbruch verhelfen werden, bewusst ausgeklammert. Das tun wir, wohlwissend, abgeschätzt, wenn sie in großer Zahl hergestellt werden. Kapitel 5 leitet daraus dass für den Erfolg der Servicerobotik im Massenmarkt ein angemessener Preis zwar eine eine Abschätzung der Wertschöpfungspotenziale und Chancen für Unternehmen notwendige, aber keine hinreichende Bedingung ist. Ausschlagegebend für den Erfolg aus Deutschland in diesem Markt ab. Dem folgt in Kapitel 6 eine Betrachtung, wird sein, ob der Roboter ein spezifisches Bedürfnis der Kundinnen und Kunden adäquat wie ein Ökosystem für Serviceroboter entstehen und aussehen könnte. befriedigen kann. Hierfür sind ein genau spezifizierter Anwendungszweck und eine wohl- definierte Zielgruppe Grundvoraussetzungen. Genau daran scheitern jedoch bisher die meisten Serviceroboter am Markt. Welche konkreten Robotik-Anwendungen sich zukünftig am Markt durchsetzen werden, lässt sich a priori jedoch nicht seriös abschätzen und ist folglich auch nicht Ziel der Studie. Gleichsam am Rande diskutieren wir im Kasten „Erfolgs- faktoren für die Markteinführung von Servicerobotern“ auf S. 10 trotzdem, was erfolgreiche Produkte in diesem Segment auszeichnet – und was nicht.
10 METHODISCHES VORGEHEN METHODISCHES VORGEHEN 11 2 Methodisches Vorgehen Ziel der Studie ist es erstens, aufzuzeigen ob Serviceroboter zukünftig zu einem massen- men, auf denen die weiteren Schätzungen beruhen. Dazu zählen insbesondere die marktfähigen Preis angeboten werden können und zweitens, welche Wertschöpfungspo- Spezifikationen hinsichtlich der Grundfunktionalitäten der Roboter – Kommunikation, tenziale sich dabei für Unternehmen aus Deutschland ergeben. Dabei sollen insbesondere Manipulation und Navigation. folgende Leitfragen beantwortet werden: 2. Erfassung von Komponenten und deren Preisen: Im nächsten Schritt wurden die relevanten Komponenten von Servicerobotern sowie deren Bezugskosten ermittelt. Welche Einkaufspreise bzw. Herstellungskosten sind für die Hardware- und Soft- Betrachtet wurden dabei ausschließlich die relevanten Kostentreiber. Dazu zählen in ware-Komponenten und welche Endpreise sind für die Endprodukte im Massenmarkt erster Linie diejenigen Hardware-Komponenten, deren spezifische Ausprägungen sich absehbar? sowohl auf die Funktionalität des Roboters als auch auf dessen Preis auswirken sowie Welche Wertschöpfungspotenziale bestehen sowohl für Roboter- als auch für Kom die Software der Roboter. ponentenhersteller im zukünftigen Massenmarkt? 3. Ermittlung der Wertschöpfungspotenziale: Aufbauend auf den ermittelten Preisen der Welche Chancen ergeben sich im Massenmarkt für Roboter- und Komponentenher- Komponenten wurden die jeweiligen Wertschöpfungspotenziale sowohl für einzelne steller aus Deutschland? Komponentengruppen als auch für die finalen Endprodukte geschätzt. Hierfür wurden die Komponenten- und Roboterpreise in drei verschiedenen Szenarien über die darin Für die Beantwortung dieser Fragen ist zunächst die Festlegung einer Arbeitsdefinition jeweils zugrunde gelegten Absatzzahlen aufsummiert. für Serviceroboter4 erforderlich. Allgemein wird mit einem Serviceroboter die Fähigkeit 4. Diskussion der Chancen für deutsche Hersteller: Abschließend wurde eine qualitative zur teil-/autonomen Ausführung von Bewegungsabläufen in mehreren Achsen verbunden. Betrachtung der jeweiligen Wirtschaftszweige vorgenommen, die für die Herstellung Dabei muss ein Serviceroboter programmierbar und ggf. sensorgeführt sein. Während die der Serviceroboter bzw. einzelner Komponenten in Betracht kommen. Dabei wird Definition der International Federation of Robotics (in Anlehnung an die ISO 8373) Produk- diskutiert, welchen dieser Wirtschaftszweige realistische Chancen im Massenmarkt tionstätigkeiten noch explizit ausschließt (IFR, 2012), orientiert sich die Studie an der etwas eingeräumt werden können. weiteren Definition der Begleitforschung zum Technologieprogramm AUTONOMIK (iit, 2013a): Schritt 1 erfolgte im Rahmen des Desk Research. Schritt 2 wurde gemeinsam mit ins- gesamt 15 Expertinnen und Experten aus Industrie und Forschung erarbeitet. Dazu zählen “Demnach wird heute unter einem Serviceroboter ein meist mobiler Roboter verstanden, Forscherinnen und Forscher aus den Bereichen Haushalts- und Assistenzrobotik, Mecha- der Dienstleistungen entweder in direkter Kollaboration mit dem Nutzer [bzw. der Nutzerin] tronik und Künstliche Intelligenz (insbesondere Sprachtechnologie), Sensortechnik und oder völlig autonom erbringt. Der Serviceroboter unterscheidet sich somit grundlegend von Batterietechnik sowie Vertreterinnen und Vertreter von Roboterherstellern. Schritt 3 beruht einem Industrieroboter, da er zur Durchführung seiner Aufgaben besondere Fähigkeiten auf eigenen Berechnungen, in die die Ergebnisse aus Schritt 2 eingegangen sind. Schritt benötigt (z. B. Umfelderfassung und Interpretation, Lernfähigkeit, einfache Instruierbarkeit), 4 basiert wiederum auf den Einschätzungen der Expertinnen und Experten und eigenen die ein Industrieroboter nicht hat. Serviceroboter zeichnen sich generell durch größere Betrachtungen. Flexibilität und höhere Autonomie aus.“ Erste telefonische Interviews dienten zunächst dazu die Erkenntnisse aus Schritt 1 zu Analog zu Industrierobotern können auch Serviceroboter entweder stationär, d. h. an einem validieren, eine Liste der relevanten Komponenten zu erstellen und mögliche alternative Ort fixiert eingesetzt werden oder mobil agieren. Ganz allgemein lässt sich zwischen Ser- Bauweisen von Servicerobotern sowie die Marktchancen deutscher Anbieter der jeweiligen vicerobotern für den privaten und für den professionellen Bereich unterscheiden. Gerade im Komponenten zu erörtern. Darüber hinaus wurde anhand der Ergebnisse aus den Telefon- privaten Bereich agieren Roboter in gering- oder unstrukturierten Umgebungen. Im Unter- interviews ein Fragebogen erstellt, der im Anschluss dazu genutzt wurde, die Expertinnen schied zu vielen professionellen Robotern müssen sie über eine leicht und sicher zu hand- und Experten zu den Hardware-Komponenten und deren Preisen zu befragen. Ziel war es habende Bedienoberfläche verfügen, so dass für ihre Bedienung kein speziell geschultes dabei, die wichtigsten technischen Komponenten eines Serviceroboters im Massenmarkt Personal benötigt wird. Zudem muss ihr Verhalten für den Menschen jederzeit ungefährlich (insbesondere für den B2C-Bereich) abzubilden und deren Kosten zu schätzen. Zur Har- sein. Die Studie fokussiert insbesondere Serviceroboter für den privaten Bereich (B2C). monisierung der Antworten wurden erneut Telefoninterviews mit denjenigen Befragten Jedoch ist davon auszugehen, dass auch im Massenmarkt für professionelle Serviceroboter durchgeführt, die für eine oder mehrere der Komponenten Antworten gegeben hatten, die ähnliche Anforderungen bezüglich einer einfachen Bedienbarkeit ohne zusätzliche Schulung sich deutlich von den übrigen abhoben. des Personals oder besondere Sicherheitsvorkehrungen bestehen werden. Auf Anregung der Expertinnen und Experten wird abschließend ein mögliches zukünftiges Die Beantwortung der oben genannten Leitfragen erfolgt in den folgenden vier Schritten: Software-Ökosystems diskutiert. Während Herstellungskosten und Endpreise der Service- roboter und damit das Wertschöpfungspotenzial für deutsche Hersteller zu einem gewis- 1. Bestimmung der Anforderungen an Serviceroboter im Massenmarkt: Als Grundlage sen Grad fundiert abgeschätzt werden, ist das für den zukünftigen Markt von Apps, die für die nachfolgenden Schritte wurden zunächst die Grundanforderungen an Service- durch Dritte erstellt werden können, noch nicht möglich. Das liegt vor allem daran, dass die roboter im Massenmarkt formuliert. Diese repräsentieren die grundsätzlichen Annah- Marktstruktur noch unklar ist: Wird der App Store für die Servicerobotik durch ein dominie- rendes Unternehmen oder durch eine gemeinsame Initiative mehrerer Hersteller getrieben? 4 Eine universelle Definition für Roboter existiert in der Literatur bisher nicht. Bestehende Definitionen unterscheiden sich zum Teil erheblich voneinander. Die Abschätzung des Marktpotenzials bleibt damit weitgehend qualitativ.
12 METHODISCHES VORGEHEN METHODISCHES VORGEHEN 13 Der Dank der Autoren gilt den Expertinnen und Experten, die an den Interviews und/oder rungslösung zu entwickeln und sicherzugehen, dass die Zielgruppe groß genug, an der der Befragung teilgenommen haben: Automatisierungslösung tatsächlich interessiert und auch bereit ist, dafür das notwendi- ge Geld auszugeben. Denn zum richtigen Product/Market Fit gehört auch die passende Dr. Marco Evertz – VDI/VDE Innovation + Technik GmbH Preisgestaltung. Darin liegt für viele Roboter-Hersteller jedoch eine der größten Heraus- Dr.-Ing. Birgit Graf – Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung forderungen. Auch wenn der Roboter genau die Automatisierungslösung liefert, nach (IPA) der der Markt verlangt, wird sich kein Erfolg einstellen, wenn der Preis die Zahlungs- Theo Jacobs – Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) bereitschaft der Zielgruppe übersteigt. Daran kann auch die beste Technologie nichts Peter Kraus – AKTORmed GmbH ändern. Einen Ausweg (insbesondere im B2B-Bereich) können dabei unter Umständen Dr. Matthias Künzel – VDI/VDE Innovation + Technik GmbH „Robot-as-a-Service“-Geschäftsmodelle (RaaS) bieten. Jedoch sind diese in Bezug auf Michael Lorenz – RWTH Aachen ihre Erfolgsaussichten branchenabhängig und längst nicht für alle Anbieter geeignet Prof. Dr. Christian Schlegel – Technische Hochschule Ulm (Fresh Consulting, 2020). Acht weitere beteiligte Expertinnen und Experten haben auf eine namentliche Nennung Die dritte Hürde, an der Robotik-Unternehmen häufig scheitern, ist die User E xperience verzichtet, um die Vertraulichkeit bei ihren Kostenschätzungen zu wahren. – das Nutzungserlebnis oder auch UX. Gerade im Massenmarkt ist eine einfache und intuitive Bedienbarkeit zwingend erforderlich. Häufig sind Einrichtung und Betrieb von Die im Folgenden dargestellten Ergebnisse beruhen auf den Einschätzungen der be- Robotern jedoch noch immer viel zu kompliziert, als dass sie von der breiten Masse teiligten Expertinnen und Experten. Für mögliche Fehler sind ausschließlich die Autoren adaptiert werden würden. Auch die Zuverlässigkeit der Roboter spielt dabei eine wichti- verantwortlich. ge Rolle. Kann man sich auf den Roboter nicht verlassen und muss diesen ständig über- wachen, erfüllt er das Nutzenversprechen schlichtweg nicht und lässt die Anwendenden Erfolgsfaktoren für die Markteinführung von Servicerobotern frustriert zurück. Je weniger menschliche Eingriffe dagegen notwendig sind, desto eher Die Liste der Gründe warum Produkte und Unternehmen scheitern ist lang. Häufig ist es wird eine Automatisierungslösung als solche akzeptiert (Fresh Consulting, 2020). nicht ein einzelner Umstand der ein Produkt zum Scheitern verurteilt, sondern das Auf- einandertreffen vieler verschiedener Gründe. Die Unternehmensberatung Fresh Consul- Daraus ergeben sich im Umkehrschluss folgende drei Erfolgsfaktoren: ting (2020) zählt insbesondere 1. Klares Nutzenversprechen die Fokussierung auf das falsche Problem 2. Angemessener Preis einen schlechter Product/Market Fit 3. Einfache Bedienbarkeit eine schlechte User Experience Eindrucksvoll beobachten lassen sich diese Erfolgsfaktoren am Beispiel von Staubsaug zu den häufigsten Ursachen für das Scheitern von Robotik-Unternehmen. robotern, wie z. B. Roomba von iRobot, einem der Pioniere in diesem Markt. iRobot wurde 1990 von Ingeneur:innen des MIT gegründet und hat seitdem weltweit mehr als Mehr noch als in anderen Branchen ist für Robotik-Unternehmen eine klare Fokussie- 30 Mio. Haushaltsroboter verkauft. 2002 wurde der Bodensaugroboter Roomba vorge- rung auf die Kernkompetenzen und der richtige Product/Market Fit erfolgsentscheidend. stellt. Die Funktionalität des Geräts beschränkt sich auf das wesentliche – das Saugen Zunächst einmal ist es aus Kundensicht besser ein Problem gut als viele Probleme von Böden. Darüber hinaus bietet der Hersteller auch einen Roboter an, der auf das Wi- mittelmäßig oder sogar schlecht zu lösen. Auch macht es ein starker Fokus der Zielgrup- schen von Böden spezialisiert ist. Es wurde aber klar vermieden einen Roboter zu entwi- pe einfacher, Nutzen und Zweck des Roboters zu verstehen. Ein Roboter, der eine oder ckeln der beides kann, dadurch aber wahrscheinlich sehr viel komplexer und teurer wäre. zwei klar definierte Aufgaben außergewöhnlich gut ausführen kann, transportiert eine Das Problem, welches diese Roboter lösen ist damit einfach und für alle verständlich. klare Vision. Zudem werden dadurch wichtige Ressourcen geschont und die Time-to- Darüber hinaus ist das Staubsaugen eine Tätigkeit, die viele Menschen gerne abgeben, Market möglichst kurzgehalten. Der Versuch, so viele Funktionen wie möglich zu integ- so dass eine Automatisierungslösung generell akzeptiert wird. Der Einstiegspreis liegt mit rieren – auch als Over-Engineering bezeichnet – vergeudet dagegen Kapital und Res- rund 250 € in einem für viele akzeptablen Bereich. Im Vergleich zu einer menschlichen sourcen. Anstatt also zu versuchen, einen Roboter zu entwickeln und zu vermarkten, der Reinigungskraft amortisiert sich die Anschaffung damit schon meist nach wenigen Mona- viele unterschiedliche Dinge bewerkstelligen kann, ist es daher besonders wichtig, sich ten. Auf menschliches Eingreifen kann beim Benutzen dieser Roboter weitestgehend ver- auf die Lösung eines spezifischen Problems zu konzentrieren (Fresh Consulting, 2020). zichtet werden. Lediglich zum Entleeren des Staubbehälters muss Hand angelegt werden. Nutzenversprechen, Preis und Bedienbarkeit sind damit bei Roomba und vielen weiteren Doch nicht der Fokus allein ist entscheidend, sondern auch, dass dieser auf die Lösung Staubsaugrobotern gegeben, was sich im Markterfolg der Modelle wiederspiegelt. 2018 des richtigen Problems gerichtet ist. Muss man Kunden erst aufwendig informieren oder wurden weltweit bereits mehr als 11 Mio. dieser Roboter verkauft (IFR 2019). Ein ähn gar aufklären, welches Problem der Roboter löst und warum dies wichtig ist, wurde liches Potenzial lässt sich für die Rasenmäh-Roboter erwarten, wenn diese ihre bishe- sicherlich bereits der falsche Schwerpunkt gesetzt. Es ist daher von entscheidender Be- rigen Defizite überwinden. Dazu zählt u. a. dass sie bisher nicht auf jedem Untergrund deutung das Problem klar zu umreißen, eine schnelle und kosteneffiziente Automatisie- zurechtkommen sowie eine durch die Batterie begrenzte Reichweite (IFR 2019).
14 METHODISCHES VORGEHEN FUNKTIONALE ANFORDERUNGEN AN SERVICEROBOTER IM MASSENMARKT 15 3 Funktionale Anforderungen an Serviceroboter im Daneben lassen sich aber auch Servicerobotik-Projekte nennen, die an den oben ge- nannten Punkten gescheitert sind. Wie schädlich sich bspw. der fehlende Fokus eines Massenmarkt Robotik-Unternehmens auswirken kann veranschaulicht das Beispiel Jiibo, eines sozialen Roboters für zu Hause. Jiibo sollte zu einer Art Robotik-Plattform entwickelt werden, um Den Ausgangspunkt der Studie bildet die Annahme, dass Serviceroboter in einem zukünf- möglichst viele Funktionalitäten abzudecken. Der Roboter konnte sich dabei nicht fortbe- tigen Massenmarkt eine Kombination aus mindestens zwei der folgenden drei Funktionen wegen, sondern lediglich den Kopf drehen und neigen. Jiibo konnte Gesichter erkennen, beherrschen müssen: Fragen verstehen und darauf antworten, Fotos und Videos aufnehmen, an Termine erin- nern, im Internet recherchieren und mehr. Auch wenn Jiibo damit in der Lage war, viele Kommunikation Aufgaben zu erledigen, waren diese letztlich für die Zielgruppe nicht relevant genug. Zu- Navigation dem war dem Roboter mit der Vielzahl an intelligenten Lautsprechern starke Konkurrenz Manipulation erwachsen (Fresh Consulting, 2020). All dies führte dazu, dass das 2012 gegründete Unternehmen Investments in Höhe von rund 73 Mio. USD aufbrauchte und letztlich aus Ohne eine intelligente Kommunikationseinheit ist die oben erwähnte Anforderung einer ein- dem Geschäft ausscheiden musste (The RobotReport, 2018). fachen Bedienbarkeit nicht gegeben, da für die Befehlseingabe im Massenmarkt die Nut- zung einer Programmiersprache nicht in Betracht kommt. Ohne eine der beiden anderen Auch das Beispiel Aria Insights verdeutlicht, wie ein falscher Fokus einem Service- Funktionen dagegen ist die grundlegende Anforderung an einen Roboter zur Ausführung robotik-Unternehmen zum Verhängnis werden kann. Aria Insights wurde von einer von Bewegungsabläufen nicht erfüllt. Mitgründerin von iRobot ins Leben gerufen. Das Unternehmen fertigte Drohnen, die insbesondere in der Landwirtschaft, bei der Strafverfolgung und für militärische Zwecke Kommunikation: Der Roboter muss somit zwingend über eine geeignete Mensch-Ma- eingesetzt wurden. In 2019 vollzog die Firma schließlich einen Strategiewechsel hin zur schine-Schnittstelle (User Interface) verfügen, welche eine einfache und intuitive Ein- und Sammlung und Speicherung von Daten durch die Drohnen. Die Daten sollten der Kund- Ausgabe von Daten ermöglicht (I/O-Einheit). Diese kann vollständig integriert oder teilweise schaft tiefere Einblicke in ihre eigenen Prozesse gewähren. Da den meisten Unterneh- an Peripheriegeräte, wie z. B. Tablets oder Smartphones, ausgelagert werden. Die Kommu- men jedoch die Ressourcen fehlten, um die von den Drohnen gesammelten Daten zu nikation mit dem Roboter kann dabei bspw. über eine Sprachsteuerung erfolgen, welche verwerten, scheiterte das Projekt. Darüber hinaus war der Preis von 5.000 USD für den mindestens Schlüsselwörter erkennen sowie mit Handlungsaufforderungen verknüpfen Massenmarkt schlicht zu hoch (Fresh Consulting, 2020). kann und die ggf. durch grafische bzw. haptische Elemente ergänzt wird. Wie sich ein zu hoher Preis auswirkt, lässt sich am Beispiel Keecker erkennen. Keecker Zusätzlich müssen Serviceroboter mindestens eine der beiden anderen Funktionen – Navi- war ein kleiner Roboter für zu Hause, der sich selbstständig fortbewegen und insbeson- gation und/oder Manipulation – erfüllen. dere Videoinhalte auf Wände und Decken projizieren konnte. Der Roboter schien einen Nerv bei seiner Klientel zu treffen, denn die verkauften Exemplare liefen durchschnittlich Navigation: Die mobile Einheit des Serviceroboters sollte die Fähigkeit besitzen, sich in- rund 3,5 Stunden pro Tag in den Haushalten ihrer Nutzerinnen und Nutzer. Insgesamt nerhalb abgegrenzter Privat- oder Arbeitsbereiche semi-/autonom bewegen zu können. Der konnten jedoch am Ende nur etwas mehr als eintausend Einheiten abgesetzt werden. öffentliche Raum und damit die Thematik des autonomen Fahrens sollen dabei explizit aus- Dies lag u. a. am Preispunkt. Letztlich war Keecker mit knapp 2.000 USD schlicht zu geschlossen sein. Innerhalb von Gebäuden sollte der Roboter in der Lage sein, Türschwel- teuer für den Massenmarkt (Fresh Consulting, 2020). Beispiele für zu hohe Preise aus len und Teppichkanten, jedoch nicht notwendigerweise Treppen, ohne Hilfe zu bewältigen, dem Spielwarenbereich sind u. a. der für 450 EUR angebotene Dinosaurier-Roboter Pleo da sich die Herstellungskosten andernfalls deutlich erhöhen würden. Die maximale Traglast und der Roboterhund Aibo mit einem Preis von mehr als 2.000 EUR. soll bei ca. 15 kg liegen. Damit ist gewährleistet, dass typische Gegenstände, wie z. B. eine volle Getränkekiste, transportiert werden können oder ein Greifarm inklusive des zu Wie positiv sich dagegen eine einfache Bedienbarkeit auswirken kann, beweist das manipulierenden Objekts (siehe nächster Absatz) getragen werden kann. Die Positionier- Beispiel Intuitive Surgical, eines US-amerikanischen Robotik-Unternehmens aus der genauigkeit beim Navigieren spielt eher eine untergeordnete Rolle, muss aber hinreichend Medizintechnik. Die Firma entwickelte ein Bedieninterface, das so intuitiv war, dass hoch sein, um einerseits nicht mit Hindernissen zu kollidieren und andererseits einen evtl. Nutzerinnen und Nutzer damit spielerisch experimentieren konnten und dadurch erst vorhandenen Roboterarm in Reichweite des zu manipulierenden Objekts zu positionieren. die Einsatzmöglichkeiten des Roboters aufzeigten. Die Firma entwickelte ihren Roboter Hierfür ist eine Genauigkeit im cm-Bereich als ausreichend anzusehen. nicht explizit für die chirurgische Behandlung von Prostatakrebs, vielmehr entdeckte ihre Kundschaft dieses Anwendungsfeld. Manipulation: Der Roboterarm sollte in der Lage sein, insbesondere Objekte des täglichen Lebens zu bewegen, die aufgrund ihrer Größe, Gewicht und Geometrie auch von Menschen mit einer Hand greifbar sowie relativ fest und druckunempfindlich sind. Das maximale Ge- wicht der zu greifenden Gegenstände sollte ca. 1,5 kg betragen, so dass bspw. eine volle 0,7 l Mehrwegwasserflasche gegriffen werden kann. Die Spannweite des Greifers sollte dafür rund 150 mm betragen. Die minimale Höhe der zu greifenden Objekte wird auf 5 mm begrenzt, so dass z. B. auch ein flachliegendes Smartphone gegriffen werden kann. Bezüg-
16 FUNKTIONALE ANFORDERUNGEN AN SERVICEROBOTER IM MASSENMARKT SCHÄTZUNG DER HERSTELLUNGSKOSTEN UND ENDPREISE 17 4 Schätzung der Herstellungs- kosten und Endpreise lich der Manipulation von Objekten wird eine Positioniergenauigkeit von ca. 5 mm, bei Grundlage für die Betrachtung des Wertschöpfungspotenzials der Produktion von Service- einer Winkelauflösung von ca. 5 Grad für Anwendungen im Massenmarkt als ausreichend Robotern für die deutsche Industrie sind die Herstellungskosten, die wir in diesem Kapitel angesehen. aus der Perspektive der Herstellerunternehmen von Servicerobotern untersuchen. Dabei unterscheiden wir zwischen den Materialkosten für die Hardware und den Entwicklungs- Anhand der hier beschriebenen Funktionen ergeben sich prinzipiell drei Arten von Service- kosten für die Software. Die Materialkosten eines Serviceroboters müssen selbstver- robotern5: ständlich je produziertes Stück betrachtet werden. Die Software wird dagegen nur einmal entwickelt, und die Entwicklungskosten werden dann über einen bestimmten Zeitraum auf 1. eine mobile (Transport-)Einheit die gefertigten Stückzahlen umgelegt. 2. ein stationärer Roboterarm 3. ein mobiler Roboterarm (als Kombination der beiden zuvor genannten Arten) Bei der Darstellung der Materialkosten für die Hardware wird zunächst zwischen den Komponenten der mobilen Einheit und denen des Roboterarms unterschieden. Die Kom- Das Systemgewicht dieser Robotik-Lösungen sollte 25 kg nicht überschreiten. Andernfalls ponenten der Sensorik, der Energieversorgung, der Rechnereinheit sowie der I/O-Einheit wird der Transport vom Ort des Kaufs nach Hause deutlich erschwert, da sich dieses Ge- werden im Anschluss separat betrachtet, da diese sowohl für die mobile Einheit als auch wicht kaum über längere Distanzen tragen lässt und auch Logistikdienstleister dies zumeist für den Roboterarm benötigt werden. Die angegebenen Preise der Komponenten beruhen als maximales Paketgewicht akzeptieren. Zudem erschwert ein höheres Gewicht den auf Schätzungen der Expertinnen und Experten und sind als Bezugspreise der Roboter- Umgang mit dem Roboter im Haushalt, z. B. wenn dieser im ausgeschalteten Zustand zur hersteller zu interpretieren. Um die Kostendegression der Komponenten zu berücksichtigen, Seite geräumt werden muss. Für die sichere Mensch-Maschine-Kollaboration müssen ent- wurden auch zukünftige Preise im Massenmarkt geschätzt. sprechende Robotik-Anwendungen die Vorgaben der ISO/TS 15066 (Roboter und Robotik- geräte - Kollaborierende Roboter) erfüllen. Bei der Schätzung des Anteils der Softwarekosten an den Stückkosten der Serviceroboter wurde, wie auch bei anderen Elektronikgeräten üblich, zwischen Betriebssystem und An- wendungs-Software unterschieden. Neben der Schätzung von Lizensierungs- bzw. Erstel- lungskosten sind hier insbesondere die zu treffenden Annahmen zu Absatzzahlen und Länge des Produktzyklus entscheidend, die für die Verteilung der Kosten auf die Stückzahlen maßgeblich sind. Für die Zwecke der Studie wurden dabei pragmatische Ansätze gewählt. Im Bereich der Unterhaltungselektronik oder der weißen Ware werden häufig bereits alle zwei bis drei Jahre neue Produktvarianten eingeführt, so dass auch für die Serviceroboter ein Produktlebenszyklus von drei Jahren zugrunde gelegt wurde. Der Beginn des Massen- markts wird ab einem jährlichen Absatz von 1 Mio. Stück definiert, was in etwa dem Absatz des ersten iPhones zur Markteinführung im Jahr 2007 entspricht (Business Wire, 2019). Die Gesamtpreise der Roboter, in die u. a. auch noch Montage, Marketing, Vertrieb etc. einfließen, beruhen auf eigenen Berechnungen denen die Komponentenpreise zugrunde liegen. Die Gesamtpreise sind als Endpreise für Verbraucherinnen und Verbraucher zu verstehen. 4.1 Mobile Einheit Für den Antrieb einer mobilen Einheit kommen derzeit in Servicerobotern verschiedenste Systeme zum Einsatz. Diese reichen von einfachen Dreirädern mit einem angetriebenen, lenkbaren Rad und zwei passiven Rädern über Kettenantriebe bis hin zu bipedalen (zwei füßigen) oder quadrupedalen (vierfüßigen) Antrieben. Häufig werden jedoch omnidirektio- nale Antriebe mit Mecanum- bzw. Allseitenrädern verwendet. Diese ermöglichen es Robo- tern, jederzeit in eine beliebige Richtung fahren zu können. Hierfür ist es jedoch notwendig, dass drei oder vier Räder unabhängig voneinander angetrieben werden. Die kosteneffizien- teste und damit im Massenmarkt wahrscheinlichste Antriebsform, die auch heute bereits vielfach in mobilen Einheiten Verwendung findet, stellt dagegen der Differentialantrieb dar. Dabei werden zwei Räder getrennt voneinander durch jeweils einen Motor angetrieben. Für eine stabile Lage sorgen zusätzlich ein oder zwei passive Stützräder bzw. -rollen. Neben 5 Prinzipiell sind natürlich auch andere Bauformen möglich, wie z. B. humanoide Roboter oder individuell konfigurierbare Module. Unter der Prämisse der kostengünstigsten Bauweise werden diese in der Studie jedoch nicht berücksichtigt. der Tatsache, dass lediglich zwei Motoren benötigt werden, entfällt gleichzeitig auch die
18 SCHÄTZUNG DER HERSTELLUNGSKOSTEN UND ENDPREISE SCHÄTZUNG DER HERSTELLUNGSKOSTEN UND ENDPREISE 19 Notwendigkeit einer aufwendigeren Lenkkinematik. Auf Basis dieser Annahme lautet die Unter der Prämisse, dass sich im Massenmarkt die kostengünstigste Bauweise durchset- Liste der benötigten Komponenten wie folgt: zen wird, ist davon auszugehen, dass für die mobile Einheit ein Direktantrieb ohne zusätz- liches Getriebe zur Differenzialsteuerung die wahrscheinlichste Option darstellt. Ob dabei ein Servomotor oder ein günstigerer Schrittmotor Verwendung findet, wird sich letztlich Mobile Einheit heute Massenmarkt nach den individuellen Anforderungen des jeweiligen Roboters richten. Schrittmotoren Komponenten Anzahl Preis je Einheit (in EUR) Anzahl Preis je Einheit (in EUR) haben dabei den Vorteil, dass sich mit ihnen niedrige Drehzahlen auch ohne zusätzliches Fahrgestell/Rahmen 1 50–1.000 1 50 Getriebe realisieren lassen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Preise der Motoren im Massenmarkt aufgrund geringerer Anforderungen an Präzision und Leistung sowie auf- Räder 3–4 20–30 3–4 10 grund hoher Abnahmemengen unter 20 EUR liegen werden. Elektromotoren 2 150–300 2 20 4.2 Roboterarm Um den Einsatzbereich eines Roboterarms möglichst flexibel zu gestalten, werden prinzi- Getriebe 2 200–250 – – piell sechs Achsen benötigt.6 Für die Glieder und tragenden Teile der Roboterarm-Kinematik gibt es ähnlich wie beim Fahrgestell der mobilen Einheit verschiedene, alternative Baufor- Tabelle 1: Die Kosten der Komponenten für die mobile Einheit men und Materialien. Dabei lassen sich zunächst direktaktuierte Kinematiken mit verteilten Antrieben und fernaktuierte Kinematiken unterscheiden, bei denen die Antriebe über Seil- Für das Fahrgestell kommen prinzipiell sehr unterschiedliche Bauweisen und Materialien in züge die einzelnen Gelenke ansteuern. Letztere nehmen jedoch aufgrund bauartbedingter Frage. Insbesondere im professionellen Bereich werden dabei derzeit vor allem Blechbiege- Nachteile eher eine untergeordnete Rolle ein. Auch im Massenmarkt wird daher von einer teile verwendet. Ein solcher Rahmen einer mobilen Einheit kann dabei mehrere Hundert Bauweise mit verteilten Antrieben ausgegangen. bis über Tausend EUR kosten. Allerdings kann bereits heute mithilfe eines kostenopti- mierten Designs der Preis des Fahrgestells auf ca. 50 EUR reduziert werden. Gerade im Roboterarm heute Massenmarkt Hinblick auf die Relevanz der Stückkosten und des Gewichts im zukünftigen Massenmarkt Komponenten Anzahl Preis je Einheit (in EUR) Anzahl Preis je Einheit (in EUR) ist jedoch davon auszugehen, dass sich der Kunststoffspritzguss durchsetzen wird. Bei Roboterarm- gleicher Stabilität erhöht sich das Volumen der Einzelteile aus Kunststoff gegenüber Stahl 6 15–500 6 10 Kinematik/Glieder zwar ca. um das Doppelte. Dafür bietet Kunststoff jedoch einen deutlichen Gewichtsvorteil. Ein geeigneter Kunststoff mit hoher Reißlänge sowie hoher thermischer und chemischer Elektromotoren 6 150–400 6 100 Beständigkeit ist bspw. Ultem. Während das Gewicht von 1 dm³ Stahl ca. 8 kg beträgt, ent- spricht das Gewicht von 2 dm³ Ultem lediglich 2,68 kg. Neben Ultem, welches bei großen Getriebe 6 200–500 6 20 Abnahmemengen etwa 15 EUR je kg kostet, kommen auch deutlich günstigere Kunststoffe für unter 5 EUR je kg in Betracht. Insgesamt sind für Lösungen aus Metall sowie aus Kunst- Greifer/ 1 500–1.000 1 200 stoff Preise unter 50 EUR im Massenmarkt als realistisch anzusehen. Lastaufnahmemittel Tabelle 2: Die Kosten der Komponenten für den Roboterarm Für Differenzialantriebe mobiler Einheiten werden bisher insbesondere Räder mit Metall- felgen und Gummibereifung sowie ein bis zwei passive Lenkrollen genutzt. Die hierfür anfallenden Kosten liegen bei etwa 20 bis 30 EUR pro Rad. Auch hier ist damit zu rechnen, Die einzelnen Glieder bzw. tragenden Bauteile aktueller Roboterarme werden dabei über- dass aus Kunststoff gefertigte Räder die kostengünstigere Wahl im Massenmarkt sein wiegend aus Metall- (legierungen) aber auch bereits aus Kunststoff (z. B. IGUS) oder auch werden. Denkbar ist beispielsweise im Mehrkomponenten-Spritzgussverfahren Felge und aus Kohlefaser (z. B. Kinova) gefertigt. Für außenliegende Verkleidungen kommen in der Reifen in einem Arbeitsgang zu fertigen. Bei entsprechend großen Stückzahlen sind dabei Regel Kunststoffe zum Einsatz. Entsprechend der Anzahl der Achsen werden für einen Preise deutlich unter 10 EUR realisierbar. Roboterarm mindestens sechs Komponenten für die einzelnen Glieder benötigt. Je nach Bauform und Material schwanken die Kosten dabei stark. Insbesondere bei bearbeitungs- Einen der größten Kostenblöcke der mobilen Einheit – sowie des Serviceroboters insge- intensiven Lösungen aus Metall steigen die Kosten pro Glied schnell auf 100 bis 500 EUR. samt – stellen die Motoren dar. Für mobile Einheiten mit Differenzialantrieb werden dabei Analog zum Fahrgestell sind jedoch auch hier mit einem kostenoptimierten Design bereits zumeist zwei (bürstenlose) Servomotoren mit integriertem Getriebe eingesetzt. Motoren, deutlich günstigere Lösungen für ca. 15 EUR je Glied realisierbar. Im Massenmarkt ist zu- die in aktuellen Servicerobotern zum Einsatz kommen, liegen preislich etwa im Bereich zwi- dem auch bei der Fertigung der mechanischen, tragenden Elemente des Roboterarms mit schen 150 und 300 EUR je Stück. Neben den (Servo-)Motoren verfügen mobile Einheiten dem Einsatz von Kunststoffspritzguss zu rechnen, da dieser Gewichtsvorteile sowie bei mit Differentialantrieb heute zumeist über zusätzliche Getriebe für eine stärkere Unterset- hohen Stückzahlen deutliche Kostenvorteile verspricht. zung der Motoren sowie zur Differentialsteuerung. Die Kosten dieser Getriebe liegen dabei im Bereich von 200 bis 250 EUR. 6 Für Roboter, die sehr spezifische Tätigkeiten verrichten, können dagegen durchaus auch weniger Achsen ausreichend sein.
20 SCHÄTZUNG DER HERSTELLUNGSKOSTEN UND ENDPREISE SCHÄTZUNG DER HERSTELLUNGSKOSTEN UND ENDPREISE 21 Analog zur Anzahl der Achsen werden für den Roboterarm sechs Motoren benötigt. Im der Regel einen Winkelbereich von 270° abdecken, lässt sich mit dieser Konfiguration der Gegensatz zu den Motoren der mobilen Einheit kommt es bei diesen deutlich stärker auf gesamte Raum um die mobile Einheit erfassen. Die Stückkosten für Sicherheits-Laserscan- deren Präzision, Baugröße und Nutzlast an. Der Motor an der untersten Achse muss dabei ner liegen derzeit meist bei mehr als 1.000 EUR. in der Lage sein, den gesamten Arm inklusive aller anderen Motoren sowie die Nutzlast zu halten. Etwaige Abweichungen der Motoren addieren sich dabei potenziell über sechs Ach- Zusätzlich wird für den Roboterarm mindestens ein 3D-Sensor benötigt. Dazu zählen sen. Eine kleine Bauform ist zudem relevant, um die Motoren verteilt an den Achsen in den Sensoren nach dem Structured-Light-Prinzip genauso wie Time-of-Flight (ToF)- und Stereo- Roboterarm zu integrieren. Für diese Zwecke werden heutzutage vorwiegend (bürstenlose) kameras. Je nach Anwendung kann ein Roboterarm auch mit bis zu vier dieser Sensoren Servomotoren eingesetzt, deren Preise sich im Bereich zwischen 150 und 400 EUR bewe- ausgestattet sein, um den Arbeitsbereich zu allen vier Seiten erfassen zu können. Die gen. Die Motoren benötigen zudem hochwertige Getriebe, die hohe Übersetzungsverhält- Preise dieser Sensoren liegen je nach Funktionsweise zwischen 100 und 500 EUR, wo- nisse bei gleichzeitig kleiner Bauform gewährleisten. Dabei kommen vor allem Wellgetrie- bei Sensoren nach dem Structured-Light-Prinzip generell günstiger als ToF-Kameras sind. be – insbesondere Harmonic Drive – zur Anwendung, die aufgrund ihrer kleinen Baugröße RGB-D Sensoren sind ab etwa 200 EUR erhältlich. Mit diesen ließen sich prinzipiell auch besonders geeignet sind. Für entsprechend hochwertige Getriebe sind aktuell ca. 200 bis Laserscanner ersetzen. Dabei sind jedoch vier dieser Sensoren für die mobile Einheit not- 500 EUR zu kalkulieren. Insgesamt führen damit allein die Motoren und Getriebe zu Kosten wendig, um die gesamte Umgebung abzudecken. in Höhe von 350 EUR bis 900 EUR je Achse bzw. 2.100 bis 5.400 EUR für den gesamten Sechs-Achs-Roboterarm. Aufgrund der hohen Stückkostendegression in der Sensorherstellung sind im Massenmarkt sowohl für Laserscanner als auch für 3D-Sensoren Preise um 50 EUR pro Stück realistisch. Für eine deutliche Reduktion der Materialkosten müssen daher im Massenmarkt voraussicht- Dies setzt jedoch voraus, dass die maximale kinetische Energie des Roboters, aufgrund lich andere Komponenten gewählt werden als jene, die derzeit im professionellen Bereich einer leichten Bauweise und geringer Motorleistungen, so gering ist, dass auf sicherheits- zum Einsatz kommen. Bei den Motoren sind dabei Abstriche bezüglich Präzision und Nutzlast zertifizierte Sensoren verzichtet werden kann. denkbar, so dass bei entsprechend hohen Stückzahlen Preise von unter 100 EUR realisiert werden könnten. Sollten für einfache Anwendungen auch Schrittmotoren infrage kommen, Sensorik heute Massenmarkt könnten sogar noch günstigere Preise erzielt werden. Zudem kann im Massenmarkt u. U. auf Komponenten Anzahl Preis je Einheit (in EUR) Anzahl Preis je Einheit (in EUR) günstigere Planetengetriebe zurückgegriffen werden, die je nach Nutzlast und Präzisions- Laserscanner anforderungen auch im Spritzgussverfahren aus Kunststoff gefertigt sein können. Preise für 2 1.000 2 50 (LiDAR) Planetengetriebe von ca. 20 EUR sind damit als realistisch anzusehen. Da im Massenmarkt Motoren und Getriebe typischerweise als speziell konfigurierte Einheit bezogen werden, ist 3D-Sensor 1–4 100–500 1 50 davon auszugehen, dass diese zusammen nicht mehr als 100 EUR kosten werden. Radarsensor 0–1 200 – Bezüglich des Greifers gilt als wahrscheinlichste Option im Massenmarkt ein einfacher Zweibackengreifer. Für das sichere Greifen von Objekten muss dieser zudem mit geeigne- Näherungssensor 0–3 400–500 – ter Sensorik, wie z. B. Kraft-Moment-Sensoren, ausgestattet sein. Entsprechende Lösun- gen sind aktuell für 500 bis 1.000 EUR erhältlich. Ist der Greifer zudem für die Mensch- Roboter-Kollaboration (MRK) ausgelegt, liegen die Preise durchaus darüber. So ist auch Ultraschallsensor 0–1 300 – im Massenmarkt bei der Abnahme großer Stückzahlen mit Kosten von ca. 200 EUR zu Laserentfernungs- rechnen. Günstigere Greifer sind jedoch grundsätzlich vorstellbar, insofern beim Greifen auf 0–1 50–100 – messer Sensorik verzichtet werden kann und gleichzeitig die Kraft des Greifers auf für Menschen ungefährliche Werte begrenzt wird. Für Hand und Finger sind dies gemäß ISO/TS 15066 Kraftmomentsensor 0–1 200–1.000 – bis zu 140 N. Ohne diese Sensorik würden auch einfache Greifer-Konzepte (bspw. aus Kunststoffspritzguss) möglich sein, wodurch Preise auch deutlich unter 100 EUR realisier- Gyrosensor 0–1 20–50 – bar wären. Um auch ohne Sensorik ein sicheres Greifen zu gewährleisten, ist bspw. eine bionische Struktur denkbar. Stoßsensor, -leiste 1–6 50–100 1 5 (Bumper) Tabelle 3: Die Kosten der Sensorik 4.3 Sensorik Sowohl für die mobile Einheit als auch für den Roboterarm werden unterschiedliche Senso- ren zur Umwelterkennung verwendet. Aktuell kommen dabei in der Servicerobotik insbe- Je nach Unternehmen und Einsatzzweck kommen derzeit, neben den bereits genannten, sondere Sicherheits-Laserscanner (LiDAR) zum Einsatz, die für den MRK-Einsatz zugelas- zum Teil noch verschiedene weitere Sensoren zum Einsatz. Dazu gehören neben Radar-, sen sind. Typischerweise wird eine mobile Einheit mit zwei Laserscannern ausgestattet, Näherungs- und Ultraschallsensoren auch einfache Laser-Entfernungsmesser sowie wobei jeweils einer nach vorn und einer nach hinten ausgerichtet ist. Da diese Sensoren in Gyro- und Kraftmomentsensoren. Im Gegensatz zu Laserscannern und 3D-Sensoren sind
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