GEHEIME MISSION? DEUTSCHE UNTERNEHMEN IM DIALOG MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN EINE UMFRAGE UNTER DEN 150 GRÖSSTEN UNTERNEHMEN - UPJ

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GEHEIME MISSION? DEUTSCHE UNTERNEHMEN IM DIALOG MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN EINE UMFRAGE UNTER DEN 150 GRÖSSTEN UNTERNEHMEN - UPJ
GEHEIME MISSION?
DEUTSCHE UNTERNEHMEN IM DIALOG MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN
EINE UMFRAGE UNTER DEN 150 GRÖSSTEN UNTERNEHMEN

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GEHEIME MISSION? DEUTSCHE UNTERNEHMEN IM DIALOG MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN EINE UMFRAGE UNTER DEN 150 GRÖSSTEN UNTERNEHMEN - UPJ
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GEHEIME MISSION? DEUTSCHE UNTERNEHMEN IM DIALOG MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN EINE UMFRAGE UNTER DEN 150 GRÖSSTEN UNTERNEHMEN - UPJ
HERAUSGEGEBEN VON PLEON KOHTES KLEWES GMBH
BONN UND BERLIN, OKTOBER 2004

GEHEIME MISSION?
DEUTSCHE UNTERNEHMEN IM DIALOG MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN
EINE UMFRAGE UNTER DEN 150 GRÖSSTEN UNTERNEHMEN

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INHALT

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PLEON KOHTES KLEWES   |   GEHEIME MISSION?

Ergebnisse in Schlagzeilen                                06

Vorwort                                                   08

Einführung                                                10

Methodik                                                  14

Ergebnisse der Befragung                                  16

Gastkommentare von                                        34

Bayer AG                                                  36

BMW AG                                                    37

Duales System Deutschland AG                              38

Germanwatch e.V.                                          40

HypoVereinsbank AG                                        42

KarstadtQuelle AG                                         43

TUI AG                                                    44

Vodafone D2 GmbH                                          46

WWF Deutschland                                           47

Anhang                                                    50

I.     Die 150 Unternehmen                                50

II.    Fragebogen                                         56

III.   Aktuelle Literatur                                 66

Impressum                                                 70

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ERGEBNISSE IN SCHLAGZEILEN

     ERGEBNISSE IN SCHLAGZEILEN

      DIE DATEN

      • Unternehmensauswahl: 150 große deutsche Unternehmen nach den Kriterien
        a) HDAX-Listung (abzüglich ausländischer Unternehmen = 105)
        b) 45 weitere nach Größe und inhaltlicher Relevanz

      • Identifikation der Ansprechpartner: durch telefonische Kontaktaufnahme

      • Online-Fragebogen: E-Mail mit personalisiertem Zugang an 140 Unternehmen

      • Feldzeit: 28. Juni bis 14. Juli 2004

      • Teilnehmer: 65 Unternehmen, davon 57 mit Dialogerfahrung

       VIELE UNTERNEHMEN PRAKTIZIEREN DEN DIALOG MIT KRITISCHEN GESELLSCHAFT-
       LICHEN GRUPPEN, DIE MEISTEN VERÖFFENTLICHEN ABER NICHT DIE ERGEBNISSE.
       57 der teilnehmenden 65 Unternehmen haben Erfahrungen im Dialog mit kritischen Gruppen. Aber nur
       ein Viertel lässt die Ergebnisse eines Dialogprozesses ins eigene Non-financial Reporting einfließen, nur
       ein knappes Fünftel veröffentlicht den Prozess oder die Ergebnisse in anderer Form. Für die große
       Mehrheit haben Dialogprozesse vor allem unternehmensinterne Konsequenzen, die nicht öffentlich
       werden. Dies wirft Fragen nach der öffentlichen Rolle von NGOs und nach dem Transparenzverständnis
       von Unternehmen auf.

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PLEON KOHTES KLEWES             |   GEHEIME MISSION?

UNTERNEHMEN WOLLEN MIT DEM STAKEHOLDER-DIALOG REPUTATIONSRISIKEN
VERRINGERN.
Der stärkste Beweggrund für Unternehmen, den Stakeholder-Dialog zu suchen, ist die Vorbeugung mög-
licher Reputationsrisiken. Daher steht etwa die Hälfte der Unternehmen in einem regelmäßigen Dialog mit
kritischen Stakeholdern, andere machen dies von der Aktualität eines Themas abhängig. Bei drei Vierteln
der Unternehmen mündet ein Dialogprozess in gemeinsame Projekte mit Nichtregierungsorganisationen.

DIALOGE BEWIRKEN VERÄNDERUNGSPROZESSE IN UNTERNEHMEN.
Zwei Drittel der dialogerfahrenen Unternehmen sind bereit, auch wichtige unternehmensstrategische
Entscheidungen von kritischen Stakeholdern reflektieren zu lassen. Das klingt erstaunlich optimistisch:
folgt nach der Corporate Governance jetzt die Stakeholder-Governance?

IN ZUKUNFT WIRD ES MEHR DIALOGE GEBEN.
Drei Viertel der dialogerfahrenen Unternehmen wollen künftig noch mehr Dialoge führen. Dies liegt an
der größtenteils hohen Zufriedenheit mit den Ergebnissen von Dialogprozessen. Auch alle teilnehmenden
Unternehmen ohne Dialogerfahrung können sich vorstellen, künftig in einen Dialog mit kritischen
Stakeholdern einzutreten. Die Anzahl und die Kapazität konstruktiver, dialogbereiter, gesellschaftlicher
Gruppen ist aber begrenzt. Neue Modelle zur Einbindung der Zivilgesellschaft in unternehmerische
Entscheidungsprozesse sind daher gefragt.

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VORWORT

     VORWORT

     Miteinander reden, um Probleme zu lösen – das Prinzip scheint einfach. Um nichts anderes geht es beim
     Stakeholder-Dialog, und doch wird das scheinbar Selbstverständliche durch einige Faktoren erschwert.
     Das fängt bei der Wahl der Gesprächspartner an. Manager sind es eher gewohnt, mit Vorständen, Analysten
     und Journalisten zu reden als mit Vertretern der kritischen Zivilgesellschaft. Es fehlt häufig an systematischer
     Kenntnis der Kritiker und der von ihnen vertretenen Themen. Manchmal wird auch die Relevanz solcher
     Kontakte schlichtweg in Frage gestellt.

     Für eine Reihe multinationaler Unternehmen aus Deutschland ist Stakeholder-Dialog kein neues Thema.
     Wir waren von der Zahl der Unternehmen, die angaben, Erfahrungen damit zu haben, positiv überrascht.
     Insofern generiert diese Untersuchung mehr belastbare Informationen als wir bei ihrer Konzipierung er-
     wartet hatten. Es werden eindeutig mehr ernst gemeinte Dialoge praktiziert als bislang erkennbar war.
     Das verdient uneingeschränkte Anerkennung, denn die dialogbereiten Unternehmen beweisen damit
     Lernbereitschaft, Außenorientierung und Mut zur Transparenz – mithin Voraussetzungen für einen dauer-
     haften Unternehmenserfolg. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie es denn eigentlich mit den anderen
     Unternehmen steht, die sich nicht beteiligt haben. Durch die persönlichen Kontakte mit allen 150 adres-
     sierten Unternehmen im Vorfeld der eigentlichen Befragung ergeben sich drei Muster:

                                                    ANDREAS STEINERT
                                                    Geschäftsführer Pleon Kohtes Klewes

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PLEON KOHTES KLEWES            |   GEHEIME MISSION?

     Abwehr: Zehn der 150 Unternehmen erklärten von vornherein, aus Prinzip nicht teilnehmen zu wollen
     oder schotteten sich bereits am Telefon ab. Hier haben wir von der Versendung des Fragebogen-Links
     abgesehen. Branchenbedingte Muster ließen sich dabei eher nicht erkennen. Andere Unternehmen sagten
     eine Beteiligung zu, aber hier liegt die Vermutung nah, dass dies von vornherein nicht ernst gemeint war.

     Intransparenz: Es gibt nach wie vor Unternehmen, auch unter den informationsverpflichteten Aktiengesell-
     schaften, die offenkundig hinter Mauern und Stacheldraht arbeiten. Dieses – vermutlich auf Selbstschutz
     zurückzuführende – Verhalten erreicht natürlich das Gegenteil, weil sich Fragen nach den Gründen aufdrängen.

     Zeitmangel: Für einige kam unser Fragebogen offenbar zu einem ungünstigen Zeitpunkt, teilweise durch
     anstehende Hauptversammlungen bedingt. Hieran konnte auch die Verlängerung des Online-Zeitraums
     der Befragung nichts mehr bewirken. Teilweise haben die Unternehmen auch nicht die personellen Kapa-
     zitäten. Dies ist insbesondere bei zahlreichen MDAX- und TecDAX-gelisteten Unternehmen der Fall, die
     scheinbar die erforderlichen Informationskapazitäten noch nicht organisiert haben. Andere Unternehmen
     leiden ganz offenkundig unter den vielen Fragebögen für Diplomarbeiten und Magisterstudien und unter-
     scheiden nicht mehr zwischen solchen individuellen akademischen Arbeiten und einer in der Kommunika-
     tions- und Fachwelt zu veröffentlichenden Studie mit Benchmark-Potenzial.

Selbstverständlich haben wir nicht erwartet, dass alle 150 Unternehmen aktiven Stakeholder-Dialog praktizie-
ren. Wir meinen auch nicht, dass alle Unternehmen dies tun sollten. Für viele Unternehmen ist der Stakeholder-
Dialog einfach kein relevantes Instrument der Strategieentwicklung oder der Öffentlichkeitsarbeit, und das ist
völlig in Ordnung. Ein besonderer Dank gilt daher den acht Unternehmen, die keine Erfahrung mit dem Stake-
holder-Dialog hatten, aber trotzdem teilgenommen haben. Dies gibt ein besseres Bild vom Status Quo dieses
Instruments als die Ablehnung eines Fragebogens. Die Dialogpartner in Unternehmen und kritischen Organi-
sationen bewegen sich vielfach „in geheimer Mission“. Sie nehmen damit bewusst einen gewissen Grad an In-
transparenz in Kauf, um in vertraulichen Gesprächen Bewegung in Prozesse zu bringen, die über einen öffent-
lichen Weg behindert würden. Es ist gut, dass es diese „Nicht-Öffentlichkeit“ gibt, wenn auf diese Weise er-
kennbare Fortschritte in Richtung nachhaltiger Entwicklung gemacht werden. Wenn es dann aber „erkennbare“
Fortschritte sind, will die Öffentlichkeit auch darüber informiert werden, zum Beispiel durch ein breites Spek-
trum an PR-Aktivitäten. Schweigen jedenfalls sorgt nicht für mehr Reputation – allenfalls für eine schlechte.

                                                                                               Andreas Steinert

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EINFÜHRUNG

     EINFÜHRUNG

     REDEN DEUTSCHE UNTERNEHMEN MIT IHREN KRITIKERN?
     Diese Frage war der Ausgangspunkt unserer Studie. Geklärt werden sollte, ob, warum und wie große Unter-
     nehmen auf kritische Stimmen aus ihrem gesellschaftlichen Umfeld reagieren: Wird Kritik ignoriert? Wird mit
     juristischen Schritten gedroht? Oder kommt es zum konstruktiven Dialog?

     Beispiele für Konfrontation zwischen Unternehmen und kritischen Gruppen der Zivilgesellschaft gibt es immer
     wieder. Allein im Vorbereitungszeitraum dieser Befragung in der ersten Jahreshälfte 2004 gab es Greenpeace-
     Proteste auf Braunkohlebaggern, Proteste wegen der Verfütterung nicht gentechnikfreier Nahrung an Milch-
     kühe, gerieten Steuerabschreibungspläne ins Visier von Attac, wurde ein Discounter von Robin Wood dazu
     gebracht, künftig keine Tropenholzprodukte ohne FSC-Siegel zu verkaufen, und vieles mehr.

     In dieser Befragung geben Dialogverantwortliche großer Firmen Auskunft darüber, ob sie mit potenziell kritisch
     eingestellten Stakeholdern sprechen, ob dies eher fallweise oder regulär geschieht, mit wem gesprochen wird,
     aus welchen Gründen und mit welchen Ziel der Dialog geführt wird. Gesucht wurde auch eine Antwort auf die
     Frage, was nach einem Dialogprozess geschieht: Business as usual? Kommt ein Lernprozess in Gang?

     Die Analyse der Ergebnisse dieses Projektes zeigt, was führende Unternehmen in diesem Bereich leisten,
     wodurch sie zum Dialog motiviert werden und wie sie ihre Kommunikations- und Risikomanagementleistungen
     optimieren können. Die Studie will gleichzeitig für potenziell kritische Themen sensibilisieren und für mehr
     konstruktiven Dialog als Form der gesellschaftlichen Auseinandersetzung zwischen Unternehmen und der
     Zivilgesellschaft werben. Als Kommunikationsberatung mit einem strategischen Schwerpunkt im Bereich der
     gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen („Corporate Social Responsibility“) sind wir davon über-
     zeugt, dass der Dialog mit kritischen Stakeholdern ein wesentliches Element der Risikominimierung und der
     organisatorischen Weiterentwicklung für Unternehmen ist.

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PLEON KOHTES KLEWES            |   GEHEIME MISSION?

WARUM SOLLTEN UNTERNEHMEN MIT IHREN KRITIKERN REDEN?
„The business of business“ ist nicht nur „business“ – und die gesellschaftliche Verantwortung eines Unter-
nehmens beschränkt sich nicht auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und das Zahlen von Steuern. Wirtschafts-
ethik, Nachhaltigkeit, Corporate Social Responsibility sind Stichworte einer weltweiten Debatte, mit der sich
große Unternehmen zunehmend beschäftigen.

Aus gutem Grund: Die Zahl der Kritiker von Globalisierung und mangelnder ethischer Verantwortung von
Unternehmen wächst. Zunehmend erkennt auch die internationale Finanzwirtschaft, dass die gesellschaft-
lichen Risiken für Unternehmen wachsen. So fragen inzwischen große Anbieter von Börsenindizes wie Dow
Jones und FTSE, wie es die Unternehmen mit dem Stakeholder-Dialog halten. Der jährliche Fragebogen zur
Dow Jones Sustainability Indexgruppe enthält eine Reihe von Fragen zum Umgang mit kritischen Stakeholdern,
die zu 6,6 Prozent in die Unternehmensbewertung einfließen. Die FTSE Group fragt für die FTSE4Good-
Indizes explizit nach Dialogprozessen mit Stakeholdern im Hinblick auf Umwelt-, Arbeitnehmervertretungs-
und Menschenrechtskriterien. Diese Börsenanalysten wissen: Konfrontation zwischen Unternehmen und
ihren Kritikern führt zu Imageschäden, die nur schwer reparabel sind und in vielen Fällen mit einem Wert-
verlust der Aktie enden.

Am meisten sollte den Unternehmen jedoch an ihrer eigenen Zukunft gelegen sein. Potenzieller Kritik präventiv
zu begegnen, ist aktive Risikovorsorge, die in zahlreichen Unternehmen durch Abteilungen für Corporate
Communications, Public Affairs oder Issues Management wahrgenommen wird. Oftmals findet hier aber nur
Analyse statt, der direkte Dialog bleibt auf der Strecke. Der konstruktive Austausch mit Kritikern dient aber
auch dazu, die Innovationsfähigkeit zu erhalten und den langfristigen Bestand des Unternehmens zu sichern.

                                                                                                                 11
EINFÜHRUNG

     WAS SIND POTENZIELLE KRITIKPUNKTE?
     Womit werden große Unternehmen konfrontiert? Einige der aktuellen Themen, mit denen sich kritisch
     eingestellte Organisationen an Unternehmen wenden, sind:

         Sozialstandards in Entwicklungsländern (relevant für die Textilindustrie,
         für Handelsunternehmen, stark zulieferabhängige Industrien und die Finanzwirtschaft)

         Klimaschutz / Kohlendioxid-Emissionen (relevant für Energieerzeuger,
         energieintensive Industrien und die Finanz- und Versicherungsbranche)

         Ressourcenproblematik: Was geschieht nach dem Ende des Erdöls
         (relevant für die Öl-, Chemie-, Automobilbranchen)? Wer baut wo unter welchen Bedingungen
         benötigte Mineralien und Metalle ab (relevant für die Halbleiter- und Chemiebranchen, Energieversorger
         und die Finanzwirtschaft)?

         Corporate Governance: Welche Mechanismen helfen, Bilanzfälschungen zu verhindern
         (relevant für alle Unternehmen, insbesondere Aktiengesellschaften)?

         Offshoring: Verlagerung von Arbeitsplätzen aus der westlichen Welt in Länder mit niedrigeren Löhnen,
         Sozialabgaben, Umwelt- und Sozialstandards und weniger stabilen Demokratien

         Privatisierungen öffentlicher Güter: Wasser, Energie, Entsorgung, etc.

         Nord-Süd-Konflikt: Digital Divide, Gesundheit, Bildung, religiöser Fundamentalismus.

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PLEON KOHTES KLEWES            |   GEHEIME MISSION?

Die beispielhafte Listung zeigt, dass Unternehmen keine in sich abgeschlossenen Einheiten sind, sondern mit
ihrem Umfeld kommunizieren – und dieses Umfeld sind nicht nur Absatzmärkte und Investoren, sondern die
gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen heute Unternehmen arbeiten. Stakeholder erheben den Anspruch
zu wissen, ob Unternehmen mit der ihnen anvertrauten Macht verantwortlich umgehen. Geschieht dies
ihrer Ansicht nach nicht (oder nicht ausreichend), tun Unternehmen gut daran, ihren Standpunkt zu erklären.
Eventuelle Defizite abzubauen ist nicht nur gut für die Reputation, sondern ist auch ein Garant für die eigene
Innovations- und Zukunftsfähigkeit. Der Stakeholder-Dialog kann hierbei eine entscheidende Rolle spielen.

                                                                                                                 13
METHODIK

     METHODIK

     Im Gegensatz zur letzten nachhaltigkeitsrelevanten Studie dieser Agenturgruppe* wandte sich die vorliegende
     Befragung nicht an einen möglichst großen, repräsentativen Adressatenkreis, sondern an eine verhältnismäßig
     überschaubare Gruppe von 150 Unternehmen. Die Formulierung „größte Unternehmen“ ist bekanntlich je nach
     Bezugsgröße relativ und kann zu unterschiedlichen Zusammenstellungen von Unternehmen führen, je nach-
     dem, ob Börsenkapitalisierung, Umsatzstärke oder Mitarbeiterzahl als Größenkriterium herangezogen wird. Bei
     unserer Auswahl sind wir pragmatisch vorgegangen. Auswahlkriterien waren:

          HDAX-Listung: Der HDAX vereint den DAX (30 Unternehmen), den MDAX (50 Unternehmen) und
          den TecDAX (30 Unternehmen). Aus diesen Kreis von 110 schieden fünf Unternehmen aus, die ihren
          Hauptsitz im Ausland haben, da der Fokus der Studie auf deutschen Unternehmen liegen sollte.
          Große Unternehmen: Der Kreis der 105 Unternehmen aus dem bereinigten HDAX (s.o.) wurde um
          45 Unternehmen erweitert, die a) durch ihre Größe eine wichtige Rolle in der deutschen Wirtschaft
          einnehmen, aber aus verschiedensten Gründen nicht börsengelistet sind (z.B. Bertelsmann). Dabei fand
          ein Abgleich mit der WELT-Liste der 500 größten deutschen Unternehmen und den „Image-Profilen“
          des Manager-Magazins statt.
          Inhaltlich relevante Unternehmen: Wenn nicht schon mit obigen Kriterien erfasst, wurden Unternehmen
          aufgenommen, die in der Diskussion um nachhaltiges Wirtschaften und Corporate Social Responsibility in
          den vergangenen Jahren besonders aufgefallen sind und daher möglicherweise mit der Thematik dieser
          Befragung vertraut sind.
          Selbstständige Unternehmen: Unternehmen, die zu Holdings im gleichen Marktsegment gehören (wie
          Audi oder T-Mobile), wurden nicht angesprochen.

     Es handelt sich mithin um eine Auswahl aus zwei objektiven Kriterien, die streng angewandt wurden, und zwei
     weniger objektiven Kriterien, bei denen die langjährigen Marktbeobachtungen der Agentur zum Zuge kamen.
     Die genaue Auswahl ist in Anhang I aufgeführt.

     * Global Stakeholder Report 2003: Geteilte Werte? – Die erste weltweite Stakeholder-Befragung zum Non-
      financial Reporting, hrsg. von ECC Kohtes Klewes und Fishburn Hedges, Bonn und London, Juli 2003.

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PLEON KOHTES KLEWES             |   GEHEIME MISSION?

Um bei diesem kleinen Sample auf auswertbare Teilnehmerzahlen zu kommen, wurde jedes Unternehmen
vorab telefonisch kontaktiert. Dabei ging darum, den Ansprechpartner für diese Thematik zu erfragen, auf die
Befragung aufmerksam zu machen und die Bereitschaft zur Teilnahme zu erkunden. Durch das Feedback auf
diese Telefonate wurde die Zahl der Unternehmen wieder auf 140 zurückgefahren, von denen fast alle eine
Teilnahme zumindest prüfen wollten. Tatsächlich ausgefüllt wurde der Fragebogen schließlich von 65 Unter-
nehmen (43,3 Prozent), davon 57 mit Dialogerfahrung (38 Prozent).

Alle identifizierten Ansprechpartner erhielten eine E-Mail mit einem individualisierten Zugang zu einem Internet-
basierten Fragebogen. Die Code-Nummer in diesem Zugang ermöglichte die Überprüfung, welche Unternehmen
teilnahmen, um diesen eine Erinnerung zu ersparen. Im übrigen blieb die Befragung anonym. Das Fragebogen-
Hosting übernahm die Firma GlobalPark aus Hürth bei Köln, deren „Umfragecenter“-Software verwendet wurde.

Der Fragebogen enthielt 21 Fragen, die überwiegend mit einfachen Ankreuzoptionen gestaltet waren. Die ein-
zige so genannte Pflichtfrage war Frage 2 („Hat Ihr Unternehmen bereits Erfahrungen im Dialog mit kritischen
Stakeholdern?“). Wer hier „Nein“ ankreuzte, wurde an den meisten folgenden Fragen vorbeigeleitet und erhielt
nur noch eine Frage 2b sowie die Fragen 17, 18 und 20.

Der Befragungszeitraum wurde einmal um eine Woche verlängert und lag insgesamt in der Zeit vom 28. Juni
bis 14. Juli 2004.

Für den vorliegenden Bericht wurden in der ersten Augusthälfte 2004 einer kleinen Zahl von Unternehmen
und NGOs vier Ergebnisthesen vorgelegt, mit der Bitte, diese zu kommentieren. Die daraus resultierenden
Statements der Unternehmen Bayer, BMW, Duales System Deutschland, HypoVereinsbank, KarstadtQuelle,
TUI, Vodafone D2 sowie der NGOs Germanwatch und WWF sind als individuelle Kommentierungen bzw. Inter-
pretationen gedacht, die diesem Bericht Mehrwert verleihen sollen, ohne selbst Bestandteil der repräsentati-
ven Analyse zu sein. Den Unternehmen und NGOs gilt unser besonderer Dank.

                                                                                                                    15
ERGEBNISSE DER BEFRAGUNG

     ERGEBNISSE DER BEFRAGUNG

     GRUNDLAGEN
     Die Frage, ob Stakeholder-Dialog tendenziell eher regelmäßig oder sporadisch praktiziert wird, führte bei dieser
     nicht unternehmens- oder branchenspezifisch fokussierten Studie zu einem ambivalenten Ergebnis: So werden
     Dialogprozesse in Industrien, die traditionell besonders im Fokus kritischer Organisationen stehen, eher für be-
     sonders sinnvoll gehalten, wenn sie regelmäßig praktiziert werden. 49,1 Prozent der Unternehmen stehen re-
     gelmäßig in Kontakt mit kritischen Gruppen, 50,9 Prozent eher fallweise, bzw. je nach Aktualität eines Themas.

     Die am weitesten verbreitete Diskussionsform sind individuelle und informelle Gespräche mit zwei bis fünf Orga-
     nisationen. 56,1 Prozent der Befragten gaben an, keinen institutionalisierten Stakeholder-Dialog zu haben. Knapp
     die Hälfte der Unternehmen nimmt an Dialogforen teil, wie sie etwa vom World Business Council for Sustainable
     Development oder der UNEP-Finanzinitiative (UNEP-FI) durchgeführt werden. Doch die Zahl derer, die (teilweise
     zusätzlich) eigene Dialoge durchführen, ist noch größer (54,4 Prozent). Die Hilfe externer Berater bzw. Modera-
     toren für unternehmensindividuelle (d. h. nicht durch Verbände veranstaltete) Stakeholder-Dialoge nimmt ein
     knappes Drittel der Unternehmen in Anspruch.

      1
          WIE WIRD IN IHREM UNTERNEHMEN DER STAKEHOLDER-DIALOG ORGANISIERT?
          Angaben in Prozent

          Wir haben keinen institutionalisierten Stakeholder-
          Dialog, sondern tauschen uns auf individueller und                                                            56,1
          informeller Ebene mit kritischen Stakeholdern aus.

          Wir organisieren den Dialog selbst, in Eigenregie.
                                                                                                                    54,4

          Wir nehmen an Dialogforen eines Verbandes teil
          (z.B. WBCSD, Econsense).
                                                                                                             49,1

          Wir organisieren den Dialog selbst in Zusammenarbeit
          mit externen Experten/Dienstleistern.
                                                                                    29,8

                                                                    n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen. Mehrfachnennungen möglich.

16
PLEON KOHTES KLEWES                       |     GEHEIME MISSION?

Doch wie genau findet Stakeholder-Dialog statt? Handelt es sich eher um großformatige öffentliche Runden
oder um informelle Gespräche im Hinterzimmer? Der öffentliche Dialog ist eine durchaus präsente Erschei-
nungsform (71,9 Prozent), doch noch üblicher sind kleine Gesprächsrunden mit jeweils mehreren Unternehmens-
und Stakeholder-Vertretern (82,5 Prozent) und Vier-Augen-Gespräche (77,2 Prozent). Wie sich später noch
zeigen wird, sind diese durchaus nicht öffentlich, nicht einmal die Ergebnisse solcher Gespräche. Auch die eher
zwanglosen (und zufälligen) Treffen auf öffentlichen Veranstaltungen zählen (zu Recht) als Stakeholder-Dialog.

Ganz und gar unterentwickelt in Deutschland sind dagegen Online-Stakeholder-Dialoge im Internet, eine Praxis
mit der britische Unternehmen zum Teil sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Dies kann für Unternehmen
(und auch für Stakeholder) eine unaufwändige Methode sein, mit einer größeren Zahl kritischer Stakeholder
in Kontakt zu treten und dies gleichzeitig fachöffentlich zu dokumentieren. Hier besteht noch großes Ausbau-
potenzial, insbesondere durch die zunehmend belastende Inanspruchnahme der wichtigeren NGOs.

 2
     WELCHE FORMEN DES STAKEHOLDER-DIALOGS
     WERDEN IN IHREM UNTERNEHMEN IN DER REGEL ANGEWANDT?
     Angaben in Prozent

     Mehrere Vertreter unseres Unternehmens sprechen
     mit mehreren Stakeholder-Vertretern.                                                                                        82,5

     Es finden Gespräche unter vier Augen (o.ä.) statt.
                                                                                                                           77,2

     Ein Vertreter unseres Unternehmens nimmt
     an einem extern organisierten Dialogforum                                                                       71,9
     mit mehreren Stakeholder-Gruppen teil.

     Wir nehmen regelmäßig an öff. Veranstaltungen teil
     und kommen auf diese Weise ins Gespräch.
                                                                                                              63,2

     Unser Unternehmen moderiert einen Online-Dialog
                                                          1,8
     im Internet.

     Sonstige
                                                                 10,5

                                                                  n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen. Mehrfachnennungen möglich.

                                                                                                                                               17
ERGEBNISSE DER BEFRAGUNG

     Bei alldem bleibt die Zahl der Gruppen, mit denen gesprochen wird, überschaubar. Zwei bis fünf Organisationen
     ist die am häufigsten genannte Zahl (52,2 Prozent). Immerhin noch 10,5 Prozent der befragten Unternehmen
     sprechen regelmäßig mit mehr als zehn Organisationen – bei diesem Sample von 57 dialogerfahrenen Unter-
     nehmen sind das genau sechs. Das erscheint eine erstaunlich geringe Zahl von Unternehmen zu sein, bedenkt
     man, wie viele der befragten Unternehmen auf internationalen Märkten agieren. Möglicherweise haben dies
     einige der Teilnehmer bei dieser Frage nicht bedacht, denn in der expliziten Frage nach den geografischen
     Regionen, in denen deutsche Unternehmen Stakeholder-Dialog praktizieren, erscheinen eine Reihe weiterer
     Kontinente. Wenn allein 63,2 Prozent der Befragten in westeuropäischen Ländern (ohne Deutschland) und
     43,9 Prozent in Nordamerika mit kritischen Stakeholdern diskutieren, ist anzunehmen, dass mehr als sechs
     Unternehmen mit mehr als zehn Organisationen reden.

      3
          IN WELCHEN GEOGRAFISCHEN REGIONEN STEHT
          IHR UNTERNEHMEN IM DIALOG MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN?
          Angaben in Prozent

          Deutschland                                                                                                               94,7

          Westeuropa                                                                                  63,2
          Nordamerika                                                               43,9
          Osteuropa                                                   28,1
          Ostasien/Pazifik                                         22,8
          Lateinamerika                                      15,8
          Afrika                                              5,3
          Australien/Neuseeland                              3,5
          Naher/Mittlerer Osten                              3,5

                                                                     n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen. Mehrfachnennungen möglich.

     „Stakeholder“ ist ein weit gefasster Begriff, der grundsätzlich alle gesellschaftlichen Gruppen meint, die ein
     Unternehmen beeinflussen und die von einem Unternehmen beeinflusst werden. Nicht alle davon sind durch
     ihr Selbstverständnis kritisch eingestellt, doch war die ganze Befragung auf kritische Stimmen aus dem Unter-
     nehmensumfeld ausgerichtet. Auf die Frage nach den Stakeholder-Gruppen, auf denen der Fokus des Unter-

18
PLEON KOHTES KLEWES                          |    GEHEIME MISSION?

nehmens liegt, antworteten 70,2 Prozent mit „Investoren“, erst danach folgen mit 63,2 Prozent „Umwelt-
organisationen“. Wir haben Grund zu der Annahme, dass mit „Investoren“ tatsächlich eher kritische Inves-
toren gemeint waren und dass Stakeholder-Dialog hier nicht einfach die klassischen Investor Relations
meint. Die Unternehmen sprachen in den vorbereitenden Telefonaten zu diesem Projekt vielfach von den
zahlreichen Fragebögen und persönlichen Gesprächen mit Analysten aus dem Bereich der nachhaltigkeits-
orientierten bzw. ethischen Investments, die in den vergangenen Jahren stark zugenommen und deren
Anlageprodukte sich dynamisch entwickelt haben. So kann diese hohe Zahl als eine Mischung aus solchen
konstruktiv-kritischen Nachfragen einerseits und der Gruppe der „kritischen Aktionäre“ andererseits inter-
pretiert werden, die von ihrem Selbstverständnis her tendenziell oft mit den NGOs zu vergleichen sind.

 4
     BITTE NENNEN SIE STAKEHOLDER-GRUPPEN, AUF DENEN DER FOKUS
     IHRES UNTERNEHMENS LIEGT
     Angaben in Prozent

     Investoren                                                                                                             70,2
     Umweltorganisationen                                                                                         63,2
     Politiker/Parteien                                                                                      59,6
     Gewerkschaften                                                                           47,4
     Verbraucherverbände                                                               42,1
     Forschungsgemeinde                                                                42,1
     Anwohner von Firmenstandorten                                                     40,4
     Globalisierungskritische Organisationen                              31,6
     Kirchen/religiös motivierte Gruppen                          24,6
     Menschenrechtsorganisationen                               22,8
     Stiftungen                                          17,5
     Weitere                                          14,0

                                                             n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen. Mehrfachnennungen möglich.

                                                                                                                                          19
ERGEBNISSE DER BEFRAGUNG

     Unter den klassischen NGOs nehmen Umweltorganisationen daher nach wie vor den wichtigsten Platz ein.
     Greenpeace, BUND, WWF & Co. bleiben damit die wichtigsten Einflussgrößen auf ökologisch hinterfragbare
     Unternehmensentscheidungen. An Rang 5 folgen Verbraucherschutzorganisationen, an Rang 8 Globalisie-
     rungskritiker und an Rang 10 Menschenrechtsorganisationen. Zweifellos sind hier teilweise Überschneidungen
     zu beobachten, aber der primäre Fokus einer Organisation ist in der Regel identisch mit der Wahrnehmung
     durch Unternehmen. So bleibt beispielsweise Amnesty International immer eine Menschenrechtsorganisation,
     auch wenn sie Aktivitäten vor dem Hintergrund einer allgemeineren Globalisierungskritik entfaltet. Attac dage-
     gen positioniert sich als globalisierungskritisches Netzwerk, unabhängig davon, ob BUND und Verbraucher-
     zentralen im „wissenschaftlichen Beirat“ der Organisation mitwirken. Die vergleichsweise geringe Bedeutung
     globalisierungskritischer Organisationen dürfte damit zu erklären sein, dass Greenpeace und BUND/Friends of
     the Earth selbst schon globale Netzwerke sind, die umweltpolitischen Einfluss auf Unternehmensentscheidun-
     gen auf globaler Ebene nehmen. Die eher radikalen Kräfte in Attac, sofern sie eine grundsätzlich antikapitalisti-
     sche Einstellung vertreten, werden dagegen weniger zu Gesprächspartnern für Unternehmen.

     THEMEN
     Worüber reden Unternehmen mit ihren Stakeholdern? In Anlehnung an die Ergebnisse der internationalen
     Befragung der Leser von Nachhaltigkeitsberichten („Global Stakeholder Report 2003“) wurden die dort als die
     am wichtigsten identifizierten Themen aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Wirtschaft als Antwortmög-
     lichkeiten angeboten. Im Umweltbereich sind es tatsächlich die grundsätzlichen umweltpolitischen Leitlinien
     eines Unternehmens, die die Stakeholder kritisieren. 68,4 Prozent der Befragten diskutieren hierüber mit kriti-
     schen Stakeholdern. Speziellere Probleme, wie der Schutz des Klimas oder Wege zu mehr Energie- bzw. Öko-
     effizienz werden „nur“ noch von 43,9 bis 42,1 Prozent genannt. Unter den „Weiteren“ Themen (24,6 Prozent)
     wurden u.a. genannt: Stadtgestaltung, Umweltrisikoprüfung im Kreditbereich, Tierschutz, ökologischer Land-
     bau und Gentechnik.

     Unter den sozialen Themen sticht besonders der Bereich „Gesundheitsschutz/Arbeitsschutz/Sozialstandards“
     hervor (57,9 Prozent). Dieses breit erscheinende Thema weist auf einen Bereich hin, der insbesondere vor
     dem Hintergrund der aktuellen Offshoring- bzw. Globalisierungsdiskussion brisant werden kann: Von Unter-
     nehmen wird hier klar gefordert, westliche Sicherheitsstandards auch an Standorten in Entwicklungs- und
     Schwellenländern anzuwenden und sich nicht auf geringere lokale Anforderungen zu beziehen. „Corporate
     Governance“, hier bezogen auf eine wirtschaftlich und ethisch verantwortliche Unternehmensführung und
     -kontrolle, ist Gegenstand der Dialoge bei 63,2 Prozent der befragten Unternehmen.

20
PLEON KOHTES KLEWES                          |    GEHEIME MISSION?

 5
     ÜBER WELCHE THEMEN STEHEN SIE IN KONTAKT MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN?
     - UMWELTTHEMEN -
     Angaben in Prozent

     Umweltpolitik/Umweltleitlinien                                                                                          68,4
     Klimaschutz                                                                              43,9
     Energie- bzw. Ökoeffizienz                                                            42,1
     Weitere                                                         24,6

     ÜBER WELCHE THEMEN STEHEN SIE IN KONTAKT MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN?
     - SOZIALE THEMEN -

     Gesundheitsschutz/Arbeitsschutz/Sozialstandards                                                            57,9
     Wirtschaftsethische Fragestellungen                                                        45,6
     Umgang mit Menschenrechten                                                    35,1
     Weitere                                            5,3

     ÜBER WELCHE THEMEN STEHEN SIE IN KONTAKT MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN?
     - WIRTSCHAFTLICHE THEMEN -

     Corporate Governance                                                                                               63,2
     „Business Case“ für nachhaltiges Wirtschaften                                              45,6
     Einbindung der Zulieferer/Lieferanten in                                             40,4
     Nachhaltigkeitsstrategien
     Weitere                                           12,3

                                                              n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen. Mehrfachnennungen möglich.

ZIELE
Vor dem Hintergrund einiger spektakulärer Fälle in den 1980er und 1990er Jahren haben die Unternehmen,
die heute Dialogerfahrung aufweisen können, eine akute Bedrohung ihres öffentlichen Ansehens erkannt.
Kritische Umweltorganisationen als Hauptadressaten der Dialogbemühungen von Unternehmen (s.o.) sind
schlagkräftig organisiert und können erfahrungsgemäß medienwirksame Aktionen auf die Beine stellen, die
Unternehmen zumindest als lästig erleben. Ignorieren lassen sich solche Protestaktionen ab einem bestimmten
Punkt nicht mehr, womit die Unternehmen oft nur noch vor der Wahl stehen, den Weg der Justiz oder den des
Dialogs zu gehen.

                                                                                                                                           21
ERGEBNISSE DER BEFRAGUNG

     So verwundert es nicht, dass die erhoffte Vermeidung von Reputationsrisiken die Hauptmotivation von Unter-
     nehmen ist, einen Dialogprozess mit kritischen Stakeholdern einzugehen. Für 66,7 Prozent der Befragten trifft
     dies „voll und ganz“ zu, für weitere 28,1 Prozent trifft dies „eher“ zu (Summe = 94,8 Prozent). Dass in der
     Summe der generelle Wunsch nach einem guten Verhältnis zu potenziell kritischen Organisationen noch größer
     ist (96,5 Prozent), ändert nichts an der Feststellung, dass „Reputation“ das Hauptmotiv der Unternehmen ist.
     Damit kann diese Untersuchung klar festhalten, dass der Dialog nicht dem Ziel dient, herauszufinden, was
     Stakeholder eigentlich von Unternehmen wollen, wie gelegentlich zu lesen ist. Wie HypoVereinsbank-Sprecher
     Stefan Löbbert in seinem Kommentar zu den Ergebnissen dieser Studie feststellt, wissen Unternehmen auch
     ohne Dialog sehr genau, was Stakeholder zu kritisieren haben. Damit ist das Einlassen auf den Dialog bereits
     ein Zeichen der grundsätzlichen Veränderungsbereitschaft. Wie weit diese geht, wird noch zu bestimmen sein.

      6
          AUS WELCHEN GRÜNDEN PFLEGT IHR UNTERNEHMEN DEN KONTAKT
          MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN? - TOP TWO -
          Angaben in Prozent

          Wir sind generell an einem guten Verhältnis zu unseren
          (potenziell) kritischen Stakeholdern interessiert.                                                                       61,4                                35,1

          Durch die Kontaktpflege mit (potenziell) kritischen Stake-
          holdern möchten wir Reputationsrisiken vorbeugen.
                                                                                                                                        66,7                         28,1

          Wir möchten aus erster Hand Informationen über
          das Ansehen unseres Unternehmens bei (kritischen)                                                            49,1                                  38,6
          Stakeholdern erhalten.

          Stakeholder-Dialog ist praktizierte Zukunftsforschung
          durch den Kontakt mit gesellschaftlichen Meinungsführern.
                                                                                            22,8                                                    56,1

          Wir nutzen den Stakeholder-Dialog in erster Linie dafür,
          die Ansichten des Unternehmens zu aktuellen Themen                                       31,6                                         42,1
          an Meinungsbildner zu vermitteln.

          Der Stakeholder-Dialog ist für unser Unternehmen ein
          ergebnisoffenes Lernforum, um möglicherweise Unter-                                      31,6                                   36,8
          nehmensstrategien zu verändern.

          Dialogbereitschaft hat für unser Unternehmen einen
          hohen Stellenwert, daher ist ein konkreter Nutzen des                                     31,6                                 35,1
          Dialogs nicht erforderlich.

          Der Stakeholder-Dialog ist eine neue und chancenreiche
          Kommunikationsform, deren Nutzen wir derzeit erproben.                       19,3                            29,8

          Nachhaltigkeitsindizes an der Börse (DJSI, FTSE4Good, etc.)
          erwarten von uns verstärkt, dass wir Stakeholder-Dialoge                12,3                                 36,8
          durchführen.

          Wir fühlen uns auf Grund von äußerem Druck zum Dialog                     3,5                 31,6
          gedrängt.

                                                                                                                                  n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen.
                                           Top Two (trifft voll und ganz zu + trifft eher zu) auf einer Skala von 1 (= trifft voll und ganz zu) bis 4 (= trifft überhaupt nicht zu).

22
PLEON KOHTES KLEWES            |   GEHEIME MISSION?

Von geringerer Bedeutung ist das Motiv, aus erster Hand Informationen zum Ansehen des Unternehmens
bei kritischen Organisationen zu bekommen (gesamt 80,7 Prozent Zustimmung, aber nur bei 49,1 Prozent
„voll und ganz“).

Eher ambivalent verhalten sich Unternehmen bei der für Stakeholder wichtigen Frage der tatsächlichen Ver-
änderungsbereitschaft. Insgesamt betrachten zwar 68,4 Prozent der Befragten den Dialog als ein „ergebnisof-
fenes Lernforum, um möglicherweise Unternehmensstrategien zu verändern“, doch „voll und ganz“ trifft dies
nur auf ein knappes Drittel der befragten Unternehmen zu. Für 22,8 Prozent der Befragten trifft dies „eher
nicht" zu und für 7 Prozent „überhaupt nicht“. Für letztere stellt sich die Frage, ob das Ziel des Schutzes der
Reputation ohne Veränderungsbereitschaft erreicht werden kann. Schon in der Aussage „trifft eher zu“ wird ja
bereits die Veränderungsbereitschaft relativiert, zweifellos weil die Dialogpartner in Unternehmen nicht immer
die Befugnis haben, Zusagen zu machen, die die strategische Positionierung von Unternehmen verändern
könnten. Nur vom Miteinander Reden wird sich jedenfalls eine verbesserte Reputation nicht einstellen – in
diesem Fall birgt sogar der Dialog selbst das Risiko, das er eigentlich verhindern soll.

Mehrheitlich abgelehnt wird die Erprobung des Stakeholder-Dialogs als „neuer und chancenreicher Kom-
munikationsform“ (gesamte Zustimmung nur 49,1 Prozent), und geradezu marginal erscheint der Faktor
„äußerer Druck“, der folglich kaum vorhanden zu sein scheint. Selbst die Tatsache, dass Börsenindizes wie die
Dow Jones Sustainability Indexes oder FTSE4Good den kritischen Stakeholder-Dialog verlangen (dies im
übrigen ebenfalls wegen der Reputationsrisiken), wird zwar von knapp der Hälfte der Befragten anerkannt,
doch von 26,4 Prozent auch wieder nicht – möglicherweise sagen dies Unternehmen, die in solchen Indizes
nicht gelistet werden.

Positiv im Hinblick auf die Einschätzung der Veränderungsbereitschaft von Unternehmen ist sicherlich der
überwältigende Anteil der Unternehmen, die angeben, „auch wichtige strategische Unternehmensentschei-
dungen von kritischen Stakeholdern reflektieren zu lassen“ (71,9 Prozent), wenn dem auch nur 7 Prozent „voll
und ganz“ zustimmen.

Schließlich ist „reflektieren lassen“ auch keine Zusage, reale Veränderungen herbeizuführen. Aber Themen, die
für ein Unternehmen mitunter unbequem sind, zumindest offen zu diskutieren, ist ein richtiger und wichtiger
Schritt. Dies können offenbar auch Themen sein, die das Kerngeschäft eines Unternehmens in Frage stellen –
nur 10,5 Prozent lehnen dies eher ab.

                                                                                                                  23
ERGEBNISSE DER BEFRAGUNG

      7
          WIE WEIT GEHT IHRE DIALOGBEREITSCHAFT MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN?
          - TOP TWO -
          Angaben in Prozent

          Wir sind bereit, auch wichtige strategische Unterneh-
          mensentscheidungen von kritischen Stakeholdern                         7,0                                                                                  64,9
          reflektieren zu lassen.

          Wir sprechen grundsätzlich nur über Themen, die unser
          Kerngeschäft nicht in Frage stellen.                                     10,5                                                                           57,9

          Wir treten nur dann in einen Dialogprozess ein, wenn unser
          Unternehmen die Kontrolle über die Themen hat.                          1,8                               33,3

                                                                                                                                 n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen.
                                          Top Two (trifft voll und ganz zu + trifft eher zu) auf einer Skala von 1 (= trifft voll und ganz zu) bis 4 (= trifft überhaupt nicht zu).

     Im englischen Sprachraum, wo der konstruktive Dialog mit kritischen Stakeholdern schon eine längere Tra-
     dition hat, ist daher oft schon spekuliert worden, ob auf „Corporate Governance“ jetzt die „Stakeholder
     Governance“ folgt. Freilich hat diese Frage meistens einen polemischen Beigeschmack, wenn sie von Mana-
     gern gestellt wird, die darauf beharren, dass Unternehmensentscheidungen immer noch im Unternehmen
     gefällt werden und nicht außerhalb. Dabei steht außer Frage, dass ein Unternehmen ohnehin in gesellschaft-
     liche Entscheidungsstrukturen eingebunden ist, die von politischer Regulierung bis hin zur Unternehmensbe-
     wertung reichen – warum sollten also nicht auch die Meinungen der kritischen Öffentlichkeit zur Entschei-
     dungsfindung in Unternehmen beitragen? Insofern wird ein Unternehmen weder vom Unternehmen allein,
     noch von externen Stakeholdern geführt.

     Die Themen von Stakeholder-Dialogen werden im Wesentlichen aus aktuellen politischen und wirtschaftlichen
     Ereignissen (78,9 Prozent) generiert, die durchaus aus dem eigenen Issues Management kommen können
     (59,6 Prozent) oder von Seiten aktiver NGOs angeregt werden (56,1 Prozent).

     NACH DEM DIALOG
     Ist es dann zum Dialog gekommen, werden kritische Organisationen fast durchweg als interessiert und
     kooperativ erlebt (82,4 Prozent). Nur ein kleiner Teil der Befragten meint, dass Stakeholder eine „unrealis-
     tische Fundamentalkritik“ vorbringen – dies ist offenbar eher ein Merkmal des Straßenprotests als des
     Stakeholder-Dialogs.

24
PLEON KOHTES KLEWES                                |     GEHEIME MISSION?

 8
     WIE WÜRDEN SIE GENERELL IHRE GESPRÄCHSPARTNER AUF DER
     STAKEHOLDER-SEITE BEWERTEN? - TOP TWO –
     Angaben in Prozent

     Die Stakeholder-Gruppen gehen interessiert und
     kooperativ ins Gespräch mit unserem Unternehmen.
                                                                                          22,8                                                                   59,6

     Die Stakeholder-Gruppen sind gut vorbereitet und
     haben konkrete Wünsche und Forderungen, die sie
     engagiert vortragen.                                                    26,3                                                                                56,1

     Die Stakeholder-Gruppen tragen oft eine unrealistische
     Fundamentalkritik vor, die eher das Wirtschaftssystem                 7,0                           28,1
     meint, aber nicht primär unser Unternehmen.

                                                                                                                            n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen.
                                     Top Two (trifft voll und ganz zu + trifft eher zu) auf einer Skala von 1 (= trifft voll und ganz zu) bis 4 (= trifft überhaupt nicht zu).

Doch was machen die Unternehmen mit den Ergebnissen eines Stakeholder-Dialogs? Auch hier positiv:
Veränderungsbereitschaft wird erkennbar in der Tatsache, dass mehr als drei Viertel der Unternehmen nach
der Durchführung eines Dialogs in Zusammenarbeit mit Fachabteilungen interne Problemlösungsstrategien
entwickeln. Noch knapp 65 Prozent informieren zudem das Management des Unternehmens mit einem inter-
nen Protokoll. Auch eine Folgeveranstaltung wird von 40,4 Prozent der dialogerfahrenen Unternehmen organi-
siert, um erreichte Fortschritte zu diskutieren.

Für die Öffentlichkeit sind dagegen die Dialogergebnisse offenbar nicht bestimmt. Nur ein Viertel der Befrag-
ten lässt die Ergebnisse eines Dialogprozesses ins Non-financial Reporting (CSR- oder Nachhaltigkeitsbericht-
erstattung) einfließen; nur ein knappes Fünftel veröffentlicht den Prozess in anderer Form.

Dies wirft Fragen nach dem Transparenzverständnis von Unternehmen auf. Beweisen Unternehmen einerseits
ein gutes Maß an Transparenz, indem sie sich für Gespräche mit Kritikern öffnen, so erscheint es andererseits
befremdlich, dass darüber nichts an die (Fach-) Öffentlichkeit dringt. Auch kritische Organisationen, die einen
gewichtigen Grad an gesellschaftlicher Legitimation für sich in Anspruch nehmen, erfüllen hier keineswegs eine
öffentliche Aufgabe.

Dass die Dialoge gleichwohl der Öffentlichkeit dienen, werden beide Dialogpartner hingegen für sich in An-
spruch nehmen, etwa wenn als Ergebnis eines Dialogprozesses ökologische Prozessoptimierungen oder Pro-
duktverbesserungen erreicht werden, die die Umweltbelastung eines Unternehmens verringern. Ganz offen-

                                                                                                                                                                                 25
ERGEBNISSE DER BEFRAGUNG

      9
          WAS GESCHIEHT IN IHREM UNTERNEHMEN NACH EINEM STAKEHOLDER-DIALOG?
          Angaben in Prozent

          Wir setzen uns mit den zuständigen Fachabteilungen
          zusammen und entwickeln Problemlösungsstrategien.
                                                                                                                                        77,2

          Wir verfassen ein internes Protokoll, das zentralen
          Personen des Managements zugänglich gemacht wird.
                                                                                                                          64,9

          Wir organisieren eine Folgeveranstaltung.                                           40,4
          Die Erkenntnisse des Dialogs fließen in unser
          Non-financial Reporting ein.                                         26,3

          Wir veröffentlichen den Dialogprozess ganz
          oder in Teilen.
                                                                        19,3

          Sonstiges                                             8,8
          Nichts                                                  1,8

                                                                          n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen. Mehrfachnennungen möglich.

     kundig ist eine gewisse Vertraulichkeit erforderlich, um Fortschritte zu erzielen. Und diese Fortschritte können
     es erforderlich machen, dass über einen gewissen Zeitraum gegenseitiges Stillschweigen über Gespräche und
     Gesprächsergebnisse vereinbart wird. Hier erfüllen beide Dialogpartner gewissermaßen eine „geheime Mission“
     im öffentlichen Interesse.

     Was aber hindert Unternehmen daran, getroffene Entscheidungen, die zu ökologischen oder sozialen Fort-
     schritten geführt haben, in ihrer Nachhaltigkeitskommunikation zu verwerten? Ist es ihnen peinlich zuzugeben,
     erst über einen Dialogprozess mit Kritikern auf das Thema adäquat eingegangen zu sein? Ist es nicht im Ge-
     genteil viel anerkennenswerter, wenn ein Unternehmen Lernbereitschaft und Lernfähigkeit unter Beweis ge-
     stellt hat, dass es nachweisen kann, nicht nur geredet, sondern auch danach gehandelt zu haben?

     Die Option „Sonstiges“ in Abbildung 9 ist von fünf Unternehmen näher ausgeführt worden. Darunter sind
     Äußerungen wie „Wenn möglich, werden Anregungen zur Veränderung umgesetzt. Ansonsten werden die
     Stakeholder darüber informiert, warum wir den Anregungen/Kritikpunkten nicht folgen“ und „Wir berichten die
     Ergebnisse an unsere internationale Hauptverwaltung“.

     Die interne Umsetzung der Ergebnisse von Dialogprozessen wird tendenziell als positiv bewertet. 77,2 Pro-
     zent der Befragten stimmen der Aussage zu, dass sich das Management des Unternehmens aufrichtig

26
PLEON KOHTES KLEWES                                |     GEHEIME MISSION?

bemüht, „auch schwierige Lernprozesse im Unternehmen durchzustehen“. Wohl gemerkt: Hier bewerten die
Dialogverantwortlichen das Management des eigenen Unternehmens. „Voll und ganz“ überzeugt davon sind
aber nur 14 Prozent – die übrigen 63,2 Prozent glauben, dass dies „eher“ zutreffe. Hier werden Dilemmata
und Schwierigkeiten deutlich, die in großen hierarchisch organisierten Strukturen zwangläufig vorkommen.
Um einen großen Tanker zu bewegen, gehen die Lenkmanöver der realen Bewegung einige Zeit voraus. NGOs
haben es oftmals leichter. Ihre kleinere Organisation sorgt für schnelle Abstimmungs- und Entscheidungswege
und dadurch in einigen Fällen zu mangelndem Verständnis im Umgang mit einem Unternehmen, das einige
tausend Mitarbeiter vereint und international verzweigt ist. Immerhin können 59,7 Prozent der Befragten
nicht der Aussage zustimmen, dass die Dialogverantwortlichen an internen Hürden im Unternehmen scheitern.
Das lässt hoffen.

10

     WELCHE ERFAHRUNGEN HABEN SIE MIT DER INTERNEN UMSETZUNG DER ERKENNTNISSE AUS
     EINEM KRITISCHEN STAKEHOLDER-DIALOG? - TOP TWO –
     Angaben in Prozent

     Das Management bemüht sich aufrichtig, auch schwierige
     Lernprozesse im Unternehmen durchzustehen.
                                                                                    14,0                                                                         63,20

     Es ist schon vorgekommen, dass der Dialogprozess in ein
     kooperatives, längerfristiges Projekt zwischen unserem                                      24,6                                                       49,10
     Unternehmen und einer Stakeholder-Gruppe mündete.

     Es ist schon vorgekommen, dass unser Unternehmen
     und eine Stakeholder-Gruppe ein gemeinsames Anliegen
     identifiziert haben, das dann in eine Forderung an die Politik              12,3                            24,6
     mündete.

     Die direkt beteiligten Unternehmensmitarbeiter bemühen
     sich um die Umsetzung von Erkenntnissen aus dem Dialog,                  7,0                            29,80
     scheitern aber oftmals an internen Hürden.

     Der Stakeholder-Dialog ist ein der Regel eine Diskussions-
     veranstaltung ohne konkrete Handlungsableitungen für                          3,5                    29,80
     unser Unternehmen.

                                                                                                                              n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen.
                                       Top Two (trifft voll und ganz zu + trifft eher zu) auf einer Skala von 1 (= trifft voll und ganz zu) bis 4 (= trifft überhaupt nicht zu).

Für einen großen Teil der befragten Unternehmen (73,7 Prozent) sind Stakeholder-Dialoge bereits in ge-
meinsame Projekte zwischen Unternehmen und den Organisationen gemündet. Ein Drittel dieser Unterneh-
men ist davon besonders überzeugt. Die gemeinsame Projektentwicklung zwischen Partnern, die sich

                                                                                                                                                                                   27
ERGEBNISSE DER BEFRAGUNG

     prinzipiell kritisch gegenüber stehen, ist eine Fortentwicklungsstufe des Dialogs, die die Veränderungsbe-
     reitschaft eines Unternehmens klar unterstreicht. Kooperationen dieser Art sind nicht grundsätzlich neu, aber
     oftmals zu wenig bekannt.

     Allerdings tun Unternehmen gut daran, solche Projekte nicht zu stark zu betonen, wenn es sich lediglich um
     Sponsorengelder für eine begrenzte Aktion handelt. Unternehmenskooperationen nutzen einem Unternehmen
     nur dann, wenn die gemeinsam mit NGOs entwickelte Idee langfristig wirtschaftlich tragfähig und auf weitere
     Geschäftsfelder übertragbar ist. Ein gelegentlich zitiertes Beispiel in diesem Bereich ist der Marine Stewardship
     Council, bei dem Unilever zusammen mit dem WWF einen Weg hin zu einer nachhaltigen Fischereiwirtschaft
     entwickelt hat. Auch die Bemühungen um Sozialstandards in der Produktion und dem Handel von Textilien, an
     denen eine Reihe deutscher Handelsunternehmen und NGOs unter Federführung der GTZ beteiligt sind, sind
     zukunftsweisend und könnten auf weitere Einzelhandelsbereiche übertragen werden.

     Die relative Zufriedenheit der Dialogverantwortlichen in Unternehmen mit der internen Umsetzung von
     Dialogergebnissen (s. Abb. 11) spiegelt sich auch in der persönlichen Zufriedenheit dieser Unternehmens-
     mitarbeiter mit der unternehmensinternen Nachbereitung. Nur 7 Prozent sind hier uneingeschränkt zufrieden.
     Aber eine durchaus überzeugende Anzahl von 71,9 Prozent sind „im Großen und Ganzen zufrieden“, was
     deutlich macht, dass unternehmerische Entscheidungsprozesse oft auf Kompromissen beruhen.

     11
          WIE ZUFRIEDEN SIND SIE PERSÖNLICH MIT DER UMSETZUNG DES DIALOGS
          UND DER NACHBEREITUNG IN IHREM UNTERNEHMEN?
          Angaben in Prozent

          Sehr zufrieden                                  7,0

          Im Großen und Ganzen zufrieden                                                                                71,9
          Weniger zufrieden                                           19,3
          Keine Angabe                                          1,8

                                                                                      n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen.

28
PLEON KOHTES KLEWES           |   GEHEIME MISSION?

Fast alle befragten Unternehmen sind sich bewusst, dass kritische Stakeholder Gründe haben können, einen
einmal eingeleiteten Dialogprozess wieder abzubrechen (unabhängig davon, dass dies Unternehmen auch kön-
nen). Der gewichtigste Grund aus Sicht der Unternehmen (dialogerfahrene und -unerfahrene gemeinsam) ist,
„wenn die Stakeholder das Gefühl haben, es wird nicht offen mit ihnen kommuniziert“ (90,8 Prozent).
80 Prozent halten es für einen weiteren Grund, „wenn Stakeholder glauben, es würde nur geredet, aber nicht
danach gehandelt“. Dass Stakeholder sich dagegen nur durchsetzen wollen, glauben nur 20 Prozent.

 12
   WAS, GLAUBEN SIE, KÖNNTEN FÜR KRITISCHE STAKEHOLDER GRÜNDE SEIN, DEN DIALOG-
   PROZESS MIT EINEM UNTERNEHMEN ABZUBRECHEN?
   Angaben in Prozent

   Wenn die Stakholder das Gefühl haben,
   es wird nicht offen mit ihnen kommuniziert.
                                                                                                           90,8
                                                                                 63,2
   Wenn die Stakeholder glauben, es würde nur
   geredet, aber nicht danach gehandelt.                                                         80,0

   Wenn sich die Stakeholder nicht durch-
   setzen können.
                                                        20,0

   Sonstiges                                      7,7
   Weiß nicht                                       3,1

                                                                                     n = 65, Mehrfachnennungen möglich

                                                                                                                         29
ERGEBNISSE DER BEFRAGUNG

     ORGANISATORISCHE AUFHÄNGUNG
     Die Befragung hat ein buntes Spektrum von Zuständigkeiten für den Stakeholder-Dialog in den Unternehmen
     ergeben. Als kommunikative Leistung eines Unternehmens ist der Dialog am stärksten im Bereich Unterneh-
     menskommunikation allgemein (Corporate Communications) verwurzelt, allerdings nur bei 26,3 Prozent der
     Befragten. Zieht man spezialisierte Abteilungen innerhalb der Unternehmenskommunikation hinzu, wie Public
     Affairs (7 Prozent) und Issues Management (5,3 Prozent), erhöht sich der Anteil der professionellen Kom-
     munikatoren auf 39,6 Prozent. 21,1 Prozent der Befragten geben an, dass es gar keinen festen Ansprech-
     partner für das Thema in ihrem Unternehmen gibt. Die Angaben unter „Sonstiges“ (19,3 Prozent) lassen sich
     als multiple und themenabhängige Zuständigkeiten zusammenfassen. Festzuhalten bleibt damit, dass sich auch
     das Aufgabengebiet der Unternehmenskommunikation verändert hat. In Relation zu der Aussage, dass der
     Stakeholder-Dialog weitgehend nicht öffentlich ist, hier aber überwiegend Öffentlichkeitsarbeiter tätig sind,
     zeigt sich, dass Unternehmenskommunikation ein sehr breites Aufgabengebiet bezeichnet, innerhalb dessen
     das Spektrum von Marketing und Medienarbeit einerseits bis hin zu vertraulichen Kontakten unter vier Augen
     andererseits reicht. Erfahrenen Kommunikationsberatern ist dieses Ergebnis nicht neu, doch entspricht es nicht
     unbedingt dem Bild, das Branchenfremde von dieser Tätigkeit haben.

     13
          GIBT ES IN IHREM UNTERNEHMEN EINEN FESTEN ANSPRECHPARTNER BZW.
          EINE FESTGELEGTE ZUSTÄNDIGKEIT FÜR DEN STAKEHOLDER-DIALOG?
          Angaben in Prozent

          Ja, im Bereich Corporate Communications allgemein                                                              26,3

          Ja, eine eigens geschaffene Position                                 8,8
          Ja, im Bereich Public Affairs                                  7,0
          Ja, im Bereich Umweltmanagement                                7,0
          Ja, im Bereich Issues Management                         5,3
          Ja, im Bereich Investor Relations                        5,3
          Sonstige                                                                              19,3
          Nein                                                                                         21,1

                                                                                      n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen.

30
PLEON KOHTES KLEWES                |    GEHEIME MISSION?

ZUKUNFT
Drei Viertel der Befragten können sich vorstellen, in der Zukunft öfter in einen Dialog mit kritischen Stake-
holdern einzutreten. Dies ist zweifellos ein Resultat der guten Erfahrungen, die die Unternehmen gemacht
haben, die sich einmal zum Dialog entschlossen haben. Auch die acht Unternehmen, die an der Studie teilge-
nommen haben, ohne Dialogerfahrung zu besitzen, können sich vorstellen, dies in der Zukunft nachzuholen.
10,5 Prozent der dialogerfahrenen Unternehmen können sich „unter bestimmten Voraussetzungen“ eine
Intensivierung ihrer Dialogpraxis vorstellen. Genannt wurden hier explizit die Faktoren „mehr Mitarbeiter, mehr
Geld“ und „die Bereitschaft der Stakeholder, das Geschäftsmodell und die Position des Unternehmens zu
akzeptieren und sachlich zu diskutieren“. Selbstkritisch wurde auch eine „klare Strategie und Konzeption auf
unserer Seite“ seitens der Unternehmen für nötig gehalten.

14
     KÖNNEN SIE SICH VORSTELLEN, IN DER ZUKUNFT ÖFTER IN EINEN DIALOG
     MIT KRITISCHEN STAKEHOLDERN EINZUTRETEN?
     Angaben in Prozent

     Ggfs. unter folgender
            Voraussetzung                                1,8
                                                  10,5                                                     Keine Angabe

                                           14,0
             Nein

                                                               73,7
                                                                                                           Ja

                                                                                  n = 57, Selektion: dialogerfahrene Unternehmen.

Auf einem gänzlich anderen Blatt stehen die Dilemmata der Organisationen, die zu solchen Dialogprozessen
eingeladen werden. So begrüßenswert viele unter ihnen die gestiegene Dialogbereitschaft der Unternehmen
empfinden, so sicher stehen sie bereits heute vielfach an der Grenze ihrer zeitlichen und finanziellen Kapazität.
Gleichzeitig können sie für ihre oftmals zeitintensiven und kompetenten Expertisen kein Geld von den Unter-

                                                                                                                                    31
ERGEBNISSE DER BEFRAGUNG

     nehmen verlangen, weil sie sonst in den Verdacht der Käuflichkeit geraten. Hier müssen Unternehmen, Stake-
     holder und externe Berater/Moderatoren nach Auswegen suchen, bei denen insbesondere neutrale Dritte eine
     Lösung anbieten können. Ein anderer Ausweg können Formen des Stakeholder-Dialogs im Internet sein, dessen
     Möglichkeiten bisher kaum erprobt worden sind. So können zeitlich begrenzte Chat-Formate für den Dialog
     genutzt werden, bei denen etwa ein Unternehmensvertreter mit einer größeren Gruppe von (registrierten)
     Stakeholdern diskutiert. Solche Formate haben den zusätzlichen Charme, dass sie gleichzeitig schriftlich doku-
     mentiert werden, ohne notwendigerweise öffentlich zu sein.

     Neben den Voraussetzungen, mehr Dialog zu praktizieren, ist es auch interessant zu erfahren, was Unterneh-
     men bisher davon abhält. Einschränkend muss gesagt werden, dass diese Studie hier weniger repräsentativ
     wird, weil nur acht Unternehmen ohne Dialogerfahrung teilgenommen haben. Die vorhandenen Ergebnisse
     sprechen dennoch für sich. Auf die Frage, warum sie bisher nicht mit kritischen Organisationen sprechen,
     antworteten zwei, dass sie nicht die zeitlichen oder finanziellen Ressourcen dafür haben. Alle acht gaben an,
     dass ihnen „eine Kritik von Nichtregierungsorganisationen an unserem Unternehmen ... nicht bekannt“ sei.
     Vier der acht Unternehmen sind auch keine kritischen Themen aus ihrem Geschäftsfeld bzw. ihrer Branche
     bekannt. Mit anderen Worten: Die andere Hälfte der Unternehmen ist bisher einfach noch nicht im Fokus kriti-
     scher Gruppen gewesen. Damit bleibt der Stakeholder-Dialog auch in der Zukunft ein dynamischer Bereich,
     der – nach der Lösung finanzieller und personeller Engpässe auf Unternehmens- wie auf Stakeholder-Seite –
     ein Potenzial entfalten kann, signifikant zu einer verstärkten Dialogkultur in Deutschland und zu mehr
     Verständnis für die drängenden Fragen der Unternehmensverantwortung beizutragen.

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