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Naturnahe Quellen im Kanton Bern Erfassen – erhalten – aufwerten Bern, Februar 2018 UNA - Atelier für Naturschutz und Umweltfragen, Schwarzenburgstr. 11, 3007 Bern Im Auftrag von:
Impressum Auftraggeber Pro Natura Bern Kontakt: Jan Ryser Schwarzenburgstrasse 11 3007 Bern pronatura-be@pronatura.ch 031 352 66 00 www.pronatura-be.ch Projektleiter UNA AG, Bern Kontakt: Christian Imesch UNA AG Schwarzenburgstrasse 11 3007 Bern imesch@unabern.ch 031 310 83 86 www.unabern.ch Finanzierung BKW Ökofonds Ökofonds Energie Thun AG Naturemade star Ökofonds ewb Pro Natura interne Projektnummer: 2383
Naturnahe Quellen im Kanton Bern Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung 5 2. Ausgangslage 8 2.1 Quellen in der Schweiz und im Kanton Bern 9 3. Auftrag und Ziele 10 3.1 Auftrag 10 3.1.1 Projektperimeter 10 3.2 Ziele 11 4. Vorgehen 12 4.1 Beurteilung von Quellen 12 4.1.1 Freiwillige Helfer 12 4.1.2 Standorte von Quellen ermitteln 12 4.1.3 Beurteilungsmethoden 13 4.2 Sensibilisierung 13 4.3 Massnahmen zum Erhalt von Quellen 13 4.4 Revitalisierung stillgelegter Wasserfassungen 13 5. Resultate 14 5.1 Untersuchte Quellen 14 5.2 Perimeter und untersuchte Gemeinden 14 5.3 Zustand des Quell-Lebensraumes 15 5.3.1 Beeinträchtigungen 16 5.3.2 Zustand der Quell-Lebensräume mit erweitertem Datensatz 17 5.3.3 Zustand der Quell-Lebensräume nach Höhenlagen 19 5.3.4 Revitalisierungspotential 19 5.3.5 Zustand der Quellbäche 20 5.4 Standort von Quellen 20 5.5 Austrittsform von Quellen 22 5.6 Schüttungsmenge und Grösse von Quellen 24 5.7 Substrate und Artenvielfalt 27 5.7.1 Substrate der Quell-Lebensräume 27 5.7.2 Artenvielfalt von Quellen 28 5.8 Quellen in Inventargebieten 30 5.9 Aufwand der Feldmitarbeiterinnen 30 6. Fallbeispiele 31 6.1 Typische Sturzquelle, Rheokrene 31 6.2 Typische Sickerquelle, Helokrene 32 6.3 Typische Weiherquelle, Limnokrene 33 6.4 Beeinträchtigte Quelle im Wald 34 6.5 Beeinträchtigte Quelle im Offenland 35 7. Interpretation 36 Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 3
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 8. Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung 38 8.1 Schulungen 38 8.2 Flyer 38 8.2.1 Versand des Quellenflyers 38 8.3 Medientätigkeiten 39 9. Ausblick 40 9.1 Handlungsbedarf 40 9.1.1 Eingriffe in den Quell-Lebensraum vermeiden 41 9.1.2 Sensibilisierung 42 9.1.3 Arbeitsgruppe Quellen 42 9.1.4 Revitalisierungen 42 9.1.5 Instrumente zum Schutz von Quellen 43 9.1.6 Erfassen weiterer Quellen 44 9.2 Zuständigkeiten 44 9.3 Beabsichtigte Arbeitsschritte von Pro Natura Bern 46 10. Literaturverzeichnis 47 11. Anhang 49 11.1 Beispiel eines Feldplans 49 11.2 Kartieranleitung "Berner Methode" 49 11.3 Erhebungsformular "Berner Methode" 49 11.4 Geographische Darstellung des Kartierungsstandes der Gemeinden 49 11.5 Tabelle Kartierungsstand der Gemeinden 49 11.6 Übersichtspläne der Quellen der Regionen Jura, Mittelland, Voralpen und Nordalpen 49 11.7 Tabelle mit Quellen in Nationalen Inventargebieten 49 11.8 Revitalisierung stillgelegter Wasserfassungen 49 11.9 Flyer 49 Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 4
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 1. Zusammenfassung Quell-Lebensräume sind in der Vergangenheit stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Sie sind meistens gefasst oder beeinträchtigt. Pro Natura Bern beabsichtigt mit diesem Projekt, den Wissensstand zu den Quellen im Kanton Bern zu verbessern. 27 Freiwillige haben während den letzten zwei Jahren 1130 Quellen begangen und bezüglich der Lebensraumqualität beurteilt. Die Analyse des Quellzustandes zeigt deutlich auf, wie stark Quell-Lebensräume beeinträchtigt und verbaut sind. Zwei Drittel der Quellen im Projektperimeter sind für die Trinkwassernutzung gefasst, rund jeweils 10 Prozent zerstört oder beeinträchtigt und nur gerade 13 Prozent in einem natürlichen Zustand. In den Alpen ist die Anzahl gefasster Quellen geringer als in anderen Regionen. Quellen befinden sich hauptsächlich im Wald, wo sie öfter als in anderen Landschaftstypen noch natürlich aus dem Boden sprudeln. Im Offenland hingegen sind sie insbesondere im Jura und dem Mittelland gefasst oder zerstört, in den Voralpen und Alpen vor allem durch Viehtritt und Holzabfällen beeinträchtigt. Allgemein lässt sich sagen, dass der Zustand der Quell-Lebensräume in den Voralpen und Alpen weniger schlecht als in anderen Region ist; Abbildung 1. 100% 2 20 21 90% 207 21 24 80% 3 70% 20 97 52 60% 188 79 25 50% 31 40% 10 30% 6 24 20% 319 31 58 47 10% 6 27 14 0% Offenland Wald Offenland Wald Offenland Wald Offenland Wald Jura Mittelland Voralpen Nordalpen nat•ürlich beeinträchtigt zerstört / gefasst Abbildung 1: Zustand von Quellen nach Region und Landnutzung (Offenland/Wald). In den Balken ist die Anzahl Quellen vermerkt. Die Daten umfassen nur die im Rahmen des Projektes untersuchten Quellen, ohne Daten der gefassten Quellen des Kantons. Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 5
Naturnahe Quellen im Kanton Bern Über zahlreiche Kanäle haben wir den Zustand von Quell-Lebensräumen und deren Bedrohung an die Bevölkerung, Förster und Landwirte getragen. Zusätzlich beschreiben wir in einem Flyer die Eigenschaften und Massnahmen zum Schutz von Quellen. Pro Natura Bern will sich in Zukunft weiterhin dem Thema Quellen widmen und beabsichtigt, nach dieser Phase der Informationsbeschaffung konkrete Massnahmen umzusetzen. Auf den drei Ebenen Sensibilisierung, Revitalisierung und Schutzinstrumente will man aktiv bleiben. Abbildung 2: Kalkquelle im Diemtigtal Durch die Beratung von Landwirten und Forstmitarbeitern können Beeinträchtigungen von Quellen (z.B. Viehtritt, Tränken, Asthaufen, Rückegassen) vermieden werden. Vor allem in den Voralpen und Alpen, wo viele Quellen "nur" beeinträchtigt sind, wird dadurch, mit relativ wenig Aufwand, die Qualität des Lebensraumes verbessert. Oftmals wissen Gemeindebehörden nicht über die Lage von Quellen Bescheid. Übersichtspläne und Angaben zum Zustand der Quell-Lebensräume sollen Gemeinden als Instrument dienen, um bei möglichen Bauprojekten den Erhalt von Quellen zu gewährleisten. Um die vom Aussterben bedrohte Artenvielfalt von Quellen zu fördern, sind dringend Revitalisierungen notwendig. Ein grosses Potential sehen wir bei stillgelegten Trinkwasserfassungen, deren Wasser in einem Rohr direkt in das nächste Gewässer geleitet wird. Durch das Aufbrechen der Fassung könnte sich wieder ein intakter Lebensraum entwickeln. Bei grossen Quellen und solchen mit einer starken Schüttung kann der Rückbau von Verbauungen zu einem grossen Mehrwert führen. Pro Natura Bern will aber auch intakte Quellen erhalten und den Trend zu deren Vernachlässigung stoppen. Wir beabsichtigen, uns beim Kanton und den Gemeinden für den Schutz herausragender Quellen einzusetzen, damit Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 6
Naturnahe Quellen im Kanton Bern Bewirtschaftungsvereinbarungen abgeschlossen werden und Quellen in die Schutzzonenpläne der Gemeinden Einzug finden. Mit einem Strauss an Massnahmen wollen wir erreichen, dass Quellen als seltener Lebensraum wahrgenommen werden, deren weitere Zerstörung vermieden wird und degradierte Lebensräume wieder aufgewertet werden. Pro Natura Bern bedankt sich bei allen Freiwilligen für deren grossen Einsatz zur Erfassung von Quellen. Ohne deren Unterstützung könnten wir die Förderung dieses Lebensraumes nicht weiter voranbringen. Dem Gewässer- und Bodenschutzlabor des Kantons Bern danken wir für die Verwaltung der Quellendatenbank. Ein grosser Dank geht auch an die Geldgeber des Projekts, die drei Ökofonds von BKW, ewb und Energie Thun AG. Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 7
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 2. Ausgangslage Quellen faszinieren – sie sind Orte, an denen Grundwasser aus dem Boden dringt und aus dem «Nichts» ein Gewässer entsteht. Die Erscheinungsformen von Quellen sind vielfältig und variieren von überrieselten Kalksinter-Terrassen über sprudelnde punktuelle Austritte, flachmoorartige Quellsümpfe bis zu kristallklaren Weihern. Quellen als Hotspots der Artenvielfalt: Quellen bilden den Übergangsbereich zwischen Grundwasser und Oberflächen- gewässer. Spezielle, konstante Lebensraumbedingungen (z.B. bezüglich Wassertemperatur und Sauerstoffgehalt) bewirken, dass Quellen eine einzigartige Tierwelt beherbergen. Feuersalamander, Quelljungfern (Libellenart) und etliche Köcher-, Stein- und Eintagsfliegenarten sowie weitere Arten haben sich auf den Lebensraum Quelle spezialisiert. Viele davon sind National Prioritäre Arten, die auch gemäss der Roten Liste gefährdet sind. Die Artenvielfalt von Quellen ist gegenüber äusseren Einflüssen sehr sensibel. Quellen, ein mystischer Ort: Seit jeher üben Quellen eine magische Anziehungskraft auf Menschen aus. Quellen sind Kraftorte, wurden als Sitz von Gottheiten und mystischen Wesen betrachtet und galten früher als Schnittstelle zwischen ober- und unterirdischer Welt. Quellen werden bei der Bevölkerung zudem als Sinnbild für Leben und Reinheit positiv wahrgenommen und eignen sich deshalb gut für Öffentlichkeitskampagnen. Quellen und deren Bedrohung: Quellen und ihre Lebensgemeinschaften sind heute in höchstem Masse gefährdet (alle Quell-Lebensräume sind in der Liste der National Prioritären Lebensräume der Schweiz mit der Gefährdungsstufe «vom Verschwinden bedroht» aufgeführt, in der Roten Liste der Lebensräume sind Kalkquellfluren mit "vom Aussterben bedroht" auf der höchsten Gefährdungsstufe). Sie werden infolge Siedlungsentwicklung, Gewässerkorrektionen, Landwirtschaft und Wassernutzung gefasst, degradiert oder verschmutzt. Über drei Viertel der Quellen sind eingedolt und wohl weniger als 1% sind im Mittelland noch in natürlichem Zustand (Zollhöfer, 1997). Standorte von Quellen sind häufig nicht bekannt oder dokumentiert und werden daher bei der Planung von Bauprojekten nicht berücksichtigt. Das führt dazu, dass sie unwissentlich degradiert oder deren Schutzwürdigkeit nicht konsequent beachtet wird. Für Bewirtschafter (Land- und Forstwirtschaft) gibt es keine Regelungen / Informationen über den Umgang mit natürlichen Quellstandorten. Weiter ist zu befürchten, dass durch die Klimaerwärmung und trockenen Sommer der Druck auf die Quellen steigt, z.B. durch vermehrte Nutzung zur Bewässerung landwirtschaftlicher Kulturen während Trockenperioden. Pro Natura Bern hat den Verlust des Lebensraumes Quelle erkannt und will für deren Bedeutung und Gefährdung sensibilisieren, insbesondere bei Gemeindebehörden und Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 8
Naturnahe Quellen im Kanton Bern direkt Betroffenen. Für die Inventararbeiten wurde ein Citizen Science Ansatz gewählt, wobei Privatpersonen ehrenamtlich wissenschaftliche Daten erheben. 2.1 Quellen in der Schweiz und im Kanton Bern In der Vergangenheit sind viele Quellen gefasst oder beeinträchtigt worden. Gründe dafür sind v.a. Fassungen für die Trinkwassernutzung, Entwässerungen in der Landwirtschaft (Fassungen und Umleitungen), Viehtritt oder Nährstoffeinträge (Zollhöfer, 1997). Natürliche Quellaustritte kommen heute nur noch isoliert vor. Viele quellspezifische Arten sind in der Folge vom Aussterben bedroht. Untersuchungen im Aargauer Mittelland haben ergeben, dass noch rund 0.5% (!) der Quellen in einem natürlichen Zustand sind. Alle anderen sind entweder gefasst oder aufgrund von Verbauungen beeinträchtigt (Zollhöfer, 1997). Insbesondere in der offenen, nicht bewaldeten Landschaft ist der Lebensraum Quelle nur noch sehr selten aufzufinden. Dass die Bedeutung der Quellen wieder vermehrt erkannt wird, zeigt das Engagement verschiedener Instanzen. So setzt sich beispielsweise das Bundesamt für Umwelt (BAFU) mit der neu entwickelten Erhebungs- und Entwicklungsmethode sowie einer Inventarisierungsmethode stark für Quellen ein (Lubini-Ferlin, et al., 2016). Mit dem Projekt „Empfindlichkeit von Quell-Lebensräumen gegenüber Klimaveränderungen in den Alpen“ untersucht das BAFU die sich abzeichnenden Veränderungen. Und der Kanton Bern (Amt für Wasser und Abfall, AWA) hat eine einfache Methode entwickelt, um die Struktur von Quelllebensräumen rasch zu beurteilen. Diese Methode bildet die Grundlage für flächendeckende Aufnahmen von ganzen Gebieten. Gleichzeitig hat das AWA eine Datenbank entwickelt, die alle Angaben über naturnahe Quellen vereint. Abbildung 3: Weiherquelle in den Voralpen Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 9
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 3. Auftrag und Ziele 3.1 Auftrag Da die Datengrundlagen zu naturnahen Quellen spärlich sind, sollten in einem ersten Schritt Daten zur Lage und zum Zustand von Quellen gewonnen werden. Weiter sollten Behörden und direkt betroffene Akteure wie Landwirte, Förster und Grundeigentümer zum Thema Quellen und ihre Bedeutung und Gefährdung sensibilisiert werden. Für Quellen, die aufgrund ihrer Grösse und Strukturvielfalt für die bedrohten, standortspezifischen Quellarten eine besondere Bedeutung einnehmen können, sollten Massnahmen zum Erhalt und Aufwertung geprüft werden. 3.1.1 Projektperimeter Um Aussagen zum Zustand von Quellen in Abhängigkeit der geographischen Lage machen zu können, wurden Gemeinden unterschiedlicher Regionen untersucht. 90 Gemeinden befinden sich im Perimeter des Quellenprojektes. Die Gemeinden lassen sich den 4 biogeografischen Regionen Jura, Mittelland, Voralpen und Nordalpen zuordnen. Tabelle 1: Biogeografische Regionen Biogeografische Region Anzahl Gemeinden Jura 6 Mittelland 55 Voralpen 22 Nordalpen 7 Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 10
Naturnahe Quellen im Kanton Bern Abbildung 4: Projektperimeter mit biogeografischer Regionen. Gelb: Jura, orange: Mittelland, rot: Voralpen, blau: Nordalpen 3.2 Ziele Das Projekt verfolgt folgende Ziele: 1. Quellen-Inventar: Kenntnisstand über vorhandene Quellen inkl. Quellbach in verschiedenen Regionen des Kantons Bern verbessern. 2. Sensibilisierung: Öffentlichkeit, speziell Förster/Waldbesitzer und Landwirte für die Bedeutung und Gefährdung der naturnahen Quellen sensibilisieren. Gemeindebehörden über Vorkommen von natürlichen Quellen informieren und sensibilisieren. 3. Schutz und Aufwertung von Quellen: Schutz, Erhalt und/oder Aufwertung der wichtigsten naturnahen Quellen prüfen. 4. Revitalisierung stillgelegter Wasserfassungen: Möglichkeiten zur Revitalisierung von stillgelegten Wasserfassungen prüfen. Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 11
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 4. Vorgehen 4.1 Beurteilung von Quellen In einem derart grossen Projektperimeter ist eine grosse Menge an Datengrundlagen von Quell-Lebensräumen nur durch freiwillige Helfer zu generieren. Abbildung 5 zeigt den Arbeitsverlauf von der Datensammlung von Quell-Standorten bis zur Entwicklung von Massnahmen zum Erhalt von Quellen. Abbildung 5: Schematische Darstellung des Projektablaufes 4.1.1 Freiwillige Helfer Freiwillige waren vor allem unter den Mitgliedern von NGOs zu finden. In den lokalen Magazinen und mittels Versand von Mails, sind Mitglieder von Pro Natura, dem WWF, von Vogelschutz-Vereinen und dem Verein Smaragdgebiet Oberaargau angeschrieben worden. 4.1.2 Standorte von Quellen ermitteln Umfragen: An Gemeinden und Förster wurden Pläne verschickt, auf denen bekannte, natürliche Quellen einzuzeichnen waren. Nationale Datenbanken: Konsultation der Listen für Gefässpflanzen, Moose, Steinfliegen und Köcherfliegen bei Info Species. Funddaten von quelltypischen Arten wurden als potentieller Quellstandort aufgenommen. Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 12
Naturnahe Quellen im Kanton Bern Analyse von GIS Daten: Alle Gewässeranfänge aus dem Gewässer Shapefile GN5 sind als Punkte markiert worden und als potentielle Quellstandorte eingestuft. Aus OL-Karten sind markierte Quellen übertragen worden Aus den oben genannten Grundlagen sind für die Feldaufnahmen rund 10'000 potenzielle Quellstandorte zusammengetragen und auf Plänen im Massstab 1:10'000 dargestellt worden. Ein Beispiel eines Feldplans befindet sich im Anhang. 4.1.3 Beurteilungsmethoden Die Quellen wurden mit der «Berner Methode» beurteilt. Diese Methode entspricht einer einfachen Struktur-Beurteilungsmethode, die sich als geeignet für geschulte Laien erweist. Mit dieser Methode werden folgende Parameter untersucht: Koordinaten, Zustand Lebensraum, Standort, Revitalisierungspotential, Austrittsform der Quelle, Schüttung, Grösse, Angaben zum Quellbach, Substrat und Artengruppen; siehe Anhang. Die erhobenen Daten werden in der Datenbank des Gewässer- und Bodenschutzlabors im AWA zentral verwaltet. 4.2 Sensibilisierung Zur Sensibilisierung für das Thema wurde ein Flyer kreiert und an wichtige Akteure versandt, sowie Medienartikel verfasst. 4.3 Massnahmen zum Erhalt von Quellen Aus der bekannten Literatur und vorliegenden Berichten von Quellenprojekten sind Massnahmen zum Erhalt von Quellen abgeleitet worden. 4.4 Revitalisierung stillgelegter Wasserfassungen Bei der Entwicklung von Massnahmen zur Revitalisierung stillgelegter Wasserfassungen haben wir mit dem AWA, Bereich Siedlungswasserwirtschaft, zusammengearbeitet. Dieses entwickelte eine Methodik zur Priorisierung von Revitalisierungsobjekten. Leider konnte aufgrund von Verzögerungen auf Seiten Kanton die Planung nicht wunschgemäss weitergeführt werden. Die weiteren Schritte sind jedoch aufgegleist. Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 13
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 5. Resultate 5.1 Untersuchte Quellen Im Rahmen des Pro Natura Quellenprojektes haben insgesamt 27 Freiwillige 1130 Quellen besucht und beurteilt. Für die Evaluation der Quell-Daten haben wir zusätzlich noch alle Quellen, die bereits in der GBL-Quelldatenbank erfasst waren und im Projektperimeter liegen, verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, dienen als Datengrundlage bei den Auswertungen ca. 1500 Quellen. 5.2 Perimeter und untersuchte Gemeinden Von den 90 Gemeinden des Projektperimeters sind 38, gemäss abgegebenen Feldunterlagen, vollständig beurteilt worden. Das heisst, dass alle angezeigten Quellpunkte einer Gemeinde besucht wurden. Für fast die Hälfte aller Gemeinden ist ein grosser Teil der potentiellen Quellstandorte erfasst worden (blau und grün); Abbildung 6. Im Verlaufe des Projektes alle Gemeinden vollständig zu kartieren, war nicht Bestandteil der Zielformulierung. Vielmehr sollte ein Überblick über den Zustand und die Verbreitung von naturnahen Quellaustritten in unterschiedlichen Regionen des Kantons Bern gewonnen werden. Insofern konnten wir genügend Daten aus den verschiedenen biogeographischen Regionen Jura, Mittelland, Voralpen und Nordalpen gewinnen, um Vergleiche anzustellen. Total liegen für diese Untersuchungen von 68 Gemeinden Angaben zu Quellen vor. Der Stand der Beurteilung von Quellen ist dem Anhang zu entnehmen. 22 38 11 14 5 Abbildung 6: Anteil kartierter Quellen pro Gemeinde Die Zahlen innerhalb des Diagramms geben die Anzahl Gemeinden an. Farblegende: blau: vollständig kartiert, grün: über 75% der potentiellen Quellen kartiert. Gelb: 25 – 75% der Quellen kartiert, orange: weniger als 25% kartiert, rot: keine Kartierung. Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 14
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 5.3 Zustand des Quell-Lebensraumes Bei den Aufnahmen ging es darum, vor allem jene Quellen anzuschauen, von denen man ausging, sie seien noch in einem natürlichen Zustand. Als wichtigstes Kriterium bei der Beurteilung von Quellen nach der "Berner Methode" gilt der Zustand von Quellen. Hier wird zwischen folgenden Zuständen unterschieden: ▪ Natürlich: Der Quell-Lebensraum ist nicht beeinträchtigt. ▪ Beeinträchtigt: Der Quell-Lebensraum ist beeinträchtigt, aber noch vorhanden. Hierzu zählen auch Fassungen mit Überlauf, bei denen zumindest eine Teilmenge des Wassers natürlich abfliesst und sich ein Quell-Lebensraum bildet. Als Beeinträchtigungen gelten Verbauungen jeglicher Art, Brunnen, Viehtränken, Wege, Trittschäden, Abfälle, Holzdepots. ▪ Zerstört: Die gesamte Quelle ist durch eine Brunnstube, einen Brunnen, eine Viehtränke, ein Becken/Rohr etc. gefasst, durch Schäden komplett zerstört oder nicht mehr existent. Es gibt keinen Überlauf, oder falls einer besteht, bildet sich kein natürlicher Quell-Lebensraum (Rohrauslauf einer Fassung wird direkt in den Bach geleitet). ▪ Gefasst: Die Quelle ist gefasst. Es besteht kein Überlauf und keine Einleitung in einen unmittelbar angrenzenden Bach. 132 519 348 427 natürlich beeinträchtigt zerstört gefasst Abbildung 7: Zustand der Quellen. n = 1426. Die Abbildung 7 zeigt auf, dass rund ein Drittel aller Quellen einen naturnahen Quell- Lebensraum haben, ein weiteres Drittel sind beeinträchtigt und bei einem Drittel der untersuchten Quellen ist der Quell-Lebensraum zerstört oder die Quelle ist gefasst. Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 15
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 5.3.1 Beeinträchtigungen Die häufigsten Beeinträchtigungen von Quell-Lebensräumen treten in Form eines Rohrs auf (Wasserableitung). Diese Art von Beeinträchtigung führt in den meisten Fällen zur Beurteilung "zerstörter Quell-Lebensraum". Die hohe Anzahl Fassungen überrascht, da man bei der Auswahl der Quellen von potentiell noch intakten Quellen ausgegangen war. Von den beurteilten Quellen weisen 13 % (192 Quellen) Abfallablagerungen in Form von Holzdepots im Quell-Lebensraum auf. Es handelt sich dabei um einen bedeutenden Faktor, der den Lebensraum negativ beeinflusst. Ins Gewicht fallen ausserdem Beeinträchtigungen durch Trittschäden von Viehbeständen, die direkten Zugang zu Quellen haben. 400 350 300 250 200 150 100 50 0 Rohr Holzabfall Viehtränke befestigter Weg Brunnen Abfall Fassung Trittschäden unbefestigter Weg Abbildung 8: Beeinträchtigungen von Quell-Lebensräumen. Pro Quelle sind gemäss Anleitung "Berner Methode" Mehrfachnennungen möglich. Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 16
Naturnahe Quellen im Kanton Bern Abbildung 9: Beeinträchtigter Quell-Lebensraum im Mittelland 5.3.2 Zustand der Quell-Lebensräume mit erweitertem Datensatz Zieht man bei der Evaluation des Quellzustandes auch die in der Gewässerschutzkarte des Kantons Bern (GSK25) enthaltenen, gefassten Quellen hinzu, so zeichnet sich für die Quellen im Projektperimeter ein noch dramatischeres Bild ab. Aufgeteilt auf die Regionen sind im Jura 49, im Mittelland 1888, in den Voralpen 376 und den Nordalpen 208 Quellen gefasst. Der Anteil natürlicher Quellaustritte beträgt in Anbetracht dieser Daten nur noch 13 % (Abbildung 10). Hingegen sind Dreiviertel der Quellen gefasst oder haben einen zerstörten Lebensraum. Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 17
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 519; 13% 427; 11% 348; 9% 2653; 67% natürlich beeinträchtigt zerstört gefasst Abbildung 10: Zustand des Quell-Lebensraums inkl. gefasste Quellen aus dem GSK25 Der Anteil gefasster Quellen ist im Mittelland und den Voralpen mit über 70 % am grössten. Im Jura und den Nordalpen beträgt deren Anteil unter 55%. Auch kommen in den Nordalpen anteilsmässig am meisten naturnahe Quell-Lebensräume vor. Man kann daraus schliessen, dass in schwer zugänglichen Gebieten weniger gefasste Quellen vorkommen. Ein Grund kann auch der geringere Bedarf an Trinkwasser aufgrund der geringeren Siedlungsdichte sein. Der Druck auf Quellen ist in stärker besiedelten Gebieten wie dem Mittelland und den Voralpen grösser. Übersichtspläne der vier biogeographischen Regionen befinden sich im Anhang. 100% 90% 80% 248 70% 58 1955 392 60% 50% 29 40% 18 139 30% 270 31 20% 9 223 56 10% 16 105 349 49 0% Jura Mittelland Voralpen Nordalpen natürlich beeinträchtigt zerstört gefasst Abbildung 11: Zustand von Quellen aufgeteilt nach Regionen inkl. gefasste Quellen aus dem GSK25. Im Diagramm ist die Anzahl der untersuchten Quellen erwähnt. Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 18
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 5.3.3 Zustand der Quell-Lebensräume nach Höhenlagen Der Anteil natürlicher Quellaustritte unterscheidet sich nach deren Höhenlagen nur geringfügig zwischen 28 und 43 %; Abbildung 12. In der Höhenlage zwischen 600 und 799 Metern befinden sich die meisten zerstörten Quellen. Die meisten dieser Quellen sind der Region Mittelland zuzuordnen, wo der Siedlungs- und Landwirtschaftsdruck am höchsten ist. Quell-Lebensräume oberhalb 1500 Metern sind häufiger beeinträchtigt, aber weniger "zerstört" oder "gefasst" als in tieferen Höhenlagen. Eine häufige Beeinträchtigung von Quellen im Offenland hoher Höhenlagen sind Trittschäden durch das Vieh. Gemäss der Einstufung des Quellzustandes in die Kategorien natürlich, beeinträchtigt, zerstört und gefasst zerstört, kann man davon ausgehen, das Quellen über 1500 m. ü. M. in einem weniger schlechten Zustand sind. 100% 4 25 48 20 34 7 90% 76 80% 57 24 182 70% 60% 114 75 50% 46 82 109 40% 30% 20% 165 79 184 55 35 10% 0% < 600 m 600 -799 m 800 - 999 m 1000 - 1499 m > 1500 m natürlich beeinträchtigt Zerstört gefasst zerstört Abbildung 12: Zustand der Quell-Lebensräume in verschiedenen Höhenlagen. Im Diagramm ist die Anzahl der untersuchten Quellen erwähnt. 5.3.4 Revitalisierungspotential Unter den 1499 untersuchten Quellen ist bei 113 ein gutes Revitalisierungspotential festgestellt worden. Ein Potential zur Revitalisierung besteht nur bei beeinträchtigten und gefassten Quellen. Folgende Kriterien wurden für diese Beurteilung berücksichtigt: naturnahe Quellen in der Umgebung, Vernetzung zu bestehendem Quellbach, Lage in Schutzgebiet, Fassung mit Überlauf, relevante Schüttung, Revitalisierungsaufwand wird als gering eingeschätzt. Die Kriterien sind nicht abschliessend, die Beurteilung war auch stark vom persönlichen Eindruck der Kartierpersonen abhängig. 77 Quellen mit Revitalisierungspotential befinden sich im Wald, 34 im Offenland und 2 im Siedlungsgebiet. Es ist klar, dass auch weitere Quellen mit beeinträchtigtem und zerstörtem Quell- Lebensraum ein Potential zur Revitalisierung aufweisen. Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 19
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 5.3.5 Zustand der Quellbäche Die im Projektgebiet untersuchten Quellbäche sind mehrheitlich (58%) in einem natürlichen Zustand, 42% sind durch harte oder ingenieurbiologische Verbauungen beeinträchtigt. Da diese Beurteilung des Quellbaches nur bei rund der Hälfte der untersuchten Quellen durchgeführt wurde, ist die Interpretation der Resultate schwierig. Es ist aber anzunehmen, dass auch beeinträchtigte Quell-Lebensräume einen naturnahen Quellbach haben. Vergleicht man den Zustand des Quellbaches in den verschiedenen biogeographischen Regionen, so ist es erstaunlich, dass im Mittelland der Anteil natürlicher Quellbäche am höchsten ist, wo es doch beim Zustand des Quell- Lebensraumes gerade umgekehrt ist; Abbildung 13. Eine mögliche Erklärung ist, dass der Anteil Waldquellen im Vergleich zu den Voralpen und Alpen grösser ist, und dort die Bäche weniger beeinträchtigt sind. 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Jura Mittelland Voralpen Nordalpen natürlich beeinträchtigt Abbildung 13: Zustand von Quellbächen nach Region 5.4 Standort von Quellen Bei der Lage der Quellen werden gemäss "Berner Methode" drei Landschaftstypen unterschieden. Quellen befinden sich entweder im Wald, im Offenland oder im Siedlungsgebiet. Liegt die Quellen im Offenland, wird weiter zwischen Acker, Wiese und Weide unterschieden. Die untersuchten Quellen sind am häufigsten im Wald anzutreffen; über Dreiviertel aller Quellen, Abbildung 14. Aufgrund des starken Nutzungsdruckes im Offenland ist dieses Resultat nicht weiter erstaunlich. Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 20
Naturnahe Quellen im Kanton Bern Betrachtet man den Zustand der Quell-Lebensräume in Abhängigkeit ihres Standortes, so ist ersichtlich, dass natürliche Quellen zu 90% im Wald zu finden sind, Abbildung 15. Je schlechter der Zustand von Quellen, desto weniger gross ist der Anteil an Waldquellen. In gleichem Verhältnis nimmt mit steigender Verschlechterung des Quell-Lebensraumes der Anteil im Offenland und dem Siedlungsgebiet zu. 17 247 937 Siedlung Offenland Wald Abbildung 14: Standort von Quellen. Im Diagramm ist die Anzahl der untersuchten Quellen erwähnt. 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% natürlich beeinträchtigt zerstört gefasst Wald Offenland Siedlung Abbildung 15: Zustand der Quell-Lebensräume in Verhältnis zum Standort Abbildung 16 verdeutlich obige Aussage, dass die meisten natürlichen Quell- Lebensräume im Wald vorkommen. Die Anteile natürlicher Quellen sind in Wiesen und Weiden nur aufgrund der geringen Anzahl relativ hoch. Im Ackerland befinden sich keine natürlichen Quellaustritte. Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 21
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 100% 1 60 90% 25 11 191 5 80% 70% 51 28 60% 268 13 6 50% 40% 13 30% 62 20% 418 5 21 10% 2 1 0% Acker Wiese Weide Wald Siedlung natürlich beeinträchtigt zerstört gefasst Abbildung 16: Einfluss der Landnutzung auf den Zustand der Quellen. Blau: natürlich, gelb: beeinträchtigt, orange: zerstört und rot: gefasst. Im Diagramm ist die Anzahl Quellen angegeben. 5.5 Austrittsform von Quellen Im Rahmen der Quellenbeurteilung werden in der "Berner Methode" vier unterschiedliche Austrittsformen unterschieden: ▪ Sturzquellen: Das Wasser tritt punktuell aus und der Abfluss erfolgt in einem Gerinne, das bereits im oberen Abschnitt einem Bächlein gleicht. ▪ Sickerquellen: Das Wasser tritt flächig aus und bildet einen Quellsumpf. Ein klarer Austritt ist nicht auszumachen. Die Sohle ist oft mit Seggen, Moosen und Wasserpflanzen bewachsen. ▪ Weiherquelle: Das Wasser tritt am Grunde eines Weihers aus und fliesst meist in einem Quellbach ab. In Auen werden solche Quellen auch als Giessen bezeichnet. ▪ Künstlicher Austritt: Das Wasser tritt aus einem Rohr oder aus einem anderen künstlichen Ausfluss aus. Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 22
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 423 419 25 370 Sturzquelle Sickerquelle Weiherquelle künstlich Abbildung 17: Austrittsformen von Quellen. Im Diagramm ist die Anzahl Quellen angegeben. Weiherquellen sind eine Austrittsform die nur selten zu finden ist. Die drei Quelltypen Sturzquelle, Sickerquelle und künstlicher Austritt wurden beinahe zu gleichen Anteilen beobachtet, Abbildung 17. Ein regionaler Vergleich der Austrittsformen von Quellen zeigt klare Unterschiede auf; Abbildung 18. Im Jura sind Sickerquellen mit nur rund 5 % Vorkommen vergleichsweise selten und über die Hälfte der Quellen hat eine künstliche Austrittsform. Im Mittelland und den Voralpen sind bezüglich Austrittsform der Quellen hingegen keine grossen Unterschiede auszumachen. In den Nordalpen sind Sturzquellen dominant. 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Jura Mittelland Voralpen Nordalpen Abbildung 18: Austrittsform nach Region. Grün: Weiherquelle, blau: Sturzquelle, braun: Sickerquelle, rot: künstlicher Austritt. Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 23
Naturnahe Quellen im Kanton Bern Bezüglich Zustand der unterschiedlichen natürlichen Austrittsformen sind keine eindeutigen Unterscheide auszumachen. Der Anteil natürlicher und beeinträchtigter Quell-Lebensräume liegt bei rund 60 – 70 %, resp. 30 – 35 %, Abbildung 19. Eindeutig ist, dass bei künstlichen Quellaustritten keine natürlichen Lebensräume vorkommen, da sich die Eigenschaften des Wassers im Rohr verändern. 100% 12 8 90% 61 8 80% 141 137 70% 60% 268 50% 40% 17 30% 260 219 20% 10% 94 0% Weiherquelle Sturzquelle Sickerquelle künstlich natürlich beeinträchtigt zerstört gefasst Abbildung 19: Zustand der Quellen nach Austrittsform 5.6 Schüttungsmenge und Grösse von Quellen Die Schüttungsmenge der untersuchten Quellen zeigt ein eindeutiges Bild. Durchschnittlich haben über 80 % der Quellen ein Schüttungsvolumen von weniger als 1 Liter pro Sekunde Unterschiede in der Schüttung findet man im Vergleich der verschiedenen Höhenlagen der Quellen. Je höher eine Quelle gelegen ist, desto grösser ist der Anteil Quellen, die mehr als 1 l/s Schüttungsmenge aufweisen. Daraus lässt sich schliessen, dass in höheren Lagen die Schüttungsmenge zunimmt; Abbildung 20. Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 24
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% unter 600 600 bis 799 800 - 999 1000 - 1499 über 1500 Abbildung 20: Quellschüttung in unterschiedlichen Höhenlagen. Grau 100 l/s. Betrachtet man die Schüttungsmenge der gefassten Quellen (Datenherkunft GSK25), so sieht die prozentuale Verteilung der Schüttungsmengen gleich aus wie bei den für das Projekt untersuchten Quellen, Tabelle 2. Die Hypothese, dass Quellen mit einer grossen Schüttungsmenge tendenziell eher gefasst sind als kleine Quellen, lässt sich anhand dieser Daten nicht bestätigen. Wird die Schüttungsmenge mit dem Zustand des Quell-Lebensraumes verglichen, so ist jedoch erkennbar, dass natürliche Quell-Lebensräume eine geringere Schüttung als beeinträchtigte und zerstörte Quellen haben, Abbildung 21. Tabelle 2: Schüttungsmengen der gefassten Quellen. Datenherkunft: GSK25. Schüttungsmenge (l/s) Anzahl Quellen Prozent Vgl. Projektdaten > 100 2 0.1 0.2 10 – 100 36 1.6 1.1 1 – 10 376 17.2 17.7
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 100.0 90.0 80.0 70.0 60.0 50.0 40.0 30.0 20.0 10.0 0.0 natürlich beeinträchtigt zerstört 100 l/s Abbildung 21: Schüttungsmenge von Quellen im Vergleich zum Zustand des Lebensraumes. Die Darstellung der Schüttungsmenge pro Region, Abbildung 22, zeigt klar auf, dass Quellen mit einer sehr hohen Schüttung (> 100 l/s) ausschliesslich im Jura vorkommen. Für den karstigen Jura, wo das Wasser durch das poröse Gestein über weite Strecken versickert und dann gebündelt an einem Standort hervortritt (Sturzquelle), erstaunt dieser Befund nicht. Auch in den Nordalpen sind Quellen mit einer Schüttung zwischen 1 – 10 l/s vergleichsweise zahlreich. Auch das könnte einen geologischen Hintergrund haben. Im Mittelland und den Voralpen sprudeln jedoch kaum Quellen mit einem höheren Volumen als einem Liter pro Sekunde. 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Jura Mittelland Voralpen Nordalpen 100 l/s Abbildung 22: Schüttungsvolumen von Quellen nach Region Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 26
Naturnahe Quellen im Kanton Bern Die Quell-Lebensräume sind im Jura alle kleiner als 30 m²; Abbildung 23. In den anderen Regionen beträgt dieser Anteil Quellen mit einer Fläche grösser als 30 m² um die 10 %. Bei den grossen Quellen handelt es sich zu einem sehr grossen Teil um Sickerquellen, deren Wasser flächig austritt. Tendenziell sind Quellen der Voralpen und Nordalpen grossflächiger. 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Jura Mittelland Voralpen Nordalpen klein mittel gross Abbildung 23: Grösse von Quellen nach Region 5.7 Substrate und Artenvielfalt 5.7.1 Substrate der Quell-Lebensräume Die Beschaffenheit und die Vielfalt des Bodensubstrates von Quellen ist für den Lebensraum charakteristisch und wirkt sich direkt auf die Zusammensetzung der Artenvielfalt aus (Lubini-Ferlin, et.al., 2014). Quellen mit grosser Substratdiversität haben viele ökologische Nischen, die zu einer grösseren Artenvielfalt führen. Abbildung 24 zeigt auf, wie häufig die untersuchten Substrate vorkommen. Auffällig sind die geringen Vorkommen von Blöcken und Kalkablagerungen. Verwunderlich ist diese Feststellung jedoch nicht, da Blöcke nicht typische Quellsubstrate sind und Kalkablagerungen nur bei kalkhaltige Quellen zu erwarten sind. 20 % der Quellen enthalten Ablagerungen von Kalk in Form von Tuffbildungen oder weissen Kalkkrusten. Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 27
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 600 500 400 300 200 100 0 Moospolster Steine Detritus Falllaub Kalkablagerungen Feinmaterial Sand Kies Blöcke Totholz Abbildung 24: Substratnennungen. Y-Achse: Anzahl Nennungen bei total 877 Quellen. Mehrfachnennungen pro Quelle sind möglich. Am häufigsten wurden fünf unterschiedliche Substrate festgestellt; Abbildung 25. 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Abbildung 25: Anzahl der genannten Substrate. X-Achse: Anzahl Substrate, Y-Achse: Anzahl der Quellen. Total 877 Quellen. 5.7.2 Artenvielfalt von Quellen Feldmitarbeiterinnen und -Mitarbeiter haben z.T. mittels einfachem Verfahren die Quellfauna untersucht. Dabei hat sich gezeigt, dass Bachflohkrebse gefolgt von Köcher- und Steinfliegen am häufigsten erkannt wurden; Abbildung 26. Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 28
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 250 227 200 150 112 115 100 87 41 50 2 0 Strudelwürmer Steinfliege Flohkrebs Eintagsfliege Feuersalamander Köcherfliege Abbildung 26: Nachgewiesene Artengruppen. Total 891 Quellen. Häufig wurde nur eine Artengruppe festgestellt, Abbildung 27. Über den Zustand der Artenvielfalt kann man mit dieser Aufnahmemethode keine Aussagen machen. Einzige Annahme ist, dass man bei Nachweisen von Tieren davon ausgehen kann, dass die Quelle ganzjährig schüttend ist und somit geeignete Lebensbedingungen für die Quellfauna bildet. Nur in zwei Quellen konnte man Feuersalamander finden. Es ist anzunehmen, dass der Feuersalamander häufiger vorkommt, die Suche braucht jedoch ein geschultes Auge und Erfahrung. 700 600 500 400 300 200 100 0 0 1 2 3 4 5 Abbildung 27: Anzahl nachgewiesener Artengruppen. X-Achse: Anzahl Artengruppen, Y-Achse: Anzahl der Quellen. Total 891 Quellen. Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 29
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 5.8 Quellen in Inventargebieten Im Hinblick auf die Erarbeitung von Massnahmen zum Erhalt und der Aufwertung von Quellen haben wir die Quellen, die sich innerhalb von nationalen Inventarobjekten befinden, separat ausgewertet. Folgende Inventare wurden berücksichtigt: Amphibienlaichgebiete, Auengebiete, Flachmoore, Moorlandschaften, Trockenwiesen, BLN-Gebiete, Wasser- Zugvogelreservate. 56 Quellen befinden sich in nationalen Inventarobjekten. 25 davon befinden sich in einem beeinträchtigten oder zerstörten Zustand. Eine Liste dieser Quellen befindet sich im Anhang. Diese Quellen sind bezüglich Sensibilisierungsmassnahmen und Revitalisierung prioritär zu behandeln. 5.9 Aufwand der Feldmitarbeiterinnen Insgesamt haben sich aufgrund der Ausschreibungen 45 Personen für die Kartierung von Quellen gemeldet. Davon haben 36 an einem Schulungsanlass teilgenommen, 2 haben ohne vorgängige Schulung Quellen besucht und von 7 Interessenten hat man nichts mehr gehört. Schlussendlich haben 27 Personen Feldaufnahmen durchgeführt und total 1130 Quellen mit der "Berner Methode" beurteilt. Zusätzlich zum Datensatz, der im Rahmen dieses Projektes erarbeitet wurde, bestehen noch weitere 370 beurteilte Quellen, die aus früheren Projekten stammen. Der Aufwand einzelner Personen fiel sehr unterschiedlich aus. Einige Personen haben enorm viele Quellen kartiert und tageweise im Feld verbracht. Ein Drittel aller Quellen wurde durch drei Personen beurteilt, Tabelle 3. Rechnet man für die Beurteilung einer Quelle mit 20 Minuten Aufwand, inkl. Fotobeschriftung und Datenbereinigung, und einer durchschnittlichen Anfahrtszeit von 30 Minuten, sind im Rahmen des Projektes rund 1000 ehrenamtliche Stunden geleistet worden. Tabelle 3: Aufwand der FeldmitarbeiterInnen Anzahl Person Kartierte Quellen 3 >100 6 50 – 100 6 20 – 50 7 10 – 20 5
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 6. Fallbeispiele Diese Fallbeispiele aus allen untersuchten biogeographischen Regionen zeigen auf, welche Eigenschaften Quellen haben und welche Massnahmen wir für bestimmte Quelltypen empfehlen. Solche Massnahmen sind auf Quellen mit ähnlichen Eigenschaften übertragbar. 6.1 Typische Sturzquelle, Rheokrene GBL-Code Gemeinde Region Höhe Standort QBC009 Cortébert Berner Jura 748 m. ü. M. Offenland Zustand Schüttung Grösse Quellbach nicht beeinträchtigt natürlich < 1 l/s < 15 m² Austritt QBC009 Lage QBC009 Eigenschaften typischer Sturzquellen ▪ Punktuell austretendes Wasser fliesst bald als Quellbach ab ▪ Dominanz von gröberem Substrat wie Kies und Steinen ▪ Der Quell-Lebensraum ist von geringer Grösse, weil sich die physikalischen und chemischen Eigenschaften rasch ändern ▪ Kommt oft in Hanglagen vor ▪ Im Jura oft nur temporär, bei starken Niederschlägen wasserführend Generelle Massnahmen zur Förderung des Quell-Lebensraumes ▪ Beschattung des Quellaustrittes mit standortgerechten Sträuchern ▪ Quellbereich in einem Umfang von mindestens 5 Metern auszäunen, um Trittschäden durch die Beweidung zu verhindern ▪ Wasserentnahmen für Tränken und Brunnen nicht direkt am Quellaustritt installieren Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 31
Naturnahe Quellen im Kanton Bern ▪ Keine Äste und Schnittgut auf dem Quell-Lebensraum deponieren ▪ Keine Düngung in Quellennähe ▪ Aufnahme in ein kommunales Naturinventar 6.2 Typische Sickerquelle, Helokrene GBL-Code Gemeinde Region Höhe Standort QAA634 Unterlangenegg Voralpen 650 m. ü. M. Wald Zustand Schüttung Grösse Quellbach nicht vorhanden natürlich < 1 l/s 15 – 30 m² Austritt QAA634 Lage QAA634 Eigenschaften typischer Sickerquellen ▪ Flächiger Wasseraustritt, Austrittsorte oft nicht klar auszumachen ▪ Bildung eines Quellsumpfes ▪ Dominanz von Feinsubstraten wie Ton, Sand, Kies und organischem Abbaumaterial ▪ Oft in Mulden- oder schwacher Hanglage ▪ Oft nicht fliessend und hat nicht zwingend einen Quellbach ▪ Oft mit Seggen, Moosen und Wasserpflanzen bewachsen Generelle Massnahmen zur Förderung des Quell-Lebensraumes ▪ Quellen bei Forstarbeiten schonen, keine Rückegassen, Baumfällungen ▪ Keine Äste und Schnittgut auf dem Quell-Lebensraum ablagern ▪ Keine Brennholzstapel in der Nähe von Quellen deponieren ▪ Quellen auf Betriebsplänen des Forstdienstes eintragen ▪ Aufnahme in ein kommunales Naturinventar Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 32
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 6.3 Typische Weiherquelle, Limnokrene GBL-Code Gemeinde Region Höhe Standort QBA230 Rubigen Mittelland 515 m. ü. M. Offenland Zustand Schüttung Grösse Quellbach nicht beeinträchtigt natürlich < 1 l/s > 30 m² Austritt QBA230 Lage QBA230 Eigenschaften typischer Weiherquellen ▪ Grundwasseraustritt in einen Quelltümpel ▪ Austritte am Grund aufgrund konischer Wölbung sichtbar ▪ Bildung eines Quellbaches ▪ Befinden sich am Hangfuss oder in Tallagen ▪ Ist oft in Giessen anzutreffen ▪ Seltener Quelltyp Generelle Massnahmen zur Förderung des Quell-Lebensraumes ▪ Beschattung des Tümpels mit standortgerechten Sträuchern ▪ Quellbereich in einem Abstand von mindestens 5 Metern auszäunen, um Trittschäden durch die Beweidung zu verhindern ▪ Keine Düngung in Quellnähe ▪ Aufnahme in ein kommunales Naturinventar Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 33
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 6.4 Beeinträchtigte Quelle im Wald GBL-Code Gemeinde Region Höhe Standort QBB647 Heimiswil Mittelland 634 m. ü. M. Wald Quelltyp Zustand Schüttung Grösse Quellbach Sturzquelle beeinträchtigt < 1 l/s < 15 m² beeinträchtigt Austritt QBB647 Lage QBB647 Beeinträchtigungen ▪ Siedlungsabfall ▪ Holzabfall Folgen für den Quell-Lebensraum ▪ Chemische Gewässerverschmutzung durch Siedlungsabfall ▪ Änderung der Lebensraumeigenschaften durch Asthaufen eigentlicher Quell- Lebensraum ist für Insekten nicht mehr erreichbar ▪ Düngung der Quelle durch Holzzerfall Empfohlene Massnahmen ▪ Keine Äste und Schnittgut auf dem Quell-Lebensraum ablagern ▪ Keine Brennholzstapel in der Nähe von Quellen deponieren ▪ Quellen bei Forstarbeiten schonen, keine Rückegassen, Baumfällungen Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 34
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 6.5 Beeinträchtigte Quelle im Offenland GBL-Code Gemeinde Region Höhe Standort QBO707 Grindelwald Nordalpen 1980 m. ü. M. Offenland Quelltyp Zustand Schüttung Grösse Quellbach nicht vorhanden Sturzquelle beeinträchtigt < 1 l/s < 15 m² Austritt QBO707 Lage QBO707 Beeinträchtigungen ▪ Viehtritt Folgen für den Quell-Lebensraum ▪ Zerstörung des Substrats und des Interstitialbereichs ▪ Düngung der Quelle durch Exkremente ▪ Beeinträchtigung der Artenvielfalt Empfohlene Massnahmen ▪ Quellbereich in einem Umfang von mindestens 5 Metern auszäunen, um Trittschäden durch die Beweidung zu verhindern ▪ Wasserentnahmen für Tränken und Brunnen nicht direkt am Quellaustritt installieren ▪ Keine Äste und Schnittgut auf dem Quell-Lebensraum ablagern ▪ Keine Düngung in Quellnähe Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 35
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 7. Interpretation Durch das Pro Natura Projekt stehen zahlreiche neue Daten zu Verbreitung und Zustand von Quellen im Kanton Bern zur Verfügung. Aufgrund des grossen Projektperimeters innerhalb unterschiedlicher biogeographischer Regionen sind aussagekräftige Interpretationen möglich. Natürliche Quell-Lebensräume: Ein Drittel der untersuchten noch vorhandenen Quellen ist unversehrt und hat einen natürlichen Quell-Lebensraum. Diese Quellen befinden sich typischerweise im Wald und haben eine geringe Schüttung (< 1 l/s). Beeinträchtigte Quell-Lebensräume: Zwei Drittel der untersuchten Quellen hat keinen natürlichen Lebensraum mehr. Die Quellen sind beeinträchtigt, zerstört oder gefasst. Beeinträchtigte oder zerstörte Quell-Lebensräume wären natürlicherweise meist im Offenland, sind jedoch drainiert und in den nächstgelegenen Wald geleitet worden. Typische Beeinträchtigungen von Quell-Lebensräumen In den häufigsten Fällen ist der eigentliche Quellbereich drainiert und ein Rohr bildet den Anfang eines Bächleins. Die eigentliche Quelle befindet sich in der offenen Landschaft und das Wasser wird bis zum nächsten Wald im Rohr abgeführt. Man spricht von einem zerstörten Quell-Lebensraum. Einzige Massnahme um den Quell- Lebensraum aufzuwerten wäre die Revitalisierung, sprich das Entfernen der Fassungsrohre. Der Widerstand dagegen dürfte aber gross sein, da sich diese Objekte meist im Landwirtschaftsgebiet befinden. Bei den anderen Beeinträchtigungen handelt es sich hauptsächlich um Astdepots, Trittschäden und Viehtränken, die sich im Quellbereich befinden. Durch Sensibilisierung der Grundeigentümer und Bewirtschafter lässt sich der Lebensraum im besten Fall mit einer Verhaltensänderung aufwerten. Regionale Unterschiede: Jura und Mittelland: Hier sind naturnahe Quell-Lebensräume weitgehend auf Wälder beschränkt. Im Offenland ist beinahe nichts mehr zu finden. Im Jura findet man hauptsächlich den Quelltyp Sturzquelle, bei dem das Wasser rasch und punktuell aus dem Boden fliesst. Der Quellbereich ist deshalb nicht allzu gross und das abfliessende Wasser bildet sofort ein Gerinne. Namentlich in Kalksteingebieten wie dem Jurabogen kann das Wasser auch spektakulär im freien Fall aus Felsen austreten. Im Mittelland kommen Sturzquellen, wie auch Sickerquellen, die einen Quellsumpf bilden, gleichermassen vor. Allerdings sind 80 Prozent der Quellen gefasst oder zerstört. Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 36
Naturnahe Quellen im Kanton Bern Voralpen und Nordalpen: Hier findet man natürliche Quellen nicht nur im Wald, sondern auch im Offenland, auf Wiesen und Weiden. Je höher man in die Berge steigt, desto verbreiteter sind naturnahe Quell-Lebensräume. In den Voralpen dominieren Sickerquellen in Wäldern. In den Nordalpen hingegen sind eher Sturzquellen anzutreffen. In den Nordalpen sind immerhin 50 % der Quellen nicht gefasst, entsprechend verbreitet sind noch intakte Lebensräume. Abbildung 28: Sturzquelle im Berner Jura Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 37
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 8. Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung Für die Sensibilisierung und Öffentlichkeitsarbeit haben wir auf drei Ebenen Massnahmen ergriffen: ▪ Direkte Schulung von Leuten zum Thema Quellen ▪ Informieren mittels eines Flyers zum Thema ▪ Allgemeine Medienartikel zu Quell-Lebensräumen und zum Pro Natura Projekt 8.1 Schulungen Mit Ausnahme von zwei geübten Personen, die bereits Quellen beurteilt hatten, konnten wir an zwei halbtägigen und einer Abendschulung 36 freiwillige Personen zur Bedeutung des Quell-Lebensraumes informieren. Eine Präsentation und anschliessende praktische Erfahrungen mit der "Berner Methode" zur Beurteilung von Quellen statteten die freiwilligen Helfer mit dem notwendigen Rüstzeug für die Feldarbeiten aus. 8.2 Flyer Eine der ersten Projektarbeiten war die Gestaltung eines Informationsflyers zu den Quellen. Mit diesem sollten bereits zu Projektbeginn Gemeinden und weitere Akteure auf das Thema Quell-Lebensräume aufmerksam werden. Der Flyer beschreibt den Lebensraum, die Entwicklung der Quellen in der Schweiz, porträtiert drei typische Quellarten und empfiehlt Massnahmen zum Umgang mit Quellen im Wald und im Landwirtschaftsgebiet. Im Anhang ist ein Exemplar beigelegt. Der Flyer ist in deutscher und französischer Sprache verfügbar. 8.2.1 Versand des Quellenflyers Den Flyer haben wir an folgende Institutionen verschickt: ▪ Alle Berner Gemeinden haben zwei gedruckte Exemplare erhalten (38 französischsprachige, 314 deutschsprachige) ▪ Amt für Wald des Kantons Bern (KAWA): 130 Flyer plus eine digitale Version im PDF Format zuhanden der Revierförster ▪ Berner Wald: Flyer im Organ der Berner Waldbesitzer abgedruckt ▪ Verein Berner Burgergemeinden: 10 gedruckte Flyer verschickt ▪ Pro Natura, weitere USOs: die kantonalen Sektionen und bernischen Regionalsektionen sowie weitere Umweltorganisationen wurden mit gedruckten Flyern bedient Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 38
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 8.3 Medientätigkeiten Mittels Artikeln in Fachzeitschriften und Zeitungen, Newslettern und Radiosendungen haben wir die Bevölkerung zur Problematik der Quell-Lebensräume informiert: ▪ WWF Panda Magazin, Lokalteil Bern: Aufruf für Freiwilligenarbeit und Kurzbeschrieb des Projektes, Frühling 2016 ▪ Pro Natura Lokal Bern: Artikel und Aufruf für Freiwilligenarbeit, Frühling 2016 ▪ Berner Bauernverband: Artikel im elektronischen Newsletter vom Oktober 2016 ▪ Bauernzeitung: Artikel, Oktober 2016 ▪ Radio SRF - Echo der Zeit und Regionaljournal: Beitrag zu den Quellen, September 2016 ▪ Pro Natura Lokal Bern: Artikel zu den Resultaten des Quellenprojektes, Frühling 2018 Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 39
Naturnahe Quellen im Kanton Bern 9. Ausblick Im vorliegenden Projekt zeigen wir den Zustand von Quell-Lebensräumen in verschiedenen biogeographischen Regionen des Kantons Bern auf. Dabei wird klar, dass die Qualität des Lebensraumes in der Vergangenheit stark abgenommen hat und dadurch auch die quellspezifische Artenvielfalt leidet. Quellen wurden in der Vergangenheit aufgrund verschiedener Interessen beeinträchtigt oder zerstört. Je nach Region fällt das Ausmass der Beeinträchtigung des Lebensraumes jedoch unterschiedlich aus. Das ruft deshalb nach spezifischen, situationsbedingten Massnahmen. Der Erhalt und die Revitalisierung von Quellen tangieren diverse Akteure (Bund, Kanton, Gemeinden, Grundeigentümer, Bewirtschafter und NGOs). Um mit dieser Absicht voran zu kommen, sollten die Aufgaben aller Akteure bekannt sein. Aus den erarbeiten Grundlagen leiten wir, um Quell-Lebensräume langfristig zu erhalten, den Handlungsbedarf ab und machen Empfehlungen für die Zuständigkeit. 9.1 Handlungsbedarf Grundsätzlich ist jede Quelle, sei sie in naturnahem oder beeinträchtigtem Zustand, zu erhalten. Beeinträchtigungen von Quellen sind möglichst durch geeignete Massnahmen zu beheben. Die Gemeinden und die Öffentlichkeit sollten Kenntnis haben von ihren Naturobjekten und sollten besonders wertvolle, d.h. grosse, strukturreiche und landschaftlich wertvolle Quellen durch Artenschutzverträge mit dem Kanton oder der Gemeinde, oder durch Schutzbeschlüsse sichern. In der Abbildung 29 zeigen wir die weiteren Massnahmen auf, die wir zum Erhalt und Schutz von Quell-Lebensräumen empfehlen. Februar 2018 Atelier für Naturschutz und Umweltfragen 40
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