Gesundheitsstrategie des Kantons Bern 2020-2030

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Gesundheitsstrategie des Kantons Bern 2020-2030
Gesundheitsstrategie
des Kantons Bern
2020–2030

Gesundheits- und Fürsorge-
direktion des Kantons Bern
Gesundheitsstrategie des Kantons Bern 2020-2030
Inhaltsverzeichnis

                                                          1. Einleitung                                  5

                                                          2. Hintergrund                                 7

                                                          3. Einbettung der Gesundheitspolitik           9
                                                             in andere Politikbereiche

                                                          4. Beschreibung der Ist-Situation             11
                                                            4.1 Gesamtkontext des Gesundheitswesens     11
                                                          		    im Kanton Bern
                                                            4.2 Zahlen zur Gesundheitsversorgung        13
                                                          		    im Kanton Bern
                                                             4.3 Versorgung und ihre Steuerung          15
                                                          		     4.3.1 Grundlagen                       15
                                                          		     4.3.2 Gesundheitsleistungsangebot      15
                                                          		     4.3.3 Versorgungsstruktur              17
                                                          		     4.3.4 Steuerung                        19
                                                                                                              Abbildungsverzeichnis
                                                             4.4 Behörden	                              20
                                                                                                              Zahlen zur Gesundheitsversorgung 13
                                                             4.5 Finanzen                               21
                                                                                                              im Kanton Bern
                                                             4.6 Personal                               24
                                                                                                              Bruttoleistungen der OKP 2018:   21
                                                          5. SWOT-Analyse                               27   Der Kanton Bern und die Schweiz
                                                          6. Vision und Mission                         32   im Vergleich

                                                             6.1 Vision                                 32   Bruttoleistungen OKP             21
                                                             6.2 Mission                                33   Kanton Bern 2018 nach
                                                                                                              Leistungserbringerkategorien
                                                          7. Stossrichtung, strategische Ziele          35
                                                             und Massnahmen                                  Das Gesundheitswesen 2016        22
                                                                                                              nach Finanzierungsregimes
                                                             7.1 Stossrichtungen	                       35
                                                             7.2 Strategische Ziele und Massnahmen      36   Das Gesundheitswesen 2016
                                                                                                              nach Leistungen                  23
                                                            7.3 Umgang mit vom Kanton nicht direkt      41
                                                          		    beeinflussbaren Schwächen und Risiken        SWOT-Analyse27

                                                          8. Weiteres Vorgehen:                         43   Vision32
                                                             Erarbeitung von Teilstrategien	
                                                                                                              Mission33
                                                          9. Anhang 1 | Abkürzungsverzeichnis           44
                                                                                                              Stossrichtungen35
                                                          10. Anhang 2 | Glossar                        46
                                                                                                              Strategische Ziele und           36
                                                          11. Anhang 3 | Finanzierung und Vergütung     52   Massnahmen mit Priorisierung

    Impressum

    Herausgeber
    Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern

    Gestaltung
    Polyconsult AG, Bern

    September 2019
2                                                                                                                                                    3
Gesundheitsstrategie des Kantons Bern 2020-2030
1. Einleitung

       Eine qualitativ hochstehende und gut zugängliche                       Die Gesundheitsstrategie wurde in der Gesund-
       Versorgung der Bevölkerung mit Dienstleistungen                        heits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern
       des Gesundheitswesens leistet einen zentralen                          (GEF) unter Einbezug verschiedener Stakeholder 1
       Beitrag an eine hohe Lebensqualität jeder Gesell-                      aus dem Gesundheitswesen erarbeitet. Sie wird
       schaft. Im Kanton Bern arbeiten dafür private                          vom Regierungsrat genehmigt und dem Grossen
       und öffentliche Akteure eng zusammen, reguliert                        Rat zur Kenntnis gebracht. Sie stellt einen über-
       durch Rechtsgrundlagen auf nationaler wie auf                          geordneten Rahmen dar, innerhalb dessen auf der
       kantonaler Ebene und finanziert aus diversen                           Ebene GEF in Arbeitsgruppen mit Vertretern der
       Quellen. Mit der vorliegenden Gesundheitsstrategie                     Stakeholder in einem zweiten Schritt Teilstrategien
       schafft der Regierungsrat des Kantons Bern eine                        erarbeitet werden.
       Grundlage für eine bedarfsgerechte, integrierte,
       innovative und patientenorientierte Entwicklung                        Die Gesundheitsstrategie ist wie folgt aufgebaut:
       des bernischen Gesundheitswesens. Die Teilhabe                         Nach Informationen zum Hintergrund, vor wel-
       an den Dienstleistungen des Gesundheitswesens                          chem die Gesundheitsstrategie erarbeitet wurde
       soll allen Bevölkerungsgruppen möglich sein.                           (Kapitel 2) und einer Einbettung der Gesundheits-
                                                                              politik in andere Politikbereiche (Kapitel 3), folgt
       Die Gesundheitsstrategie dient als Leit-                               in Kapitel 4 die Beschreibung der Ist-Situation.
       linie der Behörden des Kantons Bern                                    Die SWOT-Analyse stellt eine Beurteilung der
       für Entscheide, die im Gesundheitsbereich                              Ist-Situation dar und folgt in Kapitel 5. Die Vision
       getroffen werden und ist auf einen                                     und die Mission zeigen den Sollzustand und wie
       Zeitraum von zehn Jahren ausgerichtet.                                 dieser erreicht werden soll. Diese Informationen
                                                                              sind in Kapitel 6 zu finden. Schliesslich werden
       Da sich die Behörden und die Verwaltung des                            in Kapitel 7 die Stossrichtungen, strategischen
       Kantons Bern vornehmlich mit Fragen rund um                            Ziele und Massnahmen präsentiert. In Kapitel 8
       die Gesundheitsversorgung befassen, wird hier                          wird das weitere Vorgehen bei der Erarbeitung
       eine eigentliche Gesundheitsversorgungsstrategie                       der Teilstrategien beschrieben.
       präsentiert. Aufgrund der besseren Einprägsam-
       keit des Begriffs wird das Dokument jedoch ver-
       einfachend als Gesundheitsstrategie bezeichnet.

       1
           Im Steuerungsausschuss, der regelmässig über den Fortschritt         der Verband Privatspitäler des Kantons Bern (VPSB), die
           der Arbeiten informiert wurde und dem die Ergebnisse vor-            Ärztegesellschaft des Kantons Bern (BEKAG), der SPITEX
           gelegt wurden, waren neben der GEF folgende Verbände                 Verband Kanton Bern, der Dachverband der Heime und
           vertreten: diespitäler.be (mit vier Vertretern, je einer aus dem     sozialen Institutionen (Curaviva Bern), der Verband Schwei-
           Bereich der Regionalen Spitalzentren (RSZ, Akutsomatik),             zerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte (VSAO)
           der Regionalen Psychiatrischen Dienste (RPD, Psychiatrie),           und der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und
           der Rehabilitation und der Insel Gruppe (Universitätsmedizin)),      Pflegefachmänner (SBK).
4                                                                                                                                             5
Gesundheitsstrategie des Kantons Bern 2020-2030
2. Hintergrund

      Mit der Motion Zumstein/Kohler (Vorstoss-Nr.                        Die Gesundheitsstrategie wird in der Vision 2030
      034-2015) hat der Grosse Rat den Regierungsrat                      unter Ziel 3 verortet: «Der Kanton Bern ist für
      beauftragt, eine Gesundheitsstrategie zu erarbeiten.                seine Bevölkerung attraktiv. Er fördert den gesell-
                                                                          schaftlichen Zusammenhalt durch eine verstärkte
      Zwischen der Ebene von Konzepten und Be-                            und gezielte Integration von sozial Benachteilig-
      richten des Kantons Bern 2 und der Ebene der                        ten.» Sie trägt aber auch zur Erreichung von Ziel 1
      Bundesstrategie «Gesundheit2020» fehlt bis                          bei, wonach der Kanton Bern ein attraktiver
      heute eine kantonale Strategie, welche diese                        Innovations- und Investitionsstandort werden soll.
      verbindet und der kantonalen Gesundheitspolitik
      die Richtung weist.                                                 Basis für die «Gesundheitsstrategie des Kantons
                                                                          Bern» ist eine umfassende Analyse der Ist-Situation.
      Die Gesundheitsstrategie ist eingebettet in die                     Die nachfolgende Kurzfassung stellt die Kern-
      Ziele des Regierungsrats für die Legislaturperiode                  elemente der Ist-Analyse dar. Die Ist-Situation
      2019–2022 3. Unter dem Begriff «Engagement                          wurde in der Folge der Vision gegenübergestellt
      2030» hat der Regierungsrat eine Vision mit dem                     und, daraus abgeleitet, wurden Stossrichtungen,
      Zeithorizont 2030 definiert. Er will bis dahin die                  Ziele und Massnahmen definiert.
      Ressourcen- und Wirtschaftskraft des Kantons
      stärken, die Lebensqualität der Bevölkerung                         Um eine künftig wirksame Führung und Steuerung
      steigern, den gesellschaftlichen Zusammenhalt                       in den einzelnen Versorgungsbereichen sicherzu-
      festigen sowie als Kanton eine führende Rolle                       stellen, ist nach Genehmigung der Gesamtstrategie
      beim Bewältigen der Herausforderungen im                            durch den Regierungsrat und Kenntnisnahme
      Umweltbereich übernehmen. Abgeleitet von der                        durch den Grossen Rat eine Darstellung der rele-
      Vision 2030 hat der Regierungsrat die Schwer-                       vanten Fakten, Ziele und Massnahmen im Rahmen
      punkte seiner politischen Arbeit in den kom-                        von Teilstrategien unumgänglich (vgl. Kapitel 8).
      menden vier Jahren und fünf strategische Ziele
      definiert.

      2
          Beispielhaft können die folgenden Berichte genannt werden:      3
                                                                              Weiterführende Informationen und der komplette Bericht
          Bericht Hausarztmedizin im Kanton Bern, Bericht zur Alters-         «Engagement 2030» sind hier verfügbar: https://www.rr.be.ch/
          politik des Kantons Bern, Suchthilfekonzept des Kantons Bern,       rr/de/index/der_regierungsrat/der_regierungsrat/regierungs-
          Versorgungsplanung gemäss Spitalversorgungsgesetz usw.              richtlinien.html#originRequestUrl=www.be.ch/engagement2030
6                                                                                                                                            7
Gesundheitsstrategie des Kantons Bern 2020-2030
3. Einbettung der Gesundheitspolitik
       in andere Politikbereiche

      Die Gesundheitspolitik hat insbesondere              – Wirtschaftspolitik: Die Gesundheit der
      weitreichende Schnittmengen mit folgenden              Bevölkerung ist eine wichtige Voraussetzung
      Politikbereichen:                                      zur Wertschöpfung einer Volkswirtschaft.
                                                             Demgegenüber stellen die Kosten von Unfällen
      – Bildungspolitik: Bildung erhöht die Gesund-          und Krankheiten eine hohe Belastung für die
        heitschancen. Es ist wichtig, dass alle Zugang       Wirtschaft dar. Die Wirtschaftspolitik hat grosse
        zu Bildung haben und diese kompetent nutzen          Auswirkungen auf die Gesundheit der einzelnen
        können. In der Schule werden Gesundheits-            Menschen, weil Arbeit ein wichtiger Faktor
        kompetenzen vermittelt. Als spezifischer Aspekt      für die Gesundheit ist. Zufriedenstellende Arbeit
        der Überschneidung zwischen Gesundheits-             und gute Arbeitsbedingungen fördern die
        und Bildungspolitik kann die Aus- und Weiter-        Gesundheit. Arbeitslosigkeit gefährdet die Ge-
        bildung des Gesundheitspersonals genannt             sundheit. Eine gute Wirtschaftspolitik, die eine
        werden.                                              gedeihliche Entwicklung der Unternehmen zur
                                                             Folge hat, verschafft dem Kanton mehr Hand-
      – Sozialpolitik: Die zentralen Themen der Sozial-      lungsspielraum in Bezug auf die Finanzierung
        politik sind die Existenzsicherung und die           des Gesundheitswesens.
        Integration. Gesundheitsversorgung gehört nicht
        zur Sozialpolitik im engeren Sinn. Gesundheit      – Umweltpolitik: Eine intakte Umwelt ist ent-
        ist jedoch eine wichtige Ressource für die Exis-     scheidend für das Wohlergehen der Bevölkerung.
        tenzsicherung und die Integration. Krankheiten,      Die Umweltressourcen, wie zum Beispiel Wasser
        Unfälle oder Pflegebedarf bergen hohe Armuts-        und Luft, aber auch das Klima beeinflussen die
        risiken. Eine konkrete Schnittstelle zwischen        Gesundheit der Bevölkerung.
        der Sozial- und der Gesundheitspolitik ist die
        Gesundheitsförderung wie auch die Suchthilfe.      – Sicherheitspolitik: Die Sicherheitspolitik
        Massnahmen zur Veränderung von Lebensbe-             schafft wichtige Voraussetzungen zur Erhaltung
        dingungen (soziale, ökonomische usw.) sollen         der Gesundheit. Dies gilt insbesondere für die
        positiv auf die individuelle und bevölkerungs-       Sicherheit in der Mobilität und für den Schutz
        bezogene Gesundheit wirken. Eine grosse              vor Gewalt.
        Herausforderung in der Gesundheitsförderung
        und Prävention ist es, die vulnerablen Bevölke-    – Finanzpolitik: Die Gesundheitspolitik ist auch
        rungsgruppen zu erreichen. Eine erfolgreiche         in hohem Masse abhängig von der Finanzpolitik.
        Sozialpolitik hat positive Auswirkungen auf das      So setzt diese oft den finanziellen Rahmen der
        Gesundheitswesen und die Gesundheit der              Gesundheitsversorgung und nimmt damit (über
        Bevölkerung. Aus sozialpolitischer Sicht muss        die Finanzierbarkeit) Einfluss auf die Bedarfs-
        das Gesundheitswesen so ausgestaltet sein,           festlegung. Zudem gestaltet die Finanzpolitik
        dass alle Personen mit einem entsprechenden          die (oftmals komplexen) Finanzierungssysteme
        Bedarf Zugang zu den Versorgungsleistungen           in der Gesundheitsversorgung mit und nimmt
        haben.                                               damit indirekt Einfluss auf die Gestaltung und
                                                             Steuerung der Gesundheitsversorgung.

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Gesundheitsstrategie des Kantons Bern 2020-2030
© Bern Welcome
                      4. Beschreibung der Ist-Situation

                         Nach einer Einbettung in den Gesamtkontext und       Die Alterung der Bevölkerung, die Inklusion von
                         der Darstellung relevanter Zahlen zur Gesund-        Menschen mit Behinderungen und die zunehmende
                         heitsversorgung werden in diesem Kapitel die ver-    Multimorbidität beeinflussen die Gesundheits-
                         schiedenen Aspekte der Ist-Situation bezüglich       versorgung auf allen Ebenen. Die Auswirkungen
                         Versorgung und Steuerung, Behörden, Finanzen         der demographischen Entwicklung werden auch
                         und Personal aufgezeigt. Dabei ist zu berück-        durch die Verbreitung der sogenannten nichtüber-
                         sichtigen, dass für eine umfassende Beschreibung     tragbaren Krankheiten (NCD) verschärft. Diese
                         und Analyse wichtige Daten und Kennzahlen            stellen nicht nur die häufigste Todesursache in
                         heute fehlen.                                        der Schweizer Bevölkerung dar, sondern gelten
                                                                              auch als einer der Haupttreiber für das Wachstum
                                                                              der Gesundheitskosten. Da ein nicht unerheb-
                                                                              licher Anteil der nichtübertragbaren Krankheiten
                         4.1 Gesamtkontext                                    durch einen gesunden Lebensstil vermeidbar bzw.
                             des Gesundheitswesens                            länger hinauszuzögern wäre, werden Massnah-
                                                                              men der Gesundheitsförderung und Prävention
                             im Kanton Bern                                   immer relevanter.

                         Das Gesundheitswesen des Kantons Bern kann           Ebenso wichtig ist der Einfluss der technischen
                         nicht isoliert betrachtet werden. Es ist in seinem   Entwicklung.
                         Kontext zu sehen. Dazu gehören Entwicklungen
                         in der Bevölkerungsstruktur, der Medizin und der     Dazu kommt die politische Dimension. Auf Ebene
                         kantonalen und nationalen Politik.                   des Bundes wurden und werden Massnahmen
                                                                              ergriffen, die Auswirkungen haben auf die Ge-
                         Die Bevölkerungsstruktur im Kanton Bern mit          sundheitsversorgung im Kanton Bern. Im Jahr
                         seinen rund 1030 000 Einwohnern präsentierte         1996 wurde das Bundesgesetz über die Kran-
                         sich im Jahr 2017 wie folgt:                         kenversicherung (KVG) in Kraft gesetzt. Mit dem
                                                                              Gesetz wurden verschiedene Ziele verfolgt:
                         Im Kanton Bern lebten im Jahr 2017 rund 212 000      Solidarität, Zugang zu Medizin, Kostenbegren-
                         Personen im Alter von 65 Jahren und mehr. Das        zung und transparente Qualität. Heute gelten die
                         entspricht rund 21 Prozent der gesamten Wohn-        ersten beiden Ziele als erreicht. Dagegen konnte
                         bevölkerung. Knapp 54 000 Personen waren             die Transparenz bezüglich Qualität nicht erhöht
                         über 80 Jahre. Das entspricht einem Anteil von       werden und es zeigt sich, dass die Kosten und die
                         sechs Prozent der gesamten Wohnbevölkerung.          Prämien der obligatorischen Krankenpflegever-
                         Die Bevölkerungsgruppe der 65-Jährigen und           sicherung (OKP) weiter deutlich stärker steigen
                         Älteren ist sowohl gesamtschweizerisch gesehen       als das Bruttoinlandprodukt (BIP). In der Folge
                         als auch bezogen auf den Kanton Bern in der          wurden grosse Anstrengungen unternommen,
                         Mehrheit weiblich. Je höher das Alter, desto mehr    um die Kostenentwicklung zu dämpfen. Im Jahr
                         Frauen gibt es anteilsmässig. Insgesamt wird sich    2012 wurde beispielsweise die neue Spitalfinan-
                         der Anteil Menschen im Alter von 65 Jahren und       zierung eingeführt, welche die freie Spitalwahl,
                         mehr an der Gesamtbevölkerung im Kanton Bern         die dualfixe Finanzierung und eine Abgeltung der
                         bis ins Jahr 2030 deutlich erhöhen.4                 Leistungen mittels Fallpauschalen (DRG) vorsah.

                         4
                             BFS, STATPOP 2017.
10                                                                                                                                11
Gesundheitsstrategie des Kantons Bern 2020-2030
Es wurden aber auch Massnahmen ergriffen,                        Der Kanton Bern finanziert Leistungen mit, die                      4.2 Zahlen zur
     um die Verwendung (günstigerer) Generika und                     nicht von den Versicherern getragen werden und                          Gesundheitsversorgung
     die ambulante Versorgung zu fördern. Die Aufent-                 hat dazu beispielsweise ein Normkostenmodell
     haltsdauer in den Spitälern ist seit Jahren rück-                für die Finanzierung der (spital-)ambulanten und                        im Kanton Bern
     läufig. Aufgrund des medizinischen Fortschritts                  tagesklinischen Leistungen in der Psychiatrie ent-
     sind auch immer mehr Eingriffe ambulant und                      wickelt und eingeführt.                                             Folgende Tabelle gibt einen kurzen Überblick
     damit zu tieferen Kosten durchführbar. Dieser                                                                                        über die Zahlen für die Gesundheitsversorgung im
     Trend wird mit der Einführung von sogenannten                    Weiter bewilligt und finanziert er Pilotprojekte, mit               Kanton Bern mit seiner Fläche von 5959 km2:
     ambulanten Listen forciert. Der Erfolg in der Am-                dem Ziel, Lücken in der Versorgung zu schliessen
     bulantisierung der Medizin wird aber auch davon                  und neue integrierte Versorgungsmodelle zu ent-
     abhängen, wie die Nachsorge ausgestaltet ist.                    wickeln. Beispielsweise führt die GEF zur Förderung                      Zahlen zur Gesundheitsversorgung im Kanton Bern
     Per 2020 resp. 2022 müssen Spitäler resp. Heime                  von sogenannten spezialisierten mobilen Palliativ-
     das elektronische Patientendossier (EPD) imple-                  diensten einen dreijährigen Modellversuch durch.
                                                                                                                                          Anzahl im Kanton Bern gelegene Spitäler 2019 8, 9                                   Spitäler Akutsomatik 19
     mentieren und ihren Kunden anbieten. Weitere                     Dadurch soll auch die Versorgung in den Regionen
                                                                                                                                                                                                                              (inkl. 2 Geburtshäuser)
     Revisionen, die der Bund vorsieht, beinhalten                    verbessert werden. Basis dafür bildet die perio-
     insbesondere die einheitliche Finanzierung von                   disch durchgeführte Versorgungsplanung nach                                                                                                             Psychiatriekliniken 14
     ambulanten und stationären Leistungen und die                    Spitalversorgungsgesetz (SpVG). Die aktuelle Ver-                                                                                                       (inkl. 3 Suchtfachkliniken und
     Umsetzung von Kostensparpaketen, basierend                       sorgungsplanung 2016 deckt die Spitalplanung                                                                                                            4 akutspitalgebundene Psychiatrien)
     auf Vorschlägen aus einem Expertenbericht 5.                     für Akutsomatik, Rehabilitation und Psychiatrie,                                                                                                        Rehabilitationskliniken 9
                                                                      die ambulanten Leistungen der Psychiatrie (Tages-                                                                                                       (inkl. 4 akutspitalgebundene
     Weiter hat der Bund nationale Strategien und                     kliniken und Ambulatorien), das Rettungswesen                                                                                                           Rehabilitationen)
     Programme erarbeitet, die durch die Kantone um-                  sowie die nicht-universitären Gesundheitsberufe ab.7
                                                                                                                                          Anzahl Alters- und Pflegeheime 2018 10                                              307
     gesetzt und mit anderen kantonalen Aktivitäten
     koordiniert werden müssen. Beispielhaft können                   Daneben erstellt der Kanton Bern eine Versor-                       Schätzung Anzahl Arztpraxen 2017 (Ärztedichte)                     11
                                                                                                                                                                                                                              etwa 3000 (2.9 pro 1000 Einwohnerinnen
     die nationale Strategie zur Prävention nichtüber-                gungsplanung im Alters- und Pflegeheimbereich.                                                                                                          und Einwohner)
     tragbarer Krankheiten (NCD-Strategie) 2017–2024,
     die nationale Strategie Palliative Care 2013–2015,               Für alle anderen Bereiche existiert keine eigentliche               Anzahl Spitexorganisationen 2018 12                                                 95, davon 49 mit Versorgungspflicht
     die nationale Demenzstrategie 2014–2019 oder                     Versorgungsplanung. Dies führt unter anderem                                                                                                            und 2 ausserkantonale Organisationen
     die nationale Strategie Sucht 2017–2024 genannt                  dazu, dass dort Lücken in der Versorgung weniger                    Freischaffende Pflegefachpersonen, die im Jahr 2018                                 284
     werden. Eine Übersicht ist auf der Website des                   systematisch erfasst werden.                                        Spitex-Leistungen abgerechnet haben 13
     Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zu finden.6
                                                                                                                                          Organisationen für Wohnen mit Dienstleistung                                        70
     Aber auch der Kanton Bern war aktiv. Die ehemals                                                                                     (mit Spitexbewilligung) 2018 14
     öffentlichen Spitäler wurden bereits vor einigen
     Jahren in Aktiengesellschaften umgewandelt, bei
     denen der Kanton Bern die Aktienmehrheit hält.
     Die Verselbständigung der Psychiatrien in Aktien-
     gesellschaften erfolgte per 2017.

                                                                                                                                          8
                                                                                                                                               Hinweis: Die Versorgung der Berner Bevölkerung findet zum                zuliesse. Die Anzahl Arztpraxen im Kanton Bern wird auf rund
                                                                                                                                               Teil in ausserkantonalen Spitälern statt. Umgekehrt versorgen            3000 geschätzt. Die Schätzung basiert auf den Angaben der
                                                                                                                                               bernische Spitäler auch einen namhaften Anteil ausserkantonale           FMH-Ärztestatistik und der Anzahl im Jahr 2018 bestehender
                                                                                                                                               resp. internationale Patientinnen und Patienten. Aus Versor-             Berufsausübungsbewilligungen für Ärztinnen und Ärzte von
                                                                                                                                               gungssicht gilt es, diese beiden Optiken auseinanderzuhalten.            rund 4700.
                                                                                                                                          9
                                                                                                                                               Übersicht über Betriebe mit Betriebsbewilligung, verfügbar unter:        Vgl. auch: https://www.fmh.ch/files/pdf23/saez-12-09d.pdf
                                                                                                                                               Spitäler: https://www.gef.be.ch/gef/de/index/gesundheit/                 Mit einer Ärztedichte von 4.4 Ärztinnen und Ärzten pro
                                                                                                                                               gesundheit/spitalversorgung/spitaeler.html,                              1000 Einwohnerinnen und Einwohner liegt die Schweiz
                                                                                                                                               Psychiatrie: https://www.gef.be.ch/gef/de/index/gesundheit/              über dem OECD-Durchschnitt von 3.6. Die Ärztedichte der
                                                                                                                                               gesundheit/spitalversorgung/psychiatrie.html,                            ambulant tätigen Generalistinnen und Generalisten liegt
                                                                      6
                                                                          Übersicht über nationale Gesundheitsstrategien und Programme.        Rehabilitation: https://www.gef.be.ch/gef/de/index/                      bei 0.95 für Spezialistinnen und Spezialisten bei 1.26 pro
                                                                          Verfügbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/               gesundheit/gesundheit/spitalversorgung/rehabililtation.html              1000 Einwohnerinnen und Einwohner (Werte Schweiz).
     5
         Kostendämpfungsmassnahmen zur Entlastung der obligatori-         strategie-und-politik/nationale-gesundheitsstrategien.html      10
                                                                                                                                               Pflegeheimliste des Kantons Bern, verfügbar unter:                  12
                                                                                                                                                                                                                        Abrechnungen der Spitex-Organisationen 2018 mit der GEF.
         schen Krankenpflegeversicherung. Bericht der Expertengrup-   7
                                                                          Versorgungsplanung 2016 des Kantons Bern, verfügbar                  https://www.gef.be.ch/gef/de/index/direktion/organisation/          13
                                                                                                                                                                                                                        Abrechnungen der freischaffenden Pflegefachpersonen 2018
         pe vom 24. August 2017.                                          unter: https://www.gef.be.ch/gef/de/index/gesundheit/                alba/publikationen/alter.html                                            mit der GEF.
         Verfügbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/           gesundheit/spitalversorgung/Versorgungsplanunggema-             11
                                                                                                                                               Es besteht keine Bewilligungspflicht für Arztpraxen und damit       14
                                                                                                                                                                                                                        Abrechnungen der Organisationen für Wohnen mit
         versicherungen/krankenversicherung/kostendaempfung-kv.html       essspvg/projekt_versorgungsplanung2016.html                          auch kein Register, das die Auswertung einer genauen Anzahl              Dienstleistung 2018 mit der GEF.
12                                                                                                                                                                                                                                                                                     13
Gesundheitsstrategie des Kantons Bern 2020-2030
EL-Bezügerinnen und EL-Bezüger 2017 15                                                                                            4.3 Versorgung und                                                     Der Kanton Bern verfügt mit dem Inselspital und
     – total                                                                     45 429                                                    ihre Steuerung                                                     den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern
                                                                                 (17.4% aller Rentnerinnen und Rentner)                                                                                       (UPD) über zwei Universitätsspitäler, die das An-
                                                                                                                                                                                                              gebot der niedergelassenen Grundversorgerinnen
     – zur AHV                                                                   31 066
                                                                                                                                       4.3.1 Grundlagen                                                       und Grundversorger, Spezialistinnen und Spezia-
                                                                                 (13.8% aller Rentnerinnen und Rentner)
                                                                                                                                       Das Gesundheitswesen liegt grundsätzlich in der                        listen sowie der privaten und ehemals öffentlichen
     – zur IV                                                                    13 772                                                Zuständigkeit der Kantone. Im Kanton Bern werden                       Spitäler, Psychiatrien und Rehabilitationskliniken
                                                                                 (54.1% aller Rentnerinnen und Rentner)                die Organisation und die Aufsicht in verschiedenen                     komplettieren. Allerdings gibt es einzelne Bereiche
     Anzahl Rettungsdienste                                                      8 (davon 6 spitalgebunden)                            kantonalen Gesetzen wie dem Spitalversorgungs-                         der hochspezialisierten Medizin, für die die Leis-
     mit Versorgungsauftrag 2018 16                                                                                                    gesetz (SpVG), dem Gesundheitsgesetz (GesG)                            tungsaufträge auf gesamtschweizerischer Ebene
                                                                                                                                       und dem Sozialhilfegesetz (SHG) 32 sowie den ent-                      lediglich an einige wenige Institutionen vergeben
     Anzahl Wohnheime für Menschen mit                                           101                                                   sprechenden Ausführungsbestimmungen fest-                              werden und im Kanton Bern kein Angebot be-
     einer Behinderung 2017 17                                                                                                         gelegt. Insbesondere für die Finanzierung und                          steht.33 In einzelnen Bereichen der Rehabilitation
     Lebenserwartung bei Geburt 2016 18                                          80.6 Jahre für Männer                                 die Versicherer bestehen jedoch auch auf Ebene                         besteht ebenfalls kein innerkantonales Angebot.34
                                                                                 resp. 84.8 Jahre für Frauen                           Bund zahlreiche Regelungen (Bundesgesetz über
                                                                                                                                       die Krankenversicherung (KVG), Bundesgesetz                            Die Versorgung wird generell als gut erachtet,
     Bevölkerung über 64 Jahre 2017                                              211 994                                               über die Unfallversicherung (UVG) und Bundes-                          auch wenn es Hinweise auf Über-, Unter- und
     (Altersquotient 19) 20                                                      (34.0%)                                               gesetz über die Invalidenversicherung (IVG)).                          Fehlversorgungen gibt.35 Überversorgung und
     Bevölkerung über 80 Jahre 2017                                              53 503                                                                                                                       Fehlversorgung tritt dann auf, wenn Anbieter die
     (Anteil hochaltrige Menschen 21) 22                                         (6.8%)                                                Die geltende Finanzierungsordnung begünstigt                           Leistungsmenge ausweiten, auch wenn die Leis-
                                                                                                                                       eine Ausrichtung auf kurative Versorgung.                              tungen kaum oder keinen Zusatznutzen bringen,
     Mittlere OKP-Monatsprämie für Erwachsene 2019 23                            CHF 380.20                                                                                                                   wenn ein zu hohes Angebot an Spitzentechnologie
                                                                                                                                       Die Regulierungsdichte ist insbesondere im                             und Spitzenmedizin durch angebotsinduzierte
     Nettoleistungen OKP im Kanton Bern 2017                                     Rund CHF 3.5 Mrd.
                                                                                                                                       stationären Bereich generell hoch.                                     Nachfrage amortisiert wird, wenn Leistungen ver-
     (Ausgaben pro Versicherte resp. Versicherten und Jahr) 24                   (CHF 3416)
                                                                                                                                                                                                              gütet werden, die nicht oder wenig zweckmässig
     Ausgaben Kanton Bern für Gesundheitsversorgung 2017                         Rund CHF 1.5 Mrd.                                     4.3.2 Gesundheitsleistungsangebot                                      und wirtschaftlich sind oder bei doppelten Unter-
     (Ausgaben pro Einwohnerin resp. Einwohner und Jahr) 25                      (CHF 1440)                                            Im Kanton Bern wird eine grosse Palette an                             suchungen, Behandlungen und überflüssigen
                                                                                                                                       Gesundheitsleistungen angeboten, von der ambu-                         Arztbesuchen und fehlerhaften Behandlungen
     Ausgaben Kanton Bern für Leistungen im Bereich                              Rund CHF 10.5 Mio.
                                                                                                                                       lanten Grundversorgung bis zur stationären                             durch mangelnde Koordination zwischen den
     nichtuniversitäre Gesundheitsberufe 2017 26
                                                                                                                                       hochspezialisierten Medizin auf universitärer Ebene.                   Leistungserbringern. Unterversorgungen können
     Ausgaben Kanton Bern im Bereich ärztliche                                   Rund CHF 19 Mio.                                                                                                             durch knappe personelle Ressourcen entstehen
     Weiterbildung 2017 27                                                                                                             Die Grundversorgung im Kanton Bern ist dezentral                       und zu schlechterer Qualität oder zum Unterlassen
                                                                                                                                       organisiert, die hochspezialisierte Medizin ist auf                    von Leistungen mit ausgewiesenem Bedarf führen.
     Beiträge an OdA Gesundheit Bern und ortra-bef-s2 2017                  28
                                                                                 Rund CHF 480 000
                                                                                                                                       wenige Standorte konzentriert.                                         Dazu zählt auch, dass chronische Krankheiten
     Ausgaben (nach Lastenausgleich) für Leistungen                              Rund CHF 4 Mio.
     in der Gesundheitsförderung und Prävention 2018
     (ohne Krebs-Screening-Programme) 29,30

     Ausgaben für Wohnheime für Menschen mit                                     Rund CHF 176 Mio.
     einer Behinderung 2017 31

     15
          Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) (2018):            24
                                                                           BAG, Prämiengenehmigung 2018.
          Statistik der Ergänzungsleistungen zur AHV und IV 2017      25
                                                                           Detaillierte Angaben zur Finanzierung und Vergütung
          Tabellenteil, S. 4.                                              pro Leistungserbringerkategorie sind dem Anhang 3 zu
     16
          Spitalamt des Kantons Bern, Leistungsverträge 2018.              entnehmen.                                                  32
                                                                                                                                            Künftig wird sich die rechtliche Grundlage für die Bereiche der    werden können. Beispielhaft wird hier das Projekt «Ver-
     17
          Alters- und Behindertenamt des Kantons Bern,                26
                                                                           GEF, Reportingbericht zur Ausbildungsverpflichtung 2017.         Gesundheitsförderung und Prävention sowie der Suchthilfe           sorgungsatlas» genannt, das von der Gottfried und Julia
          Leistungsverträge 2017.                                     27
                                                                           Kanton Bern, Geschäftsbericht 2017, verfügbar unter:             im Gesetz über die sozialen Leistungsangebote (SLG) finden,        Bangerter-Rhyner-Stiftung im Rahmen des Förderprogramms
     18
          BFS, Statistik der natürlichen Bevölkerungsbewegung              https://www.fin.be.ch/fin/de/index/finanzen/finanzen             heute ist diese im SHG.                                            «Versorgungsforschung» der Schweizerischen Akademie
          (BEVNAT) und STATPOP.                                            /publikationen/geschaeftsberichtstaatsrechnung.html         33
                                                                                                                                            Beispiele: Lungentransplantationen oder die Behandlung             der Medizinischen Wissenschaften unterstützt wurde.
     19
          Altersquotient = Verhältnis der über 64-Jährigen zu den     28
                                                                           GEF, Leistungsverträge 2017.                                     von schweren Verbrennungen.                                        Der Atlas entstand in Zusammenarbeit des Institutes für
          20- bis 64-Jährigen.                                        29
                                                                           Infolge des Entlastungspakets 2018 stehen ab dem Jahr       34
                                                                                                                                            Die Rehabilitation von Paraplegikerinnen und Paraplegikern         Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern mit dem
     20
          BFS, STATPOP 2017.                                               2019 für die Gesundheitsförderung und Prävention deutlich        sowie Tetraplegikerinnen und Tetraplegikern erfolgt in der         Schweizerischen Gesundheitsobservatorium. Der Atlas ist
     21
          Quotient Hochaltrigkeit = Verhältnis der über 80-Jährigen        weniger Mittel zur Verfügung.                                    Regel in Nottwil am Schweizerischen Paraplegikerzentrum.           unter folgenden Link einsehbar und zeigt deutliche regionale
          zu den 20- bis 80-Jährigen.                                 30
                                                                           GEF, Leistungsverträge 2018.                                35
                                                                                                                                            Verschiedene Studien zeigen deutliche Unterschiede in den          Unterschiede in der Häufigkeit bei bestimmten Eingriffen:
     22
          BFS, STATPOP 2017.                                          31
                                                                           GEF, Leistungsverträge 2017.                                     Kosten und der Häufigkeit von bestimmten Eingriffen, die           http://versorgungsatlas.ch/index.php/de/
     23
          BAG, Prämiengenehmigung 2018.                                                                                                     nicht mit dem Gesundheitszustand der Bevölkerung erklärt
14                                                                                                                                                                                                                                                                            15
Gesundheitsstrategie des Kantons Bern 2020-2030
durch ein unzulängliches Angebot an Gesundheits-      spezifische Beratungen, Angebote und Programme       solche Prozesse auf der gleichen Plattform anzu-                     eng verknüpft mit anderen Politikbereichen, ins-
     förderung und Präventionsmassnahmen nur teil-         für Kinder, Jugendliche und ältere Menschen          bieten. Der Kanton Bern fördert den Austausch                        besondere mit dem Sozialsystem. So wird die
     weise verhindert werden. Einzelne Bevölkerungs-       (60 Jahre und mehr). Insbesondere werden im          der Leistungserbringer untereinander zur Definition                  medizinische Versorgung im Kanton Bern ergänzt
     gruppen mit Bedarf zeigen zudem eine generell         Rahmen von kantonalen Aktionsprogrammen ver-         dieser Prozesse, welche die Zusammenarbeit                           durch (psycho-)soziale Angebote, beispielsweise
     zu tiefe Inanspruchnahme von Leistungen, was zu       schiedene Angebote zu ausgewogener Ernährung,        erleichtern und Datenbrüche an den Schnittstellen                    in den Bereichen Suchthilfe und Palliative Care.
     aufgestauter Morbidität und einem suboptimalen        Bewegung und psychischer Gesundheit vom              abbauen.
     Gesundheitszustand führt. Bei anderen Bevölke-        Kanton Bern mitfinanziert. Gemeinsam mit der                                                                              Die Gesundheitsversorgung wird massgeblich
     rungsgruppen ist das Gegenteil zu beobachten,         Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz engagiert      Weiter organisiert der Kanton Bern Vernetzungs-                      von der bundesrechtlichen und der kantonalen
     nämlich eine sehr umfassende Inanspruchnahme          sich der Kanton Bern für Projekte im Bereich der     anlässe, um Kooperationen unter den Leistungs-                       Regulierung, aber auch von den Inputfaktoren
     medizinischer Leistungen ohne entsprechende           Prävention in der Gesundheitsversorgung. Schon       erbringern zu fördern.                                               (hier insbesondere finanzielle Mittel, Personal, Infra-
     Notwendigkeit. Versorgungslücken werden bei-          heute stellt der Kanton Bern diverse Präventions-                                                                         struktur und Technologie) beeinflusst.
     spielsweise in bestimmten Spezialgebieten wie         leistungen zur Verfügung. Die Angebote beinhalten    4.3.3 Versorgungsstruktur
     der Palliative Care oder der ambulanten Psychia-      Informationen, Schulungen, Beratungen, Kurse         Das Gesundheitswesen ist in einzelne Versor-                         In den einzelnen Versorgungsbereichen ist, in
     trieversorgung vermutet, betreffen verstärkt vulne-   und Veranstaltungen zu Themenbereichen wie           gungsbereiche gegliedert. Diese lassen nach den                      unterschiedlicher Kombination, eine Vielzahl von
     rable Gruppen und treten auch immer häufiger in       Aids, Alkohol, Drogen, Gewalt und Mobbing.           Dimensionen somatisch-psychiatrisch, akut-lang-                      Leistungserbringern aktiv. Die Strukturen für die
     peripheren Regionen auf.                              Weiter führt der Kanton die Aufsicht über den        zeit und ambulant-stationär unterscheiden. Ergänzt                   Versorgung des Kantons Bern mit Gesundheits-
                                                           schulärztlichen Dienst, überwacht Infektionskrank-   werden diese klassischen Versorgungsbereiche                         leistungen sind historisch gewachsen und geprägt
     Neue Technologien, Versorgungsmodelle, Rahmen-        heiten, führt epidemiologische Abklärungen durch,    durch Transport- und Rettungsleistungen, die in                      von einer grossen Anzahl unterschiedlicher
     bedingungen sowie veränderter Bedarf und sich         bestimmt die Durchimpfung und bietet spezielle       der vorliegenden Strategie ebenfalls betrachtet                      privater und öffentlicher Akteure im Bereich der
     wandelnde Ansprüche der Patientinnen und Patien-      Präventionsleistungen wie das Mammographie-          werden.                                                              Leistungserbringung.
     ten haben grossen Einfluss auf das Leistungs-         Screening an. Die Einführung weiterer Leistungen
     angebot, aber auch auf das benötigte Personal         wie eines Darmkrebs-Screening-Programms              Die Gesundheit der Bevölkerung ist von zahl-                         Die Gesundheitsversorgung ist stark fragmentiert.
     und die Infrastruktur sowie die Ausgestaltung         wird geprüft.                                        reichen Einflussfaktoren abhängig. Dazu gehören                      Dadurch gibt es unzählige Abhängigkeiten und
     der Prozesse.                                                                                              ökonomische und soziale Sicherheit, Bildung,                         Schnittstellen zwischen den Versorgungsbereichen,
                                                           Eine zentrale Bedeutung wird dem elektronischen      Arbeitsbedingungen oder die Teilnahme am ge-                         aber auch zwischen den Leistungserbringern
     Der Kanton Bern finanziert Angebote zur Durch-        Patientendossier (EPD) zukommen, das schweiz-        sellschaftlichen Geschehen. Ebenso wirken sich                       innerhalb eines Versorgungsbereichs. Die Koor-
     setzung der Patientenrechte (Ombudsstelle für das     weit ab 2020 schrittweise eingeführt wird. Der       unterschiedliche Lebensstile und die Umwelt auf                      dination dieser Akteure untereinander und die
     Spitalwesen, Bernische Ombudsstelle für Alters-,      Kanton Bern hat die Einführung des EPD aktiv         die Gesundheit aus. Viele der Faktoren, die einen                    zuverlässige Weitergabe aller für die Behandlung
     Betreuungs- und Heimfragen, Stiftung Patienten-       unterstützt. Der Aufbau der Betreibergesellschaft    Einfluss auf den Gesundheitszustand der Be-                          der Patientinnen und Patienten relevanten Infor-
     schutz, Stiftung Patientensicherheit usw.). Gemäss    Axsana geschieht in Zusammenarbeit mit dem           völkerung haben, sind gestaltbar. 36 Deshalb wird                    mationen auch im Zusammenhang mit der fort-
     gesetzlichem Auftrag stellt der Kanton Bern dar­-     Kanton Zürich. Neben dem EPD soll Axsana auch        die Gesundheitsversorgung durch Gesundheits-                         schreitenden Digitalisierung sind daher zentrale
     über hinaus auch Angebote zur Gesundheits-            Lösungen für B2B- und B2C-Prozesse bereit-           förderung und Prävention ergänzt. Wie in Kapitel 3                   Fragestellungen.
     förderung und Prävention bereit. Hierzu zählen        stellen sowie Drittanbietern ermöglichen, weitere    dargestellt, ist die Gesundheitsversorgung zudem

                                                                                                                36
                                                                                                                     Vgl. zum Beispiel, Economiesuisse, Gesundheit: Vier Faktoren,
                                                                                                                     die für die Gesundheit wichtiger sind als Behandlungen und
                                                                                                                     Therapie, verfügbar unter: https://www.economiesuisse.ch/
                                                                                                                     de/artikel/gesundheit-vier-faktoren-die-fuer-die-gesundheit-
                                                                                                                     wichtiger-sind-als-behandlungen-und
16                                                                                                                                                                                                                                             17
Bezüglich Verteilung der Leistungserbringer und                       Im Alters- und Pflegeheimbereich steuert der Kanton
     der daraus resultierenden Versorgungsdichte                           Bern über die Pflegeheimliste 38. Es besteht eine
     bestehen innerhalb des Kantons Bern grosse                            Plafonierung der Pflegeheimplätze, die jedoch nicht
     regionale Unterschiede. Während die Zentren                           zu einer vollständig ausgeglichenen Abdeckung
     dichter versorgt sind und dort auch spezialisierte                    der Regionen mit Pflegebetten geführt hat. 39
     Leistungen angeboten werden, ist die Peripherie
     weniger dicht versorgt. Die Versorgung der Peri-                      Geringer sind die Einflussmöglichkeiten des Kantons
     pherie ist insbesondere aufgrund der Topografie                       Bern beispielsweise im spitalambulanten Bereich,
     des Kantons herausfordernd.                                           bei der Spitex und bei den niedergelassenen Ärzten.

     4.3.4 Steuerung                                                       Im spitalambulanten Bereich ist zu unterscheiden
     Die Steuerung wird vollzogen durch verschiedene                       zwischen Akutsomatik, Rehabilitation und Psych-
     Bewilligungs-, Aufsichts-, Finanzierungs- und                         iatrie. Während der Kanton ambulante Leistungen
     Controllingsysteme. Dadurch liegt auch bezüglich                      von Spitälern und Rehakliniken weder steuert
     Steuerung im Gesundheitsversorgungsbereich                            noch mitfinanziert, ist im Bereich der institutionellen
     eine grosse Heterogenität vor.                                        Psychiatrieversorgung eine Steuerung über einen
                                                                           gezielten Leistungseinkauf möglich. Dabei handelt
     Die kantonale Steuerung erfolgt insbesondere                          es sich um ambulante und tagesklinische Leistun-
     im stationären Bereich. Der Kanton Bern erteilt                       gen, die nicht durch die OKP gedeckt sind, ins-
     Leistungsaufträge und nimmt Spitäler in die                           besondere Vorhalteleistungen und Leistungen für
     Spitalliste auf. 37 Für die Aufnahme von Spitälern                    die integrierte Versorgung von Psychiatriepatienten.
     auf die Spitalliste sind Mindestanforderungen zu
     erfüllen. Die Erfüllung der Anforderungen der                         Im Bereich der Spitex existiert zwar eine Bewilli-
     Leistungsaufträge dienen der Patientensicherheit                      gungspflicht, die Bewilligung wird jedoch unabhän-
     und der Sicherstellung der Behandlungsqualität.                       gig vom tatsächlichen Bedarf erteilt.
     Die Erfüllung der für die Leistungsaufträge gelten-
     den Anforderungen wird regelmässig überprüft.                         Es besteht keine Bewilligungspflicht für das Führen
     Dies gilt auch für die zulasten des Kantons Bern                      einer Arztpraxis. Der Kanton Bern setzt die Ein-
     abgerechneten Leistungen. Zudem nimmt der                             schränkung der Zulassung zur Tätigkeit zu Lasten
     Kanton Bern seine Aufsichtsfunktion wahr. Bei                         der OKP gemäss Artikel 55a KVG um. 40
     Problemen stellt er sicher, dass die Spitäler den
     ordnungsgemässen Zustand zeitnah wiederher-
     stellen.

     37
          Spitalliste des Kantons Bern. Verfügbar unter:
          https://www.gef.be.ch/gef/de/index/gesundheit/gesundheit/
          spitalversorgung/spitaeler/spitalliste.html#middlePar_textbild
     38
          Alters- und Pflegeheimliste des Kantons Bern.                    39
                                                                                Die Anzahl Pflegeheimplätze ist auf 15 500 Betten plafoniert,
          Verfügbar unter: https://www.gef.be.ch/gef/de/index/                  wobei bereits 15 444 Betten bewilligt wurden (1142 davon
          direktion/organisation/alba/publikationen/alter.html                  wurden reserviert und noch nicht in Betrieb genommen).
18                                                                                                                                              19
Direkt Einfluss nehmen kann der Kanton Bern                          4.4 Behörden                                                       4.5 Finanzen
     dort, wo er mittels Leistungsverträgen Leistungen
     gezielt einkauft und finanziert (beispielsweise in                   Die Fragen der Gesundheitsversorgung werden                        Die Kosten für die Gesundheitsversorgung sind
     der spitalambulanten Psychiatrie, im Heimbereich,                    von diversen Ämtern der GEF bearbeitet. Einige                     in der Schweiz insgesamt hoch und die Finan-
     bei den Rettungsdiensten, in der Suchthilfe, in der                  Leistungserbringer des Gesundheitswesens, die                      zierungsquellen vielfältig. Die detailliertesten und
     Gesundheitsförderung und Prävention usw.) oder                       eine breite Palette an Leistungen anbieten, haben                  aktuellsten Informationen liegen für den Bereich
     durch die Finanzierung von Modellversuchen und                       dabei Verträge mit verschiedenen Ämtern der                        der OKP vor:
     Pilotprojekten. Leistungsverträge werden einem                       GEF und teilweise auch weitere Ansprechpartner
     Controlling unterzogen und es finden regelmässige                    in Ämtern der kantonalen Verwaltung, die zu einer
     Revisionen statt, mit welchen die rechtmässige                       anderen Direktion gehören. Dabei werden nicht                        Bruttoleistungen der OKP 2018: Der Kanton Bern und die Schweiz im Vergleich
     Verwendung der Mittel überprüft wird.                                selten ähnliche Prozesse unterschiedlich gehand-
                                                                          habt. Auch der Informationsaustausch und die                                                                                  2018
     Zusätzliche Steuerungsmöglichkeiten bestehen                         Koordination sind nicht immer sichergestellt.
     bei den RSZ und den RPD, wo der Kanton Bern                                                                                                                                                        Kanton Bern                Schweiz
     Mehrheitsaktionär ist und der Regierungsrat,                         Die Verfügbarkeit von Kennzahlen, finanziellen
     der die Rolle des Aktionärs wahrnimmt, beispiels-                    Daten und Qualitätsindikatoren (auch bezüglich                     Bruttoleistungen OKP pro Versicherten                      CHF 3965                   CHF 3852
     weise über die Wahl des Verwaltungsrats Einfluss                     Outcome), statistischen und analytischen Grund-
                                                                                                                                             Quelle: BAG, Monitoring der Krankenversicherungs-Kostenentwicklung (MOKKE) 2018.
     nehmen kann (Eigentümerstrategie). Bei der Insel                     lagen ist in den verschiedenen Versorgungsbe-
     Gruppe ist der Kanton Bern zwar lediglich Minder-                    reichen unterschiedlich. Insbesondere im Bereich
     heitsaktionär, der Regierungsrat ist jedoch für die                  der niedergelassenen Ärzte und bezüglich der
     Wahl der Verwaltungsräte zuständig.                                  Kosten des gesamten bernischen Gesundheits-
                                                                                                                                               Bruttoleistungen OKP Kanton Bern 2018 nach Leistungserbringerkategorien
                                                                          wesens und deren Aufteilung auf die Finanzierer
     Die Aufsicht und Steuerung ist durch teils zu                        ist die Datenlage unbefriedigend. Selbst wenn
     wenig vernetzte Verwaltungsstrukturen erschwert                      Daten vorliegen, hat der Kanton oftmals keinen                     3%                                                        4%
     (vgl. Kapitel 4.4).                                                  Zugang oder nicht die rechtlichen und/oder                         Physiotherapeutinnen                                      Übrige
                                                                          technischen Möglichkeiten zu ihrer Verknüpfung                     und Physiotherapeuten

                                                                          und Auswertung. Auch konzeptionelle Grundlagen
                                                                          zur Datennutzung fehlen teilweise.
                                                                                                                                             2%
                                                                                                                                             Laboratorien
                                                                                                                                                                                                                                                   20%
                                                                          Seit 2017 wird die Digitalisierung in der GEF                      4%                                                                                            Ärtzinnen und Ärzte
                                                                                                                                                                                                                                    Behandlungen (ohne Labor)
                                                                          vorangetrieben, mit dem Ziel, die Datenerhebung,                   SPITEX-Organisationen
                                                                          -haltung und -auswertung zu verbessern, Prozesse
                                                                          zu vereinfachen und die Zusammenarbeit mit
                                                                                                                                             7%
                                                                                                                                             Pflegeheime
                                                                          den Partnern zu erleichtern. Dem Datenschutz wird
                                                                          dabei eine hohe Bedeutung beigemessen.                                                                                                                                      7%
                                                                                                                                                                                                                                           Ärztinnen und Ärzte
                                                                                                                                                                                                                                                 Medikamente

                                                                                                                                                                                                                                                      2%
                                                                                                                                             21%                                                                                           Ärztinnen und Ärzte
                                                                                                                                                                                                                                                 Laboranalyen
                                                                                                                                             Spitäler stationär
                                                                                                                                                                                                                                                   11%
                                                                                                                                                                                                                                                   Apotheken

     40
          Vgl. Verordnung über die Einschränkung der Zulassung             und Ärztinnen und Ärzte, deren einziger Weiterbildungstitel
          von Leistungserbringern zur Tätigkeit zulasten der obli-
          gatorischen Krankenpflegeversicherung vom 3. Juli 2013
                                                                           «Praktische Ärztin» oder «Praktischer Arzt» ist. Bei fast allen
                                                                           der Zulassungsregulierung unterstellten Fachrichtungen ist
                                                                                                                                             19%
          (VEZL; SR 832.103).                                              die Anzahl der zugelassenen Ärztinnen und Ärzte heute höher       Spitäler ambulant
                                                                           als vom Bundesrat 2013 für den Kanton Bern festgelegt. Dies
          Von der Zulassungsbeschränkung ausgenommen sind Ärztin-          hängt damit zusammen, dass vom 31. Dezember 2011 bis
                                                                                                                                             Quelle: BAG, MOKKE 2018.
          nen und Ärzte aller Fachrichtungen, die schon vor dem 1. Juli    1. Juli 2013, als der Artikel 55a KVG ausser Kraft gesetzt war,
          2013 in eigener Praxis zulasten der OKP tätig waren, Ärztin-     vermehrt Gesuche um Zulassung zur Tätigkeit zu Lasten der
          nen und Ärzte aller Fachrichtungen, die mindestens drei Jahre    OKP gestellt worden sind. Zudem entsprechen die in der Ver-
          an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte        ordnung genannten Zahlen nicht einem berechneten Bedarf,          Unter den Bruttoleistungen der OKP versteht man                die Versicherten. Die Bruttoleistungen der OKP
          gearbeitet haben, sowie Ärztinnen und Ärzte mit den Fach-        sondern der Anzahl Ärztinnen und Ärzte, die bei Festlegung        die von den Versicherern bezahlten Nettoleistungen             können aufgeteilt nach verschiedenen Leistungs-
          richtungen Allgemeine Innere Medizin, Kinder- und Jugend-        der Obergrenze bereits eine Zulassungsnummer besessen
                                                                                                                                             in der OKP inklusive der Kostenbeteiligung durch               erbringerkategorien dargestellt werden.
          medizin, Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,      haben.
20                                                                                                                                                                                                                                                               21
Das Gesundheitswesen 2016 nach Finanzierungsregimes                                                                Das Gesundheitswesen 2016 nach Leistungen

                                                                     0%                                                 4%
                                                                     Bund                                               Verwaltung

                                                                                                           15%          2%                                                                                                                        20%
                                                                                                              Kantone   Prävention
                                                                                                                                                                                                                                                  Stationäre
                                                                                                                                                                                                                                          Kurativbehandlung

                                                                                                              2%        16%
     29%                                                                                                                Gesundheitsgüter
     Selbstzahlungen                                                                                       Gemeinden    inkl. Medikamente
     der privaten Haushalte

                                                                                                                        7%
     1%                                                                                                                 Unterstützende
                                                                                                                        Dienstleistung
     andere private Finanzierung

     7%                                                                                                                                                                                                                                           27%
     Privatversicherungen                                                                                  36%                                                                                                                                    Ambulante
                                                                                                                                                                                                                                          Kurativbehandlung
     4%                                                                                                          OKP

     andere öffentliche Finanzierung

     6%                                                                                                                 20%                                                                                                                          4%
                                                                                                                        Langzeitpflege                                                                                                         Rehabilitation
     andere Sozialversicherungen

     Quelle: BFS, Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens 2016.                                                   Quelle: BFS, Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens 2016.

     Die Brutto- und die Nettoleistungen der OKP                     bei rund CHF 80.5 Mrd. lagen, im Kanton Bern       Während der Kanton Bern den stationären                                 fähigkeit und, damit verbunden, des Einkommens.
     pro Person liegen im Kanton Bern über dem                       anfallen. Dies würde einem Wert von rund           Bereich der Gesundheitsversorgung mitfinanziert,                        Daraus resultieren wiederum höhere Steuererträge
     gesamtschweizerischen Durchschnitt. Deshalb                     CHF 10 Mrd. gleichkommen. Die Kosten für           wird der ambulante Bereich weitgehend über                              und tiefere Kosten im Sozialbereich. So liegt auch
     liegen auch die Prämien im Kanton Bern über                     die Gesundheitsversorgung entsprechen in           (Sozial-) Versicherungen wie die OKP oder direkt                        in wirkungsorientierten Massnahmen der Gesund-
     dem Schweizer Durchschnitt (mittlere Monats-                    der Schweiz 12,2% des Bruttoinlandprodukts. 41     durch die Patientinnen und Patienten (out of                            heitsförderung und Prävention nicht nur der
     prämien OKP 2019 für Erwachsene: Kanton                                                                            pocket) finanziert. Im Jahr 2017 lagen die Aus-                         besagte individuelle und gesellschaftliche Nutzen,
     Bern CHF 380.20, Schweiz CHF 372.30).                           Neben der OKP gibt es verschiedene andere          gaben des Kantons Bern im Gesundheitsbereich                            sondern auch das Potenzial, langfristig Kosten
                                                                     Finanzierungsregimes. Die folgenden Abbildungen    bei rund CHF 1.5 Mrd. 42                                                der Gesundheitsversorgung zu verhindern. Zudem
     Der Anteil des Kantons Bern an den OKP-Leis-                    zeigen die Aufteilung der Kosten für das Gesund-                                                                           darf die volkswirtschaftliche Bedeutung des Gesund-
     tungen liegt bei rund 12.5%. Es kann also davon                 heitswesen auf die verschiedenen Finanzierungs-    Den Kosten des Gesundheitswesens steht auch                             heitssektors inklusive der Medtechbranche, z.B.
     ausgegangen werden, dass auch annähernd                         regimes und auf die Leistungen, die finanziert     ein Nutzen gegenüber. Dieser ist schwer quanti-                         als Arbeitgeber, keinesfalls unterschätzt werden.
     12.5% der gesamten Kosten für die Gesundheits-                  werden.                                            fizierbar und umfasst, neben direkten Effekten wie                      Im Jahr 2016 arbeiteten rund 82 000 Personen
     versorgung, die für die Schweiz im Jahr 2016                                                                       Gesundheit, Lebensqualität, Würde der Menschen                          (rund 58 000 Vollzeitäquivalente) im Kanton Bern
                                                                                                                        sowie einer hohen Lebenserwartung, auch in-                             im Gesundheitswesen 43. Diese Zahl wird – ins-
                                                                                                                        direkte Effekte. Dazu gehören beispielsweise die                        besondere aufgrund der demographischen Ent-
                                                                                                                        Sicherstellung und Wiedererlangung der Arbeits-                         wicklung – bis 2030 weiter ansteigen.

                                                                                                                        42
                                                                                                                             Vgl. Anhang 3.                                                       Verfügbar unter: https://www.vol.be.ch/vol/de/index/
                                                                                                                        43
                                                                                                                             Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern, Beschäftigte und         wirtschaft/wirtschaftsdaten/sektoren-und-branchen/
     41
          BFS, Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens 2016.                                                           Vollzeitäquivalente nach Wirtschaftszweigen und Geschlecht 2016.     gesamtwirtschaft.html
22                                                                                                                                                                                                                                                              23
4.6 Personal                                                    Weiter entschädigt der Kanton Bern die ärztliche      einseitig bei jenen Kantonen anfallen, deren Spitäler                  in geringerem Ausmass jedoch urbane Räume
                                                                     und pharmazeutische Weiterbildung mit CHF             sich stark in der Weiterbildung engagieren. Per                        und Spezialistinnen und Spezialisten. In der
     In vielen Versorgungsbereichen, Berufen, Fach-                  15 000 pro Weiterbildungsstelle und Jahr. Im Jahr     Ende 2018 haben allerdings erst 14 Kantone die                         Versorgungsplanung 2016 gemäss SpVG wird im
     richtungen resp. Regionen kommt der Sicherstel-                 2017 wurden rund 1241 Weiterbildungsstellen           Vereinbarung ratifiziert. Für das Inkrafttreten der                    Kapitel 16 «nichtuniversitäre Gesundheitsberufe»
     lung des Personalbedarfs eine grosse Bedeutung                  (Vollzeitäquivalente) mit knapp CHF 19 Mio. finan-    WFV müssen jedoch 18 Kantone beitreten.                                einerseits aufgezeigt, wie viele gut ausgebildete
     zu. Deshalb wirkt der Kanton Bern hier insbeson-                ziert. Die Kosten für die ärztliche und pharma-                                                                              Fachkräfte für eine bedarfsgerechte und qualitäts-
     dere bezüglich Aus- und Weiterbildung steuernd.                 zeutische Weiterbildung dürfen gemäss Artikel 49      Seit 2008 unterstützt der Kanton Bern das Praxis-                      orientiere Versorgung der Bevölkerung nötig
     Die per 1. Januar 2012 eingeführte Ausbildungs-                 Absatz 3 KVG nicht über die von den Kantonen          assistenz-Programm des Berner Instituts für                            sind und andererseits, mit welchen Massnahmen
     verpflichtung in nicht-universitären Gesundheits-               und den Versicherern finanzierten Vergütungen         Hausarztmedizin (BIHAM). Dadurch wird die Haus-                        ein Fachkräftemangel verhindert werden kann.
     berufen zielt darauf ab, dass die bernischen Betriebe           der stationären Leistungen der Listenspitäler         arztmedizin generell und insbesondere in länd-
     des Gesundheitswesens ihr Potenzial zur prak-                   finanziert werden.                                    lichen Kantonsgebieten gestärkt. 2019 wurde die                        Die Freiwilligenarbeit ist ein gesellschaftlicher
     tischen Aus- und Weiterbildung in Gesundheits-                                                                        Anzahl Praxisassistenzstellen von 21 auf 35 erhöht.                    Beitrag an die Mitmenschen. Sie wird unent-
     berufen ausschöpfen und damit einen Beitrag zur                 Die im Kanton Bern gewährte Weiterbildungs-           Der Kantonsbeitrag beläuft sich auf rund CHF                           geltlich geleistet, ergänzt und unterstützt die be-
     Versorgungssicherheit mit qualifiziertem Personal               pauschale ist konform mit den Zielsetzungen der       1.5 Mio. pro Jahr.                                                     zahlte Arbeit, tritt aber nicht in Konkurrenz zu
     leisten. Die Ausbildungsverpflichtung dient somit               interkantonalen Vereinbarung zur Finanzierung                                                                                ihr. Exakte Zahlen zum Anteil an Freiwilligenarbeit
     der Gewährleistung der Versorgungsziele, dies                   der ärztlichen Weiterbildung (Weiterbildungs-         Die demografische Entwicklung führt dazu, dass                         im Gesundheitsbereich liegen nicht vor, die Be-
     auch im Interesse der verpflichteten Betriebe. Die              finanzierungsvereinbarung, WFV), welche die           die Bevölkerung im Kanton Bern bis ins Jahr 2025                       deutung darf jedoch nicht unterschätzt werden.
     Ausbildungsleistung wird pro Trägerschaft bemes-                Schweizerische Konferenz der kantonalen               um rund 60 000 Personen wachsen und der Alters-
     sen und jährlich verfügt. Ebenfalls jährlich werden             Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK)        quotient auf 40.0 ansteigen wird. 45 Dies, sowie
     die erbrachten Ausbildungsleistungen geprüft.                   den Kantonen zur Ratifizierung unterbreitet hat.      die wenig bedarfsgerechte Verteilung des Personals
                                                                     Mit der Vereinbarung soll einerseits den Spitälern    und der zunehmende Mangel an Gesundheits-
     In 361 Betrieben (Spitäler, Psychiatrie- und Rehabili-          ein gesamtschweizerisch einheitlicher pauschaler      personal erfordern zusätzliche Massnahmen im
     tationskliniken, Rettungsdienste, stationärer Lang-             Mindestbetrag an die ärztliche Weiterbildung in       Bereich des Personals in der Gesundheitsver-
     zeitbereich, Spitex sowie private Praxen) wurden                der Höhe von CHF 15 000 ausgerichtet werden.          sorgung. Die Situation ist regional unterschiedlich:
     im Jahr 2017 insgesamt 1443 Abschlüsse 44 reali-                Anderseits soll ein interkantonaler Ausgleich dafür   Der Fachkräftemangel betrifft insbesondere
     siert (Sekundarstufe II, Höhere Fachschule (HF),                sorgen, dass die mit der ärztlichen Weiterbildung     ländliche Regionen, die Pflegefachpersonen und
     Fachhochschule (FH)).                                           verbundenen finanziellen Belastungen weniger          die Grundversorgerinnen und Grundversorger 46,

                                                                                                                                                                                                  46
                                                                                                                                                                                                       Zu den Grundversorgerinnen und Grundversorgern zählen
                                                                                                                                                                                                       Ärztinnen und Ärzte mit einem Facharzttitel in Allgemein-
                                                                                                                           45
                                                                                                                                Vgl. Bevölkerungsprojektionen für den Kanton Bern.                     medizin, Innerer Medizin und Allgemeiner Innerer Medizin,
                                                                                                                                Verfügbar unter: https://www.fin.be.ch/fin/de/index/finanzen/          Kinder- und Jugendmedizin, Gynäkologie und Geburtshilfe,
                                                                                                                                finanzen/statistik/bevoelk/bevoelkerungsprojektionenszenarien1.        (Kinder- und Jugend-)Psychiatrie sowie Praktische Ärztinnen
     44
          GEF, Reportingbericht zur Ausbildungsverpflichtung 2017.                                                              html.                                                                  und Ärzte.
24                                                                                                                                                                                                                                                                   25
© Bern Welcome
                                5. SWOT-Analyse

                                         Die SWOT-Analyse gliedert die Ist-Situation in            zu erhalten, die Schwächen zu beheben,
                                         Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken.                  die Chancen zu nutzen und die Risiken zu
                                         Ziel der Gesundheitsstrategie ist es, die Stärken         minimieren.

                                                                  VERSORGUNG UND IHRE STEUERUNG

                                                   Stärken                                                               Schwächen

                      Generell ist das Versorgungsangebot mit ambulanten und stationä-         Regional und nach Fachgebieten bestehen Unter- und Überversor-
                      ren Leistungen umfassend, diversifiziert, verfügbar und qualitativ auf   gungen. Die regionale Verteilung der ambulanten Grundversorgung
                      einem hohen Stand. Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, innerhalb        ist zu wenig ausgewogen. In ländlichen Regionen ist die hausärzt-
                      des Kantons fast die ganze Bandbreite medizinischer Leistungen zu        liche Versorgung zunehmend nicht gesichert.
                      beziehen, von der ambulanten Grundversorgung bis hin zur hoch-           Generalisten für die ganzheitliche Behandlung von multimorbiden
                      spezialisierten Medizin.                                                 Patienten fehlen wegen der voranschreitenden Spezialisierung. Für
                      Gesundheitsleistungen sind für alle zugänglich.                          multimorbide Patienten fehlt systembedingt weitgehend die koordi-
                      Der Kanton Bern verfügt über zwei Universitätsspitäler (Inselspital      nierte Nachversorgung nach einem Spitalaufenthalt.
                      und UPD) und zieht Patientinnen und Patienten aus anderen Kanto-         Eine gezielte Steuerung fehlt: Eine quantitative Steuerung (Planung
                      nen an. Als Universitäts- und Medizinalstandort ist der Kanton Bern      und Kontrolle) besteht in den wenigsten Versorgungsbereichen.
                      attraktiv für nationale und internationale Fachkräfte und hat eine       Auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Bereichen sind
                      starke Ausstrahlung.                                                     die Regulierungen zu wenig koordiniert und führen zu weitreichen-
                      Verschiedene spezialisierte öffentliche und private Gesundheits-         den, manchmal unkoordinierten und zu wenig durch moderne ICT
                      anbieter wirken zusammen im stationären, psychiatrischen und             unterstützten Dokumentationspflichten. Nicht geeignete Systeme
                      Rehabilitationsbereich.                                                  und mangelnde Schnittstellen führen zu ineffizientem Ressourcen-
                      Die stationären Leistungserbringer sind kompetitiv. Der Kanton           einsatz.
                      Bern setzt das KVG korrekt um und ist zurückhaltend bei der              Die Regulierungen sind nicht an die unterschiedlichen Voraussetzun-
                      Finanzierung von gemeinwirtschaftlichen Leistungen.                      gen und Bedürfnisse der verschiedenen geografischen Regionen
                      Es gibt keine offensichtliche Rationierung medizinischer Leistungen      angepasst.
                      aufgrund des Kostendrucks.                                               Kurative, präventive und palliative Versorgung sind heute zu wenig
                      Die regionale Planung für stationäre Leistungen sichert die wohn-        aufeinander abgestimmt und die Alimentierung erfolgt nicht adäquat.
                      ortnahe Grundversorgung.                                                 Konzeptionelle und strukturelle Mängel erschweren teilweise die
                      Durch die Verselbständigung der ehemals öffentlichen Spitäler und        effiziente und effektive Leistungserbringung. Die Strukturen sind
                      Psychiatrien als Aktiengesellschaften besteht bei diesen eine hohe       komplex und zu wenig auf die heutige Versorgungsrealität zuge-
                      Flexibilität bezüglich Ausgestaltung der Angebote.                       schnitten.

                      Der Kanton Bern ist autark, die Mehrheit der Bernerinnen und             Die heutige Versorgung ist zu stark auf die Akutversorgung und
                      Berner lassen sich im Kanton versorgen. Zusätzlich versorgen             den stationären Bereich ausgerichtet.
                      Berner Leistungserbringer viele ausserkantonale Personen.                Die Fragmentierung der Versorgungsbereiche – in der Gesund-
                      Keine Eingriffe durch den Kanton Bern begrenzen oder verteuern           heitsversorgung, aber auch zwischen Gesundheitsversorgung und
                      das Angebot.                                                             Sozialbereich – setzt eine Koordination zwischen den Angeboten
                                                                                               voraus, die heute noch nicht optimal erfolgt. Die verschiedenen
                                                                                               Berufsgruppen, Leistungserbringer und die Versorgungsbereiche
                                                                                               sind entlang der Versorgungskette und sektorübergreifend unge-
                                                                                               nügend vernetzt.
                                                                                               Im Kanton Bern sind die Gesundheitschancen in der Bevölkerung
                                                                                               nach sozialer Lage und Status unterschiedlich.
                                                                                               Mangelnde Regelfinanzierung für integrierte Versorgung. Auf dem
                                                                                               Weg zu einer patientenzentrierten, ganzheitlichen Versorgung,
                                                                                               welche die ganze Behandlungskette einschliesst, sind heute noch
                                                                                               zahlreiche Hürden regulatorischer, organisatorischer und finanzieller
                                                                                               Art zu überwinden und Innovationen zu entwickeln.
                                                                                               Es fehlt heute ein gut realisierbares Angebot an (akuter) Über-
                      Durch den Kanton
                                                                                               gangspflege, das die integrierte Versorgung verbessern würde.
                      beeinflussbar
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