Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg - Misserfolge, Erfolge, neue Wege

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Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg - Misserfolge, Erfolge, neue Wege
Naturschutz in
der Agrarlandschaft
am Scheideweg
Misserfolge, Erfolge, neue Wege

im Auftrag der Michael Otto Stiftung für Umweltschutz, April 2014

       Dr. Hermann Hötker                             Prof. Dr. Christoph Leuschner
von    Michael-Otto-Institut im NABU, Bergenhusen     Universität Göttingen
Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg - Misserfolge, Erfolge, neue Wege
Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege                                                Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege

        Glossar                                                                               Inhalt

        Ackervögel        Vögel, die in Mitteleuropa überwiegend auf Ackerstandorten brüten   Vorwort                                                                                                  05
        AUM               Agrarumweltmaßnahme
                                                                                              Zusammenfassung                                                                                          06
        BfN               Bundesamt für Naturschutz
        BMELV	Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
                                                                                              1. Einleitung                                                                                            07
               cherschutz
                                                                                                 Entwicklungen in der Landwirtschaft in Deutschland
                                                                                              2.	                                                                                                     09
        BNatSchG          Bundesnaturschutzgesetz
                                                                                                 2.1 Allgemeine Trends                                                                                  09
        CORINE	Coordination of Information on the Environment; CORINE Land
                Cover ist ein Projekt zur einheitlichen Klassifikation der wichtigsten           2.2		Ökologisch relevante strukturelle Veränderungen                                                  11
                Formen der Landnutzung durch Satellitenbilder, das von der EU-                         im Ackerland
                Kommission angestoßen wurde (Quelle: Wikipedia)                                  2.3	Ökologisch relevante strukturelle Veränderungen                                                   19
                                                                                                      im Grünland
        FFH-RL	Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU, Richtlinie 92/43/EWG des
                Rats vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume
                sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (http://eur-lex.europa.            3.	Veränderungen in der Vegetation der nord- und                                                        21
                eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:1992L0043:200701                         ­mitteldeutschen Agrarlandschaft
                01:DE:PDF)
                                                                                                 3.1 Diversitätsveränderungen                                                                           21
        GIS	Geografisches Informationssystem, in diesem Fall überwiegend
             ArcView 10 (ESRI)                                                                   3.2 	Geschätzte Populationsverluste von Pflanzen der Kulturlandschaft seit den                        22
                                                                                                       1950er-/1960er-Jahren
        InVeKoS	Integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem; ein durch die Euro-
                 päische Kommission eingeführtes System von Verordnungen zur                     3.3 Bisherige Schutzmaßnahmen – Bewertung aus b
                                                                                                                                               ­ otanischer Sicht                                       22
                 Durchsetzung einer einheitlichen Agrarpolitik in den EU-Mitglied-
                 staaten, das auch ein GIS-gestütztes System zur Identifizierung                 Veränderungen in der Vogelwelt der Agrarlandschaft
                                                                                              4.	                                                                                                     27
                 landwirtschaftlich genutzter Parzellen beinhaltet
                                                                                                 4.1	Bestandstrends und Bedrohungen der Vögel                                                          27
        MOIN              Michael-Otto-Institut im NABU                                               der Agrarlandschaft
        Segetalflora      Flora des Ackerlands                                                   4.2 Schutzkonzepte in Deutschland und ihre W
                                                                                                                                            ­ irksamkeit für Ackervögel                                 31
        VSG               Vogelschutzgebiet nach der EU-Vogelschutzrichtlinie (siehe unten)      4.3 Wiesenvögel                                                                                        43

        VSRL	EU-Vogelschutzrichtlinie, Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen
              Parlaments und des Rats vom 30. November 2009 über die                             Neue Ansätze
                                                                                              5.	                                                                                                     58
              ­Erhaltung der wild lebenden Vogelarten (gültig seit 1979) (http://
                                                                                                 5.1 Die Hope Farm der Royal Society for the Protection of Birds (RSPB)                                 58
               eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2010:020:
               0007:0025:de:PDF)                                                                 5.2 Der Schweizer Weg                                                                                  60

        Feldvögel	Arten, die in Mitteleuropa überwiegend auf landwirtschaftlich genutz-
                   ten Flächen brüten oder dort überwiegend nach Nahrung suchen
                                                                                              6. Ausblick                                                                                             61
        Wiesenvögel	Watvögel, die in Deutschland auf Feuchtwiesen brüten; Arten:                6.1 Zukünftige Entwicklungen in der Landwirtschaft                                                     61
                     Austernfischer, Kiebitz, Alpenstrandläufer, Kampfläufer, Bekassine,         6.2 	Zukünftige Perspektiven für den Biodiversitätsschutz in                                          62
                     Uferschnepfe, Großer Brachvogel, Rotschenkel                                      der Agrarlandschaft

                                                                                              7. Nächste Schritte                                                                                      65
                                                                                              8. Danksagungen                                                                                          66
                                                                                              9. Literatur                                                                                             67

02      Glossar                                                                                                                                                                                       Inhalt     03
Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg - Misserfolge, Erfolge, neue Wege
© Hermann Hötker

                   Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege                    Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege

                                                                                                        Vorwort
                                                                                                        Sehr geehrte Damen und Herren,

                                                                                                        die Vielfalt der natürlichen Lebensformen ist das Erbe von vielen Millionen Jahren
                                                                                                        Evolutionsgeschichte, für das wir in besonderer Weise verantwortlich sind. Anders
                                                                                                        als frühere Generationen verfügt der moderne Mensch heute über die Fähigkeit,
                                                                                                        durch seine Art zu leben und zu wirtschaften die Natur so umzuformen, dass
                                                                                                        ­Lebensräume verloren gehen und die Artenvielfalt schwindet. Dieser Prozess hat
                                                                                                         bereits mit dem Beginn der Industrialisierung eingesetzt und sich in den letzten
                                                                                                         sechs Jahrzehnten dramatisch beschleunigt. Der Schutz der Natur ist aber nicht
                                                                                                         nur eine moralische Pflicht, sondern auch eine ökonomische Notwendigkeit. Mit
                                                                                                         anderen Worten: Wenn wir dem Artensterben weiter tatenlos zuschauen, schneiden
                                                                                                         wir uns ins eigene Fleisch.

                                                                                                        Die Politik hat die Notwendigkeit zu handeln erkannt und im Jahre 2007 die Natio­
                                                                                                        nale Strategie zur biologischen Vielfalt verabschiedet. Heute müssen wir allerdings
                                                                                                        einsehen, dass die dort gesteckten Ziele zum Schutz der Biodiversität bei weitem
                                                                                                        nicht erreicht werden. Der Rückgang der Artenvielfalt sowie der Verlust an natürli-
                                                                                                        chen Lebensräumen gehen in Deutschland stetig weiter und eine Umkehrung
                                                                                                        dieses Trends ist nicht abzusehen. Die Ursachen hierfür zu erfassen und für den
                                                                                                        Erhalt der Biodiversität zu werben, ist deshalb ein wichtiges Anliegen meiner Stiftung.

                                                                                                        Dabei hat sich die Michael Otto Stiftung für Umweltschutz in diesem Zusammenhang
                                                                                                        besonders der Agrarbiodiversität verschrieben, die in ganz besonderer Weise
                                                                                                        gefährdet ist. Denn landwirtschaftliche Betriebe stehen heute unter einem sehr
                                                                                                        hohen ökonomischen Druck, dem sie versuchen müssen durch ständige Produk-
                                                                                                        tionssteigerung gerecht zu werden. Die Ziele einer Intensivierung der Landwirtschaft
                                                                                                        auf der einen und die Bewahrung der Biodiversität auf der anderen Seite, stehen
                                                                                                        sich häufig diametral gegenüber. Gerade wegen dieser Konflikte ist eine Zusammen-
                                                                                                        arbeit von Naturschutz und Landwirtschaft heute dringend erforderlich. Begleitet
                                                                                                        von Politik und Wissenschaft können auf diesem Wege gemeinsame Ansätze
                                                                                                        ­erörtert und wirksame Maßnahmen für den Schutz der Biodiversität in der Land-
                                                                                                         wirtschaft entwickelt werden.

                                                                                                        Um einen solchen Dialog zu befruchten, hat die Michael Otto Stiftung die vorlie-
                                                                                                        gende Studie in Auftrag gegeben, die sich nicht auf eine Bestandsaufnahme der
                                                                                                        Wirksamkeit von ­Naturschutzmaßnahmen beschränkt, sondern daraus Forderun-
                                                                                                        gen ableitet, die den fälligen Dialog bereichern sollen. Die Lektüre sei damit jedem
                                                                                                        ­Beteiligten empfohlen, der zur B­ ewahrung der Artenvielfalt in ländlichen Räumen
                                                                                                         offen für die Vereinbarkeit von Naturschutz und Landwirtschaft ist.

                   04                                                                                                                                                                      Vorwort      05
Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg - Misserfolge, Erfolge, neue Wege
Rapsfeld – kein Durchkommen für Bodenbrüter
Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege                                                                                                                                Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege

        Zusammenfassung
        1. Die Biodiversität in Deutschland ist bedroht. Der Grund               Ackerland zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass
        dafür ist vor allem die Flächenkonkurrenz mit der agrar- und             eine intensive Betreuung vorhanden ist. Als Faustregel sollten
        forstwirtschaftlichen Nutzung. Die vorliegende Studie analysiert         mindestens 0,1 Personalstellen pro 100 ha Schutzgebiets-
        die Verluste biologischer Vielfalt in der Agrarlandschaft am             fläche beziehungsweise ein Viertel der Projektgesamtkosten
        Beispiel der Pflanzen und Vögel. Darüber hinaus untersucht               für Beratung, Betreuung und Monitoring von Agrarumwelt-
        sie, inwieweit die bisher verfügbaren Instrumente des Natur-             maßnahmen verfügbar sein.
        schutzes wirksam waren und ob sie für zukünftige Anforde-
        rungen ausreichen werden. Anschließend stellt sie alternative            4. Für die nächste Zukunft ist mit keiner Verbesserung der
        Ansätze des Biodiversitätsschutzes in der Agrarlandschaft                Situation der Argarbiodiversität zu rechnen. Das „Greening“
        aus anderen Ländern vor und prüft deren Übertragbarkeit auf              im Zuge der neuen EU-Agrarförderung wird nicht ausreichen.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                       © Hermann Hötker
        Deutschland.                                                             Neue Produktionsanforderungen – insbesondere der Anbau
                                                                                 von Energiepflanzen und die Erzeugung von pflanzlichen Roh-
        2. Seit 1950 gab es in der Agrarlandschaft Deutschlands                  stoffen – erhöhen den Flächenbedarf der Landwirtschaft.
        erhebliche strukturelle Veränderungen mit Auswirkung auf die             Damit steigt der Druck auf die letzten Refugien der Agrar­
        Biodiversität. So ging in Norddeutschland die Fläche des                 biodiversität. Diese Situation erfordert innovative Ansätze des
        artenreichen mesophilen (mittelfeuchten) Grünlands und des               Agrarbiodiversitätsschutzes. Vielversprechend erscheinen
        Feuchtgrünlands um rund 85 Prozent zurück. Die Ursache                   Demonstrationsbetriebe, die die Agrarbiodiversität durch
        hierfür war in erster Linie eine Umwandlung in Intensivgrünland.         ­gezielt umgesetzte Biotopmanagement-Maßnahmen deutlich
        Im Ackerland verringerte sich die potenziell für Ackerwild­               erhöhen – und das trotz konventioneller Wirtschaftsweise und
        kräuter (Segetalflora) besiedelbare Fläche um etwa 95 Prozent.
        Dies lag sowohl an einer Nutzungsintensivierung als auch an
        der Vergrößerung der Schläge. Dies führte dazu, dass heute
                                                                                  ohne Minderung der Wirtschaftlichkeit des Hofes. Das gut
                                                                                  dokumentierte Beispiel der Hope Farm in England demonstriert,
                                                                                  wie sich Ökonomie und Naturschutz im konventionellen Acker-
                                                                                                                                                   1. Einleitung
        nur noch kleine Restpopulationen vorhanden sind. Dass die                 bau vereinbaren lassen. Diese Studie kommt zu dem Schluss,
        Flächenerträge für Wintergetreide seit 1950 verdoppelt und                dass in Deutschland dringender Bedarf an geeigneten land-
        die Maiserträge in dieser Zeit sogar verdreifacht werden                  wirtschaftlichen Demonstrationsprojekten zur Verein­barkeit      Der Schutz der lebendigen Umwelt, insbesondere der Tier-             Die vorliegende Studie soll vor diesem Hintergrund analysieren,
        ­konnten, wurde durch eine Vervielfachung der Mineralstick-               von Wirtschaftlichkeit und Agrarbiodiversitätsschutz besteht,    und Pflanzenarten, hat längst sein Nischendasein als Thema          inwieweit die bisher verfügbaren Instrumente des Natur­
         stoff-Düngung und einen heute flächendeckenden Pestizid­                 in denen neue Schutzkonzepte erprobt und in ­öffentlicher        für kleine, exklusive Expertenzirkel verloren. Der Begriff „Bio-    schutzes wirksam waren und ob sie für die zukünftigen
         einsatz erreicht.                                                        Transparenz umgesetzt werden.                                    diversität“ ist in der Gesellschaft angekommen und findet           ­Anforderungen ausreichen werden. Dazu werden Faktoren
                                                                                                                                                   zunehmend als Wirtschaftsfaktor Anerkennung.1 Doch obwohl            des Erfolgs und des Misserfolgs herausgearbeitet, alternative
        3. Vegetationskundliche Wiederholungsaufnahmen in Nord-                                                                                    das Thema an Popularität g­ ewinnt, werden die politisch gesetz-     Ansätze des Naturschutzes in anderen Ländern vorgestellt
        und Mitteldeutschland zeigen im mesophilen und feuchten                                                                                    ten Ziele des Biodiversitätsschutzes deutlich verfehlt, so wie       und ihre Übertragbarkeit auf Deutschland geprüft. Die Studie
        Grünland für viele charakteristische, ehemals häufige Pflanzen-                                                                            jüngst das sogenannte 2010-Ziel der EU.                              verfolgt nicht die Absicht, eine Entscheidung für den „richtigen“
        arten Häufigkeitsverluste von 95 bis über 99 Prozent. Im                                                                                                                                                        Weg im Naturschutz in Deutschland aufzuzeigen. Sie will
        Ackerland sind die Verluste ähnlich hoch. Die Rückgänge der                                                                                Bedroht wird die Biodiversität in Deutschland und den meisten        vielmehr die wichtigsten Fakten für einen Diskurs unter Exper-
        Vögel des Acker- und Grünlands sind ebenfalls alarmierend.                                                                                 anderen europäischen Ländern vor allem durch die Konkur-             ten zusammenstellen. Perspektivisch soll die Studie einen
        Sowohl die Agrarvögel als auch die Segetalflora sind gegen-                                                                                renz mit der wirtschaftlichen Landnutzung. Dies gilt sowohl          Beitrag zu einer Diskussion in einem größeren gesellschaftlichen
        wärtig von weiterer Verarmung aufgrund fortschreitender                                                                                    für den Wald (Wirtschaftswald versus Naturwald) als insbe-           Kontext leisten.
        landwirtschaftlicher Intensivierung betroffen.                                                                                             sondere auch für den Agrarbereich (Intensivwirtschaft versus
                                                                                                                                                   extensive, naturnahe Bewirtschaftung). Da landwirtschaftlich        Vergleicht man verschiedene Wege des Naturschutzes, stellt
        Um die Restbestände der Segetalflora dauerhaft zu schützen,                                                                                genutzte Flächen etwa die Hälfte Deutschlands einnehmen,            sich die zentrale Frage, wie weit man im Arten- und Lebens-
        sind temporäre Maßnahmen wie die Anlage von extensiv                                                                                       haben Entwicklungen in diesem Bereich eine hohe Bedeutung.          raumschutz hinsichtlich des Managements gehen möchte.
        genutzten Ackerrandstreifen nicht ausreichend. Auch der                                                                                    Seit einigen Jahren werden in Deutschland zusätzlich zur            Eine Extremposition ist dabei der reine Schutz ohne jegliche
        Ökolandbau kann nur begrenzte Beiträge zum Artenschutz                                                                                     Produktion von Nahrungsmitteln vermehrt Energiepflanzen             ­Eingriffe (Zulassen einer freien Sukzession, Prozessschutz,
        leisten. Der Umfang von Agrarumweltmaßnahmen (AUM) ist                                                                                     angebaut. Nicht nur im Energiesektor wird es also eine               Wildnis), eine andere der selektive Schutz einzelner Arten mit
        in Deutschland derzeit viel zu gering, als dass messbare Aus-                                                                              ­Umstellung von fossilen auf regenerative Ressourcen geben           erheblichen Eingriffen (Bereitstellung von Niststätten, Elimi-
        wirkungen auf die Bestandsentwicklung der Ackervögel zu                                                                                     („Peak oil“), sondern auch in anderen Wirtschaftsbereichen          nierung oder Auszäunung von Feinden, Fütterungen).3 In den
        erwarten wären. Zudem ist die Qualität der Maßnahmen oft                                                                                    werden nachwachsende Stoffe an Bedeutung gewinnen. So               von Menschen genutzten Lebensräumen kommt noch die
        nicht ausreichend und zu wenig regionenspezifisch. Grün-                                                                                    beschloss die Bundesregierung am 17. Juli 2013 ihre Bio-            Entscheidung hinzu, ob ein integrativer oder ein segregativer
        landschutzgebiete können zur Bestandsstützung einiger                                                                                       ökonomie-Strategie2. Sie wird die Nachfrage nach landwirt-          Ansatz verfolgt werden soll. Der integrative Ansatz bezieht die
        hochbedrohter Arten beitragen, jedoch den flächendeckenden                                                                                  schaftlichen Produktionsflächen weiter erhöhen. Dies wird           gesamte Nutzfläche ein und zielt auf eine großflächig extensive,
        Negativtrend nicht aufhalten, zumal in vielen Fällen die Schutz-                                                                            dazu führen, dass noch mehr Flächen benötigt und i­ntensiver        naturschonende Nutzung (Naturschutz auf der gesamten
        ziele verfehlt werden. Erfolgreiche Schutzprojekte im Grün- und                                                                             als bisher genutzt werden.                                          Fläche) ab. Der segregative Ansatz teilt die Nutzflächen auf

06      Zusammenfassung                                                                                                                                                                                                                                                         1. Einleitung    07
Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg - Misserfolge, Erfolge, neue Wege
Uferschnepfe – ein Wiesenvogel auf der Vorwarnliste global gefährdeter Arten
                    Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege                                                                                                                                                       Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege

                                                                                                                                                                           2. E
                                                                                                                                                                               ntwicklungen in der ­
                                                                                                                                                                              Landwirtschaft in Deutschland

                                                                                                                                                                           2.1 Allgemeine Trends

                                                                                                                                                                           Die Entwicklung der deutschen Landwirtschaft seit 1950 und                              Jahrzehnten waren die Intensivierung des Ackerbaus und
                                                                                                                                                                           besonders in neuerer Zeit gehört zu den wichtigsten Ursachen                            der Grünlandwirtschaft, der Rückgang des Grünlandanteils
                                                                                                                                                                           für die beobachteten Veränderungen der Vogel- und Pflanzen­                             und die Flächenveränderungen der Ackerstilllegungen. Bis
                                                                                                                                                                           bestände. Deshalb soll sie zunächst skizziert werden, bevor                             Anfang der 1990er-Jahre sank der Anteil des Dauergrünlands
© Dieter Damschen

                                                                                                                                                                           auf die Veränderungen in der Agrobiodiversität am Beispiel                              an der landwirtschaftlichen Produktionsfläche nur mäßig oder
                                                                                                                                                                           der Vögel und Pflanzen eingegangen wird. Schwerpunkt­mäßig                              gar nicht. Danach setzte allerdings ein stetiger, noch immer
                                                                                                                                                                           werden dabei die Länder Niedersachsen, Sachsen-Anhalt                                   anhaltender Schwund in den meisten Bundesländern ein
                                                                                                                                                                           und Schleswig-Holstein betrachtet, da hier die Daten zur                                (Abb. 1). Der Bracheanteil nahm nach der Einführung der
                                                                                                                                                                           Entwicklung der Pflanzenbestände erhoben wurden.                                        obliga­torischen ­Flächenstilllegung als Marktregulierungs­
                                                                                                                                                                                                                                                                   element durch die EU-Kommission 1993 sprunghaft zu. Nach-
                                                                                                                                                                           Die ökologisch bedeutsamsten Veränderungen in der deut-                                 dem die Verordnung 2007 wegfiel, ging er jedoch schnell
                                                                                                                                                                           schen Landwirtschaft in den vergangenen fünf bis sechs                                  wieder zurück (Abb. 1).

                            in solche, die intensiv bewirtschaftet werden, und solche, die           Kapitel behandelt, in dem bestimmte Fragestellungen detail-
                            vorrangig dem Naturschutz dienen. Diese Naturschutzvorrang-              lierter als bei den Ackervögeln erörtert werden können.
                            flächen können ­sowohl räumlich konzentriert in Reservaten
                            als auch in der Region verstreut sein, wie zum Beispiel Natur­           Bezüglich der Pflanzen der landwirtschaftlichen Nutzflächen
                            waldparzellen oder Blühstreifen an Ackerrändern. Bei den                 (Acker- und Grünland) greift diese Studie im Wesentlichen auf
                            Organismen der Agrarlebensräume besteht die Besonderheit,                die Ergebnisse des Forschungsprojekts BioChange-Germany                                                 6.000
                            dass die Nullnutzungsoption entfällt, da ohne Pflege nach                zurück. Dieses Projekt wurde mit Finanzierung des Nieder-
                            wenigen Jahren Lebensräume entstehen, die durch Arten der                sächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur am
                            Agrarlebensräume nicht mehr besiedelt werden können.                     Lehrstuhl für Pflanzenökologie der Universität Göttingen im                                             5.000
                                                                                                     Zeitraum von 2008 bis 2013 durchgeführt. Kern der Analysen
                            In dieser Studie wird beispielhaft der landwirtschaftlich genutzte       sind zahlreiche Wiederholungsaufnahmen der Vegetation von
                            Raum in Deutschland betrachtet, weil er etwa die Hälfte der              Acker- und Grünlandflächen in Mittel- und Norddeutschland.                                              4.000

                                                                                                                                                                                        Fläche [x1.000 ha]
                            Landoberfläche Deutschlands einnimmt und hier die Konflikte              Sie erlauben einen qualitativen und quantitativen Vegetations-
                            zwischen Nutzung und Schutz besonders klar hervortreten,                 vergleich der 1950er-/1960er-Jahre mit der heutigen Situa­
                            aber auch besonders schwer zu lösen sind. Als Organismen-                tion. Erstmals liegen damit überregional gültige Zahlen zu                                              3.000
                            gruppen wurden die Vögel der Agrarlandschaft und die                     Populations­veränderungen charakteristischer Acker- und
                            ­Gefäßpflanzen gewählt.                                                  Grünlandpflanzen seit Beginn der landwirtschaftlichen Inten-
                                                                                                     sivierung vor.                                                                                          2.000
                            Die Vögel sind die am besten bekannten und untersuchten
                            Tiere des Agrarraums. Durch ihre Position in den oberen Berei-
                            chen des Nahrungsnetzes sind sie zudem gute Indikatoren                                                                                                                          1.000
                            für den ökologischen Zustand des Agrarökosystems. Die Vögel
                            der Agrarlandschaft – im Text auch „Feldvögel“ genannt –
                            lassen sich grob unterscheiden in die „Ackervögel“ und die                                                                                                                          0
                            „Wiesenvögel“. Die Übergänge zwischen ihnen sind allerdings

                                                                                                                                                                                                                      93
                                                                                                                                                                                                                           94
                                                                                                                                                                                                                                95
                                                                                                                                                                                                                                     96
                                                                                                                                                                                                                                          97
                                                                                                                                                                                                                                               98
                                                                                                                                                                                                                                                    99
                                                                                                                                                                                                                                                         00
                                                                                                                                                                                                                                                              01
                                                                                                                                                                                                                                                                   02
                                                                                                                                                                                                                                                                        03
                                                                                                                                                                                                                                                                             04
                                                                                                                                                                                                                                                                                  05
                                                                                                                                                                                                                                                                                       06
                                                                                                                                                                                                                                                                                            07
                                                                                                                                                                                                                                                                                                 08
                                                                                                                                                                                                                                                                                                      09
                                                                                                                                                                                                                                                                                                           10
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                11
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     12
                            fließend, und nicht jede Art lässt sich eindeutig zuordnen. In

                                                                                                                                                                                                                     19
                                                                                                                                                                                                                          19
                                                                                                                                                                                                                               19
                                                                                                                                                                                                                                    19
                                                                                                                                                                                                                                         19
                                                                                                                                                                                                                                              19
                                                                                                                                                                                                                                                   19
                                                                                                                                                                                                                                                        20
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                                                                                                                                                                                                                                                                            20
                                                                                                                                                                                                                                                                                 20
                                                                                                                                                                                                                                                                                      20
                                                                                                                                                                                                                                                                                           20
                                                                                                                                                                                                                                                                                                20
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     20
                                                                                                                                                                                                                                                                                                          20
                                                                                                                                                                                                                                                                                                               20
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    20
                            dieser Studie werden als Wiesenvögel nur die auf Grünland
                            brütenden Watvögel (Austernfischer, Kiebitz, Alpenstrand­                                                                                                                                           Dauergrünland                 Brache
                            läufer, Kampfläufer, Bekassine, Uferschnepfe, Großer Brach-
                            vogel, Rotschenkel) bezeichnet. Diese Arten stehen schon                 1
                                                                                                         TEEB-Studie, TEEB 2010
                            seit Längerem im Fokus des Naturschutzes, sodass für sie                 2
                                                                                                         http://www.bmelv.de/SharedDocs/Downloads/Broschueren/BioOekono-
                                                                                                                                                                             Abb. 1 Veränderung in der Fläche des Dauergrünlands und der Flächenstilllegungen in Deutschland seit 1993
                            erheblich aussagekräftigere Daten vorliegen als für die Acker-               miestrategie.pdf?__blob=publicationFile
                                                                                                                                                                                     (Quelle: BMELV Statistische Jahrbücher)
                            vögel. Die Wiesenvögel werden deshalb in einem eigenen                   3
                                                                                                         Berthold & Mohr 2006, Gibbons et al. 2007

                    08      1. Einleitung                                                                                                                                                                                                                2. Entwicklungen in der Landwirtschaft in Deutschland I 2.1 Allgemeine Trends      09
Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg - Misserfolge, Erfolge, neue Wege
Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege

        Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein                                                                                                                11.750 km2, die sich wie oben dargestellt auf die drei                                                                                               Der Anteil des Ökolandbaus nahm seit den 1980er-Jahren
        ­besaßen 2010 noch 6.930, 3.140 und 1.680 km2 Dauergrün-                                                                                                           ­Bundesländer ­verteilen.4 Die relativ und absolut größten Rück-                                                                                      stetig zu und lag 2012 bei 6,2 Prozent der Anbaufläche
         land, das entsprach 27, 32 und 14 Prozent der landwirtschaft-                                                                                                      gänge in den vergangenen 50 Jahren gab es in Niedersach-                                                                                             Deutschlands (Abb. 3).
         lichen Nutzfläche beziehungsweise 14, 20 und 8 Prozent der                                                                                                         sen. In den letzten 20 Jahren war allerdings die Verlustrate in
         Landes­fläche (Tab. 1). In den 1960er-Jahren waren in den                                                                                                          Schleswig-Holstein am höchsten (Abb. 2).
         drei Ländern insgesamt noch rund 20.500 km2 Grünland
         vorhanden. Davon gingen bis 2010 circa 9.120 km2 – das
         sind ungefähr 45 Prozent – durch Umbruch oder andere                                                                                                              4
                                                                                                                                                                                Statistische Landesämter von Niedersachsen, Schleswig-Holstein                                                                                                                      7
         Nutzungsumwidmung verloren. Verblieben sind etwa
         ­                                                                                                                                                                      und Sachsen-Anhalt

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     6

                                                                                          Landwirtschaft-                                                                                                                                                                                            Verhältnis
                                                                                                                                              Ackerland (%)                                             Grünland (%)                                    Grünlandverlust
                                                                                          liche Fläche (%)                                                                                                                                                                                        Acker- : Grünland

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Anteil an der Agrarfläche (%)
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     5
                                                                                         1950er /                                           1950er /                       1950er /                                                                                                               1950er /
                                                                                                                       2010                                         2010                                                                 2010              in %                 km2                                    2010
                                                                                         1960er                                             1960er                         1960er                                                                                                                 1960er
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     4
         Niedersachsen                                                                          62                        54                        32                39                                                 28               14                   48             6.320                1.2 : 1             2.7 : 1

         Sachsen-­Anhalt                                                                        66                        57                        52                49                                                 11               8                    25               550                4.7 : 1             6.0 : 1
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     3
         Schleswig-Holstein                                                                     76                        63                        43                43                                                 32               20                   34             1.640                1.4 : 1             2.2 : 1

        Tab. 1 Anteile der gesamten landwirtschaftlichen Fläche sowie des Acker- und Grünlands an der Landesfläche von Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und                                                                                                                                                                                                            2
                Schleswig-Holstein in den 1950er-/1960er-Jahren (jeweils zum Zeitpunkt der maximalen Grünlandausdehnung) und 2010 sowie prozentualer und absoluter
                Verlust (in km2) an Grünlandfläche relativ zum früheren Höchststand (gerundete Zahlen) (Datengrundlage: Statistische Landesämter der drei Länder)

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     1

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     0
                                                                                                    Niedersachsen                                                                                                                                              Schleswig-Holstein
                                                                                                                                                                           Landwirtschaftliche Nutzfläche [in Mio. ha]
            Landwirtschaftliche Nutzfläche [in Mio. ha]

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         1995      2000                               2005                            2010
                                                          3,0                                                                                                                                                             1,2

                                                          2,5                                                                                                                                                             1,0
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   Abb. 3 Entwicklung des Ökologischen Landbaus in Deutschland seit 1996 (Quelle: BMELV)
                                                          2,0                                                                                                                                                             0,8

                                                          1,5                                                                                                                                                             0,6

                                                          1,0                                                                                                                                                             0,4

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 2.2 Ökologisch relevante strukturelle Veränderungen im Ackerland
                                                          0,5                                                                                                                                                             0,2

                                                           0                                                                                                                                                                  0
                                                                                                                                                                                                                                  1950

                                                                                                                                                                                                                                          1955

                                                                                                                                                                                                                                                 1960

                                                                                                                                                                                                                                                        1965

                                                                                                                                                                                                                                                               1970

                                                                                                                                                                                                                                                                      1975

                                                                                                                                                                                                                                                                             1980

                                                                                                                                                                                                                                                                                    1985

                                                                                                                                                                                                                                                                                           1990

                                                                                                                                                                                                                                                                                                  1995

                                                                                                                                                                                                                                                                                                         2000

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                2005

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       2010
                                                                1950

                                                                        1955

                                                                                1960

                                                                                         1965

                                                                                                  1970

                                                                                                         1975

                                                                                                                   1980

                                                                                                                            1985

                                                                                                                                     1990

                                                                                                                                             1995

                                                                                                                                                     2000

                                                                                                                                                            2005

                                                                                                                                                                   2010

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Die drei intensiv untersuchten nordwest- und mitteldeutschen                 ­ ckerfläche kräftig zu (Abb. 4). In Sachsen-Anhalt hatte der
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              A
                                                                                                                 Jahr                                                                                                                                                        Jahr
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Bundesländer Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-                    Maisanbau mit 5 bis 10 Prozent von jeher nur recht geringe
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Holstein gehören zu den Regionen Deutschlands mit dem                        Anteile an der Ackerfläche und veränderte sich in den letzten
                                                                                                    Sachsen-Anhalt                                                                                                                                                                                                               höchsten Anteil landwirtschaftlicher Nutzfläche: Niedersachsen               50 Jahren nur wenig. Seit 2010 stieg er jedoch auch hier
            Landwirtschaftliche Nutzfläche [in Mio. ha]

                                                          1,4                                                                                                                                                                                                                                                                    und Schleswig-Holstein besaßen in den 1950er-/1960er-                        deutlich an. In allen drei Bundesländern stark zugenommen
                                                                                                                                                                                                                                            Grünland                                                                             Jahren vergleichsweise hohe Grünlandanteile an der Landes-                   hat seit den 1970er-/1980er-Jahren der Anbau von Raps,
                                                          1,2
                                                                                                                                                                                                                                            Ackerland                                                                            fläche, Sachsen-Anhalt niedrige (Tab. 1). Die Fläche des                     vor allem von Winterraps. Er ist heute in Niedersachsen auf
                                                          1,0
                                                                                                                                                                                                                                            sonstige Nutzfläche                                                                  Ackerlands ist im waldreichen Niedersachsen relativ am                       7 Prozent, in Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein auf
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 geringsten, in Sachsen-Anhalt am höchsten. In Niedersachsen                  17 Prozent der Ackerfläche zu finden (Abb. 4).
                                                          0,8
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 nahm der Anteil des Ackerlands auf Kosten des Grünlands
                                                          0,6                                                                                                                                                                                                                                                                    zu, in Schleswig-Holstein blieb er nahezu unverändert, und
                                                          0,4                                                                                                                                                                                                                                                                    in Sachsen-Anhalt sank er geringfügig (Abb. 2). Ökologisch
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 bedeutsamer als diese Veränderungen sind die Entwicklungen
                                                          0,2
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 der Anteile der Feldfrüchte: Der Kartoffelanbau ging in
                                                                                                                                                                                                                                  Abb. 2 
                                                           0                                                                                                                                                                      Veränderung in der landwirtschaftlichen Nutz­fläche (Acker-                                    ­Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt auf heute weniger
                                                                                                                                                                                                                                  land: hellgrün, Grünland: dunkelgrün, sonstige Nutzfläche:                                      als 10 Prozent der einstigen Anbaufläche zurück, in Nieder-
                                                                 1955

                                                                         1960

                                                                                  1965

                                                                                           1970

                                                                                                     1975

                                                                                                                1980

                                                                                                                          1985

                                                                                                                                   1990

                                                                                                                                            1995

                                                                                                                                                    2000

                                                                                                                                                            2005

                                                                                                                                                                   2010

                                                                                                                                                                                                                                  blau) in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Sachsen-An-                                      sachsen auf rund 40 Prozent. Gleichzeitig nahm der Silo- und
                                                                                                                                                                                                                                  halt seit 1950 (nach D
                                                                                                                                                                                                                                                       ­ aten der Statistischen Landesämter von
                                                                                                                  Jahr
                                                                                                                                                                                                                                  Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt)
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Grünmais-Anbau in Niedersachsen und Schleswig-Holstein
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  von geringen Anteilen auf heute 23 und 26 Prozent der

010     2. Entwicklungen in der Landwirtschaft in Deutschland I 2.1 Allgemeine Trends                                                                                                                                                                                                                                             2. Entwicklungen in der Landwirtschaft in Deutschland I 2.1 Allgemeine Trends / 2.2 Ökologisch relevante strukturelle Veränderungen im Ackerland   011
Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg - Misserfolge, Erfolge, neue Wege
Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   Die Entwicklungen in den drei untersuchten Bundesländern                           Winterweizen. Sommergetreide spielen kaum noch eine
                                                                                          Niedersachsen                                                                                                                                           Schleswig-Holstein                                                               fanden in ähnlicher Weise auch in den anderen Regionen                             Rolle (Abb. 7). Die Ackerlandschaft wird in den meisten
                                                     2,00                                                                                                                                              0,7                                                                                                                         Deutschlands statt. Der Anbau von Kartoffeln und Rüben                             ­Regionen Deutschlands durch die drei Feldfrüchte Winter­
                                                     1,75
                                                                                                                                                                                                       0,6                                                                                                                         nahm fortlaufend ab, während der Flächenanteil von Mais                             getreide (je nach Boden Weizen oder Roggen), Mais und
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   und Raps stieg (Abb. 6). Innerhalb des Getreideanbaus (außer                        Raps geprägt. Zusammen nehmen diese etwa 85 Prozent
            Ackerfläche [in Mio. ha]

                                                                                                                                                                            Ackerfläche [in Mio. ha]
                                                     1,50
                                                                                                                                                                                                       0,5
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   Mais) setzten sich Wintersaaten durch, insbesondere der                             der ­Produktionsfläche ein.
                                                     1,25
                                                                                                                                                                                                       0,4
                                                     1,00
                                                                                                                                                                                                       0,3
                                                     0,75

                                                     0,50                                                                                                                                              0,2

                                                     0,25                                                                                                                                              0,1

                                                       0                                                                                                                                                 0
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               9.000.000

                                                                                                                                                                                                              1950

                                                                                                                                                                                                                       1955

                                                                                                                                                                                                                                1960

                                                                                                                                                                                                                                         1965

                                                                                                                                                                                                                                                  1970

                                                                                                                                                                                                                                                           1975

                                                                                                                                                                                                                                                                    1980

                                                                                                                                                                                                                                                                             1985

                                                                                                                                                                                                                                                                                      1990

                                                                                                                                                                                                                                                                                               1995

                                                                                                                                                                                                                                                                                                        2000

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 2005

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          2010
                                                            1950

                                                                   1955

                                                                          1960

                                                                                 1965

                                                                                        1970

                                                                                               1975

                                                                                                       1980

                                                                                                              1985

                                                                                                                     1990

                                                                                                                            1995

                                                                                                                                   2000

                                                                                                                                          2005

                                                                                                                                                 2010
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               8.000.000
                                                                                                      Jahr                                                                                                                                                        Jahr

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               7.000.000
                                                                   Getreide gesamt (ohne Mais)                                             Körnermais                                                         Grün-/Silomais

                                                                   Raps/Rübsen                                  Kartoffeln                              Zuckerrüben                                                           Sonstiges
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               6.000.000

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            Anbaufläche [ha]
          Abb. 4 Veränderung in der absoluten Größe des Ackerlands und in den Anteilen der wichtigsten Feldfrüchte in Niedersachsen und Schleswig-Holstein                                                                                                                                                                                                    5.000.000
                  seit 1950 (nach Daten der Statistischen Landesämter von Niedersachsen und Schleswig-Holstein)

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               4.000.000

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               3.000.000
        Seit den 1980er-Jahren nahm vor allem in Niedersachsen und                                                                                                       Winterraps und Mais wurden 2010 auf 53, 63 und 73 Prozent
        Schleswig-Holstein die Getreideanbaufläche (ohne Mais)                                                                                                           des Ackerlands von Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               2.000.000
        ­zugunsten von Mais und Raps deutlich ab. Der Winterweizen ist                                                                                                   Schleswig-Holstein angebaut. 1980 lagen ihre Anteile in den
         heute in allen drei Ländern das am meisten angebaute Ge-                                                                                                        drei Ländern noch bei 24, 30 und 44 Prozent. Diese Zahlen
         treide. Gleichzeitig verloren Gerste, Hafer und generell Som-                                                                                                   verdeutlichen die Monotonisierung der Ackerlandschaft in den                                                                                                                          1.000.000
         mergetreide ebenso wie Hackfrüchte stark an Fläche (Abb. 5).                                                                                                    vergangenen 30 Jahren sehr gut.
         Die drei heute dominierenden Feldfrüchte Winterweizen,                                                                                                                                                                                                                                                                                                         0

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       1

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       4

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                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    -5

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                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    -6

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    -6

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    -7

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    -7

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    -7

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    -8

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    -8

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    -8

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    -9

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    -9

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                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             20 200

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                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             20 7-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 52

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 55

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                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 76

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 79

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 82

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                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 91

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                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 9

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 -

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 -
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         49
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       19
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Hackfrüchte              Mais              Raps und Rübsen
                                                                                           Niedersachsen                                                                                                                                          Schleswig-Holstein
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Klee und Kleegras                Leguminosen                 Getreide
                                                     1,4                                                                                                                                               0,45
                  Getreideanbaufläche [in Mio. ha]

                                                                                                                                                            Getreideanbaufläche [in Mio. ha]

                                                                                                                                                                                                       0,40
                                                     1,2
                                                                                                                                                                                                       0,35
                                                     1,0                                                                                                                                                                                                                                                                             Abb. 6 Veränderung der Anbauflächen der wichtigsten Feldfrüchte in Deutschland seit 1950 (BMELV, Statistische Jahrbücher)
                                                                                                                                                                                                       0,30
                                                     0,8                                                                                                                                               0,25

                                                     0,6                                                                                                                                               0,20

                                                                                                                                                                                                       0,15
                                                     0,4
                                                                                                                                                                                                       0,10
                                                     0,2
                                                                                                                                                                                                       0,05

                                                       0                                                                                                                                                 0
                                                            1950

                                                                   1955

                                                                          1960

                                                                                 1965

                                                                                        1970

                                                                                               1975

                                                                                                       1980

                                                                                                              1985

                                                                                                                     1990

                                                                                                                            1995

                                                                                                                                   2000

                                                                                                                                          2005

                                                                                                                                                 2010

                                                                                                                                                                                                                1950

                                                                                                                                                                                                                         1955

                                                                                                                                                                                                                                  1960

                                                                                                                                                                                                                                           1965

                                                                                                                                                                                                                                                    1970

                                                                                                                                                                                                                                                             1975

                                                                                                                                                                                                                                                                      1980

                                                                                                                                                                                                                                                                               1985

                                                                                                                                                                                                                                                                                        1990

                                                                                                                                                                                                                                                                                                 1995

                                                                                                                                                                                                                                                                                                          2000

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   2005

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            2010

                                                                                                      Jahr                                                                                                                                                          Jahr

                                                                   Winterweizen                                Sommergetreide

                                                                   Gerste                             Hafer                        Sonstiges

          Abb. 5 Veränderung in der absoluten Größe der Getreideanbaufläche und in den Anteilen der wichtigsten Getreidearten in Niedersachsen und
                  Schleswig-Holstein seit 1950 (nach Daten der Statistischen Landesämter von Niedersachsen und Schleswig-Holstein)

12      2. Entwicklungen in der Landwirtschaft in Deutschland I 2.2 Ökologisch relevante strukturelle Veränderungen im Ackerland                                                                                                                                                                                                                                    2. Entwicklungen in der Landwirtschaft in Deutschland I 2.2 Ökologisch relevante strukturelle Veränderungen im Ackerland   13
Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg - Misserfolge, Erfolge, neue Wege
Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege                                                                                                                                                                                                                                                Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege

                                                                                                                                                                                                         3036 Wittenberge                                                                                                         2722 Elsdorf                                                                                               3726 Hohenhameln
                                    3.500.000

                                                                                                                                                          Log10 (Häufigkeit)

                                                                                                                                                                                                                                                                 Log10 (Häufigkeit)

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Log10 (Häufigkeit)
                                                                                                                                                                               2,0                                                                                                    2,0                                                                                                                              2,0

                                    3.000.000                                                                                                                                  1,0                                                                                                    1,0                                                                                                                              1,0

                                    2.500.000                                                                                                                                  0,0                                                                                                    0,0                                                                                                                              0,0

                                                                                                                                                                                     0 bis 2

                                                                                                                                                                                               2 bis 5

                                                                                                                                                                                                                      10 bis 15

                                                                                                                                                                                                                                  15 bis 20

                                                                                                                                                                                                                                              20 bis 25

                                                                                                                                                                                                                                                          > 25

                                                                                                                                                                                                                                                                                            0 bis 2

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       2 bis 5

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              10 bis 15

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          15 bis 20

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          20 bis 25

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      > 25

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             0 bis 2

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          2 bis 5

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   10 bis 15

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               15 bis 20

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           20 bis 25

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       > 25
                                                                                                                                                                                                           5 bis 10

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   5 bis 10

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        5 bis 10
                 Anbaufläche [ha]

                                    2.000.000
                                                                                                                                                                                                         Schlaggröße [ha]                                                                                                        Schlaggröße [ha]                                                                                                   Schlaggröße [ha]

                                    1.500.000                                                                                                                                                            3333 Költze Ost                                                                                                         3623 Gehrden                                                                                                             3211 Holte

                                                                                                                                                          Log10 (Häufigkeit)

                                                                                                                                                                                                                                                                 Log10 (Häufigkeit)

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Log10 (Häufigkeit)
                                                                                                                                                                               2,0                                                                                                    2,0                                                                                                                              2,0

                                    1.000.000
                                                                                                                                                                               1,0                                                                                                    1,0                                                                                                                              1,0

                                      500.000
                                                                                                                                                                               0,0                                                                                                    0,0                                                                                                                              0,0

                                                                                                                                                                                     0 bis 2

                                                                                                                                                                                               2 bis 5

                                                                                                                                                                                                                      10 bis 15

                                                                                                                                                                                                                                  15 bis 20

                                                                                                                                                                                                                                              20 bis 25

                                                                                                                                                                                                                                                          > 25

                                                                                                                                                                                                                                                                                            0 bis 2

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       2 bis 5

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              10 bis 15

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          15 bis 20

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          20 bis 25

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      > 25

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             0 bis 2

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          2 bis 5

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   10 bis 15

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               15 bis 20

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           20 bis 25

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       > 25
                                                                                                                                                                                                           5 bis 10

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   5 bis 10

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        5 bis 10
                                            0
                                                   1949-1951         61-63          73-75               85-87       97-99          2008-2011                                                             Schlaggröße [ha]                                                                                                        Schlaggröße [ha]                                                                                                   Schlaggröße [ha]

                                    Winterweizen       Sommerweizen                    Sommergerste                   Wintergerste                                                                       3033 Woltersdorf                                                                                               2929 Bad Bevensen                                                                                                           2813 Edewecht

                                                                                                                                                          Log10 (Häufigkeit)

                                                                                                                                                                                                                                                                 Log10 (Häufigkeit)

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Log10 (Häufigkeit)
                                                                                                                                                                               2,0                                                                                                    2,0                                                                                                                              2,0

          Abb. 7 Veränderung der Anbauflächen der wichtigsten Getreidearten (außer Mais) in Deutschland seit 1950 (BMELV, Statistische Jahrbücher)
                                                                                                                                                                               1,0                                                                                                    1,0                                                                                                                              1,0

                                                                                                                                                                               0,0                                                                                                    0,0                                                                                                                              0,0

        Nach der vergleichenden Auswertung historischer Luftbilder                     damals weniger dichten Feldinneren, also auf der ganzen

                                                                                                                                                                                     0 bis 2

                                                                                                                                                                                               2 bis 5

                                                                                                                                                                                                                      10 bis 15

                                                                                                                                                                                                                                  15 bis 20

                                                                                                                                                                                                                                              20 bis 25

                                                                                                                                                                                                                                                          > 25

                                                                                                                                                                                                                                                                                            0 bis 2

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       2 bis 5

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              10 bis 15

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          15 bis 20

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          20 bis 25

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      > 25

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             0 bis 2

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          2 bis 5

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   10 bis 15

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               15 bis 20

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           20 bis 25

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       > 25
                                                                                                                                                                                                           5 bis 10

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   5 bis 10

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        5 bis 10
        aus den 1950er-/1960er-Jahren und heutiger Aufnahmen in                        Ackerfläche, vorkamen. Bezieht man dies in die Berechnung
        zehn Regionen Norddeutschlands stieg die mittlere Ackerschlag-                 ein, beträgt der Verlust an potenziell besiedelbarer Ackerfläche
                                                                                                                                                                                                         Schlaggröße [ha]                                                                                                        Schlaggröße [ha]                                                                                                   Schlaggröße [ha]
        größe von 1,24 (± 0,03) auf 4,83 (± 0,24) ha. Sie nahm also                    nicht nur 50 Prozent, sondern rund 95 Prozent – das entspricht
        um den Faktor 3,9 zu (Abb. 8 und 9). Die Schlaggröße variiert                  einem Rückgang von 100 auf 4 Prozent (Abb. 10).
        dabei regional in den drei Bundesländern erheblich (Abb. 9).                                                                                                                                      3024 Dorfmark

                                                                                                                                                          Log10 (Häufigkeit)
        In den 1950er-/1960er-Jahren lagen die mittleren Feldgrößen                                                                                                            2,0

        in den zehn Testregionen zwischen 0,91 und 2,25 ha. Heute                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Alle 10 Luftbilder
        schwanken die Mittelwerte zwischen 2,92 und 13,10 ha.                                                                                                                                                                                                                                                                3,0
                                                                                                                                                                               1,0

                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Log10 (Häufigkeit)
        Die Zusammenlegung von Flächen erlaubt heutzutage einen
        intensiveren Maschineneinsatz. Sie reduziert aber auch den                                                                                                             0,0
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             2,0
        Anteil der Ackerfläche, die in einem Landschaftsausschnitt

                                                                                                                                                                                     0 bis 2

                                                                                                                                                                                               2 bis 5

                                                                                                                                                                                                                      10 bis 15

                                                                                                                                                                                                                                  15 bis 20

                                                                                                                                                                                                                                              20 bis 25

                                                                                                                                                                                                                                                          > 25
                                                                                                                                                                                                           5 bis 10
        auf Ackerränder entfällt. Letztere sind für die Segetalflora und
        einige Ackervögel als Resthabitat von besonderer Bedeutung.                                                                                                                                                                                                                                                          1,0
                                                                                                                                                                                                         Schlaggröße [ha]
        Die Auswertungen in den zehn Testregionen ergaben, dass
        in den 1950er-/1960er-Jahren aufgrund der geringeren Schlag-
        größe im Mittel 8,5 Prozent der Ackerfläche auf Ackerränder                                                                                                                                                                                                                                                          0,0
        entfielen, wobei die Spanne zwischen 5,8 und 11,7 Prozent

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              0 bis 2

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      2 bis 5

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             10 bis 15

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              15 bis 20

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    20 bis 25

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        > 25
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       5 bis 10
        lag. Nach floristischen Untersuchungen kann man annehmen,
        dass eine reichere Segetalflora aufgrund von Lichtmangel und
        Pestizideinsatz heute nur in einem etwa 2 m breiten feld­                                                                                                                                    früher                                           heute                                                                                                                            Schlaggröße [ha]
        umlaufenden Randstreifen existieren kann.5 2013 hat sich
        dieser Anteil an Vorzugshabitaten im Schnitt auf 4 Prozent
        verringert – das entspricht der Hälfte der Fläche in den
        1950er-/1960er-Jahren. Die Spanne reichte hierbei von 2,7                                                                                         Abb. 8 Häufigkeitsverteilung der Schlaggröße (Log-Skala) in zehn ausgewählten Ackerbauregionen Niedersachsens und Sachsen-Anhalts nach
                                                                                                                                                                  ­Luftbildauswertungen für die 1950er-/1960er-Jahre (dunkelgrüne Balken) und heute (2013; hellgrüne Balken) (Messtischblattnummern an
        bis 5 Prozent (Abb. 10). Hinzu kommt, dass in den 1950er-/                                                                                                 der Abbildungsbasis; mittlere Verteilung für alle Flächen: rechts unten)
        1960er-Jahren artenreiche Ackerwildkrautbestände auch im                       5
                                                                                            van Elsen 1994

14      2. Entwicklungen in der Landwirtschaft in Deutschland I 2.2 Ökologisch relevante strukturelle Veränderungen im Ackerland                                                                                  2. Entwicklungen in der Landwirtschaft in Deutschland I 2.2 Ökologisch relevante strukturelle Veränderungen im Ackerland                                                                                                                                                                    15
Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg - Misserfolge, Erfolge, neue Wege
Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Seit den 1950er-/1960er-Jahren wächst der Einsatz von                                         Verteilung des ­Einsatzes fehlen. Vor allem Kartoffeln, Raps
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             ­Pestiziden deutlich. Das hat dazu geführt, dass heute die                                    und Winterweizen werden intensiv gespritzt.
                                                                                                                                           18                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Ackerfläche Deutschlands flächendeckend vor allem mit
                                                                                                                                                                                                                                                früher
                                                                                                                                           16                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 ­Herbiziden und Fungiziden in einer Dosis von etwa 5 bis
                                                                                                                                           14                                                                                                   heute                                                                                                                                                                                                                                                                                                          10 kg ha-1 behandelt wird (Abb. 11).6 Allein im Zeitraum 1994
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               bis 2011 nahm der Verkauf von Pestiziden in Deutschland                                    6
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Nentwig 2005

                                                                                                                Schlaggröße [ha]
                                                                                                                                           12
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               um rund 50 Prozent zu7, wobei präzise Zahlen zur regionalen                                7
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               BVL 2012, BMELV 2012
                                                                                                                                           10
                                                                                                                                                  8
                                                                                                                                                  6
                                                                                                                                                  4
                                                                                                                                                  2
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         50.000
                                                                                                                                                  0

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Mittel alle 10 Flächen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         45.000

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            3726 Hohenhameln
                                                                                                                                                                                                          2929 Bad Bevensen

                                                                                                                                                                                                                                                                                        3036 Wittenberge
                                                                                                                                                                                                                                                       3033 Woltersdorf

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      3333 Költze Ost
                                                                                                                                                                                         2813 Edewecht

                                                                                                                                                                                                                                   3024 Dorfmark

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        3623 Gehrden
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         40.000
                                                                                                                                                                   2722 Elsdorf

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         3211 Holte
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         35.000

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         30.000

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Verkauf in t
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         25.000
          Abb. 9 Mittlere Schlaggröße der Felder in zehn ausgewählten Ackerbauregionen Niedersachsens und Sachsen-Anhalts in den 1950er-/1960er-Jahren
                  (dunkelgrüne Balken) und heute (2013; hellgrüne Balken) nach Luftbildauswertungen (Messtischblattnummern an der Abbildungsbasis; Mittel aller                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          20.000
                  ­Flächen: rechte Balken)
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         15.000

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         10.000

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          5.000
          Zunahme der Schlaggröße
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               0

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  2009
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       1994
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              1995
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     1996
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            1997
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   1998
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          1999
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 2000
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        2001
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 2002
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        2003
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               2004
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      2005
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             2006
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    2007
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           2008

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         2010
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                2011
                                    12                                                                                                                                                                                                                                                                                   100
                                                                                                                                                                                                                                                                          Anteil potenzielle Ackerwildkrauthabitate[%]

                                    10
            Anteil Randfläche [%]

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          80
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Herbizide                   Fungizide                     Insektizide und Acarizide
                                     8
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          60                                                                                                                                                                                                                                                             Inerte Gase                   Andere                      Gesamt
                                     6
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          40
                                     4
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Abb. 11 Entwicklung der Menge der in Deutschland verkauften Pestizide seit 1994 (aus Jahn et al. 2013, BVL 2012 und BMELV 2012)

                                     2                                                                                                                                                                                                                                                                                    20

                                     0                                                                                                                                                                                                                                                                                        0
                                                                                                                                                                                                                              Mittel alle 10 Flächen

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Mittel alle 10 Flächen
                                                                                                                                                                                                          3726 Hohenhameln

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 3726 Hohenhameln
                                                                         2929 Bad Bevensen

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         2929 Bad Bevensen

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Der Einsatz von mineralischen P- und K-Düngern ist seit 1980                                  Kennzahlen bemessen: Im bundesweiten Mittel stieg der
                                                                                                                                   3036 Wittenberge

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                3036 Wittenberge
                                                                                                             3033 Woltersdorf

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             3033 Woltersdorf
                                                                                                                                                                       3333 Költze Ost

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                3333 Költze Ost
                                                        2813 Edewecht

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        2813 Edewecht
                                                                                             3024 Dorfmark

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               3024 Dorfmark

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             stark rückläufig und hat fast das Nachkriegsniveau erreicht.                                  Winterweizenertrag seit den 1950er-/1960er-Jahren um fast
                                                                                                                                                                                           3623 Gehrden

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  3623 Gehrden
                                         2722 Elsdorf

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         2722 Elsdorf

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Dagegen ist im Zuge der agrarischen Intensivierung der Ver-                                   das 2,5-Fache an (von weniger als 30 auf ungefähr 71 dt ha-1).
                                                                                                                                                      3211 Holte

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   3211 Holte

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             brauch von mineralischem N-Dünger im Acker- und Grünland                                      Jener des Körnermaises nahm sogar um etwa das 3,5-Fache
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Schleswig-Holsteins um das Achtfache und in Niedersachsen                                     (von unter 30 auf circa 100 dt ha-1) zu (Abb. 13).8
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             um das Vierfache angestiegen. Seit den 1980er-Jahren ist der
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             N-Düngerverbrauch in Niedersachsen leicht rückläufig und
                                                                        früher                                                                                                                                                                                                                                                                                          früher (gesamte Fläche besiedelbar)                                                                                                                                                  beträgt heute circa 110 bis 120 kg N ha-1 a-1. In Schleswig-
                                                                        heute                                                                                                                                                                                                                                                                                           früher (2 m Randstreifen)                                                                                                                                                             Holstein nahm er hingegen noch bis in jüngste Zeit zu und
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              erreichte hohe Werte um 200 kg N ha-1 a-1 (Abb. 12). Zu
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        heute (2 m Randstreifen)
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             ­berücksichtigen ist dabei, dass Festmist- und Gülledüngung
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             in diesen Zahlen nicht enthalten sind. Deren Eintrag war auch
          Abb. 10 Für die Segetalflora wertvolle Habitate in der Ackerlandschaft Norddeutschlands in den 1950er-/1960er-Jahren (dunkelgrüne Balken) und heute                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               schon vor 1980 relativ hoch. Er vergrößert die Nährstoffüber-
                   (2013) (hellgrüne Balken; in Prozent der Fläche des Ackerlands); Ergebnis von Luftbildauswertungen in den zwei Zeitabschnitten in zehn aus­                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               schüsse der landwirtschaftlichen Nutzfläche zusätzlich.
                   gewählten Ackerbauregionen Niedersachsens und Sachsen-Anhalts (Messtischblattnummern an der Abbildungsbasis; Mittel aller Flächen);
                   ­berechnet wurde die Fläche eines 2 m breiten umlaufenden Feldrandes; für die 1950er-/1960er-Jahre wurde zusätzlich angenommen, dass auch
                  das Feldinnere von der Ackerflora besiedelt war (blaue Balken)
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Die Intensivierung des Ackerbaus in Deutschland in den ver-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             gangenen 50 bis 60 Jahren lässt sich auch durch folgende                                      8
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Statistisches Bundesamt, Wiesbaden

16      2. Entwicklungen in der Landwirtschaft in Deutschland I 2.2 Ökologisch relevante strukturelle Veränderungen im Ackerland                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           2. Entwicklungen in der Landwirtschaft in Deutschland I 2.2 Ökologisch relevante strukturelle Veränderungen im Ackerland                    17
Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg - Misserfolge, Erfolge, neue Wege
Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      2.3 Ökologisch relevante strukturelle Veränderungen im Grünland
                                                          Niedersachsen                                                                                                                                                Schleswig-Holstein
                                           300                                                                                                                                                                   300
           Düngerlieferung (kg ha-1 a-1)

                                                                                                                                                                                 Düngerlieferung (kg ha-1 a-1)
                                           250                                                                                                                                                                   250

                                                                                                                                                                                                                                                                                                    N                 Der Flächenverlust war für die Bestände der charakteristischen                                                weniger intensiv genutzten, bis zu dreischürigen Wiesen. Ab
                                           200                                                                                                                                                                   200
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Grünlandpflanzen und Vögel folgenreich. Noch gravierender                                                     etwa 1970 wurden diese Nutzungsformen jedoch zunehmend
                                           150                                                                                                                                                                   150
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      war allerdings, dass die Habitate des mittleren und feuchten                                                  in intensiv gedüngte Mähumtriebsweiden umgewandelt.
                                                                                                                                                            N                                                                                                                                                         Grünlands durch Nutzungsintensivierung schleichend ent-                                                       ­Damit einher ging eine häufige und frühzeitige Mahd vor allem
                                           100                                                                                                                                                                   100                                                                                                  wertet wurden. Vor allem die Erhöhung der Mahdfrequenz,                                                        für die Silagegewinnung, meist in Kombination mit intensiver
                                                                                                                                                                                                                                                                                                    K
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      die Vorverlegung des ersten Mahdtermins und die Steigerung                                                     Beweidung. Auf Mähweiden entfielen 2010 rund 71, 63 und
                                            50                                                                                                              K                                                     50
                                                                                                                              P                                                                                                                                                                                       der mineralischen Düngung spielten dabei eine große Rolle                                                      38 Prozent der Grünlandfläche in Niedersachsen, Sachsen-
                                                                                                                                                                                                                                                                               P
                                             0                                                                                                                                                                     0
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      (Abb. 12). Noch in den 1950er-/1960er-Jahren bestand das                                                       Anhalt und Schleswig-Holstein (Abb. 14).
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Grünland fast ausschließlich aus Dauerweiden und mehr oder
                                                              1950

                                                                         1955

                                                                                1960

                                                                                        1965

                                                                                               1970

                                                                                                          1975

                                                                                                                     1980

                                                                                                                             1985

                                                                                                                                    1990

                                                                                                                                            1995

                                                                                                                                                     2000

                                                                                                                                                                2005

                                                                                                                                                                       2010

                                                                                                                                                                                                                       1950

                                                                                                                                                                                                                              1955

                                                                                                                                                                                                                                     1960

                                                                                                                                                                                                                                            1965

                                                                                                                                                                                                                                                   1970

                                                                                                                                                                                                                                                          1975

                                                                                                                                                                                                                                                                 1980

                                                                                                                                                                                                                                                                        1985

                                                                                                                                                                                                                                                                                   1990

                                                                                                                                                                                                                                                                                          1995

                                                                                                                                                                                                                                                                                                 2000

                                                                                                                                                                                                                                                                                                        2005

                                                                                                                                                                                                                                                                                                               2010
                                                                                                                 Jahr                                                                                                                                            Jahr
                                                           Sachsen-Anhalt
                                           300
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Niedersachsen                                                                                   Schleswig-Holstein
           Düngerlieferung (kg ha-1 a-1)

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        1,4                                                                                             0,5
                                           250
                                                                                                                                                                                      Gelieferte Reindüngermengen pro
                                                                                                                                                                                      ­landwirtschaftliche Nutzfläche                                                                                                                                   1,2                                                                                                                             Mähweiden

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Grünlandfläche [in Mio. ha]

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Grünlandfläche [in Mio. ha]
                                           200                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          0,4
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        1,0
                                           150                                                            K                                                                                                                                                                                                                                                                        Mähweiden
                                                                                                                                                              N                                                                                                                                                                                                                                                                                         0,3
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        0,8                                                                                                              Viehweiden
                                           100                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Viehweiden
                                                                                               P                                                                                                                                                                                                                                                        0,6
                                                                                                                                                                                      Abb. 12                                                                                                                                                                                                                                                          0,2
                                            50                                                                                                                                        Entwicklung des Mineraldüngerverbrauchs in der Landwirtschaft
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        0,4                            Streuwiesen
                                                                                                                                                                                      der drei Bundesländer seit 1950; aufgetragen sind die gelieferten                                                                                                                                                                                                                                          Streuwiesen
                                                                                                                                                                                      Reindünger­mengen an N, P und K pro landwirtschaftliche Nutzfläche;                                                                                                                                                                                               0,1
                                             0                                                                                                                                                                                                                                                                                                          0,2          Wiesen                                                                                             Wiesen
                                                                                                                                                                                      nicht enthalten sind die Ausbringung von organischem Dünger (Gülle
                                                                  1965

                                                                            1970

                                                                                       1975

                                                                                                   1980

                                                                                                              1985

                                                                                                                            1990

                                                                                                                                    1995

                                                                                                                                              2000

                                                                                                                                                            2005

                                                                                                                                                                       2010

                                                                                                                                                                                      und Festmist), die zusätzliche Düngereinträge darstellen (nach Daten                                                                                               0                                                                                               0
                                                                                                                                                                                      der Statistischen Landesämter von Niedersachsen, Schleswig-Holstein
                                                                                                                 Jahr                                                                 und Sachsen-Anhalt)                                                                                                                                                     1950    1960      1970    1980    1990      2000     2010                                       1950   1960     1970    1980     1990     2000     2010

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Jahr                                                                                          Jahr
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Sachsen-Anhalt
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       0,25

                                                                           120

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Grünlandfläche [in Mio. ha]
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       0,20

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Viehweiden
                                                                           100                                                                                                                                                                                                                                                                         0,15

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Mähweiden
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       0,10
                                                                                80
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       0,05
                                                 Ertrag [dt/ha]

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Wiesen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Abb. 14
                                                                                60                                                                                                                                                                                                                                                                       0                                                                                          Veränderung in der Gesamtfläche des Dauergrünlands (oberste Linie)
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              1950    1960      1970    1980    1990      2000     2010                             und Anteile verschiedener Grünland-Nutzungsformen seit 1950 in den
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    drei Bundesländern (nach Daten der Statistischen Landesämter von
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Jahr                                                         Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt)
                                                                                40

                                                                                20
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Historische und rezente Luftbilder sowie Vegetationskarten                                                    38 Prozent durch Umwandlung in Intensivgrünland und
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      von sechs Grünlandregionen in den Flussauen Norddeutsch-                                                      19 Prozent durch Ackerumbruch verloren.
                                                                                 0                                                                                                                                                                                                                                    lands – von der Ems im Westen bis zur Havel im Osten –
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      wurden flächenscharf ausgewertet. Daraus ergab sich ein
                                                                                                   1

                                                                                                   4

                                                                                                   7

                                                                                                   0

                                                                                                   3

                                                                                                   6

                                                                                                   9

                                                                                                   2

                                                                                                   5

                                                                                                   8

                                                                                                   1

                                                                                                   4

                                                                                                   7

                                                                                                   0

                                                                                                   3

                                                                                                   6

                                                                                           02 9

                                                                                           05 4

                                                                                           08 7

                                                                                                   1
                                                                                                95

                                                                                                -5

                                                                                                -5

                                                                                                -6

                                                                                                -6

                                                                                                -6

                                                                                                -6

                                                                                                -7

                                                                                                -7

                                                                                                -7

                                                                                                -8

                                                                                                -8

                                                                                                -8

                                                                                                -9

                                                                                                -9

                                                                                                -9

                                                                                                 9
                                                                                         20 200

                                                                                         20 200

                                                                                                01

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Rückgang des ehemals verbreiteten artenreichen mesophilen
                                                                                         20 7-
                                                                                             52

                                                                                             55

                                                                                             58

                                                                                             61

                                                                                             64

                                                                                             67

                                                                                             70

                                                                                             73

                                                                                             76

                                                                                             79

                                                                                             82

                                                                                             85

                                                                                             88

                                                                                             91

                                                                                             94
                                                                                       -1

                                                                                             -2
                                                                                             9

                                                                                             -

                                                                                             -
                                                                                   49

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      (mittelfeuchten) Grünlands um im Durchschnitt 84 Prozent
                                                                                19

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      seit den 1950er-/1960er-Jahren. Im Feuchtgrünland reduzier-
                                                                          Winterweizen                                               Sommerweizen                                                                Roggen                            Wintergerste                                                       ten sich die artenreichen Habitate um 85 Prozent.9 40 Prozent
                                                                          Sommergerste                                                     Hafer                              Körnermais                                                Raps und Rübsamen                                                             der einstigen Fläche des mesophilen Grünlands wurden in
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Intensivgrünland überführt und 36 Prozent in Ackerland
          Abb. 13 Entwicklung der Erträge verschiedener Feldfrüchte in Deutschland seit 1950 (Statistisches Bundesamt)                                                                                                                                                                                               ­umgebrochen (Abb. 15). Von der vormaligen Feuchtgrünland-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       fläche gingen in den vergangenen fünf bis sechs Jahrzehnten                                                  9
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            Krause et al. 2011

18      2. Entwicklungen in der Landwirtschaft in Deutschland I 2.2 Ökologisch relevante strukturelle Veränderungen im Ackerland                                                                                                                                                                                                                                         2. Entwicklungen in der Landwirtschaft in Deutschland I 2.3 Ökologisch relevante strukturelle Veränderungen im Grünland                         19
Maisanbau und Biogasanlage – vielerorts das typische Bild der heutigen Agrarlandschaft
                   Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege                                                                                                                                                 Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege

                                                                                                                                                                                    3. V
                                                                                                                                                                                        eränderungen in der Vegetation der nord-
                                                                                                                                                                                       und mitteldeutschen Agrarlandschaft

                                                                                                                                                                                    3.1 Diversitätsveränderungen
© Hermann Hötker

                                                                                                                                                                                    3.1.1 Diversitätsveränderungen im Ackerland

                                                                                                                                                                                    Um die Veränderungen der Diversität der Gefäßpflanzen im                Vergleiche der Stetigkeit der Arten in den Aufnahmen zeigen
                                                                                                                                                                                    Ackerland zu untersuchen, wurden 392 Wiederholungs­                     zudem, dass viele ehemals verbreitete Arten der Äcker heute
                                                                                                                                                                                    aufnahmen in zehn Ackerbauregionen Nord- und Mittel-                    nur noch selten vorkommen. Einige Arten sind regional oder
                                                                                                                                                                                    deutschlands herangezogen. Bei den Flächen handelte                     überregional sogar bereits ausgestorben. Viele von ihnen
                                                                                                                                                                                    es sich um Sand-, Lehm- und Kalkäcker. Die Aufnahmen                    werden dennoch nicht einmal auf den Roten Listen der
                                                                                                                                                                                    stammen aus Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen                    ­Bundesländer oder Deutschlands geführt. Insgesamt nahmen
                                        100 %                                                               100 %
                                                                                                                                                                                    und Brandenburg. Ihre Auswertung ergab, dass der regio-                  in den zehn untersuchten Ackerbauregionen 42 charakteris-
                                          90 %                                                               90 %
                                                                                                                                                                                    nale Artenpool (kumulative Gesamtzahl an Gefäßpflanzen                   tische Arten der Ackerwildkrautflora signifikant und meist stark
                                          80 %                                                               80 %
                                                                                                                                                                                    auf den Untersuchungsflächen) von den 1950er-/1960er-                    ab. Heute sind sie sowohl im Feldinneren als auch an den
                                          70 %                                                               70 %
                                                                                                                                                                                    Jahren bis 2009 von insgesamt 301 auf 233 Arten abnahm.                  Ackerrändern selten und zum Teil sogar ganz verschwunden.
                                          60 %                                                               60 %
                                                                                                                                                                                    Das entspricht im Mittel einem Rückgang um 23 Prozent.10                 Weitere neun Arten nahmen deutlich ab, sind allerdings an
                                          50 %                                                               50 %                                                                   Gleichzeitig sank die mittlere Diversität (Artenzahl pro                 den Rändern noch relativ verbreitet. Weitere acht Arten sind
                                          40 %                                                               40 %                                                                   ­Vege­tationsaufnahme) im Feldinneren von 24 auf 7 Arten pro             durch einen generellen Rückgang in der Stetigkeit gekenn-
                                          30 %                                                               30 %                                                                    Fläche und damit im Schnitt um 71 Prozent. Besonders groß               zeichnet, wenngleich sie noch relativ häufig (hohe Stetigkeit
                                          20 %                                                               20 %                                                                    waren die Arten­verluste in den artenreichen Kalkäckern und             im Aufnahmematerial) vorkommen. Und 16 Arten zeigten im
                                          10 %                                                               10 %                                                                    am geringsten in den Sandäckern.11 Auch in den Sandäckern               Feldinneren starke Stetigkeitsverluste, sind jedoch heute an
                                           0%                                                                 0%                                                                     verschwanden jedoch ­viele charakteristische Arten und wur-             den Rändern noch ähnlich verbreitet.
                                                         Historisch                    2008                                 Historisch                    2008                       den teilweise durch Gene­ralisten ersetzt. An den weniger
                                                                                                                                                                                     intensiv bewirtschafteten Ackerrändern waren die Verluste
                                                  Grünland-feucht                 Grünland-meso.                    Grünland-intens.              Stauden etc.                       weniger drastisch als im Feldinneren, aber immer noch                  10
                                                                                                                                                                                                                                                                  Meyer et al. 2013
                                                                                                                                                                                     schwerwiegend.                                                         11
                                                                                                                                                                                                                                                                 Meyer et al. 2013
                                                  Wald / Gebüsch                 Acker               Gewässer                 Siedlung/Gärten

                             Abb. 15 Landnutzungsänderungen im artenreichen mesophilen Grünland (links) bzw. Feuchtgrünland (rechts) in sechs Untersuchungsgebieten in
                                      ­Fluss­auen Norddeutschlands im Zeitraum 1950er-/1960er-Jahre (historisch) bis heute (2008) (Angaben in Prozent; Mittel aller Gebiete); von
                                       100 ha artenreichem mesophilen Grünland verblieben im Mittel rund 5 Prozent, von 100 ha Feuchtgrünland etwa 13 Prozent; die anderen
                                                                                                                                                                                    3.1.2 Diversitätsveränderungen im Grünland
                                       ­Flächen w
                                                ­ urden vor allem in Äcker und Intensivgrünland umgewandelt (nach Krause et al. 2011 und unveröff.)

                                                                                                                                                                                    Zur Untersuchung der Diversitätsveränderungen der Gefäß-                darunter Elymus repens, Lolium perenne, Phleum pratense,
                                                                                                                                                                                    pflanzen im Grünland wurden Wiederholungsaufnahmen nach                 Rumex obtusifolius und Urtica dioica. Die Größe der Aufnahme­
                                                                                                                                                                                    50 bis 60 Jahren in sechs Grünlandregionen in den norddeut-             flächen variierte zwischen 16 und mehr als 40 m2. Pro Fläche
                                                                                                                                                                                    schen Flussauen betrachtet. Sie lassen erkennen, dass 23                ging die Artenzahl im Mittel von 27 Arten in den 1950er-/
                                                                                                                                                                                    charakteristische Pflanzenarten des feuchten und mesophilen             1960er-Jahren auf 19 Arten im Jahr 2008 zurück. Das ent-
                           Fazit                                                                                                                                                    Grünlands in ihrer Stetigkeit im Aufnahmematerial signifikant           spricht einem Minus von 30 Prozent. Der regionale Artenpool
                                                                                                                                                                                    um 16 bis 100 Prozent abnahmen. Als Kriterium wurde die                 im mesophilen und feuchten Grünland blieb mit jeweils rund
                                                                                                                                                                                    signifikante Stetigkeitsreduktion in drei der fünf Gebiete heran­       260 Arten früher und heute praktisch gleich. Allerdings fand
                           Seit 1950 haben in der Agrarlandschaft Deutschlands                              Flächenanteil ein, verschwanden aber seither fast voll-                 gezogen. Bei den meisten Taxa handelte es sich um ehemals               ein erheblicher Arten-Turnover statt: Eine Reihe von Arten –
                           erhebliche strukturelle Veränderungen mit Auswirkungen                           ständig. Der Verbrauch von Pestiziden und Mineraldünger                 häufige Arten des mesophilen und feuchten Grünlands, die                meist charakteristische Taxa des Grünlands – verschwand
                           auf die Biodiversität stattgefunden. Der Grünlandanteil                          sowie der Ernteertrag pro ha stiegen deutlich an, während               in der Regel nicht auf den Roten Listen der Länder oder                 aus den Unter­suchungsgebieten und wurde durch andere
                           ist vor allem in den vergangenen Jahren stark gesunken.                          die Vielfalt angebauter Kulturfrüchte sank. Der Ackerbau                Deutschlands gelistet sind. Hierzu zählen zum Beispiel Silene           Arten ersetzt. Diese stammen oft aus anderen Lebensräumen.
                           Die Flächen artenreichen mesophilen Grünlands gingen                             in Deutschland wird derzeit durch Wintergetreide, Mais                  flos-cuculi, Angelica sylvestris, Anthoxanthum odoratum,
                           in Norddeutschland um rund 84 Prozent, die des Feucht-                           und Raps dominiert. Aufgrund steigender Flurstück­größen                Centaurea jacea, Ranunculus acris und Cardamine pratensis
                           grünlands um 85 Prozent zurück. Brachen nahmen vor                               halbierte sich die Ackerrandfläche seit 1950. Die von der               (Tab. 2).12 Besonders starke Verluste traten bei insekten­
                           allem während der Phase der obligatorischen Flächen-                             Segetalflora besiedelbare Fläche reduzierte sich seit                   bestäubten Pflanzen auf. Sieben konkurrenzstarke, durch N
                           stilllegung zwischen 1993 und 2007 einen beträchtlichen                          1950/1960 um rund 95 Prozent.                                           stark geförderte Graslandpflanzen nahmen signifikant zu,                12
                                                                                                                                                                                                                                                                  Wesche et al. 2012

                   20      2. Entwicklungen in der Landwirtschaft in Deutschland I 2.3 Ökologisch relevante strukturelle Veränderungen im Grünland / Fazit                                                        3. Veränderungen in der Vegetation der nord- und mitteldeutschen Agrarlandschaft I 3.1 Diversitätsveränderungen    21
Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege                                                                                                                                          Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege

        3.2 Geschätzte Populationsverluste von Pflanzen der Kulturlandschaft                                                                          3.3.2 Grünland
             seit den 1950er-/1960er-Jahren
                                                                                                                                                       Artenreiches Grünland zu schützen ist nur möglich, wenn eine               Im Feuchtgrünland und in den Trockenrasen gibt es in
        Im nächsten Schritt wurden die Daten zu den Flächenverlusten              die Verluste aus Rückgängen in der Stetigkeit in den verblie-        extensive späte Mahd oder extensive Beweidung mit geringer                 Deutschland eine Reihe von kleineren und größeren Schutz-
        der Zielhabitate (artenreiches mesophiles und feuchtes Grün-              benen Habitaten.13 Für das Ackerland lassen sich ähnlich             oder gar keiner Düngung beibehalten wird. Dabei ist neben-                 gebieten mit hohem Wert für den botanischen Naturschutz.
        land, extensiv genutzte Ackerfläche) in den letzten 50 bis 60             große ­Verluste erkennen, wenn man annimmt, dass die                 sächlich, ob es sich um feuchtes, mittleres oder trockenes                 Ihre Gesamtfläche und Vernetzung ist jedoch in vielen Regi-
        Jahren mit den Befunden zu den Häufigkeitsabnahmen                        Segetal­gesellschaften vor 50 bis 60 Jahren auch große Teile         Grünland handelt. Zahlreiche Beispiele aus der deutschen                   onen ungenügend. Noch ungünstiger ist die Schutzsituation
        ­(Stetigkeitsverlusten) im Aufnahmematerial der zehn bezie-               des Feldinneren besiedelt hatten. Heute kommen sie in meist          Naturschutzpraxis belegen, dass der Schutz von Flächen des                 beim mittleren (mesophilen) Grünland. Das liegt daran, dass
         hungsweise sechs Untersuchungsgebiete kombiniert. Auf                    verarmter Ausprägung – wenn überhaupt – nur noch an den              Feuchtgrünlands und von Halb- und Volltrockenrasen in                      diese mittelfeuchten, meist fruchtbaren Böden in der Regel
         diese Weise lässt sich die Abnahme der Populationsgröße                  Ackerrändern vor. Diese nehmen im Mittel 4 Prozent der nord-         floristischer Hinsicht erfolgreich sein kann. Wiederholungs-               beackert werden. Hier gibt es in Norddeutschland nur noch
         charakteristischer Arten auf Landschaftsebene grob abschätzen.           deutschen Ackerlandschaft ein.                                       aufnahmen der Vegetation konnten belegen, dass die ­Diversität             wenige Prozent des vor 50 Jahren vorhandenen artenreichen
         Für das mesophile und feuchte Grünland ergeben sich daraus                                                                                    erhalten und Populationen bedrohter charakteristischer Grün-               Grünlands. Am ehesten gelang es, das mesophile Grünland
         wahrscheinliche Häufigkeitsverluste von 95 bis mehr als                                                                                       landarten ausdauern konnten. Ein eindrucksvolles Beispiel                  in ertragsschwachen Mittelgebirgsgegenden durch gut
         99 Prozent. Hauptursache hierfür ist, dass die geeignete                                                                                      des erfolgreichen Feuchtwiesenschutzes in botanischer Hin-                 ­geplante und betreute Programme des Vertragsnaturschutzes
         Habitat­fläche kleiner wurde. Zu einem kleineren Teil resultieren        13
                                                                                        Wesche et al. 2009                                            sicht ist die Untere Havelaue in Brandenburg. Sie steht seit                wie in der Eifel zu erhalten.20
                                                                                                                                                       den 1960er-Jahren unter Naturschutz. Hier konnten die
                                                                                                                                                       ­Bestände der meisten Zielarten erhalten werden (Tab. 2).18
                                                                                                                                                        Als zweites Beispiel aus Norddeutschland sei die erfolgreiche
        3.3 Bisherige Schutzmaßnahmen – Bewertung aus botanischer Sicht                                                                                 Renaturierung großer Feuchtwiesenflächen im Ochsenmoor am
                                                                                                                                                        Dümmer (Niedersachsen) genannt. Dort konnten sich dank                    18
                                                                                                                                                                                                                                       Burkart 1998, Wesche et al. 2012
        3.3.1 Ackerland                                                                                                                                 gut geplanter Wiedervernässung verbunden mit Aushagerung                  19
                                                                                                                                                                                                                                        Blüml et al. 2012; zur Praxis der Grünland-Renaturierung,
                                                                                                                                                        die Populationen vieler stark gefährdeter Feuchtwiesenpflanzen                  s. Rosenthal & Hölzel 2009
                                                                                                                                                        erholen. Andere Arten wanderten zudem wieder ein (Tab. 3).19              20
                                                                                                                                                                                                                                       Schumacher et al. 2013
        In vielen mitteleuropäischen Regionen wurde in den vergan-                Aufbau eines Netzes von dauerhaften Schutzäckern (Feld­
        genen Jahrzehnten versucht, herbizidfreie Ackerrandstreifen               flora-Reservate). Auf ihnen darf keine Mineraldüngung und
        zu schaffen. Dies glückte nur zum Teil. In diesen Randstreifen            Pestizidbehandlung stattfinden, es muss flache Pflugfurchen,
        konnte eine beachtliche Vielfalt an Ackerwildkräutern erhalten            winterliche Stoppel und eine angepasste Fruchtfolge geben.
        werden, indem die Düngung reduziert oder ganz unterlassen                 Wichtig ist dabei, die Schutzziele höher als die Ertragsziele
        wurde. Manchmal wurde auch die Saatdichte verringert.14                   zu bewerten.17 Ein ermutigendes überregionales Schutz­
        Diese durch Ausgleichszahlungen finanzierten Programme                    programm für die hochbedrohte Segetalflora ist das von der

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            © S. Meyer
        haben vor allem in ertragsschwachen Regionen wie der Eifel                Universität Göttingen in Zusammenarbeit mit regionalen
        auf Grenzertragsböden starke Populationen seltener Segetal­               ­Akteuren eingerichtete bundesweite Programm „100 Äcker
        pflanzen hervorgebracht. Auf ertragreichen Böden mit hohem                 für die Vielfalt“. Es konnte bis Herbst 2013 rund 110 floristisch
        Intensivierungsgrad ist der Erfolg dagegen unsicher, und der               wertvolle Äcker mit einer Gesamtfläche von etwa 400 ha in
        notwendige wirtschaftliche Ausgleich zeigt sich schwierig.                 13 Bundesländern langfristig vertraglich für den Biodiversitäts­
        Hier fördern ungespritzte Randstreifen aufgrund vorhandener                schutz sichern. Um vitale Populationen zu erhalten und ein
        Nährstoffüberschüsse oft die Massenentwicklung von Problem­                Mindestmaß an Genfluss zu gewährleisten, muss dieses
        pflanzen wie Galium aparine, Stellaria media, Cirsium arvense              Schutzackersystem zu einem möglichst flächendeckenden
        und anderen Acker-Nitrophyten.                                             Netzwerk in der Ackerlandschaft ausgebaut werden.

         Dauerhaften Erfolg hatten Ackerrandstreifen-Programme nur
         in wenigen Regionen. Das liegt daran, dass schnell wech-
         selnde politische Vorgaben oder gar der Wegfall der Förderung
         nicht die notwendige Kontinuität schaffen konnten, um die
         Segetalflora dauerhaft zu erhalten. Zu große Bürokratie und
         oft nicht ausreichende Kompensationszahlungen haben
         ­zudem mancherorts zu einem Desinteresse der Landwirte
          geführt.15 Der ökologische Landbau erhöht die Anzahl der
          Pflanzenarten auf Äckern meist deutlich im Vergleich zu
        ­konventionellen Äckern.16 Dennoch wird der Beitrag des Öko-
          landbaus für den Schutz seltener Segetalpflanzen meist als
          recht gering eingeschätzt. Ein Grund dafür ist, dass auch hier
          intensiv mit hoher Saatdichte gewirtschaftet werden muss.
          Somit finden die stark spezialisierten Zielarten des Natur­
                                                                                  14
                                                                                        Schumacher 1984
          schutzes keine geeigneten Lebensräume mehr.
                                                                                  15
                                                                                       Meyer et al. 2008

        Um die Segetalflora und die sie besiedelnden Invertebraten                16
                                                                                       van Elsen 2000
        (Wirbellose) dauerhaft zu schützen, empfiehlt sich daher der              17
                                                                                       Meyer et al. 2010

22      3. Veränderungen in der Vegetation der nord- und mitteldeutschen Agrarlandschaft I 3.2 Geschätzte Populationsverluste von Pflanzen der         3. Veränderungen in der Vegetation der nord- und mitteldeutschen Agrarlandschaft I 3.3 Bisherige Schutzmaßnahmen – Bewertung aus botanischer Sicht              23
        ­Kulturlandschaft seit den 1950er-/1960er-Jahren / 3.3 Bisherige Schutzmaßnahmen – Bewertung aus botanischer Sicht                                                                                                                                        Acker-Rittersporn, früher in unseren Äckern weit verbreitet
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