Neue Beschäftigungsverhältnisse Daten, Fakten, Argumente
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Vorwort zur zweiten Auflage Die Erwerbstätigkeit hat in Deutschland in den letzten Jahren Nicht immer wird der Arbeitsmarkt von einer so positiven kon- eine rasante Entwicklung genommen, von einem Beschäfti- junkturellen Entwicklung gestützt werden. Die Arbeitsmarkt- gungsboom wird gesprochen. Dabei haben flexible Beschäfti- regulierung muss deshalb behutsam umgesetzt werden. Eine gungsformen an Bedeutung gewonnen. Die Konrad-Adenauer- kluge Politik sollte deshalb nur dort ansetzen, wo tatsächlicher Stiftung hat sich bereits im Jahr 2013 mit diesen „Neuen Handlungsbedarf besteht, ohne dabei das Gesamtgefüge in Beschäftigungsverhältnissen“ beschäftigt. Angesichts der Frage zu stellen. In der vergangenen Legislaturperiode wurden Dynamik am Arbeitsmarkt und der damit einhergehenden bereits einige Neuregelungen, bspw. im Bereich der Zeitarbeit Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmendaten, legen wir oder bei der Abgrenzung von Selbstständigkeit und abhängiger eine zweite aktualisierte Auflage dieses Ringbuchs auf. Beschäftigung, umgesetzt. Und auch der aktuelle Koalitions- vertrag der Regierungsparteien hält in dieser Hinsicht einige Neue Beschäftigungsverhältnisse sind zu prägenden Merk- Vorhaben bereit. malen des deutschen Arbeitsmarktes geworden. Sie werden in Abgrenzung zur unbefristeten Vollzeitbeschäftigung in der Wir wollen mit der vorliegenden Broschüre diese Debatte öffentlichen Diskussion häufig als atypisch oder gar prekär begleiten. Die vorliegende Fakten- und Argumente-Sammlung kritisiert. Bei genauerer Betrachtung lässt sich eine solche soll dabei zu einer Versachlichung der Diskussion um flexible generelle Kritik nicht aufrechterhalten. Die positiven Effekte Formen der Beschäftigung beitragen. neuer Beschäftigungsverhältnisse für Arbeitnehmer bei einer Wir wünschen viel Spaß bei der Lektüre! passgenauen Erwerbskonstellation und für Arbeitgeber bei der Flexibilität der Arbeitsorganisation lassen sich kaum von der Hand weisen.
Inhalt Neue Vielfalt auf dem Arbeitsmarkt 4 Befristete Beschäftigung 12 Teilzeitarbeit 20 Geringfügige Beschäftigung 27 Zeitarbeit 34
Neue Vielfalt auf dem Arbeitsmarkt Was eine Gesellschaft als ein „normales“ Arbeitsverhältnis Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Betriebe ihren wahrnimmt, ist in der Regel historisch und kulturell geprägt. Personalbestand schneller an Auftragseinbrüche und Produk- In Deutschland ist das „Normalarbeitsverhältnis“ bezüglich tionsspitzen anpassen können. Ihr Bedarf an Arbeitnehmern, Arbeitslohn und Arbeitszeit traditionell darauf ausgerichtet, die man sehr kurzfristig und zeitlich befristet einstellen kann, eine Familie ernähren zu können (Modell des männlichen ist größer geworden. Familienernährers) und die arbeitsfreie Zeit weitgehend auto- nom gestalten zu können (vorgegebene Normalarbeitszeit). Gleichzeitig befindet sich die Gesellschaft im Wandel. Das traditionelle Familienmodell (der Mann übernimmt die Seit den 1990er Jahren haben sich neben dem Normalarbeits- gesamte Erwerbsarbeit und die Frau die Familien- und Haus- verhältnis zunehmend noch andere Formen der Beschäftigung arbeit) wurde durch andere Familienmodelle ergänzt. Frauen entwickelt. Sie spiegeln sowohl die geänderten Bedürfnisse der sind heute deutlich besser qualifiziert und viele möchten auch Unternehmen als auch der Beschäftigten wider. So hat zum nach der Familiengründung berufstätig sein. Die Nachfrage Beispiel die Bedeutung des Dienstleistungssektors deutlich nach Arbeitsverhältnissen, die kürzere Arbeitszeiten vorsehen zugenommen. Viele Dienste haben einen hohen Personal- und sich dadurch besser mit familiären Aufgaben vereinbaren bedarf abseits der Normalarbeitszeiten – wenn ihre Kunden lassen, ist daher gestiegen. Die neuen Beschäftigungsverhält- Feierabend haben. Der Bedarf an zeitlich flexiblen Beschäfti- nisse – befristete Beschäftigung, Teilzeitbeschäftigung, gering- gungsverhältnissen ist daher deutlich gestiegen. Die Industrie fügige Beschäftigung und Zeitarbeit – haben sich mittlerweile ist von einer zunehmenden Verknüpfung von Produkt und als fester Bestandteil in der deutschen Arbeitsmarktordnung Dienstleistung geprägt. Ihre Auftragslage hängt darüber hinaus etabliert. Sie sind aber weit davon entfernt, das Normalarbeits- heute stärker von der Weltkonjunktur ab und hat dadurch an verhältnis abzulösen. Volatilität zugenommen.
Mehr Beschäftigung durch mehr Vielfalt Als Normalarbeitsverhält- Während im Zeitraum 1996 bis 2006 die atypische Beschäftigung per Saldo auf Kosten des nis definiert das Statistische Normalarbeitsverhältnisses zunahm, hat sich die Situation nach den Agenda-Reformen Bundesamt Arbeitnehmer, gewandelt. Seit 2006 hat sich die Anzahl der Erwerbstätigen deutlich erhöht. Zugelegt hat die in Vollzeit, unbefristet dabei vor allem die Beschäftigung im Normalarbeitsverhältnis. Die atypische Beschäftigung und außerhalb der Zeitarbeit wuchs hingegen unterdurchschnittlich. Das Normalarbeitsverhältnis wurde nicht verdrängt, beschäftigt sind. Außerdem sondern gestärkt. Die Expansion ging zu Lasten des inaktiven Anteils der Bevölkerung. werden Teilzeitbeschäftigte mit einer Arbeitszeit von mehr als 20 Std. hinzugezählt. Erwerbstätige nach Erwerbsform Bevölkerung nach Erwerbsform in Prozent in Prozent Normalarbeitnehmer Normalarbeitnehmer Sonstige Erwerbstätige Als atypisch zählen Teilzeitbe- atypisch Beschäftigte atypisch Beschäftigte Inaktive schäftigte mit einer Arbeits- Selbstständige Selbstständige zeit bis 20 Std. in der Woche Sonstige Erwerbstätige 100 (einschl. geringfügig Beschäf- 23,6 tigter), befristet Beschäftigte 50.000 80 35,2 31,9 und Zeitarbeitnehmer. 7,9 40.000 6,3 4.287 4,9 6,9 2.725 3.465 3.755 60 7,5 Selbstständige, mithelfende 6,3 14,1 30.000 3.511 4.131 Familienangehörige und Er- 7.655 9 13,8 4.986 7.574 40 werbstätige, die sich in Bildung 20.000 oder Ausbildung befinden, 44,6 40,4 47,4 20 werden separat erfasst. 10.000 24.760 22.173 25.641 0 0 1996 2006 2016 1996 2006 2016 Quellen: Statistisches Bundesamt, Institut der deutschen Wirtschaft Neue Vielfalt auf dem Arbeitsmarkt 5
Teilzeitarbeit: Größter Anteil der neuen Beschäftigungsverhältnisse Häufig wird unterstellt, dass Nicht alle Formen der neuen Beschäftigungsverhältnisse haben die gleiche Bedeutung für mit der Solo-Selbstständig- den deutschen Arbeitmarkt. So ist Teilzeitarbeit am Stärksten verbreitet. Außerdem hat die keit ein neuer Trend zur Beschäftigung in Teilzeit mit über 20 Std. in der Woche stark zugelegt. Noch stärker wuchs massenhaften Prekarisierung nur die Zeitarbeit, in der aber lediglich 2,5 Prozent der Beschäftigten arbeiten. einhergeht. Diese Beschäfti- gungsform gewinnt jedoch vor allem in Form von Experten- tum und Wissensarbeit in der arbeitsteiligen, digitalisierten Erwerbstätige in Erwerbsform Arbeitswelt an Bedeutung. 1.000 Personen 1996 2006 2016 Insgesamt ist die Anzahl der Solo-Selbstständigen in den Vollzeit letzten zehn Jahren nicht an- Teilzeit über 20 Std./Woche gestiegen, sondern gesunken. Teilzeit unter 20 Std./Woche, Minijobs befristet Beschäftigte Zeitarbeitnehmer Solo-Selbstständige Andere Selbstständige 0 5.000 10.000 15.000 20.000 25.000 Kernerwerbstätige ohne Personen in Bildung/Ausbildung; Mehrfachnennungen möglich; Quellen: Statistisches Bundesamt Neue Vielfalt auf dem Arbeitsmarkt 6
Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf Expansionskurs Im Jahr 2011 wurde eine neue Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wird oft mit „regulärer“ Beschäftigung Klassifikation der Berufe ein- gleichgesetzt, weil sie eine standardisierte soziale Absicherung bietet. Auch wenn damit ver- geführt. In der Folge mussten drängt wird, dass auch andere Formen der sozialen Sicherung adäquat sein können, ist die Arbeitgeber ihre Meldungen sozialversicherungspflichtige Beschäftigung seit 2005 deutlich angestiegen. Der Zuwachs war an die Sozialversicherung zuletzt sogar deutlich größer als bei der Erwerbstätigkeit. Im Umkehrschluss heißt das, dass überarbeiten. Dabei zeigte nicht-sozialversicherungspflichtige Erwerbsformen wie Minijobs, Beamte und Selbstständige sich unter anderem, dass viele an Bedeutung verlieren. bisher als vollzeitbeschäftigt gemeldete Arbeitnehmer Sozialversicherungspflichtige Beschäftigte mittlerweile teilzeitbeschäftigt sind – dies in den Meldungen 35.000.000 Insgesamt zuvor aber nicht aktualisiert Vollzeit worden war. Daher ergibt sich 30.000.000 Teilzeit in diesem Jahr ein (überwie- gend statistisch bedingter) 25.000.000 Niveausprung. 20.000.000 15.000.000 10.000.000 5.000.000 0 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Quelle: Bundesagentur für Arbeit Neue Vielfalt auf dem Arbeitsmarkt 7
Wer arbeitet in den neuen Beschäftigungsverhältnissen? Fast 70 Prozent der neuen Insgesamt sind überwiegend Frauen in den neuen Beschäftigungsverhältnissen tätig. Sie Beschäftigungsverhältnisse dominieren vor allem in Teilzeit- und Minijobs. Allein in der Zeitarbeit sind mehrheitlich werden von Frauen ausgeübt. Männer beschäftigt. Im Schnitt sind die Arbeitnehmer der neuen Beschäftigungsverhältnisse weniger qualifiziert als Normalarbeitnehmer. Mehr als jeder fünfte Arbeit- nehmer in den neuen Be- schäftigungsverhältnissen hat keine abgeschlossene Berufs- ausbildung. Normalarbeitsverhältnisse und nach Geschlecht nach beruflichem Bildungsabschluss nach Altersgruppen Frauen mit Berufsabschluss Meister/Techniker/ 15–25 45–55 Männer ohne Berufsabschluss Hochschulabschluss 35–45 55–65 25–35 Neue Beschäftigungsverhältnisse Kernerwerbstätige ohne Personen in Bildung/Ausbildung; jeweils in Prozent; Quelle: Statistisches Bundesamt, Stand: 2016 Neue Vielfalt auf dem Arbeitsmarkt 8
Die Lohnstruktur: Kein eindeutiges Bild Im Mittel wurden die neuen Das Lohnniveau der neuen Beschäftigungsverhältnisse ist im Vergleich zum Normalarbeits- Beschäftigungsverhältnisse verhältnis durchschnittlich niedriger. Begründet liegt dies unter anderem in der durchschnitt- 2014 mit 10,59 Euro die Stun- lich geringeren Qualifikation der Beschäftigten und der Art der Tätigkeitsfelder – weshalb die de entlohnt. Lohnstruktur deutlich zwischen den verschiedenen neuen Beschäftigungsformen variiert. Im Bereich der Minijobs und der Zeitarbeit werden überdurchschnittlich viele Jobs angeboten, für die keine Mittlere Bruttostundenlöhne der Beschäftigten nach Beschäftigungsform formale Qualifikation nötig ist. Erwerbstätige (ohne Auszubildende), in Euro Die Löhne sind daher durch- schnittlich niedriger. Zeitarbeit In Teilzeit oder auf befristeter geringfügige Beschäftigung Basis arbeiten hingegen auch viele höher Qualifizierte. Die Teilzeit (unter 20 Std./Woche) Durchschnittslöhne sind ent- sprechend höher. befristete Beschäftigung neue Beschäftigungsformen Normalarbeitsverhältnis 0 5 10 15 20 Quelle: Statistisches Bundesamt, Stand: 2014 Neue Vielfalt auf dem Arbeitsmarkt 9
Erwerbsarbeit: Der beste Schutz vor Armut Die vergleichsweise hohe Arbeitnehmer der neuen Beschäftigungsverhältnisse verdienen – vielfach auch einer redu- Armutsgefährdungsquote der zierten Arbeitszeit geschuldet – durchschnittlich weniger als normale Vollzeitbeschäftigte. Beschäftigten in Minijobs hat Dennoch können Sie vor allem im Vergleich zur Arbeitslosigkeit ihre soziale Lage oftmals ver- mehrere Gründe. bessern. Die Armutsgefährdungsquote sinkt mit der Aufnahme einer Beschäftigung deutlich. Einerseits handelt es sich oft um ALG II-Empfänger. Da ein Einkommen von bis zu 100 Euro nicht auf das Trans- Armutsgefährdungsquote nach Erwerbsform fereinkommen angerechnet Personen mit einem Nettoäquivalenzeinkommen von weniger als 60 Prozent des Median, in Prozent wird, nutzen viele einen Minijob, um ihre Bezüge zu ergänzen. 80 Anderseits sind unter den 70 Minijobbern viele Schüler 60 und Studenten, die oft einen 50 Nebenjob auf geringfügiger 40 Basis haben. 30 20 10 0 Vollzeit Teilzeit Selbstständig geringfügig befristet arbeitslos insgesamt beschäftigt beschäftigt Quellen: SOEP v33.1, Institut der deutschen Wirtschaft, Stand: 2015 Neue Vielfalt auf dem Arbeitsmarkt 10
Übergänge zwischen den Beschäftigungsverhältnissen Unbefristete Vollzeitbeschäf- Die Übergänge zwischen den verschiedenen Erwerbsformen zeigen, dass der Arbeitsmarkt tigung und Selbstständigkeit besonders bei den neuen Beschäftigungsverhältnissen dynamisch ist. Vor allem zuvor nicht sind die stabilsten Erwerbs- Erwerbstätige finden oft über die neuen Beschäftigungsverhältnisse einen ersten Einstieg formen. 78 Prozent (bzw. in den Arbeitsmarkt. Allerdings gehen Arbeitnehmer der neuen Beschäftigungsverhältnisse 75 Prozent) haben nach fünf auch häufiger in die Arbeitslosigkeit oder Nichterwerbstätigkeit. Jahren ihre Erwerbsform nicht gewechselt. 19 Prozent der zuvor Arbeits- Individuelle Übergänge zwischen den Erwerbsformen losen arbeitet nach fünf Personen im erwerbsfähigen Alter, in Zeilenprozent Jahren in einem der neuen Beschäftigungsverhältnisse. 2008 unbefristet befristet unbefristet selbstständig geringfügig arbeitslos/ Etwa genauso viele haben Vollzeit Vollzeit Teilzeit beschäftigt nicht eine unbefristete Vollzeitstelle 2003 erwerbstätig gefunden. unbefristet Vollzeit 78 2 4 2 1 11 befristet Vollzeit 49 15 6 5 3 16 23 Prozent der zuvor nicht Erwerbstätigen haben über unbefristet Teilzeit 13 1 54 1 7 18 die neuen Beschäftigungsver- selbstständig 5 1 0 75 1 11 hältnisse einen Einstieg in den geringfügig beschäftigt 12 5 14 4 34 22 Arbeitsmarkt gefunden. arbeitslos 18 7 6 3 6 53 nicht erwerbstätig 9 6 8 2 7 57 Quellen: SOEP, Institut der deutschen Wirtschaft Neue Vielfalt auf dem Arbeitsmarkt 11
Befristete Beschäftigung Befristete Arbeitsverhältnisse sind für die Funktionsfähigkeit Neben sachgrundlosen Befristungen, die auf maximal des Arbeitsmarktes aus verschiedenen Gründen wichtig. zwei Jahre begrenzt sind und nur bei Neueinstellungen Zum einen führt der strikte Kündigungsschutz für unbe- vorgenommen werden können, haben Befristungen mit fristete Arbeitsverträge dazu, dass sich Unternehmen nicht Sachgrund eine große Bedeutung für den deutschen Arbeits- ohne weiteres von einem Mitarbeiter trennen können. Eine markt. So ermöglichen es moderne Tarifverträge und die Kündigung ist für sie mit höheren Kosten (z.B. Abfindungs- neue Gesetzgebung den Arbeitnehmern, aus verschiedenen zahlungen) verbunden. Die Möglichkeit eines befristeten Gründen „Auszeiten“ vom Job zu nehmen. Zum Beispiel Arbeitsvertrages bedeutet für ein Unternehmen daher eine um Familie und Beruf besser miteinander zu vereinbaren wichtige Flexibilität: Einerseits kann es dadurch in wirtschaft- (Elternzeit, Pflegezeit) oder um lebenslanges Lernen zu lich schwachen Zeiten Verträge unbürokratisch „auslaufen“ ermöglichen (Bildungsurlaub, Sabbatical). Die Unternehmen lassen, womit in vielen Fällen überhaupt erst eine Einstel- brauchen Instrumente wie die Befristung, um solche Flexi- lung ermöglicht wird. Andererseits kann es durch einen bilitätsanforderungen von Arbeitnehmern und dem Gesetz- befristeten Vertrag einen neuen Mitarbeiter kennenlernen. geber zu erfüllen. Gerade Berufseinsteigern kommt diese längere „Probezeit“ zugute. Sie können in der Regel nur wenige Arbeitszeugnisse vorlegen und dadurch ihre Fähigkeiten und Kenntnisse nur bedingt belegen. Befristete Verträge geben ihnen die Chance, sich einem Unternehmen zu beweisen und diesen Nachteil gegenüber erfahrenen Arbeitnehmern auszugleichen.
Wichtige Gesetzesänderungen: 1985 Beschäftigungsförderungsgesetz Ein Arbeitgeber kann einen Arbeitnehmer ohne einen Deregulierung: Befristung ohne sachlichen Grund wurde bis sachlichen Grund für maximal zwei Jahre zeitlich befristet zu 18 Monate zulässig. einstellen. Daran anschließend kann er ihn nur dann weiter im Unternehmen beschäftigen, wenn er ihn unbefristet 2001 Teilzeit- und Befristungsgesetz übernimmt. Deregulierung: Befristung ohne sachlichen Grund wurde bis Anders ist dies, wenn ein sogenannter Sachgrund vorliegt, zu 24 Monate zulässig. die Befristung also an einen Sinn und Zweck gebunden ist. Regulierung: Befristung nur bei Neueinstellung, höchstens Dazu gehört zum Beispiel die Vertretung im Rahmen des dreimalige Vertragsverlängerung Mutterschutzes oder der Elternzeit. Befristungen mit Sach- grund können auch mehrfach hintereinander verlängert 2003 Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt werden. Deregulierung: Befristung ohne sachlichen Grund wurde in Start-ups und für Arbeitnehmer ab Vollendung des 52. Lebensjahres auf vier bzw. fünf Jahre verlängert. 2018 Pläne zur Befristung Die Pläne der Regierungskoalition sehen vor, die sachgrund- lose Befristung nur noch für 2,5 Prozent der Beschäftigten zuzulassen. Außerdem soll die Dauer der Befristung mit Sachgrund eingeschränkt werden.
Seit 18 Jahren: Kein Anstieg der Befristungsquote Bis 2004 wurden die Befra- Befristete Verträge haben in den letzten zwanzig Jahren nicht an Bedeutung gewonnen – gungen des Mikrozensus ein- auch nicht bei Jüngeren. 2016 lag die Befristungsquote bei unter zehn Prozent und damit auf mal jährlich im Frühjahr durch- etwa dem gleichen Niveau wie 2005. Der Niveausprung zwischen den Jahren 2004 und 2005 geführt. Seit 2005 werden die ist ein statistischer Effekt und darf nicht als Anstieg fehlinterpretiert werden. Befragungen über das ganze Jahr verteilt: Befristete Beschäftigung, die es vor 2005 auch schon gab, aber aufgrund der Befragung Befristete Beschäftigungsverhältnisse im Frühjahr nie erfasst wurde Anteil an allen abhängig Erwerbstätigen (ohne Auszubildende) in Prozent (z.B. Erntehelfer im Herbst 30 unter 30-Jährige oder Aushilfen im Weihnachts- Insgesamt geschäft), wird seit 2005 25 mitgezählt. 20 15 10 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 19 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Quellen: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus, Institut der deutschen Wirtschaft Befristete Beschäftigung 14
Viele befristete Neueinstellungen, aber auch viele unbefristete Übernahmen Der Anteil der unbefristeten Übernahmen aus Befristun- Knapp jede zweite Neueinstellung ist zunächst zeitlich befristet. Der Anteil der befristeten gen ist seit 2007 von 30 auf Neueinstellungen verharrt dabei seit 2007 auf einem nahezu konstanten Niveau. 38 Prozent angestiegen. Dem- Das Ende eines befristeten Vertrages mündet in 38 Prozent aller Fälle in einer Übernahme, gegenüber sank der Anteil der in 35 Prozent aller Fälle in einer Verlängerung und nur in 28 Prozent aller endgültigen Trennungen von Fälle in einem Personalabgang. 37 auf 28 Prozent. Anteil der befristeten Neueinstellungen in Prozent 60 50 40 30 20 10 0 14 15 16 11 12 13 07 08 09 10 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Quellen: IAB-Betriebspanel, IAB Befristete Beschäftigung 15
Auf die Probe gestellt: Berufseinsteiger Die meisten Befristungen Befristungen dienen vielen Betrieben als Erprobungsinstrument. Vor allem Berufseinsteiger dauern relativ kurz. Nur jede sind deshalb zunächst befristet beschäftigt: Der Anteil der Befristungen ist bei jungen Arbeit- zehnte ist auf mehr als nehmern sehr hoch, nimmt mit zunehmenden Alter (und Berufserfahrung) jedoch zügig ab. 36 Monate angelegt. Befristete Beschäftigung nach Altersgruppen Anteil an allen Erwerbstätigen (ohne Auszubildende) in Prozent 50 40 30 20 10 0 15–20 20–25 25–30 30–35 35–40 40–45 45–50 50–55 55–60 60–65 Quellen: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus, Institut der deutschen Wirtschaft, Stand: 2016 Befristete Beschäftigung 16
Sehr hoch oder sehr niedrig qualifiziert – und oft befristet beschäftigt Universitäten sind anderen Befristungsregelungen unter- Die Gründe für hohe Befristungsanteile sind sehr unterschiedlich: Geringqualifizierte Arbeit- worfen, um ihren Charakter nehmer führen oft nur einfache Tätigkeiten mit vorübergehendem Bedarf aus (zum Bei- als Ausbildungsstätte zu erhal- spiel Hilfskräfte in der Gastronomie oder Landwirtschaft). Akademiker arbeiten oft für den ten. Sie dürfen wissenschaft- akademischen Mittelbau an Universitäten und Forschungsinstituten, ihre Jobs sind meist auf liche Mitarbeiter bis zu ihrer ein Projektvorhaben hin befristet. Promotion bzw. bis zu ihrer Habilitation jeweils für mehre- re Jahre befristet einstellen. Befristete Beschäftigung nach Qualifikation Anteil an allen Erwerbstätigen (ohne Auszubildende) in Prozent 15 12 9 6 3 0 Lehre/Fachschule Hochschulaschluss Ohne beruflichen Abschluss Quellen: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus, Institut der deutschen Wirtschaft, Stand: 2016 Befristete Beschäftigung 17
Befristungsgründe für Arbeitgeber: Unsicherheit und begrenzter Bedarf Für die mitunter aufgestellte Behauptung, Unternehmen Für private Unternehmen sind befristete Verträge vor aus drei Gründen nützlich: Erstens würden Arbeitsverträge be- können sie so einen von vornherein zeitlich begrenzten Arbeitskräftebedarf decken. fristen, um die Arbeitnehmer Zweitens bieten Befristungen die Chance, einen Arbeitnehmer hinsichtlich seiner Eignung zu höheren Leistungen zu mo- zu prüfen. Drittens sind befristete Verträge für Unternehmen eine zentrale Antwort auf tivieren, findet sich kein Beleg. Unsicherheit bezüglich der Entwicklung der Auftragslage. Beim öffentlichen Dienst tritt zur Nur 1,6 Prozent der Unterneh- wirtschaftlichen Unsicherheit die befristete Finanzierung der Stellen hinzu. men nennen die Motivations- steigerung als zentrales Motiv Wichtigster Grund für den Einsatz von befristeten Verträgen der Befristung. in Prozent 100 Wirtschaftliche Unsicherheit Befristete Finanzierung der Stellen 80 Eingungstest Befristeter Ersatzbedarf Befristeter zusätzlicher Bedarf 60 Motivationssteigerung Sonstige Gründe 40 20 0 Privatwirtschaft Öffentlicher Dienst Wissenschaft Quelle: IAB, Stand: 2009 Befristete Beschäftigung 18
Befristete Verträge: Überproportional häufig im öffentlichen Dienst Der hohe Anteil der Befristun- gen unter den Arbeitnehmern Angestellte im öffentlichen Dienst sind weit häufiger befristet beschäftigt als Arbeitnehmer in der Länder erklärt sich vor al- der Privatwirtschaft. Dies ist auch ein Resultat des gesetzlichen Rahmens. Denn die Begren- lem durch den Wissenschafts- zung von Haushaltsmitteln eines öffentlichen Arbeitgebers kann als Sachgrund für eine bereich, der mit dem Wissen- Befristung gelten (Haushaltsbefristung). Auf sachgrundlose Befristungen ist die öffent- schaftszeitvertragsgesetz auf liche Hand kaum angewiesen. eine erleichterte Regulierung zurückgreifen kann. Befristet Beschäftigte Anteil in Prozent 30 25 20 15 10 5 0 Bund Land Kommune Sozialversicherung Privatwirtschaft Öffentlicher Dienst Stand: 2014, Ohne Auszubildende und Beamte; Quelle: IAB Befristete Beschäftigung 19
Teilzeitarbeit Unabhängig von konjunkturellen Entwicklungen hat der Teilzeitarbeit wird von Arbeitnehmern also aus verschiede- Anteil der Teilzeitbeschäftigung an der gesamten Beschäf- nen Gründen nachgefragt. Rein rechtlich sind Teilzeitarbeits- tigung langfristig zugenommen. Mit ca. zehn Millionen verhältnisse gegenüber Vollzeitarbeitsverhältnissen gleich- Arbeitnehmern arbeitet heute rund ein Viertel aller Beschäf- gestellt, zum Beispiel in Bezug auf Weiterbildungsangebote, tigten unter 32 Wochenstunden, wodurch Teilzeitarbeit den Beförderungen oder in den Sozialversicherungen. größten Anteil an den neuen Beschäftigungsverhältnissen einnimmt. Ein Grund für diese Entwicklung auf dem Arbeits- markt sind gesellschaftliche Veränderungen. Der Wandel des Familienmodells erhöht die Nachfrage nach flexiblen Arbeitszeitmodellen, um Familie und Beruf besser miteinander zu vereinbaren. Teilzeitarbeit wird vor allem von Frauen genutzt, häufig um neben der Betreuung von Kindern noch einer Erwerbsarbeit nachzugehen. In den letzten Jahren hat auch der Anteil der Teilzeit arbeitenden Männer deutlich zugenommen – wenngleich auf einem niedrigeren Niveau. Männer stellen heute ein Fünftel aller Teilzeitbeschäftigten, nutzten die reduzierte Arbeitszeit jedoch vorwiegend, um sich neben dem Beruf weiterzuqualifizieren. Eine weitere Gruppe, die verstärkt Teilzeitarbeit nachfragt, sind ältere Beschäftigte. Altersteilzeitmodelle ermöglichen einen flexiblen Übergang in die Rente.
Große Dynamik unabhängig der Konjunktur Seit dem Höhepunkt der Die Teilzeitarbeit nimmt unabhängig von der allgemeinen konjunkturellen Entwicklung zu. Arbeitsmarktkrise 2005 sind Seit einigen Jahren ist bei den Beschäftigungsverhältnissen mit geringer Stundenzahl – diese über 2,4 Millionen Teilzeit- schließen Minijobs mit ein – jedoch keine Zunahme mehr zu beobachten. Sehr dynamisch stellen neu entstanden. entwickelt sich hingegen das Segment der vollzeitnahen Teilzeit. 1,1 Millionen davon sehen eine Arbeitszeit von 20 bis 31 Stunden vor. Das stärks- te Wachstum verzeichnete jedoch mit 37 Prozent das Teilzeitbeschäftigte nach normalerweise geleisteten Stunden / Woche Segment der vollzeitnahen 1.000 Personen Teilzeit mit 32 bis 35 Wochen- 15 32 bis 35 Stunden* stunden. 20 bis 31 Stunden unter 20 Stunden 12 9 6 3 0 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 19 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 * 2013, 2015, 2016: 32 bis 36 Stunden; Quellen: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus Teilzeitarbeit 21
(Wieder-)Einstieg in den Beruf durch Teilzeit Von 2006 bis 2016 ist die Er- Für viele Frauen sind Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse eine gute Möglichkeit um nach einer werbstätigenquote der Frauen Phase der Kinderbetreuung einen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu finden. Dies geht von 61 auf 71 Prozent an- jedoch nicht auf Kosten der Vollzeitbeschäftigung. Die Zunahme der Teilzeitarbeit wurde viel- gestiegen. Mehr als die Hälfte mehr begleitet durch einen deutlichen Rückgang an nichterwerbstätigen bzw. erwerbslosen der zusätzlich erwerbstätigen Frauen. Frauen ist vollzeitbeschäftigt. Erwerbsbeteiligung von Frauen Anteil an der weiblichen Bevölkerung (15–64 Jahre) in Prozent 100 erwerbslos oder nichterwerbstätig Selbstständig oder mithelfende 38,6 29,4 Familienangehörige 80 Abhängig teilzeitbeschäftigt 5,0 (unter 20 Std. pro Woche) 60 12,1 Abhängig teilzeitbeschäftigt 5,4 12,0 (20 Std. pro Woche und mehr) 18,2 abhängig vollzeitbeschäftigt 40 13,7 (32 Std. pro Woche und mehr) 20 35,4 30,2 0 2006 2016 Quellen: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus, Institut der deutschen Wirtschaft Teilzeitarbeit 22
Zwischen Beruf und Familie: Erwerbswünsche von Frauen Auch ohne die Notwendigkeit Vier von fünf Männer bevorzugen eine Vollzeitbeschäftigung – unabhängig davon, ob Kinder von Kinderbetreuung bevor- im Haushalt zu betreuen sind oder nicht. Dahingegen will nur ein Drittel der Frauen mit Kin- zugen 38 Prozent der Frauen dern in Vollzeit arbeiten. Aber auch die Frauen, die keine Betreuungsverpflichtungen haben, Teilzeit – aber nur 18 Prozent bevorzugen häufiger als Männer eine Teilzeitbeschäftigung. der Männer. Wunscharbeitszeit von abhängig Beschäftigten In Prozent bis 20 Std. 20 bis unter 35 Std. 35 std.und mehr 3,8 16,1 80,2 Männer mit Betreuungsverpflichtung 19,5 49,0 31,4 Frauen mit Betreuungsverpflichtung 4,8 13,6 81,6 Männer ohne Betreuungsverpflichtung 7,8 30,1 62,1 Frauen ohne Betreuungsverpflichtung 0 20 40 60 80 100 Quellen: SOEP v32, Institut der deutschen Wirtschaft, Stand: 2015 Teilzeitarbeit 23
Teilzeitarbeit bei Männer: Zunehmend beliebt Der Anteil der Teilzeit arbei- Obwohl Teilzeitarbeit weiterhin überwiegend eine Frauendomäne ist, entscheiden sich tenden Männer ist in den auch immer mehr Männer für eine kürzere Arbeitszeit. Während Teilzeitarbeit für Frauen letzten zehn Jahren von 8,9 vor allem die Chance für einen Einstieg in den Arbeitsmarkt ist, reduzieren Männer ihre auf 10,7 Prozent gestiegen. Arbeitszeit aus verschiedenen Gründen. Seit 2006 ist die Anzahl erwerbstätiger Männer stark gestiegen. Die Anzahl der Männer in Teilzeit nahm um rund ein Drittel zu. Die meisten neuen Jobs entstanden aber in Vollzeit. Erwerbstätige Männer nach normalerweise geleisteten Arbeitsstunden in 1.000 Personen 20.000 Teilzeit unter 20 Std. Teilzeit 20 bis 32 Std. Vollzeit 32 Std. und mehr 15.000 10.000 5.000 0 2006 2016 Quellen: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus, Stand: 2016 Teilzeitarbeit 24
Männer und Frauen: Unterschiedliche Gründe für Teilzeitarbeit Nur 12 Prozent der Teilzeit- Die Gründe für eine Teilzeitbeschäftigung sind zwischen Männern und Frauen sehr unter- beschäftigten – 17 Prozent schiedlich. Während für Frauen – insbesondere Jüngere – familiäre Verpflichtungen ein der Männer und 10 Prozent wesentliches Motiv sind, sind für Männer häufig nebenberufliche Weiterbildungen aus- der Frauen – würde eigentlich schlaggebend. Insgesamt arbeiten die meisten Menschen freiwillig in Teilzeit. Unfreiwillige lieber in Vollzeit arbeiten, kann Teilzeitbeschäftigung kommt bei Männern häufiger vor als bei Frauen. jedoch keine passende Stelle finden. Ein Drittel der Teilzeitbe- Gründe für eine Teilzeitbeschäftigung schäftigten will aus anderen in Prozent Gründen Teilzeit arbeiten. Da- 100 runter sind Personen, denen Vollzeittätigkeit nicht zu finden Ausbildung Freizeit wichtiger ist als das Krankheit, Behinderung Einkommen, das sie mit Arbeit 80 Betreuung von Kindern erzielen könnten. sonstige persönliche Verpflichtungen sonstige Gründe 60 40 20 0 Männer Frauen Frauen unter 40 Jahren Quellen: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus, Institut der deutschen Wirtschaft, Stand: 2016 Teilzeitarbeit 25
Arbeitszeitwünsche der Arbeitnehmer: Viele wollen länger, aber nicht Vollzeit arbeiten Die meisten Arbeitnehmer möchten ihre Wochenstunden weder reduzieren noch ausweiten. Dennoch entspricht bei jedem vierten Arbeitnehmer die tatsächliche nicht der gewünschten Arbeitszeit. Teilzeitbeschäftigte wünschen meist, länger zu arbeiten – allerdings nicht unbe- dingt Vollzeit. Während bei den Arbeitnehmern in vollzeitnaher Teilzeit noch jeder Fünfte eine Vollzeitstelle mit 35 oder mehr Wochenstunden anstrebt, ist es bei den Beschäftigten mit geringerer Arbeitszeit nur jeder Achte. Wöchentliche Wunscharbeitszeit abhängig Erwerbstätiger In Prozent 100 bis 15 15–25 80 25–35 35+ 60 40 20 0 bis 15 15–25 25–35 35+ Tatsächliche Arbeitszeit Quellen: SOEP, Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Stand: 2016 Teilzeitarbeit 26
Geringfügige Beschäftigung Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse sind eine beson- Nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für viele Unter- dere Art der Teilzeitbeschäftigung und machen mit nehmen sind Minijobs eine attraktive Beschäftigungsform, 7,8 Millionen Beschäftigten den zweitgrößten Anteil der denn sie ermöglichen eine hohe Flexibilität beim Personal- Neuen Beschäftigungsverhältnisse aus. Sie erfüllen für den einsatz. Vor allem Branchen wie die Gastronomie oder der Arbeitsmarkt wichtige Funktionen. Minijobs sind für den Handel, die durch lange Öffnungszeiten und ungleichmäßige Arbeitnehmer von den Sozialversicherungsbeiträgen und Kunden- bzw. Gästeströme geprägt sind, nutzen Minijobs der Einkommenssteuer befreit und ermöglichen dadurch um die Stoß- und Randzeiten abzudecken. Auch in der relativ unkompliziert eine Zusatzbeschäftigung zu den Gebäudereinigung und im Gesundheitswesen sind viele Konditionen „brutto für netto“ aufzunehmen. Besonders Minijobber beschäftigt. Schüler, Studenten und Rentner (die mit rund 42 Prozent einen Großteil der Minijobber ausmachen) profitieren von dieser Beschäftigungsform. Sie sind bereits über andere Wege sozialversichert und ein Normalarbeitsverhältnis ist für sie in der Regel weder möglich noch sinnvoll. Gleich- zeitig werden Minijobs ebenso wie Teilzeitarbeit häufiger von Frauen ausgeübt (59 Prozent). Als Hinzuverdienst zum Erwerbseinkommen des Partners ermöglicht er zum Beispiel Müttern neben der Kinderbetreuung einen niederschwelli- gen (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt.
Wichtige Gesetzesänderungen: 1999 Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen 2013 Neuregelungen der geringfügigen Beschäftigung Beschäftigung Regulierung: Anhebung der Lohnobergrenze auf 450 Euro. Regulierung: Einführung der Sozialversicherungspflicht für Einführung eine Rentensicherungspflicht für Arbeitnehmer Arbeitgeber (Pauschalabgabe in Höhe von 22 Prozent an mit Befreiungsmöglichkeit zur Förderung der Beitragszah- Kranken- und Rentenversicherung) und für Nebenerwerbs- lung auf Arbeitnehmerseite. tätige. Entkopplung der Lohnobergrenze für geringfügige Beschäftigung von der Einkommensentwicklung und Fest- Minijobs sind arbeitsrechtlich mit normalen sozialversiche- legung auf 630 DM (West) bzw. 530 DM (Ost). rungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen gleichgestellt. Für den Arbeitgeber bringen sie daher (entsprechend des 2003 Zweites Hartz-Gesetz geltenden Tarifvertrages) die gleichen Rechte und Pflichten Deregulierung: Anhebung der Lohnobergrenze von mit sich. Darunter fallen zum Beispiel Lohnfortzahlungen bei 325 Euro auf 400 Euro und Aufhebung der bisherigen Krankheit, Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubs- Arbeitszeithöchstgrenze von 15 Stunden pro Woche. Aufhe- geld und Kündigungsschutzregelungen. Häufig werden diese bung der Sozialversicherungspflicht für Nebenerwerbstätige. Rechte von Arbeitnehmern nicht eingefordert. Einführung einer eigenen Minijob-Zentrale für eine effiziente Organisation, an die auch die Pauschalabgabe des Arbeitge- bers abgeführt wird.
Seit 2005: Stabile Entwicklung der Minijobs Die geringfügig Neben- Nach einem sprunghaften Anstieg der Minijobs direkt nach den Hartz-Reformen 2003/2004 erwerbstätigen profitieren hat sich die Anzahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten nicht weiter erhöht – zum in besonderem Maße von Beschäftigungsaufbau in diesem Zeitraum haben die Minijobs also nicht beigetragen. Mit der der Hartz-Reform: Für den Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns war sogar ein leichter Rückgang ver- Verdienst aus dem zusätz- bunden. Zugenommen hat jedoch die Anzahl der Nebenjobs auf geringfügiger Basis. Dabei lichen Minijob fällt kein handelt es sich um Personen, die neben einer sozialversicherungspflichtigen Hauptbeschäfti- Arbeitnehmerbeitrag zur gung (ggf. auch in Teilzeit) einen weiteren Minijob ausüben. Sozialversicherung an und er wird nicht zusammen mit dem Anzahl der geringfügig Beschäftigten Hauptverdienst versteuert. So jeweils September kann der Zweitjob im Einzelfall ausschließlich im Nebenerwerb finanziell attraktiver sein, als 6.000.000 die Stundenzahl im Hauptjob zu erhöhen. 5.000.000 4.000.000 3.000.000 2.000.000 1.000.000 0 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Quelle: Bundesagentur für Arbeit Geringfügige Beschäftigung 29
Unbürokratischer Zusatzverdienst für Schüler, Studenten und Rentner 44 Prozent der ausschließlich geringfügig Beschäftigten sind Der Minijob ist nicht darauf ausgelegt, als Hauptbeschäftigung für den Lebensunterhalt zu Studenten oder Rentner. sorgen, sondern soll einen unbürokratischen Zusatzverdienst ermöglichen. Die typischen Minijobber sind daher auch entweder jung und üben den Minijob parallel zu einer schuli- Für Hausfrauen wird ein schen oder akademischen Ausbildung aus, oder schon im Rentenalter und nutzen einen Minijob vor allem durch die Minijob, um noch in geringem Umfang beruflich aktiv zu bleiben. beitragsfreie Mitversicherung in der gesetzlichen Kranken- versicherung attraktiv. Ausschließlich geringfügig Beschäftigte nach sozialrechtlich relevanten Gruppen 11 % 20 % Schüler, Studierende Hausfrauen/-männer Rentner 11 % Arbeitslose Sonstige 22 % 35 % Quellen: Statistisches Bundesamt, Stand: 2011 Geringfügige Beschäftigung 30
Rentenversicherung: Immer öfter optional aufgestockt Zum 1. Januar 2013 hat sich Grundsätzlich sind Minijobs als unkomplizierter Nebenverdienst für Menschen gedacht, die die Gesetzgebung geändert. bereits anderweitig sozial abgesichert sind. Deshalb müssen Minijobber keinen Beitrag in die Zuvor musste der Arbeit- gesetzliche Rentenversicherung einzahlen (und erwerben entsprechend keine Leistungsan- nehmer optional den Arbeit- sprüche). Allerdings können sie optional den pauschalen Arbeitgeberbeitrag aufstocken, um geberbeitrag in die Renten- Rentenansprüche zu erwerben. Seit 2013 ist die Anzahl der rentenversicherten Minijobber versicherung aufstocken, um deutlich gestiegen. Ansprüche zu erwerben. Seit 2013 sind alle Minijobber rentenversicherungspflichtig, Rentenversicherungspflichtige geringfügig Beschäftigte haben aber eine Austritts- Anteil an allen geringfügig Beschäftigten in Prozent option, die sie wahrnehmen können. In der Folge ist der 20 Anteil der rentenversiche- 2012 2017 rungspflichtigen Minijobber deutlich angestiegen. Die 15 meisten Arbeitnehmer lassen sich jedoch nach wie vor von den Zahlungen befreien. 10 5 0 gewerblich in Privathaushalten Quellen: Minijob-Zentrale, Stand: 4. Quartal 2017 Geringfügige Beschäftigung 31
Minijobs vor allem im Handel und Gastgewerbe Für Unternehmen dienen Minijobs oft dazu, um Rand- und Stoßzeiten abzudecken, in denen die Kundennachfrage höher als normal ist. Vor allem der Handel und das Gastgewerbe haben über den Tag und die Woche verteilt mit sehr ungleichmäßigen Kundenströmen zutun und einen entsprechend hohen Bedarf an zeitlich flexibel einsetzbaren Arbeitskräften. Fast jeder vierte Minijobber ist in einer dieser beiden Branchen tätig. Geringfügig Beschäftigte nach Wirtschaftszweigen September 2017 in 1.000 Personen bzw. in Prozent aller Beschäftigten in den Wirtschaftszweigen Sozialwesen (ohne Heime) 9,2 Landverkehr 16,9 Grundstücks- und Wohnungswesen 35,3 Großhandel 9,9 Erziehung und Unterricht 11,5 Private Haushalte 80,5 Gesundheitswesen 9,8 Gebäudereinigung 34,1 Gastronomie 40,0 Einzelhandel 20,9 0 100 200 300 400 500 600 700 Alle Beschäftigte: Summe aus ausschließlich geringfügig und sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Quellen: Bundesagentur für Arbeit, Institut der deutschen Wirtschaft Geringfügige Beschäftigung 32
Aufstocker: Minijobs im ALG II-System Im Rahmen der Hinzuver- Knapp 1,2 Millionen Erwerbstätige beziehen ergänzendes ALG II. Die größte Gruppe stellen dienstregelungen werden ALG die Minijobber, die sich zum ALG II etwas hinzuverdienen. Kaum betroffen sind hingegen II-Empfängern bis zu einem Vollzeitbeschäftigte, von denen nur 0,7 Prozent ALG II beziehen. Die Notwendigkeit des Einkommen von 100 Euro ihre Aufstockens ist mithin ein Problem, das vorrangig durch zu unzureichende Arbeitszeiten Transferleistungen nicht hervorgerufen wird – was im Wesentlichen an den Anreizen liegt, die der Gesetzgeber durch gekürzt. Bis zu einer Grenze die Anrechnung setzt. von 1.000 Euro werden von jedem dazuverdienten Euro 80 Cent auf die ALG II-Leistung Erwerbstätige ALG II-Bezieher nach Beschäftigungsform angerechnet, danach bis zu einer Grenze von höchstens 1.500 Euro sogar 90 Cent. unbekannt 9 % 13 % Sozialversicherungspflichtig Vollzeit Darüber wird das gesamte zusätzliche Einkommen an- Selbstständige 9 % gerechnet. Im Ergebnis lohnen sich vor allem Minijobs und Teilzeitbeschäftigungen. 32 % Sozialversicherungspflichtig Teilzeit Geringfügig Beschäftigte 34 % 3 % Auszubildende Quellen: Bundesagentur für Arbeit, Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Jahresdurchschnitt 2016 Geringfügige Beschäftigung 33
Zeitarbeit Mit rund einer Million Beschäftigten macht die Zeitarbeit nehmen der Industrie beschäftigt. Diese „Pufferfunktion“ der den kleinsten Anteil der neuen Beschäftigungsverhältnisse Zeitarbeit führt einerseits dazu, dass gerade Menschen, die aus. Obwohl ihre Bedeutung mit 2,5 Prozent aller Beschäf- es sonst schwer haben, eine neue Stelle zu finden (wie zum tigten für den Arbeitsmarkt insgesamt eher gering ist und Beispiel Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose), über so gut wie alle Zeitarbeiter von einem Tarifvertrag erreicht die Zeitarbeit der erste Einstieg in Arbeit gelingt. Anderer- werden, nimmt die Branche eine dominante Rolle in der seits reagiert die Branche dadurch auch wesentlich stärker politischen und medialen Diskussion ein. Ein Grund dafür auf konjunkturelle Schwankungen als andere Bereiche des ist, dass sich die Zeitarbeit seit ihrer letzten Deregulierung Arbeitsmarktes. Besonders in konjunkturell guten Zeiten 2003 eine hohe Dynamik entfaltet hat. Sie hat die höchsten nutzen Unternehmen die Zeitarbeit auch verstärkt um neues Zuwachsraten aller neuen Beschäftigungsverhältnisse. Für Personal zu rekrutieren und „auszuprobieren“. Dadurch den Arbeitsmarkt übernimmt die Zeitarbeit verschiedene gewinnt die „Brückenfunktion“ der Zeitarbeit an Bedeutung Funktionen. Sie ermöglicht Unternehmen eine höhere und mehr Zeitarbeitnehmer werden von ihren Kundenunter- Flexibilität in der Personalplanung. Die Globalisierung führt nehmen übernommen. vor allem bei exportorientierten Unternehmern und ihren Zulieferern zu starken Auftragsschwankungen. Mittels der Zeitarbeit können sie Produktionsspitzen abfedern ohne ihre Stammbelegschaft auf- bzw. abbauen zu müssen. Ein Großteil der Zeitarbeitnehmer ist deshalb auch in Unter-
Wichtige Gesetzesänderungen: 1997 Änderungen am Arbeitnehmerüberlassungsgesetz 2011 Gesetz zur Verhinderung von Missbrauch der Arbeit- Das seit 1972 geltende Überlassungsgesetz wird erstmalig nehmerüberlassung deutlich gelockert. Die Überlassungshöchstdauer wird auf Regulierung: Verbot von Auswechselung der Stammbeleg- zwölf Monate erhöht. In Einzelfällen wird Befristung durch schaft durch Zeitarbeitnehmer (Drehtürklausel), Regelungen besondere Befristungsregelungen ermöglicht. Die Wieder- zur Festsetzung einer Lohnuntergrenze für den Zeitarbeits- einstellung von Leiharbeitern ist einmalig erlaubt. sektor, Verpflichtungen der Entleiher Informationen über offene Stellen zu geben und den Zugang in Gemeinschafts- 2003 Erstes Hartz-Gesetz einrichtungen (Betriebskindergarten, Kantine etc.) zu Deregulierung: Die Beschränkung der Überlassungsdauer gewährleisten. wird aufgehoben und Befristung wird ohne besondere Regelungen zulässig. Außerdem ist die Wiedereinstellung 2017 AÜG-Reform von Zeitarbeitnehmern im gleichen Verleihbetrieb unbe- Regulierung: Wiedereinführung einer Höchstüberlassungs- grenzt möglich. dauer von 18 Monaten, Verschärfung der Equal-Pay-Rege- Gleichzeitig wird zum Schutz der Zeitarbeiter der Gleichstel- lung: Ungeachtet eines Tarifvertrages ist ab neun Monaten lungsgrundsatz eingeführt d.h. mit Beginn der Beschäftigung Überlassungsdauer Equal Pay zu zahlen, die Grenze ver- gilt der Equal Pay- und Equal Treatment-Grundsatz mit Tarif- schiebt sich auf 15 Monate, wenn ein Zuschlagstarifvertrag vorbehalt. vorliegt.
Exkurs: Das deutsche Modell der Zeitarbeit Obwohl Zeitarbeit in der öffentlichen Debatte oft als „aty- er daher auch weisungsgebunden. Der Einsatzbetrieb ist pisches“ Beschäftigungsverhältnis bezeichnet wird, handelt deshalb verantwortlich für die Sicherheit und den Arbeits- es sich bei über neunzig Prozent der Zeitarbeit um reguläre schutz seines Zeitarbeitnehmers und darf ihn gemäß des sozialversicherungspflichtige Vollzeitstellen. Dies unterschei- „Gleichstellungsgrundsatzes“ im Vergleich zu seiner Stamm- det das deutsche Modell wesentlich von anderen europäi- belegschaft nicht schlechter stellen. Da der Arbeitsvertrag schen Zeitarbeitsmodellen. So ist Zeitarbeit in Deutschland zwischen Zeitarbeitnehmer und Zeitarbeitsfirma geschlos- in einem „Dreiecksverhältnis“ organisiert. Zeitarbeitnehmer sen wird, bekommen Zeitarbeitnehmer ihr Gehalt nicht vom werden durch ihren Arbeitgeber (die Zeitarbeitsfirma) an ein Einsatzbetrieb, sondern von ihrer Zeitarbeitsfirma aus- anderes Unternehmen (das Kundenunternehmen) überlas- bezahlt. Ihr Arbeitsverhältnis läuft in der Regel auch dann sen. Zwischen Zeitarbeits- und Kundenunternehmen findet weiter, wenn die Überlassung endet. Sie bekommen auch daher eine Personaldienstleitung statt, die entsprechend der dann ihr reguläres Gehalt ausbezahlt, wenn es zu überlas- Konditionen der Zeitarbeitsfirma bezahlt wird. Der Arbeits- sungsfreien Zeiten kommt. vertrag wird im deutschen Modell zwischen dem Zeitarbeits- unternehmen und dem Zeitarbeitnehmer geschlossen und unterscheidet sich rechtlich nicht von anderen Arbeits- verträgen. Zeitarbeitnehmer bekommen deshalb von ihrer Zeitarbeitsfirma nicht nur ein tariflich festgelegtes Gehalt pro Monat, sondern haben auch Anspruch auf sämtliche Arbeitnehmerrechte. Es gelten für Zeitarbeitnehmer die glei- chen Kündigungsschutzbedingungen, sie haben Anspruch auf bezahlten Urlaub und sie sind kranken-, pflege- und rentenversichert. Der Zeitarbeitnehmer arbeitet jedoch nicht bei seinem eigentlichen Arbeitgeber, sondern bei seinem jeweiligen Einsatzbetrieb. Diesem gegenüber ist
Stärkere Konjunkturabhängigkeit als andere Branchen Im Zuge der Krise 2009 gingen Da viele Unternehmen Zeitarbeit als „Puffer“ für Auftragsspitzen einsetzen, sind Zeitarbeit- in der Zeitarbeit viele Jobs ver- nehmer der Teil der Belegschaft, der als erstes im Zuge eines Aufschwungs aufgebaut bzw. loren. Nicht zuletzt dadurch bei ersten Auftragseinbrüchen abgebaut wird. Die Zeitarbeitsbranche reagiert deshalb deut- konnten Stammbelegschaften lich stärker und früher auf konjunkturelle Schwankungen als der übrige Arbeitsmarkt. stabil gehalten werden. Die nachfolgende Erholung sorgte dann aber für einen nachhalti- gen Aufschwung der Beschäf- Anzahl der Zeitarbeitnehmer und konjunkturelle Entwicklung tigung in der Zeitarbeit. in 1.000 Personen (linke Skala), in Prozent (rechte Skala) Zeitarbeitnehmer (linke Skala) Wachstum des BIP (rechte Skala) 1.200.000 5 4 1.000.000 3 2 1 800.000 0 -1 600.000 -2 -3 400.000 -4 -5 200.000 -6 -7 0 -8 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Quellen: Bundesagentur für Arbeit, Statistisches Bundesamt Zeitarbeit 37
Erster Einstieg in den Arbeitsmarkt Der Einstieg in den Arbeits- Vor allem Menschen, die nur schwer eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt finden, bekom- markt ist für viele eine große men durch die Zeitarbeit die Möglichkeit, sich zu beweisen. Rund zwei Drittel der Zeitarbeit- Hürde. Vor allem Langzeit- nehmer waren vor ihrer Beschäftigung in der Zeitarbeit nicht erwerbstätig, ein Fünftel war arbeitslose können in der schon mindestens ein Jahr nicht mehr oder noch nie beschäftigt. Zeitarbeit „on the Job“ neue Fähigkeiten erwerben und alte auffrischen. Sie werden dadurch für viele Arbeitgeber interessanter und ihre Chan- Zugang in Zeitarbeit nach vorherigem Erwerbsstatus cen auf eine Anstellung (auch 2. Halbjahr 2016 - 1. Halbjahr 2017 außerhalb der Zeitarbeit) steigen. nicht beschäftigt seit 12 Monaten 21 % sozialversicherungspflichtig beschäftigt oder noch nie beschäftigt 20 % Fast ein Fünftel der Langzeit- arbeitslosen, die eine Beschäf- tigung am ersten Arbeitsmarkt aufnahmen, fanden ihren Job in der Zeitarbeit. nicht beschäftigt 12 % geringfügig beschäftigung 3 bis 12 Monate 16 % 31 % nicht beschäftigt bis 3 Monate Quelle: Bundesagentur für Arbeit Zeitarbeit 38
Eine Brücke in Beschäftigung Im Jahr 2011 wurden rund Die Zeitarbeit dient vielen Unternehmen unter anderem als Rekrutierungsinstrument. 14 Prozent der überlasse- Anstatt über die Personalabteilung neue Mitarbeiter zu suchen, werden Zeitarbeitnehmer nen Zeitarbeitnehmer vom eingestellt und – wenn sie sich als passend erwiesen haben – übernommen. Zeitarbeit kann Kundenunternehmen über- deshalb für Arbeitslose als eine Art „Brücke“ in andere Branchen fungieren. nommen. Die Brückenfunktion der Zeit- arbeit wird durch eine gute wirtschaftliche Entwicklung Anteil der durch den Einsatzbetrieb übernommenen Zeitarbeitnehmer unterstützt. Bei sinkender Befragung von 3.814 Kundenunternehmen, Angaben in Prozent Arbeitslosigkeit stehen weni- ger (qualifizierte) Arbeitslose einem großen Angebot an Insgesamt offenen Stellen gegenüber und die Rekrutierungsfunktion Gesellschaftsorientierte Dienstleisungen der Zeitarbeit gewinnt für Unternehmen an Bedeutung. Im Aufschwung steigt daher Unternehmensorientierte Dienstleisungen die Übergangsrate von der Zeitarbeit in andere Branchen. restliche Industrie Metall- und Elektro-Industrie 0 5 10 15 20 Quelle: IW Consult/BAP, Stand: 1. Halbjahr 2011 Zeitarbeit 39
Beschäftigungschancen für Geringqualifizierte 55 Prozent der Zeitarbeit- Zeitarbeitnehmer werden überwiegend in zwei Schwerpunkten eingesetzt: nehmer üben eine Tätigkeit Erstens in Verkehrs- und Logistikberufen – hauptsächlich in der Lagerwirtschaft. Zweitens in auf dem Anforderungsniveau Metall- und Elektro-Berufen. Die meisten Einsatzbereiche haben keine besonderen Anforde- „Helfer“ aus, für das in der Re- rungen an die Qualifikation. Damit ist die Zeitarbeit eine wichtige Beschäftigungschance für gel keine abgeschlossene Be- Geringqualifizierte. rufsausbildung Voraussetzung ist. In der Gesamtwirtschaft sind das nur 15 Prozent. Zeitarbeitnehmer nach Beruf Demgegenüber ist nicht ein- Juni 2017 mal jeder zehnte Zeitarbeit- nehmer in einem Beruf be- Verkehr, Logistik schäftigt, in dem eine höhere Metallerzeugung,-bearbeitung, Metallbau Übrige Fertigungsberufe berufliche Ausbildung oder ein Maschinen- und Fahrzeugtechnikberufe Hochschulabschluss benötigt Organisation, Buchhalt., Recht, Verwaltung wird. In der Gesamtwirtschaft Gesundheit, Soziales, Lehre u. Erziehung ist dies jeder Vierte. Kaufm. Dienstl., Handel, Vertrieb, Tourismus Mechatronik-, Energie- u. Elektroberufe Bau, Architektur, Vermessung, Gebäudetechn. Lebensmittelherstellung u. -verarbeitung Naturwissenschaft, Geografie, Informatik Reinigungsberufe Geisteswissenschaften, Kultur, Gestaltung Land-, Forst-, Tierwirtschaft, Gartenbau Schutz-,Sicherheits-, Überwachungsberufe 0 50.000 100.000 150.000 200.000 250.000 300.000 350.000 Quelle: Bundesagentur für Arbeit Zeitarbeit 40
Flexibilität: Hauptmotiv der Unternehmen Für mehr als 80 Prozent der Unternehmen nutzen Zeitarbeit vor allem aus zwei Gründen. Einerseits können sie durch Unternehmen ist die gewon- den Einsatz von Zeitarbeit flexibel und kurzfristig auf Auftragsspitzen und -einbrüche reagie- nene Flexibilität in der Perso- ren. Und andererseits können sie durch die Zeitarbeit einen Teil der Personalarbeit aus- nalplanung das Hauptmotiv gliedern: Die Suche nach neuen Arbeitskräften, ihre Erprobung und die damit verbundene für den Einsatz von Zeitarbeit. Bürokratie der Personalverwaltung wird eingespart. Jedes dritte Unternehmen setzt Zeitarbeit unter anderem ein, um Lohnkosten zu sparen. Motive der Unternehmen für die Nutzung von Zeitarbeit Befragung von 3.814 Kundenunternehmen, Angabe mit „sehr wichtig“ oder „wichtig“ in Prozent Fachkräfte Bürokratie der Personalverwaltung Hilfskräfte Kosten der Entlohnung Erprobung von Arbeitskräften Verfügbarkeit von Arbeitskräften Flexibilität, kurzfristige Kapazitätsanpassung 0 20 40 60 80 100 Quelle: IW Consult/BAP, Stand: 1. Halbjahr 2011 Zeitarbeit 41
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