Neues vom JSPS-Club Deutsche Gesellschaft der JSPS Stipendiaten e.V - BLOGS FAU

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Neues vom JSPS-Club Deutsche Gesellschaft der JSPS Stipendiaten e.V - BLOGS FAU
NvC Nr. 2 / 2019, Ausgabe 75

                        Neues vom JSPS-Club
                   Deutsche Gesellschaft der JSPS Stipendiaten e.V.
                       ドイツ語圏日本学術振興会研究者同窓会

                                                                             deutschsprachigen Raum befassen, wie z.B.
 INHALT
                                                                             Universitäten, Forschungsförderer und -träger.
 Editorial   ......................................................   S. 1   Die Wissenschaftler unter den Mitgliedern sind
 24. Japanisch-Deutsches Symposium                                           entweder Graduierte aus dem deutschsprachigen
 „Art, architecture and technology“ .........................         S. 3   Raum, die in Japan studiert, geforscht und gear-
 55. VDJG-Jahrestagung ....................................           S. 6   beitet haben oder das heute tun. Auf der anderen
 Ein neues deutsch-japanisches Forschungsprojekt                             Seite sind es japanische Wissenschaftler, die im
 im Bereich der Biomimetik ..................................         S. 7   deutschsprachigen Bereich tätig waren oder sind.
 Elementarteilchen, Spinpolarisation und Kulturelles –
 Motoren einer 50jährigen deutsch-japanischen Zu-
 sammenarbeit (Teil 2) .......................................               Der JSPS-Club hat seit 2006 versucht, die Wis-
                                                                      S. 9
                                                                             senschaft als Thema in den Angeboten der
 Die Verleihung des JSPS Alumni Club Award 2019 .....
                                                                             Deutsch-Japanischen Gesellschaften zu veran-
 Eugen und Ilse Seibold-Preis 2019 für
 Clubmitglied Prof. Dr. Harald Baum .......................                  kern. Das ist bis heute nicht in wünschenswertem
 APVIA Award 2019 Academic Contribution
                                                                             Umfang gelungen. Von wenigen Gesellschaften
 für Dr. Arnulf Jäger-Waldau ................................                abgesehen – Berlin, Stuttgart und Bonn – sind
 Publikationen von Clubmitgliedern......................... S.14             bisher keine Mitglieder zu Vorträgen gebeten wor-
 Repräsentation des Clubs auf externen                                       den, obwohl viele der Mitglieder des JSPS-Clubs
 Veranstaltungen ............................................                auch Mitglieder in den örtlichen Deutsch-
 Neue Clubmitglieder ........................................         S.16   Japanischen Gesellschaften sind. Der JSPS-Club
 Verstorbene Mitglieder ......................................        S.16   hat deshalb auf der Verbandstagung in Trier eine
                                                                             Sektion Wissenschaft bestritten, die indes als Pa-
                             EDITORIAL                                       rallelveranstaltung zu anderen Sektionen organi-
                                                                             siert war und infolgedessen nicht von allen Teil-
      Wissenschaft in den Angeboten der                                      nehmern der Verbandstagung besucht werden
     Deutsch-Japanischen Gesellschaften                                      konnte. Dieses Mal haben wir keine Konkurrenz-
                                                                             sektionen. Einer der seinerzeit gegebenen Anre-
       von Prof. Dr. Heinrich Menkhaus,                                      gungen, eine Liste mit möglichen Referenten und
  Vorsitzender und Landesbeauftragter Japan                                  Vortragsthemen der Mitglieder über den Verband
                                                                             an die einzelnen Mitgliedsgesellschaften weiterzu-
(Vortrag gehalten vor den Teilnehmern der 55.                                leiten, ist Rechnung getragen worden. Dabei hat
Verbandstagung der Deutsch-Japanischen Ge-                                   sich der Club zunächst auf potentielle Vortrags-
sellschaften am 31. Mai 2019 im Rathaus Bonn)                                themen der Vorstandsmitglieder beschränkt. Die-
                                                                             se Aktion war nicht erfolgreich. Auch ist von den
I. Einleitung                                                                Mitgliedsgesellschaften des Verbandes nicht die
                                                                             Anfrage gekommen, für die Präsentation eines
Die Deutsche Gesellschaft der JSPS Stipendia-                                bestimmten wissenschaftlichen Themas ein Mit-
ten e.V., kurz JSPS-Club, ist seit der Verband-                              glied des JSPS-Clubs zu benennen.
stagung in Bremen im Jahre 2006 Mitglied des
Verbandes der Deutsch-Japanischen Gesell-                                    Andererseits veranstaltet der JSPS-Club zweimal
schaften. Er zählt mit annährend 500 Mitgliedern                             im Jahr Symposien im deutschsprachigen Raum,
zu den größten Mitgliedsgesellschaften des Ver-                              zu denen die Mitglieder der örtlichen Deutsch-
bandes. Seine Mitglieder sind Wissenschaftler                                Japanischen Gesellschaften eingeladen werden.
und Institutionen, die sich mit dem Wissen-                                  Leider hatten diese Einladungen wenig Reso-
schaftsaustausch zwischen Japan und dem                                      nanz. Gleichzeitig werden die jeweiligen Vor-

                                                                                                                             1
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stände der örtlichen Deutsch-Japanischen Ge-          auf der Verbandstagung in Trier verteilte Bro-
sellschaften gebeten, ein Grußwort zu sprechen.       schüre zum deutsch-japanischen Sportaustausch
Das war nur erfolgreich in Ulm 2017 (Thema            macht das ganz deutlich. Das heißt nicht, dass
Frauengesundheit) mit Grußwortsprecher Herr           sich die Deutsch-Japanischen Gesellschaften
Grosse aus Stuttgart, in Frankfurt 2018 (Thema        nicht mehr über den Sport definieren können.
Biomimetik) mit Grußwortsprecher Herr Zeisewitz       Von den Nicht-Verbandsmitgliedern Boppard auf
aus Frankfurt, ebenso wie bei der „Mitglieder         deutscher und Ōme auf japanischer Seite ist be-
laden Mitglieder ein“ genannten Veranstaltung im      kannt, dass sie sich weiter im Marathon (Rhein
jeweiligen Herbst eines Jahres, z.B. in Hannover      Marathon und Ōme Marathon), dem sie ihre Exis-
2017, wo beide Hannoveraner Mitgliedsgesell-          tenz verdanken, engagieren.
schaften durch Frau Schieble respektive Herr
Thürnau vertreten waren, sowie in Bonn 2018,          Auch andere, ehemals dem weiten Begriff Kultur
wo die Vorsitzende Frau Ganter-Richter ist, die       zugehörige Disziplinen, haben sich verselbstän-
ohnehin im Vorstand des JSPS-Clubs ist.               digt und Fachgesellschaften gegründet. Das gilt
                                                      z.B. für das Recht. Der deutsch-japanische Aus-
Wir möchten deshalb heute einen erneuten Ver-         tausch auf diesem Gebiet wird von einem Nicht-
such machen, das Thema Wissenschaft zu ei-            Verbandsmitglied, der Deutsch-Japanischen Ju-
nem festen Bestandteil der Veranstaltungen der        ristenvereinigung, bestritten. So verlief es auch
Deutsch-Japanischen Gesellschaften zu machen.         bei der Wissenschaft als ehemaligem Bestandteil
Die Gründe sind einfach. Japan und Deutschland        der Kultur. Hier ist als Fachgesellschaft nicht nur
sind auf diesem Gebiet international bedeutend,       die Alumni-Vereinigung der deutschsprachigen
es gibt viel Zusammenarbeit und was dabei ent-        wissenschaftlichen Japanfahrer, also die Deut-
wickelt wird, berührt unser aller tägliches Leben,    sche Gesellschaft der JSPS Stipendiaten, die ich
was in einigen Vorträgen der Mitglieder des           vertrete, entstanden, sondern auch einige
JSPS-Clubs im Anschluss an meine einführen-           deutsch-japanische bilaterale Fachgesellschaften,
den Worte deutlich gemacht wird.                      etwa im Bereich der Medizin.

II. Kultur und Wissenschaft                           Die Kultur ist mittlerweile zu einer Kultur im enge-
                                                      ren Sinn verkleinert worden: Kultur bedeutet jetzt
In der Satzung des Verbandes heißt es, dass die       Kunst. Dazu gehört Architektur, Bildhauerei, Film,
Mitgliedsgesellschaften den deutsch-japanischen       Literatur, Musik, Theater, Tanz, usw. Selbst in die-
Austausch auf den Gebieten Kultur, Wissen-            sem gegenüber früher erheblich eingeschränkten
schaft, Wirtschaft, Sport und Gesellschaft fördern    Bereich der Kultur aber ist es schon zur Ausbildung
wollen. Wissenschaft ist also eigens benannt.         von Fachgesellschaften des deutsch-japanischen
                                                      Austausches gekommen. Der weitere Mitveranstal-
Bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Wis-        ter der diesjährigen Jahrestagung Animexx ist da-
senschaft als Teil der Kultur angesehen, Wissen-      für ein gutes Beispiel. Die Gesellschaft widmet sich
schaftspolitik war also Teil der Kulturpolitik. Der   der Populärkultur (Manga, Anime, Cosplay etc.)
Begriff Kultur war seinerzeit recht umfassend. Er     und ist insbesondere mit ihrem jährlichen Festival
beinhaltete Sport, Recht, Kunst, Wissenschaft und     Connichi außerordentlich erfolgreich. Ein weiteres
anderes mehr. Seither hat sich im Hinblick auf den    Beispiel sind die Trägerorganisationen der japani-
Begriff Kultur ein Bedeutungswandel vollzogen         schen Filmfestivals in Deutschland. Genannt seien
und viele der ehemals vom Begriff Kultur umfass-      hier nur Nippon Connection in Frankfurt und Nihon
ten Disziplinen haben sich verselbständigt.           Media in Hamburg.

Der Sport hat sich als erstes aus der Kultur ver-     III. Was ist zu tun?
abschiedet und eigenständige Strukturen gebil-
det. Das wird an der Zusammenarbeit zwischen          Die Existenz der Fachgesellschaften im deutsch-
der deutschen Sportjugend (dsj) und der Japan         japanischen Austausch verdrängt nicht die Be-
Junior Sports Association (JJSA) deutlich. Die        deutung der lokalen Deutsch-Japanischen Ge-

                                                                                                        2
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sellschaften, im Gegenteil, sie bereichert deren         Botschaft Japans in Österreich zuteil. Zur Einfüh-
Programmgestaltungsmöglichkeiten, sei es, dass           rung stellte unser Mitglied und lokale Organisatorin
eine Tagung der örtlichen Deutsch-Japanischen            des Symposiums Frau Dr. Iris Mach die Themen,
Gesellschaft mit einer Veranstaltung der Fachge-         Vortragenden und den zeitlichen Kontext der vier
sellschaften zusammengelegt wird, wie es etwa            Panels des Symposiums vor.
der JSPS-Club mehrfach versucht hat, oder die
Fachgesellschaften mögliche Referenten für Vor-          Im ersten Vortrag führte uns Dr. Bernhard Scheid
träge bei den lokalen Gesellschaften benennen,           (Österreichische Akademie der Wissenschaften
für die ebenfalls Mitglieder des JSPS-Clubs je-          und Universität Wien) in die Zeit der Meiji-
derzeit zur Verfügung stehen. Lassen Sie mich            Restauration. In dieser Zeit wurde Shinto zu einer
deshalb mit der wiederholten Bitte schließen, den        Art „Staatsreligion“ Japans aufgebaut. Gleichzeitig
JSPS-Club und seine Mitglieder bei Ihrer Pro-            hat die breite Bevölkerung und insbesondere die
grammgestaltung zu berücksichtigen.                      politische Elite das Vertrauen in den Religionsbe-
                                                         griff geschwächt, da dieser für sie eng mit dem
                                                         Christentum verbunden war. In Folge dieser ge-
        VERANSTALTUNGSBERICHTE                           gensätzlichen Kräfte wurde Shinto zu einer nicht-
                                                         religiösen patriotischen Pflicht erklärt, die sich auf
    24. Japanisch-Deutsches Symposium                    die Tenno-Anbetung konzentrierte. Kume Kuni-
      „Art, architecture and technology:                 take war ein wichtiger Zeitzeuge der politischen
  150 Years of diplomatic relations between              und gesellschaftlichen Erneuerungen Japans in
              Japan and Austria“                         diesen Jahren. Er war offizieller Chronist der be-
         24. und 25. Mai 2019 in Wien                    deutenden „Iwakura Mission“ von 1871-1873, in
                                                         der japanische Diplomaten in einer „rund um die
  von Vorstandsmitglied Dr. Mathias Hoffmann             Welt“-Reise alle wichtigen westlichen Staaten
                                                         bereisten. Später wurde er Professor an der To-
Das nunmehr 24. gemeinsame Deutsch-Japani-               kyo Imperial University und arbeitete als Historiker
sche Symposium der Japan Society for the Pro-            an der Dai Nihon Hennen Shi, einer umfassenden
motion of Science (JSPS) und der Deutschen               Enzyklopädie der japanischen Geschichte. Im
Gesellschaft der JSPS Stipendiaten fand mit der          Jahre 1892 veröffentlichte er einen Artikel mit dem
aktiven Mitwirkung der Technischen Universität           Titel “Shinto ist ein alter Brauch der Himmelsanbe-
Wien statt.                                              tung“. Kumes Ziel war es, Shinto mit dem moder-
                                                         nistischen Paradigma des zivilisatorischen Fort-
Das Thema der diesjährigen Veranstaltung „Art,           schritts in Einklang zu bringen. Jedoch erzürnte
architecture and technology“ verband als „roter          sein Artikel viele Traditionalisten, die ihn der Ma-
Faden“ die Themen der vier Vortragspanel. Pas-           jestätsbeleidigung beschuldigten. Sein Artikel
send zur Thematik des diesjährigen Symposiums            wurde als aufrührerisch und äußerst kritisch ge-
konnte die Veranstaltung im historisch und archi-        genüber dem staatlichen shintoistischen System
tektonisch bedeutsamen Kuppelsaal der TU Wien            angesehen. In Folge dessen musste Kume trotz
am Karlsplatz im Zentrum Wiens durchgeführt              hervorragender Verbindungen in die Regierung
werden. Beginnend mit der ersten Darstellung ja-         von seinen Ämtern an der Universität zurücktreten.
panischer Kunst und Gewerke außerhalb des Lan-           So wurde er zu einer Art Bauernopfer in einer Zeit,
des im Rahmen der Wiener Weltausstellung von             in der es den konservativen Intellektuellen gelang,
1873, spann sich der Bogen des Symposiums über           die öffentliche Meinung in Richtung eines traditio-
traditionelle japanische Architektur, die neuzeitliche   nalistischen, autoritären Gesellschaftsbilds zu
Nutzung von Holzarchitektur hin zu moderner Bau-         verschieben, womit die Tabuisierung jedes intel-
robotik und der Umsetzung von Architektur im Zeit-       lektuellen Diskurs über Shinto einherging.
alter von Drohnen und Robotern. Im Rahmen des
150-jährigen Jubiläums der diplomatischen Bezie-         Im Anschluss an den ersten Vortrag führte uns
hungen zwischen Österreich und Japan in diesem           JSPS-Clubmitglied Frau Prof. Dr. Ingrid Getreu-
Jahr wurde dem Symposium der Ehrenschutz der             er-Kargl (Universität Wien) auf die Spuren der

                                                                                                            3
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Wiener Weltausstellung von 1873 und zeigte,            punkt des neuen Japanraumes darstellen kann.
welchen Einfluss die erste Präsentation von ja-        Des Weiteren stellte sie ausgehend von diesem
panischen Produkten nach der 200-jährigen Ab-          eindrucksvollen Ausstellungsstück im Zentrum der
geschlossenheit des Landes auf das Bildungs-           neuen Galerie die konzeptuelle Umsetzung und
bürgertum Wiens hatte. Beispielhaft führt sie das      Gestaltung der einzelnen Ausstellungsvitrinen vor.
Werk „Japan“ von Eufemia von Kudriaffsky an.
Obgleich nicht hinreichend geklärt werden kann,        Das zweite Vortragspanel beschäftigte sich mit
was als Auslöser zur Erstellung und der an-            dem Thema der traditionellen japanischen Archi-
schließenden Veröffentlichung des Buches bei-          tektur. Prof. Dr. Siegfried RCT Enders, Präsident
getragen hat, kann es als ein Beispiel des ge-         des ICOMOS (International Council on Monu-
stiegenen Japaninteresses der Wiener Gesell-           ments and Site) Scientific Committee on Shared
schaft im Anschluss an die Weltausstellung ge-         Built Heritage präsentierte zunächst eine Über-
sehen werden. Das Werk selbst wurde in Form            sicht der Geschichte zur Erhaltung historischer
von vier „Vorlesungen“ jungen Frauen des wach-         Gebäude in Japan. Eine herausragende Rolle
senden Wiener Bildungsbürgertums vorgetragen.          spielt hierbei das japanische „Monument Protec-
Von Kudriaffsky selbst war bis dato für Ihre viel-     tion Law“, welches im Gegensatz zum deutschen
fältigen Blumengemälde bekannt. Vor diesem             Denkmalschutzgesetz in Japan als „cultural pro-
Hintergrund lässt die Erstellung ihres Buches          tection law“ gesehen werden kann, welches über
vermuten, dass sie hier dem Trend des wach-            das materielle Erbe hinaus auch das immaterielle
senden Interesses an dieser „kleinen, unbekann-        kulturelle Erbe unter Schutz stellt. Aus Japan sind
ten Insel östlich von China“ folgte. Es ist bekannt,   in den letzten Jahren eine Vielzahl von Objekten
dass sie ihr Buch „Japan“ der Ehefrau des Ersten       in die Liste des UNESCO Weltkulturerbe aufge-
Sekretärs der japanischen Legation in Wien, Tei        nommen worden. Dies liegt zum einen daran,
Watanabe, der sie selbst Deutschunterricht gab,        dass sich die UNESCO verstärkt Asien zuwendet,
widmete. Prof. Getreuer-Kargl stellte anhand der       zum anderen auch an der Arbeit vielfältiger Nicht-
Gliederung des Werkes dar, dass sich von Kud-          regierungsorganisationen in Japan, welche sich
riaffsky in eine große Bandbreite des japanischen      mit den Kulturschätzen des Landes aktiv beschäf-
Alltagslebens eingearbeitet hatte, um ihr Werk zu      tigen. Der Weltkulturerbe-Status wird in Japan viel
schreiben. Das Buch selbst umfasst hierbei ein         stärker als in Deutschland auch als Mittel zur
breites Kompendium aller damaligen Quellen zu          Werbung für den Tourismus gesehen und einge-
Japan. So referenziert sie Texte von Kämpfer           setzt. Anhand einiger Beispiele zeigte Prof. En-
oder Siebold, benennt persönliche Erfahrungen          ders diese Mechanismen und die beteiligten Insti-
durch Besuche der Weltausstellung oder zitiert         tutionen, welche zur Anerkennung von Bauten als
Informationen, die sie durch ihren persönlichen        Stätten des „nationalen Erbes“ führen.
Austausch mit Tei Watanabe gewonnen hatte.
                                                       Im nächsten Vortrag beschäftigte sich Frau. Prof.
Den Abschluss des ersten Vortragblockes bildete        Kaori Fujita von der Tokyo Universität mit der
Frau Dr. Bettina Zorn, Kuratorin der Ostasien-         Fragestellung, welche strukturellen Eigenschaf-
Kollektion des Weltmuseums Wien. Das Weltmu-           ten in historischen japanischen Holzbauten die
seum Wien, vormals Museum für Ethnologie Wien,         Grundlage für deren guten Erdbeben- oder auch
wurde im Oktober 2017 nach mehrjähriger Reno-          Taifun-Schutz darstellen. Anhand von Ultra-
vierung wiedereröffnet. Im Zuge dieser Renovie-        schallmessungen und Nachbauten der Holzstruk-
rung wurde die neue Galerie „1873 – Japan co-          turen, z.B. von Pagoden (Goju no to) aus Nara,
mes to Europe“ realisiert. Im Mittelpunkt der neu-     konnten mit modernen wissenschaftlichen Me-
gestalteten Galerie steht das einzigartige Modell      thoden die Maßnahmen zur Verteilung der auf
einer Daimyo-Residenz, welches seinerzeit auf          die Strukturen einwirkenden horizontalen Kräfte
der Weltausstellung in Wien gezeigt wurde. In          untersucht werden. Diese horizontalen Kräfte
ihrem Vortrag ging Frau Dr. Zorn zunächst auf die      treten vor allem bei Erdbebenschwingungen so-
langjährigen Restaurierungsarbeiten am Modell          wie in starken Taifunen auf. Anhand von Bildern
ein, bevor es in neuem Glanze jetzt den Höhe-          nach dem Kobe-Erdbeben konnte Prof. Fujita

                                                                                                        4
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auch zeigen, welchen minimalen Erdbeben-              Über das „Wie“ solche modernen Holzgebäude in
schutz die ersten Steingebäude in Japan aufwie-       der Zukunft gebaut werden könnten, berichtete
sen, welche in der Meiji-Epoche erbaut wurden.        das Mitglied des JSPS-Clubs Prof. Dr. Thomas
Dies ist ein Beispiel, dass auch auf dem Gebiet       Bock von der TU München. In seinem Vortrag
der Architektur der neue moderne westliche            zeigte er die Entwicklung von Baurobotern seit
Standard unreflektiert übernommen wurde, ohne         den 1960er bis heute auf. Halfen diese Systeme
darauf zu achten, welches Wissen in der traditio-     anfänglich der Durchführung einzelner Aufgaben,
nellen japanischen Architektur hinsichtlich Erd-      z.B. der Installation von Deckenplatten, so sind
bebensicherheit vorhanden war.                        sie heute in der Lage, ganze Etagenebenen in
                                                      automatisierter, standardisierter Form zu errich-
Der Thematik der Holzarchitektur wurde auch zu        ten. Dies führt zu einer ungemeinen Beschleuni-
Beginn des zweiten Tages des Symposiums               gung des gesamten Bauprozesses. Aber nicht
Rechnung getragen. Zuvorderst stellte Prof. Dr.       nur bei dem Bau selbst kommen Roboter zum
Klaus Zwerger von der TU Wien parallele Entwick-      Einsatz, auch die Wohnung der Zukunft besitzt
lungen in der Architektur zwischen Japan und          vielfältige technische, automatisierte Systeme,
Europa dar, ohne dass hier vorab ein Austausch        welche im Speziellen den älteren Mitbewohnern
stattgefunden haben konnte. Dies ist umso be-         bei der Verrichtung alltäglicher Arbeiten unter-
merkenswerter vor dem Hintergrund der „klassi-        stützend zu Hilfe kommt. Hier erfolgt eine Ver-
schen“ westlichen Aussage, welche ab Mitte des        knüpfung des „smart home“-Systems mit weite-
19. Jahrhunderts populär wurde, dass Japan „an-       ren Funktionen, wie der im Stuhl integrierten
ders sei“. Praktische Notwendigkeiten, wie das        Blutdruckmessung.
Errichten von Lagergebäuden auf Pfählen, um die
Kontamination mit Schädlingen oder Eindringen         Noch einen Schritt weiter in die Zukunft führte
von Feuchtigkeit zu verhindern, waren nur einige      Prof. Dr. Tomoyuki Furutani von der Keio Univer-
der anschaulichen Beispiele in seinem Vortrag,        sität die Teilnehmer des Symposiums, indem er
die darstellten, dass hier keine „andere“ Entwick-    sich in seinem Vortrag der Architektur im Zeitalter
lung stattgefunden hatte. Zum Teil konnte man         von Drohnen, Robotern und automatisiertem
nicht immer genau erkennen, ob ein Zweckbau in        Fahren zuwandte. Zuerst stellte Prof. Furutani
Japan oder Europa entstanden ist.                     die aktuelle Situation im Großraum Tokyo vor,
                                                      bevor er in einigen Simulationen einen Blick in
Im Folgenden stellte Prof. Dr. Mikio Kushihara von    die Zukunft warf. Hier muss bei der architektoni-
der Tokyo Universität Beispiele moderne Holzarchi-    schen Umsetzung von Wohngebäuden zukünftig
tektur in Japan vor. Über viele Jahrzehnte war der    die Einrichtung von „Parkplätzen“ für „flying
Neubau von mehrgeschossigen, großen neuen             cars“ bedacht werden, öffentliche Gebäude müs-
Holzbauten in Japan aufgrund der geltenden Bau-       sen mit „fly-in“-Plätzen auf Ihren Dächern be-
gesetze verboten. Mangelhafter Brandschutz war        dacht sein. Des Weiteren muss es ähnlich den
hier eines der zentralen Themen. Erst mit der Etab-   heutigen Bahnhöfen im innerstädtischen Bereich
lierung moderner Brandschutzmethoden wurde das        große allgemeine Landeplätze für die senkrecht-
japanische Baugesetz im Jahre 2000 geändert und       startenden Lufttaxis der Zukunft geben. Wie die
es wurde wieder möglich, moderne, auch mehrge-        Regelung eines Großteils des zukünftigen „Indi-
schossige Holzgebäude zu planen bzw. zu bauen.        vidualluftverkehrs“ aussehen könnte, steht aller-
Noch befindet sich diese Entwicklung am Anfang,       dings noch auf einem anderen Blatt.
aber es ist ersichtlich, dass das Interesse an und
die Umsetzung solcher Projekte in Zukunft steigen     Im letzten Vortrag des Symposiums widmete sich
wird. Mit Holz als natürlich nachwachsendem Roh-      Dr. Oliver Schürer von der TU Wien der Fragestel-
stoff, der Implementierung moderner Brand-            lung, wie sich das gesellschaftliche Zusammenle-
schutzmethoden, sowie hohem Erdbebenschutz            ben zwischen humanoiden Robotern und Men-
bieten mehrgeschossige Holzbauten in Zukunft          schen entwickeln wird. Welchen Einfluss wird der
nicht nur Alternativen für Wohngebäude, sondern       Einsatz humanoider Roboter im Arbeitsalltag, im
auch für Geschäfts- und Bürogebäude.                  öffentlichen Raum oder auch im privaten Umfeld

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zukünftig haben? Schürer führte aus, dass der für    tung dann am 1. Juni offiziell im Gobelin-Saal
Roboter und Menschen gebräuchliche Begriff           des Alten Rathauses in Bonn von Dr. Volker
"Wahrnehmung" auf elegante Weise die Tatsache        Stanzel, dem Präsidenten des VDJG sowie
verschleiert, dass die verschiedenen technologi-     Takeshi Nakane, dem Vize-Präsidenten des Ver-
schen Wahrnehmungssysteme nur eine metapho-          bandes der Japanisch-Deutschen Gesellschaften
rische Ähnlichkeit mit dem menschlichen Wahr-        und ehemaligem japanischen Botschafter in
nehmungssystem aufweisen - ihre Unterschiede         Deutschland. Für die Mitveranstalter begrüßten
führen jedoch zu weitreichenden Konsequenzen.        Sabine-Ganter Richter (DJG Bonn), Prof. Dr.
So steht die quantitativ fundierte, abstrakte Da-    Heinrich Menkhaus (JSPS-Club) und Marc
tenverarbeitung technischer Wahrnehmungssys-         Schuler (Animexx) die Gäste. Der Oberbürger-
teme im direkten Widerspruch zu den persönli-        meister von Bonn, Ashok-Alexander Sridharan
chen Bedeutungen, die in Erfahrungen rund um         und Seine Exzellenz der japanische Botschafter
kulturelle Vorstellungen des Menschen wurzeln.       Takeshi Yagi sprachen längere Grußworte und
Zur Lösung dieser Problematiken hat die interdis-    betonten wie alle Redner die Wichtigkeit der
ziplinäre Forschungsgruppe H.A.U.S (Humanoid         deutsch-japanischen Beziehungen, die vielfälti-
Robots in Architecture and Urban Space) einen        gen Verbindungen beider Länder und die beson-
Ansatz entwickelt, bei dem sich die verschiedenen    dere Bedeutung der Stadt Bonn mit seinem auch
Wahrnehmungssysteme ein hybrides Raummo-             in Japan sehr berühmten „Sohn der Stadt“ Lud-
dell teilen. Es wird gemeinsam von Menschen und      wig von Beethoven.
Roboter mittels eines maschinellen Lernsystems
erzeugt. Das Ziel der aktuellen Forschung von
H.A.U.S. ist es, ein Modell von kultureller Bedeu-
tung zu generieren, das die bis heute nicht greif-
bare Aspekte einbezieht.

Den ungewöhnlichen Abschluss des diesjährigen
Symposiums bildete die Performance „Ningyo
buri – Doppelgänger“ in Kooperation mit H.A.U.S.
Das Stück bezieht sich auf Bunraku und einen
poetischen Text aus dem 18. Jahrhundert. In der
Performance wurden die Ausdrucksmöglichkei-
ten zweier humanoider „Pepper“-Roboter mit der
                                                                 Festredner Dr. Theo Sommer
improvisierten Herangehensweise eines Tänzers
konfrontiert. Die fragile Verbindung zwischen
                                                     Die Organisatoren hatten für den Festvortrag Dr.
Mensch und Maschine in dieser Darstellung warf
                                                     Theo Sommer (ehemaliger Herausgeber und
Fragen nach dem Posthumanen auf.
                                                     Chefredakteur der Wochenzeitung DIE ZEIT)
                                                     gewinnen können, der in einem Schnelldurch-
                                                     gang durch die jüngere Geschichte auf die Paral-
             55. VDJG-Jahrestagung
                                                     lelität der Entwicklung der beiden Länder
         30. Mai und 1. Juni 2019 in Bonn
                                                     Deutschland und Japan einging. Gekonnt führte
                                                     er die Zuhörer durch die Höhen und Tiefen der
 Von Vorstandsmitglied Prof. Dr. Anke Scherer
                                                     Entwicklung beider Länder und betonte dabei,
                                                     wie wichtig dabei der gegenseitige Respekt für
Die Jahrestagung des Verbandes Deutsch-              die Beziehung sei. Beide Länder sind in der der-
Japanischer Gesellschaften (VDJG) fand dieses        zeiten weltweiten Umbruchsphase wichtige Ak-
Jahr in Zusammenarbeit des VDJG mit der DJG-         teure, die viele gemeinsame Werte teilen. Für die
Bonn, Animexx und nicht zuletzt dem JSPS-            Zukunft fragte er, ob Japan nicht sogar das Mo-
Clubs in Bonn statt. Informell hatten sich die       dell sein könnte, mit dem Länder auf hohem Ni-
Teilnehmer am 31. Mai zu einem Begrüßungs-           veau mit Null-Wachstum in einer so genannten
abend getroffen. Eröffnet wurde die Veranstal-       „Post Growth World“ nachhaltig leben können.

                                                                                                    6
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In dem darauffolgenden vom JSPS-Club gestalte-        ner offenen Diskussion treffen sollten, die meisten
ten Veranstaltungsteil „Bedeutung der Wissen-         Teilnehmer anfangs. Dann kamen die Gruppen
schaft für die deutsch-japanischen Beziehun-          aber doch zu angeregten Gesprächen zusammen
gen“ sprachen die Clubmitglieder Prof. Dr. Heinrich   und überlegten sich Anregungen dazu, wie die
Menkhaus (dessen Redemanuskript als Editorial         Zukunft der Deutsch-Japanischen Gesellschaften
dieser Ausgabe abgedruckt ist), Prof. Dr. Erik        aussehen könnte, wie man Spezialgruppen einbin-
Bründermann, Prof. Dr. Werner Meyer und Dr.           den, gesellschaftliche relevante Themen aufneh-
Wolfgang Staguhn. Prof. Bründermann zeigte am         men, die Digitalisierung innerhalb des VDJG voran-
Beispiel der Hochfrequenztechnologie, wie der         treiben, besser mit Studierenden zusammenarbei-
deutsch-japanische Wissenschaftsaustausch zu          ten, neue Mitglieder gewinnen und eine bessere
wichtigen technischen Entwicklungen geführt hat,      Öffentlichkeitsarbeit betreiben kann. Der JSPS-
z.B. um in Kunst und Architektur Strukturen sicht-    Club organisierte eine Diskussionsrunde zur Frage
bar zu machen oder mit Gepäckscannern im Flug-        danach, welche wissenschaftliche Veranstaltungen
hafen oder Teleskopen im Weltraum „durch Objek-       aus Anlass der Feier des 160. Jubiläums der
te durchzuschauen“. Prof. Meyer blickte danach        deutsch-japanischen diplomatischen Beziehungen
auf seine erfolgreiche Wissenschaftlerkarriere zu-    im 2021 geplant werden sollten. Den krönenden
rück, in der er in der Nuklearphysik über 40 Jahre    Abschluss des offiziellen Teils bildete der Japan-
lang eng mit seinen japanischen Kollegen zusam-       abend auf Einladung der japanischen Botschaft.
mengearbeitet hat. Er betonte die Wichtigkeit von
gegenseitigem Vertrauen als Basis für die Zusam-
menarbeit, gepaart mit der notwendigen finanziel-     Ein neues deutsch-japanisches Forschungs-
len Unterstützung auf beiden Seiten. Abschließend          projekt im Bereich der Biomimetik
zeigte Dr. Staguhn an vielen Beispielen für die An-
wendung von Technologie aus Japan im Alltag – in          von Clubmitglied Prof. Dr. Olaf Karthaus
der Kommunikationstechnologie, der Medizin und
Pharmakologie –, dass Japan ein bedeutender
Wissenschaftspartner Deutschland ist.

Am Nachmittag wurden Themen, die aus den
Reihen der VDJG-Mitglieder vorgeschlagen wor-
den waren, in Form eines so genannten Bar-
camps diskutiert:

                                                      Takumi Arakawa (links), Thomas Berberich (Mitte) und Olaf
                                                          Karthaus (rechts) vor dem Senckenberg Museum

                                                      Der Club hat ein neues Kind. Naja, es ist noch nicht
                                                      geboren und wir wissen nicht was ‘herauskommt’,
                                                      aber es ist schon gezeugt. Und es hat zwei Väter.

                                                      Wenn ich mit diesen drei Sätzen Interesse ge-
     Planung von Diskussionsrunden beim Barcamp       weckt habe, dann kann ich ja mit wissenschaftli-
                                                      cher Prosa weitermachen. Denn es handelt sich
Zwar verwirrte die neue, agile Form der Arbeits-      nicht um ein menschliches Baby aus der Retorte,
gruppen, die sich jeweils locker um die Person, die   sondern um ein Kakenhi-Projekt des MEXT in
das Thema vorgeschlagen hatte, für 45min zu ei-       Japan, an dem zwei Clubmitglieder beteiligt sind;

                                                                                                              7
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neben mir als ‘Principal Researcher’ (Chitose           pert, deren kleine weißen Blütenblätter beim Be-
Institute of Science and Technology, kurz CIST)         netzen mit Wasser transparent werden. Dieser
ist das Thomas Berberich als ‘Research Collabo-         Vorgang ist anscheinend weit bekannt, sodass
rator’ (Senckenberg Biodiversity and Climate            die Pflanze Dyphellia grayii auch oft Skeleton
Research Center). Außerdem ist auch Norihisa            Flower genannt wird, da man im transparenten
Tanio (CIST) als ‘Co-Investigator’ mit im Boot.         Zustand die Aderstruktur innerhalb des Blüten-
                                                        blattes im Prinzip wie ein Skelett sehen kann.
Als Polymerchemiker interessiere ich mich schon
seit längerem für Biomimetik, und ich bin sehr          Ich machte mich also daran, die Mikrostruktur der
dankbar, dass ich mich sogar letztes Jahr in die        Blütenblätter im Elektronenmikroskop zu studie-
Organisation des Club-Symposiums bei Sencken-           ren, denn ‘weiß’ zu sein bedeutet, Licht zu streu-
berg in Frankfurt einbringen konnte, bei dem es         en, und das passiert oft an mikrometergroßen
primär um dieses Thema ging. Biologische Struktu-       Strukturen. Zum Beispiel ist Papier weiß, da es
ren “nachzubauen” und mit ihnen bessere, umwelt-        aus Zellulosefasern mit einigen Mikrometern
freundlichere Produkte und Verfahren zu ermögli-        Durchmesser besteht. Wenn nun Wasser in die-
chen, ist ein spannendes Forschungsgebiet. Da die       se Strukturen eindringt, ändert sich das Bre-
Biomimetik eine stark interdisziplinäre Thematik ist,   chungsverhalten des Lichtes. Es wird nicht mehr
braucht es interdisziplinäre Zusammenarbeit. Das        gestreut und das Material wird transparent. Uns
heißt aber auch, dass man Spezialisten in der an-       am CIST gelang es, auch eine künstliche Struk-
deren Disziplin gut genug kennen muss, um sich          tur herzustellen, die reversibel zwischen weiß
gegenseitig zu vertrauen und sich für ein gemein-       und transparent schaltbar ist.
sames Forschungsprojekt begeistern zu können.
Und da ist der Club einfach eine phantastische
Institution. Als JSPSler hat jedes Mitglied schon
mindestens einmal in Japan gelebt und geforscht.
Man kennt sich von Clubtreffen, man isst und trinkt
zusammen, lernt sich kennen und schätzen. Die-
ses Netzwerk ist nicht nur zum Schwelgen in ver-
gangenen Japanzeiten da. Manchmal ergibt sich
auch die Möglichkeit einer Zusammenarbeit.

                                                         Elektronenmikroskopische Aufnahme der mikroskopisch
                                                                      kleinen Oberflächenstruktur

                                                        Und da waren wir am CIST auch schon mit unse-
                                                        rem Latein am Ende. Denn in der Forschung
                                                        sucht man natürlich Generalitäten aufzuspüren.
                                                        “Trial and Error” ist eine Methode. Wir suchen
                                                        also zurzeit andere Pflanzen, deren Blütenblätter
                                                        sich ähnlich verhalten und suchen nach dem
                                                        gemeinsamen Nenner unter den Mikrostrukturen.

          Die Skeleton Flower (Skelettpflanze)          Auf ein solides Fundament kann man das jedoch
               mit weißen Blütenblättern                nur stellen, wenn man sich mit Pflanzen aus-
                                                        kennt. Verwandtschaftsbeziehungen im phyloge-
So bin ich vor ein paar Jahren, bildlich gespro-        netischen Stammbaum und Genregulierung
chen, über eine seltsame Blütenpflanze gestol-

                                                                                                               8
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müssen eigentlich eine große Rolle in der Ent-        Muon Spin Collaboration (SMC) am CERN ange-
wicklung dieser Mikrostrukturen spielen. Und da       schlossen, während ich 1991 auf Einladung von
ist Thomas Berberich der Spezialist. Das Sen-         Prof. C. Prescott der gleichen Fragestellung 15
ckenberg Biodiversität und Klima Forschungs-          Monate am SLAC in einer dort existierenden Kolla-
zentrum hat Klimakammern, in denen man die            boration von mehreren amerikanischen Universitä-
Pflanzen von der gerade draußen herrschenden          ten nachging. Sowohl bei den CERN- als auch bei
Jahreszeit unabhängig blühen lassen kann. In          den SLAC-Experimenten wurde NH3 als polarisier-
seinem Labor gibt es eine Vielzahl von Analyse-       tes Targetmaterial eingesetzt. In dieser zweiten
apparaten, die eine schnelle Identifizierung von      Phase der deutsch-japanischen Zusammenarbeit
Spezies und deren Genen ermöglicht, die für die       fand ein reger Wissenschaftleraustausch durch
stoffliche Zusammensetzung der Blütenblätter          gegenseitige Arbeitsaufenthalte statt: K.H. Althoff,
verantwortlich sind.                                  D. Menze, W. Meyer (jeweils mehrmals), W.
                                                      Schwille, D. Husmann von Bonn nach Nagoya und
Nachdem die Clubmitglieder Julia Krohmer,             N. Horikawa (7x), T. Nakanishi (4x), T. Iwata (2x),
Thomas Berberich und ich uns bei dem Clubtref-        S.Nakamura (7 Jahre) von Nagoya nach Bonn. In
fen am Senckenberg ausgetauscht hatten, und           diese Zeit fiel auch meine Habilitation. Hierzu wur-
ich Thomas Berberich für eine Zusammenarbeit          den mir damals drei wissenschaftliche „Paten“ zu-
begeistern konnte, schrieb ich einen Kakenhi-         gewiesen. Bei allen Gesprächen mit ihnen hatte ich
Forschungsantrag, der dieses Jahr im Mai auch         das Gefühl, mich für meine Auslandsaufenthalte in
bewilligt wurde. Wir werden also für die nächsten     der Schweiz (geografisch zu nah?) und in Japan
drei Jahre für diese Kooperation vom MEXT ge-         (falsche Himmelsrichtung?) rechtfertigen zu müs-
fördert werden. Das erste Treffen zwischen Olaf       sen. Bei ihnen war wohl eher „America first“ ange-
Karthaus, seinem Studenten Takumi Arakawa,            sagt. Meine Feuertaufe als Organisator bestand ich
Julia Krohmer und Thomas Berberich hat bereits        –nach der Ausrichtung eines kleineren Workshops
im Mai 2019 am Senckenberg-Institut stattgefun-       „Polarized Target Materials and Techniques“ im
den und wir sind zuversichtlich, dass wir zu Ende     Physikzentrum in Bad Honnef – bei dem alle zwei
des Projektes an dieser Stelle dem Club die           Jahre und im September 1990 in Bonn stattfinden-
Frucht unserer Zusammenarbeit, unser ‘Baby’,          den Internationalen Spin Symposium mit ca. 400
vorstellen können.                                    Teilnehmern. Der E-Mail-Verkehr war damals ge-
                                                      rade erst am Horizont zu erahnen. Telex und vor
                                                      allem die Briefpost hatten den Vorteil einer gewis-
         RÜCKBLICK AUF EIN LEBEN                      sen Entschleunigung, erschwerten aus heutiger
          ALS WISSENSCHAFTLER                         Sicht allerdings die Organisation des Symposiums,
                                                      da ein größerer zeitlicher Vorlauf erforderlich war.
Elementarteilchen, Spinpolarisation und Kul-          Das Symposium ermöglichte mir viele neue Kon-
turelles – Motoren einer 50jährigen deutsch-          takte – u.a. mit Prof. C. Prescott – , die ich knüpfen
    japanischen Zusammenarbeit (Teil 2)               bzw. intensivieren konnte. Das gleiche galt für Ho-
                                                      rikawa-san und seine Mitarbeiter in Nagoya. Dort
    von Clubmitglied Prof. Dr. Werner Meyer           fand das Internationale Spin Symposium im No-
                                                      vember 1992 in dem gerade fertiggestellten „Toyo-
Die Jahre 1984 bis 1995 können als zweite Phase       da Memorial Auditorium“ statt. Die Bewerbungen
der deutsch-japanischen Zusammenarbeit auf dem        für die aufeinanderfolgende Ausrichtung der beiden
Gebiet der Teilchenphysik bezeichnet werden, die      Symposien hatten Horikawa-san, Herr Althoff und
von Horikawa-san, Herrn Althoff und mir geleitet      ich schon 1986 abgesprochen. Der Novemberter-
wurde. Dem gemeinsamen physikalischen Interes-        min 1992 war unüblich. Ich meine mich zu erinnern,
se wurde damals der Name „Spin Puzzle“ gegeben.       dass Horikawa-san ihn letztendlich damit rechtfer-
Im Mittelpunkt stand die Frage nach der Zusam-        tigte, die Taifun-Saison vermeiden zu wollen. Der
mensetzung des Protonenspins (1/2) aus dessen         Novembertermin hatte zudem den Vorteil, dass
up- und down-Quark-Konstituenten. Im Jahr 1989        man das Prachtspiel der einzigartigen Ahornblätter-
hatte sich Horikawa-san mit seinen Mitarbeitern der   färbung in den unnachahmlich perfekt angelegten

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Neues vom JSPS-Club Deutsche Gesellschaft der JSPS Stipendiaten e.V - BLOGS FAU
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Gärten der Tempelbereichen bewundern konnte –         spät abends zum Ausklang des sehr geselligen
wenn man als Konferenzteilnehmer überhaupt Zeit       Zusammenseins unter Beweis stellen. Das tat ich
und ein Auge dafür hatte. Die Devise des Gastge-      u.a. mit dem Lied „Sah ein Knab ein Röslein
bers lautete wohl, Unwägbarkeiten vermeiden und       steh´n …“, das von sehr vielen Festteilnehmern
stattdessen gratis ein herbstliches „Feuerwerk der    textsicher mitgesungen wurde. Aber da war noch
Natur“ zu einem perfekt organisierten Symposium       Entscheidendes mehr: Das Sakata-Modell kam
mit wissenschaftlich hervorragendem Programm          mir in den Sinn, denn ich erinnerte mich an die
bieten zu wollen.                                     Teilchenphysik-Vorlesung während meines spä-
                                                      teren Studiums, als Quark-Teilchen noch als
Das Jahr 1986 war auch das Jahr, in dem mein          „mathematische“ Konstrukte erwähnt wurden.
bis dahin heimlicher Traum eines Besuchs in Ja-
pan konkrete Formen annahm. Ein dreimonatiges         In Japan war Prof. S. Sakata in den 50er und 60er
JSPS-Stipendium mit Horikawa-san als Gastge-          Jahren der führende Elementarteilchentheoretiker.
ber in Nagoya war genehmigt worden. Mein Ja-          Er war ein Schüler von Prof. H. Yukawa und ent-
pan-Virus war wieder entfacht worden und vielfäl-     wickelte 1956 das Sakata-Modell bestehend aus
tige Japan-Lektüre (u.a. die Geschichte vom           dem Proton-, Neutron- und Lambda-Teilchen.
„Prinzen Genji“) wurde zu einer spannenden            Dieses Modell gilt noch heute als tragfähiger Vor-
Abendbeschäftigung. Nach einer Zwischenlan-           bote für das später entwickelte Quark-Modell und
dung in Karatschi (Pakistan) – Direktflüge über die   den „eightful way“ (als Anspielung auf den achtfa-
frühere Sowjetunion gab es erst ab 1989 – erblick-    chen Weg im Buddhismus). Schüler von Prof.
te ich am 02.06.1986 um 6:27h erstmals Japan          Sakata waren Prof. T. Maskawa (ein Klassenka-
(Kyushu) unter der morgendlich rot aufgehenden        merad im Doktorandenkurs von Horikawa-san)
Sonne. Seit diesem Tag sind mir meine ausführli-      und Prof. M. Kobayashi. Beide erhielten 2008 den
chen Reisenotizen über meine vielen folgenden         Physiknobelpreis für die Entwicklung der sog.
Japanbesuche ein stets hilfreicher Begleiter. In      Kobayashi-Maskawa-Matrix. Die auch als Quark-
Nagoya erwartete mich ein exklusiv eingerichtetes     Mischungsmatrix bekannte mathematische Matrix
80qm Apartment, da meine Frau mit unseren bei-        basierte u.a. auf der Vorhersage von zwei weite-
den schulpflichtigen Kindern zu Beginn der Som-       ren Quarks (3. Quarkfamilie), die zu diesem Zeit-
merferien nachreisen sollte. Im Nachhinein stellte    punkt experimentell noch nicht nachgewiesen
sich heraus, dass ich den Mietpreis dieser Woh-       werden konnten. Die Nagoya Universität – ur-
nung ganz in der Nähe der Universität in Motoya-      sprünglich 1876 und 1939 durch den Zusammen-
ma wohl selbst festgelegt habe. Horikawa-san          schluss einiger Institutionen als letzte (neunte)
fragte mich nämlich im Herbst 1985 – im Auftrag       kaiserliche Fakultät gegründet – gehört seit jeher
eines Freundes von ihm – nach dem Mietpreis           nicht zuletzt wegen vier weiteren Nobelpreisträ-
einer möblierten Wohnung für 4 Personen in Bonn       gern im letzten Jahrzehnt (zwei in Physik und zwei
an. Mit meiner Antwort, die er offensichtlich auch    im Fach Chemie) zu den renommiertesten japani-
der Miete in Japan zugrunde legte, ergab sich der     schen Universitäten.
Mietpreis für unsere Wohnung in Motoyama. Wir
hatten Glück: Für die gezahlte Miete hätten wir in    Ich war also an einer der besten Universitäten
dieser Lage unter Normalbedingungen wohl nie          Japans angekommen. Sehr bald startete ich eine
eine Wohnung bekommen.                                Vortragsreise nach Kyoto, wo mich Prof. Masaike
                                                      erwartete. Weiter ging es nach Hiroshima. Im
Am 13.06.1986 hatte ich die Gelegenheit, die          Norden auf Honshu führte mich mein Weg über
Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag des Neustarts       den Besuch am Institut für Nuklear Studien (INS)
der physikalischen Fakultät nach Ende des             in Tokyo zum Hochenergie-Physik Forschungs-
2.Weltkriegs mitzuerleben. Prof. S. Sakata führte     institut (KEK) in Tsukuba. Dort hatte Masaike-san
damals mit der „Charter of Physics Depart-            nach seiner Rückkehr 1973 aus Bonn den Bau
ment“ demokratische Regeln ein. Bis dahin war         eines polarisierten Targets initiiert, das später
es wohl üblich, dass das Institut von einer Person    von Dr. Ishimoto federführend betreut wurde.
geleitet wurde. Meine Sangeskunst musste ich          Weiter ging es zur Tohoku-Universität nach

                                                                                                     10
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Sendai. Dort war ein 300MeV-Beschleuniger in        eleganten Kimono erfüllte sich nicht; es blieb lei-
Betrieb. Eine bessere Vernetzung als ich sie aus    der nur bei einer Anprobe (siehe Bild).
Bonn kannte war bei den japanischen Kollegen
augenscheinlich. Im Labor in Nagoya war der         Eines Tages wurde es bei einem Spaziergang in
schon erwähnte He3/He4-Mischkryostat im Ein-        der Nähe des Nagoya-Schlosses für unsere Be-
satz. Das Studium des fundamentalen Prozesses       griffe „sehr japanisch“. In Yukata gekleidete
der polarisierten Fusion und dessen Realisierung    schwergewichtige Männer mit Pferdeschwanz-
mit Hilfe polarisierbarer Targets in Folienform     Frisur zogen im Straßenbild unsere erstaunte
standen im Vordergrund. Die gute Zusammenar-        Aufmerksamkeit auf sich. Es handelte sich um sog.
beit mit den Masterstudenten und Doktoranden,       Sumo-Kämpfer. Meine Frau wurde nach zweima-
die häufig im Labor in Schlafsäcke gehüllt ihre     ligem Besuch von Sumo-Turnieren ein glühender
Nachtruhe suchten, war ähnlich der in Bonn. In      Anhänger dieser wohl traditionellsten japanischen
demselben Großlabor konnte ich die von Naka-        Sportart. Chiyonofuji hieß der damalige unumstrit-
nishi-san aufgebaute polarisierte Elektronenquel-   tene 58. Yokuzuna-Meister der in knappem Sei-
le besichtigen, die im Moment allerdings verwaist   denschurz kämpfenden Rikishi-Schar. Heutzutage
war. Er befand sich zur gleichen Zeit als AvH-      kennt die Sumo-Szene auch mongolische, russi-
Stipendiat für 18 Monate in Bonn und arbeitete      sche und hawaiianische Stars. In Zeiten der Glo-
von meinem dortigen Büro aus vorwiegend an          balisierung nicht weiter verwunderlich.
der Bonner polarisierten Elektronenquelle. Meine
Arbeit an seinem Schreibtisch in Nagoya wurde       An den Wochenenden standen Reisen auf dem
zur Mittagszeit häufig durch ein freundliches       Freizeitprogramm. Diese stellten uns ohne Schil-
Klopfen am Fenster unterbrochen. Es standen         derbeschriftung in englischer Sprache und zu-
wohltuende Pausen durch die Aufforderung            dem in einer „handylosen“ Zeit ohne flächende-
„Meyer-san, Ping-Pong time“ an. Das Tischten-       ckende private Navigationssysteme vor eine gro-
nistraining – auch mit Horikawa-sensei – in der     ße Herausforderung. Da wir keine japanischen
direkt angrenzenden Baracke mündete nach            Sprach- und Lesekenntnisse hatten, waren die
Wochen in die Ermittlung der Tischtennismeiste-     Skizzen und Beschreibungen von Horikawa-san
rin bzw. des Tischtennismeisters. Die von mir       sowie die absolute Pünktlichkeit des japanischen
dann später gestifteten „Meyer-Pokale“ werden       Schienen- und Busverkehrs für uns die Garantie
heute noch jährlich – allerdings nach den Jahren    für eine erfolgreiche Heimkehr in unsere Über-
der vielen Nobelpreise für die Naturwissenschaf-    gangswohnung nahe der Universität. Abends
ten in einer moderneren Örtlichkeit als der ehe-    wurde durch einen höflichen Telefonanruf meiner
maligen Baracke – ausgespielt.                      japanischen Kollegen regelmäßig überprüft, dass
                                                    wir den Weg zurück gefunden hatten.
Meine Frau besuch-
te regelmäßig den in
der Mittagszeit im
Institut angebotenen
Ikebana-Kurs. Wäh-
renddessen wurden
unsere Kinder vom
Techniker     Okumi-
san die Grundzüge
des Baseballspiels
beigebracht. Nach-
mittags konnte mei-
ne Frau mit den
Kindern häufig der                                   Ausflug der Familien Meyer und Horikawa nach Oku-hida-Onsen

sommerlichen Schwüle im nahegelegenen Hi-
gashiyama-Zoo entfliehen. Ihr Traum von einem

                                                                                                              11
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Ohne uns von Hochhäusern, Schnellstraßen und         (4pi) zu erfassen, wurden die Detektoren fassförmig
Shinkansen-Trassen irritieren zu lassen, konnten     dicht um das Target angeordnet. Wie aber ein pola-
wir auch das traditionelle Japan auf dem Land        risiertes Festkörpertarget betreiben, das üblicher-
kennenlernen, zunächst bei Ausflügen mit Ho-         weise einen großen Magneten für die Polarisation in
rikawa-san und später in Eigenregie mit einem        unmittelbarer Nähe des Targets benötigt? Abhilfe
Mietwagen. Voraussetzung für die Anmietung           konnte die damals schon bekannte Technik eines
eines Wagens war allerdings ein japanischer Füh-     sog. „Frozen-Spin Targets“ schaffen.
rerschein, den ich bald nach einigen Papierforma-
litäten und nach Hör-, Seh- und Farbtests – was      Frozen-Spin polarisierte Targets: Bei den tiefsten
hätte ich auch sonst erfolgreich beitragen kön-      Temperaturen (kleiner als 0.07 0K) ist der durch
nen? – unter dem Beifall vieler geduldig wartender   ein hohes Magnetfeld („Polarisationsfeld“) erziel-
Teenager ausgehändigt bekam (Gültigkeit ab           te Polarisationsgrad der Nukleonen auch bei we-
Showa 61 = 1986 für drei Jahre). Unvergesslich       sentlich kleinerem sogenannten „Haltefeld“ (übli-
war unser Ausflug mit der Familie Horikawa in die    cherweise 0.4 - 0.5T) genügend stabil. Man kann
japanischen Alpen zum Mount Hotaka. Die Fahrt        also bei diesem Zusammenspiel von Temperatur
führte uns über das Kiso Tal und die Norikura        und Magnetfeld den Spin der Nukleonen (Polari-
Skyline mit einer Passhöhe von 2700m zu in ei-       sation) einfrieren. Neu war die von mir verfolgte
nem buddhistischen Tempel, in dem wir über-          Idee, die bisher auch für das Haltefeld benutzten
nachteten. Abends besuchten wir in Yukatas ge-       voluminösen Magnetspulen durch kleine in die
kleidet ein örtliches „Drachenfest“, bevor wir am    Kryostaten integrierte, supraleitende und damit
nächsten Tag den Hotaka-Berggipfel (3170 m)          ca.1mm dünnen Magnetspulen zu ersetzten.
zunächst mit einer Seilbahn und dann zu Fuß, u.a.    Fazit: Für das Experiment ist kein großer platz-
mit Stativ bewaffnet, bestiegen. Nach einer in ei-   raubender Magnet erforderlich. Ein polarisiertes
nem Flussbett selbstgeformten heißen Badestelle      Festkörpertarget kann in sog. 4π-Detektoren
wie auf dem nachfolgenden Foto hieß es: „Ach-        eingesetzt und betrieben werden.
tung vor Rotenburu bzw. Onsen!“:
                                                     Nach jahrelangen Vorarbeiten und Erprobungen
                                                     wurde meine Idee praxistauglich. Ein Frozen-
                                                     Spin-Target wurde zunächst 1992 in Bonn und
                                                     nach einem Transport zum CERN am dortigen
                                                     Antiprotonen-Beschleuniger LEAR (Low Energy
                                                     Antiproton Ring) von meiner Gruppe im Rahmen
                                                     einer internationalen Kollaboration unter der Lei-
                                                     tung von Prof. Dr. K. Kilian (Forschungszentrum
                                                     Jülich) eingebaut, betrieben und überwacht.

                                                     Am Physikalischen Institut in Nagoya stand nach
                                                     der Pensionierung von Prof. S. Fukui eine Um-
                                                     strukturierung an. Für dessen Nachfolge wurden
                                                     in Bonn vergleichende Gutachten für die Bewer-
                                                     ber Horikawa-san und Nakanishi-san angefordert.
Es reicht, nur eines dieser in einer phantasti-      Es entzieht sich meiner Kenntnis, in wieweit eine
schen Landschaft gelegenen heißen Bäder aus-         „salomonische“ Beurteilung von Herrn Prof. Althoff
zuprobieren, um zu wissen: Onsen macht süch-         zur Ernennung beider Kandidaten zum „Full-
tig! Bevor ich weiter ins Schwärmen für diese        Professor“ beigetragen hat. Der jüngere Kandidat
„japanischen Wellness-Oasen“ gerate, möchte          Nakanishi-san wurde Nachfolger von Prof. Fukui
ich zurück zur Physik kommen.                        und Horikawa-san wurde Leiter des neugeschaf-
                                                     fenen „Center for Integrated Research in Science
In Bonn war seit 1988 der erweiterte 3.5GeV-         and Engineering” (CIRSE). Ich betrachtete das
Elektonen-Stretcher Ring (ELSA) in Betrieb. Um die   CIRSE als eine Art Vorreiter für die mittlerweile
ausfliegenden Teilchen im kompletten Raumwinkel

                                                                                                     12
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auch in Deutschland intensivierte fachübergrei-       Deutschland unterstützt werden. Mit Informations-
fende Vernetzung. Nach meinen Bewerbungen             veranstaltungen, öffentlichen Anhörungen, umfang-
auf eine Professorenstelle hatte ich nach meiner      reichen Publikationen und Masterarbeiten junger
Rückkehr vom SLAC glücklicherweise die Qual           Forscher verbreitet das GJETC seine Ergebnisse
der Wahl, da ich im März 1995 in der komfortab-       in Deutschland und Japan (GJETC.org). Es prä-
len Situation war, zwischen den „Rufen“ an die        sentiert ausführliche Empfehlungen zur Unterstüt-
Ruhr-Universität Bochum und an die Johannes-          zung der Energiewende und der Energieeffizienz in
Gutenberg-Universität Mainz auswählen zu dürfen.      beiden Ländern. Das grundlegende Ziel des Pari-
Den Ausschlag, die „jüngere“ Campus-Universität       ser Übereinkommens der Vereinten Nationen
Bochum vorzuziehen, sah ich in der dort modern        (2015) ist, dass die globale Erderwärmung „deut-
strukturierten Fakultät. Die für mich wichtige Ei-    lich unter“ 2 Grad Celsius bleibt. Der GJETC unter-
genständigkeit sah ich dort für mich eher gegeben.    streicht die Verantwortung Japans und Deutsch-
(Fortsetzung im nächsten NvC)                         lands als hochentwickelte und reiche Länder, eine
                                                      Führungsrolle zu übernehmen, indem sie die
                                                      Treibhausgasemissionen bis 2050 um mindestens
            AUSZEICHNUNGEN FÜR                        80% senken und kontinuierlich eine CO2-
         MITGLIEDER DES JSPS-CLUBS                    Neutralität anstreben.

              Die Verleihung des                      Prof. Dr. Hennicke ist ein Pionier auf dem Gebiet der
         JSPS Alumni Club Award 2019                  Energiewende und Energieeffizienz mit einer Erfah-
                                                      rung von über 30 Jahren. Bis heute engagiert er sich
  von Vorstandsmitglied Dr. Wolfgang Staguhn          für die sozial-ökologische Transformation des Ener-
                                                      giesystems in Deutschland und anderen Ländern,
                                                      insbesondere in Japan. Als Volkswirt beschäftigt er
                                                      sich intensiv mit den Kostenvorteilen durch Energie-
                                                      einsparungen und der wirtschaftlichen Machbarkeit
                                                      einer vollständigen Energieversorgung durch erneu-
                                                      erbare Energiequellen. Mit seiner Arbeit und Erfah-
                                                      rung zählt er zu den profiliertesten Experten der
                                                      Energiewende. (Mehr unter https://www.jsps-club.
                                                      de/preise/jsps-alumni-club-award/2019/).

                                                           Eugen und Ilse Seibold-Preis 2019 für
                                                            Clubmitglied Prof. Dr. Harald Baum

        Preisverleihung an Prof. Dr. Peter Hennicke
                                                      Mit dem Eugen und Ilse Seibold-Preis werden ja-
                 am 24. Mai 2019 in Wien
                                                      panische und deutsche Wissenschaftlerinnen und
Mit dem JSPS Alumni Club Award (kurz JACA)            Wissenschaftler ausgezeichnet, die in besonderer
zeichnet die Deutsche Gesellschaft der JSPS Sti-      Weise zum Verständnis des jeweils anderen Lan-
pendiaten e.V. (JSPS Club) jährlich individuell be-   des beigetragen haben. Der mit etwa 10.000 Euro
triebene wissenschaftliche Netzwerke zwischen         dotierte Preis wird alle zwei Jahre jeweils an einen
Deutschland und Japan aus. Der Preisträger des        deutschen und einen japanischen Wissenschaftler
JACA 2019 ist Professor Peter Hennicke. Mit die-      verliehen. Die Preise werden für besondere Leis-
sem Preis ehrt der JSPS Club seine Initiative und     tungen auf allen Wissenschaftsgebieten vergeben,
Führungsrolle im Gründungskonsortium des Ger-         jedoch im Turnus wechselnd zwischen den Geis-
man Japan Energy Transition Council (GJETC).          tes- und Sozialwissenschaften auf der einen und
Seit 2016 arbeitet das GJTEC mit hochrangigen         den Naturwissenschaften, einschließlich Biowis-
Energieexperten zusammen, die von METI in Ja-         senschaften und Medizin auf der anderen Seite.
pan und von Stiftungen sowie Ministerien in           Seit 2008 besitzt der JSPS-Club Vorschlagsrecht.

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NvC Nr. 2 / 2019, Ausgabe 75

Der Eugen und Ilse Seibold-Preis 2019 der DFG geht        Der diesjährige Preisträger in der Kategorie For-
an Prof. Dr. Kōichirō Agata von der Waseda Universi-      schung ist das JSPS-Club Vorstandsmitglied Dr.
ty und Prof. Dr. Harald Baum vom Max-Planck-Institut      Arnulf Jäger-Waldau. Geehrt werden in dieser Ka-
für ausländisches und internationales Privatrecht,        tegorie besonders Einzelforscher und Teams an
Hamburg. Die Deutsche Gesellschaft der JSPS-              Universitäten und Forschungsinstituten, die zur
Stipendiaten e.V. gratuliert beiden Preisträgern ganz     Weiterentwicklung der Forschung im Bereich der
herzlich. Gleichzeitig freuen wir uns, dass mit Profes-   Photovoltaik Hervorragendes leisten. Wichtig ist
sor Harald Baum wieder ein Mitglied aus den Reihen        hierbei auch die Ausbildung von Nachwuchswis-
unserer Alumni-Gesellschaft der JSPS-Stipendiaten         senschaftlern in diesem Bereich durch die geehrten
mit dem Seibold-Preis 2019 ausgezeichnet wird. Bei        Forscher bzw. Institute.
den Naturwissenschaften war der Preis im Jahre
2017 an das Clubmitglied Prof. Dr. Thomas Bock
vergeben worden. In der Begründung für die diesjäh-        PUBLIKATIONEN VON CLUB-MITGLIEDERN
rige Auszeichnung nennt die DFG das jahrelange
erfolgreiche Engagement der beiden Preisträger, das       Die im Folgenden vorgestellte Festschrift ist In-
zum deutsch-japanischen Wissenschaftsaustausch            grid Fritsch gewidmet, die nicht nur schon seit
ebenso wie zu einem kulturellen Austausch beigetra-       vielen Jahren Mitglied im JSPS-Club ist, sondern
gen hat. Die Jury des Eugen und Ilse Seibold-Preises      auch mehrere Jahre im Vorstand tätig war, wo
hat die Entscheidung in ihrer Sitzung im Mai 2019         sie das heute Mitgliederwerbung und -betreuung
mitgeteilt.                                               genannte Ressort innehatte. Sie ist als Japano-
                                                          login insbesondere an der Universität zu Köln
                                                          tätig gewesen, wo sie das Arbeitsgebiet Musik-
   APVIA Award 2019 Academic Contribution                 wissenschaften abgedeckt hat. Aus ihrer Feder
         für Dr. Arnulf Jäger-Waldau                      stammen verschiedene Veröffentlichungen zur
                                                          japanischen Musik und zu den deutsch-
                                                          japanischen Beziehungen auf dem Gebiet der
                                                          Musik. Sie war es auch, die dem Club die Ver-
                                                          bindung zu den Chindonya verschafft hat, die
                                                          schon zweimal bei gemeinsamen Symposien
                                                          des Clubs in Japan das kulturelle bzw. musikali-
                                                          sche Rahmenprogramm bestritten haben. Der
                                                          Vorstand bedankt sich nochmals sehr herzlich für
                                                          ihre Mitarbeit im Club und wünscht weitere zahl-
                                                          reiche Jahre intensiver wissenschaftlicher Be-
                                                          schäftigung mit Japan (Prof. Dr. Heinrich Menk-
                                                          haus im Namen des JSPS-Clubvorstands)

  Verleihung des APVIA Awards (Academic Contribution)
       an Vorstandsmitglied Dr. Arnulf Jäger-Waldau             Stephan Köhn und Chantal Weber
                                                           Outcasts in Japans Vormoderne: Mechanis-
Die Asian Photovoltaic Industry Association                   men der Segregation in der Edo-Zeit
(APVIA) vergibt seit 2013 jährlich Preise in fünf                  (Festschrift für Ingrid Fritsch)
Kategorien an Individuen und Organisationen, die                 Wiesbaden: Harrassowitz, 2019
einen herausragenden Beitrag zur Weiterentwick-                328 Seiten, ISBN: 978-3-447-11167-6
lung der Photovoltaik geleistet haben. Der Fokus
des Preises ist die asiatisch-pazifische Region,          Für gewöhnlich wird die Edo-Zeit (1603–1868)
aber der Preis ist nicht auf Personen aus dieser          als eine stark hierarchisch gegliederte Gesell-
Region beschränkt. Vergeben werden Preise in              schaft beschrieben. Die Zugehörigkeit zu einer
den fünf Kategorien Industrie, Technologie, For-          sozialen Gruppe war hierbei qua Geburt vorbe-
schung, Finanzierung und Anwendung.                       stimmt, und die Kontrolle über die sogenannten

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