Im Herzen wild. Die Romantik in der Ottilie W. Roederstein Alberto Giacometti - neu präsentiert Seite 30 - Schweiz
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MAGAZIN 4 · OKTOBER 2020 CHF 8.– Im Herzen wild. Die Romantik in der Schweiz Seite 10 Ottilie W. Roederstein Seite 22 Alberto Giacometti – neu präsentiert Seite 30
EDITORIAL 3 Liebe Leserin, lieber Leser Danke, uns geht’s gut. – Das verdanken wir in jüngster Zeit vor allem unseren Mitgliedern! Wir freuen uns sehr über steigende Zahlen in der Zürcher Kunstgesellschaft, ein beson deres Zeichen der Anerkennung für das engagierte Miteinander aller Kolleginnen und Kollegen im Kunsthaus für ein schönes Ausstellungsprogramm und viele Veranstaltungen. Als nächstes tauchen Sie in eine der beliebtesten Epochen der Kunstgeschichte ein, die Romantik, und Sie werden staunen, was die Schweizer und die internationale Kunst an vielen berühmten und unbekannten romantischen Facetten zu bieten hatte – und hat … Und wir freuen uns schon jetzt auf die wirklich interessante Ottilie Roederstein, die wir als Künstlerin, Mäzenin und Vorreiterin der Emanzipation erstmals vorstellen. Die Neupräsentation der weltberühmten Giacometti-Sammlung ist fertig und erwartet Sie: Endlich hat ein ganzer Flügel des Kunsthauses ein fundamentales Facelifting erhal ten, kaum wiederzuerkennen und schon ein Vorgeschmack auf viele Veränderungen im Vorfeld der Eröffnung der Kunsthaus-Erweiterung im nächsten Jahr. Das Jahresprogramm ist gedruckt und online greifbar und macht neugierig mit Projekten zu Gerhard Richter (seine erste Ausstellung im Kunsthaus), zu Klimt und Hodler (so modern war Zürich) und vielen anderen mehr. Wir bereiten schon die erste Preview des Erweiterungsbaus im April und Mai des kommenden Jahres und die Eröffnung im Herbst vor – freuen Sie sich, wir haben allen Grund gemeinsam zu feiern. In einer druckfrischen Publikation erfahren Sie vieles über Konzept und Inhalt des eindrucksvollen Cover: Ford Madox Brown, Manfred auf der Jungfrau, 1842; Manchester Art Gallery, Manchester, Gift of Mr Frederick William Jackson Neubaus. Danke für Ihre Donationen zugunsten des neuen Audioguides zur künftig viel grösseren Sammlung, jede Spende zählt: Sie finden Informationen dazu in diesem Magazin. Und auch auf dem Heimplatz tut sich was: Die Kunst im öffentlichen Raum hält bereits unübersehbar Einzug mit der Installation der «Tastenden Lichter» von Pipilotti Rist, die im Dezember erstmals leuchten wird und der neuen Plastik «Janus» von Kader Attia, die zu Recht viel zu reden gibt; übrigens ein Geschenk unseres mäzenatischen Freundes Christen Sveaas. Wir können alle (!) unsere Projekte mit Ihrer Unterstützung und dem Engagement privater Donatorinnen und Donatoren realisieren und machen den Heimplatz und das Kunsthaus nicht ohne Stolz zu einem Mittelpunkt des (auch in diesen Zeiten) sehr lebendigen Zürcher Kulturlebens. Neugierig? Nichts wie hin! Herzlich grüsst Ihr Christoph Becker Kader Attia, Janus, 2020 Aluminiumguss, 200 × 148 × 173 cm Kunsthaus Zürich, Geschenk von Christen Sveaas, 2020 © 2020, ProLitteris, Zurich, Foto: Franca Candrian, Kunsthaus Zürich
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GUT ZU WISSEN 7 Albert Anker, Die Dorfschule von 1848, 1895 –1896 Kunsthaus Zürich, Privatsammlung MITGLIEDER OBJEKT DER BEGIERDE Winter, Weihnachten, Die Dorfschule Kunsthaus Auch dieses Jahr bietet das Kunsthaus wieder ein besonderes Weihnachtspro Ein Klassenzimmer mit einer grossen Zahl Schüler, ein leicht gramm für Gross und Klein: Von der überfordert wirkender Schulmeister mit gezückter Gerte, Reihen stimmungsvollen Weihnachtsführung über von Buben, die je weiter sie vom Lehrer weg sind umso mehr Kinder- und Erwachsenenworkshops und Unfug treiben … die Mädchen auf seitlichen Bänken separiert: Weihnachtsbasteln bis hin zu besinnlicher Wer dieses Bild Albert Ankers sieht, denkt wohl zunächst, dass Musik in unserer Sammlung. Als Mitglied dies ja doch sehr zurückgebliebene Zustände seien und das Werk profitieren Sie ganz besonders: Neben mithin gewiss ein reaktionäres Machwerk. – Aber weit gefehlt: reduzierten Preisen für die Samstags Anker schuf dieses Bild zwischen 1895 und 1896, doch evoziert führungen erhalten Sie freien Eintritt zu den Veranstaltungen in der Sammlung. der Bildtitel – «Die Dorfschule von 1848» – zurückblickend ein grosses Kapitel unseres kleinen Landes. 1848 war das Grün- Programm ab Mitte November online auf www.kunsthaus.ch. dungsjahr des jungen Bundestaates. Schule für alle war eine wichtige Errungenschaft, die sich bis heute noch nicht weltweit als Selbstverständlichkeit hat durchsetzen können. Und dies gilt umso mehr für eine Dorfschule: Denn auf den Höfen der KULTURNEWS Bauern gibt es immer etwas zu tun, Kinder in der Schule be deuten, dass sie in dieser Zeit nicht als kostenfreie Arbeitskräfte Welcher Kulturtyp auf dem Hof arbeiten können. sind Sie? Und wie so oft ist Anker auch hier ein Maler der Nuancen: Mit nur wenigen Klicks stellt man Man beachte wie der Ausdruck der Buben von blankem Entsetzen hier fest, welcher Kulturtyp man ganz vorne bis zu sich steigerndem Radau weiter hinten reicht. ist. Und erfährt erst noch, welche Rechts im Vordergrund sodann ein Mädchen im Trauerflor: kulturellen Highlights in Zürich Etwas separat sitzend, trägt es eine andere, ernste Thematik es zu entdecken gilt … Bereit? des Kindseins in Ankers prächtige Komposition hinein. Na dann los: Dieses berühmte Bild ist als langfristige Leihgabe von privat artquiz.zuerich.com/de im ersten Stock des Moserbaus zu bewundern.
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Ferdinand Hodler. Thunersee mit Niesen. 1912–13. Öl auf Leinwand. 61,5 × 85,5 cm. AUKTIONEN IN ZÜRICH: 2. – 5. DEZEMBER 2020 Impressionismus & Klassische Moderne Postwar & Contemporary · Schweizer Kunst Koller Auktionen · Hardturmstrasse 102 · 8031 Zürich Kataloge online: Tel. +41 44 445 63 63 · office@kollerauktionen.ch www.kollerauktionen.ch
10 AUSSTELLUNGEN Alexandre Calame, Le Grand Eiger au soleil levant (Le Matin, vue du Grand Eiger), 1844 Öl auf Leinwand, 106,2 × 139,9 cm Depositum der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Bundesamt für Kultur, Gottfried Keller-Stiftung
AUSSTELLUNGEN 11 IM 13. November 2020 – 14. Februar 2021 KURATOR Jonas Beyer HERZEN WILD Ob Szenerien der ungebändigten hochalpinen Natur, dramatische Wendepunkte in der Schweizer Geschichte oder aufwühlende Schiffbrüche: Auf die Besucherinnen und Besucher unserer Ausstellung wartet ein Panorama der grossen Gefühle.
12 AUSSTELLUNGEN F ast jeder dürfte schon von der «deut schen», «englischen» oder «französi schen Romantik» gehört haben. Diese Begriffe wecken sofort Assoziationen zu bestimmten Künstlern oder Ausdrucksformen, die eng mit dem jeweiligen Land verknüpft sind. Doch wie sieht es damit eigentlich in der Schweiz aus? Kaum ein Land erfüllt so viele landschaftliche Krite rien, wenn es um das Romantische geht, wie die 1 Schweiz. Und auch im Bereich der Figurenmalerei war es unter anderem ein Schweizer Künstler, der der Romantik den Weg ebnete. Johann Heinrich Füssli, «The Wild Swiss», wie man ihn in England nannte, bereicherte das Themenspektrum der Malerei um den Aspekt der Nacht mit all ihren Schatten und zwielich sich im Werk der Dresdner Landschaftsmaler des tigen Gestalten. beginnenden 19. Jahrhunderts zeigt. Und was die Dennoch bleibt der Begriff der Schweizer Roman Landschaft in der Schweiz angeht, so geraten spätes tik schillernd und schwer greifbar. Was uns zu der tens mit dem Aufkommen des Tourismus raue, erha Frage führte, ob es eine spezifisch schweizerische bene Naturspektakel wie die Via Mala in Graubünden Romantik überhaupt gibt und was man sich in Bildern oder der Schmadribachfall im Berner Oberland zu und Texten darunter vorstellen soll. Lässt man die kapitalen Sehenswürdigkeiten für Reisende aus dem vergangenen Ausstellungen zur Kunst um 1800 Revue Ausland sowie zu gefragten Motiven für romantisch passieren, so war die Schweiz bislang hauptsächlich gestimmte Künstler. für den Sturm und Drang zuständig, während die Hier, im Herzen Europas, beginnen die Künstler, Romantik andernorts stattfand, in Rom beispiels die erhabene Bergwelt und das ewige Eis der Glet weise, oder in Dresden. Die Romantik hat im Bereich scher auf ihre Leinwände zu bannen; man begibt sich der Schweizer Kunst – abgesehen von den vielen in unwirtliche, windige Höhen, entwirft in Panora thematischen Einzeluntersuchungen der letzten men regelrechte Visionen von der endlosen Weite der Jahre – bislang weitestgehend im Schatten gestanden. Landschaft oder fängt in spontanen Studien den Grund genug, eine grosse Überblicksausstellung zu ebenso unberechenbaren wie spielerischen Lauf von lancieren, die das Thema in seinen vielen Facetten Wasserfällen ein. Einerlei, ob dies nun einheimische würdigt. Maler sind oder ausländische Künstler vom Range eines Joseph Anton Koch oder William Turner: Die DIE LANDSCHAFT IM BILD hohe Anzahl an Reisenden, die die Schweiz aufsuch Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Rolle, die ten, legt es nahe, nicht dezidiert von einer «Schweizer die Schweiz im internationalen Kontext der Roman Romantik», sondern stattdessen von einer «Romantik tikbewegung gespielt hat. Ohne die Schweizer Anton in der Schweiz» zu sprechen. Graff und Adrian Zingg hätte sich beispielsweise die Die Betonung dieser transnationalen Perspektive Malerei sicher nicht in der Form entwickelt, wie sie erscheint auch deshalb angebracht, weil sich die
AUSSTELLUNGEN 13 2 1 Johann Heinrich Füssli, Einsamkeit im Morgenzwielicht, 1794 –1796 Öl auf Leinwand, 95 × 102 cm Kunsthaus Zürich, 1941 2 Joseph Anton Koch, Der Schmadribachfall, 1794 Aquarell über Bleistift, Feder in Braun, weiss gehöht, aufgezogen, 49,6 × 41,3 cm Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett, Vermächtnis Dr. Carl Mettler 1942 3 3 Joseph Mallord William Turner, The Passage of Mount St. Gothard from the centre of Teufels Broch (Devil’s Bridge), 1804 Aquarell und Deckfarbe auf Papier, 101 × 68 cm Abbot Hall Art Gallery, Lakelands Arts. The Morse Bequest, 1972
14 AUSSTELLUNGEN 4 François Diday, L’Aar à la Handeck, 1854 Öl auf Leinwand, 122 × 163 cm Kunsthaus Zürich, 1855 5 Léopold Robert, Femme de brigand veillant sur le sommeil de son mari, 1821 Öl auf Leinwand, 47 × 37 cm Kunstmuseum St. Gallen, Sturzeneggersche Gemäldesammlung, erworben 1936 4
AUSSTELLUNGEN 15 Schweizer Künstler umgekehrt zwecks Ausbildung oft genug an ausländische Akademien begaben, da es im eigenen Land an entsprechenden Einrichtungen man gelte. In unserer Ausstellung werden wir den Malern also in die Fremde folgen, wo sie sensibel auf die lokalen Eigenheiten des jeweiligen Lehrumfeldes reagierten: Je nachdem ob sich die Schweizer nach Paris, Dresden oder Wien orientierten, bildeten sie ganz eigene künstlerische Idiome aus. AUFBRUCHSGEIST ÜBER GRENZEN HINWEG Die Romantik, wie sie sich in der Schweiz zeigt, war also eine künstlerische Epoche, die aus der Bewegung heraus entstanden ist. Ob dies nun bedeutete, dass sich die Schweizer Kleinmeister mit ihren Veduten auf ein durchreisendes Publikum einstellten oder die Schweizer selbst mobil wurden und in den angren zenden Nachbarländern ihre künstlerische Vervoll kommnung suchten: Uns interessiert vor allem das wechselseitige Verhältnis von ortsspezifischer Ge bundenheit und internationaler Vernetzung. Die Kleinmeister hielten ihre Landschaften zu meist auf überschaubaren Bildformaten fest. Schliess lich sollten die Werke auch ins Reisegepäck der Tou risten passen. Demgegenüber nehmen sich die Land schaftsgemälde der sogenannten Genfer Schule – mit François Diday und Alexandre Calame als ihren Hauptvertretern – in Formensprache und äusserer Abmessung gänzlich anders aus. Nicht länger sind die 5 erhabenen Landschaften eines Calame oder Diday von pittoresken Staffagefiguren bevölkert. Vielmehr werden die sturmgepeitschten Tannen selbst zu Pro tagonisten der Bilder. Heroisch behaupten sie sich in widriger Umgebung. Das mächtige Format dieser Werke macht unmiss verständlich klar: Die Bilder sind nicht für den priva ten Gebrauch vorgesehen, sondern sollen Galerie räume füllen. Zugleich sind sie oftmals von derart gigantischer Grösse, dass sich der Betrachter der Natur an sich und nicht einem Abbild derselben ge genüber wähnt. Ein falscher Schritt, so warnen uns die Bilder, und man könnte von entfesselten Wild bächen mitgerissen werden oder in schauerliche Ab gründe stürzen. «Es graut einem vor diesem Kampf der Elemente», wie es in einem Nachruf Eugen Peschiers auf Calame heisst. Ruhiger geht es da in den gemalten Landschaften KATALOG der italienischen Campagna zu. Wie die Maler aus unzähligen anderen Ländern, so zog es auch die Begleitend zur Ausstellung erscheint ein Katalog Schweizer Künstler ins gelobte Land Italien. Man (Prestel Verlag, 288 S., ca. 200 Abb.) mit Beiträgen aus der aktuellen Romantikforschung u. a. von Werner kann sogar sagen, dass einige Maler in dieser Fremde Busch, Valentine von Fellenberg, Johannes Grave, erst zu sich selbst fanden. Ein Künstler wie Johann Florian Illies, Laurent Langer, Tobias Pfeifer-Helke, Jakob Frey etwa – das hebt der Schriftsteller Florian Michael Thimann und Franz Zelger. Erhältlich ist die auf Deutsch erscheinende Publikation am Museums- Illies in unserem Katalog hervor – findet erst in Italien shop und im Buchhandel. zu einer befreiten Pinselschrift. Hier beginnt er, dem
16 AUSSTELLUNGEN mal heiteren, mal grimmigen Spiel der Wolken am seinen mythisch aufgeladenen Landschaften, auf deren südlichen Himmel in kleinen, ungemein raffinierten Bühne Nymphen und Satyrn ihren Aufritt haben. Ölstudien nachzujagen. Der Zürcher Ludwig Vogel wiederum hätte sich ENTDECKUNGSREISE nicht zu dem Historienmaler entwickelt, als den man DURCH DIE SCHWEIZER KUNST ihn kennt, wenn er nicht sein Formvokabular in Rom Wie geläufig ist heute noch die Tatsache, dass der vor und dort namentlich im Kreis der Lukasbrüder ent allem als Symbolist gefeierte Böcklin in den 1840er- wickelt hätte. Aus der Ewigen Stadt zurückgekehrt, Jahren ganz im Bann der romantischen Tradition stand? interpretierte Vogel die romantisch-nazarenische Dass verlassene Ruinen und Hünengräber, Motive, wie Idee einer Einheit von Religion und Kunst auf seine wir sie von Künstlern wie Caspar David Friedrich oder Weise um: Mit seinen buntfarbig-charakteristischen Johan Christian Dahl kennen, in dieser Zeit zu seinem Bildern aus der Geschichte der Eidgenossenschaft festen Bildrepertoire gehörten? Kein Zweifel, mit unse etablierte er sich als einer der bedeutendsten Histo rer Entdeckungsreise durch die Schweizer Kunst im rienmaler der Schweiz. Zeitalter der Romantik lassen sich dem Thema neue oder Auch bei demjenigen Künstler, dessen Werke den wenig bekannte Facetten abgewinnen. Und auch wenn Schlusspunkt unserer Ausstellung markieren, ge sich unter den rund 160 ausgestellten Gemälden und meint ist Arnold Böcklin, bündeln sich in Italien Zeichnungen mehrere prominente Werke finden, die nochmals die romantischen Tendenzen. Seine «Land längst zum Kanon der Romantik zählen: Mindestens schaft aus den Pontinischen Sümpfen» ist von ebenso sehr darf sich das Publikum auf die vielen Über Christian Klemm zu Recht als «eine südländisch vita raschungen freuen, die die Ausstellung mit Blick auf listische Weiterentwicklung der nordisch-romanti künstlerische Geheimtipps zu bieten hat. schen Seelenlandschaften» apostrophiert worden. Die Natur erscheint hier beseelt, ohne dass sie uns ihre Geheimnisse offenbaren würde. Und wir wissen ganz genau: Jetzt ist es für Böcklin nicht mehr weit zu 6
AUSSTELLUNGEN 17 Matinéekonzert des Zürcher Kammerorchesters 29.11.2020, 14 – 15 Uhr Das ZKO präsentiert die Klanglandschaften dreier Komponisten der romantischen Phase, wie sie unterschiedlicher nicht sein könn- ten: Franz Schubert, Johannes Brahms und Arnold Schönberg. Umrahmt wird das Konzert von einem Gespräch mit Kurator 7 Jonas Beyer, der Hintergründe und Be- sonderheiten der Ausstellung «Im Herzen wild» beleuchtet. Zürcher Kammerorchester: Willi Zimmermann (Violine und Leitung), Ryszard Groblewski (Viola Solo) Ticket: CHF 50.–, Mitglieder Zürcher Kunstgesellschaft CHF 40.–, Studierende / Lehrlinge CHF 20.–. Ticket: www.zko.ch. Das Konzertticket berechtigt gleichzeitig zum Eintritt in die Ausstellung. Im Herzen wild: Von der Idee zur Ausstellung (Hintergrundgespräch) 9.12.2020, 18 – 19.30 Uhr Hinter dem, was sich das Publikum bei einem 90-minütigen Ausstellungsbesuch zu 6 Arnold Böcklin, BEGLEITPROGRAMM Gemüte führt, verbergen sich komplexe Landschaft aus den Pontinischen Sümpfen, 1851 Abläufe. Zu den vielen Beteiligten, die den Öl auf Leinwand, 73 × 98 cm Gesprächsrunde zum Thema Kurator bei der Umsetzung der Ausstel- Kunstpalast, Düsseldorf «Was sagt uns die Romantik heute?» lungsidee unterstützen, zählen Restaurato 7 Ludwig Vogel, 24.11.2020, 18.30 – 20 Uhr rinnen, Grafikerinnen, Architekten u.v.a.m. Niklaus von Flüe als Friedensstifter Mit Elisabeth Bronfen, Florian Illies und Dieses Gespräch zwischen Jonas Beyer auf der Tagsatzung zu Stans, 1813 Simon Strauss, moderiert von Stefan Zweifel. und Christoph Stuehn bietet einen Blick Feder in Schwarz, Aquarell und Gouache, Das Lebensgefühl der Romantik trifft noch hinter die Kulissen. Randlinien mit Feder in Schwarz, auf Papier, heute auf fruchtbaren Boden: Die Betonung Ticket: Ausstellungsticket oder CHF 10.–, aufgezogen auf Papier, 44,3 × 63,5 cm Kunsthaus Zürich der Leidenschaft und die Faszination für Reservierung erforderlich. das Unerklärliche haben in Zeiten der Durch- rationalisierung unseres Lebensalltags Piz Palü – Hörspiel-Performance wieder an Aktualität gewonnen. Elisabeth 27.1.2021, 18.30 – 20 Uhr Bronfen hat sich in ihrer Beschäftigung Mit Meret Hottinger, Christian Sprecher, mit Schauerliteratur sowie mit dem Thema Julian M. Grünthal; Erzählerin: Doris Strütt; der Nacht bereits extensiv dem Geheim Musik: Rolf Caflisch. nisvollen und Unfassbaren gewidmet, Florian Inspiriert ist diese Hörspiel-Performance Illies lässt in seinem Essayband «Gerade vom Stummfilm «Die weisse Hölle vom war der Himmel noch blau» ein Kapitel unter Piz Palü» aus dem Jahr 1929. Der legendäre der Überschrift «Ist Romantik heilbar?» Bergsteigerfilm wird in eine dystopische laufen und Simon Strauss fragte erst jüngst Zukunft verlegt, auf der Bühne lustvoll in einem Interview: «Wie politisch ist die demontiert und endet fulminant in einem Romantik? Kann man heute neoromantisch bizarren und bitterbösen Kampf zwischen schreiben und sich nach Leidenschaft und den drei Protagonisten. Die Darstellerinnen Ernsthaftigkeit sehnen?». Fragen, die wir in und Darsteller treiben Klischees auf den dieser prominent besetzten Gesprächs- Gipfel, hinterfragen die Sehnsucht nach runde offen diskutieren möchten, um unsere einer idealisierten Natur und den damit oft Sicht auf die «Romantik» im Hier und Jetzt einhergehenden Ideologien. zu schärfen. Produktion: Verein NBAS in Zusammenarbeit In Kooperation mit dem Literaturhaus Zürich. mit MAISON DU FUTUR. Ticket: CHF 15.– / 10.– (ermässigt und Ticket: CHF 15.– / 10.– (ermässigt und Mitglieder), Reservierung erforderlich. Mitglieder), Reservierung erforderlich.
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AUSSTELLUNGEN 23 Ottilie W. Roederstein Die zu Lebzeiten wichtigste Schweizer Porträtistin wiederentdeckt. 18. Dezember 2020 – 5. April 2021 KURATORIN Sandra Gianfreda Mit Ottilie W. Roederstein (1859 – 1937) widmet sich das Kunsthaus Zürich einer Künstlerin, die eng mit unserer Institution verbunden war. In Zürich von deutschen Eltern geboren, lebte sie nach Ausbil dungsstationen in ihrer Heimatstadt, in Berlin und Paris ab 1891 in Frankfurt am 2 Main. 1909 liess sie sich bis zu ihrem Lebensende im ländlichen Hofheim am Taunus nieder. Sie war in der Schweiz, in Deutschland und in Frankreich eine feste Grösse im Kunst- und Kulturbetrieb und Ferdinand Hodler, Giovanni Giacometti zählte zu den meistbeschäftigten Porträt und Cuno Amiet. In Erinnerung an malerinnen ihrer Zeit. Roederstein prä Roedersteins künstlerisches Vermächtnis sentierte ihre Werke in zahlreichen natio und an ihr unermüdliches Engagement als nalen und internationalen Ausstellungen, Mittlerin zwischen der Schweiz und von Zürich über Paris und Frankfurt am Deutschland wurden ihr 1938 in Frankfurt, Main bis nach London und Chicago. 1912 Zürich und Bern Gedenkausstellungen vertrat sie die Schweiz als einzige Künst ausgerichtet. Durch die Zäsur des Zweiten lerin bei der epochalen «Internationalen Weltkriegs und die allgemeine Fokussie Kunstausstellung des Sonderbundes» in rung des Kunstbetriebs auf abstrakte Ma Köln – neben ihren männlichen Kollegen lerei geriet ihr Werk und ihre Bedeutung
24 AUSSTELLUNGEN jedoch in Vergessenheit. Nach mehr als 80 Angeregt durch die Auseinandersetzung Jahren macht unsere Ausstellung das viel mit Werken der italienischen und der fältige Œuvre dieser einst wichtigsten deutschen Renaissance, begann sie um Schweizer Porträtistin einem breiten Pu 1893 mit der Temperamalerei. Diese im blikum wieder zugänglich. ausgehenden 19. Jahrhundert europaweit wiederbelebte Technik galt als traditions EINE EIGENE HANDSCHRIFT verbunden und avantgardistisch zugleich. 1 Ottilie W. Roederstein, Während sich ihr Frühwerk sowohl the Sie führte die Künstlerin zu einer neuen, Bildnis des Malers Jakob Nussbaum, 1909 matisch als auch stilistisch deutlich inner linear geprägten Ästhetik und einer ver Öl auf Leinwand, 86,5 × 61,5 cm Städel Museum, Frankfurt am Main, halb der Konventionen der akademischen einfachten Formensprache. Wegen einer Foto © Städel Museum, Frankfurt am Main, Malerei bewegt, öffnete sich die Künstle Verletzung an der rechten Hand musste U. Edelmann rin in ihrem späteren Werk zunehmend sie diese feinpinselige Technik 1901 jedoch 2 Ottilie W. Roederstein, anderen Strömungen und nahm sowohl jäh unterbrechen, um sie nach 1910 wieder Selbstbildnis mit Pinseln, 1917 Öl auf Leinwand, 48 × 39 cm impressionistische wie auch symbolisti ganz aufzunehmen. Kunsthaus Zürich, Vereinigung sche Tendenzen auf. Zudem überschritt Zürcher Kunstfreunde, 1917 Roederstein bereits zu Beginn ihrer Kar KÜNSTLERISCHE POSITIONIERUNG 3 Ottilie W. Roederstein, riere das für malende Frauen vorgesehene Bei der Erprobung neuer Stilrichtungen Stillleben mit Malutensilien, 1930 Öl und Tempera auf Leinwand, 50 × 33,5 cm Terrain, indem sie sich auch an religiöse und Maltechniken spielten Selbstporträts Kunsthaus Zürich, 2019 Bilder und Akte heranwagte. In den für Roederstein eine wichtige Rolle. Sie 4 Ottilie W. Roederstein, 1920er-Jahren fand sie schliesslich zu entstanden in allen Phasen ihres Schaffens Irene Holz, geb. Edle von Hofmann, 1919 Öl auf Leinwand, 70 × 48 cm einer sachlich-nüchternen Bildsprache, zu und boten der Malerin die Möglichkeit der Privatbesitz Zürich ihrer «eigenen Handschrift». künstlerischen Positionierung und Selbst befragung. Meist inszenierte sie sich mit verschränkten Armen und strengem Blick in eher maskuliner Attitüde als ernst zu nehmende und erfahrene Künstlerin, die sich Respekt und Erfolg erarbeitet hatte. Roedersteins Gemälde fanden schon sehr früh Eingang in die Sammlung des Kunsthaus Zürich. Bereits 1887 gelangte als erstes Werk der Künstlerin das Bildnis des «Pfarrer Bion», das im Frühjahr des selben Jahres im Salon der Société des Artistes Français gezeigt worden war, durch eine Schenkung in den Besitz der Zürcher Künstlergesellschaft. Zehn Jahre später tätigte diese unter dem neuen Na men der Zürcher Kunstgesellschaft mit «Die Verlobten» und «Das Waisenkind» ihre beiden ersten Ankäufe bei Roeder stein. Heute umfasst der Bestand des Kunsthaus Zürich zwei Zeichnungen und zwölf Gemälde, darunter das «Stillleben mit Malutensilien», das Ende 2019 erstei gert werden konnte. Zu Lebzeiten der Künstlerin präsentierten das Künstler 3
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26 AUSSTELLUNGEN haus Zürich beziehungsweise seit 1910 das und erkämpften sich eine Ausbildung und Kunsthaus Zürich Roedersteins Werke beeindruckende Karrieren in bis dato zu zwischen 1887 und 1934 bei rund fünfzehn meist den Männern vorbehaltenen Berufs Gelegenheiten. Besondere Ehre wurde ihr feldern. Beide engagierten sich später für zur Eröffnung des Neubaus des Kunsthaus eine Verbesserung der Ausbildungssitua Zürich 1910 zuteil, als sie als einzige Künst tion von Mädchen und Frauen im deut lerin unter den eingeladenen Schweizer schen Kaiserreich. Kunstschaffenden ausstellen durfte. Sie Mit rund 70 Gemälden und einer klei unterstützte die Zürcher Institution zu nen Auswahl von Arbeiten auf Papier wird dem mit Leihgaben und Schenkungen von die Ausstellung einen fundierten Einblick Werken aus ihrer Sammlung moderner in die künstlerische Entwicklung der einst französischer und Schweizer Kunst. international bekannten Künstlerin ge ben. Ergänzt um historische Dokumente, ÜBERWINDUNG VON GRENZEN Fotografien und Briefe werden ihre wich Roedersteins erfolgreiche Karriere wäre tigen Lebensstationen – Zürich, Paris, nicht möglich gewesen ohne ihre Le Frankfurt und Hofheim – nachgezeichnet. benspartnerin Elisabeth H. Winterhalter, Die Ausstellung entstand in Koopera Gynäkologin und die erste deutsche Chi- tion mit dem Städel Museum, Frankfurt rurgin. Sie war der Künstlerin eine unver am Main. zichtbare Stütze. Beide Frauen setzten sich im ausgehenden 19. Jahrhundert über Unterstützt von die starren Geschlechtergrenzen hinweg der Elisabeth Weber-Stiftung 5 Ottilie W. Roederstein, Magdalena am Fuss des Kreuzes, 1894 Tempera auf Holz, 58,5 × 39 cm Stadtmuseum Hofheim am Taunus 6 Ottilie W. Roederstein, Die Verlobten, 1897 Tempera auf Holz, 39,5 × 46,5 cm Kunsthaus Zürich, 1897 5
AUSSTELLUNGEN 27 6 BEGLEITVERANSTALTUNGEN Die Ausstellung wird von einem Veranstaltungsprogramm begleitet. Details ab Ausstellungsbeginn online auf www.kunsthaus.ch. KATALOG In der Publikation zur Ausstellung (Verlag Hatje Cantz) finden sich Beiträge zu Leben und Werk von Ottilie W. Roederstein, verfasst von Alexander Eiling, Sandra Gianfreda, Eva-Maria Höllerer, Barbara Rök und Iris Schmeisser. Neben Werkabbildungen illustrieren zeitgenössische Fotografien den Lebenslauf der selbstbewussten Künstlerin.
28 ANZEIGEN MUSÉE CANTONAL .Sie finden keinen besseren. .Hauskäufer, höchstens einen,. DES .der mehr bezahlt. Bei uns kann die Mieterschaft nach dem Kauf BEAUX-ARTS Ihrer Liegenschaft bleiben. 043 322 14 14 pwg.ch Stiftung zur Erhaltung von preisgünstigen Wohn- und Gewerberäumen der Stadt Zürich LAUSANNE Der Rahmen Kiki Smith. vollendet das Bild Hearing You Aarberg | BE with My Eyes Münchwilen | TG Unterentfelden | AG Kiki Smith, My Blue Lake, 1995, photogravure et lithographie en 3 couleurs sur papier Arches En‑Tout‑Cas, 110,5 × 139,1 cm, Courtesy Universal Limited Art Editions. Photo © Courtesy Universal Limited Art Editions, Bay Shore, New York Zürich | ZH www.boesner.ch Ausstellung Hans Schnorf the moment I forgot what I shall remember Solo Show 28. November - 19. Dezember 2020 Vernissage: Samstag, 28. November 16-18 Uhr Meet the Artist: Sonntag, 29. November 16-18 Uhr ART FORUM UTE BARTH Galerie für Moderne & Zeitgenössische Kunst www.utebarth.com Kartausstrasse 8 CH-8008 Zürich T +41 44 3802711 info@utebarth.com PRIVATE UND iten STIFTUNGEN R E A L E S TAT E FA M I LY O F F I C E VERTRAUEN UNS 9.10.2020– IHR IMMOBILIEN- PORTFOLIO AN. 10.01.2021 mcba.ch itengroup.ch
Der erschöpfte Mann 16.10.20 – 10.1.21
30 SAMMLUNG Zurück in grossem Stil Alberto Giacometti neu präsentiert TE X T Philippe Büttner Seit einigen Jahren werden im Kunsthaus die Werke Alberto Giacomettis aus eige nem Besitz und aus der Giacometti-Stif tung im Zusammenspiel mit Werken anderer Künstler präsentiert. Denn Giaco metti war gerade in Paris mit vielen Künstlern bekannt und befreundet und arbeitete von 1930 bis 1935 insbesondere eng mit der Gruppe der Surrealisten um André Breton zusammen. In der nun eröffneten ganz neuen Prä sentation der Werke Giacomettis wird diese Vorgehensweise ausgebaut. Im Rah men einer von Ulrich Zickler gestalteten Architektur steht dafür nun die gesamte Fläche des ersten Stocks des Müllerbaus zur Verfügung. Denn die früher dort aus gestellten Werke, etwa von Baselitz, wer den im kommenden Jahr im Erweite rungsbau gezeigt. Die neue Präsentation ist die Grösste zu Giacometti, die im Kunsthaus je realisiert werden konnte und zeigt ein breites Tableau vom Schaffen des Künstlers von 1914 bis 1965. Sein Werk bildet den roten Faden der Präsentation; dazu werden nun zahlreiche Werke von Künstlern und Künstlerinnen einbezogen, die er kannte, die gleichzeitig mit ihm tätig Foto: Franca Candrian, Kunsthaus Zürich waren oder die nach seinem Tod in gewis ser Weise an künstlerischen Fragen wei terarbeiteten, die in beschäftigt hatten. HAUPTWERKE DER 1950ER-JAHRE Am Anfang stehen in den niedrigen Räu men unter dem Zwischengeschoss Werke
SAMMLUNG 31 von Albertos Vater Giovanni Giacometti Künstlern und Künstlerinnen der 1950er- DIE WERKE DER REIFEZEIT sowie von Weggefährten wie den Surrea Jahre begleitet, v.a. von der École de Paris: Der früher Baselitz gewidmete Saal ist listen, aber auch von Picasso. Letztere De Staël, Bazaine, Da Silva, aber auch umgebaut und ganz anders unterteilt. Hier begleiten Giacomettis hervorragendes Dubuffet sind hier vertreten. Ebenfalls geht es nun zu den Werken Giacomettis surrealistisches Werk, das nirgends besser ausgestellt ist eine wichtige frühe Arbeit der Reifezeit. Vorbei an dem nun wieder studiert werden kann als in Zürich. Francis Bacons. Die meisten dieser Werke auf diesen Saal hin geöffneten Beuys- Der hohe, schachtartige Raum, der sich sind abstrakt und somit grundsätzlich an Raum führt uns der Weg zu Giacomettis dort entfaltet, wo das nun zurücksprin ders aufgebaut als die zeitgleich entstan legendären Ensembles: den Meisterwer gende Zwischengeschoss Raum nach oben denen Werke Giacomettis. Dennoch gibt ken der Jahre nach dem Krieg, als er zu den lässt, ist v.a. den 1950er-Jahren vorbe- es eine Verwandtschaft: Giacometti form- hohen, schlank gelängten Werken fand, halten. Hier finden sich Hauptwerke te nicht das nach, was er vor Augen hatte, die für ihn charakteristisch wurden, den Giacomettis aus dieser Zeit, darunter «Le sondern das, was er davon wahrnahm. Die «Femmes de Venise» von 1956, den origi chariot». Ebenfalls zu sehen sind der be Gestaltung des inneren Prozesses der nalen Gipsen der grossen späten Figuren rühmte Hund und weitere Hauptwerke. Wahrnehmung ist bei ihm das Entschei von 1960 und schliesslich den auf sie fol Sie werden von einer eindrucksvollen dende – etwas, das in Paris auch die abs genden Büsten, die vor allem Giacomettis Gruppe von Werken von europäischen trakten Künstler der Zeit beschäftigte. Frau Annette, seinem Bruder Diego und am Ende dem Freund Élie Lotar gewidmet waren. Ebenfalls zu sehen ist «Homme qui chavire», ein Werk aus der Sammlung der Kunstfreunde Zürich und die erste bedeu tende Arbeit des Künstlers, die 1954 ans Kunsthaus kam. Am Ende steht das grosse Triptychon Francis Bacons, den Giaco metti kannte und der nach dessen Tod wie vielleicht nur Picasso imstande war, dem Bild der menschlichen Figur auf gleichem Niveau weiterhin neue Ausdrucksmög lichkeiten zu entlocken. Dieses begleitet als Dauerleihgabe der Walter E. Bechtler- Stiftung eine Gruppe von figurenartigen Stelen der britischen Künstlerin Rebecca Warren, in denen Giacomettis Entde ckung der in die Höhe orientierten Gestalt auf innovative, veränderte Weise noch mals aufgenommen zu werden scheint. In diesen Räumen kann die grossartige, singuläre Kunst Giacomettis neu entdeckt werden. Ab Sommer 2021 wird zusätzlich auch ein Raum für die Präsentation von Werken auf Papier des grossen Bergellers zur Verfügung stehen. Alberto Giacometti im Müllerbau © Succession Alberto Giacometti / 2020, ProLitteris, Zurich
32 ERWEITERUNG Countdown Im Dezember wird David Chipperfields markanter Erweiterungsbau des Kunsthaus Zürich fertiggestellt. Nahezu auf die doppelte Grösse ist das Museum dann gewachsen. Schon vor der Aufnahme des Vollbetriebs im Herbst 2021 gibt es einiges zu sehen, zu lesen und zu erleben. TEXT Björn Quellenberg DIE NEUE PUBLIKATION: tur und Idee des Kunsthauses – der dritte MUSEUM FÜR KUNST UND PUBLIKUM wird mit David Chipperfield Architects Nach dem im Frühjahr 2020 erschienenen verfasst und im Oktober 2021 vorgelegt – Band «Die Baugeschichte des Kunsthaus erscheint auf die Schlüsselübergabe und Zürich 1910 – 2020» zeigt ein neues Buch wird im Buchhandel sowie im Kunsthaus- auf, wie die Bauaufgabe für ein Museum Shop erhältlich sein. im 21. Jahrhundert gelöst werden konnte. Konzise Texte, Aussagen von Projektbetei ligten und von künftigen Besucherinnen Das neue Kunsthaus Zürich Museum für Kunst und Publikum und Nutzern sowie zahlreiche Abbildun Herausgegeben vom Kunsthaus Zürich, gen zeichnen den Entstehungsprozess des in Zusammenarbeit mit der Einfachen Gesellschaft Kunsthaus-Erweiterung Erweiterungsprojekts und des Bauablaufs Gestaltet von Stefan Hunziker Corti, Büro4 nach und betrachten das vollendete Werk 52 Seiten, 60 farbige Abbildungen Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich aus unterschiedlichen Perspektiven. Das Ausgaben in Deutsch, Englisch und Buch beleuchtet auch die Anforderungen, Französisch, CHF 15.– die ein Museumsbau heutzutage erfüllen muss, welche architektonischen und städ tebaulichen Qualitäten gefragt sind und welche finanziellen und organisatorischen Herausforderungen dies alles für die Pro jektentwicklung und -realisierung bedeu tete. In einem Gespräch zwischen Exper tinnen und Experten wird schliesslich der Frage nachgegangen, wie der Neubau und das neue Kunsthaus insgesamt seine un mittelbare Umgebung und die Stadt Zü rich als Ganzes verändert. Sind Sie neugierig geworden? Dieser zweite von drei Bänden über die Architek
Fotos Kunsthaus-Erweiterung: Juliet Haller, Amt für Städtebau; Tastende Lichter: FBM Studio, Zürich ERWEITERUNG 33 FÜHRUNGEN DURCH DEN CHIPPERFIELD-BAU Der offizielle Baustellenstatus ist mit der weise auf den Moserbau mit seiner Samm für den 11. Dezember 2020 geplanten lung oder den Erweiterungsbau mit David Schlüsselübergabe beendet. Obwohl hin Chipperfield legen. Wer Ausdauer mit ter den Kulissen noch einige Monate das bringt und Geschmack sowohl an der Ar Klima optimiert wird, Räume eingerichtet chitektur von Moser bis Chipperfield wie und technische Anlagen getestet werden, auch an der Kunst hat, bekommt auch das können die beliebten Führungen durch geboten. das neue Haus wieder aufgenommen wer Einen ersten Überblick verschaffen Sie den. Ab dem 13. Dezember sind private sich auf der Website unter «Besuch pla Termine für Gruppen bis 20 Personen wie nen» bei «Angebote». Flurina Schumacher der buchbar. Ein Team von Architektinnen und Sarah Jacky nehmen Ihre Wünsche und Kunsthistorikerinnen steht zur Verfü gerne auf und unterbreiten Ihnen ein gung – und kann die Schwerpunkte wahl Angebot.
34 ERWEITERUNG WOCHENENDE DER OFFENEN TÜR * Nachdem am 11. Dezember die Bauherr schaft den Schlüssel symbolisch an die Stiftung Zürcher Kunsthaus (Eigentüme rin der Kunsthaus-Liegenschaften) und die Zürcher Kunstgesellschaft (Betreibe rin des Museums) übergibt, ist die Bevöl kerung am Samstag und Sonntag, 12./13. Dezember eingeladen, sich von der Archi tektur ein Bild zu machen. Von 10 bis 18 Uhr ist der Eintritt in das Chipperfield- Gebäude gratis. Und am Abend wird auch vor dem er leuchteten Haus etwas Neues erstrahlen: Pipilotti Rists zweiter Teil des Werks «Tas tende Lichter»! Die Video- und Lichtpro jektion ist Teil des Bauprojekts und vom Heimplatz aus zu sehen. Seien Sie dabei, wenn farbige Projektionen die Fassaden von Kunst- und Schauspielhaus streifen und den Platz zu einem 360-Grad-Kunst erlebnis machen. VIDEO ZUR NACHHALTIGKEIT Die Kunsthaus-Erweiterung ist das erste Schweizer Kunstmuseum, welches konse quent die Ziele der 2000-Watt-Gesell schaft verfolgt. Warum dies wichtig ist und was das für die Planung und den Bau prozess bedeutete, erzählt die Direktorin des Amts für Hochbauten, Wiebke Rösler Häfliger, im neuen Video, welches nach den Beiträgen über Licht und Materialisie rung nun die Nachhaltigkeit thematisiert. Gehen Sie auf unseren YouTube-Kanal und erfahren Sie mehr über die besonde ren Merkmale des Chipperfield-Baus: www.youtube.com/KunsthausZurich.
ERWEITERUNG 35 VON DER PREVIEW BIS ZUM GRAND OPENING* Auf die Schlüsselübergabe mit einem Wo chenende zur freien Besichtigung der Ar chitektur des Erweiterungsbaus folgen im April/Mai 2021 zwei Preview-Monate, star tend mit einem Ball am 10. April 2021 im neuen Festsaal, fortgesetzt mit Perfor mances, Führungen und der Präsentation einzelner, nicht klimasensibler Werke. Und am 9. / 10. Oktober 2021 feiern wir mit Ihnen das Grand Opening: Erstprä sentation der Sammlungsbestände ab 1960 sowie der privaten Sammlungen Bührle, Merzbacher und Looser im Chip perfield-Bau. Es beginnt der Vollbetrieb des neuen Kunsthauses beiderseits des Heimplatzes. * Bei Redaktionsschluss waren die in Zukunft geltenden Abstands- und Hygieneregeln noch nicht absehbar. Änderungen – von Maskenpflicht im Gebäude über begrenzten Zutritt bis zur Absage des Anlasses – sind daher vorbehalten. Wir informieren darüber in der Online-Agenda des Kunsthauses und im Kunsthaus- Magazin.
36 ANZEIGEN ARMAND GUILLAUMIN 4. - 7. November 2020 HERBSTAUKTION GEMÄLDE • GRAFIK • PLAKATE • SCHMUCK SCHWEIZER KUNST • ANTIQUITÄTEN Vorbesichtigung: Täglich vom 22. Okt. bis 1. Nov. 2020 10 bis 19 Uhr • Online-Katalog: www.dobiaschofsky.com DOBIASCHOFSKY AUKTIONEN AG Monbijoustrasse 30/32 Tel. 031 560 10 60 www.dobiaschofsky.com CH-3001 Bern Fax 031 560 10 70 info@dobiaschofsky.com Inseratgrösse: 89 x 122 mm Magazin Kunsthaus Zuerich_130_89x122mm.indd 1 10.09.20 11:50 Wir pflanzen Ihre Bäume. Auch beim Kunsthaus. Matter Garten AG | 8107 Buchs Zürich | mattergarten.ch | #mattergarten Inserat Kunsthaus Zürich.indd 1 24.09.2020 09:32:10
ANZEIGEN 37 Endlich
38 INTERN Claude Monet, Mohnblumenfeld bei Vétheuil, um 1879 Öl auf Leinwand, 73 × 92 cm Sammlung Emil Bührle «Das ‹Mohnblumenfeld bei Vétheuil› in der Nähe von Paris entstand kurz nachdem sich Claude Monet mit seiner Familie in der Ortschaft nieder- gelassen hatte. Monet durchlebte damals eine schwierige Zeit. Seine Frau Camille starb nach längerer Krankheit, und er musste nicht nur für die eigenen Kinder, sondern auch für die Kinder seiner neuen Gefährtin Alice aufkommen. Es ist anzunehmen, dass sie eine der Figuren ist, die im Vordergrund des Bildes Mohnblumen Der pflücken, um damit Sträusse zu binden. Auch als Dokument für die Biografie des Künstlers ist das Bild wichtig. […]» Ausschnitt aus einem Audioguide-Text zu einem neuen Hauptwerk der Sammlung Audioguide Eine zeitlose Erfolgsgeschichte TEXT Christoph Stuehn
INTERN 39 Seit vielen Jahren ist der Audioguide in Museen weltweit ein quelle. Dieses wichtige Projekt, von dem das Publikum unverzichtbarer Bestandteil eines ganzheitlichen Museums direkt profitieren kann, haben wir deshalb sehr gerne erlebnisses. Er bedient sich – auf einer klassischen und robusten unterstützt.» Technologie beruhend – des Gehörsinns und ergänzt die visuelle Martin Vollenweider, Prof. Dozent Wahrnehmung während dem Museumsbesuch mit interessan an der Fachhochschule Graubünden, Zürich ten und unterhaltsamen Kontextinformationen. Inhalte können einfach und zielgruppengerecht vermittelt werden, die Ausstel lungsgestaltung wird von Text entlastet und der Museumsbe AUF DEM WEG ZUM NEUEN such als Ganzes bereichert – auch für fremdsprachige Gäste. Der KUNSTHAUS-AUDIOGUIDE Audioguide kann zudem eine wertvolle Rolle übernehmen in der Die Entwicklung eines Audioguides ist ein echtes Teamprojekt, Entwicklung von Spezialtouren, z.B. Highlights- oder Kinder- am dem intern und extern viele Personen beteiligt sind: von den Führungen. Der handliche Museumsbegleiter erfreut sich wegen Kuratorinnen und Kuratoren über die Kunstvermittlung bis hin seiner einfachen und bedienungsfreundlichen Handhabung und zum Übersetzungsdienst und den Sprecherinnen und Spre der Bereicherung des Museumsbesuchs beim Publikum nach wie chern. Unterstützt von einem externen Technik-Partner hält die vor grosser Beliebtheit. Projektleiterin Carin Cornioley die Fäden in der Hand und koordiniert den Entwicklungsprozess bis zur Einführung beim KUNSTHAUS-ERWEITERUNG = Publikum. AUDIOGUIDE-ERWEITERUNG Im Zuge der Museumserweiterung wird das Kunsthaus inskünf Inwiefern wird der bestehende Audioguide tig auf einer nahezu doppelt so grossen Ausstellungsfläche rund überarbeitet und auf wie viele neue Werke mit zwanzig Prozent seiner Sammlung präsentieren, die durch Audioerklärungen darf sich das Publikum die drei bedeutenden Privatsammlungen Bührle, Looser und freuen? Merzbacher ergänzt wird. Als Teil dieses Erweiterungsprojekts «Es gibt im neuen Audioguide 300 Werke, davon soll auch der Audioguide überarbeitet und mit vielen neuen sind 100 ganz neu und 200 werden überarbeitet. Zu Werken ergänzt werden – ein wichtiger Meilenstein für das den ganz neuen Werken gehören u.a. spektakuläre zukünftige Museumserlebnis! Hauptwerke der Sammlung Bührle und der Sammlung Merzbacher.» EIN ENGAGEMENT FÜR IHREN Philippe Büttner, Sammlungskonservator, Kunsthaus Zürich MUSEUMSBESUCH! Nach einem ersten Spendenaufruf haben sich die Mitglieder der Kunstgesellschaft bereits mit über CHF 100 000 an der Entwick Welche Fähigkeiten braucht eine gute lung der neuen Audioguides für Kinder und Erwachsene in Audioguide-Sprecherin? verschiedenen Sprachen beteiligt. Für dieses grosse und ver «Ich spreche Audioguide-Texte, als würde ich mit trauensvolle Engagement danken wir Ihnen an dieser Stelle ganz einer Art entspannter Begeisterung mit einem Freund herzlich. Aufgrund der hohen Entwicklungskosten von rund sprechen und auf verschiedene Emotionen hinweisen, CHF 500 000 möchten wir Ihnen dieses wichtige Zukunftspro die beim Erleben der Exponate auftreten können. jekt für eine Unterstützung nochmals ans Herz legen. Weitere Es hilft sehr, dass ich selbst sehr neugierig auf Kunst Spenden im Online-Shop, an der Museumskasse oder per Über und Geschichte bin. Ich möchte die persönlichen weisung an IBAN CH98 0900 0000 1532 8884 0 (Zürcher Kunst Reaktionen der Hörenden auf eine Ausstellung nicht gesellschaft) – selbstverständlich gegen eine abzugsfähige Spen einschränken, sondern diese erweitern. Ich lade die denquittung – sind sehr willkommen! Besucherinnen und Besucher dazu ein, tiefer und reicher über die Werke nachzudenken.» Warum engagieren Sie sich Dulcie Smart, professionelle Synchronsprecherin für dieses besondere Projekt im Kunsthaus? «Als Schauspielerin geniesse ich den Kunsthausbesuch mit allen Sinnen. Der Audioguide ergänzt das visuelle Erlebnis mit einem Hörerlebnis. Dafür habe ich sehr gerne gespendet!» Alexandra Prusa, Schauspielerin, Zürich «Seit vielen Jahren besuchen wir regelmässig das Kunsthaus. Der Audioguide bietet uns erstklassige Hintergrundinformationen, bereichert den Museums besuch und ist eine abwechslungsreiche Inspirations
40 GLOSSE Preview Kader bedeutet «Schall und Rauch. auf Arabisch Die wilden Zwanziger» Schicksal 1. / 2. Juli 2020 Ein Künstler, der im Spannungsfeld zweier Kulturen auf gewachsen ist und dem Betrachter das koloniale Schicksal deutlich macht. Seine Skulptur, aus Karteikästen gebaut, Hôtel de l’Indépendance. Kader Attia liess sich von einem verlassenen Hotel inspirieren, welches in Dakar steht und sich mit Algerien die postkoloniale Vergangenheit teilt. Das Aussehen und die Wirkung des Hotels finden sich identisch in den aufeinander gestapelten Karteikästen wieder. Die gleichförmige Trostlosigkeit erschliesst sich dem Betrachter sofort, deren Tragik allerdings erst durch den Hinweis, dass in solchen Karteikästen die Informationen über die Aufstän dischen von der Kolonialpolizei gesammelt wurden. Eine Kartei ist eine Sammlung von Daten auf kleinen Karten. Brav geordnet und säuberlich durch Reiter getrennt. Für mich waren bis zu diesem Zeitpunkt Karteikästen po- sitiv konnotiert. In der Unibibliothek – der Zettelkatalog bei 1 Kuratorin Cathérine Hug. der jugendlichen Suche nach den richtigen Büchern für das 2 Virtuelle Realität macht eine Referat. Ein Relikt der Vergangenheit, das eine neue Dimen vergangene Ausstellung wieder erlebbar. sion bekommt, als ich auf diesen Karteikastenturm schaue. 3 Kleider, Möbel, Filme, Gemälde, Was haben es die heutigen Diktatoren-Mächtigen einfa Dias, Fotografie, Zeitschriften, Audiobeiträge und Skizzen – die cher mit den Computern? Gesichtserkennung, Fingerprints. Ausstellungsarchitektur ist massgefertigt Suchfunktionen. Karteikästen sind dagegen kleine Schub für die diversen Gattungen. laden, winzige Ordner, mühsam, sie funktionierten zur Un terdrückung. Fotos © Caroline Minjolle; Werke Christian Schad: © Christian Schad Stiftung Aschaffenburg / 2020, ProLitteris, Zurich Und wir? Wie oft stecken wir Menschen in unserem sicheren Alltag in Schubladen? Mann, Frau, weiss, schwarz, 4 alt, jung, unzählige Kategorien werden ständig gebildet, die aus unserer Wahrnehmung resultieren, die wir subjektiv interpretieren. Aneignen, reparieren, Brüche bleiben bei Attia sichtbar. Rot, die Narbe, in manchen Kulturen ein Zeichen von Schönheit. Während in unserer glattgebügelten ersten Welt bereits Falten ein Makel sind. Dagegen die afrikanischen Teller, gesprungen, mit Rot gekittet, stolz recken sie ihre Gesichter. Menschen zum Nachdenken anregen können, das ist Schicksal. Danke Kader. Ihre Sabine Meisel www.sabinemeisel.com
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