Im Herzen wild. Die Romantik in der Ottilie W. Roederstein Alberto Giacometti - neu präsentiert Seite 30 - Schweiz

Die Seite wird erstellt Veronika Ruf
 
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Im Herzen wild. Die Romantik in der Ottilie W. Roederstein Alberto Giacometti - neu präsentiert Seite 30 - Schweiz
MAGAZIN 4 · OKTOBER 2020     CHF 8.–

                                          Im Herzen wild.
                                        Die Romantik in der
                                           Schweiz Seite 10
                                       Ottilie W. Roederstein
                                               Seite 22

                                        Alberto Giacometti –
                                       neu präsentiert Seite 30
Im Herzen wild. Die Romantik in der Ottilie W. Roederstein Alberto Giacometti - neu präsentiert Seite 30 - Schweiz
Illustrationen: © Daniel Müller, www.illumueller.ch

                           www.nobilis-estate.com
                                                      Lieb enschaften!
Im Herzen wild. Die Romantik in der Ottilie W. Roederstein Alberto Giacometti - neu präsentiert Seite 30 - Schweiz
EDITORIAL                                       3

                                                                                                                                                             Liebe Leserin,
                                                                                                                                                             lieber Leser
                                                                                                                                                             Danke, uns geht’s gut. – Das verdanken wir in jüngster Zeit vor allem unseren Mitgliedern!
                                                                                                                                                             Wir freuen uns sehr über steigende Zahlen in der Zürcher Kunstgesellschaft, ein beson­
                                                                                                                                                             deres Zeichen der Anerkennung für das engagierte Miteinander aller Kolleginnen und
                                                                                                                                                             Kollegen im Kunsthaus für ein schönes Ausstellungsprogramm und viele Veranstaltungen.
                                                                                                                                                             Als nächstes tauchen Sie in eine der beliebtesten Epochen der Kunstgeschichte ein,
                                                                                                                                                             die Romantik, und Sie werden staunen, was die Schweizer und die internationale Kunst an
                                                                                                                                                             vielen berühmten und unbekannten romantischen Facetten zu bieten hatte – und hat …
                                                                                                                                                             Und wir freuen uns schon jetzt auf die wirklich interessante Ottilie Roederstein, die wir als
                                                                                                                                                             Künstlerin, Mäzenin und Vorreiterin der Emanzipation erstmals vorstellen.
                                                                                                                                                                  Die Neupräsentation der weltberühmten Giacometti-Sammlung ist fertig und erwartet
                                                                                                                                                             Sie: Endlich hat ein ganzer Flügel des Kunsthauses ein fundamentales Facelifting erhal­
                                                                                                                                                             ten, kaum wiederzuerkennen und schon ein Vorgeschmack auf viele Veränderungen im
                                                                                                                                                             Vorfeld der Eröffnung der Kunsthaus-Erweiterung im nächsten Jahr. Das Jahresprogramm
                                                                                                                                                             ist gedruckt und online greifbar und macht neugierig mit Projekten zu Gerhard Richter
                                                                                                                                                             (seine erste Ausstellung im Kunsthaus), zu Klimt und Hodler (so modern war Zürich) und
                                                                                                                                                             vielen anderen mehr.
                                                                                                                                                                  Wir bereiten schon die erste Preview des Erweiterungsbaus im April und Mai
                                                                                                                                                             des kommenden Jahres und die Eröffnung im Herbst vor – freuen Sie sich, wir haben allen
                                                                                                                                                                                     Grund gemeinsam zu feiern. In einer druckfrischen Publikation
                                                                                                                                                                                     erfahren Sie vieles über Konzept und Inhalt des eindrucksvollen
Cover: Ford Madox Brown, Manfred auf der Jungfrau, 1842; Manchester Art Gallery, Manchester, Gift of Mr Frederick William Jackson

                                                                                                                                                                                     Neubaus. Danke für Ihre Donationen zugunsten des neuen
                                                                                                                                                                                     Audioguides zur künftig viel grösseren Sammlung, jede Spende
                                                                                                                                                                                     zählt: Sie finden Informationen dazu in diesem Magazin.
                                                                                                                                                                                         Und auch auf dem Heimplatz tut sich was: Die Kunst im
                                                                                                                                                                                     öffentlichen Raum hält bereits unübersehbar Einzug mit der
                                                                                                                                                                                     Installation der «Tastenden Lichter» von Pipilotti Rist, die im
                                                                                                                                                                                     Dezember erstmals leuchten wird und der neuen Plastik «Janus»
                                                                                                                                                                                     von Kader Attia, die zu Recht viel zu reden gibt; übrigens ein
                                                                                                                                                                                     Geschenk unseres mäzenatischen Freundes Christen Sveaas.
                                                                                                                                                                                         Wir können alle (!) unsere Projekte mit Ihrer Unterstützung
                                                                                                                                                                                     und dem Engagement privater Donatorinnen und Donatoren
                                                                                                                                                                                     realisieren und machen den Heimplatz und das Kunsthaus nicht
                                                                                                                                                                                     ohne Stolz zu einem Mittelpunkt des (auch in diesen Zeiten)
                                                                                                                                                                                     sehr lebendigen Zürcher Kulturlebens. Neugierig? Nichts wie hin!

                                                                                                                                                                                                 Herzlich grüsst
                                                                                                                                                                                                 Ihr Christoph Becker

                                                                                                                                    Kader Attia, Janus, 2020
                                                                                                                                    Aluminiumguss, 200 × 148 × 173 cm
                                                                                                                                    Kunsthaus Zürich, Geschenk von Christen Sveaas, 2020
                                                                                                                                    © 2020, ProLitteris, Zurich, Foto: Franca Candrian, Kunsthaus Zürich
Im Herzen wild. Die Romantik in der Ottilie W. Roederstein Alberto Giacometti - neu präsentiert Seite 30 - Schweiz
4                                                        ANZEIGEN

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                                        Nicole Schuste
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Im Herzen wild. Die Romantik in der Ottilie W. Roederstein Alberto Giacometti - neu präsentiert Seite 30 - Schweiz
6                                                                    GUT ZU WISSEN

                                                                                       KULTURNEWS

                                                                                       Architekturführer
                                 HER ZLIC
                                              HEN D A
                                                          NK                           Zürich
                                          ti ve Te il nahme im
                                        k
                             für Ihre a       und für Ih aft!
                                                              re
                                  Museum                   ll s ch                     Der «Architekturführer Zürich»
                                                    e  s e
                                       r Kunstg                                        von Werner Huber dokumentiert
                              Treue zu
                                                                                       Bauten und Ensembles der
                                                                                       Stadt aus allen Epochen. Das
                                                                                       Buch ist nach Objekten geglie­
    MITGLIEDER                                                                         dert, geordnet nach Kreisen und

    Ihre Treue
                                                                                       Quartieren der Stadt Zürich.
                                                                                       Stadtpläne sorgen für geografi­
                                                                                       sche Orientierung. Alle rund

    wird belohnt!                                                                      1200 Gebäude, Parks, Plätze und
                                                                                       Infrastrukturbauten wurden nach ihrer
                                                                                       architektonischen Qualität, ihrer Bedeutung
                                                                                       für den Stadtraum, aber auch nach ihrer
    In wenigen Monaten öffnet der Chipperfield-Bau seine
                                                                                       stadt­geschichtlichen Rolle ausgewählt.
    Tore – ein historischer Moment für uns alle.                                       Edition Hochparterre, 800 Seiten, CHF 78.–.
    Wir sind dankbar und stolz darauf, das Eröffnungsjahr
                                                                                       www.hochparterre-buecher.ch
    gemeinsam mit unseren wieder rund 21 000 aktiven
    und treuen Mitgliedern zu bestreiten.
        Mit der Vergrösserung des Angebots wird die
    Kunstgesellschaft ab Oktober 2021 die Eintrittspreise
    anpassen und ab 2022 folglich auch die Mitgliedschafts­                            SHOP
    preise. Im Eröffnungsjahr 2021 werden Sie als beste­                               Kunstvoll durch die Krise
    hendes Mitglied also bedeutend mehr Leistungen zum
                                                                                       Um die aktuelle Situation etwas schöner
    gleichen Preis erhalten. Für alle bestehenden Mitglieder
                                                                                       zu gestalten, bieten wir im Shop eine breite
    (2020), die uns vielfach schon seit Jahrzehnten die
                                                                                       Auswahl an Mund- und Nasenschutz-
    Treue halten, haben wir uns ein besonderes Geschenk                                Produkten an – sogar mit Ihren
    ausgedacht: Sie können nicht nur kommendes Jahr                                    Lieblingsmotiven aus dem
    vom heutigen Mitgliedschaftspreis profitieren, sondern                             Kunsthaus!
    auch in den beiden Folgejahren (2022 und 2023).
                                                                                       shop.kunsthaus.ch
    Mehr dazu entnehmen Sie dem Schreiben, das der
    Zahlungseinladung für die Mitgliedschaft 2021 beiliegt.

                                                                                                                        Masken, diverse Motive
                                                                                                                        CHF 16.90 / Mitglieder 15.20 /
                                                                                                                        Mitglieder PLUS 13.50

                                                                     KULTURNEWS

                                                                     Sehnsucht Natur
                                                                     Berge und Gewässer, Wälder und Wolken – seit 1000 Jahren
                                                                     stehen diese Naturmotive im Zentrum der chinesischen
                                                                     Malerei. Die Ausstellung «Sehnsucht Natur. Sprechende
                                                                     Landschaften in der Kunst Chinas» führt in die chinesische
                                                                     Landschafts­malerei ein, vermittelt Einblicke in die Kultur,
                                                                     Philosophie und Literatur Chinas und spricht zugleich ein
                                                                     hochaktuelles Thema jenseits nationaler Grenzen an: die
                                                                     Beziehung zwischen Mensch und Natur. Mitglieder der Zür-
                                                                     cher Kunstgesellschaft erhalten ihren Eintritt für CHF 14.–
                                                                     anstelle 18.–. Bis 17. Januar im Museum Rietberg, Zürich.
    Huang Yan, Chinese Landscape – Tattoo, No. 7,1999
    © the artist, courtesy Fondation INK                             www.rietberg.ch
Im Herzen wild. Die Romantik in der Ottilie W. Roederstein Alberto Giacometti - neu präsentiert Seite 30 - Schweiz
GUT ZU WISSEN                                                  7

Albert Anker, Die Dorfschule von 1848, 1895 –1896
Kunsthaus Zürich, Privatsammlung

                                                                      MITGLIEDER
OBJEKT DER BEGIERDE                                                   Winter, Weihnachten,
Die Dorfschule                                                        Kunsthaus
                                                                      Auch dieses Jahr bietet das Kunsthaus
                                                                      wieder ein besonderes Weihnachtspro­
Ein Klassenzimmer mit einer grossen Zahl Schüler, ein leicht
                                                                      gramm für Gross und Klein: Von der
überfordert wirkender Schulmeister mit gezückter Gerte, Reihen        stimmungs­vollen Weihnachtsführung über
von Buben, die je weiter sie vom Lehrer weg sind umso mehr            Kinder- und Erwachsenenworkshops und
Unfug treiben … die Mädchen auf seitlichen Bänken separiert:          Weihnachts­basteln bis hin zu besinnlicher
Wer dieses Bild Albert Ankers sieht, denkt wohl zunächst, dass        Musik in unserer Sammlung. Als Mitglied
dies ja doch sehr zurückgebliebene Zustände seien und das Werk        profitieren Sie ganz besonders: Neben
mithin gewiss ein reaktionäres Machwerk. – Aber weit gefehlt:         reduzierten Preisen für die Samstags­
Anker schuf dieses Bild zwischen 1895 und 1896, doch evoziert         führungen erhalten Sie freien Eintritt zu
                                                                      den Veranstaltungen in der Sammlung.
der Bildtitel – «Die Dorfschule von 1848» – zurückblickend
ein grosses Kapitel unseres kleinen Landes. 1848 war das Grün-        Programm ab Mitte November online auf
                                                                      www.kunsthaus.ch.
dungsjahr des jungen Bundestaates. Schule für alle war eine
wichtige Errungenschaft, die sich bis heute noch nicht weltweit
als Selbstverständlichkeit hat durchsetzen können. Und dies
gilt umso mehr für eine Dorfschule: Denn auf den Höfen der            KULTURNEWS
Bauern gibt es immer etwas zu tun, Kinder in der Schule be­
deuten, dass sie in dieser Zeit nicht als kostenfreie Arbeitskräfte
                                                                      Welcher Kulturtyp
auf dem Hof arbeiten können.                                          sind Sie?
     Und wie so oft ist Anker auch hier ein Maler der Nuancen:        Mit nur wenigen Klicks stellt man
Man beachte wie der Ausdruck der Buben von blankem Entsetzen          hier fest, welcher Kulturtyp man
ganz vorne bis zu sich steigerndem Radau weiter hinten reicht.        ist. Und erfährt erst noch, welche
Rechts im Vordergrund sodann ein Mädchen im Trauerflor:               kulturellen Highlights in Zürich
Etwas separat sitzend, trägt es eine andere, ernste Thematik          es zu entdecken gilt … Bereit?
des Kindseins in Ankers prächtige Komposition hinein.                 Na dann los:
     Dieses berühmte Bild ist als langfristige Leihgabe von privat    artquiz.zuerich.com/de
im ersten Stock des Moserbaus zu bewundern.
Im Herzen wild. Die Romantik in der Ottilie W. Roederstein Alberto Giacometti - neu präsentiert Seite 30 - Schweiz
8                                                             ANZEIGEN

                    O b e r d o r f s t r a s s e 1 3 . 8 0 0 1 Z ü r i c h . w w w. s t e f i t a l m a n . c h

                                                                                                                              Zurich, Switzerland
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              VARLIN
       Vom Verschwinden der anspruchslosen Orte

              22. August – 19. Dezember 2020
         Do 17 – 20 Uhr | Sa 10 – 17 Uhr | Eintritt frei

                                                                     22.02.–     Erica Pedretti
                                                                     Roman Signer
                                                                     07.06.2020  Fremd genug
                                                                     Skizzen           In einer Präsentation von Katalin Deér und Lukas Furrer

                                                                     4.10.2020 –
                                                                     17.1.2021

    Atelier Righini Fries, Klosbachstrasse 150, 8032 Zürich
     Weitere Informationen unter: www.righini-fries.ch
Im Herzen wild. Die Romantik in der Ottilie W. Roederstein Alberto Giacometti - neu präsentiert Seite 30 - Schweiz
Ferdinand Hodler. Thunersee mit Niesen. 1912–13. Öl auf Leinwand. 61,5 × 85,5 cm.

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Impressionismus & Klassische Moderne
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Koller Auktionen · Hardturmstrasse 102 · 8031 Zürich              Kataloge online:
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Im Herzen wild. Die Romantik in der Ottilie W. Roederstein Alberto Giacometti - neu präsentiert Seite 30 - Schweiz
10                                                   AUSSTELLUNGEN

 Alexandre Calame, Le Grand Eiger au soleil levant
 (Le Matin, vue du Grand Eiger), 1844
 Öl auf Leinwand, 106,2 × 139,9 cm
 Depositum der Schweizerischen Eidgenossenschaft,
 Bundesamt für Kultur, Gottfried Keller-Stiftung
AUSSTELLUNGEN                            11

IM  13. November 2020 – 14. Februar 2021
    KURATOR Jonas Beyer

HERZEN
WILD
    Ob Szenerien der
    ungebändigten hochalpinen
    Natur, dramatische
    Wendepunkte in der Schweizer
    Geschichte oder aufwühlende
    Schiffbrüche: Auf die
    Besucherinnen und Besucher
    unserer Ausstellung
    wartet ein Panorama der
    grossen Gefühle.
12                                                        AUSSTELLUNGEN

 F             ast jeder dürfte schon von der «deut­
               schen», «englischen» oder «französi­
               schen Romantik» gehört haben. Diese
               Begriffe wecken sofort Assoziationen zu
 bestimmten Künstlern oder Ausdrucksformen, die
 eng mit dem jeweiligen Land verknüpft sind. Doch
 wie sieht es damit eigentlich in der Schweiz aus?
 Kaum ein Land erfüllt so viele landschaftliche Krite­
 rien, wenn es um das Romantische geht, wie die
                                                                                                                   1
 Schweiz. Und auch im Bereich der Figurenmalerei
 war es unter anderem ein Schweizer Künstler, der der
 Romantik den Weg ebnete. Johann Heinrich Füssli,
 «The Wild Swiss», wie man ihn in England nannte,
 bereicherte das Themenspektrum der Malerei um den
 Aspekt der Nacht mit all ihren Schatten und zwielich­   sich im Werk der Dresdner Landschaftsmaler des
 tigen Gestalten.                                        beginnenden 19. Jahrhunderts zeigt. Und was die
    Dennoch bleibt der Begriff der Schweizer Roman­      Landschaft in der Schweiz angeht, so geraten spätes­
 tik schillernd und schwer greifbar. Was uns zu der      tens mit dem Aufkommen des Tourismus raue, erha­
 Frage führte, ob es eine spezifisch schweizerische      bene Naturspektakel wie die Via Mala in Graubünden
 Romantik überhaupt gibt und was man sich in Bildern     oder der Schmadribachfall im Berner Oberland zu
 und Texten darunter vorstellen soll. Lässt man die      kapitalen Sehenswürdigkeiten für Reisende aus dem
 vergangenen Ausstellungen zur Kunst um 1800 Revue       Ausland sowie zu gefragten Motiven für romantisch
 passieren, so war die Schweiz bislang hauptsächlich     gestimmte Künstler.
 für den Sturm und Drang zuständig, während die             Hier, im Herzen Europas, beginnen die Künstler,
 Romantik andernorts stattfand, in Rom beispiels­        die erhabene Bergwelt und das ewige Eis der Glet­
 weise, oder in Dresden. Die Romantik hat im Bereich     scher auf ihre Leinwände zu bannen; man begibt sich
 der Schweizer Kunst – abgesehen von den vielen          in unwirtliche, windige Höhen, entwirft in Panora­
 thematischen Einzeluntersuchungen der letzten           men regelrechte Visionen von der endlosen Weite der
 Jahre – bislang weitestgehend im Schatten gestanden.    Landschaft oder fängt in spontanen Studien den
 Grund genug, eine grosse Überblicksausstellung zu       ebenso unberechenbaren wie spielerischen Lauf von
 lancieren, die das Thema in seinen vielen Facetten      Wasserfällen ein. Einerlei, ob dies nun einheimische
 würdigt.                                                Maler sind oder ausländische Künstler vom Range
                                                         eines Joseph Anton Koch oder William Turner: Die
             DIE LANDSCHAFT IM BILD                      hohe Anzahl an Reisenden, die die Schweiz aufsuch­
 Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Rolle, die     ten, legt es nahe, nicht dezidiert von einer «Schweizer
 die Schweiz im internationalen Kontext der Roman­       Romantik», sondern stattdessen von einer «Romantik
 tikbewegung gespielt hat. Ohne die Schweizer Anton      in der Schweiz» zu sprechen.
 Graff und Adrian Zingg hätte sich beispielsweise die       Die Betonung dieser transnationalen Perspektive
 Malerei sicher nicht in der Form entwickelt, wie sie    erscheint auch deshalb angebracht, weil sich die
AUSSTELLUNGEN   13

                                                 2

1   Johann Heinrich Füssli,
Einsamkeit im Morgenzwielicht, 1794 –1796
Öl auf Leinwand, 95 × 102 cm
Kunsthaus Zürich, 1941

2   Joseph Anton Koch,
Der Schmadribachfall, 1794
Aquarell über Bleistift, Feder in Braun,
weiss gehöht, aufgezogen, 49,6 × 41,3 cm
Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett,
Vermächtnis Dr. Carl Mettler 1942
                                                                     3
3   Joseph Mallord William Turner,
The Passage of Mount St. Gothard from the
centre of Teufels Broch (Devil’s Bridge), 1804
Aquarell und Deckfarbe auf Papier, 101 × 68 cm
Abbot Hall Art Gallery, Lakelands Arts.
The Morse Bequest, 1972
14                                               AUSSTELLUNGEN

 4   François Diday, L’Aar à la Handeck, 1854
 Öl auf Leinwand, 122 × 163 cm
 Kunsthaus Zürich, 1855

 5   Léopold Robert, Femme de brigand veillant
 sur le sommeil de son mari, 1821
 Öl auf Leinwand, 47 × 37 cm
 Kunstmuseum St. Gallen, Sturzeneggersche
 Gemäldesammlung, erworben 1936

                                                                 4
AUSSTELLUNGEN                                                           15
                                                                        Schweizer Künstler umgekehrt zwecks Ausbildung oft
                                                                        genug an ausländische Akademien begaben, da es im
                                                                        eigenen Land an entsprechenden Einrichtungen man­
                                                                        gelte. In unserer Ausstellung werden wir den Malern
                                                                        also in die Fremde folgen, wo sie sensibel auf die
                                                                        lokalen Eigenheiten des jeweiligen Lehrumfeldes
                                                                        reagierten: Je nachdem ob sich die Schweizer nach
                                                                        Paris, Dresden oder Wien orientierten, bildeten sie
                                                                        ganz eigene künstlerische Idiome aus.

                                                                           AUFBRUCHSGEIST ÜBER GRENZEN HINWEG
                                                                        Die Romantik, wie sie sich in der Schweiz zeigt, war
                                                                        also eine künstlerische Epoche, die aus der Bewegung
                                                                        heraus entstanden ist. Ob dies nun bedeutete, dass
                                                                        sich die Schweizer Kleinmeister mit ihren Veduten
                                                                        auf ein durchreisendes Publikum einstellten oder die
                                                                        Schweizer selbst mobil wurden und in den angren­
                                                                        zenden Nachbarländern ihre künstlerische Vervoll­
                                                                        kommnung suchten: Uns interessiert vor allem das
                                                                        wechselseitige Verhältnis von ortsspezifischer Ge­
                                                                        bundenheit und internationaler Vernetzung.
                                                                            Die Kleinmeister hielten ihre Landschaften zu­
                                                                        meist auf überschaubaren Bildformaten fest. Schliess­
                                                                        lich sollten die Werke auch ins Reisegepäck der Tou­
                                                                        risten passen. Demgegenüber nehmen sich die Land­
                                                                        schaftsgemälde der sogenannten Genfer Schule – mit
                                                                        François Diday und Alexandre Calame als ihren
                                                                        Hauptvertretern – in Formensprache und äusserer
                                                                        Abmessung gänzlich anders aus. Nicht länger sind die
                                                         5              erhabenen Landschaften eines Calame oder Diday
                                                                        von pittoresken Staffagefiguren bevölkert. Vielmehr
                                                                        werden die sturmgepeitschten Tannen selbst zu Pro­
                                                                        tagonisten der Bilder. Heroisch behaupten sie sich in
                                                                        widriger Umgebung.
                                                                            Das mächtige Format dieser Werke macht unmiss­
                                                                        verständlich klar: Die Bilder sind nicht für den priva­
                                                                        ten Gebrauch vorgesehen, sondern sollen Galerie­
                                                                        räume füllen. Zugleich sind sie oftmals von derart
                                                                        gigantischer Grösse, dass sich der Betrachter der
                                                                        Natur an sich und nicht einem Abbild derselben ge­
                                                                        genüber wähnt. Ein falscher Schritt, so warnen uns
                                                                        die Bilder, und man könnte von entfesselten Wild­
                                                                        bächen mitgerissen werden oder in schauerliche Ab­
                                                                        gründe stürzen. «Es graut einem vor diesem Kampf
                                                                        der Elemente», wie es in einem Nachruf Eugen
                                                                        Peschiers auf Calame heisst.
                                                                            Ruhiger geht es da in den gemalten Landschaften
KATALOG                                                                 der italienischen Campagna zu. Wie die Maler aus
                                                                        unzähligen anderen Ländern, so zog es auch die
Begleitend zur Ausstellung erscheint ein Katalog                        Schweizer Künstler ins gelobte Land Italien. Man
(Prestel Verlag, 288 S., ca. 200 Abb.) mit Beiträgen
aus der aktuellen Romantikforschung u. a. von Werner                    kann sogar sagen, dass einige Maler in dieser Fremde
Busch, Valentine von Fellenberg, Johannes Grave,                        erst zu sich selbst fanden. Ein Künstler wie Johann
Florian Illies, Laurent Langer, Tobias Pfeifer-Helke,                   Jakob Frey etwa – das hebt der Schriftsteller Florian
Michael Thimann und Franz Zelger. Erhältlich ist die
auf Deutsch erscheinende Publikation am Museums-                        Illies in unserem Katalog hervor – findet erst in Italien
shop und im Buchhandel.                                                 zu einer befreiten Pinselschrift. Hier beginnt er, dem
16                                                          AUSSTELLUNGEN

 mal heiteren, mal grimmigen Spiel der Wolken am           seinen mythisch aufgeladenen Landschaften, auf deren
 südlichen Himmel in kleinen, ungemein raffinierten        Bühne Nymphen und Satyrn ihren Aufritt haben.
 Ölstudien nachzujagen.
     Der Zürcher Ludwig Vogel wiederum hätte sich                        ENTDECKUNGSREISE
 nicht zu dem Historienmaler entwickelt, als den man                  DURCH DIE SCHWEIZER KUNST
 ihn kennt, wenn er nicht sein Formvokabular in Rom        Wie geläufig ist heute noch die Tatsache, dass der vor
 und dort namentlich im Kreis der Lukasbrüder ent­         allem als Symbolist gefeierte Böcklin in den 1840er-
 wickelt hätte. Aus der Ewigen Stadt zurückgekehrt,        Jahren ganz im Bann der romantischen Tradition stand?
 interpretierte Vogel die romantisch-nazarenische          Dass verlassene Ruinen und Hünengräber, Motive, wie
 Idee einer Einheit von Religion und Kunst auf seine       wir sie von Künstlern wie Caspar David Friedrich oder
 Weise um: Mit seinen buntfarbig-charakteristischen        Johan Christian Dahl kennen, in dieser Zeit zu seinem
 Bildern aus der Geschichte der Eidgenossenschaft          festen Bildrepertoire gehörten? Kein Zweifel, mit unse­
 etablierte er sich als einer der bedeutendsten Histo­     rer Entdeckungsreise durch die Schweizer Kunst im
 rienmaler der Schweiz.                                    Zeitalter der Romantik lassen sich dem Thema neue oder
     Auch bei demjenigen Künstler, dessen Werke den        wenig bekannte Facetten abgewinnen. Und auch wenn
 Schlusspunkt unserer Ausstellung markieren, ge­           sich unter den rund 160 ausgestellten Gemälden und
 meint ist Arnold Böcklin, bündeln sich in Italien         Zeichnungen mehrere prominente Werke finden, die
 nochmals die romantischen Tendenzen. Seine «Land­         längst zum Kanon der Romantik zählen: Mindestens
 schaft aus den Pontinischen Sümpfen» ist von              ebenso sehr darf sich das Publikum auf die vielen Über­
 Christian Klemm zu Recht als «eine süd­ländisch vita­     raschungen freuen, die die Ausstellung mit Blick auf
 listische Weiterentwicklung der nordisch-romanti­         künstlerische Geheimtipps zu bieten hat.
 schen Seelenlandschaften» apostrophiert worden.
 Die Natur erscheint hier beseelt, ohne dass sie uns
 ihre Geheimnisse offenbaren würde. Und wir wissen
 ganz genau: Jetzt ist es für Böcklin nicht mehr weit zu

                     6
AUSSTELLUNGEN                                                                       17

                                                                                                 Matinéekonzert
                                                                                               des Zürcher Kammerorchesters
                                                                                               29.11.2020, 14 – 15 Uhr
                                                                                               Das ZKO präsentiert die Klanglandschaften
                                                                                               dreier Komponisten der romantischen Phase,
                                                                                               wie sie unterschiedlicher nicht sein könn-
                                                                                               ten: Franz Schubert, Johannes Brahms und
                                                                                               Arnold Schönberg. Umrahmt wird das
                                                                                               Konzert von einem Gespräch mit Kurator
                                                                                    7          Jonas Beyer, der Hintergründe und Be-
                                                                                               sonderheiten der Ausstellung «Im Herzen
                                                                                               wild» beleuchtet.
                                                                                               Zürcher Kammerorchester: Willi Zimmermann
                                                                                               (Violine und Leitung), Ryszard Groblewski
                                                                                               (Viola Solo)
                                                                                               Ticket: CHF 50.–, Mitglieder Zürcher
                                                                                               Kunstgesellschaft CHF 40.–, Studierende /
                                                                                               Lehrlinge CHF 20.–. Ticket: www.zko.ch. Das
                                                                                               Konzertticket berechtigt gleichzeitig zum
                                                                                               Eintritt in die Ausstellung.

                                                                                                 Im Herzen wild: Von der Idee zur
                                                                                               Ausstellung (Hintergrundgespräch)
                                                                                               9.12.2020, 18 – 19.30 Uhr
                                                                                               Hinter dem, was sich das Publikum bei
                                                                                               einem 90-minütigen Ausstellungsbesuch zu
6   Arnold Böcklin,                             BEGLEITPROGRAMM                                Gemüte führt, verbergen sich komplexe
Landschaft aus den Pontinischen Sümpfen, 1851                                                  Abläufe. Zu den vielen Beteiligten, die den
Öl auf Leinwand, 73 × 98 cm
                                                   Gesprächsrunde zum Thema                    Kurator bei der Umsetzung der Ausstel-
Kunstpalast, Düsseldorf
                                                «Was sagt uns die Romantik heute?»             lungsidee unterstützen, zählen Restaurato­
7   Ludwig Vogel,                               24.11.2020, 18.30 – 20 Uhr                     rinnen, Grafikerinnen, Architekten u.v.a.m.
Niklaus von Flüe als Friedensstifter            Mit Elisabeth Bronfen, Florian Illies und      Dieses Gespräch zwischen Jonas Beyer
auf der Tagsatzung zu Stans, 1813               Simon Strauss, moderiert von Stefan Zweifel.   und Christoph Stuehn bietet einen Blick
Feder in Schwarz, Aquarell und Gouache,         Das Lebensgefühl der Romantik trifft noch      hinter die Kulissen.
Randlinien mit Feder in Schwarz, auf Papier,
                                                heute auf fruchtbaren Boden: Die Betonung      Ticket: Ausstellungsticket oder CHF 10.–,
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Kunsthaus Zürich                                der Leidenschaft und die Faszination für       Reservierung erforderlich.
                                                das Unerklärliche haben in Zeiten der Durch-
                                                rationalisierung unseres Lebensalltags           Piz Palü – Hörspiel-Performance
                                                wieder an Aktualität gewonnen. Elisabeth       27.1.2021, 18.30 – 20 Uhr
                                                Bronfen hat sich in ihrer Beschäftigung        Mit Meret Hottinger, Christian Sprecher,
                                                mit Schauerliteratur sowie mit dem Thema       Julian M. Grünthal; Erzählerin: Doris Strütt;
                                                der Nacht bereits extensiv dem Geheim­         Musik: Rolf Caflisch.
                                                nisvollen und Unfassbaren gewidmet, Florian    Inspiriert ist diese Hörspiel-Performance
                                                Illies lässt in seinem Essayband «Gerade       vom Stummfilm «Die weisse Hölle vom
                                                war der Himmel noch blau» ein Kapitel unter    Piz Palü» aus dem Jahr 1929. Der legendäre
                                                der Überschrift «Ist Romantik heilbar?»        Bergsteigerfilm wird in eine dystopische
                                                laufen und Simon Strauss fragte erst jüngst    Zukunft verlegt, auf der Bühne lustvoll
                                                in einem Interview: «Wie politisch ist die     demontiert und endet fulminant in einem
                                                Romantik? Kann man heute neoromantisch         bizarren und bitterbösen Kampf zwischen
                                                schreiben und sich nach Leidenschaft und       den drei Protagonisten. Die Darstellerinnen
                                                Ernsthaftigkeit sehnen?». Fragen, die wir in   und Darsteller treiben Klischees auf den
                                                dieser prominent besetzten Gesprächs-          Gipfel, hinterfragen die Sehnsucht nach
                                                runde offen diskutieren möchten, um unsere     einer idealisierten Natur und den damit oft
                                                Sicht auf die «Romantik» im Hier und Jetzt     einhergehenden Ideologien.
                                                zu schärfen.                                   Produktion: Verein NBAS in Zusammenarbeit
                                                In Kooperation mit dem Literaturhaus Zürich.   mit MAISON DU FUTUR.
                                                Ticket: CHF 15.– / 10.– (ermässigt und         Ticket: CHF 15.– / 10.– (ermässigt und
                                                Mitglieder), Reservierung erforderlich.        Mitglieder), Reservierung erforderlich.
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     © 2020, Pro Litteris, Zürich
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22   AUSSTELLUNGEN

                     1
AUSSTELLUNGEN                       23

Ottilie W.
Roederstein
Die zu Lebzeiten wichtigste
Schweizer Porträtistin wiederentdeckt.

18. Dezember 2020 – 5. April 2021
KURATORIN Sandra Gianfreda

Mit Ottilie W. Roederstein (1859 – 1937)
widmet sich das Kunsthaus Zürich einer
Künstlerin, die eng mit unserer Institution
verbunden war. In Zürich von deutschen
Eltern geboren, lebte sie nach Ausbil­
dungsstationen in ihrer Heimatstadt, in
Berlin und Paris ab 1891 in Frankfurt am                                                  2
Main. 1909 liess sie sich bis zu ihrem
Lebensende im ländlichen Hofheim am
Taunus nieder. Sie war in der Schweiz, in
Deutschland und in Frankreich eine feste
Grösse im Kunst- und Kulturbetrieb und        Ferdinand Hodler, Giovanni Giacometti
zählte zu den meistbeschäftigten Porträt­     und Cuno Amiet. In Erinnerung an
malerinnen ihrer Zeit. Roederstein prä­       Roedersteins künstlerisches Vermächtnis
sentierte ihre Werke in zahlreichen natio­    und an ihr unermüdliches Engagement als
nalen und internationalen Ausstellungen,      Mittlerin zwischen der Schweiz und
von Zürich über Paris und Frankfurt am        Deutschland wurden ihr 1938 in Frankfurt,
Main bis nach London und Chicago. 1912        Zürich und Bern Gedenkausstellungen
vertrat sie die Schweiz als einzige Künst­    ausgerichtet. Durch die Zäsur des Zweiten
lerin bei der epochalen «Internationalen      Weltkriegs und die allgemeine Fokussie­
Kunstausstellung des Sonderbundes» in         rung des Kunstbetriebs auf abstrakte Ma­
Köln – neben ihren männlichen Kollegen        lerei geriet ihr Werk und ihre Bedeutung
24                                                        AUSSTELLUNGEN

                                             jedoch in Vergessenheit. Nach mehr als 80      Angeregt durch die Auseinandersetzung
                                             Jahren macht unsere Ausstellung das viel­      mit Werken der italienischen und der
                                             fältige Œuvre dieser einst wichtigsten         deutschen Renaissance, begann sie um
                                             Schweizer Porträtistin einem breiten Pu­       1893 mit der Temperamalerei. Diese im
                                             blikum wieder zugänglich.                      ausgehenden 19. Jahrhundert europaweit
                                                                                            wiederbelebte Technik galt als traditions­
                                                   EINE EIGENE HANDSCHRIFT                  verbunden und avantgardistisch zugleich.
 1   Ottilie W. Roederstein,
                                             Während sich ihr Frühwerk sowohl the­          Sie führte die Künstlerin zu einer neuen,
 Bildnis des Malers Jakob Nussbaum, 1909     matisch als auch stilistisch deutlich inner­   linear geprägten Ästhetik und einer ver­
 Öl auf Leinwand, 86,5 × 61,5 cm
 Städel Museum, Frankfurt am Main,           halb der Konventionen der akademischen         einfachten Formensprache. Wegen einer
 Foto © Städel Museum, Frankfurt am Main,    Malerei bewegt, öffnete sich die Künstle­      Verletzung an der rechten Hand musste
 U. Edelmann
                                             rin in ihrem späteren Werk zunehmend           sie diese feinpinselige Technik 1901 jedoch
 2   Ottilie W. Roederstein,                 anderen Strömungen und nahm sowohl             jäh unterbrechen, um sie nach 1910 wieder
 Selbstbildnis mit Pinseln, 1917
 Öl auf Leinwand, 48 × 39 cm                 impressionistische wie auch symbolisti­        ganz aufzunehmen.
 Kunsthaus Zürich, Vereinigung               sche Tendenzen auf. Zudem überschritt
 Zürcher Kunstfreunde, 1917
                                             Roederstein bereits zu Beginn ihrer Kar­         KÜNSTLERISCHE POSITIONIERUNG
 3    Ottilie W. Roederstein,                riere das für malende Frauen vorgesehene       Bei der Erprobung neuer Stilrichtungen
 Stillleben mit Malutensilien, 1930
 Öl und Tempera auf Leinwand, 50 × 33,5 cm   Terrain, indem sie sich auch an religiöse      und Maltechniken spielten Selbstporträts
 Kunsthaus Zürich, 2019
                                             Bilder und Akte heranwagte. In den             für Roederstein eine wichtige Rolle. Sie
 4   Ottilie W. Roederstein,                 1920er-Jahren fand sie schliesslich zu         entstanden in allen Phasen ihres Schaffens
 Irene Holz, geb. Edle von Hofmann, 1919
 Öl auf Leinwand, 70 × 48 cm
                                             einer sachlich-nüchternen Bildsprache, zu      und boten der Malerin die Möglichkeit der
 Privatbesitz Zürich                         ihrer «eigenen Handschrift».                   künstlerischen Positionierung und Selbst­
                                                                                            befragung. Meist inszenierte sie sich mit
                                                                                            verschränkten Armen und strengem Blick
                                                                                            in eher maskuliner Attitüde als ernst zu
                                                                                            nehmende und erfahrene Künstlerin, die
                                                                                            sich Respekt und Erfolg erarbeitet hatte.
                                                                                               Roedersteins Gemälde fanden schon
                                                                                            sehr früh Eingang in die Sammlung des
                                                                                            Kunsthaus Zürich. Bereits 1887 gelangte
                                                                                            als erstes Werk der Künstlerin das Bildnis
                                                                                            des «Pfarrer Bion», das im Frühjahr des­
                                                                                            selben Jahres im Salon der Société des
                                                                                            Artistes Français gezeigt worden war,
                                                                                            durch eine Schenkung in den Besitz der
                                                                                            Zürcher Künstlergesellschaft. Zehn Jahre
                                                                                            später tätigte diese unter dem neuen Na­
                                                                                            men der Zürcher Kunstgesellschaft mit
                                                                                            «Die Verlobten» und «Das Waisenkind»
                                                                                            ihre beiden ersten Ankäufe bei Roeder­
                                                                                            stein. Heute umfasst der Bestand des
                                                                                            Kunsthaus Zürich zwei Zeichnungen und
                                                                                            zwölf Gemälde, darunter das «Stillleben
                                                                                            mit Malutensilien», das Ende 2019 erstei­
                                                                                            gert werden konnte. Zu Lebzeiten der
                                                                                            Künstlerin präsentierten das Künstler­

                                                          3
AUSSTELLUNGEN   25

4
26                     AUSSTELLUNGEN

     haus Zürich beziehungsweise seit 1910 das           und erkämpften sich eine Ausbildung und
     Kunsthaus Zürich Roedersteins Werke                 beeindruckende Karrieren in bis dato zu­
     zwischen 1887 und 1934 bei rund fünfzehn            meist den Männern vorbehaltenen Berufs­
     Gelegenheiten. Besondere Ehre wurde ihr             feldern. Beide engagierten sich später für
     zur Eröffnung des Neubaus des Kunsthaus             eine Verbesserung der Ausbildungssitua­
     Zürich 1910 zuteil, als sie als einzige Künst­      tion von Mädchen und Frauen im deut­
     lerin unter den eingeladenen Schweizer              schen Kaiserreich.
     Kunstschaffenden ausstellen durfte. Sie                Mit rund 70 Gemälden und einer klei­
     unterstützte die Zürcher Institution zu­            nen Auswahl von Arbeiten auf Papier wird
     dem mit Leihgaben und Schenkungen von               die Ausstellung einen fundierten Einblick
     Werken aus ihrer Sammlung moderner                  in die künstlerische Entwicklung der einst
     französischer und Schweizer Kunst.                  international bekannten Künstlerin ge­
                                                         ben. Ergänzt um historische Dokumente,
         ÜBERWINDUNG VON GRENZEN                         Fotografien und Briefe werden ihre wich­
     Roedersteins erfolgreiche Karriere wäre             tigen Lebensstationen – Zürich, Paris,
     nicht möglich gewesen ohne ihre Le­                 Frankfurt und Hofheim – nachgezeichnet.
     benspartnerin Elisabeth H. Winterhalter,               Die Ausstellung entstand in Koopera­
     Gynäkologin und die erste deutsche Chi-             tion mit dem Städel Museum, Frankfurt
     rurgin. Sie war der Künstlerin eine unver­          am Main.
     zichtbare Stütze. Beide Frauen setzten
     sich im ausgehenden 19. Jahrhundert über            Unterstützt von
     die starren Geschlechtergrenzen hinweg              der Elisabeth Weber-Stiftung

                   5   Ottilie W. Roederstein,
                   Magdalena am Fuss des Kreuzes, 1894
                   Tempera auf Holz, 58,5 × 39 cm
                   Stadtmuseum Hofheim am Taunus

                   6   Ottilie W. Roederstein,
                   Die Verlobten, 1897
                   Tempera auf Holz, 39,5 × 46,5 cm
                   Kunsthaus Zürich, 1897

               5
AUSSTELLUNGEN                                                             27

                                                                          6

                BEGLEITVERANSTALTUNGEN
                Die Ausstellung wird von einem Veranstaltungsprogramm
                begleitet. Details ab Ausstellungsbeginn online auf
                www.kunsthaus.ch.

                KATALOG
                In der Publikation zur Ausstellung (Verlag Hatje Cantz)
                finden sich Beiträge zu Leben und Werk von Ottilie
                W. Roederstein, verfasst von Alexander Eiling, Sandra
                Gianfreda, Eva-Maria Höllerer, Barbara Rök und
                Iris Schmeisser. Neben Werkabbildungen illustrieren
                zeitgenössische Fotografien den Lebenslauf der
                selbstbewussten Künstlerin.
28                      ANZEIGEN

     MUSÉE
     CANTONAL                                                                                                                                                                                                                                                        .Sie finden keinen besseren.
                                                                                                                                                                                                                                                                     .Hauskäufer, höchstens einen,.

     DES                                                                                                                                                                                                                                                             .der mehr bezahlt.
                                                                                                                                                                                                                                                                     Bei uns kann die Mieterschaft nach dem Kauf

     BEAUX-ARTS
                                                                                                                                                                                                                                                                     Ihrer Liegenschaft bleiben. 043 322 14 14

                                                                                                                                                                                                                                                                     pwg.ch
                                                                                                                                                                                                                                                                     Stiftung zur Erhaltung von preisgünstigen Wohn- und Gewerberäumen der Stadt Zürich

     LAUSANNE                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Der Rahmen
     Kiki Smith.                                                                                                                                                                                                                                                                                                             vollendet
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               das Bild

     Hearing You                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Aarberg | BE

     with My Eyes
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Münchwilen | TG
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Unterentfelden | AG
                         Kiki Smith, My Blue Lake, 1995, photogravure et lithographie en 3 couleurs sur papier Arches En‑Tout‑Cas, 110,5 × 139,1 cm, Courtesy Universal Limited Art Editions. Photo © Courtesy Universal Limited Art Editions, Bay Shore, New York

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Zürich | ZH
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              www.boesner.ch

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Ausstellung

                                                                                                                                                                                                                                                                     Hans Schnorf
                                                                                                                                                                                                                                                                     the moment I forgot what I shall remember

                                                                                                                                                                                                                                                                     Solo Show             28. November - 19. Dezember 2020

                                                                                                                                                                                                                                                                     Vernissage:      Samstag, 28. November 16-18 Uhr
                                                                                                                                                                                                                                                                     Meet the Artist: Sonntag, 29. November 16-18 Uhr

                                                                                                                                                                                                                                                                     ART FORUM UTE BARTH
                                                                                                                                                                                                                                                                     Galerie für Moderne & Zeitgenössische Kunst       www.utebarth.com
                                                                                                                                                                                                                                                                     Kartausstrasse 8 CH-8008 Zürich T +41 44 3802711 info@utebarth.com

                                                                                                                                                                                                                                                                       PRIVATE UND                                                 iten
                                                                                                                                                                                                                                                                       STIFTUNGEN                                                  R E A L E S TAT E
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   FA M I LY O F F I C E

                                                                                                                                                                                                                                                                       VERTRAUEN UNS

     9.10.2020–
                                                                                                                                                                                                                                                                       IHR IMMOBILIEN-
                                                                                                                                                                                                                                                                       PORTFOLIO AN.

     10.01.2021
              mcba.ch                                                                                                                                                                                                                                                                                                        itengroup.ch
Der
erschöpfte
   Mann
      16.10.20 – 10.1.21
30                                                                                         SAMMLUNG

 Zurück in grossem Stil
 Alberto Giacometti neu präsentiert
 TE X T Philippe Büttner

 Seit einigen Jahren werden im Kunsthaus
 die Werke Alberto Giacomettis aus eige­
 nem Besitz und aus der Giacometti-Stif­
 tung im Zusammenspiel mit Werken
 anderer Künstler präsentiert. Denn Giaco­
 metti war gerade in Paris mit vielen
 Künstlern bekannt und befreundet und
 arbeitete von 1930 bis 1935 insbesondere
 eng mit der Gruppe der Surrealisten um
 André Breton zusammen.
    In der nun eröffneten ganz neuen Prä­
 sentation der Werke Giacomettis wird
 diese Vorgehensweise ausgebaut. Im Rah­
 men einer von Ulrich Zickler gestalteten
 Architektur steht dafür nun die gesamte
 Fläche des ersten Stocks des Müllerbaus
 zur Verfügung. Denn die früher dort aus­
 gestellten Werke, etwa von Baselitz, wer­
 den im kommenden Jahr im Erweite­
 rungsbau gezeigt. Die neue Präsentation
 ist die Grösste zu Giacometti, die im
 Kunsthaus je realisiert werden konnte und
 zeigt ein breites Tableau vom Schaffen des
 Künstlers von 1914 bis 1965. Sein Werk
 bildet den roten Faden der Präsentation;
 dazu werden nun zahlreiche Werke von
 Künstlern und Künstlerinnen einbezogen,
 die er kannte, die gleichzeitig mit ihm tätig
                                                 Foto: Franca Candrian, Kunsthaus Zürich

 waren oder die nach seinem Tod in gewis­
 ser Weise an künstlerischen Fragen wei­
 terarbeiteten, die in beschäftigt hatten.

     HAUPTWERKE DER 1950ER-JAHRE
 Am Anfang stehen in den niedrigen Räu­
 men unter dem Zwischengeschoss Werke
SAMMLUNG                                                                  31
von Albertos Vater Giovanni Giacometti       Künstlern und Künstlerinnen der 1950er-                 DIE WERKE DER REIFEZEIT
sowie von Weggefährten wie den Surrea­       Jahre begleitet, v.a. von der École de Paris:   Der früher Baselitz gewidmete Saal ist
listen, aber auch von Picasso. Letztere      De Staël, Bazaine, Da Silva, aber auch          umgebaut und ganz anders unterteilt. Hier
begleiten Giacomettis hervorragendes         Dubuffet sind hier vertreten. Ebenfalls         geht es nun zu den Werken Giacomettis
surrealistisches Werk, das nirgends besser   ausgestellt ist eine wichtige frühe Arbeit      der Reifezeit. Vorbei an dem nun wieder
studiert werden kann als in Zürich.          Francis Bacons. Die meisten dieser Werke        auf diesen Saal hin geöffneten Beuys-
    Der hohe, schachtartige Raum, der sich   sind abstrakt und somit grundsätzlich an­       Raum führt uns der Weg zu Giacomettis
dort entfaltet, wo das nun zurücksprin­      ders aufgebaut als die zeitgleich entstan­      legendären Ensembles: den Meisterwer­
gende Zwischengeschoss Raum nach oben        denen Werke Giacomettis. Dennoch gibt           ken der Jahre nach dem Krieg, als er zu den
lässt, ist v.a. den 1950er-Jahren vorbe-     es eine Verwandtschaft: Giacometti form-        hohen, schlank gelängten Werken fand,
halten. Hier finden sich Hauptwerke          te nicht das nach, was er vor Augen hatte,      die für ihn charakteristisch wurden, den
Giacomettis aus dieser Zeit, darunter «Le    sondern das, was er davon wahrnahm. Die         «Femmes de Venise» von 1956, den origi­
chariot». Ebenfalls zu sehen sind der be­    Gestaltung des inneren Prozesses der            nalen Gipsen der grossen späten Figuren
rühmte Hund und weitere Hauptwerke.          Wahrnehmung ist bei ihm das Entschei­           von 1960 und schliesslich den auf sie fol­
Sie werden von einer eindrucksvollen         dende – etwas, das in Paris auch die abs­       genden Büsten, die vor allem Giacomettis
Gruppe von Werken von europäischen           trakten Künstler der Zeit beschäftigte.         Frau Annette, seinem Bruder Diego und
                                                                                             am Ende dem Freund Élie Lotar gewidmet
                                                                                             waren. Ebenfalls zu sehen ist «Homme qui
                                                                                             chavire», ein Werk aus der Sammlung der
                                                                                             Kunstfreunde Zürich und die erste bedeu­
                                                                                             tende Arbeit des Künstlers, die 1954 ans
                                                                                             Kunsthaus kam. Am Ende steht das grosse
                                                                                             Triptychon Francis Bacons, den Giaco­
                                                                                             metti kannte und der nach dessen Tod wie
                                                                                             vielleicht nur Picasso imstande war, dem
                                                                                             Bild der menschlichen Figur auf gleichem
                                                                                             Niveau weiterhin neue Ausdrucksmög­
                                                                                             lichkeiten zu entlocken. Dieses begleitet
                                                                                             als Dauerleihgabe der Walter E. Bechtler-
                                                                                             Stiftung eine Gruppe von figurenartigen
                                                                                             Stelen der britischen Künstlerin Rebecca
                                                                                             Warren, in denen Giacomettis Entde­
                                                                                             ckung der in die Höhe orientierten Gestalt
                                                                                             auf innovative, veränderte Weise noch­
                                                                                             mals aufgenommen zu werden scheint.
                                                                                                In diesen Räumen kann die grossartige,
                                                                                             singuläre Kunst Giacomettis neu entdeckt
                                                                                             werden. Ab Sommer 2021 wird zusätzlich
                                                                                             auch ein Raum für die Präsentation von
                                                                                             Werken auf Papier des grossen Bergellers
                                                                                             zur Verfügung stehen.

                                                                                             Alberto Giacometti im Müllerbau
                                                                                             © Succession Alberto Giacometti / 2020,
                                                                                             ProLitteris, Zurich
32                                                        ERWEITERUNG

 Countdown
 Im Dezember wird David Chipperfields markanter
 Erweiterungsbau des Kunsthaus Zürich fertiggestellt. Nahezu
 auf die doppelte Grösse ist das Museum dann gewachsen.
 Schon vor der Aufnahme des Vollbetriebs im Herbst 2021 gibt
 es einiges zu sehen, zu lesen und zu erleben.
 TEXT Björn Quellenberg

      DIE NEUE PUBLIKATION:                  tur und Idee des Kunsthauses – der dritte
 MUSEUM FÜR KUNST UND PUBLIKUM               wird mit David Chipperfield Architects
 Nach dem im Frühjahr 2020 erschienenen      verfasst und im Oktober 2021 vorgelegt –
 Band «Die Baugeschichte des Kunsthaus       erscheint auf die Schlüsselübergabe und
 Zürich 1910 – 2020» zeigt ein neues Buch    wird im Buchhandel sowie im Kunsthaus-
 auf, wie die Bauaufgabe für ein Museum      Shop erhältlich sein.
 im 21. Jahrhundert gelöst werden konnte.
 Konzise Texte, Aussagen von Projektbetei­
 ligten und von künftigen Besucherinnen                                                  Das neue Kunsthaus Zürich
                                                                                         Museum für Kunst und Publikum
 und Nutzern sowie zahlreiche Abbildun­                                                  Herausgegeben vom Kunsthaus Zürich,
 gen zeichnen den Entstehungsprozess des                                                 in Zusammenarbeit mit der Einfachen
                                                                                         Gesellschaft Kunsthaus-Erweiterung
 Erweiterungsprojekts und des Bauablaufs                                                 Gestaltet von Stefan Hunziker Corti, Büro4
 nach und betrachten das vollendete Werk                                                 52 Seiten, 60 farbige Abbildungen
                                                                                         Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich
 aus unterschiedlichen Perspektiven. Das                                                 Ausgaben in Deutsch, Englisch und
 Buch beleuchtet auch die Anforderungen,                                                 Französisch, CHF 15.–

 die ein Museumsbau heutzutage erfüllen
 muss, welche architektonischen und städ­
 tebaulichen Qualitäten gefragt sind und
 welche finanziellen und organisatorischen
 Herausforderungen dies alles für die Pro­
 jektentwicklung und -realisierung bedeu­
 tete. In einem Gespräch zwischen Exper­
 tinnen und Experten wird schliesslich der
 Frage nachgegangen, wie der Neubau und
 das neue Kunsthaus insgesamt seine un­
 mittelbare Umgebung und die Stadt Zü­
 rich als Ganzes verändert.
     Sind Sie neugierig geworden? Dieser
 zweite von drei Bänden über die Architek­
Fotos Kunsthaus-Erweiterung: Juliet Haller, Amt für Städtebau; Tastende Lichter: FBM Studio, Zürich
                                                                                                                    ERWEITERUNG                                                             33

                                                                                                               FÜHRUNGEN DURCH
                                                                                                             DEN CHIPPERFIELD-BAU
                                                                                                      Der offizielle Baustellenstatus ist mit der   weise auf den Moserbau mit seiner Samm­
                                                                                                      für den 11. Dezember 2020 geplanten           lung oder den Erweiterungsbau mit David
                                                                                                      Schlüsselübergabe beendet. Obwohl hin­        Chipperfield legen. Wer Ausdauer mit­
                                                                                                      ter den Kulissen noch einige Monate das       bringt und Geschmack sowohl an der Ar­
                                                                                                      Klima optimiert wird, Räume eingerichtet      chitektur von Moser bis Chipperfield wie
                                                                                                      und technische Anlagen getestet werden,       auch an der Kunst hat, bekommt auch das
                                                                                                      können die beliebten Führungen durch          geboten.
                                                                                                      das neue Haus wieder aufgenommen wer­            Einen ersten Überblick verschaffen Sie
                                                                                                      den. Ab dem 13. Dezember sind private         sich auf der Website unter «Besuch pla­
                                                                                                      Termine für Gruppen bis 20 Personen wie­      nen» bei «Angebote». Flurina Schumacher
                                                                                                      der buchbar. Ein Team von Architektinnen      und Sarah Jacky nehmen Ihre Wünsche
                                                                                                      und Kunsthistorikerinnen steht zur Verfü­     gerne auf und unterbreiten Ihnen ein
                                                                                                      gung – und kann die Schwerpunkte wahl­        Angebot.
34                                            ERWEITERUNG

                                                             WOCHENENDE DER OFFENEN TÜR *
                                                            Nachdem am 11. Dezember die Bauherr­
                                                            schaft den Schlüssel symbolisch an die
                                                            Stiftung Zürcher Kunsthaus (Eigentüme­
                                                            rin der Kunsthaus-Liegenschaften) und
                                                            die Zürcher Kunstgesellschaft (Betreibe­
                                                            rin des Museums) übergibt, ist die Bevöl­
                                                            kerung am Samstag und Sonntag, 12./13.
                                                            Dezember eingeladen, sich von der Archi­
                                                            tektur ein Bild zu machen. Von 10 bis 18
                                                            Uhr ist der Eintritt in das Chipperfield-
                                                            Gebäude gratis.
                                                               Und am Abend wird auch vor dem er­
                                                            leuchteten Haus etwas Neues erstrahlen:
                                                            Pipilotti Rists zweiter Teil des Werks «Tas­
                                                            tende Lichter»! Die Video- und Lichtpro­
                                                            jektion ist Teil des Bauprojekts und vom
                                                            Heimplatz aus zu sehen. Seien Sie dabei,
                                                            wenn farbige Projektionen die Fassaden
                                                            von Kunst- und Schauspielhaus streifen
                                                            und den Platz zu einem 360-Grad-Kunst­
                                                            erlebnis machen.

      VIDEO ZUR NACHHALTIGKEIT
 Die Kunsthaus-Erweiterung ist das erste
 Schweizer Kunstmuseum, welches konse­
 quent die Ziele der 2000-Watt-Gesell­
 schaft verfolgt. Warum dies wichtig ist
 und was das für die Planung und den Bau­
 prozess bedeutete, erzählt die Direktorin
 des Amts für Hochbauten, Wiebke Rösler
 Häfliger, im neuen Video, welches nach
 den Beiträgen über Licht und Materialisie­
 rung nun die Nachhaltigkeit thematisiert.
 Gehen Sie auf unseren YouTube-Kanal
 und erfahren Sie mehr über die besonde­
 ren Merkmale des Chipperfield-Baus:
 www.youtube.com/KunsthausZurich.
ERWEITERUNG                                                              35

                          VON DER PREVIEW
                      BIS ZUM GRAND OPENING*
              Auf die Schlüsselübergabe mit einem Wo­
              chenende zur freien Besichtigung der Ar­
              chitektur des Erweiterungsbaus folgen im
              April/Mai 2021 zwei Preview-Monate, star­
              tend mit einem Ball am 10. April 2021 im
              neuen Festsaal, fortgesetzt mit Perfor­
              mances, Führungen und der Präsentation
              einzelner, nicht klimasensibler Werke.
                 Und am 9. / 10. Oktober 2021 feiern wir
              mit Ihnen das Grand Opening: Erstprä­
              sentation der Sammlungsbestände ab
              1960 sowie der privaten Sammlungen
              Bührle, Merzbacher und Looser im Chip­
              perfield-Bau. Es beginnt der Vollbetrieb
              des neuen Kunsthauses beiderseits des
              Heimplatzes.

              * Bei Redaktionsschluss waren die in Zukunft geltenden
                 Abstands- und Hygieneregeln noch nicht absehbar.
                 Änderungen – von Maskenpflicht im Gebäude über
                 begrenzten Zutritt bis zur Absage des Anlasses – sind
                 daher vorbehalten. Wir informieren darüber in der
                 Online-Agenda des Kunsthauses und im Kunsthaus-
                 Magazin.
36                                                              ANZEIGEN

                                                                                                       ARMAND GUILLAUMIN

                                                                                          4. - 7. November 2020
                                                                                         HERBSTAUKTION
                                                                                           GEMÄLDE • GRAFIK • PLAKATE • SCHMUCK
                                                                                             SCHWEIZER KUNST • ANTIQUITÄTEN

                                                                                                   Vorbesichtigung:
                                                                                  Täglich vom 22. Okt. bis 1. Nov. 2020 10 bis 19 Uhr
                                                                                                                             •

                                                                                         Online-Katalog: www.dobiaschofsky.com

                                                                                            DOBIASCHOFSKY AUKTIONEN AG
                                                                          Monbijoustrasse 30/32        Tel. 031 560 10 60   www.dobiaschofsky.com
                                                                          CH-3001 Bern                 Fax 031 560 10 70    info@dobiaschofsky.com

                                                                         Inseratgrösse: 89 x 122 mm                                       Magazin

                                                               Kunsthaus Zuerich_130_89x122mm.indd 1                                                10.09.20 11:50

                                                                                              Wir pflanzen Ihre Bäume.
                                                                                                 Auch beim Kunsthaus.

           Matter Garten AG | 8107 Buchs Zürich | mattergarten.ch | #mattergarten

     Inserat Kunsthaus Zürich.indd 1                                                                                               24.09.2020 09:32:10
ANZEIGEN   37

Endlich
38                           INTERN

                                       Claude Monet,
                                       Mohnblumenfeld bei Vétheuil, um 1879
                                       Öl auf Leinwand, 73 × 92 cm
                                       Sammlung Emil Bührle

                                       «Das ‹Mohnblumenfeld bei Vétheuil›
                                       in der Nähe von Paris entstand
                                       kurz nachdem sich Claude Monet mit
                                       seiner Familie in der Ortschaft nieder-
                                       gelassen hatte. Monet durchlebte
                                       damals eine schwierige Zeit. Seine
                                       Frau Camille starb nach längerer
                                       Krankheit, und er musste nicht nur für
                                       die eigenen Kinder, sondern auch
                                       für die Kinder seiner neuen Gefährtin
                                       Alice aufkommen. Es ist anzunehmen,
                                       dass sie eine der Figuren ist, die im
                                       Vordergrund des Bildes Mohnblumen

     Der
                                       pflücken, um damit Sträusse zu
                                       binden. Auch als Dokument für die
                                       Biografie des Künstlers ist das
                                       Bild wichtig. […]»
                                       Ausschnitt aus einem Audioguide-Text
                                       zu einem neuen Hauptwerk der Sammlung

     Audioguide
     Eine zeitlose Erfolgsgeschichte
     TEXT Christoph Stuehn
INTERN                                                                 39
Seit vielen Jahren ist der Audioguide in Museen weltweit ein               quelle. Dieses wichtige Projekt, von dem das Publikum
unverzichtbarer Bestandteil eines ganzheitlichen Museums­                  direkt profitieren kann, haben wir deshalb sehr gerne
erlebnisses. Er bedient sich – auf einer klassischen und robusten          unterstützt.»
Technologie beruhend – des Gehörsinns und ergänzt die visuelle             Martin Vollenweider, Prof. Dozent
Wahrnehmung während dem Museumsbesuch mit interessan­                      an der Fachhochschule Graubünden, Zürich

ten und unterhaltsamen Kontextinformationen. Inhalte können
einfach und zielgruppengerecht vermittelt werden, die Ausstel­
lungsgestaltung wird von Text entlastet und der Museumsbe­                             AUF DEM WEG ZUM NEUEN
such als Ganzes bereichert – auch für fremdsprachige Gäste. Der                         KUNSTHAUS-AUDIOGUIDE
Audioguide kann zudem eine wertvolle Rolle übernehmen in der        Die Entwicklung eines Audioguides ist ein echtes Teamprojekt,
Entwicklung von Spezialtouren, z.B. Highlights- oder Kinder-        am dem intern und extern viele Personen beteiligt sind: von den
Führungen. Der handliche Museumsbegleiter erfreut sich wegen        Kuratorinnen und Kuratoren über die Kunstvermittlung bis hin
seiner einfachen und bedienungsfreundlichen Handhabung und          zum Übersetzungsdienst und den Sprecherinnen und Spre­
der Bereicherung des Museumsbesuchs beim Publikum nach wie          chern. Unterstützt von einem externen Technik-Partner hält die
vor grosser Beliebtheit.                                            Projektleiterin Carin Cornioley die Fäden in der Hand und
                                                                    koordiniert den Entwicklungsprozess bis zur Einführung beim
                  KUNSTHAUS-ERWEITERUNG =                           Publikum.
                  AUDIOGUIDE-ERWEITERUNG
Im Zuge der Museumserweiterung wird das Kunsthaus inskünf­                 Inwiefern wird der bestehende Audioguide
tig auf einer nahezu doppelt so grossen Ausstellungsfläche rund            überarbeitet und auf wie viele neue Werke mit
zwanzig Prozent seiner Sammlung präsentieren, die durch                    Audioerklärungen darf sich das Publikum
die drei bedeutenden Privatsammlungen Bührle, Looser und                   freuen?
Merzbacher ergänzt wird. Als Teil dieses Erweiterungsprojekts              «Es gibt im neuen Audioguide 300 Werke, davon
soll auch der Audioguide überarbeitet und mit vielen neuen                 sind 100 ganz neu und 200 werden überarbeitet. Zu
Werken ergänzt werden – ein wichtiger Meilenstein für das                  den ganz neuen Werken gehören u.a. spektakuläre
zukünftige Museumserlebnis!                                                Hauptwerke der Sammlung Bührle und der Sammlung
                                                                           Merzbacher.»
                 EIN ENGAGEMENT FÜR IHREN
                                                                           Philippe Büttner, Sammlungskonservator, Kunsthaus Zürich
                      MUSEUMSBESUCH!
Nach einem ersten Spendenaufruf haben sich die Mitglieder der
Kunstgesellschaft bereits mit über CHF 100 000 an der Entwick­             Welche Fähigkeiten braucht eine gute
lung der neuen Audioguides für Kinder und Erwachsene in                    Audioguide-Sprecherin?
verschiedenen Sprachen beteiligt. Für dieses grosse und ver­               «Ich spreche Audioguide-Texte, als würde ich mit
trauensvolle Engagement danken wir Ihnen an dieser Stelle ganz             einer Art entspannter Begeisterung mit einem Freund
herzlich. Aufgrund der hohen Entwicklungskosten von rund                   sprechen und auf verschiedene Emotionen hinweisen,
CHF 500 000 möchten wir Ihnen dieses wichtige Zukunftspro­                 die beim Erleben der Exponate auftreten können.
jekt für eine Unterstützung nochmals ans Herz legen. Weitere               Es hilft sehr, dass ich selbst sehr neugierig auf Kunst
Spenden im Online-Shop, an der Museumskasse oder per Über­                 und Geschichte bin. Ich möchte die persönlichen
weisung an IBAN CH98 0900 0000 1532 8884 0 (Zürcher Kunst­                 Reaktionen der Hörenden auf eine Ausstellung nicht
gesellschaft) – selbstverständlich gegen eine abzugsfähige Spen­           einschränken, sondern diese erweitern. Ich lade die
denquittung – sind sehr willkommen!                                        Besucherinnen und Besucher dazu ein, tiefer und
                                                                           reicher über die Werke nachzudenken.»
       Warum engagieren Sie sich                                           Dulcie Smart, professionelle Synchronsprecherin
       für dieses besondere Projekt im Kunsthaus?
       «Als Schauspielerin geniesse ich den Kunsthausbesuch
       mit allen Sinnen. Der Audioguide ergänzt das visuelle
       Erlebnis mit einem Hörerlebnis. Dafür habe ich sehr
       gerne gespendet!»
       Alexandra Prusa, Schauspielerin, Zürich

       «Seit vielen Jahren besuchen wir regelmässig das
       Kunsthaus. Der Audioguide bietet uns erstklassige
       Hintergrundinformationen, bereichert den Museums­
       besuch und ist eine abwechslungsreiche Inspirations­
40                          GLOSSE

                                                                                                                                                                                           Preview
 Kader bedeutet                                                                                                                                                                            «Schall und Rauch.
 auf Arabisch                                                                                                                                                                              Die wilden Zwanziger»
 Schicksal                                                                                                                                                                                 1. / 2. Juli 2020

 Ein Künstler, der im Spannungsfeld zweier Kulturen auf­
 gewachsen ist und dem Betrachter das koloniale Schicksal
 deutlich macht. Seine Skulptur, aus Karteikästen gebaut,
 Hôtel de l’Indépendance. Kader Attia liess sich von einem
 verlassenen Hotel inspirieren, welches in Dakar steht und
 sich mit Algerien die postkoloniale Vergangenheit teilt. Das
 Aussehen und die Wirkung des Hotels finden sich identisch
 in den aufeinander gestapelten Karteikästen wieder. Die
 gleichförmige Trostlosigkeit erschliesst sich dem Betrachter
 sofort, deren Tragik allerdings erst durch den Hinweis, dass
 in solchen Karteikästen die Informationen über die Aufstän­
 dischen von der Kolonialpolizei gesammelt wurden.
     Eine Kartei ist eine Sammlung von Daten auf kleinen
 Karten. Brav geordnet und säuberlich durch Reiter getrennt.
 Für mich waren bis zu diesem Zeitpunkt Karteikästen po-
 sitiv konnotiert. In der Unibibliothek – der Zettelkatalog bei                                                                                                                            1   Kuratorin Cathérine Hug.

 der jugendlichen Suche nach den richtigen Büchern für das                                                                                                                                 2  Virtuelle Realität macht eine
 Referat. Ein Relikt der Vergangenheit, das eine neue Dimen­                                                                                                                               vergangene Ausstellung wieder erlebbar.

 sion bekommt, als ich auf diesen Karteikastenturm schaue.                                                                                                                                 3   Kleider, Möbel, Filme, Gemälde,
     Was haben es die heutigen Diktatoren-Mächtigen einfa­                                                                                                                                 Dias, Fotografie, Zeitschriften,
                                                                                                                                                                                           Audiobeiträge und Skizzen – die
 cher mit den Computern? Gesichtserkennung, Fingerprints.                                                                                                                                  Ausstellungsarchitektur ist massgefertigt
 Suchfunktionen. Karteikästen sind dagegen kleine Schub­                                                                                                                                   für die diversen Gattungen.

 laden, winzige Ordner, mühsam, sie funktionierten zur Un­
 terdrückung.
                                                                  Fotos © Caroline Minjolle; Werke Christian Schad: © Christian Schad Stiftung Aschaffenburg / 2020, ProLitteris, Zurich

     Und wir? Wie oft stecken wir Menschen in unserem
 sicheren Alltag in Schubladen? Mann, Frau, weiss, schwarz,
                                                                                                                                                                                                                                       4
 alt, jung, unzählige Kategorien werden ständig gebildet,
 die aus unserer Wahrnehmung resultieren, die wir subjektiv
 interpretieren.
     Aneignen, reparieren, Brüche bleiben bei Attia sichtbar.
 Rot, die Narbe, in manchen Kulturen ein Zeichen von
 Schönheit. Während in unserer glattgebügelten ersten Welt
 bereits Falten ein Makel sind. Dagegen die afrikanischen
 Teller, gesprungen, mit Rot gekittet, stolz recken sie ihre
 Gesichter. Menschen zum Nachdenken anregen können,
 das ist Schicksal. Danke Kader.

 Ihre Sabine Meisel
 www.sabinemeisel.com
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