Neugeborenenanfälle - UCL Discovery

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Neugeborenenanfälle - UCL Discovery
Leitthema

     Z Epileptol 2019 · 32:98–106                R. M. Pressler1,2
     https://doi.org/10.1007/s10309-018-0244-4    1
                                                    Department of Clinical Neurophysiology, Great Ormond Street Hospital for Children NHS Foundation
     Online publiziert: 29. Januar 2019             Trust, London, Großbritannien
     © Der/die Autor(en) 2019                     2
                                                    Neuroscience Unit, Institute of Child Health UCL, London, Großbritannien

                                                 Neugeborenenanfälle

     Anfälle sind der häufigste neurologische     farkt, angeborene Stoffwechselstörungen                  oder nur wenig von normalen Verhal-
     Notfall in der Neugeborenenperiode. Die     (. Tab. 2) und angeborene kortikale Fehl-               tensweisen oder nichtepileptischen,
     Inzidenz liegt in Ländern mit hohem         bildungen können auch nach unkompli-                    abnormen Bewegungen im Rahmen
     durchschnittlichem Einkommen bei 1          zierter Schwangerschaft und Geburt An-                  der akuten Krise [12, 13].
     bis 3 pro 1000 Lebendgeburten und ist       fälle auslösen. In weniger als 15 % der              2. Etwa 50–70 % aller Neugeborenanfäl-
     in Ländern mit mittlerem bis niedri-        Fälle stellen Neugeborenenanfälle den                   le sind subklinisch („electrographic-
     gem Einkommen deutlich höher [1, 2].        Beginn einer frühkindlichen und dann                    only“), v. a. bei Frühgeborenen und
     Die Inzidenz bei Frühgeborenen reicht       meist genetisch verursachten Epilepsie                  intensivpflichtigen Neugeborenen
     von 1–10 % [3]. Variationen der Inzi-       dar [8].                                                [2, 10, 13, 14]. Medikamente zur Se-
     denz können v. a. durch Unterschiede            Die hypoxisch-ischämische Enzepha-                  dierung oder Muskelrelaxation, aber
     in den diagnostischen Methoden erklärt      lopathie (HIE) ist die häufigste Ursache                 auch Schmerzmittel tragen hierzu
     werden (klinisch, Elektroenzephalo-         für Anfälle bei reifen Neugeborenen.                    bei.
     gramm [EEG], amplitudenintegriertes         Epileptische Anfälle treten typischer-               3. Eine Therapie mit Phenobarbital oder
     EEG [aEEG]). Insbesondere für Studien,      weise 6–24 h nach dem hypoxischen                       Phenytoin kann zum sog. „uncoup-
     die ausschließlich auf einer klinischen     Insult auf [9]. Noch früher auftretende                 ling“ (elektroklinische Dissoziation)
     Einschätzung beruhen, besteht das Risiko    Attacken sind eher auf eine Irritabilität               führen, sodass vormals klinisch sicht-
     einer Fehleinschätzung von Anfallsereig-    oder abnorme Tonisierung zurückzu-                      bare Anfälle unter der Behandlung
     nissen sowohl im Sinne falsch positiver     führen. Die meisten Anfälle sind rein                   subklinisch werden [10, 15].
     als auch falsch negativer Diagnosen.        elektrographisch, allerdings kann die
     Darüber hinaus ist bei Frühgeborenen        Anfallslast sehr hoch sein, und nicht                Dementsprechend ist eine eindeutige
     das häufig im Rahmen von Studien ein-        selten besteht ein subklinischer Status              Diagnose von Neugeborenenanfällen
     gesetzte aEEG unzuverlässig [4, 5]. Die     epilepticus [10]. In den meisten Fällen              nur mithilfe des EEG oder aEEG mög-
     Mehrheit der neonatalen Anfälle tritt am    hören die Anfälle innerhalb von 3 bis                lich, sodass die Definition von Neu-
     ersten Lebenstag auf, und in 90 % aller     4 Tagen auf, sodass eine längerfristige              geborenenanfällen sinnvollerweise auch
     Fälle erfolgt die Diagnose innerhalb der    Behandlung dann nicht indiziert ist [10].            rein elektroenzephalographische Anfälle
     ersten Woche nach der Geburt.               Das EEG ist bei HIE nicht nur zur An-                als Möglichkeit einschließen sollte. Die
                                                 fallsdiagnose wichtig, sondern auch ein              Brighton Group schlug folgende Defi-
     Ätiologie                                   relativ zuverlässiger prognostischer Indi-           nition vor [2]: Ein Neugeborenenanfall
                                                 kator für spätere neurologische Defizite              ist definiert als eine transiente elek-
     Im Gegensatz zu Anfällen im Kindes-         [11].                                                troenzephalographische Veränderung
     und Erwachsenenalter handelt es sich                                                             im Gehirn, die durch eine abnorme,
     bei Neugeborenen in den allermeisten        Klassifikation und Diagnose                           exzessive oder synchrone neuronale Ak-
     Fällen um akut symptomatische Anfäl-                                                             tivität verursacht wird, und entweder
     le bei Hirninsult. Obwohl viele Ursa-       Im Gegensatz zu Anfällen bei älteren                 mit (elektroklinisch) oder ohne klini-
     chen zu Anfällen bei Neugeborenen füh-      Kindern ist die klinische Diagnose bei               sche Manifestation („electrographic-on-
     ren können, sind nur wenige Ätiologien      Neugeborenen schwierig. Malone et al.                ly“, rein elektrographisch) einhergehen
     für den Großteil der Fälle verantwortlich   zeigten, dass selbst erfahrene Spezialisten          kann und in den ersten 28 postnatalen
     (. Tab. 1). BeiReifgeborenenistdie hypo-    nicht in der Lage sind, epileptische Anfäl-          Tagen (oder Alter bis zu 44 Wochen
     xisch-ischämische Enzephalopathie, die      le von nichtepileptischen Bewegungen zu              nach letzter Menstruation) auftritt.
     typischerweise 6–24 h nach dem hypo-        unterscheiden [12]. Die einzige Ausnah-                  Studien haben gezeigt, dass neonata-
     xischen Insult auftritt, am häufigsten [1,   me stellen klonische Anfälle dar. Dafür              le Anfälle in der Regel fokal und mit
     6]. Bei Frühgeborenen stellen Blutungen     gibt es mehrere Gründe:                              einer Dauer von unter 90 s in 60 % der
     und Infektionen die häufigsten Ursachen      1. Viele Anfallstypen im Neugebo-                    Fälle relativ kurz sind [16]. Dennoch ist
     dar [1, 7]. Infektionen, fokaler Hirnin-        renenalter unterscheiden sich nicht              die Anfallslast meist hoch. Der Anfalls-

98    Zeitschrift für Epileptologie 2 · 2019
Neugeborenenanfälle - UCL Discovery
Tab. 1    Ätiologien von Neugeborenenan-     Tab. 2 Wichtige metabolische Ursachen neonataler Anfälle
fällen                                       Angeborene Stoffwech-      Präsentation beim Neugeborenen                             Therapie
 Ätiologie                       Häufigkeit   selerkrankungen
                                 (%)          Pyridoxin-abhängige Enze-    Myoklonien und/oder Spasmen, fokale Anfälle,           Pyridoxin
 Hypoxisch-ischämische Enze-     38–50        phalopathie                  klinische Enzephalopathie mit Irritabilität und
 phalopathie                                                               Temperaturinstabilität. Burst-Suppression-Muster
                                                                           im EEG
 Intrakraniale Blutung           10–15
                                              Pyridoxal-5-Phosphat-ab-     Häufig Frühgeburt, APGAR niedrig, Enzephalopa-          Pyridoxal-5-
 Frühkindlicher Schlaganfall     6–18         hängige Enzephalopathie      thie mit Myoklonien und fokalen Anfälle                Phosphat
 Kortikale Malformationen        3–10         Folat-responsive Anfälle     Therapieresistente Anfälle, klinisch Enzephalopa-      Folsäure
 Meningitis/Sepsis               4–20                                      thie
 Metabolische Ursachen           7–18         Serinmangel                  Kongenitale Mikrozephalie, Myoklonien, Spasmen,        Serin, Glycin
 – Akute metabolische Entglei-   5–15                                      fokale Anfälle
   sungen                                     Glukosetransporter-1-        Myoklonien, fokale Anfälle, manchmal Besserung         Ketogene
 – Angeborene metabolische       2–4          Defekt                       nach Mahlzeiten, Barbiturate können Anfälle indu-      Diät
   Erkrankungen                                                            zieren
 Mütterlicher Drogenentzug       4            Biotinidasemangel            Hypotonie, Lethargie, Haut- und Haarveränderun-        Biotin
                                                                           gen, Myoklonien, andere Anfallstypen
 Genetische Ursachen             5–10
                                              Kreatinmangel (v. a. GAMT)   Myoklonien, Hypotonie                                  Kreatinin
 Unbekannt                       10–15
                                              Ahornsiruperkrankung         Trinkschwäche, Lethargie, abnorme Bewegungen,          Diät
                                                                           Myoklonien, Comb-like-Muster im EEG
                                              EEG Elektroenzephalogramm, GAMT Guanidinoacetat-Methyltransferase

ursprung ist bei Reifgeborenen meistens      Untersuchungen auf mögliche Ursachen,              aldiagnostischen Überlegungen erwogen
temporal oder zentral lokalisiert, wäh-      die eine sofortige spezifische Therapie er-         werden [5].
rend er bei Frühgeborenen eher posterior     fordern, konzentrieren (. Abb. 1). Nach
zu finden ist [7]. Neugeborene können
gleichzeitig unabhängige fokale elektro-
                                             initialer Stabilisierung des Neugebore-
                                             nen und Ausschluss einer Hypoglykämie              »MRTInindiziert
                                                                                                       den meisten Fällen ist eine
graphische Anfälle zeigen. Der neonatale     oder Elektrolytentgleisung sollte relativ
Status wird derzeit so definiert, dass sich   schnell nach metabolischen oder infek-
in 50 % oder mehr der Zeit im EEG eine       tiösen Ursachen gesucht werden. Auch               Wie bereits ausgeführt, muss die Dia-
Anfallsaktivität zeigt [11].                 bei scheinbar bekannter Ätiologie muss             gnose von Neugeborenenanfällen mittels
                                             daran gedacht werden, dass andere aku-             EEG bestätigt werden ([2]; . Abb. 2). Die

»vonEine eindeutige Diagnose
     Neugeborenenanfällen ist
                                             te Ursachen wie HIE oder Infektionen
                                             des zentralen Nervensystems (ZNS) ko-
                                                                                                polygraphische Ableitung sollte mindes-
                                                                                                tens 10 EEG-Kanäle, EKG (Elektrokar-
                                             existieren können. In der Studie von               diogramm), Ableitung von Atmung und
nur mithilfe des EEG oder aEEG               Shellhaas et al. [18] fanden sich Komor-           Oberflächen-Elektromyographie (EMG)
möglich                                      biditäten bei 10 % aller Neugeborenen              von beiden Deltoidmuskeln und das
                                             mit epileptischer Enzephalopathie und              synchrone Video als Goldstandard ein-
                                             bei 30 % derer mit kortikalen Malforma-            schließen [20, 21]. Nach Definition durch
Wegen den oben beschriebenen Beson-          tionen.                                            die American Clinical Neurophysiology
derheiten, hat die International League         Eine kraniale Ultraschalluntersu-               Society sind elektrographische Anfäl-
Against Epilepsy (ILAE) die Neugebore-       chung ist schnell verfügbar und nicht              le gekennzeichnet durch ein plötzlich
nenanfälle bislang nicht in die Klassifika-   invasiv. Trotz der relativ schlechten              abnormes EEG mit repetitiven Mus-
tion von Anfällen einbezogen [17]. Erst      Sensitivität ist sie daher die Bildge-             tern, die eine Evolution zeigen und eine
kürzlich wurde von einer ILAE-Task-          bung der ersten Wahl. Allerdings ist               Amplitude von mindestens 2 μV und
Force eine Klassifikation speziell für Neu-   in den meisten Fällen eine Magnetre-               eine Dauer von mindestens 10 s haben
geborene entwickelt und vorgeschlagen,       sonanztomographie (MRT) indiziert,                 [21]. Rhythmische Entladungen mit ei-
die diese Besonderheiten berücksichtigt      um andere klinisch wichtige Patholo-               ner Dauer unter 10 s werden als „brief
[14].                                        gien wie z. B. Hirninfarkt, subdurale              interictal rhythmic discharges“ (BIRDs)
                                             und subarachnoidale Blutung oder ze-               bezeichnet, sind aber mit klaren Anfäl-
Untersuchungen                               rebrale Fehlbildungen zu erkennen [19].            len im selben oder einem nachfolgenden
                                             Zusatzuntersuchungen mit diffusions-                EEG assoziiert [22].
Da die meisten Neugeborenenanfälle           gewichteten Aufnahmen und/oder MR-                    Das EEG ist außerdem eine hilfrei-
akut symptomatisch und damit teilweise       Angiographie sollten je nach differenzi-            che Methode zur Abschätzung der Pro-
behandelbar sind, sollten sich die ersten                                                       gnose. Eine abnorme Hintergrundakti-

                                                                                                          Zeitschrift für Epileptologie 2 · 2019   99
Zusammenfassung · Abstract

        Z Epileptol 2019 · 32:98–106     https://doi.org/10.1007/s10309-018-0244-4
        © Der/die Autor(en) 2019

        R. M. Pressler
        Neugeborenenanfälle
        Zusammenfassung
        Epileptische Anfälle kommen mit einer Inzi-           sollten die initialen diagnostischen Schritte      Phenytoin, Midazolam und Lidocain ein.
        denz von 1 bis 3 pro 1000 Lebendgeborenen             auf die häufigen Ursachen, die eine sofortige       Allerdings begünstigen Phenobarbital und
        und 1–13 % derer mit sehr niedrigem Geburts-          Behandlung erfordern, konzentriert sein            Phenytoin die elektroklinische Dissoziation.
        gewicht in dieser Lebensphase wesentlich              (Blutzucker, Elektrolyte, Blutgasanalyse, Infek-   Bei fehlendem Ansprechen auf die Therapie
        häufiger vor als zu irgendeinem anderen                tionsabklärung, zerebraler Ultraschall und EEG     oder suspekter abnormer EEG-Hintergrundak-
        Zeitpunkt im Leben. Die meisten neonatalen            [Elektroenzephalogramm]). Neonatale Anfälle        tivität ist ein früher Behandlungsversuch mit
        Anfälle sind akut symptomatisch. Bei Reif-            lassen sich klinisch nicht sicher diagnostizie-    Vitamin B6, Pyridoxalphosphat und Folinsäure
        geborenen stellt die hypoxisch-ischämische            ren, und etwa 50–70 % der Anfälle stellen          indiziert. Die Prognose neonataler Anfälle
        Enzephalopathie, die typischerweise in                sich ausschließlich elektrographisch dar. Das      wird v. a. durch die Ätiologie bestimmt. Dabei
        den ersten 24 Lebensstunden beginnt, die              bedeutet, dass in dieser Situation ein EEG         gibt es eine zunehmende Evidenz, dass sich
        häufigste Ursache dar. Andere Ätiologien               zur Bestätigung der Diagnose bei suspekten         elektroklinische und rein elektrographische
        sind Schlaganfall, Blutungen, Infektionen und         klinischen Zeichen und zur Feststellung            Anfälle gleichermaßen negativ auf das
        metabolische Erkrankungen. Die Epilepsie-             elektrographischer Anfälle absolut notwendig       neurologische Outcome und die Entwicklung
        syndrome mit Beginn im Neugeborenenalter              ist, zudem korreliert es mit der Prognose.         auswirken.
        schließen die selbstlimitierenden familiären          Phenobarbital ist bei Neugeborenenanfällen
        und sporadischen Neugeborenenanfälle, die             weiterhin das Medikament der Wahl und kann         Schlüsselwörter
        frühe myoklonische Enzephalopathie und die            die klinischen Anfälle bei etwa 40–60 % der        Epilepsie · Akute symptomatische Anfälle ·
        frühinfantile epileptische Enzephalopathie            Kinder kontrollieren. Empfehlungen bezüglich       Elektroenzephalogramm · Amplituden-
        mit Suppression-Burst (Ohtahara-Syndrom)              der Antiepileptika der zweiten Wahl variieren      integriertes Elektroenzephalogramm ·
        ein. Wegen der breiten Differenzialdiagnose            erheblich und schließen Levetiracetam,             Antiepileptika

        Neonatal seizures
        Abstract
        Seizures are more common in the neonatal              the common etiologies, which require prompt        however, both phenobarbital and phenytoin
        period than during any other time of life with        specific treatment and include blood glucose,       can increase electroclinical dissociation. If
        an incidence of 1–3 per 1000 live births in term      electrolytes, blood gas analysis, infection        seizures are refractory to treatment and/or
        infants and in 1–13% of very low birth weight         screening, cerebral ultrasound scanning and        the EEG shows suggestive background
        infants. The majority of neonatal seizures are        electroencephalography (EEG). The clinical         abnormalities, an early attempt at treatment
        acute symptomatic seizures. In term infants           diagnosis of neonatal seizures is unreliable       with pyridoxine, pyridoxal-5-phosphate
        hypoxic ischemic encephalopathy is the most           and around 50–70% of the seizures are only         and folic acid is indicated. The prognosis of
        common underlying factor, typically with on-          electrographically presented. Therefore, in        neonatal seizures is mainly determined by
        set in the first 24 h of life. Other causes include    this situation EEG is absolutely necessary to      the etiology. There is increasing evidence that
        stroke, hemorrhages, infections and errors of         confirm the diagnosis of suspicious clinical        both electroclinical and purely electrographic
        metabolism. Epilepsy syndromes with onset             symptoms and to determine electrographic           seizures have equivalent adverse effects on
        in the neonatal period include self-limiting          seizures and this also correlates with the         neurodevelopmental outcome.
        familial and non-familial neonatal seizures,          prognosis. Phenobarbital remains the drug of
        early myoclonic encephalopathy and early              choice in the treatment of neonates achieving      Keywords
        infantile epileptic encephalopathy with burst         clinical control in 40–60% of cases. The choice    Epilepsy · Acute symptomatic seizures ·
        suppression pattern (Ohtahara syndrome).              of second line antiepileptic drugs (AED) varies    Electroencephalogram · Amplitude-integrated
        Due to the broad differential diagnosis the            considerably and include levetiracetam,            electroencephalography · Antiepileptic drugs
        initial investigations should concentrate on          phenytoin with midazolam and lignocaine;

      vität ist mit einem erhöhten Risiko für                Darüber hinaus können Bewegungsarte-                Epileptische Syndrome mit
      epileptische Anfälle und einem schlech-                fakte wie Anfälle imponieren. Das aEEG              Beginn in der Neugeborenenzeit
      ten neurologischen Outcome assoziiert.                 sollte also möglichst mit den Befunden
      Sollte kein EEG zur Verfügung stehen,                  eines konventionellen EEGs abgeglichen              Nur relative wenige Anfälle in der Neu-
      so kann ein Monitoring mit dem aEEG                    werden, bevor es dann als Monitoring-               geborenenperiode sind der Beginn eines
      erwogen werden [2, 4]. Dieses erkennt                  methode interpretiert wird.                         chronischen Epilepsiesyndroms, meis-
      aber Anfälle mit kurzer Dauer (
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K
Leitthema

                                                                                                                       EEG-Monitoring
                                                                          Nieren- und Leberfunkon                     MRT
                                                                          Großes Blutbild                              Behandlung mit Pyridoxin i.v., Pyridoxal-
                                           Glukose
           Neugeborenes                                      Innerhalb    CRP und Kulturen, evtl. LP   Innerhalb       5-Phosphat, Folinsäure und Bion
                              sofort       Elektrolyte      von Stunden                                von Tagen
            mit Anfällen                                                  Ultraschall                                  Metabolisches Screeninga einschl. LP
                                           Blutgasanalyse
                                                                          EEG / aEEG                                   Serologie auf intrauterine Infekonen
                                                                          Muer: Substanzen?                           Next Generaon Sequencing (z.B. Panel)
                                                                                                                       Ophthalmologische Untersuchung

      Abb. 1 8 Diagnostik bei Neugeborenenanfällen. ainsbesondere im Serum: Aminosäuren, Ammoniak, Laktat, Pyruvat, über-
      langkettige Fettsäuren, Biotinidase, Pipecolinsäure; im Urin: organische Säuren, Ketone, und im Liquor: Laktat, Aminosäuren,
      Pyridoxal-p-Phosphat. CRP C-reaktives Protein, LP Lumbalpunktion, EEG Elektroenzephalogramm, aEEG amplitudenintegrier-
      tes Elektroenzephalogramm, MRT Magnetresonanztomographie

      Abb. 2 8 Reifgeborenes mit elektrographischen Anfällen bei hypoxisch-ischämischer Enzephalopathie und persistierender
      pulmonaler Hypertension. Im Elektroenzephalogramm (EEG) zeigt sich ein Anfallsmuster links zentral (C3) ohne klinisches
      Korrelat

      s. auch https://www.ilae.org/education/               die positive Familienanamnese. Die Ver-                nat. In diesem Fall spricht man von selbst-
      diagnostic-manual).                                   erbung erfolgt bei der familiären Variante             limitierenden familiären neonatal-infan-
                                                            meist autosomal-dominant mit inkom-                    tilen Anfällen. Die Anfälle sind haupt-
      Selbstlimitierende (vormals                           pletter Penetranz. Am häufigsten finden                  sächlich fokal klonisch oder fokal to-
      „benigne“ genannte) familiäre und                     sich Mutationen in KCNQ2 (20q13.3),                    nisch und gehen häufig mit Automatis-
      nichtfamiliäre neonatale Anfälle                      KCNQ3 (8q24) und SCN2A [23, 25].                       men und/oder autonomen Symptomen
                                                                Bei den ansonsten gesund imponie-                  wie Apnoen einher (sequential). Die An-
      Obwohl diese Syndrome ursprünglich als                renden Neugeborenen zeigt sich ein An-                 fälle dauern relativ lang, und die klini-
      separate Entitäten beschrieben wurden,                fallsbeginn meist zwischen dem 2. und                  sche Manifestation kann innerhalb des
      hat sich gezeigt, dass sich familiäre und             7. Lebenstag, bei der familiären Variante              Anfalls sequenziell wechseln. Die interik-
      sporadische Fälle in gleicher Weise prä-              typischerweise am 2. bis 3. Lebenstag. Sel-            tale EEG-Hintergrundaktivität ist meist
      sentieren und auch der klinische Verlauf              ten liegt der Epilepsiebeginn jenseits der             normal; allerdings gibt es selten enzepha-
      sehr ähnlich ist. Einziger Unterschied ist            Neugeborenenperiode im 2. Lebensmo-                    lopathische Verläufe. Iktal zeigen sich bei

102    Zeitschrift für Epileptologie 2 · 2019
ca. 50 % der Betroffenen intermittieren-
                        de scharfe Thetawellen über temporalen
                        Regionen, die typischerweise die Seiten
                        wechseln („théta pointu alternant“). Die
                        Bildgebung ist normal.
                           Die Anfälle klingen meist innerhalb
                        weniger Wochen bis Monate ab. Die wei-
                        tere Entwicklung und der neurologische
                        Befund sind meist unauffällig. Eine Aus-
                        nahme stellen die seltenen enzephalopa-
                        thischen Verläufe mit schlechter Prog-
                        nose dar. Eine spätere Epilepsie tritt bei
                        etwa 10–30 % der betroffenen Kinder auf.

                        Frühe myoklonische Enzephalo-
                        pathie
                        Die frühe myoklonische Enzephalopa-
                        thie ist ein Syndrom, das oft im Rahmen
                        angeborener Stoffwechselstörungen [24]
                        auftritt. Dazu gehören: nonketonische
                        Hyperglycinämie, Amino- und organi-
                        sche Azidopathien, Harnstoffzykluser-
                        krankungen, kongenitale Erkrankungen
                        der Glykosylierung, Mitochondriopa-
                        thien, Vitamin-B6-abhängige Epilepsien
                        (mit Pyridoxinabhängigkeit oder auch
                        Pyridoxal-5-Phosphat-Abhängigkeit,
                        selten auch Arnitin-Palmitoyl-Transfera-
                        se-Mangel), Molybdänkofaktormangel,
Abb. 3 9 Reifgebo-      Sulfitoxidasemangel, Menkes-Syndrom
renes im Alter von
                        und Zellweger-Syndrom. Der Epilep-
24 Tagen. Unauf-
fällige Schwanger-      siebeginn liegt fast immer im ersten
schaft und Geburt.      Lebensmonat. Typischerweise treten ein
Anfallsbeginn vor       fragmentierter Myoklonus oder mas-
8 Tagen. a Interik-     sive Myoklonien auf, manchmal auch
tales EEG (Elektro-
                        fokale motorische Anfälle. Die EEG-
enzephalogramm)
zeigt Burst-Suppres-    Hintergrundaktivität ist immer abnorm
sion-Muster. b Foka-    mit einem Burst-Suppression-Muster,
ler tonischer Anfall    das sich sowohl im Wachen als auch
des linken Beins, ge-   im Schlaf darstellt. Das EEG entwickelt
folgt von Kloni des
                        sich später in Richtung einer atypischen
linken Armes und
der linken Gesichts-    Hypsarrhythmie. Die Anfälle sind na-
hälfte (Muskelar-       hezu immer medikamentenresistent.
tefakt des linken       Die Säuglinge sind neurologisch schwer
EMG(Elektromyo-         krank, und die Mortalitätsrate ist hoch.
graphie)-Kanals
[L DEL linker Delto-
id]). Genetisches Pa-   Frühkindliche epileptische
nel auf „early infan-   Enzephalopathie mit Burst-
tile epileptic ence-    Suppression-Muster (Ohtahara-
phalopathies“ (EI-
EE): De-novo-splice-
                        Syndrom)
site-Mutation in
STXBP1                  Die betroffenen Säuglinge erkranken in
                        den ersten 3 Lebensmonaten und zei-
                        gen v. a. tonische Anfälle (und später
                        tonische Spasmen), die häufig in Clus-

                                Zeitschrift für Epileptologie 2 · 2019   103
Leitthema

      Tab. 3 Antiepileptische Medikamente in der neonatalen Periode [26, 27]
      Medikament     Effektivität                                   Empfehlung                     Dosis (lokale Empfehlun-        Nebenwirkungen
                                                                                                  gen beachten!)
       Phenobarbital     Zwei RCT deuten Wirksamkeit bei ca. 50 % an      Erste Wahl in fast      ① 20–40 mg/kg i.v. über         Atemsuppression,
                                                                          allen Ländern, EMA      20 min                          Sedierung, möglicherweise
                                                                          – „standard of care“    ② 3–5 mg/kg/Tag i.v. oder       Entwicklungsstörung
                                                                                                  oral
       Levetiracetam     Keine RCT. Retrospektive und unkontrollierte     2. Wahl, „off label“     ① 10–50 mg/kg                   Sedierung, Irritabilität
                         prospektive Studien zeigen gute Wirksamkeit                              ② 40–50 mg/kg/Tag
       Phenytoin         Ein RCT deutet Wirksamkeit bei ca. 50 % an       2. Wahl, „off label“     ① 15–20 mg/kg                   Kardiotoxisch, lokale
                         [28]                                                                     ② 3–5 mg/kg                     Irritation
       Midazolam         Keine RCT                                        2. Wahl, „off label“     ① 0,05–0,1 mg/kg i.v. über      Hypotonie,
                                                                                                  10 min                          Atemsuppression,
                                                                                                  ② 0,1–0,5 mg/kg/h               Sedierung

       Clonazepam        Keine RCT                                        Bedingt 2. Wahl, „off    0,1 mg/kg                       Hypotonie, Atemsuppressi-
                                                                          label“                                                  on, Sedierung, Irritabilität
       Lidocain          Keine RCT. Retrospektive und unkontrollierte     Wird als 2. oder        ① 2 mg/kg i.v. über 10 min      Hypotonie, kardiotoxisch,
                         prospektive Studien zeigen gute Wirksamkeit      3. Wahl eingesetzt,     ② 5–7 mg/kg/h für 4 h, re-      insbesondere
                         als Medikation der 2. oder 3. Wahl [29–31]       „off label“              duzieren über 24 h, dann        Herzrhythmusstörungen
                                                                                                  beenden
                                                                                                  Adaptiere Dosis bei Hypo-
                                                                                                  thermie
       Carbamazepin      Keine RCT, wenige retrospektive Fallbeschrei-    Nur bei vermuteter      –                               –
                         bungen zeigen Erfolge bei KCNQ2 [32, 33]         oder nachgewiese-
                                                                          ner Channelopathie
       Topiramat         Keine RCT. Prospektive Studien zeigen keine      Nicht empfohlen         –                               NEC, Anorexie, Lebertoxizi-
                         Wirksamkeit                                                                                              tät
       Bumetanid         Keine RCT. 1 prospektive Studie bei Neugebo-     Nicht empfohlen         –                               Dehydration, Hypotonie,
                         renen ohne eindeutige Wirksamkeit [34]                                                                   Hörstörungen
       RCT randomisierte kontrollierte Studien, EMA European Medical Agency, NEC Nekrotisierende Enterokolitis, ① initiale Dosis, ② Dauermedikation

      tern auftreten [23, 25]. Fokale motorische           lopathie. Meist zeigt sich eine Evolution            thie). Wichtig ist die frühe Diagnose der
      Anfälle sind möglich. Das EEG zeichnet               in ein West-Syndrom.                                 wenigen spezifisch behandelbaren Er-
      sich durch ein Burst-Suppression-Mus-                                                                     krankungen (. Tab. 2). Neugeborene mit
      ter aus, das sowohl im Schlaf als auch
      im Wachzustand auftritt (. Abb. 3a) und              »meistDasstrukturell
                                                                      Ohtahara-Syndrom ist
                                                                                oder genetisch
                                                                                                                persistierenden Anfällen oder suggesti-
                                                                                                                ver abnormer EEG-Hintergrundaktivität
      asymmetrisch oder sogar einseitig beste-                                                                  sollten auf alle Fälle einem therapeuti-
      hen kann. Während der Anfälle zeigt sich             bedingt                                              schen Test mit Pyridoxin, Pyridoxal-
      eine Desynchronisation mit oder ohne                                                                      5-Phosphat und Folinsäure unterzogen
      niedrig amplitudigen schnellen Wellen                Sowohl die frühe myoklonische En-                    werden. Die in . Tab. 2 aufgeführten
      (. Abb. 3b). Das Ohtahara-Syndrom ist                zephalopathie als auch das Ohtahara-                 Erkrankungen sollten ausgeschlossen
      meist strukturell bedingt und tritt häu-             Syndrom weisen ähnliche klinische und                werden.
      fig im Rahmen zerebraler Fehlbildun-                  elektrographische Merkmale auf, und die
      gen, wie z. B. dem Aicardi-Syndrom, oder             Ätiologien überlappen. Daher werden                  Behandlung von
      bei Porenzephalie auf. Genetische Ursa-              beide Syndrome oft als Teil eines Spek-              Neugeborenenanfällen
      chen werden immer häufiger als Ursa-                  trums angesehen („early onset epilepsy
      che erkannt und schließen Mutationen                 with burst suppression“).                            Phenobarbital ist weltweit das Medika-
      in STXBP1, KCNQ2, SCN2A und vie-                                                                          ment der 1. Wahl zur Behandlung von
      len anderen Genen ein. Die Anfälle sind              Angeborene Stoffwechsel-                              Neugeborenen [26] und das, obwohl es
      in der Regel therapierefraktär, wobei bei            störungen mit Anfällen in der                        nur bei 40–60 % zur Anfallsfreiheit führt
      Säuglingen jenseits der Neugeborenen-                Neugeborenenperiode                                  ([27, 35]; siehe . Tab. 3). Es gibt Hinweise
      periode eine Behandlung mit adrenokor-                                                                    darauf, dass Phenobarbital eine elektro-
      tikotropem Hormon (ACTH) eine vor-                   Eine ganze Reihe von Stoffwechselstö-                 klinische Dissoziation begünstigt, da die
      übergehende Wirkung haben kann. Die                  rungen [24] kann mit einem Anfalls-                  Anzahl der klinischen Anfälle ab- und
      Prognose ist ernst, aber etwas besser als            beginn im 1. Lebensmonat einhergehen                 die der elektrographischen Anfälle zu-
      bei der frühen myoklonischen Enzepha-                (s. frühe myoklonische Enzephalopa-                  nimmt. Bei einigen Kindern wird also

104    Zeitschrift für Epileptologie 2 · 2019
die klinische Manifestation der Anfälle        umfassend und übersichtlich von Pin-                 Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative
                                                                                                    Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz
unterdrückt.                                   chefsky und Hahn erörtert [37].                      (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.
    Die Empfehlungen für Medikamente                                                                de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfäl-
der 2. Wahl variieren je nach Land und                                                              tigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe
                                               Fazit für die Praxis                                 in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern
Kontinent (siehe . Tab. 3) und schließen                                                            Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle
Levetiracetam, Phenytoin, Clonazepam,          4 Die meisten neonatalen Anfälle sind                ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Com-
Midazolam und Lidocain ein [26, 27, 35].           akut symptomatisch.                              mons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen
                                                                                                    vorgenommen wurden.
In den USA ist (Fos)Phenytoin verbrei-         4 Bei Reifgeborenen stellt die hypo-
tet, wohingegen im Vereinigten König-              xisch-ischämische Enzephalopathie
reich Midazolam bevorzugt wird. Mida-              die häufigste Ursache dar.                        Literatur
zolam hat eine kürzere Halbwertszeit als       4   Wegen der breiten Differenzialdia-
Clonazepam, was mit einer geringeren               gnose sollten die initialen diagnos-              1. Ronen GM, Penney S, Andrews W (1999) The
                                                                                                        epidemiology of clinical neonatal seizures in Ne-
Ausprägung der oropharyngealen Sekre-              tischen Schritte auf die häufigen                     wfoundland: a population-based study. J Pediatr
tion einhergeht. In den skandinavischen            Ursachen, die eine sofortige Be-                     134:71–75
Ländern wird häufig Lidocain als Mittel             handlung erfordern, konzentriert                  2. Pellegrin S, Munoz FM, Padula M et al (2019)
                                                                                                        Neonatal seizures: case defini on & guidelines
der 2. oder 3. Wahl verwendet [31]. Li-            sein.                                                for data collec on, analysis, and presenta on of
docain hat einen engen therapeutischen         4   Ein EEG zur Bestätigung der Diagnose                 immuniza on safety data. Vaccine (in press)
Bereich und kann in hohen Dosen Anfäl-             ist bei suspekten klinischen Zeichen              3. Lloyd RO, O’Toole JM, Pavlidis E et al (2017)
                                                                                                        Electrographic seizures during the early postnatal
le aggravieren. Lidocain und Phenytoin             und zur Feststellung elektrographi-                  period in preterm infants. J Pediatr 187:18–25.e2
gehen mit dem Risiko kardiotoxischer               scher Anfälle notwendig.                          4. ShellhaasRA, SoaitaAI, ClancyRR(2007)Sensitivity
Nebenwirkungen einher und sollten bei          4   Phenobarbital ist bei Neugebore-                     of amplitude-integrated electroencephalography
                                                                                                        for neonatal seizure detection. Pediatr Electron
Säuglingen, die eine inotrope Unterstüt-           nenanfällen das Medikament der                       Pages 120:770–777
zung benötigen, vermieden werden. In               Wahl.                                             5. Weeke LC, van Ooijen IM, Groenendaal F et al
den letzten 5 Jahren wurde eine Rei-           4   Empfehlungen bezüglich der An-                       (2017) Rhythmic EEG patterns in extremely
                                                                                                        preterm infants: classification and association
he retrospektiver Studien veröffentlicht,           tiepileptika der 2. Wahl schließen                   with brain injury and outcome. Clin Neurophysiol
die Levetiracetam als vielversprechende            Levetiracetam, Phenytoin, Midazo-                    128:2428–2435
Alternative zu Phenobarbital nahelegen             lam und Lidocain ein.                             6. Glass HC, Shellhaas RA, Wusthoff CJ et al (2016)
                                                                                                        Contemporary profile of seizures in neonates: a
[36]. Allerdings gibt es bislang keine pro-    4   Bei fehlendem Ansprechen auf die                     prospective cohort study. J Pediatr 174:98–103 e1
spektiven kontrollierten Studien, die ei-          Therapie oder suspekter abnormer                  7. Janackova S, Boyd S, Yozawitz E et al (2016) Elec-
ne bessere Wirksamkeit beweisen, und               EEG-Hintergrundaktivität ist ein                     troencephalographic characteristics of epileptic
                                                                                                        seizures in preterm neonates. Clin Neurophysiol
daher kann es zurzeit nur zur Verwen-              früher Behandlungsversuch mit                        127:2721–2727
dung als Mittel der 2. Wahl empfoh-                Vitamin B6, Pyridoxalphosphat und                 8. Shellhaas RA, Wusthoff CJ, Tsuchida TN et al (2017)
len werden. Carbamazepin ist spezifisch             Folinsäure indiziert.                                Profile on neonatal epilepsies: characteristics of
                                                                                                        a prospective US cohort. Baillieres Clin Neurol
bei der KCNQ2-assoziieren Enzephalo-           4   Prognostisch gibt es eine zunehmen-                  89(9):893–899
pathie wirksam, obwohl auch hierfür kei-           de Evidenz, dass sich elektroklinische            9. Lynch NE, Stevenson NJ, Livingstone V et al
ne prospektiven Studien vorliegen.                 und rein elektrographische Anfäl-                    (2012) The temporal evolution of electrographic
                                                                                                        seizure burden in neonatal hypoxic ischemic
                                                   le negativ auf das neurologische                     encephalopathy. Epilepsia 53:549–557
Prognose von                                       Outcome und die Entwicklung aus-                 10. Boylan GB, Kharoshankaya L, Wusthoff CJ (2015)
                                                   wirken.                                              Seizures and hypothermia: importance of elec-
Neugeborenenanfällen                                                                                    troencephalographic monitoring and considera-
                                                                                                        tions for treatment. Semin Fetal Neonatal Med
Die Prognose hängt in erster Linie von                                                                  20:103–108
                                               Korrespondenzadresse                                 11. Tsuchida TN (2013) EEG background patterns
der Ätiologie ab [37, 38]. Allerdings gibt
                                                                                                        and prognostication of neonatal encephalopathy
es Hinweise dafür, dass Anfälle unabhän-       Dr. R. M. Pressler, MD, PhD, MRCPCH                      in the era of hypothermia. J Clin Neurophysiol
gig von ihrer Ursache mit einer schlech-       Department of Clinical Neurophysiology, Great            30(2):122–125
                                               Ormond Street Hospital for Children NHS              12. Malone A, Ryan CA, Fitzgerald A et al (2009)
teren Prognose assoziiert sind. Hierbei        Foundation Trust                                         Interobserver agreement in neonatal seizure
ist v. a. die Anfallslast („seizure burden“)   WC1N 3JH London, Großbritannien                          identification. Epilepsia 50:2097–2101
von Bedeutung. Bei einer Anfallsaktivität      ronit.pressler@gosh.nhs.uk                           13. Mizrahi EM, Kellaway P (1987) Characterization
von mehr als 12 min pro Stunde ist von ei-                                                              and classification of neonatal seizures. Baillieres
                                                                                                        Clin Neurol 37:1837–1844
ner schlechten Prognose auszugehen [39,                                                             14. Pressler RM, Cilio MR, Mizrahi EM et al (2018)
40]. Der neonatale Status epilepticus ist      Einhaltung ethischer Richtlinien                         The ILAE classification of seizures & the epilep-
ebenfalls unabhängig von der Ätiologie                                                                  sies: modification for seizures in the neonate.
                                                                                                        Proposal from the ILAE Task Force on Neonatal
prognostisch ungünstig. Rein elektrogra-       Interessenkonflikt. R.M. Pressler hat Beratungsho-        Seizures. ILAE. https://www.ilae.org/guidelines/
phische Anfälle haben einen ähnlichen          norare von UCB und Esai erhalten.                        definition-and-classification/neonatal-seizure-
Effekt auf die Prognose wie elektrokli-                                                                  classification. Zugegriffen: 8.12.2017
                                               Dieser Beitrag beinhaltet keine vom Autor durchge-   15. Weiner SP, Painter MJ, Geva D, Guthrie RD,
nische Anfälle. Die Prognose von Neu-          führten Studien an Menschen oder Tieren.                 Scher MS (1991) Neonatal seizures: electroclinical
geborenenanfällen wurde kürzlich sehr                                                                   dissociation. Pediatr Neurol 7(5):363–368

                                                                                                               Zeitschrift für Epileptologie 2 · 2019        105
Fachnachrichten

      16. Clancy RR, Legido A (1987) The exact ictal and         35. Booth D, Evans DJ (2004) Anticonvulsants for            Neue Behandlungsoption
          interictal duration of electroencephalographic             neonates with seizures. Cochrane Database               bei Epilepsie
          neonatal seizures. Epilepsia 28(5):537–541                 Syst Rev. https://doi.org/10.1002/14651858.
      17. Fisher RS, Cross JH, French JA et al (2017)                cd004218.pub2                                           Studie an fünf Universitäts-
          Operational classification of seizure types by the      36. McHugh DC, Lancaster S, Manganas LN (2018) A            kliniken in Deutschland und
          International League Against Epilepsy: position            systematic review of the efficacy of levetiracetam
          paper of the ILAE Commission for Classification             in neonatal seizures. Neuropediatrics 49(1):12–17
                                                                                                                             Belgien gestartet
          and Terminology. Epilepsia 58:522–530                  37. PinchefskyEF, HahnCD(2017)Outcomesfollowing
      18. Shellhaas RA, Wusthoff CJ, Tsuchida TN et al (2017)         electrographic seizures and electrographic status       Im Rahmen einer klinischen Studie wur-
          Neonatal Seizure Registry. Profile of neonatal              epilepticus in the pediatric and neonatal ICUs. Curr    de im Universitätsklinikum Freiburg ein
          epilepsies: characteristics of a prospective US            Opin Neurol 30:156–164
          cohort. Baillieres Clin Neurol 89(9):893–899           38. Fitzgerald MP, Massey SL, Fung FW et al (2018)
                                                                                                                             neuartiges Stimulationssystem bei einer
      19. Weeke LC, Van Rooij LG, Toet MC et al (2015)               High electroencephalographic seizure exposure           Patientin eingesetzt. Insgesamt wird die
          Neuroimaging in neonatal seizures. Epileptic               is associated with unfavourable outcomes in             Studie zwölf Patienten einschließen und
          Disord 17:1–11                                             neonates with hypoxic-ischemic encephalopathy.
                                                                     Seizure 61:221–226
                                                                                                                             an fünf Universitätskliniken in Deutschland
      20. André M, Lamblin MD, d’Allest AM et al (2010)
          Electroencephalography in premature and full-          39. Payne ET, Zhao XY, Frndova H (2014) Seizure             und Belgien durchgeführt. In etwa vier
          terminfants.Developmentalfeaturesandglossary.              burden is independently associated with short           Monaten werden die ersten Ergebnisse zur
          Neurophysiol Clin 40:59–124                                term outcome in critically ill children. Brain 137(Pt
                                                                     5):1429–1438
                                                                                                                             Wirksamkeit des Verfahrens erwartet.
      21. Tsuchida TN, Wusthoff CJ, Shellhaas RA et al
          (2013) American clinical neurophysiology society       40. Kharoshankaya L, Stevenson NJ, Livingstone
          standardized EEG terminology and categorization            V (2016) Seizure burden and neurodevelop-               Die Ärzte hoffen, in Zukunft eine Therapie
          for the description of continuous EEG monitoring           mental outcome in neonates with hypoxic-
                                                                     ischemic encephalopathy. Dev Med Child Neurol
                                                                                                                             für bisher unbehandelbare Epilepsiepati-
          in neonates: report of the American Clinical
          Neurophysiology Society critical care monitoring           58(12):1242–1248                                        enten anbieten zu können. Bei der ersten
          committee. J Clin Neurophysiol 30:161–173                                                                          Patientin liegt der Anfallsherd in dem Teil
      22. Oliveira AJ, Nunes ML, Haertel LM et al (2000) Du-
                                                                                                                             des Gehirns, der für das Sprachverständnis
          ration of rhythmic EEG patterns in neonates: new
          evidence for clinical and prognostic significance                                                                   zentral ist. Ein hirnchirurgischer Eingriff
          of brief rhythmic discharges. Clin Neurophysiol                                                                    kommt daher nicht in Frage, eine Thera-
          111(9):1646–1653
                                                                                                                             pie mit antiepileptischen Medikamenten
      23. Pisani F, Percesepe A, Spagnoli C (2018) Genetic
          diagnosis in neonatal-onset epilepsies: back to the                                                                zeigte auch bei Kombination mehrerer
          future. Eur J Paediatr Neurol 22(3):354–357                                                                        Medikamente keine Wirkung.
      24. Campistol J, Plecko B (2015) Treatable newborn
          and infant seizures due to inborn errors of
          metabolism. Epileptic Disord 17(3):229–242                                                                         Der Patientin, die seit ihrem neunten Le-
      25. Axeen EJT, Olson HE (2018) Neonatal epilepsy                                                                       bensjahr unter epileptischen Anfällen und
          genetics.SeminFetalNeonatalMed23(3):197–203
      26. Yozawitz E, Stacey A, Pressler RM (2017) Phar-
                                                                                                                             epilepsiebedingten Fehlwahrnehmungen
          macotherapy for seizures in neonates with                                                                          des Hörens leidet, wurde eine dünne Elek-
          hypoxic ischemic encephalopathy. Paediatr Drugs                                                                    trodenmatte direkt unter die Kopfhaut auf
          19:553–567
      27. World Health Organization (2011) Guidelines on
                                                                                                                             den Schädelknochen platziert. Durch den
          neonatal seizures. WHO, Geneva                                                                                     Stromfluss sollen das Ruhemembranpo-
      28. Painter MJ, Scher MS, Stein AD, et al (1999)                                                                       tenzial abgesenkt und die Nervenzellen im
          Phenobarbital compared with phenytoin for the
                                                                                                                             Anfallsareal leicht negativ geladen werden.
          treatment of neonatal seizures. N Engl J Med
          341:485–489                                                                                                        Da dadurch die Nervenzellen langsamer
      29. Malingré MM, Van Rooij LG, Rademaker CM et al                                                                      reagieren, soll die Wahrscheinlichkeit für
          (2006) Development of an optimal lidocaine
          infusionstrategyforneonatalseizures. EurJPediatr
                                                                                                                             Anfälle verringert werden. Im Gegensatz
          165(9):598–604                                                                                                     zur tiefen Hirnstimulation liegen die Elek-
      30. Hellström-Westas L, Westgren U, Rosén I, Sven-                                                                     troden direkt auf dem Schädelknochen
          ningsen NW (1988) Lidocaine for treatment of
          severe seizures in newborn infants. I. Clinical
                                                                                                                             und kommen nicht direkt mit dem Gehirn
          effects and cerebral electrical activity monitoring.                                                                in Kontakt, was die Gefahr von Komplika-
          Acta Paediatr Scand 77(1):79–84                                                                                    tionen deutlich reduziert. Die Operation
      31. Weeke LC, Toet MC, van Rooij LG (2016) Lido-
          caine response rate in aEEG-confirmed neonatal
                                                                                                                             dauerte nur 1 Stunde und die Patientin
          seizures: retrospective study of 413 full-term and                                                                 konnte bereits nach wenigen Tagen das
          preterm infants. Epilepsia 57(2):233–242                                                                           Krankenhaus wieder verlassen.
      32. Pisano T, Numis AL, Heavin SB et al (2015) Early and
          effective treatment of KCNQ2 encephalopathy.
          Epilepsia 56(5):685–691
      33. Sands TT, Balestri M, Bellini G et al (2016) Rapid
          and safe response to low-dose carbamazepine in
          neonatal epilepsy. Epilepsia 57(12):2019–2030
                                                                                                                                       Quelle: Deutsches Ärzteblatt
      34. Pressler RM, Boylan GB, Marlow N, Blennow M,                                                                                       (www. aerzteblatt.de)
          Chiron C, Cross JH et al (2015) Bumetanide for
          the treatment of seizures in newborn babies with
          hypoxic ischaemic encephalopathy (NEMO): An
          open-label, dose finding, and feasibility phase 1/2
          trial. Lancet Neurol 14:469–477

106     Zeitschrift für Epileptologie 2 · 2019
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