Differenzielle Auswirkungen auf die Psyche

 
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PP6_2021.pdf; s37; (207.00 x 280.00 mm); 07.Jun 2021 16:20:53; PDF-CMYK ab 150dpi für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien

                                                                                                                                                         WISSENSCHAFT

                                              Titel           COVID-19-Pandemie

                                            Differenzielle Auswirkungen
                                            auf die Psyche
                                            Studien zeigen, dass pandemiebedingte Lockdowns für bestimmte Bevölkerungsgruppen
                                            zu besonders starken psychischen Belastungen führen. Einige Gruppen erfahren jedoch
                                            auch Entlastung bis hin zum posttraumatischen Wachstum.

                                            Christiane Eichenberg

                                           N
                                                    eben schwierigen medizini-                      gen sowohl für die Erhöhung der          ne, Arbeitslose und die Bevölke-
                                                    schen    Herausforderungen,                     Prävalenz psychischer Störungen          rungsgruppen mit einem niedrige-
                                                    die die COVID-19-Pandemie                       sowie für das Erleben von Einsam-        ren Einkommen und mit weniger
                                            mit sich bringt, bestimmen ebenso                       keit mit entsprechenden Folgeer-         Platz pro Person im Haushalt sowie
                                            psychische und soziale Beeinträchti-                    krankungen vor. Manche Bevölke-          Menschen mit psychischen Erkran-
                                            gungen als Folge der Krise das öf-                      rungsgruppen erfahren jedoch auch        kungen leiden besonders unter der
                                            fentliche Leben. Die Wissenschaft                       Entlastung bis hin zum sogenannten       Pandemie (2). Auch Personen mit
                                            hat inzwischen weitreichende Er-                        Post-Traumatic-Growth.                   bestimmten emotionalen Grunddis-
                                            kenntnisse zu den psychischen Aus-                         Sowohl internationale Studien (2)     positionen wie erhöhter Ängstlich-
                                            wirkungen geliefert, die vor allem                      als auch solche aus dem deutsch-         keit oder Depressivität reagieren
                                            die Auswirkungen der pandemiebe-                        sprachigen Raum zeigen eine Zu-          stärker auf die COVID-19-Krise (5)
                                            dingten Lockdowns beschreiben. Ei-                      nahme der Prävalenz psychischer          sowie Menschen, deren Angehörige
                                            ne Datenbankabfrage in der interna-                     Störungen in der Gesamtbevölke-          an COVID-19 erkrankt waren (6).
                                            tionalen medizinischen Fachlite-                        rung. So zeigte eine Studie der Do-
                                            ratursammlung „PubMed“ (https://                        nau-Universität Krems mit einer für      Höheres Risiko für
                                            pubmed.ncbi.nlm.nih.gov) illustriert,                   Österreich repräsentativen Stichpro-     medizinisches Personal
                                            wie stark die Forschungsbemühun-                        be von 1 009 Menschen, dass in Ös-       Auch das medizinische Personal
                                            gen sind und sich immer weiter in-                      terreich die Prävalenz depressiver       stellt eine vulnerable Personengrup-
                                            tensivieren. So erbrachte im Novem-                     Symptome von etwa 4 % auf über           pe dar. Wir wissen derweil aus Stu-
                                            ber 2020 der Such-Term „COVID &                         20 % angestiegen sind. Eine ähnlich      dien, welche Faktoren für diese
                                            Lockdown“ über 2 500 Treffer, der                       starke Zunahme zeigt sich laut der       Fachkräfte das Risiko für die Ent-
                                            noch spezifischere Term „COVID &                        Studienergebnisse bei Angstsympto-       wicklung einer Posttraumatischen
                                            Lockdown & Psychological Impact“                        men, die sich in ihrer Prävalenz von     Belastungsstörung (PTBS) erhöhen
                                            180 Treffer. Dieselbe Suchanfrage                       von 5% auf 19% erhöhten (3). Zu          und welche sie senken. Ein Review,
                                            im März 2021 zeigte, dass sich die                      ähnlichen Befunden kam eine Studie       das einstige Studien aus dem SARS-
                                            Anzahl der jeweiligen Treffer in nur                    der Privaten Hochschule Göttingen,       Ausbruch und die der aktuellen
                                            vier Monaten verdoppelte („COVID                        in der zudem eine Zunahme von Ess-       COVID-19-Situation zusammen-
                                            & Lockdown“: über 5 000 Treffer;                        störungen festgestellt wurde (4).        fasste (7), konnte folgende Faktoren
                                            COVID & Lockdown & Psycholo-                               Befragt man Psychotherapeuten         ausmachen: Demnach haben Kran-
                                            gical Impact“: 450 Treffer). Insofern                   zum Einfluss von Lockdowns auf das       kenschwestern und -pfleger ein hö-
                                            verwundert nicht, dass inzwischen                       psychische Befinden ihrer Patienten,     heres Risiko, allerdings scheint der
                                            schon Reviews vorliegen, die die                        so gaben die 1 500 an, dass sich bei     Grad der Exposition, das heißt die
                                            vorliegenden Befunde zusammen-                          70 % ihrer Patienten negative Aus-       Nähe zu den Erkrankten, die trau-
                                            fassen (zum Beispiel [1]).                              wirkungen zeigten, in dem sich beste-    matischen Folgen wesentlich zu
                                                                                                    hende Symptome verschlimmerten           moderieren. Li et al. (2020) fanden
                                            Erhöhung der Prävalenz                                  und bereits überwundene Traumata         unter 526 Krankenschwestern he-
                                            psychischer Störungen                                   reaktiviert wurden (3).                  raus, dass diejenigen, die an vor-
                                            Aus der Literatur wird sichtbar,                           Insgesamt konnten in verschie-        derster Front arbeiteten, weniger an-
                                            dass COVID-19-bedingte Lock-                            denen Studien übereinstimmend            fällig für die Entwicklung von
                                            downs für bestimmte Bevölke-                            vulnerable Bevölkerungsgruppen           PTBS zu sein schienen als diejeni-
                                            rungsgruppen zu besonders starken                       identifiziert werden, für die die psy-   gen, die in der zweiten Reihe arbei-
                                            psychischen Belastungen führen.                         chischen Auswirkungen besonders          teten (8). Erklärt wird dieser Befund
                                            Diese differenziellen Befunde lie-                      stark sind: Frauen, junge Erwachse-      damit, dass der Eigenschutz – auch

                Deutsches Ärzteblatt | PP | Heft 6 | Juni 2021                                                                                                                277
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                WISSENSCHAFT

                                            durch die Verfügbarkeit entspre-                        in Österreich verglichen wurde,         der Älteren (75 Jahre und älter) er-
                                            chender Schutzkleidung – dann bes-                      zeigte sich, dass gerade die Maß-       mittelte eine spanische Studie, dass
                                            ser kontrolliert werden kann und                        nahmen, die auf die Reduktion von       während der COVID-19-Pandemie
                                            entsprechend auch mehr innere Si-                       persönlichen Kontakten abzielten,       40 % von sozialer Isolation berich-
                                            cherheit bietet als diffuse Gefahren-                   signifikant weniger umgesetzt wur-      teten, 76 % von minimalen video-
                                            situationen. Grundsätzlicher als die                    den. Für andere Maßnahmen, wie          basierten sozialen Kontakten und
                                            Nähe zu den Patienten scheint die                       etwa das Tragen eines Mund-             42 % von minimalen internetbasier-
                                            persönliche Risikowahrnehmung zu                        Nasen-Schutzes, zeigten sich im         ten Kontakten (19). Damit wird
                                            sein, sodass ein diesbezüglich regel-                   Zeitraum zwischen März und No-          nicht nur die Entwicklung und vor
                                            mäßiges Briefing des Krankenhaus-                       vember 2020 hingegen das Wirk-          allem Umsetzung von Maßnahmen
                                            personals empfohlen wird (9). Zu                        samwerden von Habituationspro-          dringend notwendig, um Einsam-
                                            den Schutzfaktoren zählen zum ei-                       zessen in dem Sinne, dass die dies-     keitserleben für die Betroffenen zu
                                            nen starke familiäre Unterstützung.                     bezügliche Akzeptanz zunahm (13).       reduzieren, sondern auch um Folge-
                                            Eine eigene Studie (10) zeigte, dass                    Damit wird sichtbar, welche Maß-        erkrankungen vorzubeugen.
                                            sich während des ersten Lockdowns                       nahmen die Bevölkerung besonders           Für manche Bevölkerungsgrup-
                                            die Sorgen der österreichischen und                     hart treffen. Auch die Weltgesund-      pe bringt die besondere Situation
                                            deutschen Bevölkerung vor allem                         heitsorganisation (WHO) konsta-         der Pandemie jedoch auch Entlas-
                                            um die Gesundheit von Angehöri-                         tiert anlässlich des Internationalen    tungen mit sich. Dies trifft zum Bei-
                                            gen drehten und weniger um die ei-                      Tages der seelischen Gesundheit         spiel für Menschen mit bestimmten
                                            gene. Somit wird nachvollziehbar,                       im Oktober 2020 „zunehmende Ra-         psychischen Störungen zu.
                                            dass auch medizinisches Personal                        ten an Einsamkeit, Depressionen,
                                            ihre Arbeit weniger belastet erlebt,                    schädlichem Alkohol- und Drogen-        Psychische Entlastung bei
                                            wenn diese Ängste – nämlich durch                       konsum sowie selbstschädigendem         bestimmten Störungen
                                            die Arbeit potenziell auch die Fami-                    oder suizidalem Verhalten“ (14).        So ergab eine Studie, dass Kinder mit
                                            lie anstecken zu können – geteilt                       Studien zeigen dabei, dass sich et-     ADHS sich in dieser Zeit stabilisier-
                                            und von der Familie mitgetragen                         wa jede 4.–6. Person einsam fühlt,      ten. Befragt wurden online n = 533
                                            wird. Ein weiterer wesentlicher                         wobei die Einsamkeit im Laufe der       Eltern von betroffenen Kindern (20).
                                            Schutzfaktor stellt die Unterstüt-                      Pandemie zunimmt (15). Äquiva-          Nach Angaben ihrer Eltern erlebten
                                            zung durch Vorgesetzte dar. Eine re-                    lent zu der Zunahme psychischer         die meisten Kinder und Jugendlichen
                                            siliente Organisation, die die Grund-                   Erkrankungen zeigen sich auch hier      eine Stabilität oder Verbesserung ih-
                                            bedürfnisse der Mitarbeiter erfasst                     persönlichkeitsspezifische Unter-       res Wohlbefindens. Diese betrafen
                                            und die Leitung die psychosozialen                      schiede: Stärkere Einsamkeit zeigte     zum Beispiel schulbedingte Ängste;
                                            und psychischen Bedürfnisse des                         sich bei Frauen, Jüngeren und bei       ebenso wirkte sich die flexible An-
                                            medizinischen Personals berück-                         intensiverer Rezeption von CO-          passung an die Rhythmen der Kinder
                                            sichtigt, wird das Risiko für psy-                      VID-bezogenen Medienberichten           sowie ein gesteigertes Bewusstsein
                                            chische Stressbelastungen senken.                       sowie bei geringen Ressourcen,          der Eltern für die Schwierigkeiten ih-
                                            Dazu gehört, ein starkes Stressemp-                     sich selbst zu beschäftigen; vorhan-    rer Kinder positiv aus.
                                            finden zu normalisieren und es nicht                    dene Partner/Job gehen mit gerin-          Eine Interviewstudie an der Sig-
                                            als „Schwäche“ oder mangelnde                           gerer Einsamkeit einher (16). Ein-      mund Freud Privat Universität in
                                            Leistung zu kategorisieren sowie                        samkeitserleben ist jedoch nicht nur    Berlin (21) erfasste das Erleben des
                                            besonderen Situationen wie zum                          subjektiv belastend, sondern geht       coronabedingten therapeutischen
                                            Beispiel Triagen zu berücksichtigen,                    objektiv mit einer Reihe von Folge-     Settingwechsels von der Präsenz-
                                            die für Mitarbeiter Hauptstressoren                     erkrankungen einher: Studien zeig-      therapie zum Videosetting und wie-
                                            darstellen und zu moralischem Dis-                      ten, dass soziale Isolation und Ein-    der zurück aus der Sicht von Psy-
                                            stress und moralischen Verletzun-                       samkeit vorzeitige Sterblichkeit,       chotherapeuten und Patienten. Es
                                            gen führen (11) mit entsprechenden                      Depression,       Herz-Kreislauf-Er-    zeigte sich für die Gruppe der
                                            psychischen Auswirkungen.                               krankungen und kognitiven Verfall       Angstpatienten, dass das Videoset-
                                                                                                    vorhersagen (17). Dabei scheint die     ting durch den Wegfall der Angst
                                            Zunahme von Gefühlen der                                Dauer der Einsamkeit stärker mit        auf dem Weg zur Praxis die Patien-
                                            Einsamkeit durch Distanz                                psychischen Gesundheitssympto-          ten entlastete und es zudem ein of-
                                            Die COVID-19-Schutzmaßnahmen                            men korreliert zu sein als die Inten-   feneres Ansprechen schambesetzter
                                            beinhalten unter anderem sozialkör-                     sität der Einsamkeit. Ein Review,       Themen ermöglichte.
                                            perliche Kontakte stark zu reduzie-                     dass Kinder und Jugendliche in den         Aber auch im nichtklinischen
                                            ren. Das bringt für viele Menschen                      Blick nahm, kam zu dem Ergebnis,        Bereich zeigten sich Erleichterun-
                                            vielschichtige Belastungen mit                          dass soziale Isolation und Einsam-      gen durch die pandemiebedingten
                                            sich, zu der vor allem Gefühle von                      keit für diese Altersgruppe das Risi-   Regularien. Das Bayerische For-
                                            Einsamkeit zählen (12). In einer ei-                    ko für Depressionen und Angstzu-        schungsinstitut für Digitale Trans-
                                            genen Studie, in der die Akzeptanz                      stände zum Zeitpunkt der Messung        formation untersuchte Arbeitneh-
                                            der gesetzlich angeordneten Schutz-                     und zwischen 0,25 und 9 Jahren          mer im Homeoffice in einer für
                                            maßnahmen im 1. und 2. Lockdown                         später erhöhen (18). Für die Gruppe     deutsche erwachsene berufstätige

                278                                                                                                                           Deutsches Ärzteblatt | PP | Heft 6 | Juni 2021
PP6_2021.pdf; s39; (207.00 x 280.00 mm); 07.Jun 2021 16:20:53; PDF-CMYK ab 150dpi für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien

                                                                                                                                                                           WISSENSCHAFT

                Internetnutzer repräsentativen Stu-                     Das Ausmaß des PTG lag auf mittle-                     spiel Vorbelastungen und Vortrau-
                die (22). Insgesamt wurde nicht nur                     ren bis hohem Niveau und wurde                         matisierungen, bestimmte Quellen
                eine hohe Zufriedenheit mit dem                         beeinflusst durch Arbeitsjahre,                        der Stressbelastung (letale Bedro-
                Homeoffice angegeben. 70 % der                          Selbstvertrauen in die Arbeit an vor-                  hung, Existenzangst, häusliche Ge-
                Arbeitnehmenden, die Homeoffice                         derster Front, Risikobewusstsein,                      walt während des Lockdowns)
                bei ihrer Tätigkeit prinzipiell für                     psychologisches Training und ab-                       ebenso wie Umweltfaktoren (zum
                möglich halten, wünschen sich zu-                       sichtliches Grübeln. Die Autoren                       Beispiel Be- oder Entlastung durch
                dem, dass die Arbeitgeberseite da-                      kommen zu dem Schluss, dass Trai-                      soziale Medien und Berichterstat-
                für mehr Möglichkeiten nach der                         nings des Personals notwendig sind,                    tung) (29) sind mit der Entwick-
                COVID-19-Krise schafft, als dies                        um PTG zu fördern, in dem zum                          lung einer pandemischen Stress-
                zuvor der Fall war.                                     Beispiel das bewusste Grübeln über                     belastung assoziiert. Gleichzeitig
                   Nach Durchsicht der aktuellen                        die pandemische Situation gefördert                    wissen wir inzwischen auch, wel-
                Forschungsliteratur fällt auf, dass                     wird. Weitere Studien versuchten,                      che Faktoren die Bewältigung die-
                die Untersuchungen zu den Belas-                        Persönlichkeitsfaktoren zu identifi-                   ser Situation oder ein PTG fördern.
                tungen, die durch die Pandemie er-                      zieren, die PTG in der pandemi-
                fahren werden, dominieren. Bisher                       schen Krise fördern. Hier zeigte sich                  Belastungsreaktionen
                völlig ungeklärt ist hingegen, wie                      beispielsweise die emotionale Krea-                    zeigen sich zeitversetzt
                Gruppen, die psychisch im Lock-                         tivität als relevant, die sich auf eine                Wichtig zu wissen ist, dass die Risi-
                down Entlastung erfahren haben,                         Reihe von kognitiven Fähigkeiten                       kogruppe in der COVID-19-Pande-
                mit dieser Erfahrung umgehen, ganz                      und Persönlichkeitsmerkmalen be-                       mie einen Prozess entwickelt, der
                persönlich aber auch im Umgang                          zieht, die mit der Originalität von                    sich durch psychische, psychosoma-
                mit Präventionsmaßnahmen zum                            emotionalem Erleben und Ausdruck                       tische und somatopsychische Be-
                gesamtgesellschaftlichen Schutz von                     zusammenhängen (25). Weitere Un-                       schwerden auszeichnet. In der Re-
                COVID-19. Der bisherige Fokus der                       tersuchungen analysieren den Ein-                      gel zeigen sich solche Beschwerden
                Studien auf belastete Personengrup-                     fluss von Spiritualität und Religion                   zeitversetzt, das heißt 3–6 Monate
                pen muss demnach um solche, die                         (26) oder fanden, dass Frauen häufi-                   nach dem Abklingen eines akuten
                Entlastung erfahren haben, ergänzt                      ger PTG erleben als Männer (27).                       Ereignisses. Wesentlich ist, die Be-
                werden, um auch für diese Gruppen                       Dies bestätigten auch Stellard et al.                  völkerung über diese zeitversetzten
                spezifische Hilfsmaßnahmen anbie-                       (28), die 385 Betreuende von Kin-                      Belastungsreaktionen aufzuklären,
                ten zu können, gerade weil diese                        dern, vorwiegend Mütter, befragten,                    damit Betroffene sie einordnen
                Gruppe, die entgegen der gesamtge-                      von denen 88,6 % angaben, dass die                     können. Gleichzeitig muss sich das
                sellschaftlichen Sorgen sich entlas-                    COVID-19-Pandemie positive Aus-                        Gesundheitssystem auf diese psy-
                tet fühlt, potenziellem Unverständ-                     wirkungen hatte, die sich am häu-                      chische Belastung eines nicht unbe-
                nis ausgesetzt ist.                                     figsten auf folgende Bereiche des                      achtlichen Teils der Bevölkerung
                                                                        posttraumatischen Wachstums bezo-                      einstellen und entsprechende Ver-
                Posttraumatisches Wachstum                              gen: verbesserte Beziehungen, eine                     sorgungsressourcen zur Verfügung
                nach der Krise                                          größere Wertschätzung des Lebens,                      haben. Genauso wichtig scheint, die
                Posttraumatisches Wachstum be-                          das Entdecken neuer Möglichkeiten                      vorliegenden Erkenntnisse zum
                schreibt das Ergebnis nach trauma-                      und eine positive spirituelle Verän-                   PTG zu kommunizieren, in psycho-
                tischen Erlebnissen, wenn Men-                          derung.                                                logische Trainings umzusetzen und
                schen nicht daran zerbrechen, son-                         Aus der vorhandenen Literatur                       in der gesamtgesellschaftlichen Prä-
                dern dadurch langfristig Kraft                          wird sichtbar, dass sich die bisheri-                  ventionsstrategie von psychischen
                schöpfen und sogar zufriedener le-                      gen Erkenntnisse der psychosozia-                      Auswirkungen der Pandemie die
                ben. In dem Buch „Post traumatic                        len Notfallversorgung auch auf die                     Befunde zu den persönlichkeitsspe-
                growth“ (PTG) werden Theorie,                           COVID-19-Krise anwenden las-                           zifischen Risikofaktoren, Ressour-
                Phasen des posttraumatischen                            sen. Demnach bringt die COVID-                         cen und Coping-Stilen in entspre-
                Wachstums und Bedingungen näher                         19-Pandemie differenzielle Aus-                        chend differenzierte Maßnahmen
                beschrieben (23). Somit ist nahe-                       wirkungen mit sich, die von psy-                       umzusetzen.
                liegend, dass Studien auch dieses                       chischer Belastung, Entlastung bis
                Phänomen in Zeiten der COVID-                           hin zu PTG reichen. Das heißt, es                      █   Zitierweise dieses Beitrags:
                19-Pandemie untersuchen, die mit                        zeichnen sich verschiedene Kon-                            PP 2021; 19 (6): 277–9
                einem traumatischen Potenzial für                       trastgruppen ab: Es müssen Grup-
                die Allgemeinbevölkerung, aber                          pierungen, die die Krise gut bewäl-                    Anschrift der Verfasserin:
                                                                                                                               Univ.-Prof. Dr. phil. habil. Christiane Eichenberg,
                auch für bestimmte vulnerable                           tigen oder sich sogar im Sinne ei-                     Psychologische Psychotherapeutin,
                Gruppen verbunden ist.                                  nes PTG entwickeln, unterschieden                      Institut für Psychosomatik, Fakultät für Medizin
                   So wurde das PTG zum Beispiel                        werden von Gruppierungen, die als                      der Sigmund Freud PrivatUniversität Wien,
                                                                                                                               eichenberg@sfu.ac.at, www.sfu.ac.at
                bei 167 Krankenschwestern, die an                       Risikogruppe        zusammengefasst                    www.christianeeichenberg.de
                vorderster Front mit der Versorgung                     werden. Bestimmte soziodemogra-
                von COVID-19-Patienten betraut                          fische und weitere prädispositio-                      Literatur im Internet:
                waren, in China untersucht (24).                        nierende Faktoren wie zum Bei-                         www.aerzteblatt.de/pp/lit0621

                Deutsches Ärzteblatt | PP | Heft 6 | Juni 2021                                                                                                                       279
WISSENSCHAFT

Zusatzmaterial, PP 6/2021, zu:

COVID-19-Pandemie

Differenzielle Auswirkungen
auf die Psyche
Studien zeigen, dass pandemiebedingte Lockdowns für bestimmte Bevölkerungsgruppen
zu besonders starken psychischen Belastungen führen. Einige Gruppen erfahren jedoch
auch Entlastung bis hin zum posttraumatischen Wachstum.

Christiane Eichenberg

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                                                           ansätze für Psychotherapeuten und soziale              and social isolation. Public Health Res
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                                                           Personality Traits in the Initial Stage of Co-         tal Health of Children and Adolescents in
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4                                                                                                                                          Deutsches Ärzteblatt | PP | Heft 6 | Juni 2021
WISSENSCHAFT

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Deutsches Ärzteblatt | PP | Heft 6 | Juni 2021                  5
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