Therapie mit Opfern von frühkindlicher sexueller Gewalt

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Therapie mit Opfern von
frühkindlicher sexueller Gewalt
   und Kinderpornographie -
 Neurobiologische Grundlagen
  der Theorie der strukturellen
Dissoziation der Persönlichkeit
        Dr. W. Voigt, Dortmund
    Fachklinik Kamillushaus, Essen
   Fortbildung 20.03.2019 buss Berlin
  105. Wissenschaftliche Jahrestagung
Chronische Traumatisierungen –
  ein unangenehmes Kapitel
• Traumatisierungen und Traumafolgen wurden in
  den letzten 150 Jahren wahrgenommen,
  beschrieben – und wieder vergessen bzw.
  verdrängt:
• „Die Integration von chronischer Traumatisierung
  überfordert oft die integrative Kapazität von
  Individuen und Institutionen. Die Integration von
  systematischem, chronischem Missbrauch und
  Vernachlässigung von Kindern durch
  Pflegepersonen, die heftig verleugnet wird, testet
  fast jedermann Grenzen.“           Ellert Nijenhuis
                     w.voigt@contilia.de
Chronische Traumatisierung –
   ein unangenehmes Kapitel
• „Das Vergessen chronischen Kindesmissbrauchs
  und Vernachlässigung und das Weiterleben, als
  wäre nichts passiert, ist eine eine attraktive und
  einfache mentale Handlung.
• Diese mentale Trägheit füttert die anscheinend
  normale Gesellschaft, die durch negative
  Symptome (Verluste) gekennzeichnet ist. Sie wird
  jedoch die Emotionale Gesellschaft vertreiben,
  die durch positive Symptome gekennzeichnet ist.
  (Existenz und Intrusion)“            Ellert Nijenhuis
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Konsequenzen bei frühem Kindesmissbrauch
        Ergebnisse aus der Forschung
• Langwierige psychiatrische Störungen
• Soziale Dysfunktion
• Sexuelle Dysfunktion
• Schlechte Selbstachtung
• Gewalt und Kriminalität
• Verminderte akademische und berufliche
  Leistungsfähigkeit
• Substanzmissbrauch
                   w.voigt@contilia.de
Konsequenzen bei frühem Kindesmissbrauch
      Ergebnisse aus der Forschung
• Selbstverletzung
• Gesundheitsprobleme: somatische
  Probleme, Beschäftigung mit dem Körper,
  Hochrisikoverhalten bezüglich der
  Gesundheit
• Sexuelle Überaktivität
• Suizidalität
• Schwangerschaft im Teenager-Alter
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DIS und Krankheitskosten
• „In unserer Medicaid Untersuchungsgruppe hatte
  eine kleine Gruppe mit der Diagnose einer
  Dissoziativen Identitätsstörung – einer Diagnose,
  die mit schwerer und langer interpersoneller
  Kindheitstraumatisierung assoziiert ist – die bei
  weitem höchste Rate an verschiedenen
  psychiatrischen Diagnosen, was sie zur teuersten
  Diagnose in Massachusetts in der Zeit 1997/8
  machte.“                  Bessel van der Kolk, 1999

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• Der simple geistige Akt des Vergessens
  kostet einen hohen Preis.
  Wissenschaftliche Fakten der Folgen der
  Kindheitstraumatisierungen zu ignorieren,
  ist
• einfach
• praktisch
• angst-geleitet
• emotional hoch geladen und
• extrem teuer               Ellert Nijenhuis
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Organisierte (sexuelle) Gewalt
• Wenn sexualisierte Gewalt von
  untereinander bekannten Tätern und
  tätergruppierungen ausgeht und mehrere
  Opfer betrifft, wird dies als organisierte
  Gewalt bezeichnet Salter 2017; Finkelhorn 1988
• Der Beginn liegt nahezu ausschließlich im
  Kindesalter

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Organisierte (sexuelle) Gewalt
• Charakteristisch ist, dass sie von Tätern und
  Täterinnen systematisch geplant und
  wiederholt ausgeübt wird
• Langjährige sexuelle Ausbeutung der
  betroffenen Kinder, Jugendlichen und
  Erwachsenen, z.B. im Zusammenhang mit
  Kinderpornographie und
  Zwangsprostitution Salter 2017; Miller 2014
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Darknet
• 2017 wurde die Plattform „Elysium“ im
  Darknet aufgedeckt. Damit gelang ein
  seltener Einblick in die strukturen
  organisierter Gewalt (BKA und
  Zentralstelle zur Bekämpfung der
  Internetkriminalität ZIT)

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Darknet
• „Elysium“ hatte schon nach einem halben
  Jahr im Darknet international mehr als
  87.000 „Nutzer“, die Fotos und Videos
  austauschtenn, darunter Abbildungen
  schwerer sexualisierter Gewalt an
  Kleinkindern. Die Täter verabredeten sich.
  Die einen vergewaltigten und filmten, die
  anderen verbreiteten die Bilder
  (Pressekonferenz des BKA, Süddeutsche Zeitung,
  07.07.2017)
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Missbrauchsfall Stauffen
• Mutter und Lebensgefährte missbrauchten
  den eigenen Sohn und boten ihn über Jahre
  gegen Geld im Internet an.
• Die Polizei befreite den 9jährigen
  schließlich aus seinem Martyrium am
  15.9.2017, nachdem ein anonymer Hinweis
  eingegangen war

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Vorgeschichte Stauffen
• Der spätere Lebensgefährte wird im März
  2005 wegen Besitz von kinderporno-
  graphischem Material zu einjähriger
  Haftstrafe auf Bewährung verurteilt mit
  Therapieauflage
• August 2010 Verurteilung wegen sexuellen
  Missbrauch eines 13jährigen Mädchens,
  eine Sicherungsverwahrung wird von der
  Richterin abgelehnt:“ Sie haben eine
  Chance verdient.“w.voigt@contilia.de
Vorgeschichte Stauffen
• Christian L. wird am 20.02.2014 aus der
  JVA Freiburg entlassen. Er gilt als
  rückfallgefährdet und darf nur unter der
  Aufsicht eines Erziehungsberechtigten
  Kontakt zu Kindern und Jugendlichen
  haben.
• Anfang 2015 werden er und die Mutter
  Berrin T. ein Paar
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Missbrauchsfall Stauffen
• Im Laufe von 2015 beginnt Christian L. laut
  Staatsanwaltschaft den Sohn von T. zu
  missbrauchen. Er wird vom
  Bewährungshelfer und von seiner Familie
  darauf hingewiesen, dass er nicht mit dem
  Jungen allein sein darf
• August 2016 zieht er bei Berrin T. und
  ihrem Sohn ein. Die Aufhebung des
  Kontaktverbotes zu Kindern wurde ihm
  einen Monat zuvor verweigert.
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Missbrauchsfall Stauffen
• März 2017 nimmt das Jugendamt den Sohn
  von Berrin T. in Obhut. Ein
  Kriminalpolizist hatte das Amt darauf
  aufmerksam gemacht, dass Christian L. dort
  wohnt. Der Junge bleibt 4 Wochen bei der
  Bereitschaftspflege, dann wird er
  zurückgeschickt, weil seine Mutter der
  Maßnahme widersprochen hat. Süddeutsche
  Zeitung 19.07.2018
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Prozess Missbrauchsfall Stauffen
• Sechs Männer und eine Frau (Mutter)
  werden 2018 verurteilt wegen schwerer
  Vergewaltigung und Besitz von
  Kinderpornographie. Fünf Täter werden zu
  anschließender Sicherungsverwahrung
  verurteilt.
• „Es ist nur die Spitze des Eisbergs, was
  dieser Prozess ans Tageslicht bringt“ so der
  Chefermittler der Freiburger Kripo am
  Rande des Verfahrens        taz
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                                       26.06.2018
Tiefere Schichten des „Eisbergs“
• Ein Täter (Spanier) gestand, mehr als 10.000 Euro
  für die Vergewaltigungen bezahlt zu haben. Er
  hatte zusätzlich die Taten gefilmt und übers
  Darknet bezahlt
• Weitere Details kamen zutage, z.B. ein Video, in
  dem er mit einem anderen Mann ein Mädchen
  vergewaltigt und am Ende mit einem Stethoskop
  stranguliert hatte. „Ermittler und
  Staatsanwaltschaft gehen davon aus, dass es , wie
  im Video zu sehen, tatsächlich getötet worden ist.“
  taz 26.06.2018
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Information der Öffentlichkeit
• Erst durch die öffentliche
  Hauptverhandlung und dadurch mögliche
  Berichterstattung kann/darf über solche
  Fakten im Detail berichtet werden.
• Für BehandlerInnen sind solche Fälle schon
  seit Jahrzehnten Behandlungsrealität

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Rituelle (sexualisierte) Gewalt
• Organisierte sexualisierte Gewalt, die mit (schein-)
  ideologisch oder religiös geprägten Sinngebungen
  verbunden ist (z.B. in satanistischen oder
  faschistischen Gruppierungen, Sekten oder Kulten)
  wird als rituelle Gewalt bezeichnet. Betroffene
  schildern, dass ihnen bei dieser Gewaltform oft ab
  dem frühen Kindesalter Glaubenssysteme
  aufgezwungen werden, die erlebte Qualen
  legitimieren , Gruppenzugehörigkeit manifestieren
  sollen und der Aufrechterhaltung von Redeverboten
  dienen. Salter 2017
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Organisierte und rituelle Gewalt
• Als bezeichnend für organisierte und rituelle
  Gewalt gelten spezifische Formen der
  Bewusstseinsspaltung und –manipulation. Über
  extreme Gewaltanwendung in der Kindheit und
  Jugend wurde die sich entwickelnde
  Persönlichkeit in verschiedene innere Anteile
  aufgespalten. Die so entstandenen
  Persönlichkeitsanteile werden von Tätern und
  Täterinnen gezielt für ihre Zwecke trainiert und
  genutzt. Dieses Phänomen wird auch als „mind
  control“ bezeichnet. Miller 2014; Breitenbach 2010
                        w.voigt@contilia.de
Forschungsvorhaben zu Organisierter
         und Ritueller Gewalt
• Förderung: Unabhängige Kommision zur
  Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs
• Forschungsteam: Prof. Peer Briken, Prof. Hertha
  Richter-Apelt, Dr. Johanna Schröder, Dipl.Psych.
  Susanne Nick Institit für Sexualforschung und
  Forensische Psychiatrie in Kooperation mit
  Spezielambulanz für Traumafolgestörungen, UKE
• Zeitrahmen: März 2017-Juni 2019
• Ethikvotum: Ethikkommission der
  Psychotherapeutenkammer Hamburg
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Einmalige, anonyme Online-
  Befragung (44-90 Items) 2018/19
                                    Befragung psychosozialer
Befragung der Betroffenen           Fachkräfte
• N=165       weiblich 95%          • N=174       weiblich 90%
• Alter            x= 39 Jahre      • Alter           x= 50 Jahre
• Beginn der Gewalt x= 3 LJ         • Berufserfahrung x= 20 Jahre
• Realschulabschluss     37%        • Berufserf. zu ORG x= 9 J
• Abitur                  57%       • Anzahl der KlientInnen mit
• Berentet                47%         ORG                 Md= 5
• Eigene Kinder          31%
• In Partnerschaft        42%       • Anzahl ausgestiegener
• Erfolgreicher Ausstieg 57%          KlientInnen          44%
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Häufigste vergebene Diagnosen
        durch BehandlerInnen
•   Dissoziative Identitätsstörung       76%
•   Komplexe PTBS                        76%
•   Posttraumatische Belastungsstörung   23%
•   Dissoziative Störungen               22%

• 19 % der psychosozialen Fachkräfte sind
  sekundär traumatisiert, 81% nicht
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Kontexte der Tätergruppierungen
•   Herkunftsfamilie            81%
•   Satanistische Kulte         69%
•   Transgenerational           67%
•   Kinderpornographie          63%
•   Kinderprostitution          63%
•   Verwandte                   63%
•   Religiöse Sekten            51%

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Erlebte Gewaltformen
•   Wiederholte Vergewaltigungen         90%
•   Wiederholte Nahtoderfahrungen        75%
•   Zwangsprostitution                   75%
•   Pornographie                          70%
•   Zwang zur Mittäterschaft              69%
•   Wiederholte Strafen bzgl. Hilfe       59%
•   Wdh. Berichte bzgl. Psychotherapie    46%
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Trauma und Dissoziation
• Der Zusammenhang zwischen Trauma und
  Dissoziation ist durch zahlreiche Studien
  belegt. Entsprechend häufen sich besonders
  bei der DIS (Dissoziative Identitässtörung)
  früh beginnende, schwere und oft lang
  anhaltende Traumatisierungen
  Dell 2001; Nijenhuis, van der Kolk & Steele 2004;
  Gast 2014

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Normale kindliche
        Dissoziationsfähigkeit
• Kinder gehen mit 3-4 Jahren hin und her zwischen
  realer Wahrnehmung und Dissoziation. Bei
  normaler Entwicklung geht die Dissoziation
  immer weiter zurück
• Amygdala ist von Anfang an entwickelt, der
  Hippokampus ist erst nach 3 Jahren entwickelt,
  der Präfrontallappen braucht 25 Jahre für die
  abgeschlossene Entwicklung:
• Kinder haben eine niedrige integrative Kapazität,
  die Entwicklung des Gehirnes braucht Zeit und
  gute Lebenserfahrung
                     w.voigt@contilia.de
„Ich habe keine Angst davor zu
 sterben. Ich möchte nur nicht
 dabei sein, wenn es passiert.“
          Woody Allen

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Emotional-arbeitende Systeme umfassen
   spezifische Gehirnbereiche, die in
neuronalen Netzwerken organisiert sind.

  Hauptaufgabe dieser Systeme ist,
  in der Welt Verhaltensmuster und
   mentale Prozesse durchzuführen:
   somit sind sie Aktionssysteme.
              Ellert Nijenhuis
Theorie der Strukturellen Dissoziation
nach E.R.S.Nijenhuis, O.Van der Hart, K.Steele 2004
     Normale Integrative Entwicklung
   Überleben der Art Überleben des Individuums
  Essen                         Kampf       Flucht
            Trinken
     Spielen      Bindung           Unterwerfung

  Suchen Fortpflanzung                                Einfrieren
                                         Erstarrung

                     Fort-   Kampf
            Essen
                  pflanzung Unterwerfung
      Spielen Suchen
       Bindung Trinken Flucht
                            Einfrieren
Theorie der Strukturellen Dissoziation
   nach E.R.S.Nijenhuis, O.Van der Hart, K.Steele 2004
Beinträchtigung durch Traumatisierung während
     des integrativen Entwicklungsprozesses
              ANP                            EP
Essen         Trinken                               Flucht
        Spielen    Bindung            Erstarrung
   Suchen Fortpflanzung                           Einfrieren

                                  Unterwerfung
                                                   Kampf:
Bindung an          Bindung an                    Gegen sich
   Täter           Pflegeperson      Kampf
                                                    selbst

                                             Erstarrung
         Spielen
           Bindung
BASK-Modell
• Behaviour
• Affect
• Sensation
• Kognition

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Theorie der Strukturellen Dissoziation
    nach E.R.S.Nijenhuis, O.Van der Hart, K.Steele 2004
        Primäre Strukturelle Dissoziation
1 ANP=Anscheinend normaler         1 EP=Emotionaler
Persönlichkeitsanteil              Persönlichkeitsanteil

                                   EP (Erstarrung)
                               Aktionssysteme für die
              Fort-           Verteidigung vor massiver
                Bindung            Bedrohung und
           pflanzung                Überleben des
          ANP: Aktionssysteme        Individuums
         für die Alltagsfunktionen
       und für das Überleben der Art
            Suchen  Spielen            Der Durchschnitt bezeichnet
            Essen
             Trinken                   den gemeinsamen Zugang zu
                                       impliziter und expliziter
                                       Erinnerung
Anscheinend normaler
         Persönlichkeitsanteil
• Vermittelt durch Aktionssysteme für das
  Überleben der Art, d.h. Anpassung an das
  Alltagsleben und dient der Reproduktion
• Vermeidet traumatische Erinnerungen und damit
  assoziierte EP‘s
• Rückzug aus dem Bewusstseinsbereich, aber
  bewusster als EP
• Gewöhnlich höherer Bewusstseinsgrad als EP,
  aber niedriger als bei Gesunden

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Emotionaler Persönlichkeitsanteil
• Vermittelt durch Aktionssysteme für das Überleben des
  Individuums in Situationen mit großer körperlicher
  Bedrohung, einschließlich Lebensbedrohung
• Fixiert auf traumatische Ereignisse
• Starke Reaktion auf klassische, kontextuelle und evaluative
  Konditionierung
• Desorientiert in Ort, Zeit und Identität
• Rückzug aus dem Bewusstsein
• Kann einen niedrigen Grad an Bewusstsein einschließen

                        w.voigt@contilia.de
Diagnostische Kategorien bei der
 strukturellen Dissoziation nach
  E.R.S.Nijenhuis, O.Van der Hart, K.Steele 2005
1. Einfache posttraumatische dissoziative
   Störung
• Primäre strukturelle Dissoziation (einfache
   ANP/einfache EP)
• Akute Stress-Störung
• einfache Posttraumatische Stress-Störung
• Einfache somatoforme dissoziative Störung
• Dissoziative Amnesie
                    w.voigt@contilia.de
Diagnostische Kategorien bei der
 strukturellen Dissoziation nach
  E.R.S.Nijenhuis, O.Van der Hart, K.Steele 2005
1. Komplexe posttraumatische diss. Störung
• Sekundäre strukturelle Dissoziation (einfache
   ANP/2 oder mehr EP)
• Komplexe Posttraumatische Störung
• Störungen durch extremen Stress (DESNOS)
• Traumabezogene Borderline-PS
• Komplexe somatoforme dissoziative Störungen
• Dissoziative Amnesie
• Nicht näher bestimmte diss. Störung (DDNOS)
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Sekundäre strukturelle Dissoziation
nach E.R.S.Nijenhuis, O.Van der Hart, K.Steele 2004

                               prätraumatische Persönlichkeit

           emotionale Persönlichkeit (EP)           anscheinend normale Persönlichkeit (ANP)

     EP 1              EP 2               EP 3
  z.B. Flucht     z.B. Erstarrung      z.B. Kampf

                                    w.voigt@contilia.de
Diagnostische Kategorien bei der
 strukturellen Dissoziation nach
 E.R.S.Nijenhuis, O.Van der Hart, K.Steele 2005
1. Komplexe posttraumatische dissoziative
   Störung
• Tertiäre strukturelle Dissoziation (2 oder
   mehr ANP/2 oder mehr EP)
• Dissoziative Identitätsstörung

                   w.voigt@contilia.de
Tertiäre strukturelle Dissoziation
       E.R.S.Nijenhuis, O.Van der Hart, K.Steele
                         2004
• Tritt dann auf, wenn unausweichliche
  Aspekte des Alltagslebens eine assoziative
  Verbindung mit dem zurückliegenden
  Trauma gewonnen haben.Das ist etwa der
  Fall, wenn durch Generalisierungslernen
  (im Alltagsleben) konditionierte Reiz
  entstanden sind, die ihrerseits traumatische
  Erinnerungen reaktivieren können.
                   w.voigt@contilia.de
Tertiäre strukturelle Dissoziation
nach E.R.S.Nijenhuis, O.Van der Hart, K.Steele 2005
• Andererseits kann die Funktionsbewältigung der
  ANP extrem schlecht sein, sodass bereits das
  normale Leben selbst überwältigend ist und neue
  ANP geschaffen werden.Darüber hinaus kann
  auch die Dissoziation bei der ANP zu einer
  Reaktion auf Alltagsstressoren und somit Teil des
  Lebens werden. Tertiäre strukturelle Dissoziation
  schließt die Fragmentierung der ANP zusätzlich
  zur EP ein und liegt ausschließlich bei Patienten
  mit einer Dissoziativen Identitätsstörung DIS vor.
                     w.voigt@contilia.de
Tertiäre strukturelle Dissoziation
   nach E.R.S.Nijenhuis, O.Van der Hart, K.Steele 2004

                                           prätraumatische Persönlichkeit

            anscheinend normale Persönlichkeit                                         emotionale Persönlichkeit
                          ANP                                                                    EP

 ANP-1          ANP-2            ANP-3                 ANP-4                EP-1       EP-2              EP-3
Fürsorge/     Erkundung/      Umgänglichkeit/         Sexualität/           Flucht   Erstarrung          Kampf
 Mutter         Arbeiter       Geselligkeit            Ehefrau

                                                w.voigt@contilia.de
Übersicht Dissoziation
       Psychisch                             Somatisch

•   Negative Symptome             •    Negative Symptome
•   Amnesie                       •    Schmerzlosigkeit
•   Depersonalisation             •    Körperliche Betäubung
•   Emotionale Betäubung          •    Motorische Hemmung

• Positive Symptome               • Positive Symptome
• Stimmenhören                    • Lokalisierte Schmerzen
• „Gemachte“ Emotionen            • „Gemachte“
• Wiedererleben des                 Körperempfindungen
  Traumas                         • Wiedererleben d.Traumas
• Kognitive Komponenten           • Körperliche Komponenten
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Psychoforme Dissoziation
        Beispiele von DIS-Q Items
• Es gibt Momente, in denen ich mich nicht erinnern
  kann, wo ich am Tag (oder an den Tagen) davor
  war (Amnesie)
• Manchmal sagt man mir, dass ich mich so
  verhalte, als ob Freunde oder Familienmitglieder
  Fremde für mich wären (Identitätsfragmentierung)
• Es geschieht, dass ich in den Spiegel schaue ohne
  mich zu erkennen (Depersonalisation)
• Es kann passieren, dass ich das Gefühl habe, dass
  andere Menschen, andere Dinge und die Welt um
  mich herum nicht real sind (Deralisation)
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Somatoforme Dissoziation
                SDQ-20 Items
• Manchmal ist mein Körper oder ein Teil meines
  Körpers Schmerzen gegenüber unempfindlich
  (Analgesie)
• Manchmal fühlt es sich so an, als ob mein Körper
  oder ein Teil meines Körpers verschwunden wäre
  (visuelle /kinästhetische Anästhesie)
• Manchmal kann ich (oder nur mit großer
  Anstrengung) sprechen, oder überhaupt nur
  flüstern (Motorische Hemmung)
• Manchmal ist das Urinieren schmerzhaft
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Dissoziations-Stopp

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Ziele im Umgang mit Dissoziationen
       und Körpererinnerungen
• Erhöhung der Kontrollerfahrung
• Herstellung zusätzlicher (neuronaler und Sinn-)
  Verbindungen
• Verringerung der Angst
• Verringerung des Erlebens von „Verrücktheit“
  durch Information und Erlernen der
  Selbstwahrnehmung
• Erweiterung der Beziehungsfähigkeit/-erfahrung
• Vorbereitung der Bereitschaft zur Integration
  Lydia Hantke
                    w.voigt@contilia.de
Skills sind sinnvoll und können
               helfen
• die Realität wieder fühlbar zu machen
• Erstarrung/Flashbacks/ Dissoziationen zu
  beenden
• und damit das Hyperarousal
  herunterzuregulieren

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Dissoziations-Stopp durch
        TherapeutIn: Wann?
• Ist eine (seltene) Notfallmaßnahme
• Nur wenn KlientIn völlig überflutet ist durch
  flash-backs oder ein EP die Regie übernommen
  hat, der (körperlich) bedrohlich erscheint, z.B.
  Ersticken, Selbstverletzungen, Schmerzen
• Wenn KlientIn Distanzierungstechniken noch
  nicht beherrscht
• Ein flash-back/dissoziativer Zustand kann
  bedrohlich erscheinen, ist aber kein lebens-
  bedrohlicher Zustand, deswegen ruhig bleiben:
  er hört irgendwann von selbst auf
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Dissoziations-Stopp durch
        TherapeutIn: Wie?
• KlientIn laut und bestimmt ansprechen:“ Hallo,
  Frau Grünkorn...“, Zeit und Ort nennen:“ Es ist
  das Jahr 2019...“ sowie Ihren Namen
• Mehrfach und lauter, wenn keine Reaktion
• Klatschen, mit den Fingern schnipsen
• Blickkontakt herstellen und ununterbrochen
  beibehalten!
• Aufstampfen, KlientIn zum Aufstampfen
  veranlassen, dann zum gemeinsamen Gehen

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Dissoziations-Stopp durch
        TherapeutIn: Wie?
• Zum tiefen, ruhigen Atmen animieren, mitatmen
• Irritieren durch unlogische Aussagen
• Ball fangen lassen (sensorischer Reiz und
  Aktivierung von reflexhaften Reaktionsmustern)
• Ammoniakfläschchen (mit dicker Gaze
  umwickelt) unter die Nase halten
• Coolpack in die Hand der KlientIn geben
• Nicht festhalten! (Nur bei massiven
  Selbstverletzungen!)
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...Solange, bis KlientIn
 vollständig im Hier und Jetzt
 zurück ist, also reorientiert ist,
   und ihren Körper mit allen
Körperteilen wieder spüren kann
    („Spüren Sie Ihre Beine
            wieder?“)!
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Übung Dissoziations-Stopp

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Vielen Dank

für Ihr Interesse!

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Dissoziative Störungen F44 nach
             ICD 10
• Das allgemeine Kennzeichen der dissoziativen
  oder Konversionsstörung ist der teilweise oder
  völlige Verlust der normalen Integration von
  Erinnerungen an die Vergangenheit, des
  Identitätsbewusstseins, der unmittelbaren
  Empfindungen, sowie der Kontrolle von
  Körperbewegungen. Normalerweise besteht ein
  hoher Grad bewusster Kontrolle darüber, welche
  Erinnerungen und Empfindungen für die
  unmittelbare Aufmerksamkeit selektiert und
  welche Bewegungen ausgeführt werden.
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Dissoziative Störungen F44 nach
             ICD 10
• Von den dissoziativen Störungen wird
  angenommen, dass die Fähigkeit zu
  bewusster und selektiver Kontrolle in einem
  Ausmaß gestört ist, das von Tag zu Tag
  oder sogar von Stunde zu Stunde wechselt.
  Es lässt sich schwer feststellen, ob und in
  welchem Umfang dieser Funktionsverlust
  willkürlich kontrolliert werden kann.
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Multiple Persönlichkeitsstörung
      F 44.81 nach ICD 10
• Diese Störung ist selten, und es wird kontrovers
  diskutiert, in welchem Ausmaß sie iatrogen oder
  kulturspezifisch ist. Das grundlegende Merkmal
  ist das offensichtliche Vorhandensein von zwei
  oder mehr verschiedenen Persönlichkeiten bei
  einem Individuum. Dabei ist zu einem Zeitpunkt
  nur eine sichtbar. Jede Persönlichkeit ist voll-
  ständig, mit ihren Erinnerungen, Verhaltensweisen
  und Vorlieben. Diese können in deutlichem
  Kontrast zur prämorbiden Persönlichkeit stehen..
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Multiple Persönlichkeitsstörung
      F 44.81 nach ICD-10
• Bei der häufigsten Form mit zwei Persönlichkeiten ist
  meist eine von beiden dominant, keine hat Zugang zu den
  Erinnerungen der anderen, und die eine ist sich der
  Existenz der anderen fast niemals bewusst. Der Wechsel
  von der einen Persönlichkeit zur anderen vollzieht sich
  beim ersten Mal gewöhnlich plötzlich und ist eng mit
  traumatischen Erlebnissen verbunden. Spätere Wechsel
  sind oft begrenzt auf dramatische oder belastende
  Ereignisse oder treten in Therapiesitzungen auf, in denen
  der Therapeut Hypnose oder Techniken zur Entspannung
  oder zum Abreagieren anwendet.
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