TRAUMAFOLGESTÖRUNGEN NACH SEXUALSTRAFTATEN KINDESMISSBRAUCH UND SEINE FOLGEN - Digitale Bibliothek ...
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Fachbereich Soziale Arbeit, Bildung und Erziehung Studiengang Soziale Arbeit TRAUMAFOLGESTÖRUNGEN NACH SEXUALSTRAFTATEN - KINDESMISSBRAUCH UND SEINE FOLGEN Bachelorarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Bachelor of Arts (B.A.) vorgelegt von: Sophie Conrad Prüferin: Frau Prof. Dr. Barbara Bräutigam Zweitprüferin: Frau Dr. Mirjam Reiß URN-Nummer: urn:nbn:de:gbv:519-thesis2020-0725-5
Inhaltsverzeichnis Einführung ..................................................................................................................................1 Annäherung an wichtige Begrifflichkeiten....................................................................................2 Sexueller Missbrauch an Kindern ............................................................................................2 Traumatisierendes Ereignis, Trauma, Traumafolgestörung .....................................................3 Arten von Missbrauch .................................................................................................................4 … in der Familie ......................................................................................................................4 … in Institutionen ....................................................................................................................5 … peer-to-peer ........................................................................................................................6 … in organisationeller und ritueller Form .................................................................................7 … in der digitalen Welt ............................................................................................................9 Erkennungsmerkmale und Symptomatik ...................................................................................11 Traumafolgestörungen ..............................................................................................................12 Posttraumatische Belastungsstörung ....................................................................................13 Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung und Borderline Persönlichkeitsstörung .......14 Dissoziative Störungen..........................................................................................................16 Präventive Maßnahmen ............................................................................................................18 Gesamtkonzept des Bundesfamilienministeriums .................................................................19 Täter*innenprävention am Beispiel „Kein Täter werden“ ........................................................20 „Trau dich!“ – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ...............................................23 Schutzkonzepte in pädagogischen Einrichtungen .................................................................26 Beispiel Kinder- und Jugendhilfe Verbund Mecklenburg-Vorpommern...............................27 Prävention in der Sozialen Arbeit ..............................................................................................29 SAFE® ..............................................................................................................................30 STEEP™ ...........................................................................................................................31 Erzieherische Prävention und Sexualpädagogik ................................................................33 Anforderungen an Fachkräfte der Sozialen Arbeit ................................................................. 36 Fazit..........................................................................................................................................40 Abbildungsverzeichnis ..............................................................................................................42 Abbildung 1 – Rahmenmodell der Ätiologie von Traumafolgen nach Maercker 2013 ............ 42 Abbildung 5 – Überblick Ablauf SAFE nach Brisch 2016 ....................................................... 42 Quellenverzeichnis ...................................................................................................................43
Einführung Sexuelle Gewalt wird als die zerstörerischste Form der Gewalt erlebt und geht damit meist mit einer Traumatisierung einher. 2020 wurden polizeilich über 16.000 Kinder erfasst, die Opfer wurden. Die Dunkelziffer lässt auf viele weitere schließen.1 90-95% der missbrauchten Kinder und Jugendlichen weisen bei körperlichen Untersuchungen Normalbefunde auf. Auf dem Körper bleibt diese massive Gewalt also häufig unentdeckt, da Täter, die zu einem großen Teil aus dem nahen Umfeld kommen, aufgrund eines Wiederholungsbedarfs keine physische Schädigungsabsicht verfolgen 2. Diese Arbeit befasst sich mit den Grundlagen des komplexen Themas der sexuellen Gewalt an Kindern und nimmt darin Traumafolgestörungen in den Fokus. Schwerpunkt bildet in diesem Zusammenhang die Prävention, nicht zuletzt durch die Soziale Arbeit. Sexueller Kindesmissbrauch ist leider noch immer ein viel zu großes Tabuthema und die Ergreifung präventiver Maßnahmen lässt dort für sich sprechen. Erst 2014 wurde ein Grundkonzept des Bundesfamilienministeriums errichtet, welches Schutzkonzepte für Einrichtungen, Organisationen, Vereine, etc. niederlegt. Rechte, die z.B. die Verjährungsfrist solcher Straftaten verlängern oder Opfern Anspruch auf Unterstützung gewähren, kamen Jahre später. Da Sozialarbeiter*innen in einigen Bereichen täglich mit Kindern, Peergroups und deren Familien zusammenarbeiten und sexuelle Gewalt häufiger vorkommt als es gewünscht ist, ist es für diese Fachgruppe notwendig sich Wissen in diesem Bereich anzueignen. Ohne Wissen kann keine Handlung erfolgen. Sowohl in der Intervention als auch der Prävention nicht. Zur Prävention gehört allerdings nicht nur die Misshandlungsthematik, auch die eigene Person muss sich selbst unter die Lupe nehmen, um bestmöglichen Schutz gewährleisten zu können. Die Anforderungen an das Fachpersonal und pädagogische Möglichkeiten der Prävention ist demnach auch Teil der Arbeit. Ziel ist es, einen möglichst guten Wissensstand über die wichtigsten Fakten zu generieren, der als Grundlage für tiefergehende Inhalte dienen kann. Um einen aktuellen Forschungsstand zu gewähren, wurde darauf geachtet dementsprechendes Material zu verwenden. Da dies aber nicht immer nur in der Literatur zu finden ist, wurde sich auch auf angemessene Websites und angegebene Informationsbroschüren, Podcasts oder Dokumentationen gestützt. 1 vgl. Statista 2021 (Internetquelle) 2 vgl. Herrmann 2016, S. 136 1
Annäherung an wichtige Begrifflichkeiten Sexueller Missbrauch an Kindern „[…] jede sexuelle Handlung, die an oder vor einem Kind entweder gegen den Willen des Kindes vorgenommen wird oder der das Kind aufgrund körperlicher, psychischer, kognitiver oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen kann. Der Täter nutzt seine Macht- und Autoritätsposition aus, um seine eigenen Bedürfnisse auf Kosten des Kindes zu befriedigen.“3 Der Begriff des sexuellen Missbrauchs steht allerdings in Kritik, da er impliziert, dass es auch einen „richtigen Gebrauch“ von Kindern gibt. Angebrachter scheint der Begriff der sexuellen Gewalt zu sein. Hier wird direkt eingeordnet, dass mithilfe sexueller Tätigkeiten Gewalt ausgeübt wird. Die begriffliche Veränderung soll in Zukunft auch im Gesetzbuch Beachtung finden4. Das Strafgesetzbuch nimmt in §§ 176 ff. Sexueller Missbrauch von Kindern die Altersgrenze von 14 Jahren auf und bestimmt den Strafrahmen auf sechs Monate bis zehn Jahre, in schweren Fällen nicht unter einem Jahr. Im Falle einer Todesfolge wird die Freiheitsstrafe auf mindestens zehn Jahre bemessen. Hinzufügend zur oben genannten Definition wird hier auch von Missbrauch gesprochen, wenn das Kind sexuelle Handlungen an jener Person oder Dritten ausführen soll5. 3 Bange und Deegener zit. nach UBSKM 2016, S.8 (Internetquelle) 4 vgl. Krasa / Wohlers Podcast Mordlust 2020, ab 01:03:17 5 vgl. Bundesamt für Justiz, Gesetze im Internet 2
Traumatisierendes Ereignis, Trauma, Traumafolgestörung Der Begriff des Traumas stammt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie „Wunde“6, wobei es sich hierbei um seelische bzw. psychische Wunden handelt. Diese entstammen einem oder mehreren traumatisierenden Ereignissen, die als besonders bedrohlich wahrgenommen werden können. Der DSM-5 differenziert es „auf ein Ereignis oder Ereignisse, die eine Konfrontation mit „actual or threatened death, serious injury, or sexual violence“ beinhaltet“7. Jene Ereignisse gehen demnach mit einer starken erlebten bzw. gefühlten Lebensbedrohung einher. Traumatisierende Ereignisse erlebt so gut wie jeder Mensch in seinem Leben, wie der Verlust einer nahestehenden Person, Autounfälle, Übergriffe, einprägsame Krankheiten oder auch Naturkatastrophen. Vergewaltigungen, Gewalt oder Vernachlässigung zählen aber auch dazu. Sie werden in sogenannte Typ-I und Typ-II-Traumata unterschieden. Typ I beinhaltet einmalige und kurzfristige, Typ II mehrfache und längerfristige Ereignisse. Zusätzlich wird in „human-made“, von Menschen gemachte, und „not human-made“, von außen kommende, Traumata unterschieden. „human-made“- Traumata gelten zum Teil als schwerwiegender, da z.B. das komplette Menschenbild erschüttert werden kann. Nicht jedes führt allerdings zu einem Trauma, da individuelle Bewältigungsmechanismen bestehen oder die Situation unterschiedlich wahrgenommen wurde. Traumata entwickeln sich schlichtweg dann, wenn keine Bewältigungsstrategien vorhanden sind und ein übermäßiges Gefühl der Hilflosigkeit vernommen wird8. Aufgrund der Situation wird das Wohlbefinden der betroffenen Person dann nachhaltig negativ beeinflusst. Hält eine Traumasymptomatik länger als sechs Monate an, lässt sich schon von einer Folgeerkrankung sprechen. Teilweise können sich Folgestörungen aber auch erst mehrere Jahre später entwickeln. Die Entwicklung hängt dabei von mehreren Faktoren ab (siehe Abbildung 1). Die Posttraumatische Belastungsstörung, Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung und Dissoziative Störungen sind mit komorbiden Störungen, wie Depressionen, Angsterkrankungen oder Persönlichkeitsstörungen, die drei schwersten Folgeerkrankungen.9 6 vgl. Hüllemann 2019, S. 9 7 APA 2013, S. 271 zit. nach Langer et al. 2020, S. 9 8 Fischer / Riedesser zit. nach Dixius / Möhler 2019, S. 17 9 vgl. Dipl. Psych. Nottelmann (Internetquelle) 3
Arten von Missbrauch Missbrauchsfälle können so gut wie über all dort stattfinden, wo sich Kinder aufhalten. Dennoch gibt es Sozialräume, in denen Fälle häufiger bzw. seltener stattfinden. Zu verzeichnen ist, dass missbrauchte Kinder die Täter*innen zu etwa 90% kennen. 30% kommen direkt aus der Familie, die restlichen 60% aus dem familiären Umkreis. Zu ca. 6% kennen Opfer die Peiniger*innen nicht. Zu 80-90% sind es Männer oder männliche Jugendliche, die sexuelle Gewalt ausüben. Dabei ist jedoch zu beachten, dass es zu missbrauchenden Frauen oder weiblichen Jugendlichen eher wenig Forschung gibt und das Dunkelfeld doch höher sein mag. 10 Wichtig zu erwähnen ist, dass es keinen direkten Zusammenhang gibt zwischen der sexuellen Präferenzstörung Pädophilie / Hebephilie, also der sexuellen Anziehung zu Kindern, und sexueller Gewalt. „Nur“ 40-50% der Täter*innen haben diese Störung. Zu einem gewissen Teil haben Ausübende selbst solche Gewalttaten in der Kindheit erlebt.11 Kinder bilden generell eine sehr vulnerable Gruppe ab, da sie noch sehr hilfebedürftig und abhängig von ihrem Umfeld sind12. Zusätzlich das Alter und eine körperliche Unterlegenheit zu Erwachsenen, machen sie zu leichteren Opfern. Sie haben weniger bis gar keine Ausdrucksmöglichkeit oder ihnen wird ihre Glaubwürdigkeit in einigen Fällen abgeschrieben13. … in der Familie Für Kinder ist hier die Familie nicht mehr ein Ort des Vertrauens und der Sicherheit. Vor allem familiärer Missbrauch ist langwierig, da sich die Täter*innen im unmittelbaren Umfeld befinden und meist Tag für Tag anwesend sind. Gerade in dieser Situation ist es schwieriger den Taten zu entfliehen. Trotz des massiven Vertrauensbruchs und der Grenzüberschreitung vermeintlicher Bezugspersonen, besteht ein hohes Loyalitätsverhältnis. Oftmals wird es auch als „familiäres Geheimnis“ deklariert, weshalb die betroffenen Kinder schweigen oder Angst 10 vgl. UBSKM (Internetquelle) 11 vgl. Y-Kollektiv 2018, ab Minute 7:00 (Internetquelle) 12 vgl. Oppermann u.a. 2018, S. 33 13 ebd., S. 34 4
haben, ihre Eltern zu verlieren. Kinder, die noch nicht sprechen können, sind solchen Missbräuchen erst recht ausgeliefert. Trauen sich die Betroffenen doch, den Missbrauch anzusprechen ist es erschreckend, wie lange es dauert bis eingeschritten wird. Prof. Dr. Sibylle Banaschak, Leiterin des "Kompetenzzentrums Kinderschutz im Gesundheitswesen NRW", betont – sieben Mal muss ein Kind „laut“ werden.14 In einer Aufarbeitung der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs wurden in (bis 2019) 524 Fällen festgestellt, dass knapp 43% der eigene Vater der Täter war, gefolgt mit 15% kam der Missbrauch vom Stiefvater, Lebensgefährten oder Freund der Mutter. Frauen als Täterinnen wurden hier zu 11% fest gemacht.15 Die Datenlage ist nicht unbedingt repräsentativ, zeigt aber dennoch einen Einblick und ist mit den oben genannten Prozentsätzen vereinbar. Diese Aufarbeitung der Unabhängigen Kommission wird bis ins Jahr 2023 fortgesetzt, wobei danach stichhaltigere Zahlen zum Vorschein kommen könnten. … in Institutionen Beim institutionellen Missbrauch handelt es sich um sexualisierte Gewalt, die in Institutionen, z.B. Kinder- und Jugendeinrichtungen, Vereine, Schulen, Kirchen, durch Fachkräfte ausgeübt wird. Vor allem in diesem Einrichtungen ist der „Zugang“ zu Kindern leichter. In dieser Verbindung lässt sich der Begriff der „Autoritätsmacht“ auffinden. Diese Macht basiert also auf professionelle Gegebenheiten, die in einem begrenzten Zeitraum gegenüber Schutzbefohlenen zur Verfügung gestellt wurde. 16 Zusätzlich zur generellen Unterlegenheit von Kindern, kommen institutionelle Regeln und Strukturen mit vorhandenen Hierarchien. Das bestehenden Machtgefälle wird noch verstärkt. Sexuelle Gewalt ist aber nicht nur durch Fachkräfte direkt vorzufinden. Jene Professionelle können auch Dritte dazu zwingen, diese Gewalt auszuüben, bspw. dass ein Jugendlicher ein jüngeres Kind missbrauchen soll. 14 vgl. Banaschak 2020 (Internetquelle) 15 vgl. UBSKM zit. nach Statista 2019 16 vgl. Ferring / Willems 2014, S. 14 ff. 5
Täter*innen kennzeichnen sich meist dadurch, dass sie unter Kolleg*innen oder Eltern / Erziehungsberechtigten besonders beliebt sind und nach außen als sehr unscheinbar und vertrauenswürdig gelten. Kinder, die schon vorbelastet sind oder anderweitig beeinträchtigt sind, sind meist häufiger betroffen, da sie ein besonderes Bedürfnis an Nähe zeigen. Anders lässt sich der Missbrauch auch als Bestrafung, meist in Verbindung mit anderen psychischen und physischen Gewalttaten, kategorisieren. Aktuelle Zahlen lassen sich in keiner zufriedenstellenden Weise finden. Da aber feststeht, dass 60% der Täter*innen aus dem Umfeld stammen, ist anzunehmen, dass jegliche Institutionen einen weiträumigen Ort für Missbrauchshandlungen darstellen. Diese Annahme lässt sich zusätzlich mit dem Punkt begründen, dass Kinder die meiste Zeit in Kitas, Schulen oder sonstigen freizeitlichen Einrichtungen verbringen, die Wahrscheinlichkeit des Übergriffs also hoch ist. … peer-to-peer Hier dreht es sich um die sexuelle Gewalt unter Gleichaltrigen. Da der Übergang von einvernehmlichen zu ungewollten Handlungen meist fließend ist, werden Übergriffe in dieser Systematik meist nicht erkannt oder bagatellisiert. Sogenannte „Doktorspiele“, die von Erwachsenen als normale Erkundung des Körpers angesehen werden, können für das Opfer Qualen bedeuten und zusätzlich in Traumafolgen enden.17 Nach Gordon und Schroeder ist die sexuelle Kontaktsuche zu Gleichaltrigen schon ab einem Alter von 2 – 3 Jahren normal und gilt als Exploration. Übergriffiges und auffälliges Sexualverhalten unterteilen sie in drei Gruppen – fraglich kritisches Verhalten, kritisches Verhalten und alarmierendes Verhalten.18 1) Unter fraglich kritischen Verhaltensweisen sehen Gordon und Schroeder beispielsweise die gehäufte Beschäftigung und Kommunikation, auch mit Gleichaltrigen, mit Sexualität. Interesse an dem Körper anderer und das Berühren im bekleideten Zustand zählt darunter. 17 vgl. Fegert u.a. 2015, S. 384 ff. 18 vgl. Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, S. 5 ff. (Internetquelle) 6
2) In der nächsten Kategorie erscheint schon das Berühren von Genitalien und das gewaltsame Zeigen derer, das Einführen von Gegenständen, intensive Selbstbefriedigung oder das Anbieten von sexuellen Handlungen. 3) Penetration aller Arten (vaginal, oral, anal) von Tieren, anderen Kindern oder Puppen, die Nachahmung von Geschlechtsverkehr und direkte sexuelle Handlungen an jüngeren Kindern zählen dabei als alarmierende Verhaltensweisen. Erkennbar ist, dass sich die sexualisierte Gewalt unter Gleichaltrigen nicht unbedingt unterscheidet von jener durch Erwachsene.19 Kinder unter 14 Jahren, die im Strafrecht sowieso als strafunmündig gelten, werden auch nicht direkt als „Täter“ bezeichnet. Der Begriff „sexuell übergriffige Kinder“ soll eine Kriminalisierung verhindern. Eigene Missbrauchserlebnisse oder unangemessene Erfahrungen mit erwachsener Sexualität durch die Eltern oder Pornografie können übergriffiges Verhalten begünstigen. Negative Bindungserfahrungen, Missbrauchserlebnisse oder eine schwache Nähe-Distanz-Regulation können Risikofaktoren in Bezug auf potenzielle Opfer darstellen.20 … in organisationeller und ritueller Form Diese beiden Formen der Gewalt gehen meistens Hand in Hand. Innerhalb solcher mafiaähnlichen Strukturen wird gezielt und geplant psychischer, körperlicher und sexualisierter Missbrauch im Sinne eines Glaubenssystems ausgeübt21. Die ritualisierten Verhaltensweisen und Gewaltanwendungen stehen zusätzlich im Bezug zur kommerziellen Ausbeutung, wie beispielsweise Kinderpornografie (auch: Kinderfolterdokumentation) und Kinderprostitution. Das System wird auch als „Milliardengeschäft“ bezeichnet22. Das Glaubenssystem setzt sich aus der Annahme zusammen, über anderen Menschen zu stehen, die „eigentlichen Herrscher der Welt zu sein“. Täter*innen glauben, dass es 19 vgl. Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, S. 6 (Internetquelle) 20 ebd., S. 9 21 vgl. Igney, Trauma & Gewalt 2019, S. 104f. 22 vgl. Huber 2020, ab Minute 18:05 (Internetquelle) 7
gut für das System ist, solche Gewalt auszuüben und dadurch eine Berechtigung erhalten zu haben. Zugang zu solchen Autoritäten fanden die Kinder häufig über die Eltern, zum Teil, weil diese sich schon dort befanden. Um diese Kommerzialisierung zu „perfektionieren“, Opfer an die Gruppe zu binden und die Gruppenstruktur zu schützen, bedienen sich Täter*innen der Manipulation, einfacher Lernpsychologie und der Bewusstseinskontrolle. Das Konzept bzw. die Fähigkeit der Dissoziation (siehe „Traumafolgestörungen“) wird speziell genutzt. Ziel ist es damit letztendlich „funktionsfähige“ Anhänger zu strukturieren, die denken, alles geschehe zu ihrem Wohlergehen. In einem Forschungsprojekt der Aufarbeitungskommission zu sexuellem Kindesmissbrauch in organisierten und rituellen Gewaltstrukturen lässt sich festhalten, dass 91% der Teilnehmer*innen dissoziative Persönlichkeitsanteile entwickelten23. Techniken beinhalten z.B. individuelle lebensbedrohliche Folter bis die Widerstandskraft des Opfers bricht, der Überlebenswille stark einsetzt und es dissoziiert. Da die Täter*innen Profis sind, erkennen sie eine Dissoziation, greifen ein und die abgespaltene Persönlichkeit bekommt eine Identität. So können einzelne Anteile auf die Art und Weise trainiert und geformt werden, dass sie strukturerwünschte Aufgaben erledigen, beispielsweise widerstandslos der Prostitution nachgehen24. Für Betroffene ist ein Ausstieg oft schwer und die Hürden sind groß. Es besteht eine starke Abhängigkeit zu den Täter*innen und teilweise fehlen ihnen die Beweise, um sich mittels Strafverfolgung zu schützen. „Dir glaubt ja eh keiner“ ist dann nicht nur eine Manipulation, sondern wird zur Realität. Die fehlenden Beweise entstehen exemplarisch durch die sogenannte „weiße Folter“, also maximal stressauslösende Foltermethoden, die körperlich dann nicht erkennbar sind. Unter diese Folter fallen Scheinhinrichtungen, Schlafentzug oder auch Waterboarding25. 23 vgl. Aufarbeitungskommission 2021, S. 13 24 vgl. Youtube-Kanal Lunis EinTraumApartment 2020 (Internetquelle) 25 vgl. Trube 2019 (Internetquelle) 8
… in der digitalen Welt Durch die zunehmende Digitalisierung erhalten auch Kinder mehr und einfacheren Zugang zu Smartphones, Apps, Internet. Menschen, die Interesse daran haben, sich jener Altersgruppe zu nähern, bekommen dadurch neue Möglichkeiten. „Das Smartphone wird zum Tatwerkzeug“. Sexueller Kindesmissbrauch im Netz hat mehrere Seiten und ist ein komplexes System, welches sich schwer in einzelne Segmente isolieren lässt. Formal legale Handlungen sind zum Großteil eng verstrickt mit schwer strafrechtlich relevanten Taten. Einen Graubereich bilden normale Kinderfotos. Täter*innen nutzen Fotos, die privat, von beispielsweise Eltern, im Internet gepostet wurden, kopieren diese und setzen sie auf Seiten von sogenannten „Boy- und Girl-Lovern“. Fotos, die Kinder direkt sexualisieren, also den Intimbereich inszenieren und Posen aufzeigen, sind dort allerdings auch aufzufinden.26 Abbildung 2: Franke/Graf 2016 nach Taylor et al. 2001 Eine inhaltliche Bewertung kann nach der COPINE-Skala27, welche in der Abbildung 2 dargestellt ist, erfolgen, die die sexuelle Explizität und Gewalt in zehn Stufen unterteilt28. Unter den Postings können dritte Täter*innen Kommentare schreiben, teilweise als Pornografie in Textform oder als Anfragen, „das Kind für sich haben zu dürfen“. Die 26 vgl. Das Erste 2019, ab Minute 1:30 (Internetquelle) 27 „Combating Paedophile Information Networks in Europe“ 28 vgl. Franke / Graf 2016, S. 88 9
Kommentarfunktion wird weiter auch genutzt, um den Weg auf Hardcore-Seiten zu eröffnen, auf denen Material direkter Kinderfolterdokumentation zu finden ist.29 Täter*innen, die sich mit Kinderfotos beschäftigen, lassen sich auch in Typen unterscheiden. Die eine Gruppe empfindet eine persönliche Bindung zum Kind, sieht es als „rituellen Partner“ an. Die andere Gruppe sind sogenannte zwanghafte Sammler, die stets auf der Suche nach neuen Bildern sind, massenhaft Daten kopieren und nach dem Prinzip „habe ich, habe ich nicht“ filtern.30 Ein weiteres Spektrum beinhaltet das Cybergrooming, also die direkte Kontaktsuche zu Kindern im Online-Bereich. Hier können Apps, wie Instagram, oder sogar Computerspiele genutzt werden. In Deutschlang pflegen allein 730.000 Erwachsene sexuelle Onlinekontakte zu Kindern. Diese werden unter verdeckten, vermeintlich gleichaltrigen, Identitäten angeschrieben. Vor allem beim gemeinsamen Spielen passiert ein unweigerliches Vertrauensverhältnis. Fast jedes sechste Kind wird in Online-Spielen mit sexuellen Kontaktversuchen konfrontiert. Täter*innen versuchen die Kinder mittels normal wirkender Gespräche auf andere Messengerdienste, wie Snapchat, Whatsapp oder Kik, zu locken. Dort gehen sie dann einen Schritt weiter, versuchen sich mit den Kindern persönlich zu verabreden oder verlangen nach Bildern, Videos oder Webcam-Treffen.31 Die Motivation liegt bei Täter*innen in der sexuellen Befriedigung in einem vermeintlich legalen Rahmen. Vor allem, wenn Kinderfotos als normale Fotos deklariert sind oder keine konkreten Missbrauchshandlungen stattfinden durch einfache Gespräche. Der Bereich der Kinderpornografie beginnt schon beim oben genannten Graubereich und findet sein Extrem im direkten Missbrauch mit diversen Vervielfältigungsmöglichkeiten. Die Zahl der Seiten, die diese Inhalte tragen, lag 2017 bei 80.000.32 Es lassen sich drei verschiedene Deliktmechanismen feststellen – 1) die Produktion, der Konsum und die Verbreitung, 2) Cyber-Grooming und 3) die Bildung von Täternetzwerken.33 Grundsätzlich werden die Mechanismen in den Rahmen der Hands- Off-Delikte eingeordnet, da kein Körperkontakt benötigt wird. Die Strafverfolgung stellt 29 vgl. Das Erste 2019, ab Minute 17:15 (Internetquelle) 30 ebd., ab Minute 7:02 31 ebd., ab Minute 21:15 32 vgl. Huber 2019, S. 135 (Internetquelle) 33 vgl. Franke / Graf 2016, S. 90 10
sich allerdings als schwierig heraus, da sich das Netz international ausbreitet. „Länder mit weniger strikten Strafverfolgungsgrundlagen sind häufig Produktionsorte für Missbrauchsabbildungen“34. Erkennungsmerkmale und Symptomatik Da Kinder eher nicht über ihre Erfahrungen sprechen, da sie vom Täter oder der Täterin zum Schweigen alarmiert wurden oder Scham und Schuld empfinden, ist es wichtig, auf Symptomatiken zu achten. Jedes Kind zeigt andere Auffälligkeiten, dennoch gibt es Gemeinsamkeiten, die auf sexuellen Missbrauch aufmerksam machen können. Sie sind allerdings kein Garant dafür und können auch andere Ursachen haben. - Plötzliche Verhaltensänderungen, vor allem aggressive Tendenzen - Leistungsabfall z.B. in der Schule - Rückfall in Verhaltensmuster aus früheren Jahren, z.B. Einnässen - Rückzug, kein Näheempfinden mehr - Klammern an die Bezugsperson - Konzentrationsstörungen - Schlafstörungen und Albträume - Angst, allein zuhause zu bleiben - Unangemessenes sexuelles Verhalten - verändertes Essverhalten, z.B. zu viel oder zu wenig essen … können Anzeichen sein. Medizinische Befunde gibt es kaum, da vor allem Täter*innen im nahen Umfeld und bei Wiederholungsabsicht aufpassen. 35 Sollten Kinder sich trotz Angst an jemanden wenden, ist es wichtig zuzuhören. Mit einer großen Wahrscheinlichkeit denken sie sich so etwas nicht aus. 34 vgl. Franke / Graf 2016, S. 88 35 vgl. UBSKM (Internetquelle) 11
Traumafolgestörungen Nicht jedes traumatische Ereignis zieht eine Folgestörung mit sich. Ein Trauma zieht bei Kindern schwerere Folgen nach sich, da es die komplette Entwicklung stören kann. „Entwicklungsaufgaben wie sich an die Schule gewöhnen, sich von Eltern zu lösen, Selbstkonzept und Persönlichkeit auszubilden und weitere zentrale Entwicklungsaufgaben werden durch Traumatisierung eingeengt“36. Im Gesamten führt dies also zu weiteren Störungen und Konflikten. Die Ausprägung der Folgen wird nicht nur von der Schwere des Traumas bestimmt. Auch die jeweiligen psychischen, kognitiven, körperlichen und emotionalen Entwicklungsstände sind entscheidend. Beispielsweise zeichnen jüngere Kinder ihr Trauma öfter in Spielen ab. Generelle Symptome können z.B. Schlafstörungen, Trennungsängste, Reizbarkeit oder Konzentrationsschwierigkeiten sein. Beobachtbar ist auch ein Rückfall in Verhalten innerhalb eines jüngeren Alters, beispielsweise Einnässen oder Baby-Sprache. Ältere Kinder zeigen vermehrt dissoziative Zustände, Depressionen, Aggressivität, selbstverletzendes Verhalten, Suizidgedanken und auch Schlaf- und Konzentrationsstörungen.37 Kennzeichnend ist, dass Traumafolgestörungen mit einer hohen Komorbiditätsrate einhergehen. Komorbidität bezeichnet, dass neben den Grunderkrankungen noch weitere Begleiterkrankungen vorliegen. Depressionen, Störungen bezogen auf Angst, Sucht, Essverhalten, Persönlichkeit und Somatisierung sind, bezogen auf ein Trauma, die häufigsten komorbiden Erkrankungen. Eine Ausprägung bei Kindern ist auch in diesen Formen wieder vom Alter abhängig und unterscheidet sich von der Ausprägung bei Erwachsenen. Meistens werden diese Erkrankungen auch im Vorfeld diagnostiziert, bevor ein Trauma erkannt wird.38 36 vgl. Dixius 2019, S. 17 37 ebd., S. 18ff 38 ebd. 12
Posttraumatische Belastungsstörung Schon ab dem dritten Lebensjahr können Kinder eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) entwickeln, wobei die Literatur teilweise auch von einer Entwicklung ab 0 Jahren spricht. Es wird davon ausgegangen, dass sie diese selbst bei verbaler Vermittlung traumatischer Erlebnisse, z.B. durch Erzählungen oder Bilder, bilden können. Je nach Alter und kognitiver Beschaffenheit, variieren die Symptome. Grundlegend lassen sich die Struktur bei Erwachsenen und Kindern vergleichen, Besonderheit sind dennoch gegeben. Das DSM-5 unterscheidet hier Symptomatiken bei Kindern unter 6 Jahren und von 6-14 Jahren. Lange Zeit gab es diese Unterscheidung nicht, eine PTBS bei Kindern und Jugendlichen wurde ausgeschlossen. Erst 2013 gab es eine vollständige Integration im DSM. Kinder (im Alter von 6-14 Jahren) mit einer PTBS empfinden so häufig das Erlebnis spielerisch nach und zeigen das in wiederholter Form. Dafür wird sowohl Spielzeug verwendet, als auch in Rollenspielen mit anderen Kindern ausgeübt. Teilweise kann es zu einem Verlust schon erworbener Fähigkeiten kommen und die Betroffenen nässen wieder ein oder nutzen sprachliche Merkmale aus früheren Lebensjahren. Weiterhin können Kinder neue Ängste entwickeln, wie z.B. die Angst vor der Dunkelheit oder einem Monster unter dem Bett. Aggressives und selbstschädigendes Verhalten spielt auch eine Rolle, wobei die Selbstschädigung eher im höheren Altersbereich zu finden ist.39 Wie auch oben genannt, erleben Betroffene bei dieser Störung einen Verlust der Zukunftsperspektive. Sie denken, die Schule nicht mehr abzuschließen, noch lange am Leben zu bleiben oder später ein Leben mit Familie zu führen. Speziell bei Kindern unter sechs Jahren ergab sich, dass Auslöser für die Störung eine Traumatisierung durch die erste Bindungsperson darstellt. Zusätzliche Symptome können hier eine Änderung des Essverhaltens, Schlafverhaltens und ein Verlust positiver Empfindungen sein.40 Sexuelle Traumatisierungen besitzen gegenüber anderen Traumata ein 6- bis 7-fach höheres Risiko an einer PTBS zu erkranken, wobei Mädchen eher betroffen sind als Jungen41. 39 vgl. Maercker 2019, S. 413 40 ebd., S. 413f. 41 ebd., S. 417 13
Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung und Borderline Persönlichkeitsstörung Die Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (KPTBS) und die Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS) hängen stark miteinander zusammen. Bei beiden ist davon auszugehen, dass schwere, vom Menschen verursachte, Traumata in der frühesten Kindheit der Ursprung sind. Zu 80% weisen beide Störungen die Kriterien der jeweils anderen auf. Sack und Hofmann beschreiben sechs Störungsbereiche, die die KPTBS umfasst42: 1) Beziehungsstörungen Dass wenigstens eine Bindungsperson vorhanden ist, ist generell bei der Ausprägung einer Folgestörung sehr wichtig. Kommt es zu interpersonellen Traumata, wie zum sexuellen Missbrauch, ist das meist nicht gegeben. Misstrauen, Unsicherheit und ein unausgebildetes Nähe-Distanz-Verständnis prägen künftige Beziehungsgestaltungen. Die Beziehungsfähigkeit wird stark beeinträchtigt. Sexuelle Gewalt geht damit einher, dass kindliche Grundbedürfnisse von Nähe und Geborgenheit missachtet bzw. „anders gekoppelt“ werden. Das Verständnis wird verändert. So kann der Missbrauch dazu führen, dass der dieser als Zeichen von Liebe angenommen wird oder einfache Näherungen mit Schmerz verbunden sind. „So entwickelt es [das Kind] meist einen desorganisierten Bindungsstil, welcher von Vermeidung sozialer Kontakte und gleichzeitig von der Tendenz der Reinszenierung geprägt ist“43. Weiterhin ist charakteristisch, dass der Bindungsstil sehr widersprüchlich ist. Einerseits wünschen sich Betroffene eine Bezugsperson, werden aber ständig von ihren unsicheren, ängstlichen Empfindungen eingeholt. Durch die in der Literatur beschrieben als „erfolgslose Suche“ kommt es zu einem vermehrten Rückzug. Von einer Störung wird dann gesprochen, wenn ein abweichendes Bindungsverhalten länger als ein halbes Jahr besteht. Solches abweichendes Verhalten kann sich in vier Richtungen zeigen. Das Kind ohne Bindungsverhalten zeigt keine Reaktionen bei Bindungsbrüchen. Bei einem übermäßigem Bindungsverhalten zeigt sich eine Abhängigkeit mit starker Panik bei Verlust. Der Unfall-Risiko-Typ gefährdet sich häufig selbst, um Zuwendung zu erhalten. Innerhalb der Parentifizierung übernehmen die 42 vgl. Molina 2018, S. 34ff. 43 ebd., S. 36 14
Kinder meist die Rolle der Elternteile und verzichten auf eigene Bedürfnisse. Dieser Typ ist auch viel bei Kindern nach sexueller Gewalt zu verzeichnen.44 2) Affekt- und Impulsregulationsstörungen Diese Störung geht mit einem Kontrollverlust über wahrgenommene Gefühle einher. Schon geringe Triggerpunkte können zu starker Stimmungsschwankung und Anspannungsgefühlen führen. Die Person kann sich selbst also nur schwer emotional von gewissen Zuständen distanzieren, die Reaktionen sind impulsgesteuert. Aggressive Durchbrüche, Selbstverletzung oder schädigender Konsum von beispielsweise Drogen oder Alkohol sind hier zu verzeichnen. Ursächlich für diese Störung ist ein unsicheres Bindungsgefüge durch die erste Bindungsperson innerhalb der Kindheit. Sexueller Missbrauch in der Familie, oder weitläufiger, durch diese erste Bezugsperson, lässt sich damit demnach verknüpfen. Neurologische Entwicklungen, die für die Emotionsregulation verantwortlich sind, werden nach dem Trauma verhindert. Symptome sind zusätzlich eine gestörte Empathiefähigkeit, eine fehlende Persönlichkeitsintegration und Selbstwertregulation. 45 3) Dissoziative Störungen Dissoziationen können Teil einer integrierten KPTBS sein, in schwerer Form aber auch als isolierte Traumafolgestörung auftreten. Näheres wurde im nächsten Punkt beschrieben.46 4) Selbstbildstörungen Komplex traumatisierte tendieren dazu, sich selbst konstant als minderwertig und wertlos zu betrachten. Außerdem werden vermehrt Schuldgefühle, vor allem in Bezug auf die traumatische Situation, wahrgenommen. Betroffene sind der Meinung, selbst Schuld an dem Ereignis zu sein und es nicht anders verdient zu haben. In dem Zusammenhang wird auch ein erhöhtes Schamgefühl empfunden. 5) Somatisierung Die Somatisierung erfasst, dass bei Traumabetroffenen auch körperliche Schmerzen auftreten, für die es jedoch keine organische Ursache gibt. Dabei sind z.B. chronische 44 vgl. Molina 2018, S. 36ff. 45 ebd., S. 42ff. 46 ebd., S. 44 15
Erkrankungen, Erkrankungen im Verdauungssystem, Schwindel oder Herz- und Lungenbeschwerden am ehesten verbreitet. 6) Veränderung der Lebenseinstellung Hierbei verlieren jene Personengruppen ihre Werte und Überzeugungen, die vorher für sie einen Sinn und eine Bedeutung für ihr Leben gegeben haben. Hoffnungslosigkeit und Bedeutungslosigkeit dem Leben gegenüber sind bekannte Empfindungen Der Unterschied zur BPS liegt besonders auf der Beziehungsgestaltung. Borderline Patienten zeigen den „Ich hasse dich, verlass‘ mich nicht“ – Typus stark ausgeprägt. Sowohl Nähe als auch Distanz werden emotional nicht ausgehalten. Kriterien für die KPTBS, wie die Somatisierung oder die veränderte Lebenseinstellung, sind bei der BPS eher nicht aufzufinden. Dafür ist das chronische Gefühl der Leere ausschlaggebendes Kriterium im ICD-10 für die BPS.47 Dissoziative Störungen „Sowohl die ICD-10 als auch das DSM-5 verstehen unter Dissoziation einen psychophysiologischen Prozess, dessen wesentlichstes Charakteristikum in einer Desintegration der normalerweise integrativen Funktionen des Bewusstseins, des Gedächtnisses, der Identität, der Wahrnehmung der Umwelt sowie der Sensorik, Sensibilität und Motorik besteht“48. Es kommt also zu einer Abspaltung bestimmter Prozesse und Wahrnehmungen. Neben einer alltäglichen, nicht-pathologischen Ausprägung, findet sich die Dissoziation als Reaktion auf traumatischen, teilweise lebensbedrohlichen, Stress wieder. Die Neigung zu dissoziieren wird hauptsächlich im frühen Kindesalter erlernt und bildet damit für Kinder eine Schutzreaktion vor einer großen Gefahr oder Überforderung, beispielsweise gegenüber Gewalt von Erwachsenen49. Zu unterscheiden sind generell dissoziative Symptome und Störungen, wobei sich in diesem Abschnitt nur auf die Störungen bezogen wird. 47 vgl. Maercker 2019, S. 54f. 48 Priebe u.a. 2013, S. 10 49 vgl. Firus 2018, S. 44f. 16
Dissoziative Störungen können verschieden eingeteilt werden. Grundlegend lassen sie sich jedoch in 2 Kategorien einordnen – die Bewusstseinsstörungen und Konversionsstörungen50. Bewusstseinsstörungen beziehen sich auf die psychische Ebene und gehen mit einer Abspaltung von bspw. Zeiträumen erlebter Traumata, Orten, der eigenen Person oder sogar Persönlichkeitsanteilen einher. Die Abspaltung von Persönlichkeiten ist hierbei die schwerste Form der Dissoziation und wird als Dissoziative Identitätsstörung (DIS), vorher bekannt als Multiple Persönlichkeitsstörung, bezeichnet. Diese Form begleitet 0,5 – 1% der Allgemeinbevölkerung51 und geht auf schwerste Traumata in der Kindheit bis maximal zum 5. Lebensjahr zurück. Hier werden nochmal zwei Formen unterschieden – teilweise gespalten, innerhalb dessen ein Alltags-Ich noch gehalten werden kann, und das Vollbild, wo ein Alltags-Ich nicht erst gebildet werden konnte. Charakteristisch für die DIS ist, dass Teilbereiche der Persönlichkeit nicht zusammenwachsen. So können sich Identitäten bilden, die traumanahe Zustände verkörpern, Fantasieprodukte sind oder bewusst von außen eingeredet werden (siehe „organisierter und ritueller Missbrauch“). Die unterschiedlichen Persönlichkeitsanteile sind ohne therapeutische Hilfe meist füreinander amnestisch, nehmen sich also nicht wahr. Das kann sich dadurch äußern, dass eine „Vergesslichkeit“ besteht, Zeiträume oder Tätigkeiten einfach vergessen und nicht wahrgenommen werden.52 Die zweite Kategorie der Dissoziativen Konversionsstörungen bezieht sich auf die körperliche Ebene. Hier sind Bewegungsstörungen, Krampfanfälle und Empfindungsstörungen untergebracht. Diese Dissoziationen verkörpern beispielsweise Lähmungen, Seh- oder Hörstörungen oder „epileptische Anfälle“.53 50 vgl. Heedt 2017, S. 107 51 vgl. Firus 2018, S. 44 52 vgl. Huber 2020, ab Minute 2:35 (Internetquelle) 53 vgl. Heedt 2017, S. 111 17
Präventive Maßnahmen Unter Prävention wird ganz simpel die Vorbeugung möglicher Gefahren verstanden. Unterschieden werden sowohl Opfer- und Täter*innenprävention als auch die primäre, sekundäre und tertiäre Prävention. Unter der Primärprävention werden alle Maßnahmen eingegliedert, die der sexuellen Gewalt vorbeugen sollen. Ziel ist es, sie so früh wie möglich und langfristig einzusetzen, damit Kinder Fähigkeiten zum Umgang entwickeln können. Präventive Möglichkeiten sind hier vorrangig die Aufklärung von Kindern, aber auch Erziehungsberechtigten und Personal. Schutzkonzepte von Einrichtungen, gesellschaftliche Sensibilisierung oder Präventionsprogramme in der direkten Arbeit mit möglichen Betroffenen zählen auch darunter. Innerhalb der sekundären Prävention werden Maßnahmen getroffen, die schon bestehende sexuelle Gewalt beenden können. Eine Sensibilisierung auf Symptomatiken findet statt und die Förderung, möglichst frühzeitig einzugreifen. Der tertiäre Bereich beschäftigt sich mit der Aufarbeitung geschehener Gewalttaten. Betroffene sollen vor erneuten Übergriffen geschützt werden und z.B. therapeutische Hilfen erhalten.54 In dem präventiven System wird darauf hingewiesen, dass „Prävention nach den Adressaten unterteilt werden“55 sollte. Angefangen bei potentiellen Opfern, bei denen die Förderung des Selbstschutzes an oberster Stelle steht. Potentielle Täter sollten im Umgang mit Kindern unterstützt werden, Mitarbeiter pädagogischer Einrichtungen sollten Verhaltensrichtlinien erhalten und die Aufklärung von Missbrauchstaten sollen auch mit Bezugspersonen oder weiteren Einrichtungen erfolgen. Es wird deutlich, dass eine Mehrdimensionalität der Prävention vorliegt, also das Gebiet weitläufiger zu beachten ist und mit mehreren Menschen- und Berufsgruppen zusammengearbeitet werden muss. Schaut man allerdings in die Forschung, machen Jud und Kindler im Rahmen einer Übersicht zum deutschlandweiten Forschungsstand deutlich, dass noch viel Arbeit betrieben werden muss. Stand Dezember 2019 liegen nur drei Studien vor, die eine Veränderung von sexuellen Übergriffen durch präventive Maßnahmen und die Hilfesuche nach der Tat darstellen.56 Vor allem fehlen Daten zu Schutzkonzepten. Zum 54 vgl. Bayrischer Jugendring 2004, S. 6ff. 55 vgl. Chodan / Reis / Hässler in Trauma & Gewalt 2015, S. 97 56 vgl. Jud / Kindler 2019, S. 18 18
Beispiel, inwieweit ein tatsächlicher Rückgang von Übergriffen zu verzeichnen ist, spezieller unter welchen Umständen.57 Gestützt wird sich innerhalb Präventionsmaßnahmen also vorrangig auf vorangegangenes Wissen, welches die Grundlage bilden soll. Jedoch nicht auf empirische Befunde zu wirksamer Prävention vor sexuellem Kindesmissbrauch. Im Zusammenhang gibt es dennoch zahlreiche Programme und Konzepte, um das Kindeswohl zu schützen, sowohl auf Opfer als auch auf Täter*innen bezogen. Fortführend werden ausgewählte, großflächigere Maßnahmen vorgestellt, wobei die Konzentration auf der Opferprävention liegt. Gesamtkonzept des Bundesfamilienministeriums Um Kinder und Jugendliche vor sexueller Gewalt zu schützen, hat das Bundesfamilienministerium im September 2014 ein Gesamtkonzept errichtet. Dieses sollte Veränderungen in fünf Bereichen erwirken. Es wurde sich auf Empfehlungen des Runden Tisches „Sexueller Missbrauch“ und den Aktionsplan 2011 zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung berufen.58 1) Strafrecht und Strafverfolgung Hier gab es im November 2016 schon Veränderungen. - Verlängerung der Verjährungsfrist - Klarstellung von Strafbarkeitslücken - Verbesserung der Ermittlungsmöglichkeiten gegen Kinderpornografie 2) Schutz und Begleitung im Strafverfahren Der Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung wurde 2017 beschlossen, womit eine Belastbarkeit der jungen Betroffenen verringert werden kann. Zusätzlich ist eine engere Zusammenarbeit von Jugendämtern und Ermittlungsbehörden angedacht worden. 57 vgl. Jud/Kindler 2019, S. 19 58 vgl. BMFSFJ 2018 (Internetquelle) 19
3) Recht auf Schutz vor sexualisierter Gewalt Durch einen Anspruch auf Beratung von Kindern und Jugendlichen, auch ohne elterliche Zustimmung / Einweihung, sollen Kinderrechte gestärkt werden. Auch Schutzkonzepte und Initiativen sollen ausgebaut und integriert werden. 4) Beratung, Hilfen und Therapie für Betroffene Um eine kompetente Beratung zu gewährleisten, wurde 2017 die Bundeskoordinierung Spezialisierter Fachberatung (BKSF) als politische Vertretung und Informations- und Servicestelle eingeführt. Zusätzlich sollten das Hilfesystem und die Zugänge dazu optimiert werden. Dies gilt für Opfer, sowie für Täter. 5) Schutz in den digitalen Medien Das Netzwerk „Keine Grauzonen im Internet“ kümmert sich um die Bekämpfung von sexueller Ausbeutung und schaut auf Grauzonen. In Kooperation mit jugendschutz.net werden auch Gegenstrategien entwickelt und weiteres Wissen zur Optimierung angesammelt. Täter*innenprävention am Beispiel „Kein Täter werden“ „Kein Täter werden“ ist ein deutschlandweites Behandlungsangebot für Menschen, die sich sexuell zu Kindern angezogen fühlen, also von Pädophilie oder Hebephilie betroffen sind. So soll verhindert werden, dass direkte oder indirekte sexuelle Übergriffe entstehen. Pädophilie und Hebephilie bilden sexuelle Präferenzstörungen und zeigen sich in der „sexuellen Ansprechbarkeit auf Kinder, die sich in der körperlichen Entwicklung vor Einsetzen der Pubertät (Tanner-Stadium I) bzw. in einem frühen Stadium der Pubertät (Tanner-Stadien II und III) befinden“59. Dabei bezieht sich die Pädophilie auf das Tanner-Stadium I, die Hebephilie auf die Tanner-Stadien II und III60. 59 vgl. Beier 2018, S. 2 20
Abbildung 3: Schneider / Jacobi / Thyen 2020 nach James M. Tanner Die benannten Tanner-Stadien, die in Abbildung 3 dargestellt sind, wurden 1969 von einem englischen Arzt beschrieben und benennen die sichtbare körperliche Entwicklung in der Pubertät bei Jungen und Mädchen.61 Eine Diagnose für solche Störungen kann schon ab dem 16. Lebensjahr erfolgen. Die Kriterien werden allerdings nur erfüllt, wenn zusätzlich die betroffene Person mindestens 5 Jahre älter als das jeweilige Kind beziehungsweise die jeweiligen Kinder sind. Jene Formen sind zusätzlich nochmal in exklusive und nicht-exklusive Ansprechbarkeiten zu unterscheiden. Zu der exklusiven Kategorie gehören die „reinen“ Formen und weiterhin die Pädo-Hebephilie, also die Präferenz zu allen drei Stadien. Die nicht-exklusive Kategorie beinhaltet Mischformen der Pädo-Teleiophilie, Hebe- Teleiophilie und Pädo-Hebe-Teleiophilie. Die Präferenz liegt dann auch innerhalb erwachsenen Körperschemata (Teleiophilie).62 Wie eine derartige Störung entsteht, ist noch nicht sehr deutlich. Teilweise wird aber von einem bio-psycho-sozialen Konstrukt ausgegangen, die Genetik kann also auch eine Rolle spielen. 61 vgl. Schneider / Jacobi / Thyen 2020, S. 74f. 62 vgl. Beier 2018, S. 3ff. 21
Vorrangig sind Männer von der Störung betroffen, in Deutschland ca. 250.000. Von der Gesellschaft wird der Kindesmissbrauch und die Pädophilie/Hebephilie gleichgesetzt. Dennoch ist zu erwähnen, dass nicht alle Betroffenen strafrechtlich tätig werden. 50-60% der Täter*innen von sexueller Gewalt an Kindern zeigt keine dahingehende Präferenz. Allerdings ist das Risiko, zum Täter oder zur Täterin zu werden definitiv höher, wenn eine Neigung besteht. Häufig ist eine letztendliche Ausübung aber mit mehreren Faktoren verknüpft, wie z.B. Persönlichkeitsmerkmalen oder Stressoren. 63 Das Projekt existiert seit 2005 und pflegte seinen ersten Standort in Berlin. Mittlerweile gibt es mehrere Standorte mit dem Ziel weitere zu etablieren und ein flächendeckendes Angebot herzustellen. Mithilfe einer Therapie sollen Betroffene Unterstützung erhalten, mit der Neigung umzugehen und sie in ihre Person zu integrieren. Der Rahmen beläuft sich unter der Schweigepflicht und ist kostenlos. Generelle Kriterien, um an diesem Programm teilnehmen zu können, sind ein Mindestalter von 16 Jahren und die freiwillige Aufsuche. Voraussetzungen sind dabei, offen und ehrlich mitzuarbeiten und der Wille, keine Straftaten (mehr) zu begehen. Inwieweit Betroffene schon einmal strafrechtliche relevante Handlungen begangen haben, spielt keine Rolle in der Zusammenarbeit. Die ambulante Therapie, die wöchentlich innerhalb von verschiedenen Zusammensetzungen stattfindet, streckt sich über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren. „Sie integriert psychotherapeutische, sexualwissenschaftliche, medizinische und psychologische Ansätze sowie die Möglichkeit einer zusätzlichen medikamentösen Unterstützung“64. Die Sexualpräferenz soll keinesfalls negiert oder verdrängt werden. Es wird daran gearbeitet, die Neigung für sich zu akzeptieren und Strategien zu entwickeln jener nicht „nachzugeben“.65 „Der wichtigste Teil der Therapie war für mich, zwischen Fantasien und der Verantwortung für mein sexuelles Verhalten zu trennen. Ich kann es nicht verhindern, dass mich Kinder erregen, aber was ich tun kann, ist keinerlei sexuellen Kontakt mit Kindern zu haben.“ Jan, 29, Medienmanager66 63 vgl. Y-Kollektiv 2018, ab Minute 13:30 (Internetquelle) 64 vgl. Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ (Internetquelle) 65 ebd. 66 ebd. 22
„Trau dich!“ – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Bei „Trau dich!“ handelt es sich um eine Initiative in Verbindung mit dem Gesamtkonzept des Bundesfamilienministeriums. Zentrales Ziel ist auch hier, Kinder im Allgemeinen vor sexualisierter Gewalt zu schützen und die Gesellschaft darauf aufmerksam zu machen. Dabei sollen Kinder im Alter von 8 – 12 Jahren aufgeklärt und motiviert werden, sich nicht zu verstecken. Die Initiative spricht auch Eltern und Fachkräfte an, die ebenfalls aufgeklärt und für eventuelle Interventionen sensibilisiert werden sollen. Vor allem mit Schulen wird kooperiert, da dort die Zielgruppe verankert ist. Die Initiative wird von Fachkräften mehrerer Bereiche unterstützt und begleitet. So wurden drei Bausteine konzipiert, die alle Zielgruppen wirksam erreichen sollen. 67 1) Interaktives Theaterstück und begleitende Aktionen Das Theaterstück „Trau dich! Ein starkes Stück über Gefühle, Grenzen und Vertrauen“ setzt sich mit den Themen der eigenen Grenzen, wie diese klargemacht werden können und dem Anvertrauen von Gewalt gegenüber anderer Personen auseinander. In Verbindung mit der Theaterkompanie Kopfstand, welche sich auf Kinder- und Jugendtheater spezialisiert haben, werden Kinder der Zielgruppe also aktiv mit eingebunden und dazu motiviert ihre Gefühle und Grenzen ernst zu nehmen und sich für sich einzusetzen. Es werden die Geschichten von Paula, Vladimir, Alina und Luca erzählt, die im gleichen Alter sind und solch negative Erfahrungen erleben mussten / müssen. Mithilfe von Musik, Bildern, Videos und Erzählungen soll das Stück Identifikation und Botschaften vermitteln, die berühren und anstoßen sollen. Mitten im Stück wird das Publikum befragt, wie sich Hilfe geholt werden kann oder welche Gefühle das Kind der Geschichte wohl gerade durchlebt. Am Ende können die Mädchen und Jungen nochmal Fragen stellen oder in ein persönliches Gespräch mit den Darsteller*innen gehen. Da alles rund um das Theaterstück gemeinsam mit den Partnern geplant wird, können auch individuelle Anpassungen stattfinden. So werden Geschichten und Erfahrungen mit den jeweiligen Kindern erarbeitet, die dann die Grundlage für die Aufführung bilden. Neben der Aufführung gibt es allerdings noch weitere Materialien, Angebote und Fortbildungen für Schulen und Eltern. Die Nachbereitung wird als sehr wichtig 67 vgl. Trau dich! Informationsbroschüre vom BZgA 23
angesehen, damit erfahrene Informationen oder auch Gefühle verarbeitet und Grenzen gewahrt und weiterhin bewusst gemacht werden können. Übungen können spielerisch durchgeführt werden, um Inhalte zu vertiefen. So werden Spiele in verschiedene Themenbereiche unterteilt: a. Nähe und Distanz Beispiel: Engelchen und Teufelchen. Jedes Kind sucht sich zwei Personen aus, ein Engelchen und ein Teufelchen. Nach einem Klatschen sollen sie, durch Bewegung im Raum, ihrem Engelchen möglichst nahe kommen und ihrem Teufelchen möglichst fern sein. Nach einem weiteren Klatschen sollen alle stehen bleiben und es wird geschaut, wer die Aufgabe geschafft hat. Die Schwierigkeiten, die dabei entstanden sind, sollen die Kinder dann deutlich machen. b. Verschiedene Gefühle sammeln Beispiel: Gefühle sammeln Hier arbeiten die Kinder zu zweit. Innerhalb von ein paar Minuten sollen sie so viele Gefühle aufschreiben, wie ihnen einfallen. Diese sollen sie dann von negativ zu positiv ordnen. c. Nahe und distanzierte Beziehungen im nahen Umfeld erkennen Beispiel: Beziehungscluster Das ist eine Übung, die jeder Junge und jedes Mädchen für sich allein durchführt. Auf einem großen Blatt Papier schreiben die Kinder vorerst ihren Namen in die Mitte und umkreisen ihn. Nun schreiben sie Personen aus ihrem Umkreis auf das Blatt. Je nach Beziehung und Nähe zu ihnen, sollen sie zu ihrem Namen mehr oder weniger Abstand halten. So entsteht ein individueller sozialer Raum. Die Vertrauensperson kann dann noch markiert werden. d. Gute und schlechte Geheimnisse Beispiel: Streng geheim! Hier wird Vorbereitung der durchführenden Person benötigt. Es wird ein Brief geschrieben, der kindergerecht mitteilt, dass gute Geheimnisse bewahrt werden können und schlechte Geheimnisse erzählt werden sollten. Der Brief kommt dann in 24
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