Neuropsychologische Syndrome und ihre Relevanz für den pflegerisch-therapeutischen Zugang Ein Rundgang durch das Gehirn - Stephan Bohlhalter ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Neuropsychologische Syndrome und
ihre Relevanz für den pflegerisch-
therapeutischen Zugang
Ein Rundgang durch das Gehirn
Stephan Bohlhalter
Zentrum für Neurologie und Neurorehabilitation
Luzerner Kantonsspital LUKS
Wolhusen, 1.10.2014Kognitive Domänen 1. Frontal: Exekutive Funktionen (zentrale Kontrolle): - Antrieb, Aufmerksamkeit - Vorausschauendes Planen, abstraktes Denken, Problemlösen - Kognitive Flexibilität (Umstellfähigkeit) 2. Linkshemisphärisch: Sprache (Lesen, Schreiben, Rechnen) Rechtshemisphärisch: Raumverarbeitung 3. Posterior: Visuelle Erkennung (Objekte, Gesichter) 4. Medial: Gedächtnis
Neuropsychologische
Syndrome bei Hirnverletzung/degeneration
Exekutive Störung
1
Aphasie Neglekt
Alexie 4
2 2
Agraphie Amnesie
Visuo-konstruktive
Apraxie Störung
3
Agnosien
Nach Schnider, 200452j., w • Seit 2010 sozialer Rückzug, Distanziertheit, Partnerschaft- Probleme (sexuelle Affären), oft desorganisiert, verliert „roten Faden“, vergesslich, kauft zu viel Essen, kann Haushalt nicht mehr führen, auf Hilfe angewiesen, wiederholt verbal aggressiv, • Kinder zogen aus, Ehemann reichte Scheidung ein • Psychiatrische Hospitalisation (Pseudodepression) • Neuropsychologie (ZNN): perseverativ, ablenkbar, schwer dysexekutiv, auch Gedächtnis- und Sprachstörung
52j., w
stationäre Beobachtungen
• Körperpflege: enge Begleitung und Strukturhilfe nötig, konnte
Handlungsschritte selbständig nicht sinnvoll planen/umsetzen.
• Sprachtherapie: Sprachverständnis (häufig Missverständnisse),
auch Sprachproduktion (inhaltlich Perseverationen)
• Ergotherapie: fast unmöglich, neue Aufgaben zu erlernen, konnte
bei bekannten Aufgaben (Apfelwähe), Aufmerksamkeit für
begrenzte Zeit grob richten, aber benötigt Strukturhilfe, um die
Handlung zu Ende zu führen.72j., m • Seit ca. 1 Jahr immer weniger gesprochen, sozialer Rückzug, Antriebsarmut, keine Interessen mehr… • Ehem. Schiffs- und Auto-Experte, braucht Hilfe am Computer • Ehefrau: „früher sehr aktiv“, „man kenne ihn kaum mehr“
57j., w
Apraxie (gestörte Gesten)
videoAuswertung
0 1
http://tulia.ch/
Vanbellingen, 2011Wird von
Pflege
ausgefüllt
4
Vanbellingen, in VorbereitungApraxie: Störung der
gestischen Alltags-Kommunikation
Gestische Kommunikation (GKS)
r = 0.80,
p = 0.01
Apraxie (AST)
n = 30
Vanbellingen, in VorbereitungApraxie
(griech. Untätigkeit)
• höher geordnete (bilaterale) Störung von Gesten und
Objektgebrauch, predominant linkshemisphärische Läsionen
• Nicht erklärt durch elementar-neurologische bzw. andere
kognitive Störungen
• Meist assoziiert mit Aphasie
• Fehlertypen: inhaltlich (inadäquat), sequentiell (z. B. Kaffee
aufgiessen bevor Pulver im Filter), zeitlich-räumlich (zögerlich,
stotternd, räumliche Lokalisation, Handhaltung etc.)
Liepmann, 1920; Heilman, 1993; Haaland, 1996; Goldenberg 2009m, 79j., pensionierter Landwirt "apraktische Auffälligkeiten“, Kopfschmerzen
79j., Ankleide-„Apraxie“
VideoVisuell-räumliche Störung !
m, 64j., Architekt
m, 64j.
Schwerer Neglekt nach links
• Pflege: "rasiert nur die rechte Seite spontan, merkt nicht,
wenn von der Hemiseite angesprochen oder dreht den
Kopf zuerst auf die Gegenseite
vergisst li Arm beim Anziehen“
• Ergotherapie, Küche: "während der Handlung
vernachlässigt er völlig linken Raum und Körperhälfte,
schneidet sich mit der Schere in den Finger und bemerkt es
nicht…m, 64j. • Ergotherapie: „…hat Plan im Kopf, verliert in der Ausführung (mehrere Komponenten) den Überblick, braucht viel Struktur, um Handlung weiterführen zu können…“ • Physiotherapie: "erkennt Fehler und Gefahren nicht zuverlässig, fährt in Türkanten, Stühle und Tische auf der linken Seite… in neuen, unbekannten Situationen ist die linke Seite nicht vorhanden."
Neglekt links, dysexekutiv
13 min.82j., w, bisher selbständig
Akute Desorientiertheit, nicht paretisch
Pflegebericht:
„muss am Rollator
geführt werden, da sie
oft in Gegenstände fährt“
Pflegeheim-PlatzierungNeglekt
• Halbseitige Vernachlässigung
• Betrifft Wahrnehmung (eigener Körper, Aussenraum) und Motorik
• Predominant bei rechtshemisphärischen Läsionen für Raum links
• Häufig Anosognosie
• Klinische Untersuchung: häufig weniger sensitiv als Beobachtung
im Alltag (Pflege, Therapien)
• Prognostisch ungünstig für Rehabilitations Outcome
Schnider, 2004; Goldenberg, 200761j., w • Seit 1 Jahr visuelle Probleme (fährt nicht mehr Auto), Mühe Distanzen abzuschätzen, Lese- (trotz neuer Brille) und Schreibstörung, Gedächtnisverlust (Ehemann hatte Angst, sie alleine zu lassen) • Labor-Untersuchungen normal • MMSE 18/30 • NP: prominente visuell-räumliche Defizite, Gedächtnisstörung und Apraxie
61j., w
Form- und Simultanagnosie
„...Schwan“ „?...Tier, das „Katze“
am Boden
kriecht? “
„Rechen, Pinsel, Kessel...,
Lampe? Kleiner Mann?“
„K“ „U“61j., Form- und Simultanagnosie
Diagnose:
Posterior kortikale Atrophie (PCA)
PCA FTD61j., PCA video
Agnosien
• Störungen des Erkennens
• Simultanagnosie (dorsaler Pfad)
(globale Gestalt), uni/bilateral
assoziiert optische Ataxie
• Formagnosie (ventraler Pfad)
bilaterale Läsionen
• Prosopagnosie (Gesichter)
Schnider, 2004; Goldenberg, 200767j., m, selbständiger Elektroinstallateur
• Akute Gedächtnis- und Antriebsstörung (lässt alles liegen,
Bankschalter, reagiere emotional abgeschwächt etc.)
Tagesrehabilitation, Pflege:
“… wenig Eigeninitiative…
braucht Aufforderung“
Carlesimo et al., 2011Gedächtnisstörung: Adresstest (ACE-R) “… unsichtbare Behinderung…” Ehekonflikt
70j., Elektroingenieur • Gedächtnisprobleme (Termine, Gesprächsinhalte) seit 1-2 Jahren, von Ehefrau bestätigt, im Alltag beeinträchtigend • MMSE = 23/30 (Gedächtnis, 2 Pentagone), ACE-R 67/100 (
Fazit:
Bedeutung der Neuropsychologischen
Syndrome für Pflege und Therapie
• Häufig bei Hirnverletzungen Pohjasvaara , 1998; Barker, 2010
• Fokaler Beginn von Demenzerkrankungen
• Beobachtungen (Neglekt, Apraxie) und Assessments (z. B. GKS,
AST) der Pflege und Therapie diagnostisch wichtig
• Erschweren motorische Rehabilitation (z. B. motorisches Lernen,
Kommunikation), verlängern Hospitalisation Di Monaco, 2011, Buxbaum, 2008
• prädiktiv für ADL-Funktion/Pflegeabhängigkeit Paolucci, 1996; Goldenberg 2001
• langfristig bedeutend für Partizipationsfähigkeit Barker, 2010; Gadidi, 2011Sie können auch lesen