November 2021 Vladimir Jurowski - Rundfunk ...

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21. November 2021
Vladimir Jurowski
November 2021 Vladimir Jurowski - Rundfunk ...
2   BEETHOVEN – SINFONIE NR. 7

                                 Das Violinkonzert ist ja der Abschied Alban Bergs
                                 von dieser Welt, eine schmerzvoll-wehmütig-ergebene
                                 Sprache (die letzte), zu allem, was ihm hier lieb war,
                                 ein rein persönliches Bekenntnis seiner Beziehung zur
                                 Welt – zum Tod – zu Gott.

                                 Helene Berg, 12. August 1958
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4   PROGRAMM                                                                                                5

    21. November 2021                                 Jelena Firssowa
    Sonntag / 20 Uhr                                  (geb. 1950)
                                                      „Nacht in Appen“ für Orchester op. 186
    Philharmonie Berlin                               (Auftragswerk des RSB, Uraufführung)
    Abo-Konzert                                       › Moderato

                                                      Alban Berg
                                                      (1885 – 1935)
                                                      Konzert für Violine und Orchester
    VLADIMIR JUROWSKI                                 „Dem Andenken eines Engels“
    Daniel Hope Violine                               › Andante – Allegretto
    Ralf Sochaczewsky Assistent des Chefdirigenten    › Allegro – Adagio
    Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB)

                                                      Pause

                                                      Pjotr Tschaikowsky
                                                      (1840 – 1893)
                                                      Sinfonie Nr. 6 h-Moll op. 74 („Pathétique“)
                                                      › Adagio – Allegro non troppo
                                                      › Allegro con grazia
    Einführung von Steffen Georgi auf rsb-online.de   › Allegro molto vivace
                                                      › Finale. Adagio lamentoso

    Konzert mit                                       Jelena Firssowa ist Composer-in-Residence 2021/2022
                                                      des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin (RSB).

    Übertragung am 28. November 2021, 20.03 Uhr.
    Europaweit. In Berlin auf UKW 89,6 MHz;
    Kabel 97,55; Digitalradio (DAB); Satellit;
    online und per App.
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    Steffen Georgi

    Weiblich, natürlich

                                     „Gewöhnlich bedeutet Kompo-
    Jelena Firssowa                  nieren für mich Selbstvertiefung,
    „Nacht in Appen“ op. 186         Berührung mit der Schönheit,
                                     Verbindung zur immateriellen
    Besetzung                        Welt. Komponisten – natürlich
    3 Flöten (3. auch Piccolo),      nicht alle – haben viel mit Pries-
    3 Oboen, 3 Klarinetten, Bass­    tern und Gärtnern gemeinsam.“
    klarinette, 3 Fagotte, Kontra­   Diese Selbstreflexion stammt
    fagott, 4 Hörner, 3 Trompeten,   von der russischen Komponistin
    3 Posaunen, Tuba, Pauken,        Jelena Firssowa. Sie passt über-      Jelena Firssowa
    Schlagzeug, Streicher            raschend gut zu einem Bekennt-
                                     nis ihrer eine Generation älteren
    Dauer                            Kollegin Sofia Gubaidulina: „Es       für typisch männliche Eingriffe in   Das Vertikale muss in ein Hori-
    ca. 20 Minuten                   gibt Komponisten, die ihre Werke      die Welt.                            zontales verwandelt werden. Erst
                                     sehr bewusst bauen, ich zähle         „In mir finde ich eine sehr aus-     danach habe ich gelernt, über-
    Verlag                           mich dagegen zu denen, die ihre       geprägte Weiblichkeit... Ich er-     haupt richtig zu leben.“ (Sofia
    Sikorski,                        Werke eher ‚züchten’. Die von         innere mich, wie es mir als junger   Gubaidulina)
    Internationale Musikverlage      mir verinnerlichte Welt bildet        Mensch ging. Es war für mich
    Hamburg                          gleichsam die Wurzeln eines           sehr schwer, meine Gedanken
                                     Baumes, die daraus gewachsene         in Worten zu formulieren... Alle     Wer trommelt den da?
    Entstehung                       Komposition seine Zweige und          meine Gedanken hatte ich gleich-
    2020/2021                        Blätter. Man kann sie zwar als        zeitig in mir, sie bildeten einen    Das neue Werk von Jelena Firsso-
                                     neu bezeichnen, aber es sind          vertikalen Gedankenbau... Ein        wa, diesjährige Composer-in-Re-
    Uraufführung                     eben dennoch Blätter, und unter       Mann hat es einfach und klar, er     sidence beim Rundfunk-Sinfonie-
    21. November 2021, Berlin        diesem Gesichtspunkt sind sie         hat eine horizontale Linie in sei-   orchester Berlin (RSB), welches
    Vladimir Jurowski, Dirigent      immer traditionell, alt.“ Sofia       nen Gedanken... Mein Bewusst-        heute Abend zur Uraufführung
    Rundfunk-Sinfonieorchester       Gubaidulina und Jelena Firssowa       sein hat viel Dunkles in sich...     kommt, ist Sofia Gubaidulina ge-
    Berlin                           verbindet, dass sie ihre Werke lie-   Und mein vertikales Denken           widmet. Jelena Firssowa erzählt
                                     ber wachsen lassen, statt sie zu      stammt aus meiner weiblichen         die Umstände, die zur Entstehung
                                     bauen. Das hat viel mit Natur zu      Natur. Nur mit großer Selbstüber-    der Komposition geführt haben:
                                     tun, mit Respekt vor dem Leben-       windung habe ich gelernt, mich       „Einmal, sehr spät im Herbst, ver-
                                     digen, weniger mit Kultur, jenem      in der obersten Schicht meiner       brachte ich eine Woche bei Sofia
                                     Begriff, der oft strapaziert wird     Vertikalität zu konzentrieren...     Gubaidulina in ihrem Haus in dem
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8   JELENA FIRSSOWA – „NACHT IN APPEN“                                                                                                                   9

    kleinen Dorf Appen. Als ich in der    Herbstlieder                         glocken vermischt hat, der aus      Anmaßung aus, um Aufführungen
    ersten Nacht zu Bett ging, hörte                                           dem nächsten Dorf herüberkam,       in der Sowjetunion zu verhindern,
    ich, kurz nachdem ich die Augen       Von ihren frühesten Arbeiten         unterbrochen von leisem Regen.      Notenversand zu verschleppen
    geschlossen hatte, ein seltsames,     an bevorzugte Jelena Firssowa        Am Ende des Stückes hört man        oder notwendige Arbeitsvorgän-
    unregelmäßiges Klopfen auf dem        kleinere, empfindlichere Kombi-      noch einmal die Erinnerung an       ge zu erschweren. Im Falle von
    Dach des Hauses über meinem           nationen der Instrumente als die     die Atmosphäre der vergangenen      Jelena Firssowa lehnte es das
    Bett. Ich konnte nicht begreifen,     meisten ihrer Kollegen. Sie entwi-   Nacht.“ (Jelena Firssowa)           Sekretariat des Komponisten-
    was das war. Ich war ein biss-        ckelte eine differenzierte, damals                                       verbandes beispielsweise ab,
    chen erschrocken und hatte            absolut unpopuläre musikalische      Chrennikows Sieben                  eines ihrer Werke in Deutschland
    angstvolle Träume mit häufigem        Sprache, die auf der subtilen                                            publizieren zu lassen.
    Erwachen in dieser Nacht.             Handhabung einer emotional           Obgleich Jelena Firssowa nie        Bereits während des Studiums
    Am Morgen erklärte mir Sofia, es      aufgeladenen melodischen Linie       den politischen Konflikt suchte,    hatte sie ihren späteren Ehemann
    seien die Eicheln von der Eiche,      beruhte, häufig gebettet in ein      war es der Dissens zwischen         kennengelernt, den Komponisten
    die neben dem Haus steht.“            zwischen Eckpfeilern der roman-      der Musik, die sie komponierte,     Dmitri Smirnow. Das Paar war
                                          tischen Harmonie aufgespanntes       und der Gesellschaft, in der sie    seit 1972 verheiratet; zur Fami-
                                          feines Netz. Viele ihrer Stücke      lebte, dass sie in einen solchen    lie, dem zentralen Bezugspunkt
    Die Poesie ist                        kreisen um melancholische            Konflikt geriet. Gemeinsam mit      von Jelena, gehörten außerdem
    mein Sprache                          Themen, sie tragen Titel wie „Das    der Musik von Edison Denissow,      Sohn Philip und Tochter Alissa,
                                          Gastmahl während der Pest“,          Sofia Gubaidulina und jener von     die inzwischen beide künstlerisch
    Jelena Firssowa ist eine Meisterin    „Herbstlieder“, „Die Nacht“,         ihrem Mann Dmitri Smirnow           tätig sind: Philip widmet sich der
    der leisen Töne von ausgeprägter      „Tristia“, „Der Stein“, „Der Fluss   durften zwar auch ihre Werke        bildenden Kunst, Alissa ist Pianis-
    lyrischer Intensität. Sie bevorzugt   der Zeit“, „Herbstmusik“, „Nost-     1979 auf einem Festival in Köln     tin und Komponistin. Seit 1998
    in ihren Werken das Pointierte,       algie“, „Misterioso“, „Monolog“,     erklingen. Alle vier und außerdem   lebte die Familie in St. Albans bei
    Komprimierte und bleibt dabei         „Winterelegie“ oder „Schlaflos“.     Alexander Knaifel, Viktor Suslin    London. Dmitri Smirnow starb am
    stets behutsam, feingliedrig          Über „Nacht in Appen“ schreibt       und Wjatscheslaw Artjomow wa-       9. April 2020 im Alter von 71 Jah-
    und fragil. Fein ausgehörte           sie, anknüpfend an den eingangs      ren vorher vom Generalsekretär      ren an den Folgen einer Infektion
    Klangfarben und deren hoch            zitierten Besuch bei Sofia Gubai-    des Sowjetischen Komponisten-       mit dem Coronavirus.
    differenzierter Einsatz verhelfen     dulina in deren Refugium in der      verbandes, Tichon Chrennikow,       Werke von Jelena Firssowa und
    ihrer Musik zu der poetischen,        Nähe von Hamburg: „In diesem         gebrandmarkt worden als „nicht      von Dmitri Smirnow begleiten
    ausdrucksvollen Schönheit, die        Orchesterwerk möchte ich diese       typisch für das Schaffen der        das Rundfunk-Sinfonieorchester
    sie auszeichnet.                      seltsame Nacht beschreiben           sowjetischen Komponisten“ und       Berlin durch die gesamte Saison
    Von dem Dichter Ossip Mandel-         mit dem zunächst eher leisen,        insofern nicht qualifiziert und     2021/2022, nachdem das RSB
    stam hat sie gelernt, „dass wir       mysteriösen Klopfen auf dem          würdig, die sowjetische Musik       bereits 2003 eines der Haupt-
    sehr ruhig über die wichtigsten       Dach, das dann Schritt für Schritt   im Ausland zu repräsentieren.       werke von Jelena Firssowa, das
    Dinge sprechen können und dass        lauter wird und sich in einer Ab-    Freilich erhöhte das eher das       „Requiem“ nach dem gleichnami-
    wir die tragischsten Ereignisse im    folge surrealer Träume in einen      westliche Interesse an der Musik    gen Poem von Anna Achmatowa,
    Licht der Schönheit betrachten        echten Albtraum verwandelt.          dieser Gruppe von „Chrenni-         uraufgeführt hatte.
    können.“                              Am frühen Morgen habe ich den        kows Sieben“, als dass es deren
                                          Gesang der Vögel gehört, der         Vaterlandsliebe befördert hätte.
                                          sich mit dem Klang der Kirchen-      Dennoch reichte Chrennikows
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10                                                                                      11

     Das bezaubernde
     Mädchen

                                      „Also das ist Manon, meine
     Alban Berg                       Tochter. Vom Gropius. Da kann
     Konzert für Violine              eben keine mithalten... Haben
     und Orchester                    Sie den Gropius einmal gesehen?
                                      Ein schöner, großer Mann. Genau
     Besetzung                        was man arisch nennt. Der ein-
     Solo-Violine                     zige Mann, der rassisch zu mir
     2 Flöten (beide auch Piccolo),   gepasst hat. Sonst haben sich
     2 Oboen (2. auch Englisch-       immer kleine Juden in mich ver-
     horn), 2 Klarinetten, Bass­      liebt, wie der Mahler.“
     klarinette, Alt-Saxophon,        Alma Schindler-Mahler-Gropius-
     2 Fagotte, Kontrafagott,         Werfel kannte keine Zurückhal-
     4 Hörner, 2 Trompeten,           tung, wenn es um ihre Selbst-
     2 Posaunen, Tuba, Pauken,        inszenierung ging. Mit diesen
     Schlagzeug, Harfe, Streicher     Worten soll sie 1932 dem jungen
                                      Schriftsteller Elias Canetti ihre
     Dauer                            sechzehnjährige Tochter Manon
     ca. 25 Minuten                   vorgeführt haben. Canetti war
                                      gebannt: „Eine Gazelle kam ins
     Verlag                           Zimmer getrippelt, ein leichtes
     Universal Edition                braunes Geschöpf, als junges
     Wien                             Mädchen verkleidet, unberührt
                                      von der Pracht, in die es gerufen
     Entstehung                       wurde ... Es verbreitete Scheu
     April bis August 1935            mehr noch als Schönheit um
                                      sich, eine Engels-Gazelle vom
     Uraufführung                     Himmel, nicht aus der Arche.“
     19. April 1936, Barcelona        Manons Vater, der Bauhaus-Ar-
     Louis Krasner, Violine           chitekt Walter Gropius, hatte sein
     Hermann Scherchen, Dirigent      Entzücken über die Tochter schon
                                      während ihrer ersten Lebens-
                                      monate so beschrieben: „Das

                                                                           Alban Berg
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12   ALBAN BERG – KONZERT FÜR VIOLINE UND ORCHESTER                                                                                                            13

                                                zu den Hüften. Trotz ihrer alten     Mutter und Bräutigam schlage         den Ufer hatte Brahms 1878 sein
                                                Vorliebe für das Pathetisch-Trau-    und sie in ein und demselben         Violinkonzert komponiert.
                                                rige hatte sich ihrem Wesen ein      Augenblick lähme, nicht töte,        Das Werk ist überreich an berüh-
                                                Humor beigemischt, der sich oft      lähme, und dass die Kranke vor       render wie an intelligenter Musik,
                                                bis zu spöttischem Witz steigern     Schrecken aus ihrem Rollstuhl        an genialen Einfällen ebenso wie
                                                konnte. Sie hatte ein scharfes       aufspringe, geheilt. An ihrer        an handwerklicher Meisterschaft.
                                                Auge für Menschen“, erinnerte        Stelle aber würde von nun ab         Kein Ton scheint zufällig, alles
                                                sich Werfel an seine Stieftochter    die Mutter herumgeschoben,           trägt offene oder versteckte
                                                in der autobiographischen Erzäh-     ebenso schön herausgeputzt,          Symbolkraft in sich. Weil es
                                                lung „Manon“.                        sorgfältig bemalt, die kostbare      dabei so seelenvoll wie schwere-
                                                                                     Decke über den Knien, und der        los klingt, avanciert es zu einem
                                                                                     Bräutigam, stehend auf Rollen        Meisterwerk, das auch in Jahr-
                                                Die schreckliche Alte                befestigt, würde an einer Kette zu   hunderten noch von jenem Alban
                                                                                     ihr herangezogen und mühe sich       Berg künden wird, der ab 1933
                                                Manon Gropius, geboren am 5.         um Handkuss und Verbeugung           in der Preußischen Akademie der
                                                Oktober 1916, starb am 22. April     ab, die ihm nicht mehr möglich       Künste keine Rolle mehr spielte,
                                                1935 an Kinderlähmung, im Alter      wären, aber der Alten gälten.“       weil seine Musik den national-
                                                von 18 Jahren. Ihr Tod erschütter-   Und die „Alte“? Weit rigoroser       sozialistischen Machthabern als
     Manon Gropius
                                                te nicht nur ihre nächsten Ver-      noch als Werfel haderte sie nach     „entartet“ galt.
                                                wandten, sondern ganz Wien. „Es      Manons Tod in ihrem Tagebuch:        Zweisätzig konzipiert, gliedert
     Kind ist unsere Sonne. Sie ist             war einer jener Tode, angesichts     „Ich sehne mich verzweifelt nach     sich jeder der beiden Sätze
     bildhübsch, hat ewig wechselnde,           derer der gläubigste Mensch da-      Manon. Sie war die meinem            nochmals in zwei Teile. Andante
     kluge, große Augen, die schon              ran zweifeln muss, dass die Güte     Herzen Nächste... Wie furchtbar      und Allegretto des ersten Satzes
     bewusst in die Welt schauen,               eine Eigenschaft Gottes sei“,        ist dieser Gott – und wenn er        reflektieren das unbeschwerte
     Händchen mit langen, schmalen              klagte Franz Werfel. Mit Geduld      existiert ... wie verabscheuungs-    Leben des „Engels“. Der musi-
     Aristokratenfingern und lange,             und Würde hatte die zunehmend        würdig!“ Und fügte den tiefsten      kalische Ausgangspunkt ist aus
     rundlich gepolsterte Glieder,              gelähmte Manon ein Jahr lang         Grund ihres Schmerzes hinzu:         geigerischer Sicht eigentlich eine
     handlange Haare, dunkelbraun...            ihre Krankheit und deren öffent-     „Zerstört meine Fortsetzung in       Unmöglichkeit: Im zweiten Takt
     Alle Instinkte erwachen nun in             liche Vorführung ertragen. Sogar     der reinsten Form!“                  streicht die Solovioline über alle
     ihr, sie ist wild und urlebendig,          eine Verlobung der Todgeweihten                                           vier leeren Saiten, leise zwar,
     scheint voller Anlagen zu ste-             hatte Alma noch inszeniert.                                               aber deutlich vernehmbar er-
     cken.“ Zu dieser Zeit, im Herbst           „Es gab aber auch solche, die        Der rätselhafte Komponist            tönen die reinen Quinten, einmal
     1916, hatte der stolze Vater die           dieses schändliche Spiel mit Ekel                                         aufwärts, einmal abwärts. Diese
     Mutter seiner Tochter, Alma,               und Ingrimm ansahen und sich         Alban Berg begann mit der Kom-       Geste dient dem Solisten nicht
     bereits an Franz Werfel verloren.          mit ganz anderen Hoffnungen          position seines Violinkonzertes      etwa dazu, sich „einzustimmen“,
     Aber auch der war begeistert von           trugen“, machte Elias Canetti in     unmittelbar nach Manons Tod.         sondern die lapidare Inkarna-
     Manon: „Sie hatte sich zu einem            seiner Lebensgeschichte „Das         Er widmete das Werk „Dem An-         tion von Reinheit entpuppt sich
     bildschönen Mädchen entwickelt,            Augenspiel“ seinem Herzen Luft:      denken eines Engels“. Im August      als wesentliches strukturelles
     sehr groß, sehr zart, mit über-            „Diese, zu denen ich gehörte,        1935 beendete er die Partitur in     Element. Wenn der Solist im
     langen Gliedern. Das Haar reichte          hatten einen einzigen Wunsch:        seinem Sommerhaus am Wör-            15. Takt erstmals die komplette
     ihr, im Widerspruch zur Mode, bis          den nämlich, dass der Blitz in       thersee – am gegenüberliegen-        Zwölftonreihe – das ganze Werk
November 2021 Vladimir Jurowski - Rundfunk ...
14   ALBAN BERG – KONZERT FÜR VIOLINE UND ORCHESTER                                                                                                           15

                                                                                      Metronomzahlen der beiden Teile     worden. Ihre Mutter Marie, das
                                                                                      des ersten Satzes 56 und 112        Dienstmädchen der Bergs, ver-
                                                                                      betragen (2 mal 23 plus 10 bzw.     ließ den Ort noch vor der Geburt
                                                                                      4 x 23 plus 2 mal 10), der zweite   ihres Kindes am 4. Dezember
                                                                                      Satz genau 230 Takte zählt (Met-    1902, obwohl der 18-jährige
                                                                                      ronomzahl des Allegros: 69) und     Alban Berg ihr ein Jahr später
                                                                                      im ersten Satz just im 126. Takt    schriftlich bestätigte, „dass ich
                     Zwölftonreihe des Violinkonzertes von Alban Berg                 die wienerische Lebensfreude        der Vater des Kindes bin“. Der
                                                                                      Einzug hält, so sind das bei Berg   junge Mann fiel durch die Schul-
                                                                                      keineswegs Zufälligkeiten.          Abschlussprüfung und dachte an
     ist darauf aufgebaut – vorträgt,           Die verlorene Tochter                 Die 22 und die 4 stehen für das     Freitod. Auch Alban Berg hatte
     so füllt er zunächst „nur“ die                                                   Todesdatum Manons. So beginnt       also eine Tochter verloren. Er
     Quinten auf: abwechselnd mit je            Den vier reinen Eröffnungsquin-       das Konzert mit den vier leeren     selbst war damals gerade so alt
     einer kleinen und einer großen             ten liegt jeweils das physika-        Quinten. Das Eingangsmotiv des      wie Manon, als sie sterben muss-
     Terz, so dass im Wechsel Moll-             lische Zahlenverhältnis 2:3           im dritten Satz zitierten Chorals   te. Die Ehe von Helene und Alban
     und Dur-Dreiklänge entstehen.              zugrunde. An dieser Stelle sei        „Es ist genug! so nimm, Herr,       Berg blieb dagegen kinderlos.
     Die verbleibenden vier Töne der            erwähnt, dass Berg nicht nur          meinen Geist“ von Johann Se-        Der Schlussakkord des Violinkon-
     Zwölftonreiche ordnet Berg ab-             Anagramme aus Tonbuchsta-             bastian Bach setzt sich aus vier    zertes besteht aus 18 Tönen.
     schließend zu einem Aufgang aus            ben (a-d-es-c-h-b-g für Arnold        Ganztönen zusammen. Hingegen
     drei Ganztonschritten – einem              Schönberg etc.) vielfach in seine     weist der gesamte Choral bei
     weiteren substantiellen Struktur-          Musik einflocht, sondern auch         Berg 22 Takte auf (bei Bach nur     Der erlösende Tod
     element, auf das zurückzukom-              geheimnisvolle Zahlenverhält-         20). Im zweiten Satz erklingt in
     men sein wird.                             nisse auskomponierte. So richten      Takt 222 das Motiv b – a – c – h.   Im zweiten Satz lenkt Berg die
     Vorerst entfaltet der Komponist            sich etwas Metronomzahlen,            Die Widmung „Dem Andenken           Assoziationen der Zuhörer auf
     ein zartes Bild aus Reinheit, Zer-         Taktzahlen, Anzahlen von Tönen        eines Engels“ enthält genau         Krankheit und Tod Manons. Unru-
     brechlichkeit. „Dolce“, „delicato“,        eines Akkordes oder einer Melo-       22 Buchstaben.                      he und Nervosität geben den Ton
     „espressivo“, „grazioso“, „schat-          die häufig nach solchen Chiffren.     Doch damit nicht genug: Die         an. Im 23. Takt heißt es „molto
     tenhaft“ lauten die Vortragsbe-            Berg sah zum Beispiel die Zahl        Symbole walten auch auf anderen     ritmico“. Je rhythmischer, desto
     zeichnungen. Die Dissonanzen               23 wegen mehrerer persönlicher        Ebenen. Ein Kärntner Volkslied      starrer. Unaufhaltsam marschiert
     der atonalen Zwölftonmusik                 Ereignisse für seine Schicksals-      schleicht sich ein in den zweiten   die Kolonne der Töne auf die Ka-
     verschmelzen aufs Natürlichste             zahl an. Hanna Fuchs-Robettin         Teil des ersten Satzes. Zum         tastrophe zu. Im 99. Takt schreit
     mit den tonalen Inseln des har-            (die Schwester Franz Werfels),        Wiener Walzer gesellt sich der      die Solovioline ihre leeren Quin-
     monischen Materials. Solovioline           mit der Berg eine geheimnis-          dörfliche Ländler im rustikalen     ten heraus, worauf die Harfe mit
     und solistische Holzbläser win-            volle Liebe verband (verewigt         Gewand, wie er auch bei Gustav      einem Absturz durch den gesam-
     den ihre melodischen Girlanden             in der Lyrischen Suite), über         Mahler oft zu finden ist. „Ein      ten Tonraum antwortet. Während
     anmutig umeinander. Allmählich             deren Existenz seine Frau Helene      Vogerl auf’m Zwetschgenbaum“,       der nächsten Minuten lässt sich
     beginnt der behutsame Beginn zu            ebenso stillschweigend hinweg-        der Ländler „mit Überschlag“,       die Solovioline noch einmal von
     pulsieren.                                 sah wie über andere Affären ihres     steht für Bergs Jugenderinnerun-    ihrer schönsten Seite vernehmen,
                                                Mannes auch, erhielt die Zahl 10.     gen an das Landhaus der Familie     vereinsamt zunehmend (kaum
                                                Wenn nun die Einleitung des Vio-      in Kärnten. Dort war im Frühjahr    Orchesterbegleitung), erlebt
                                                linkonzertes 10 Takte lang ist, die   1902 Albine (!) Scheuchl gezeugt    luzide Momente, bevor im Takt
November 2021 Vladimir Jurowski - Rundfunk ...
16   ALBAN BERG – KONZERT FÜR VIOLINE UND ORCHESTER                                                     17

                                                                                      DEINE
     125 der sogenannte Lähmungs-               Mit verklärten Variationen über
     akkord samt vier trockenen                 den Choral („misterioso“) geht
     Schlägen den „Höhepunkt des                das Violinkonzert zu Ende. Die
     Allegros“ bildet – so steht es in          Solovioline („molto espressivo
     der Partitur.                              e cantabile”) findet ihre Stimme

                                                                                      OHREN
     Das abschließende Adagio hebt              wieder. Sie selbst führt die Zu-
     an mit den oben erwähnten vier             rückgebliebenen ins ewige Licht:
     Ganztönen, dem Abschluss von               „Von hier an übernimmt – auch
     Bergs Zwölftonreihe. Sie sind              dem Publikum hör- und sichtbar
     zugleich die Anfangstöne des               zum Bewusstsein kommend –
     350 Jahre alten Sterbechorals              der Solist die Führung über die

                                                                                         R D  E  N
     „Es ist genug“.                            Violinen und Bratschen, die sich

                                                                                      W E
                                                ihm also in ihrem gemeinsamen
                                                Part ... anzuschließen und auch
     Es ist genug!                              vortragsmäßig genau anzupassen
     Herr, wenn es Dir gefällt,                 haben!“ So will es Alban Berg.
     so spanne mich doch aus!                   „Wie aus der Ferne“ weht noch

                                                                                      AUGEN
     Mein Jesus kommt:                          einmal das Volkslied aus Kärn-
     nun gute Nacht, o Welt!                    ten herein. Die Choralmelodie
     Ich fahr’ ins Himmelshaus,                 scheint magisch dazwischen auf.
     Ich fahre sicher hin mit Frieden.          „Molto espressivo e amoroso“
     Mein großer Jammer                         transzendiert die Solovioline mit
     bleibt darnieden.                          ihren Begleitern in lichte Fernen.

                                                                                           H   E  N .
     Es ist genug!                              Die reinen Quinten des Anfangs

                                                                                          C
                                                                                      MADIO, TV, WEB.
                                                haben das letzte Wort.
     Sterbechoral von Franz Joachim             Alban Berg hat die Uraufführung
     Burmeister (1633–1672)                     seines Werkes am 19. April
                                                1936 in Barcelona, drei Tage
                                                vor Manons erstem Todestag,
     Berg übernimmt diesen Choral in            nicht mehr erlebt. Er war am
     der originalen vierstimmigen Fas-          23. Dezember 1935 an einer
     sung von Johann Sebastian Bach
     aus dessen Kantate „O Ewigkeit,
     du Donnerwort“ BWV 60. Die Kla-
                                                monatelang verschleppten Sepsis
                                                vermutlich infolge eines Insekten-
                                                stiches verstorben. Penicillin, das
                                                                                       IM RA
     rinetten spielen pianissimo den            rettende Antibiotikum, stand erst
     Bach-Satz, während die zweiten             ab 1939 zur Verfügung. Alban
     Geigen – ebenfalls pianissimo              Berg wurde wie Gustav Mahler
     – zerbrochene Fragmente der                nur 51 Jahre alt. Mit dem Violin-
     Ganztonleiter einstreuen, ein be-          konzert hatte er sein eigenes
     wegendes musikalisches Detail.             Requiem geschrieben.
November 2021 Vladimir Jurowski - Rundfunk ...
18                                                                                                                                                  19

     Sinfonisches Testament

                                      Pjotr Tschaikowsky dirigierte die
     Pjotr Tschaikowsky               Uraufführung seiner Sinfonie
     Sinfonie Nr. 6 h-Moll op. 74     Nr. 6 am 28. Oktober (nach dem
     („Pathétique“)                   gregorianischen Kalender, nach
                                      dem julianischen am 16. Okto-
     Besetzung                        ber) 1893 in Petersburg. Neun
     Piccolo, 2 Flöten, 2 Oboen,      Tage später, am 6. November,
     2 Klarinetten, 2 Fagotte,        verstarb er im Alter von 53 Jah-
     4 Hörner, 2 Trompeten,           ren. Den nicht enden wollenden
     3 Posaunen, Tuba, Pauken,        Spekulationen über die Ursache
     Schlagzeug, Streicher            seines Todes soll an dieser Stelle
                                      kein Raum gegeben werden.
     Dauer                            Die Bezeichnung der Sinfonie
     ca. 45 Minuten                   als „Pathétique“ stammte von
                                      Tschaikowskys Bruder Modest,
     Verlag                           wurde vom Komponisten jedoch
     Breitkopf & Härtel               ausdrücklich gutgeheißen. Wäh-
     Leipzig, Wiesbaden, Paris u.a.   rend der letzten großen Reise,
                                      die Tschaikowsky Anfang 1893 in
     Entstehung                       die Schweiz, nach Paris, Brüssel
     1893                             und Odessa geführt hatte,                                                         Pjotr Tschaikowsky, 1893
                                      entstand die Idee zur Sinfonie
     Uraufführung                     Nr. 6, die eine Programmsin-
     16. (28.) Oktober 1893           fonie werden sollte, „aber mit       weint. … In Bezug auf die Form      und ich noch arbeiten kann“ (11.
     Petersburg                       einem Programm, das für alle ein     wird es in dieser Sinfonie viel     Februar 1893 an Dawydow).
                                      Rätsel bleiben wird – sollen sie     Neues geben, und unter anderem      Die Sechste erreicht in Tschai-
                                      es erraten... Dieses Programm,       wird das Finale kein laut-starkes   kowskys selbstkritischer
                                      was immer es auch sei, ist von       Allegro sein, sondern vielmehr      Einschätzung den Rang des
                                      Subjektivität durchdrungen, und      ein ganz getragenes Adagio. Du      gelungensten aller seiner Werke.
                                      mitunter während der Fahrt,          kannst Dir nicht vorstellen, wel-   „In diese Sinfonie legte ich ohne
                                      wenn ich das Werk in Gedanken        che Seligkeit ich empfinde, dass    Übertreibung meine ganze See-
                                      komponierte, habe ich sehr ge-       meine Zeit noch nicht vorüber ist   le... Ich halte sie für das beste,
20   PJOTR ILJITSCH TSCHAIKOWSKY – SINFONIE NR. 6                                                                                                                    21

     vor allem für das aufrichtigste                von Lebendigkeit restlos nieder-      über das Podium. Anmut und            dass dies mein bestes Werk ist
     aller meiner Werke. Ich liebe die              gedrückt. Umso sehnsuchtsvol-         Schweben paaren sich mit Unrast       und ich nie mehr etwas besseres
     Sinfonie, wie ich noch niemals je              ler, melancholischer scheint in-      und Hinken – der Satz steht im        als diese Sinfonie werde schrei-
     zuvor eines meiner musikali-                   mitten der langsamen Einleitung       5/4-Takt! Unmissverständlich          ben können. Schade ... Schade ...
     schen Kinder geliebt habe.“ Dies               zum ersten Satz die Erinnerung        künden die Pauken von der Nähe        Die gestrige Aufführung meiner
     gestand er im September 1893                   an Schönheit und Glück auf. Es        des Schicksals, das in der Tat per    Sinfonie endete mit einem Fias-
     seinem ihm sehr nahestehenden                  ist dieses Thema, für das allein      Motiv aus dem ersten Satz in die      ko. Man applaudierte, rief mich
     Neffen Wladimir Dawydow, dem                   Tschaikowsky ein Platz im Olymp       Ballseligkeit des Scherzotrios ein-   mehrmals aufs Podium, doch
     die Sinfonie gewidmet ist. Und an              der Musik zustehen würde.             dringt. Das Walzerlächeln erstarrt    geschah dies alles nicht mit mehr
     seinen Verleger Pjotr Jurgenson                Explosionsartig entlädt sich die      zu einer hilflosen Grimasse.          Begeisterung als bei den Auffüh-
     fügte er hinzu: „Auf Ehrenwort,                Verzweiflung in einem Allegro         Was folgt, wäre im Normalfall         rungen meiner früheren Werke.“
     ich war im Leben noch nie so                   non troppo. Septakkord türmt          das Finale der Sinfonie. Hurtig       Erst die zweite Aufführung dann
     zufrieden mit mir, so stolz, so                sich auf Septakkord. Das sin-         pulsiert das pralle Leben durch       im Rahmen des Gedächtnis-
     glücklich im Bewusstsein, ein gu-              fonische Geschehen wütet              das Orchester, treibt die Musik       konzertes der Russischen
     tes Werk geschrieben zu haben.“                und tobt, schreit (Blechbläser,       aktionistisch-übermütig vor sich      Musikgesellschaft zu Ehren des
                                                    Violinen) und donnert (Pauken,        her. Heroischer Optimismus            toten Tschaikowsky machte am
                                                    Schlagzeug), zerfetzt sich schier     reitet ein, vergaloppiert sich        18. November einen „gewalti-
     Ganz niedergebeugt                             selbst und wird doch erstickt von     gründlich, verdrängt dennoch die      gen, erschütternden Eindruck“
                                                    der alles niederwalzenden Macht       Allmacht des Schicksals aus der       (Modest Tschaikowsky). Seither
     Wie lähmendes Kohlenmonoxid                    des Schicksals. Das Thema des         Wahrnehmung, aus dem Gedächt-         ist die Sinfonie Nr. 6 aus den
     breiten sich die Schwaden des                  erinnerten Glückes vertieft den       nis. O wie trügerisch!                Konzertsälen der Welt nicht mehr
     Beginns der Sinfonie Nr. 6 im                  Schmerz ins Unermessliche, be-        Hoffentlich bevor missvstehender      wegzudenken.
     Saal aus. Bleischwer belastet das              vor der Satz endgültig resigniert.    Beifall einsetzen kann, schneidet     Eine Sinfonie mit einem Adagio
     Motiv der fallenden Sekunde des                                                      die trostlose Realität dem fröh-      beginnen und vor allem mit
     Adagios den Fortgang der Musik.                                                      lich-vorlauten Geplapper mit un-      einem Adagio enden, ja ersterben
     Seit der Sinfonischen Dichtung                 Der letzte Walzer                     beschreiblicher Wucht das Wort        zu lassen, begegnet in dieser
     „Fatum“ und der Sinfonie Nr. 4                                                       ab. Wie von einer gerissenen          kompromisslosen Konsequenz in
     durchziehen Schicksalsthemen                   Con grazia, das kann nach             Kette tropfen fallende Sekunden       der Sinfonik an dieser Stelle zum
     die Hauptwerke von Tschai-                     solcher Vorbereitung nur eine         ins Bodenlose. Der Rest ist Nach-     ersten Mal. Und es gehört zu den
     kowsky. Von Mal zu Mal nehmen                  Farce sein. Vielleicht erklärt sich   sinnen, Verstummen, Verlöschen.       Seltenheiten in diesem Genre bis
     sie düsterere Gestalt an. Eignet               an dieser Nahtstelle vom ersten                                             heute. Gustav Mahlers Neunte
     ihnen zunächst noch etwas Un-                  zum zweiten Satz der Sinfonie                                               ist eine jener Ausnahmen. Dmitri
     erbittliches, Gewalttätiges, so                Nr. 6 am ehesten, was Tschai-         Tod                                   Schostakowitsch wählte für
     verwandelt sich das Schicksal                  kowsky meinte, wenn er seine                                                seine letzte, die Sinfonie Nr. 15,
     schon am Eingang der Sinfonie                  Musik mehrfach (namentlich die        Tschaikowsky musste nach der          ausschließlich diese vier Satz-
     Nr. 5 in ein tieftrauriges, gleich-            Sinfonie Nr. 5) als „unaufrichtig“    von ihm neun Tage vor seinem          charaktere: Allegretto, Adagio,
     wohl rhythmisch akzentuiertes                  bezeichnete. Ein letztes Mal          Tode selbst geleiteten Urauf-         Allegretto, Adagio.
     Klarinettenthema. Nun, in der                  tanzt einer der in den Balletten      führung konstatieren: „Ich konnte
     Sinfonie Nr. 6, hat das Schicksal              so unsterblich verewigten Walzer      weder das Orchester noch das
     von Anfang an gesiegt, alle Art                des russischen Komponisten            Publikum davon überzeugen,
22   SOLIST                                                                                                                                            23

                                                                              außerdem Künstlerischer Leiter        Spanien, Ungarn, Österreich,
                                                                              des Internationalen George-Enes-      Korea, China und Hongkong zu
                                                                              cu-Festivals in Bukarest. Er arbei-   erleben sein.
                                                                              tet regelmäßig mit dem Chamber        Die erste gemeinsame CD von
                                                                              Orchestra of Europe und dem           Vladimir Jurowski und dem RSB
                                                                              ensemble unitedberlin. Begin-         aus dem Jahre 2015 wurde
                                                                              nend mit der Saison 2021/2022         sogleich zu einem Meilenstein.
                                                                              ist Vladimir Jurowski – parallel      Alfred Schnittkes Sinfonie Nr. 3
                                                                              zu seinem Engagement beim             folgten 2017 eine Strauss-Mah-
                                                                              Rundfunk-Sinfonieorchester Ber-       ler-Aufnahme und Violinkonzerte
                                                                              lin – Generalmusikdirektor der        von Britten und Hindemith mit
                                                                              Bayerischen Staatsoper in Mün-        Arabella Steinbacher und dem
                                                                              chen und bekleidet damit eine         RSB. 2020 erschien eine von der
     Vladimir Jurowski                                                        der renommiertesten Positionen
                                                                              im deutschen und internationalen
                                                                                                                    Kritik hochgelobte Einspielung
                                                                                                                    von Gustav Mahlers „Das Lied
                                                                              Musikleben.                           von der Erde“, im August 2021
                                                                              Vladimir Jurowski ist rund um die     Richard Strauss‘ „Eine Alpensin-
                                                                              Welt als Gastdirigent gefragt. Er     fonie“.
                                                                              hat Konzerte der bedeutendsten        Vladimir Jurowski wurde vielfach
     Vladimir Jurowski ist seit 2017      sakows „Mainacht“ und im selben     Orchester Europas und Nord-           für seine Leistungen ausgezeich-
     Chefdirigent und Künstlerischer      Jahr am Royal Opera House           amerikas geleitet, darunter die       net, darunter mit zahlreichen
     Leiter des Rundfunk-Sinfonie-        Covent Garden mit „Nabucco“.        Berliner, Wiener und New Yorker       internationalen Schallplatten-
     orchesters Berlin (RSB). Der         Anschließend war er u.a. Erster     Philharmoniker, das Königliche        preisen. 2018 kürte ihn die Jury
     Dirigent, Pianist und Musikwis-      Kapellmeister der Komischen         Concertgebouworchester Amster-        der Royal Philharmonic Society
     senschaftler stellt sich allen mu-   Oper Berlin (1997– 2001) und        dam, das Cleveland und das            Music Awards zum Dirigenten
     sikgeschichtlichen, stilistischen    Musikdirektor der Glyndebourne      Philadelphia Orchestra, die Sin-      des Jahres. 2016 erhielt er aus
     oder dirigiertechnischen Heraus-     Festival Opera (2001–2013).         fonieorchester von Boston und         den Händen von Prince Charles
     forderungen.                         2003 wurde Vladimir Jurowski        Chicago, das Tonhalle-Orchester       die Ehrendoktorwürde des Ro-
     Ausgebildet zunächst an der          zum Ersten Gastdirigenten des       Zürich, die Sächsische Staatska-      yal College of Music in London.
     Musikhochschule des Konserva-        London Philharmonic Orchestra       pelle Dresden und das Gewand-         2020 wurde Vladimir Jurowski
     toriums in Moskau, kam Vladimir      ernannt und war von 2007 bis        hausorchester Leipzig. Er gastiert    in Anerkennung seiner Tätigkeit
     Jurowski 1990 nach Deutsch-          Sommer 2021 dessen Principal        zudem regelmäßig bei den BBC          als Künstlerischer Leiter des
     land, wo er sein Studium an den      Conductor. Ebenfalls bis Sommer     Proms, dem Musikfest Berlin           George-Enescu-Festivals vom
     Musikhochschulen in Dresden          2021 war er Künstlerischer Leiter   sowie bei den Musikfestivals in       Rumänischen Präsidenten mit
     und Berlin fortsetzte – Dirigieren   des Staatlichen Akademischen        Dresden, Luzern, Schleswig-Hol-       dem Kulturverdienstorden aus-
     bei Rolf Reuter, Korrepetition und   Sinfonieorchesters „Jewgeni         stein und Grafenegg sowie beim        gezeichnet.
     Liedbegleitung bei Semion Ski-       Swetlanow“ der Russischen           Rostropowitsch-Festival. Mit
     gin. 1995 debütierte er auf inter-   Föderation und Principal Artist     dem Rundfunk-Sinfonieorchester
     nationaler Ebene beim britischen     des Orchestra of the Age of         Berlin wird er 2021/2022 bei
     Wexford Festival mit Rimski-Kor-     Enlightenment in Großbritannien,    mehreren Konzerten in Bukarest,
24   SOLIST                                                                                                                                           25

     Daniel Hope

     Der Geiger Daniel Hope ist seit     gliedsstaaten der Europäischen
     30 Jahren als Solist auf den        Union repräsentierten. Auch RSB-
     Bühnen der Welt zu erleben. Er      Chefdirigent Vladimir Jurowski
     ist Preisträger des Europäischen    war in der Sendung „Hope@
     Kulturpreises 2015 und Träger       Home“ zu Gast. Im Frühjahr 2020
     des Verdienstkreuzes am Bande       war Daniel Hope dann Gast des
     der Bundesrepublik Deutschland.     RSB: in einem Live-Radiokonzert
     Seit 2016 ist er Music Director     unter der Leitung von Vladimir
     des Zürcher Kammerorchesters        Jurowski.
     und seit 2018 des New Century       Zu Beginn seiner Laufbahn erhielt
     Chamber Orchestra. 2019 wurde       Daniel Hope Unterricht von
     Daniel Hope die Künstlerische       Zakhar Bron und Yehudi Menuhin.
     Leitung der Dresdner Frauenkir-     Von 2002 bis 2008 war er
     che übertragen. Seit 2020 ist er    Mitglied des legendären Beaux-
     Präsident des Beethovenhauses       Arts-Trios. Er tritt als Solist
     Bonn.                               weltweit in den bedeutendsten
     Während der ersten Monate der       Konzertsälen auf und ist zu Gast
     COVID-19-Pandemie 2020 initi-       bei allen großen internationalen
     ierte und moderierte er „Hope@      Festspielen. Dabei arbeitet
     Home“, eine Livestream-TV-Serie     er mit den namhaftesten
     mit Musik und Gesprächen, die       Dirigenten und den international
     auf ARTE ausgestrahlt wurde und     renommiertesten Orchestern
     wo so unterschiedliche Gast-        zusammen.
     künstler wie Simon Rattle, Ulrich   Für seine zahlreichen Aufnahmen      die es auf Platz 1 der internatio-   WDR3 und „Hope@9pm“ im Ber-
     Tukur und Bob Wilson eingeladen     erhielt Daniel Hope viele Aus-       nalen Klassik-Charts in 22 Län-      liner Konzerthaus. 2017 lief der
     waren. „Hope@Home“ wurde im         zeichnungen, u.a. den Deutschen      dern schaffte, wurde mehr als        Film „DANIEL HOPE – Der Klang
     Verlauf des Jahres zu „Hope@        Schallplattenpreis, den französi-    250000 mal verkauft. Die künst-      des Lebens“ in den europäischen
     Home on Tour“ und zu „Hope@         schen Diapason d’Or des Jahres,      lerische Vielseitigkeit spiegelt     Kinos. Daniel Hope ist Verfasser
     Home – Next Generation“ weiter-     den Edison Classical Award, den      sich in Projekten mit Künstlern      von vier Büchern, die alle in
     entwickelt, im Februar 2021         belgischen Prix Caecilia und zahl-   wie Klaus Maria Brandauer oder       die deutschen Bestseller-Listen
     wurde dies zu Europe@Home,          reiche Grammy-Nominierungen.         Sting sowie in Rundfunk- und         kamen. Er engagiert sich in den
     bei der junge Künstler in den       Die Veröffentlichung von Max         Fernsehmoderationen wider, u.a.      Organisationen Live Music Now
     Sendungen die Musik der 27 Mit-     Richters „Vivaldi Recomposed“,       „Daniel Hope Persönlich“ auf         sowie Amnesty International.
26

     Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin –
     Abendbesetzung 21. November 2021

     Violine I                                Viola                                    Iris Ahrens                                Trompete
     Rainer Wolters / Erster Konzertmeister   Alejandro Regueira Caumel /              Fridtjof Ruppert                           Florian Dörpholz / Solotrompeter
     Susanne Herzog / stellv.                 Solobratschist                           Vojislav Veselinov *                       Benjamin Plagg **
     Konzertmeisterin                         Gernot Adrion / stellv. Solobratschist   Mattis Eisaks *                            Simone Gruppe
     Kosuke Yoshikawa / Vorspieler            Christiane Silber / Vorspielerin                                                    Patrik Hofer
     Marina Bondas                            Elizaveta Zolotova, Vorspielerin         Flöte
     Franziska Drechsel                       Emilia Markowski                         Silke Uhlig / Soloflötistin                Posaune
     Karin Kynast                             Jana Drop                                Rudolf Döbler / stellv. Soloflötist        Hannes Hölzl / Soloposaunist
     Steffen Tast                             Alexey Doubovikov                        Franziska Dallmann                         József Vörös
     Bettina Sitte                            Carolina Montes                                                                     Dominik Hauer
     Maria Pflüger                            Iris Icellioglu                          Oboe
     Anna Morgunowa                           Daniel Burmeister *                      Gabriele Bastian / Solooboistin            Tuba
     Misa Yamada                              Anna Lötzsch **                          Martin Kögel **                            Fabian Neckermann
     Chiaki Nishikawa                         Anastasia Maschkowski **                 Thomas Herzog / Englischhornist
     Ferdinand Ries                                                                                                               Pauken
     David Malaev *                           Violoncello                              Klarinette                                 Arndt Wahlich / Solopaukist
     Eva Wetzel *                             Konstanze von Gutzeit /                  Oliver Link / Soloklarinettist
     Inhwa Hong *                             Solocellistin                            Peter Pfeifer / stellv. Soloklarinettist   Schlagzeug
                                              Ringela Riemke / stellv. Solocellistin   Christoph Korn / Bassklarinette            Tobias Schweda / stellv. Solopaukist
     Violine II                               Jörg Breuninger / Vorspieler                                                        Tobias Hegele **
     Nadine Contini / Stimmführerin           Volkmar Weiche / Vorspieler              Saxophon                                   Juris Azers **
     David Drop / Vorspieler                  Peter Albrecht                           Karola Elßner **                           Yeonghan Kim **
     Sylvia Petzold / Vorspielerin            Georg Boge                                                                          Matthias Kessler **
     Anne-Kathrin Seidel                      Andreas Weigle                           Fagott
     Brigitte Draganov                        Andreas Kipp                             Sung Kwon You / Solofagottist              Harfe
     Martin Eßmann                            Lukas Wittrock *                         Alexander Voigt / stellv. Solofagottist    Maud Edenwald
     Maciej Buczkowski                        Uschik Choi *                            Clemens Königstedt / Kontrafagottist
     Juliane Manyak                                                                    Thomas Kollikowski **
     Radrigo Bauzá                            Kontrabass                                                                          * Orchesterakademie
     Ania Bara                                Hermann Wömmel-Stützer /                 Horn                                       ** Gäste
     Neela Hetzel de Fonseka                  Solokontrabassist                        Martin Kühner / Solohornist
     Elena Schwalbe *                         Stefanie Rau / Vorspielerin              Ingo Klinkhammer /stellv. Solohornist
     Yuna Toki *                              Georg Schwärsky                          Uwe Holjewilken
     Sophia Maiwald*                          Axel Buschmann                           Anne Mentzen
                                                                                       Felix Hetzel de Fonseka
28   VORSCHAU

     26. November 2021                   23. Dezember 2021
     Freitag / 20 Uhr                    Donnerstag / 19 Uhr                      21. November 2021
     Philharmonie Berlin                 Philharmonie Berlin                      Sonntag / 20 Uhr
                                                                                  Philharmonie Berlin
     VLADIMIR JUROWSKI                   VLADIMIR JUROWSKI
     Stuart Skelton, Tenor                                                        VLADIMIR JUROWSKI
     Herren des Rundfunkchores Berlin    Sergei Prokofjew                         Daniel Hope, Violine
                                         „Cinderella“ (Aschenbrödel) –
     Richard Wagner                      Musik zum Ballett in drei Akten op. 87   Jelena Firssowa
                                                                                                                      Aus Opernhäusern,
     „Eine Faust-Ouvertüre“                                                       „Nacht in Appen“ (Auftragswerk      Philharmonien
     Franz Liszt
                                         Konzert mit
                                                                                  des RSB, Uraufführung)              und Konzertsälen.
     Zwei Episoden aus Lenaus „Faust“                                             Alban Berg
     Franz Liszt                                                                  Konzert für Violine und Orchester
     „Eine Faust-Sinfonie“                                                        Pjotr Tschaikowsky
     Konzert mit
                                         30. Dezember 2021                        Sinfonie Nr. 6 („Pathétique“)
                                         Donnerstag / 20 Uhr                      Konzert mit

                                         31. Dezember 2021
                                         Freitag / 16 Uhr
     12. Dezember 2021                   Konzerthaus Berlin
     Sonntag / 16 Uhr                    Sonderkonzerte
                                                                                  26. November 2021
     Philharmonie Berlin                 KARINA CANELLAKIS                        Freitag / 20 Uhr
     13. Dezember 2021
                                                                                                           Konzerte,
                                         Julia Kleiter, Sopran
                                                                                  Philharmonie Berlin
                                         Annika Schlicht, Alt
     Montag / 20 Uhr                     Andrew Staples, Tenor                    VLADIMIR JUROWSKI

                                                                                                           jeden Abend.
     Konzerthaus Berlin                  Florian Boesch, Bass                     Stuart Skelton, Tenor
                                         Rundfunkchor Berlin                      Herren des Rundfunkchores Berlin
     RINALDO ALESSANDRINI                Justus Barleben, Choreinstudierung

                                                                                                           Jederzeit.
     Siri Karoline Thornhill, Sopran                                              Richard Wagner
     Reinhold Friedrich, Trompete        Jelena Firssowa                          „Eine Faust-Ouvertüre“
                                         „Ornaments of Joy“                       Franz Liszt
     Johann Sebastian Bach               für gemischten Chor und Orchester        Zwei Episoden aus Lenaus „Faust“
     Weihnachtliche Instrumentalmusik    auf ein Gedicht von Dmitri Smirnow       Franz Liszt
     und Solokantaten, u.a.              (Auftragswerk des RSB, Uraufführung)     „Eine Faust-Sinfonie“
     „Ich habe genug“ – Kantate Nr. 82   Ludwig van Beethoven
     „Jauchzet Gott in allen Landen“ –   Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125            Konzert mit
     Kantate Nr. 51                      mit Schlusschor über Schillers
     Zwei Brandenburgische Konzerte      Ode „An die Freude“
     Konzert mit                         Konzert mit                                                                  In der Dlf Audiothek App, im
                                                                                                                      Radio über DAB+ und UKW
                                                                                                                      deutschlandfunkkultur.de/
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     Impressum

     Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin        Bildnachweise:
     (RSB)                                    S. 7 Foto: Peter Meisel

                                                                                     DEUTSCHLANDS
                                              S. 11, 12, 19 gemeinfrei
     Chefdirigent und Künstlerischer Leiter   S. 22 Foto: Robert Niemeyer
     Vladimir Jurowski                        S. 25 Foto: Nicolas Zonvi

                                                                                     BESTES KINO
     Orchesterdirektorin                      Gestaltung und Realisierung
     Clara Marrero                            GRACO GmbH & Co. KG

     Ein Ensemble der Rundfunk-               Druck
     Orchester und -Chöre gGmbH Berlin        H. Heenemann GmbH & Co, Berlin

     Geschäftsführer                          Redaktionsschluss
     Anselm Rose                              16. November 2021
                                                                                     FÜR EIN KULTURELL HERAUSRAGENDES KINOPROGRAMM
     Kuratoriumsvorsitzender                  Ton- und Filmaufnahmen sind
     Ernst Elitz                              nicht gestattet. Programm- und
                                              Besetzungs­änderungen vorbehalten!
     Gesellschafter
     Deutschlandradio, Bundesrepublik         © Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin,
     Deutschland, Land Berlin,                Steffen Georgi
     Rundfunk Berlin-Brandenburg

     Text und Redaktion
     Steffen Georgi
Besucherservice des RSB
Charlottenstraße 56. 10117 Berlin
Montag bis Freitag 9 bis 18 Uhr
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