Ohne Daten ist alles nichts - Brockhaus AG
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POLITIK & REGULIERUNG Ohne Daten ist alles nichts Eine aktuelle Offensive der BiPRO hat sich zum Ziel gesetzt, freie Vermittler mit aktuellen und hochwertigen Daten zu versorgen. Es ist eine nachhaltige Investition in die digitale Zukunft des personalen Vertriebs Von Sarah Hesse H at man die Fachpresse der letzten Monate ver- folgt, führte kaum ein Weg am Thema Daten vor- bei. Data Analytics, datengetriebene Prozesse und Machine Learning sind die Begrifflichkeiten der Stunde und die Potenziale dieser Technologien für Versicherer wurden in- tensiv diskutiert. Die große Herausforderung besteht in der Verfügbarkeit und Qualität der Daten, denn die eigenen Sys- teme sind in die Jahre gekommen und Daten liegen verteilt vor. Die für Versicherungsunternehmen benannten Chancen einer wertorientierten Datennutzung gelten allerdings auch für Vermittlerbetriebe. Die internen Prozesse rund um die Verwaltung und Abrechnung können effizienter gestaltet werden, transparente Bestände können Deckungslücken aufdecken und vorhandene Daten können dem Kunden digital bereitgestellt werden. Im Kontext der zunehmenden Digitalisierung und Professionalisierung des Maklervertriebs erscheinen diese Schritte schon fast alternativlos. Und auch wenn Datenqualität und -pflege in der Vergangenheit nicht immer im Fokus von Pools, Vertrieben und Maklern standen, ist diesen inzwischen die Bedeutung bewusst geworden. Im Gegensatz zu einem Versicherungsunternehmen liegt die Lö- sung der größten Herausforderung aber nicht direkt in ihrer Hand: aktuelle und vollständige Vertragsdaten aller Versiche- rer. Derzeit erhalten Vermittler Informationen zu den Inhal- ten der Verträge vor allem über GDV-Bestandsdatensätze. Diese kommen aber in vielen Fällen nur mit großem zeitli- chen Versatz und auch die Qualität entspricht vielfach nicht den Anforderungen – insgesamt ist der Standard nicht mehr zeitgemäß. Darüber hinaus müssen teilweise Daten manuell in den eigenen Systemen erfasst werden, wenn Nachträge digital oder in Papierform beim Makler landen. Viele Infor- 94
POLITIK & REGULIERUNG mationen lassen sich heute nur manuell aus den Extranets möglichst vieler Consumer-Anbindungen“, sind sich André der Versicherer abrufen und werden dann manuell in das Degener und Sven Morgenstern, Maklervertrieb Stab, Digi- Maklerverwaltungsprogramm übertragen. Das ist insgesamt tale Prozesse und Vertriebsanwendungen Sach und Leben ein zu aufwendiger und vor allem fehleranfälliger Prozess. der Allianz, sicher. Auf den ersten Blick klingt es ganz nahe- „Die Übermittlung von Daten und Dokumenten an den Ver- liegend: Die Vertragsdaten liegen in digitaler Form bei den triebspartner muss in der Zukunft deutlich effizienter erfol- Versicherern vor, die Systeme der Vermittler bilden sie digi- gen“, bewertet Eckart Struck, Leiter Vertriebsmanagement tal ab und es gibt eine Norm zur digitalen Übermittlung der bei der Gothaer, die Situation. Sein Unternehmen arbeitet da- Daten. Die Norm 430.4 der BiPRO behandelt die Übermitt- her intensiv an der Umsetzung besserer Übertragungswege. lung von Daten und Dokumenten mit Vertragsbezug. Unter dem Stichwort „digitale Maklerpost“ wurde in den letzten Jahren bereits in vielen Häusern der dokumentenbezogene Teil der Norm umgesetzt. Das Dokument zu erhalten ist gut, aber besser ist es, wenn der Vermittler zusätzlich die Infor- „Gerade aufseiten der Versicherer sind mationen aus dem Dokument (z.B. Beginn, Prämie, Versi- teils hohe Investitionen notwendig, um die cherungssumme) als reine Daten bekommen würde. Darauf aufbauend können Prozesse automatisiert und Endkunden- Backendsysteme norm- und prozessfähig mehrwerte geschaffen werden. Daraus folgt der Scope der zu machen. Diese Investitionen möchte DIO PLUS Bestandsda-tenübermittlung – die Anreicherung man nur tätigen, wenn am Ende auch die von Geschäftsvorfällen mit Nettodaten zum Vertragsstand. Unser Ziel: Sobald in den Systemen des Versicherers ein neu- Nutzung durch die Consumer sicher ist.“ er Vertragsstand vorliegt, soll dieser direkt und vollständig an den Vermittler gemeldet werden. Für die automatische Ver- arbeitung werden neben den Vertragsdaten unter anderem auch noch ein Änderungsgrund und der Wirksamkeitstermin übermittelt, wenn vorhanden auch noch ein Dokument. Die BIPRO-BESTANDSDATEN ALS MODERNE ALTERNATIVE Grundlage für die Abbildung der Verträge ist das BiPRO-Da- Die grundsätzliche Bedeutung von BiPRO-Normen für die tenmodell. digitale Vernetzung verschiedener Marktteilnehmer ist in- Um es mit den „Fantastischen Vier“ zu sagen: „Es könnte zwischen Konsens (siehe auch VW 01/2020, S. 58ff). Für alles so einfach sein, ist es aber nicht“. Die Aufbereitung und den praktischen Nutzen fehlt es jedoch häufig an den tat- externe Bereitstellung eines Vertragsdatensatzes, ausgelöst sächlichen Umsetzungen vorhandener Normen in den Un- durch einen internen Geschäftsvorfall, stellt für die vorhan- ternehmen. Gerade aufseiten der Versicherer sind teils hohe denen IT-Infrastrukturen vieler Versicherer eine Herausforde- Investitionen notwendig, um die Backendsysteme norm- und rung dar. Selbst wenn diese Hürde genommen ist, müssen prozessfähig zu machen. Diese Investitionen möchte man die Daten aus den Bestandssystemen in das BiPRO-Datenmo- nur tätigen, wenn am Ende auch die Nutzung durch die Con- dell „übersetzt“ werden. Beide Modelle sind komplex und sumer sicher ist. Diese zögern allerdings bei der Erweiterung umfangreich, aber bei Weitem nicht jede Information, die der eigenen Systeme, so lange nicht eine hinreichende Zahl man im Datenmodell unterbringen kann, ist für einen Ver- von Versicherern die entsprechende Norm anbieten – ein mittler wirklich von Bedeutung. klassisches Henne-Ei-Problem. Im Rahmen der DIO PLUS Bestandsdatenübermittlung dis- Zur Auflösung dieser Problematik nutzt die BiPRO seit kutieren die 27 teilnehmenden Unternehmen, wie konkret einigen Jahren das Konzept der Digitalisierungsoffensive eine Umsetzung der Norm aussehen soll. Dabei gilt das Prin- (DIO), bei der sich Unternehmen zur Umsetzung einer Norm zip so umfangreich wie nötig, aber auch so klein und um- austauschen. Die DIO PLUS Bestandsdatenübermittlung setzbar wie möglich. Alle Beteiligten haben vor allem zwei ist eine Weiterentwicklung dieses Konzepts, bei der sich Ziele vor Augen: Der Vermittler soll alle Daten haben, die ihn alle teilnehmenden Unternehmen verpflichten, im Rahmen auskunftsfähig gegenüber seinem Kunden machen, und die der Laufzeit auch die internen Implementierungsprojekte gelieferten Daten sollen so interpretationsfrei wie möglich durchzuführen. „Das ‚Plus‘ ist der entscheidende Faktor. Die sein. In spezialisierten Spartengruppen werden diese Frage- Digitalisierungsoffensive 430.4 ist eine Chance für den ge- stellungen im Detail besprochen, sodass insgesamt über 130 samten Markt. Die Allianz beteiligt sich mit Hochdruck an Personen in der DIO aktiv mitarbeiten. Und an vielen Stellen der Initiative. Maßgeblich für den Erfolg ist eine Umsetzung sind Kompromisse nötig: Die beteiligten Consumer bilden die 96
VERSICHERUNGSWIRTSCHAFT | DEZEMBER 2020 kleinster gemeinsamer Nenner zu verstehen, sondern Aus- IN GUTER GESELLSCHAFT druck einer Welt, in der man die großen Herausforderungen nur gemeinsam lösen kann. In den Gruppen wird genau das Zu den teilnehmenden Unternehmen gehören: gelebt: Man geht aufeinander zu und sucht eine Lösung für • Allianz Deutschlang AG die Probleme der Bestandsdatenübermittlung, statt sich mit • Assfinet AG dem Beklagen dieser Probleme oder gegenseitigen Vorhal- • AXA Versicherung AG tungen aufzuhalten. • Barmenia Krankenversicherung AG • BCA AG • blau direkt GmbH & Co. KG • Concordia Versicherungs-Gesellschaft a.G. • Die Haftpflichtkasse VVaG „Versicherer müssen die Daten liefern, • ERGO Group AG Consumer müssen die Daten verwenden.“ • Fonds Finanz Maklerservice GmbH • Gothaer Allgemeine Versicherung AG • HDI Vertriebs AG • Janitos Versicherung AG • Jung, DMS & Cie. AG So entsteht in den Gruppen ein gemeinsames Verständnis • Konzept & Marketing GmbH für die Bedürfnisse und Herausforderungen und auch für die • MLP Finanzberatung SE Interpretation und Nutzung des Datenmodells in Sonderfäl- • R+V Allgemeine Versicherung AG len. Die so erarbeiteten Listen von Pflichtattributen sind für • Smart InsurTech AG beide Seiten bindend: Versicherer müssen die Daten liefern, • SQL Projekt AG Consumer müssen die Daten verwenden. Dies trägt dazu • Swiss Life AG bei, dass sich die getätigten Investitionen im Projekt auch • Swiss Life Deutschland Vertriebsservice GmbH tatsächlich rechnen und ein echter Nutzen generiert wird. • V-D-V GmbH „Mit der DIO PLUS Bestandsdatenübermittlung schaffen wir • VEMA Versicherungs-Makler-Genossenschaft die notwendige Basis für eine gute Abbildung von Prozessen • VHV Allgemeine Versicherung AG mit Versicherern“, berichtet Armin Juhlke von der Smart In- • W&W Informatik GmbH surTech AG, der im BiPRO e.V. unter anderem im Marktaus- • zeitsprung GmbH & Co. KG schuss aktiv ist. „Sie gewährleistet die notwendige Datentie- • Zurich Gruppe Deutschland fe und Datenaktualität. So können Vermittler zukünftig im richtigen Moment entscheidende Veränderungen erkennen, daraus Beratungsanlässe generieren und diese sogar umfas- Vielfältigkeit des Vermittlermarktes ab, sodass man sich auf send, bei Bedarf mit automatisiert erstellten Vergleichsange- gemeinsame Anforderungen in Richtung der Versicherer ver- boten vorbereiten.“ ständigen muss. Diese Konsensorientierung setzt sich auch Auch wenn die Offensive ungefähr die Hälfte ihrer Lauf- in der darauf folgenden Absprache zwischen Versicherern zeit hinter sich hat, können sich weitere Unternehmen gerne und Vermittlern fort. Im Dialog bespricht man die Anforde- anschließen. Im Jahr 2021 stehen voraussichtlich die Daten rungen; sind gewisse Daten nur unter großen Problemen aus für die Kranken- und Lebensversicherung sowie das kleinge- den Bestandssystemen zu liefern, verzichten die Consumer werbliche Geschäft im Fokus. Die Spartengruppen, welche auch gegebenenfalls auf die Information. Bei anderen Daten die Erstellung der Attributlisten bereits abgeschlossen haben, einigt man sich darauf, dass die Bedeutung der Information bleiben aber im Sinne einer Community of Practice bestehen, groß genug ist, um die entsprechenden Anpassungen auf um sich gegenseitig bei Fragen während des Mappings und der Versichererseite zu rechtfertigen. „Die besondere Praxis- der Implementierungsprojekte zu unterstützen. nähe und die enge Einbeziehung von Spartenexperten sorgt für eine hohe Qualität der Ergebnisse. Ein positiver Neben- effekt ist es, dass auch innerhalb der Unternehmen weiteres Sarah Hesse, BiPRO-Know-how in den Fachbereichen aufgebaut wird“, Business Consultant bestätigt Sasha Justmann, Geschäftsführer des IT-Dienst- bei der Brockhaus AG leisters zeitsprung. Solche Kompromisse sind aber nicht als 97
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