AUFBAU EINES GEMEINSCHAFTSGARTENS IN DER VIKTORIASIEDLUNG LÜNEN - COPROGRÜN MACHBARKEITSSTUDIE - COPROGRÜN

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AUFBAU EINES GEMEINSCHAFTSGARTENS IN DER VIKTORIASIEDLUNG LÜNEN - COPROGRÜN MACHBARKEITSSTUDIE - COPROGRÜN
CoProGrün Machbarkeitsstudie
Aufbau eines Gemeinschaftsgartens in der
Viktoriasiedlung Lünen

Aufwertung von Abstandsgrün in Wohnsiedlungen

Carlos Tobisch, David Kory - Die Urbanisten e.V.
AUFBAU EINES GEMEINSCHAFTSGARTENS IN DER VIKTORIASIEDLUNG LÜNEN - COPROGRÜN MACHBARKEITSSTUDIE - COPROGRÜN
Machbarkeitsstudie 7

Herausgeber Katharina Christenn, Axel Timpe
Layout Luisa Ropelato

Projekttitel
Co-produzierte Grünzüge als nachhaltige
kommunale Infrastruktur (CoProGrün)
(Förderkennzeichen: 033L172)

Fördermaßnahme Kommunen Innovativ
Laufzeit 01.06.2016 – 30.5.2019
Fördervolumen 775.000 Euro

Kontakt (Verbundkoordinator)
RWTH Aachen
Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur
Prof. Dr. Frank Lohrberg
Dr.-Ing. Axel Timpe
Jakobstraße 2, 52056 Aachen
Tel.: +49 (0)241 80 95050
email: lohrberg@la.rwth-aachen.de

Projektpartner
Regionalverband Ruhr
Dipl.-Geogr./Stadtplaner AKNW Frank Bothmann
Kronprinzenstraße 6, 45128 Essen
Tel.: +49 (0)201 2069 680
email: bothmann@rvr.ruhr

in Zusammenarbeit mit:
Die Urbanisten e.V.
Ansprechpartner: Carlos Tobisch
Rheinische Straße 137, 44147 Dortmund
Tel: +49 (0)231 330 174 01

Fachhochschule Südwestfalen
Fachbereich Agrarwirtschaft
Prof. Dr. Wolf Lorleberg
Lübecker Ring 2, 59494 Soest
Tel.: +49 (0)2921-378-3224
Email: lorleberg.wolf@fh-swf.de

in Zusammenarbeit mit:
Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
Geschäftsbereich 2 „Standortentwicklung, Ländlicher Raum“
Ansprechpartner: Dr. Thorsten Becker
Gartenstraße 11, 50765 Köln-Auweiler
Tel.: +49 (0)221 5340-325

Aus Gründen der Lesbarkeit wird in der Machbarkeitsstudie
das generische Maskulinum verwendet, personenbezogene
Bezeichnungen beziehen sich auf alle Geschlechter in
gleicher Weise. Die Darstellung von Menschen in Hosen und
Kleidern lässt keinen Rückschluss auf das Geschlecht zu.

Die Verantwortung für den Inhalt der Veröffentlichung liegt bei
den Autoren.

Titelbild Ernte im Westgarten, Foto: Die Urbanisten e.V.
AUFBAU EINES GEMEINSCHAFTSGARTENS IN DER VIKTORIASIEDLUNG LÜNEN - COPROGRÜN MACHBARKEITSSTUDIE - COPROGRÜN
Abb.1: Luftbild der
                                                                                                                                   Victoria-Siedlung mit Markie-
                                                                                                                                   rung der Potentialfläche
                                                                                                                                   Quelle: Land NRW (2019) -
                                                                                                                                   Lizenz dl-de/by-2-0 (www.
                                                                                                                                   govdata.de/dl-de/by-2-0)

1. Problemstellung und Relevanz für die Grünzugentwicklung
Die Victoria-Siedlung in Lünen-Nord ist eine                                  Arbeitslosigkeit, insbesondere von Jugendlichen,
ehemalige Zechenarbeitersiedlung, die in den                                  als auch die Fluktuation der Einwohner liegt im
Jahren 1909 bis 1912 für die Belegschaft der                                  Vergleich zur Gesamtstadt deutlich höher, wäh-
Zeche Victoria entworfen und gebaut wurde und                                 rend das durchschnittliche Einkommen niedriger
heute unter Denkmalschutz steht. Sie orientiert                               ist1. Die demografische Struktur der Victoriasied-
sich in ihrer Gestaltung an der Gartenstadtbe-                                lung hat sich im Zuge des Strukturwandels durch
wegung und reiht sich damit in eine Vielzahl von                              den Zuzug junger Generationen und Migranten
Siedlungen ein, die zu Beginn des 20. Jahr-                                   gewandelt und vervielfältigt. Heute leben hier
hunderts entstanden sind wie beispielweise die                                Menschen, die noch den Zechenbetrieb er-
Dahlhauser Heide in Bochum-Hordel als Sied-                                   lebt oder dort selbst gearbeitet haben, neben
lung für Beschäftigte der Krupp-Zechen Han-                                   Zugezogenen, die nie Teil dieser Vergangenheit
nover und Hannibal, die Siedlung Teutoburgia                                  waren und sich nicht damit identifizieren. Auch
in Herne-Börnig für die Zeche Teutoburgia oder                                die unterschiedliche Herkunft der Menschen
die Bergarbeitersiedlung Dinslaken-Lohberg für                                führt dazu, dass in der Victoriasiedlung mehrere
die Zeche Lohberg. Wie zahlreiche ehemalige                                   soziale Welten nebeneinander existieren und ein
Zechenarbeitersiedlungen weist auch die Victo-                                sozialer Zusammenhalt aktiv geschaffen werden
riasiedlung als Folge des Strukturwandels einen                               muss. Die Stadt Lünen stellte geringe Investi-
hohen Anteil sozial benachteiligter Bevölkerung                               tionen in die Bausubstanz als auch Brüche im
auf. Insgesamt deuten die von der Stadt Lünen                                 sozialen Gefüge fest2.
im Jahr 2017 zuletzt veröffentlichten Sozialdaten
auf ein Quartier mit sozialen Defiziten hin. Die

1
    Stadt Lünen (Hrsg.): StadtGartenQuartier Münsterstraße - Masterplan Grün, 2018, Lünen (PDF) zuletzt geöffnet: 03.04.2019
2
    ebd.

Machbarkeitsstudie: Aufbau eines Gemeinschaftsgartens in der Victoriasiedlung Lünen                                                                           1
AUFBAU EINES GEMEINSCHAFTSGARTENS IN DER VIKTORIASIEDLUNG LÜNEN - COPROGRÜN MACHBARKEITSSTUDIE - COPROGRÜN
Auf öffentlichen Veranstaltungen sowie bei der      2km Luftlinie – weist es typische Problemstel-
    Erstellung eines integrierten Handlungskon-         lungen und Rahmenbedingungen für ehemali-
    zepts (IHaK) konnte die Stadt Lünen eine hohe       ge Zechensiedlungen auf und kann daher als
    Nachfrage seitens der Bewohner der Siedlung         Referenzprojekt genutzt werden. Besonders der
    nach Möglichkeiten zur Selbstversorgung durch       Migrationsanteil, die demographische Entwick-
    gärtnerische Arbeit in Erfahrung bringen. Als       lung als auch die Eigentumsverhältnisse zeigen
    Gartenstadt weist die Siedlung zwar großzügige      Parallelen zu weiteren Zechensiedlungen. Eine
    private Gärten auf, diese stehen aber nur den       Relevanz für das Projekt CoProGrün ist zudem
    Besserverdienenden zur Verfügung, die ein           darin zu sehen, dass der Kontakt zum Projektin-
    Einfamilienhaus oder eine Doppelhaushälfte in       itiator (vgl. Kapitel 2) durch eine Workshop-Ver-
    der Siedlung bewohnen. Ein Großteil der Be-         anstaltung des Forschungsprojekts zustande
    völkerung, der vorwiegend in den Mehrfamilien-      kam, in dem der Frage nachgegangen wurde,
    häusern der LEG Immobilien AG wohnt, verfügt        wie Gemeinschaftsgärten und Flächeneigen-
    dagegen nicht über einen eigenen Garten. Die        tümer zusammenkommen können. Aus dem
    wenigen öffentlich zugänglichen Grünflächen         Workshop heraus wurde deutlich, dass die Stadt
    werden nicht gärtnerisch genutzt, dazu zählen       Lünen als Kommune durchaus beispielhaft
    beispielsweise die kleinen Plätze im Quartier       begleitet werden kann und mit der entwickelten
    als auch die Flächen zwischen den bebauten          Idee – einen Gemeinschaftsgarten zur Förde-
    Grundstücken. Obwohl sich das Modellprojekt         rung von Nachbarschaft und Identifikation – das
    in Lünen außerhalb des CoProGrün Untersu-           Forschungsprojekt bereichert.
    chungsraumes befindet – wenn auch nur in etwa

    2. Initiierende Akteure und ihre Projektziele
    Der Hauptinitiator im Modellprojekt ist das Refe-   •   In der Victoriasiedlung in Lünen möchte
    rat Stadtentwicklung der Stadt Lünen. Um den            die Stadt Lünen ab Anfang 2018 mehrere
    genannten Problemstellungen in der Victoria-            kleinteilige Beteiligungsprojekte mit dem
    siedlung zu begegnen und das soziale En-                Fokus auf gärtnerisch-landschaftliche As-
    gagement und den Zusammenhalt im Viertel zu             pekte initiieren, in die die Stadtverwaltung,
    stärken, will es gärtnerische und gartenbauliche        Immobilienunternehmen und Bewohnern
    Aktionen mit der Bewohnerschaft im öffentlichen         des Quartiers aktiv eingebunden wer-
    Raum des Quartiers initiieren. Mit diesem the-          den sollen. Anfang 2018 plante die Stadt
    matischen Fokus wird einerseits auf den Wunsch          Lünen in der Victoriasiedlung ein grünes
    nach Selbstversorgung reagiert, andererseits            Quartiersmanagement zu installieren, das
    sieht die Stadt Lünen in der gemeinschaftlichen         klassische Aufgaben eines Quartiersbüros
    Nutzung von Grünflächen eine hohe Bedeutung             verfolgt, jedoch mit dem Fokus auf gärtne-
    für die soziale Integration. Zu den Projektideen        risch-landschaftliche Aspekte. Dabei sollten
    zählt auch das Vorhaben, einen Nachbarschafts-          kleinteilige Projekte in Zusammenarbeit von
    garten in der Victoriasiedlung zu entwickeln. Die       Stadtverwaltung, Immobilienunternehmen
    Rolle der Urbanisten und der entwickelten Mach-         und Bewohnern des Quartiers erarbeitet und
    barkeitsstudie fokussiert sich auf die Unterstüt-       umgesetzt werden. Grundsätzlich möchte
    zung und Beratung dieses angedachten Projek-            die Stadt Lünen damit Problemen wie der
    tes: eines Nachbarschaftsgarten mit Knowhow             Vermüllung von Grün- und Freiflächen, der
    aus dem Kreis der CoProGrün Projektpartner.             Entstehung von Angsträumen aber auch
                                                            fehlendem sozialem Engagement und Zu-
    Um die geplanten Projekte zu realisieren,               sammenhalt entgegenwirken.
    entschied sich das Referat dazu, ein grünes         •   Das von den Urbanisten begleitete Modell-
    Quartiersmanagement einzurichten. Dieses soll           projekt in der Victoriasiedlung Lünen befasst
    Projekte wie mobile Gärten oder Gestaltung von          sich mit der Initiierung eines Gemeinschafts-
    (Rest-)Flächen initiieren, koordinieren und neben       gartens. Dieser soll in einem grünen Innen-
    den Anwohnern auch Institutionen im Quartier            hof umrahmt von privaten Gärten neben
    wie Schule und Kita in Maßnahmen der Um-                einem unternutzten Spielplatz auf Teilen von
    weltbildung aktiv einbeziehen. Konkret wurden           Privatgärten entstehen. Die Problemstellung
    folgende Ziele gesetzt:                                 besteht primär darin, in Absprache mit kom-
                                                            munaler Vertretung, Flächeneigentümern
    •   Das Bewusstsein der Bevölkerung für die             und aktuellen Flächennutzern die Nutzung
        Frei- und Grünflächen stärken, eine produk-         des potentiellen Standorts als Gemein-
        tive Nutzung ermöglichen und die Identifi-          schaftsprojekt zu ermöglichen. Die Idee
        kation mit der Siedlung sowie das Gemein-           eines Gemeinschaftsgartens wurde dann,
        schaftsgefühl fördern.                              auch vor dem Hintergrund der aktuellen
    •   Stärkung des sozialen Engagements und               Beispiele anderer Städte, abgeleitet.
        Zusammenhalts im Viertel, Darstellung der
        Bedeutung von Grünflächen für die soziale
        Integration, Umweltgerechtigkeit

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AUFBAU EINES GEMEINSCHAFTSGARTENS IN DER VIKTORIASIEDLUNG LÜNEN - COPROGRÜN MACHBARKEITSSTUDIE - COPROGRÜN
Lage der Victoriasiedlung Lünen

Abb.2: Verortung des Modellprojekts, Darstellung: RWTH Aachen University, Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur

Machbarkeitsstudie: Aufbau eines Gemeinschaftsgartens in der Victoriasiedlung Lünen                              3
AUFBAU EINES GEMEINSCHAFTSGARTENS IN DER VIKTORIASIEDLUNG LÜNEN - COPROGRÜN MACHBARKEITSSTUDIE - COPROGRÜN
Abb.3: Grün und Freiflächen-
analyse öffentlicher Räume
in der Victoriasiedlung Lünen
Quelle: lohrberg stadtland-
schaftsarchitektur PartG
mbB: StadtGartenQuartier
Münsterstraße – Masterplan
Grün, Lünen, 2018 Seite 34

                                3. Bestandsaufnahme
                                Im Auftrag der Stadt Lünen erarbeitete das Pla-                            Spielplatz“ genannt, das größte Potential unter
                                nungsbüro lohrberg stadtlandschaftsarchitektur                             den kartierten Flächen um als Gemeinschafts-
                                einen Masterplan Grün für die Siedlung. Dieser                             garten genutzt zu werden. Im Norden und
                                wurde CoProGrün in Ausschnitten zur Verfügung                              Osten grenzen Doppelhaushälften mit privaten
                                gestellt und beinhaltet unter anderem die Aus-                             Gärten an, im Süden befindet sich der städti-
                                gangssituation und Ziele, Aufgabenverständnis                              sche Kindergarten Lünen-Nord, westlich liegen
                                und Vorgehen, Freiraumstrukturen im Bestand,                               Grabelandflächen, die als private Gärten von der
                                Potenziale und Defizite, Konzeption - Hauptele-                            Nachbarschaft genutzt werden. Der Innenhof soll
                                mente und ihre Ziele, Entwicklungsbereiche so-                             laut Masterplan Grün „[…] aus seiner isolierten
                                wie weitere Maßnahmen. Auf Grundlage dieses                                Lage befreit werden […]“, was durch eine „[…]
                                Dokuments entwickelt die Stadt Lünen mit dem                               Neuordnung des Hofes unter Berücksichtigung
                                grünen Quartiersmanagement Umsetzungspro-                                  von Nutzungswünschen der Mieter [zu einer]
                                jekte (vgl. Abb.3).                                                        bessere[n] Ausnutzung und […] soziale[n]
                                Im Masterplan stellt lohrberg stadtlandschafts-                            Kontrolle […]“ erreicht werden soll3. Aktuell wird
                                architektur mehrere potentielle Entwicklungs-                              der kaum genutzte Spielplatz eher als Problem-
                                bereiche für Projekte in der Siedlung heraus.                              bereich gesehen, denn trotz guter Ausstattung
                                Nach Meinung der Stadt Lünen, dem Woh-                                     und schönem Baumbestand wird er als unsi-
                                nungsunternehmen LEG als hauptsächlichem                                   cher empfunden und es werden vermehrt Fälle
                                Immobilieneigentümer in der Siedlung und der                               von Vandalismus gemeldet. Gründe dafür sind
                                Urbanisten e.V. / CoProGrün hat die Fläche rund                            einerseits die schlechte Einsehbarkeit aufgrund
                                um den öffentlichen Spielplatz am Knappenweg,                              fehlender Sichtachsen und hochwachsenden
                                im Masterplan „LEG Bestand Barbarastraße/                                  Hecken, Büschen und Bäumen. Andererseits

                                3
                                 lohrberg stadtlandschaftsarchitektur PartG mbB (2018): StadtGartenQuartier Münsterstraße, Masterplan Grün, Stand 23.05.2018. Auftraggeber:
                                Stadt Lünen, Referat Stadtentwicklung.

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AUFBAU EINES GEMEINSCHAFTSGARTENS IN DER VIKTORIASIEDLUNG LÜNEN - COPROGRÜN MACHBARKEITSSTUDIE - COPROGRÜN
Abb.4: Luftbild des grünen
                                                                                                                                 Innenhofs mit umliegender
                                                                                                                                 Bebauung und Markierung
                                                                                                                                 der Potentialfläche
                                                                                                                                 Quelle: Stadt Lünen/Hans
                                                                                                                                 Glossey

ist die Fläche nur von Norden her über einen                               auf die Miete umlegen.
langen Fußweg erreichbar, der keinen direkten                              Ziel der Stadt Lünen und der LEG ist es, den
Einblick in die Fläche ermöglicht und somit nicht                          Innenhof mitsamt dem Spielplatz durch eine
als Eingang zum Spielplatz erkannt wird. Der                               gemeinschaftliche Nutzung sowie eine verbes-
Parkplatz wird von Anwohnern vor allem als                                 serte Zugänglichkeit stärker ins Bewusstsein
vermüllt und für Vandalismus einladend wahr-                               der Bewohner zu bringen, zu beleben und
genommen und wird daher kaum genutzt (vgl.                                 so zu attraktivieren. Der Spielplatz soll dabei
Kapitel 4 und Abb.3).                                                      bestehen bleiben. Über den neuen Weg eine
Die Stadt ist zwar Initiator des Projekts, sie ist                         bessere Zugänglichkeit zu schaffen stellt den
jedoch nur Eigentümer der Spielplatzfläche so-                             ersten Schritt dar, im zweiten folgt die Idee eines
wie des Kindergartens inklusive Außenbereich.                              Gemeinschaftsgarten auf einem Teil der Grabe-
Die anderen angrenzenden Immobilien sowie die                              landfläche, der einen wichtigen Beitrag für mehr
Grabelandflächen befinden sich im Eigentum der                             Lebensqualität und eine generelle Aufwertung
LEG. Diese hat sich in ersten Gesprächen ge-                               des Quartiers leisten soll. Beide Schritte sollen
genüber der Stadt Lünen einverstanden erklärt,                             eine Antwort auf das von der Bewohnerschaft
ihre Flächen prinzipiell zur Verfügung zu stellen                          formulierte Problem von Vandalismus und Ver-
und ist bereit, an Gesprächen und Planungstref-                            müllung geben als auch Gemeinschaft schaffen,
fen mit den Akteuren und Mietern teilzunehmen.                             die im Umkehrschluss mehr soziale Kontrolle für
Die LEG will jedoch keinen finanziellen Beitrag                            die Fläche entwickelt.
bei der Entwicklung neuer Wege und eines Ge-
meinschaftsgartens leisten: Das gewinnorientier-
te Unternehmen würde entstehende Ausgaben

Machbarkeitsstudie: Aufbau eines Gemeinschaftsgartens in der Victoriasiedlung Lünen                                                                           5
AUFBAU EINES GEMEINSCHAFTSGARTENS IN DER VIKTORIASIEDLUNG LÜNEN - COPROGRÜN MACHBARKEITSSTUDIE - COPROGRÜN
4. Projektkonzept und erforderliche Maßnahmen
    Zusammenfassend ist für das Modellprojekt            als Gemeinschaftsgarten jedoch erst geschaffen
    festzuhalten: Es gibt ein Interesse der Bewoh-       werden muss.
    nerschaft in der Victoriasiedlung, im Stadtteil      Vor diesem Hintergrund sollen folgende Maß-
    gärtnerisch aktiv zu werden. Eine feste orga-        nahmen im Modellprojekt durchgeführt werden,
    nisierte Gruppe ist allerdings nicht vorhanden.      um in der Victoriasiedlung einen Gemeinschafts-
    Gleichzeitig wurde mit dem grünen Innenhof eine      garten zu entwickeln.
    potentielle Fläche analysiert, dessen Nutzung

    4.1 Flächennutzung schaffen: Gespräche mit Eigentümern und Nutzern
    Geplant ist, den Innenhof und den Spielplatz         der Fläche und Rückschnitt von Bäumen und
    durch einen zusätzlichen Weg vom südlich gele-       Sträuchern sowie möglichen Kooperationspart-
    genen Parkplatz zusätzlich zu erschließen. Die       nern sollen weitergegeben werden. Es ist zu
    Stadt Lünen hat bereits zugesagt, den Bau des        überlegen, ob man ein Wohnungsunternehmen
    Weges zu finanzieren. Welche Verpflichtungen         mit Erfahrung aus einem solchen Projekt zum
    damit für die Stadt Lünen einhergehen, muss ge-      Gespräch mit der LEG einlädt. Herr Tobisch
    klärt werden. Für die tatsächliche Durchführung      könnte den Kontakt zu Petra Triesch von der
    wird außerdem das Einverständnis der LEG als         GEBAG aus Duisburg ermöglichen.
    Flächeneigentümer benötigt. Weil sich durch den
    Weg auch die Zuschnitte einiger Grabelandstü-        2. Gespräche mit Anrainern und Nachbarn, in
    cke – wenn auch nur geringfügig – ändern, sind       denen mittels Texten, Postern und Bildern (von
    die Pächter in die Planung einzubinden.              vergleichbaren erfolgreichen Projekten) über
                                                         das Vorhaben informiert wird. Anmerkungen der
    Gleiches gilt bei der Akquise der zukünftigen        Betroffenen und Interessierten können entge-
    Gemeinschaftsgartenfläche. Diese kann im             gengenommen und eine grundlegende Haltung
    Innenhof nur auf Teilen des von der LEG ver-         bzgl. Einverständnis abgefragt werden. Eine
    pachteten Grabeland liegen, weil der Spielplatz      gemeinsame Ortsbegehung kann den Anrainern
    weiterhin bestehen bleibt. Die Machbarkeit des       die Vorteile eines Gemeinschaftsgarten für das -
    Projekts hängt von der Bereitschaft der Pächter,     bis dato - ungepflegte Grabeland aufzeigen.
    Teile ihres Gartens abzugeben, ab. Im Sinne          Das Ziel: Bereitschaft zur Abgabe von Teilen ih-
    einer guten Nachbarschaft, die für die Akzeptanz     rer Grabelandflächen für das Projekt und grund-
    und den Erfolg des Gemeinschaftsprojektes im         sätzliche Akzeptanz für das Projekt schaffen.
    Viertel maßgeblich sein wird, sollten die Anrainer   Den Anrainern sollte die Möglichkeit gegeben
    ohnehin frühzeitig informiert werden; ebenso wie     werden sich lediglich mit der Fläche einzubrin-
    Nachbarn und aktuelle Nutzer des Spielplatzes.       gen oder aber auch darüber hinaus Teil des Pro-
    Hierzu wird empfohlen mit allen Entscheidern         jekts zu werden. Das Mitmachen über das Ein-
    des Projekts auf die Anrainer zuzugehen um           bringen der Fläche hinaus muss allerdings auf
    mögliche Vorbehalte und Hindernisse zu klären        Freiwilligkeit beruhen. Diese Gespräche können
    und die Vorteile für die Nachbarschaft darzustel-    am besten in einem Veranstaltungskontext im
    len, sowie auf bereits existierende Beispielpro-     Viertel passieren, wie bspw. dem LEG-Mieterfest
    jekte und deren Erfolge hinzuweisen. Wichtig         am 06.07.2018. Weitere ähnliche Möglichkeiten
    erscheint, dass sich die Anrainer mit ihren          sind zu prüfen. Hierzu ist es sinnvoll ein offenes
    Fragen und zum Teil auch weiterführenden Pro-        Format an bestehende Veranstaltungen anzu-
    blemen als Mieter und Vorbehalten wahrgenom-         docken, in der mit ansprechenden Bildern und
    men fühlen. Grundsätzlich können allgemeine          niedrigschwellig verständlich Interesse geweckt
    Vorbehalte gegenüber der Stadt oder der LEG          und Vorbehalte aufgelöst werden können. Es
    hier bereits zu Projektbeginn für Schwierigkeiten    sollte deutlich werden, dass die eigene Leistung/
    und Hindernisse sorgen.                              Expertise der Gemeinschaft nutzen kann und im
                                                         Umkehrschluss ein individueller Nutzen entste-
    Für die beschriebene Potentialfläche sind also       hen kann.
    der Flächeneigentümer LEG, die Bewohner der
    Knappenweg 3-15 und 15a sowie Barbarastraße          3. Bekanntmachung:
    12-24, die Kita und aktuelle Nutzer des Spielplat-   Auf dem Spielplatz bzw. am Zuweg wird ein
    zes anzusprechen. Mit der LEG soll eine schrift-     Infokasten aufgestellt, mit dem auf das geplante
    liche Vereinbarung getroffen werden. Folgende        Vorhaben hingewiesen wird und wo Kontakt-
    Maßnahmen sind erforderlich:                         daten zum Ansprechpartner zu erfahren sind.
                                                         Hier kann bei Bedarf auch auf Termine hinge-
    1. Gespräche mit der LEG,                            wiesen werden. Gleichzeitig können Flyer in die
    um sie als Unterstützer für die Entwicklung eines    Briefkästen oder kleine Plakate im Quartier (öff.
    Gartenprojektes zu gewinnen und eine (schrift-       Raum) bei den Institutionen sowie beim Nahver-
    liche) Erlaubnis zur Nutzung ihrer Flächen zu        sorger ausgehängt werden.
    erhalten. Auch Überlegungen zu Einsehbarkeit

6
AUFBAU EINES GEMEINSCHAFTSGARTENS IN DER VIKTORIASIEDLUNG LÜNEN - COPROGRÜN MACHBARKEITSSTUDIE - COPROGRÜN
Abb.5: Bekanntmachung der
                                                                                                                               Ziele des Gemeinschafts-
                                                                                                                               gartens Richardstraße in
                                                                                                                               Aachen
                                                                                                                               Foto: Axel Timpe

4.2 Vorbereitende Maßnahmen zur Nutzbarkeit der Fläche
1. Nutzungsvereinbarung                                                    2. Erste bauliche und ökologische
Es wird empfohlen eine Nutzungsvereinbarung                                Maßnahmen
zwischen dem Eigentümer LEG und der Stadt                                  Ein ökologisch vertretbarer Grünschnitt soll die
Lünen aufzusetzen um Planungssicherheit zu er-                             Einsehbarkeit in die öffentliche Fläche ermögli-
halten. Wenn eine Nutzungsvereinbarung für die                             chen. Wer den Grünschnitt durchführt und was
Fläche geschaffen worden ist, müssen vorberei-                             genau wie geschnitten werden soll, ist von den
tende Maßnahmen wie die Anlage des Weges                                   Involvierten zu klären. Darüber hinaus kann mit
und ein grundlegender Grünschnitt durchgeführt                             der geplanten Wegeführung begonnen werden,
werden.                                                                    auch wenn sich die Planung rund um den Nach-
                                                                           barschaftsgarten verzögern sollte.

4.3 Aktivierung potentieller Mitmacher
Bereits während der genannten vorbereitenden                               ein eigenes Netzwerk kontaktieren können und
Maßnahmen bezüglich der Fläche kann die Akti-                              so Türöffner für mögliche Teilnehmer sind. Der
vierung der Mitmacher begonnen werden. Dazu                                Städtische Kindergarten Lünen-Nord, die Vikto-
sind vorab folgende Fragen zu beantworten:                                 riaschule und die Siedlergemeinschaft können
                                                                           als Multiplikator und als potentieller Nutzer des
Wer soll angesprochen werden?                                              Gartens angesprochen werden, die AWO Lünen,
Weil es sich bei der potentiellen Projektfläche                            die Caritas, die Umweltwerkstatt und der Lip-
um einen relativ intimen Ort handelt, der auf                              pe-Verband sind vor allem als Unterstützer und
Rückseite einiger Einfamilienhäuser liegt, sollten                         Helfer zu adressieren.
vor allem diese und die unmittelbare Nachbar-
schaft angesprochen werden. Hierbei stehen                                 Wie sollen die potentiellen Teilnehmer
die Mehrfamilienhäuser im Fokus, da dort die                               adressiert und aktiviert werden?
Bewohner nicht über Gartenflächen verfügen                                 Sobald die Flächen definitiv zur Verfügung ste-
(Kleingärten ausgenommen). Sie werden am                                   hen, ist ein Kick-Off Workshop unter Einladung
ehesten an einer Möglichkeit zum Gärtnern                                  der anzusprechenden Akteure (vgl. 3.3. Aktivie-
interessiert sein. Aber auch andere Anwohner                               rung potentieller Mitmacher) - methodisch ange-
können gefragt werden, denn wenn sie auch ei-                              lehnt an ein World-Café – sinnvoll. Hier könnten
gene Gärten haben, können sie dennoch am Ge-                               verschiedene Themen wie der Grünschnitt auf
meinschaftsaspekt des Gartens Interesse haben                              der Fläche, ein Regelwerk für die Nutzung des
oder als Unterstützer gewonnen werden.                                     Gartens sowie die Ausgestaltung des Gemein-
Neben einer Aktivierung von Einzelpersonen                                 schaftsgartens besprochen und mit Expertenin-
ist die Ansprache lokaler Institutionen hilfreich,                         puts unterstützt werden.
da sie bereits im Quartier bekannt sind, einfach

Machbarkeitsstudie: Aufbau eines Gemeinschaftsgartens in der Victoriasiedlung Lünen                                                                       7
AUFBAU EINES GEMEINSCHAFTSGARTENS IN DER VIKTORIASIEDLUNG LÜNEN - COPROGRÜN MACHBARKEITSSTUDIE - COPROGRÜN
Abb.6: Sozialer Treffpunkt im
Westgarten
Foto: Die Urbanisten e.V.

                                Es kann Raum für individuelle Ideen gegeben         Um die passende Ansprache-Methode zu ent-
                                werden, die anschließend von der gesam-             wickeln sind anschließend folgende Fragen zu
                                ten Gruppe diskutiert werden. In gemischten         beachten:
                                Kleingruppen können einzelne Themen wie z.B.        •   Wer wurde als potentieller Akteur im vorheri-
                                Pflanzenwahl, Veranstaltungen o.Ä. besprochen           gen Schritt festgehalten?
                                und der Gesamtgruppe vorgestellt werden.            •   Sind darunter verschiedene Gruppen, die
                                                                                        über unterschiedliche Kanäle angesprochen
                                Im Zuge von CoProGrün haben die Urbanisten              werden müssen?
                                einige Ansprache-Methoden entwickelt, die den       •   Soll eine möglichst große Masse an potenti-
                                Projektträgern separat zur Verfügung gestellt           ellen Mitmachern oder eher ein kleiner Kreis
                                werden (siehe Anhang). Sie dienen als Ansätze           angesprochen werden?
                                und müssen auf die lokalen Gegebenheiten            •   Wozu sollen die Angesprochenen eingela-
                                angepasst und konkretisiert werden. Welche              den werden?
                                Methoden zu den Rahmenbedingungen des               •   Welche Informationen soll die Ansprache
                                Modellprojektes am besten passen und wann               beinhalten?
                                sie umgesetzt werden sollen, wird mit der Stadt     •   Wer nimmt den Kontakt zu den potentiellen
                                Lünen und dem Grünen Quartiersmanagement                Mitmachern auf? Gibt es bereits involvierte
                                abgesprochen. Dabei sind die vorhandenen                Akteure, die sich dafür anbieten?
                                Rahmenbedingungen zu beachten und damit
                                einhergehend die Frage, ob und inwiefern die        Weitere Methoden und Ideen können selbstver-
                                Rahmenbedingungen Einfluss auf die Auswahl          ständlich entwickelt und umgesetzt werden. So
                                der weiteren Akteure haben:                         wurde zum Beispiel bereits angedacht, einen
                                •    Steht bereits jemand als Akteur fest und aus   Lorenwagen am Eingang der Barbarastraße vi-
                                     welchem Grund?                                 suell anspruchsvoll zu bepflanzen und damit auf
                                •    Wie sind die räumlichen Bedingungen vor        das Thema des urbanen Gärtnerns hinzuweisen.
                                     Ort? Wie ist der Garten zugänglich?            Die LEG hat dem bereits zugestimmt, übernimmt
                                •    Gibt es vorab bereits einen thematischen       aber keine Kosten für Aufbau und Pflege. Die
                                     oder Zielgruppen-Fokus für das Projekt?        Methoden werden leitend durchgeführt vom
                                •    Welche Art von Mitmachern wird benötigt:       Grünen QM in Person von Frau Ellermann, wo-
                                     Nutzer? Koordinatoren? Förderer und Spon-      durch eine optimale Einbindung in die weiteren
                                     soren? Flächeneigentümer? Multiplikatoren?     Aktionen in der Siedlung gewährleistet ist.

8
Abb.7: Tomaten im West-
                                                                                                                                garten
                                                                                                                                Foto: Die Urbanisten e.V.

Die Urbanisten können die Umsetzung der Me-                                sich als sehr skeptisch bezüglich des Vorhabens
thoden nach Absprache unterstützen.                                        gezeigt haben, ist es wichtig, sie mit den poten-
                                                                           tiellen Gärtnern ins direkte Gespräch zu bringen
Sobald sich eine Gruppe mit Interesse am                                   um einen persönlichen Kontakt zu ermöglichen,
gemeinschaftlichen Gärtnern gebildet hat, sollte                           Vertrauen zu schaffen und eine Akzeptanz zu er-
zügig ein Treffen mit den Anrainern der Fläche                             reichen. Die Moderation dieses Treffens sollte im
erfolgen – wenn dies nicht bereits beim Kick-                              besten Fall vom Grünen Quartiersmanagement
Off-Workshop geschehen ist. Gerade weil diese                              übernommen werden.

4.4 Weitere Projekte
Im Zuge des Quartiersmanagements können in                                 Stadt Lünen seit 01.09.2018 Pächter ist. Nördlich
der Siedlung weitere Flächen mit Bezügen zum                               der Münsterstraße gibt es zwischen den Mehr-
Gemeinschaftsgarten bespielt werden: Auf einer                             familienhäusern der Vivawest an der Stein- und
Fläche an der Kirchhoffstraße gegenüber dem                                Lessingstraße große Abstandsgrünflächen. Weil
Friedhof soll nach Planungen der Stadt Lünen                               der Kontakt zur LEG deutlich weiter vorange-
ein Sozialbauhof zur Integration gering ausge-                             schritten ist als der zur Vivawest und die LEG
bildeter Menschen entstehen. Die Arbeiten im                               grundlegende Bereitschaft zur Bereitstellung von
Sozialbauhof sollen auch zur besseren Inklu-                               Flächen für die Projektidee signalisiert, soll die
sionsverträglichkeit im Quartier beitragen. Dort                           erfolgreiche Projektentwicklung auf der Spiel-
könnte temporär gegärtnert werden, wobei hier                              platzfläche abgewartet werden, um dort weitere
aufgrund von Bodenbelastungen – hier stand                                 Nachbarschaftsgärten zu initiieren.
ehemals eine Tankstelle – in Hochbeeten ange-
baut werden müsste. Der Sozialbauhof soll den
Gemeinschaftsgarten bei Bedarf unterstützen.
Die Fläche ist im privaten Eigentum, für die die

Machbarkeitsstudie: Aufbau eines Gemeinschaftsgartens in der Victoriasiedlung Lünen                                                                         9
5. Co-Produktionsmodell
                                Im Modellprojekt Urban Gardening Lünen-Victo-        Ort speisen. Bis zum jetzigen Zeitpunkt gibt es
                                riasiedlung fungiert die Stadt Lünen als Projekt-    noch keine Verbindlichkeiten und keine konkret
                                träger und Initiator. Sie installierte im Frühjahr   angesprochenen Akteure und Anwohner bis auf
                                2018 das Grüne Quartiersmanagement, das im           die Anrainer als bisherige (Teil-)Flächennutzer.
                                Stadtteil beteiligungsorientierte Projekte und Ak-
                                tionen mit gärtnerischem Bezug entwickeln und        Die Urbanisten übernehmen in dem Projekt
                                durchführen soll. Das Modellprojekt stellt eines     eine beratende Tätigkeit, lassen Erfahrungen
                                dieser Projekte dar. Die bisherige Projektent-       einfließen und leisten konzeptionell Mitarbeit.
                                wicklung wirkt trotz der Ideen aus der Bewohner-     Dazu werden sie eng mit dem grünen Quartiers-
                                schaft Top-Down, allerdings ist die Stadt Lünen      management und der Stadt Lünen zusammenar-
                                gewillt, das Projekt – sobald sich eine Gruppe       beiten. Die erste Beratung fand bereits Ende des
                                gebildet hat in die Hände dieser und Begleitung      Jahres 2017 bei der Ausgestaltung der Aus-
                                des grünen QM zu geben.                              schreibung des grünen Quartiersmanagements
                                                                                     statt: Die Urbanisten teilten dazu ihre langjährige
                                Das Wohnungsunternehmen LEG Immobilien AG            Erfahrung bezüglich Teilhabe und Partizipation
                                ist Eigentümer der Grabelandflächen, auf denen       der Bewohnerschaft an gemeinschaftlichen
                                ein Gemeinschaftsgarten entstehen soll. Diese        Projekten mit, was in das Aufgabenspektrum
                                Flächen werden von Privatpersonen als Gärten         des geplanten Quartiersmanagements einfloss.
                                genutzt, wobei es nur mündliche Nutzungsver-         Die Urbanisten erfüllen auch eine Rolle als
                                einbarungen gibt. Die LEG stellt den Kontakt         Raumagent, der zwischen den Akteuren ein
                                zu den Nutzern her. Mit den Pächtern soll im         Netzwerk strickt – so zum Beispiel geschehen
                                Sinne einer guten Nachbarschaft ein Verhältnis       durch die Vernetzung der Stadt Lünen mit Frau
                                zu beidseitigem Nutzen entstehen. Dies kann          Ellermann beim Workshop „Gemeinschafts-
                                bspw. durch gegenseitige Unterstützung bei der       gärten: Wie kommen Flächeneigentümer und
                                Gartenarbeit oder Pflanzentausch entstehen.          Garteninteressierte zusammen?“ am 1.3.2018.
                                                                                     Ebenfalls werden Maßnahmenempfehlungen
                                Die aktive Nutzerschaft des Gartens soll sich        kommuniziert sowie ganz konkrete Fragen über
                                aus Interessierten aus der Nachbarschaft sowie       das weitere Vorgehen besprochen.
                                Akteuren verschiedener sozialer Institutionen vor

Abb.8: Einordnung des
Projektes „Aufbau eines Ge-
meinschaftsgartens in der
Victoriasiedlung Lünen“ in
die Co-Produktionsmodelle
nach Bovaird 2007 (über-
setzt und überarbeitet)
Quelle: Bovaird, Tony (2007):
Beyond Engagement and
Participation: User and
Community Coproduction of
Public Services.
In: Public Administration
Review 67 (5), S. 846–860

10
Akteursnetzwerk: Urban Gardening Victoriasiedlung Lünen

Abb.9: Beziehungen der unterschiedlichen Akteure, die sich durch CoProGrün vernetzt haben um den Gemeinschaftsgarten in der Viktoriasiedlung aufzubauen,
Darstellung: RWTH Aachen University, Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur

Machbarkeitsstudie: Aufbau eines Gemeinschaftsgartens in der Victoriasiedlung Lünen                                                                        11
Abb.10: Skizze der Akteurs-
struktur im Modellprojekt
Aufbau eines Gemein-
schaftsgartens in der
Victoriasiedlung Lünen

                              6. Hürden und Hemmnisse
                              Wenn sich die Grabelandpächter nicht bereit        der Möglichkeit einer aktiveren Nachbar- und
                              erklären, Teile ihrer Flächen für die neue Zuwe-   Mieterschaft würde positive Effekte für die LEG
                              gung und den Gemeinschaftsgarten abzugeben,        bedeuten und möglicherweise Kosten, die durch
                              könnte das Projekt an dem Ort scheitern. Bei       Vandalismus und Müll entstehen, reduzieren. Es
                              ersten Gesprächen zeigte sich jedoch bereits       sollte daher zu einem späteren Zeitpunkt noch
                              eine grundlegende Offenheit für das Vorhaben,      einmal mit der LEG ein Gespräch erfolgen. Mög-
                              trotz jahrelang gewachsener Vorbehalte gegen-      licherweise lässt sich mit einem bereits aktiven
                              über der LEG und Teilen der Nachbarschaft.         Projekt mit ersten erkennbaren und nachweis-
                              Grundsätzlich bringt der Vorteil eines geschütz-   lichen Erfolgen besser argumentieren. Bisher
                              ten Raums auch den Nachteil, dass die (halb)       ungeklärt ist ebenfalls wie Strom und Wasser
                              öffentlichen Flächen als privat wahrgenommen       finanziert und vor Ort beschaffen werden.
                              werden, so dass Betroffene die Vorteile eines
                              solchen Projekts nicht erkennen, sondern erst      Die Ansprache der Akteure gestaltet sich als
                              einmal Nachteile durch die Flächenabgabe           hinderlich, so dass Gruppenbildungsprozes-
                              erwarten.                                          se bisher nicht in Gang kommen können. Im
                                                                                 Umkehrschluss bleibt dadurch für die Anrainer
                              Die LEG wird keine baulichen Maßnahmen wie         das Vorhaben abstrakt und damit verbundenen
                              bspw. die Schaffung eines Kinderspielplatzes       kommt es zu negativen Erwartungen. Die Ab-
                              oder die Anlage von Pflasterwegen finanzieren.     gabe der Fläche wird deshalb bisher als Risiko
                              Falls diese nicht anderweitig finanziert werden,   und nicht als Gewinn empfunden. Diese Haltung
                              wird die LEG anfallende Kosten auf die benach-     ist ein Ergebnis der dargestellten Probleme der
                              barten Mieter umlegen. Unter diesen Umständen      Nachbarschaft und der Nähe der Projektflä-
                              wäre es deutlich schwieriger, eine Akzeptanz für   che zu den privaten Gärten. Eine behutsame
                              das Projekt zu erreichen.                          Ansprache insbesondere der Anrainer und ein
                              üDie LEG steht an dieser Stelle beispielhaft       ebensolches Zusammenbringen alter und neuer
                              für Eigentümer, die keinerlei finanziellen Auf-    Nutzer auf und um die Fläche ist daher beson-
                              wand – wenn auch sehr klein – tragen wollen.       ders wichtig.
                              Schon durch die Investitionen der Stadt sowie

12
Abb.11: Biodiversität im
                                                                                                                                Gemeinschaftsgarten
                                                                                                                                Foto: Sebastian
                                                                                                                                Geißelbrecht

7. Finanzierung
Um das Projekt wie oben besprochen umzuset-                                Zäune sowie gekaufte Fertigprodukte wie Kom-
zen, wird eine Finanzierung für folgende Punkte                            posttoiletten oder Hochbeete und auch nicht
benötigt:                                                                  den Erwerb von Grundstücken. Die Richtlinien
1. Bau und Instandhaltung des neuen Weges                                  für die Fördermittelvergabe fordern, dass der
2. Regelmäßiger Grünschnitt                                                Antragssteller eine gemeinnützige Einrichtung
3. Ausstattung für den Gemeinschaftsgarten                                 sein muss. Die Beteiligten sollten möglichst
    (Material, Werkzeug, Erde, Pflanzen)                                   von Anfang an an der Projektplanung teilhaben
4. Elemente im Garten, z.B. Unterstellmöglich-                             und es dürfen weder Kunstdünger noch Pesti-
    keit, Hochbeete, Sitzmöglichkeiten, Mobiliar,                          zide verwendet werden. Diese Stiftungsgelder
    Literatur                                                              anzufragen macht also erst zu einem späteren
5. Infrastruktur (Strom, Wasser etc.)                                      Zeitpunkt Sinn, wenn sich eine Gärtnergruppe
                                                                           gefunden hat, ein Konzept für den Gemein-
Das Grüne Quartiersmanagement verfügt über                                 schaftsgarten entwickelt wurde und die Gruppe
ein Budget, das für das Gartenprojekt eingesetzt                           eine gemeinnützige Initiative gegründet hat.
werden kann. Genaue Zahlen sind allerdings
nicht bekannt. Zudem gibt es für die Maßnahme                              Die Stiftung Deutsches Hilfswerk fördert
des Sozialbauhofs, der an der Kirchhoffstraße                              sowohl gemeinnützige Organisationen, die den
entstehen soll, ein bereits bewilligtes Budget.                            Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege
Dieses sieht unter anderem auch Gelder für den                             angehören oder angeschlossen sind, als auch
Gemeinschaftsgarten, die Anlage des Weges so-                              freie Träger. Sie vergibt Fördergelder für soziale
wie die Herrichtung des Geländes vor. Über das                             Maßnahmen zur Quartiersentwicklung in sechs
eigene Budget hinaus bestehen weitere Förder-                              Handlungsfeldern, wovon vor allem „Tragende
möglichkeiten für das Projekt, die die Urbanisten                          soziale Infrastruktur“ und „Wertgeschätztes
recherchierten:                                                            gesellschaftliches Umfeld“ sehr gut zum Vorha-
                                                                           ben des Gartens passen. Die Höhe der Mittel
Die Stiftung anstiftung & ertomis mit Sitz in                              wird auf der Grundlage des einzureichenden
München agiert bundesweit und unterstützt                                  Kostenplanes bestimmt. Hierzu müssen also
Gemeinschaftsgärten vor allem Eigeninitiativen                             dieselben Schritte durchgeführt werden, wie bei
von Nachbar- und Gemeinschaften. Sie fördert                               den Stiftungsgeldern der anstiftung.
Reisekostenzuschüsse sowie Sachkosten für
Gartengeräte, Materialien für den Selberbau                                Die Volksbank-Stiftung unterstützt gemeinnüt-
und für handwerkliche Aktivitäten der Garten-                              zige Vereine und Körperschaften mit konkreten,
gruppe, Pflanzen, torffreie Erde und Saatgut von                           sachbezogenen Investitionen. Diese müssen
samenfesten Sorten. Sie fördert keine laufenden                            einem der Bereiche Natur- und Umweltschutz,
Betriebs- oder Personalkosten, extern vergebe-                             Völkerverständigung oder Heimatpflege und
ne Bauvorhaben und andere Dienstleistungen,                                Heimatkunde zugeordnet werden können.

Machbarkeitsstudie: Aufbau eines Gemeinschaftsgartens in der Victoriasiedlung Lünen                                                                        13
8. Zeitplan Umsetzung / Projektphasen
     01.03.2018: Workshop „Gemeinschaftsgärten:        Frühjahr 2019: Workshops / Aktionen zur Vor-
     Wie kommen Flächeneigentümer und Gartenin-        bereitung des Gartens: Nach dem Beteiligungs-
     teressierte zusammen?“. Teilnahme von Astrid      workshop wird der Garten mit kleinen Workshops
     Linn und Ute Ellermann                            und Aktionen als Ort der Begegnung aufgebaut
                                                       und etabliert. Bis zum Beginn der gärtnerischen
     Mai 2018: Start Grünes Quartiersmanagement /      Tätigkeiten haben die Interessierten so die
     Anstellung Ute Ellermann                          Möglichkeit, sich und das Projekt einzuspielen.
                                                       Mögliche Aktionen (Liste kann noch erweitert
     Bis Mitte 2018: Koordinierende Treffen, Schaf-    werden) sind:
     fung eines Projektrahmens                         1. Beete vorbereiten,
     Öffentliches präsentieren der Idee „Nachbar-      2. Hochbeete bauen und gestalten,
     schaftsgarten“                                    3. Insektenhotel bauen,
                                                       4. Sitzmöbel bauen und gestalten,
     Bis Ende 2018: Vorbereitendes Treffen mit den     5. Kompost
     Anrainern
     Flächenverfügbarkeit schaffen über Kooperati-     CoProGrün steht für diese Workshops beratend
     onsvereinbarung (LEG, Stadt Lünen, Anrainer)      zur Verfügung, kann diese aber nicht durchfüh-
                                                       ren.
     Ende 2018 / Anfang 2019: Vorbereitende Auf-
     gaben auf der Fläche (Bau des neuen Weges,        März 2019: Pflanzenvorzucht
     Grünschnitt) Aktivierung potentieller Mitmacher
     Beteiligungsworkshop zur Entwicklung eines        April / Mai 2019: Start der Gartensaison, Aussaat
     Projektkonzeptes

14
Abb.12: Biodiversität im
                                                                                      Gemeinschaftsgarten
                                                                                      Foto: Sebastian
                                                                                      Geißelbrecht

                                                                                      Abb.13: Schritte zur Projekt-
                                                                                      umsetzung

Machbarkeitsstudie: Aufbau eines Gemeinschaftsgartens in der Victoriasiedlung Lünen                              15
9. Aktueller Stand
     Wie geplant gab es einen ersten Infostand auf         In der Zwischenzeit hat Frau Ellermann weitere
     dem Mieterfest der LEG, hier wurden erste Ge-         Anwohner und Akteure ansprechen können, ob
     spräche mit Nachbarn und Anrainern geführt. Im        Interesse an der kooperativen Entwicklung eines
     Anschluss daran bekräftigte die LEG zwar, ihre        Nachbarschaftsgarten besteht. Dazu wurden
     Flächen für das Gemeinschaftsgartenprojekt zur        Anwohner an einem temporären Infostand an
     Verfügung zu stellen, aber auch den Entschluss,       einem Supermarkt angesprochen und mit der
     den Bau der zusätzlichen Zuwegung und das             Thematik vertraut gemacht. Wichtig erscheint
     Gemeinschaftsgartenprojekt finanziell nicht zu        allen Beteiligten, dass zeitnah erste Erfolge wie
     unterstützen.                                         z.B. die Umsetzung der Zuwegung als sichtbare
     Bei einem ersten Termin des grünen QM, der            Maßnahmen passieren. Die nächsten wichtigen
     LEG und den Urbanisten zur Absprache mit den          Meilensteine sind also die öffentliche Bekannt-
     Anrainern der Stadt Lünen zeigte sich bereits,        machung der Nutzungsvereinbarung, die Umset-
     dass jahrelang gewachsenes Misstrauen in              zung des Weges und auch die Ansprache von
     die Entwicklungspolitik der Stadt und der LEG,        Akteuren und Anwohnern zur Aktivierung. Eben-
     sowie die (bisher) abstrakte Vorstellung vom          falls kann durch eine gemeinsame Aufräum- und
     geplanten Gemeinschaftsgarten für Skepsis bei         Pflanzaktion mit interessierten Akteuren mög-
     den Anrainern sorgt. Im Rahmen des Treffens           licherweise die Stimmung verbessert werden,
     konnten diese zum Großteil geklärt und zumin-         um dem Projekt mehr Rückenwind - vor allem
     dest die Tendenz einer Bereitschaft zur Abgabe        aus Richtung der Anrainer - zu ermöglichen.
     von Grabelandfläche durch zwei Anrainer fest-         Hier wirkt positiv, dass die LEG kleine aufwer-
     gehalten werden. Der eingangs beschriebene            tende Maßnahmen am Parkplatz hinsichtlich der
     Bruch im sozialen Gefüge und die große Hetero-        Beleuchtung und Qualität vornehmen wird. Die
     genität, die in der Siedlung bisher teilweise für     Stadt Lünen wird ebenfalls im Zuge der Bauar-
     Entfremdung sorgen, wurden ebenfalls deutlich.        beiten zur Wegeführung den Anrainern Hilfe-
                                                           stellung beim Grünschnitt auf den gepachteten
     Über den Jahreswechsel und zu Beginn des              Flächen geben.
     ersten Quartals 2019 stockte die Umsetzung
     des Projekts: Problematisch war bis dato, dass        Eine Machbarkeit des Projekts scheint zum ak-
     sowohl keine schriftliche Nutzungsvereinbarung        tuellen Stand – trotz holprigen Beginns – weiter
     mit der LEG vorlag als auch die Stimmung unter        möglich. Bisher hängt das Projekt an der sehr
     den Anrainern eher problematisch war. Hier hat        motiviert auftretende Stadt Lünen mit einer ge-
     sich das Risiko einer negativen Wahrnehmung           planten Bereitstellung von Geldern und des grü-
     durch die Flächeninanspruchnahme und der bis-         nen Quartiersmanagements. Darüber hinaus ist
     her abstrakten und nicht konkretisierten Nutzung      aus dem Kreis der Akteure und der erweiterten
     und Nutzergruppe bestätigt. Bei einem letzten         Nachbarschaft im Vorfeld der Planung Interesse
     Termin im Dezember 2018 war insbesondere              an Flächen für gemeinschaftliches Gärtnern und
     durch den Beitrag einer Anrainerin die Stimmung       sozialer Interaktion bekundet worden. Es ist in
     bzgl. des Vorhabens eher getrübt. Die Erwar-          Planung, dass auf der Fläche des Sozialbauhofs
     tung, dass die Planung eines neuen Weges und          die ersten Interessierten Möglichkeiten zum
     eines öffentlichen genutzten Gemeinschaftsgar-        Gärtnern bekommen werden. Wenn an dieser
     tens als Eingriff in einen geschützten (teilweise)    Stelle bereits eine Gruppen-Bildung erfolgt, kann
     privaten Raum verstanden würde, hat sich leider       diese zu einem späteren Zeitpunkt die Innenhoff-
     bestätigt.                                            läche als Gemeinschaftsgarten entwickeln. Auf
                                                           Grund der bereits beschriebenen Hindernisse ist
     Die Projektinitiatoren verfolgen allerdings weiter-   eine behutsame Entwicklung des Innenhofs hin
     hin motiviert die Realisierung des Projektes und      zu einem Gemeinschaftsgarten sehr sinnvoll. So
     das Ziel, die Anrainer zu überzeugen. Im März         können bis Sommer 2019 erst einmal bauliche
     2019 unterzeichnete die LEG eine Nutzungs-            Maßnahmen positiv wirken und für Vertrauen
     vereinbarung, die unter anderem besagt, dass          sorgen.
     die Stadt Lünen die Fläche mit den Akteuren vor
     Ort zu einem Gemeinschaftsgarten entwickeln
     kann. Darüber hinaus wurde ein allgemeiner
     Konsens zur positiven Entwicklung des Quartiers
     beschlossen.

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Abb.14: Plakat zur Aktivierung der Anwohner, Quelle: Die Urbanisten

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