Die Besteuerung von Glück - Alexandria (UniSG)

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Die Besteuerung von Glück
Peter Hongler

                                  Peter Hongler, Prof. Dr.,
                                  dipl. Steuerexperte, Ordent­
                                  licher Professor für Steuer­
                                  recht an der Universität
                                  St.Gallen (HSG), Counsel bei
                                  Walder Wyss AG, Zürich

Glück spielt eine entscheidende Rolle bei der Frage, wie         La chance joue un rôle décisif dans la question de savoir
viel Einkommen eine Person in einem Jahr bzw. in ih-             quel revenu une personne réalise sur une année ou sur
rem ganzen Leben realisiert. Dieser Beitrag untersucht,          l’ensemble de sa vie. Cet article examine si le droit fiscal
ob das Schweizer Steuerrecht dem Faktor Glück bei der            suisse prend en compte le facteur chance dans la fisca­
Besteuerung Rechnung trägt und ob Personen, die in               lité et si les personnes particulièrement chanceuses
ihrem Leben besonders viel Glück haben, auch beson-              dans la vie supportent également des charges parti­
ders hohe Lasten tragen. Bezug genommen wird hierzu              culièrement élevées. A cette fin, il est fait référence
auf die philosophische Diskussion zum Glück-Egalitaris-          à la discussion philosophique sur l’égalitarisme des
mus und auf finanzwissenschaftliche Untersuchungen               chances et aux études financières sur l’égalité des
zur Chancengleichheit.                                           chances.

IFF Forum für Steuerrecht 2021                                                                                    © IFF-HSG
Peter Hongler, Die Besteuerung von Glück                                                                                                                                             331

Inhalt

1     Einleitung  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 331   6   Kritik am Glück-Egalitarismus  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 336

2     Was ist Glück?  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 331     7   Neutralisierung von Glück verstanden
                                                                                                      als Ermöglichung von Chancengleichheit  .  .  .  .  .  .  .  .  . 337
3     Das Leben und der Einfluss von Glück .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 331
                                                                                                  8   Zusammenfassung .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 339
4     Die philosophische Debatte  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 332                  Literaturverzeichnis  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 339

5     Die steuerrechtliche Behandlung von Glück .  .  .  .  .  .  .  . 333                            Rechtsquellen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 340

5.1 Grundlagen zur Steuergerechtigkeitsdiskussion  .  .  .  .  . 333                                  Praxisanweisungen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 340

5.2 Die Einkommenssteuer und die Steuerfreiheit
    von Kapitalgewinnen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 333

5.3 Erbschaftssteuer .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 335

1              Einleitung1                                                                        zungen vom steuerbaren Einkommen abgezogen wer­
                                                                                                  den.2 Viele Krankheiten, aber auch Unfälle, entstehen
Vorweg ein Disclaimer: Ich bin nicht für oder gegen hö­                                           ­ohne bewusstes Zutun der steuerpflichtigen Person (z. B.
here Steuern und lasse mich auch nicht so interpretieren.                                          aufgrund genetischer Prädisposition) und insofern macht
Es geht nachfolgend einzig um die Frage, ob Glück bei                                              es durchaus Sinn, dass dieses Pech durch den Abzug zu­
der Verteilung der Steuerlast eine Rolle spielen soll. Bei­                                        mindest steuerlich sozialisiert wird. Noch offensichtli­
spielhaft kann das folgende Gedankenspiel angestellt                                               cher ist dies bei der obligatorischen Krankenversiche­
werden: Angenommen, der Staat muss 100 an Steuern                                                  rung, die dieses ungleich verteilte Pech in der Gesell­
einnehmen; wie sollen diese 100 auf die Mitglieder einer                                           schaft ebenfalls ausgleichen soll. Aber, wie erwähnt, be­
Gesellschaft verteilt werden und soll Glück hierfür eine                                           schäftige ich mich nachfolgend ausschliesslich mit
Rolle spielen?                                                                                     glücklichen Zufälligkeiten.
Beginnen wir mit einer Analyse, was Glück überhaupt ist.                                          Es geht entsprechend im Folgenden um Glück bei der
                                                                                                  Einkommenserzielung, d. h. um die Frage, inwieweit der
                                                                                                  Gesetzgeber die Tatsache belohnt oder bestraft, dass
                                                                                                  ­Person A ein Einkommen von CHF 100 erzielt, das auf
2              Was ist Glück?                                                                      Glück basiert, und Person B über ein Einkommen von
Die Abhandlung nimmt Bezug auf Glück im Sinne von                                                  CHF 100 verfügt, das auf harte Arbeit bzw. bewusste Ent­
«Glück haben» und nicht im Sinne von «glücklich sein».                                             scheide von B zurückzuführen ist.
Glück im Sinne von «Glück haben» ist ein Synonym für
Zufälligkeiten, denen ich etwas Positives abgewinnen
kann. Das heisst, im Zentrum steht die Frage, ob Glück
im Sinne von positiven Zufälligkeiten eine Rolle für das                                          3            Das Leben und der Einfluss von
Erzielen von Einkommen spielt.                                                                                 Glück
Im Übrigen wäre es auch eine Untersuchung wert, wie                                               In der Philosophie wird unterschieden zwischen rohem
die Steuergesetze mit Pech im Leben, verstanden als Zu­                                           Glück und beeinflussbarem Glück. Rohes Glück kann de­
fälligkeiten, denen ich nur etwas Negatives abgewinnen                                            finiert werden als subjektiv unvermeidbare Zufälle oder
kann, umgehen. Nur als Beispiel: Krankheits- und Un­                                              Glück, das nicht bewusst beeinflussbar ist.3 Das heisst,
fallkosten können bekanntlich unter gewissen Vorausset­                                           wenn ich mich bewusst einem Glücksentscheid aussetze,
                                                                                                  so ist das positive Resultat beeinflussbares Glück. Es
                                                                                                  braucht somit aus Sicht der steuerpflichtigen Person zu­
1     Bei der vorliegenden Abhandlung handelt es sich um eine                                     mindest das Bewusstsein, einen Einfluss auf etwas zu ha­
      leicht angepasste Version der am 28.9.2021 gehaltenen An-                                   ben. Wenn mir gar nicht bewusst ist, dass ich etwas be­
      trittsvorlesung an der Universität St.Gallen. Der Autor dankt
      Frau Delia Lohmann, B.A. HSG in Law and Economics, für die
      tatkräftige Unterstützung bei der Erstellung der Fussnoten
      und der Verzeichnisse und Frau Ariane Menzer, M.A. HSG in                                   2   Art. 33 Abs. 1 lit. h DBG.
      Law and Economics, für das Zusammenstellen des Zahlen-                                      3   Vgl. hierzu im Detail V allentyne , Brute Luck, Option Luck, and
      materials in Abschn. 7.                                                                         Equality of Initial Opportunities, 531 ff.

© IFF-HSG                                                                                                                                     IFF Forum für Steuerrecht 2021
332                                                                                                Peter Hongler, Die Besteuerung von Glück

einflussen kann, ist der positive Erfolg weiterhin rohes                  Allerdings haben Sie auch auf Ihrem späteren Lebensweg
Glück. Dies klingt alles etwas abstrakt. Hierzu ein Bei­                  verschiedentlich rohes Glück, das die Einkommenshöhe
spiel:                                                                    beeinflusst. Angenommen, Sie schlagen den Weg des
                                                                          Steuerberaters oder der Steuerberaterin ein, so hängt Ihr
Gehen Sie davon aus, Sie haben zwei gleich lange Wege
                                                                          Lohn stark davon ab, wie der Staat den Steuerberatungs­
zum Bahnhof und Sie fällen heute bewusst den Ent­
                                                                          markt reguliert. Angenommen, der Staat verlangt, dass
scheid, den Weg A und nicht wie sonst den Weg B zu ge­
                                                                          nur noch diplomierte Steuerexperten und Steuerexpertin­
hen. Wenn Sie nun CHF 100 auf der Strasse finden, ist
                                                                          nen beratend und/oder prozessierend tätig sein dürfen, so
das erzielte Einkommen zwar auf einen bewussten Ent­
                                                                          verknappt dies das Angebot und erhöht die Preise. Sie
scheid zurückzuführen (die Wahl des Weges), aber Ihnen
                                                                          verdienen demnach mehr. Ganz viele weitere solche ro­
war gar nicht bewusst, dass dieser Entscheid einen Ein­
                                                                          hen Zufälle spielen auch in Ihrem späteren Leben eine
fluss auf Ihr Einkommen haben kann. Dies ist rohes
                                                                          Rolle. Wir dürfen also nicht dem Irrglauben verfallen,
Glück. Wenn Sie aber bewusst heute Lotto spielen und
                                                                          dass das uns verfügbare Einkommen nur durch unser be­
gewinnen, ist dies nicht rohem Glück geschuldet, sondern
                                                                          wusstes Zutun und unsere harte Arbeit erzielt wird.
Sie haben bewusst diesen Entscheid gefällt und auch mit
einem Gewinn gerechnet bzw. besser auf einen Gewinn                       Zusammenfassend ergibt sich, dass Glück sowohl bei Ih­
gehofft. Es handelt sich um beeinflussbares Glück.                        ren Startchancen eine Rolle spielt als auch im künftigen
                                                                          Leben. Bei den Startchancen spielt das rohe Glück eine
Betrachten wir den Lebensweg einer Person, so ist die
                                                                          grosse Rolle; je älter wir werden, desto eher wird jedoch
Erzielung von Einkommen sowohl von rohem Glück als
                                                                          auch das beeinflussbare Glück relevant. Wie bereits er­
auch von beeinflussbarem Glück geprägt. Ich wurde in
                                                                          wähnt, geht es nachfolgend einzig um die Frage des Zu­
Berneck, einer Gemeinde im St.Galler Rheintal, geboren.
                                                                          sammenhangs zwischen Glück und erzieltem Einkom­
Meine Chance, eine Matura zu machen, lag gemäss heu­
                                                                          men.
tigen Zahlen bei 12,9 %. Wäre ich in Mörschwil geboren,
läge die Chance bei 25 % und damit fast doppelt so hoch.4
Das ist rohes Glück, denn der Geburtsort steht nicht zur
Disposition. Ich persönlich kann nichts dafür, dass ich in
                                                                          4          Die philosophische Debatte
Berneck und nicht in einer anderen Gemeinde geboren
wurde.                                                                    Welche moralischen Folgen hat nun diese erwähnte Un­
                                                                          terscheidung zwischen rohem Glück und beeinfluss­
Selbstverständlich – und dies ist noch viel wichtiger –
                                                                          barem Glück? Der Glück-Egalitarismus, wie er von
­basiert auch die Familiensituation auf rohem Glück. Die
                                                                          ­Ronald Dworkin6 und anderen vertreten wird, versucht
 Zufälligkeit, in welche Familie Sie geboren werden, hat
                                                                           das rohe Glück in einer Gesellschaft zu neutralisieren.
 einen enormen Einfluss auf Ihr späteres Einkommen. Je
                                                                           Eine ungleiche Verteilung in einer Gesellschaft ist inso­
 älter wir werden, desto bewusster fällen wir allerdings
                                                                           fern ungerecht, als sie nicht auf Entscheide und Verdiens­
 auch Entscheide, die unseren Lebensweg prägen. Das
                                                                           te in einer Gesellschaft zurückzuführen ist.7
 heisst, die Bedeutung des beeinflussbaren Glücks nimmt
 zu und die Bedeutung von rohem Glück nimmt mit stei­                     Dieser Auffassung folgend ist nur das rohe Glück unge­
 gendem Alter ab, zumindest hinsichtlich der Einkom­                      recht.8 Das heisst, es geht darum, der persönlichen Ver­
 menserzielung.                                                           antwortung in einer gesellschaftsbezogenen Gerechtig­
                                                                          keitstheorie Rechnung zu tragen.9 Innerhalb einer Gesell­
Wiederum ein Beispiel: Nach der Matura habe ich mich
                                                                          schaft ist das rohe Glück ungerecht verteilt und darum
entschieden, in Bern zu studieren; hätte ich die Universi­
                                                                          sollten wir dieses ausgleichen. Im Übrigen ist dieses Ge­
tät St.Gallen gewählt, wäre mein Lohn heute vielleicht
                                                                          dankenexperiment auch politisch spannend, da es egali­
doppelt so hoch.5 Dies war ein mehr oder weniger be­
                                                                          täre Tendenzen der linken Seite mit der Fokussierung auf
wusster Entscheid und damit ist die Lohndifferenz auf­
                                                                          Eigenverantwortung der bürgerlichen Seite kombiniert
grund der Wahl der Universität nicht rohem Glück ge­
                                                                          bzw. Überlappungen aufzeigt. Oder anders gesagt, ver­
schuldet, sondern hängt damit zusammen, dass ich mich
                                                                          langt der Glück-Egalitarismus eine Umverteilung in
bewusst für den Studienort Bern entschieden habe.

                                                                          6    Obwohl D workin selbst die Bezeichnung ablehnt (vgl. mwH
                                                                              L ippert -R asmussen , Justice and Bad Luck, Kapitel 2).
                                                                          7    Vgl. hierzu auch C ohen , Rescuing Justice and Equality, 1 ff.
4     Die Zahlen basieren auf den Jahren 2014 – 2016 (vgl. mwH            8   D workin , What is Equality? Part 2: Equality of Resources, 292 ff.
      H oidn /S chultheis , Maturitätsquoten im Kanton St.Gallen – eine   9   Selbstverständlich gibt es ganz unterschiedliche Ansätze, den
      aktuelle Bestandsaufnahme, 51).                                         Glück-Egalitarismus auszuformulieren (vgl. bspw. hierzu
5     Dies ist selbstverständlich keine empirische Aussage.                   ­A rneson , Luck Egalitarianism Interpreted and Defended, 7 ff.).

IFF Forum für Steuerrecht 2021                                                                                                      © IFF-HSG
Peter Hongler, Die Besteuerung von Glück                                                                                                 333

einem Staat, die der Eigenleistung der Bürger jedoch                    zwar plausibel, es kann aber nicht das Ende der Ge­
grosse Bedeutung beimisst.                                              schichte sein.14
Der Glück-Egalitarismus ist selbstverständlich ein sehr                 Eine der grössten Schwächen des Leistungsfähigkeits­
weitgehender Ansatz und er wurde von verschiedenen                      prinzips ist, dass es auf der marktmässigen Einkommens­
Seiten auch kritisiert. Darauf ist noch einzugehen. Aller­              verteilung aufbaut.15 Gerecht ist eine Situation, wenn
dings ist doch zu konstatieren, dass intuitiv die Position              zwei Personen mit gleichem Einkommen gleich besteuert
durchaus überzeugend ist, wonach diejenigen, die im Le­                 werden. Wie aber bereits erwähnt, ist das Verdiente je­
ben mehr rohes Glück haben, auch mehr Lasten tragen                     doch nicht zwingend gleichermassen verdient. So kennen
sollen. Wenn ich mich hinter dem Schleier des Nichtwis­                 wir alle wohlhabende Personen, die es verdient hätten,
sens10 über die wesentlichen Institutionen einigen müsste,              arm zu sein, und arme Personen, die es verdient hätten,
spräche einiges dafür, dass ich das erzielte rohe Glück                 wohlhabend zu sein.16 Kurzum, ein Steuergerechtigkeits­
zumindest anteilig ausgleichen sollte. Darauf ist im Fol­               ansatz, der einzig das erzielte Einkommen betrachtet, ist
genden zurückzukommen.                                                  unzureichend, da ausgeblendet wird, wie das Einkommen
                                                                        generiert wurde.17
Schauen wir uns jetzt aber an, wie das Schweizer Steuer­
recht mit der Glückskomponente umgeht.                                  Obwohl dieses Axiom des schweizerischen Steuerrechts,
                                                                        wonach gleich hohes Einkommen gleich besteuert wer­
                                                                        den soll, als Kern der juristischen Steuergerechtigkeits­
                                                                        debatte gilt, zeigt sich in der Praxis, dass es vielerlei Ab­
5            Die steuerrechtliche Behandlung                            weichungen gibt. Im Folgenden ist zu prüfen, wie die
             von Glück                                                  verschiedenen Steuergesetze mit Glück umgehen und ob
                                                                        trotz dieser verfehlten Gerechtigkeitsüberlegungen auf­
5.1          Grundlagen zur Steuergerechtigkeits-
                                                                        grund des Leistungsfähigkeitsprinzips die Steuergesetze
             diskussion
                                                                        u. U. den bestrafen, der rohes Glück im Leben hat. Kon­
Die Steuergerechtigkeitsdebatte in der Schweiz ist – wie                kret behandle ich v. a. die Einkommens- und die Erb­
in allen Staaten – eine aufgeladene und emotionale De­                  schaftssteuer.
batte. Die Steuerrechtswissenschaft versucht dieser Emo­
tionalität etwas zu entgegnen. Das emotionale Beruhi­                   5.2         Die Einkommenssteuer und die Steuer-
gungsmittel11 hierzu ist das Leistungsfähigkeitsprinzip,                            freiheit von Kapitalgewinnen
das der Steuergerechtigkeitsdebatte eine Objektivität ver­
                                                                        Die Schweiz folgt bekanntlich der Prämisse, dass das ge­
leihen soll. Dieses Leistungsfähigkeitsprinzip hat in der
                                                                        samte Nettoeinkommen mit einer einzigen Einkommens­
Schweiz denn auch Verfassungsrang.12 Für gewöhnlich
                                                                        steuer belastet werden soll,18 so dass der Steuersatz für
wird argumentiert, das Leistungsfähigkeitsprinzip und
                                                                        Arbeitseinkommen und Einkommen aus beweglichem
damit die Verfassung verlangten eine horizontale und
                                                                        Vermögen grundsätzlich der gleiche ist. Es spielt dem­
eine vertikale Gleichbehandlung.13
                                                                        nach keine Rolle, ob jemand CHF 1000 als Zinsen oder
Horizontale Gleichbehandlung bedeutet, dass Personen                    CHF 1000 als Einkommen aus unselbständiger Erwerbs­
mit gleicher Leistungsfähigkeit gleich viel Steuern be­                 tätigkeit erzielt. Beide Einkunftsarten werden gleich be­
zahlen sollen, und vertikale Gleichbehandlung bedeutet,                 steuert.19
dass Personen mit höheren Einkünften auch höhere Steu­
                                                                        Dies ist nicht selbstverständlich, gibt es doch in anderen
erlasten tragen sollen. Als Vergleichsobjekt wird regel­
                                                                        Ländern duale Systeme, die bspw. Einkünfte aus Kapital­
mässig auf das Nettoeinkommen Bezug genommen. Das
heisst, zwei Personen mit je einem Nettoeinkommen von
CHF 50 000 sollen gleich besteuert werden. Dies klingt
                                                                        14    So auch N am , Taxing Option Luck, 1083.
                                                                        15    Dazu bereits H ongler , Das Leistungsfähigkeitsprinzip – eine
                                                                              moralische Illusion, Rz 33 ff.
                                                                        16    N am , Taxing Option Luck, 1083.
                                                                        17    Interessanterweise gibt es ein Beispiel, bei dem die Einkom-
                                                                              mensgenerierung eine Rolle spielt, und zwar die Dividenden.
10    Angelehnt an R awls , A Theory of Justice, 118 ff., der jedoch          In diesem Zusammenhang wurde traditionell argumentiert,
      keinen Glück-Egalitarismus vertrat. Allerdings steht auch Rawls         dass eine Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung
      der nachfolgend noch zu besprechenden Chancengleichheit                 sachgerecht sei, da die Dividenden ja schon einmal besteuert
      positiv gegenüber (vgl. insb. Gerechtigkeitsprinzip Nr. 2b –            wurden. D. h., Dividenden dürfen anders behandelt werden,
      Rawls, A Theory of Justice, 53).                                        da bei ihrer Entstehung bereits eine Steuer (die Gewinnsteu-
11    Kritisch hierzu bereits H ongler , Das Leistungsfähigkeitsprin-         er) angefallen ist. Vgl. hierzu mwH, aber nicht explizit in die-
      zip – eine moralische Illusion, Rz 1 ff.                                sem Punkt BGE 136 I 49, 57 ff., E. 4.
12    Art. 127 Abs. 2 BV.                                               18    Vgl. insb. Art. 16 Abs. 1 DBG.
13    Vgl. bspw. BGE 133 I 206, 218, E. 7.2.                            19    Art. 17 DBG bzw. Art. 20 DBG.

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vermögen anders besteuern als Lohneinkommen.20 Es                      überlegungen scheitert. Wie können wir denn genau mes­
scheint offensichtlich, dass im schweizerischen System                 sen, wer wie viel Glück hat und wie viel es zu neutralisie­
dem rohen Glück kaum Bedeutung zukommt. Anders ge­                     ren gibt? Einen Ansatz gäbe es zumindest hinsichtlich
sagt, spielt es dieser Grundprämisse folgend keine Rolle,              des Kapitaleinkommens. Um die genaue Bedeutung von
ob jemand eine Einkunft verdient hat oder nicht. Nicht                 Glück bei Kapitaleinkommen zu eruieren, ist bei den Ein­
überraschend wird dieses Thema auch durch die 99%-In­                  künften aus beweglichem Vermögen vermutlich zwischen
itiative aufgegriffen, über die Ende September 2021 ab­                einer risikolosen und einer risikobehafteten Komponente
gestimmt wurde. In deren Argumentarium wird beispiels­                 zu unterscheiden.
weise festgehalten:
                                                                       Die risikolose Komponente ist nichts anderes als die Ent­
      «Wenn wir eine gerechte Welt schaffen wollen, dürfen angebore-   schädigung für das Warten bis zum Konsum. 22 Das heisst,
      ne Privilegien nicht mehr zählen als harte Arbeit.»21
                                                                       wenn ich Vermögen besitze, kann ich durchaus einen ri­
Die 99%-Initiative hat in diesem Punkt etwas für sich, da              sikolosen Ertrag realisieren, bspw. wenn ich eine Bun­
im Ansatz versucht wird, Argumente des Glück-Egalita­                  desobligation kaufe – diese Komponente hängt nicht von
rismus aufzugreifen. Bei näherem Betrachten zeigt sich                 Glück ab. Der Zins auf einer Bundesobligation ist somit
jedoch, dass es gar nicht so klar ist, ob Kapitaleinkom­               die Entschädigung dafür, dass ich das Geld noch nicht di­
men (z. B. Zinsen, Dividenden, Kapitalgewinne) unver­                  rekt nach Erhalt konsumiere. Im Falle einer Bundesobli­
dienter ist als Erwerbseinkommen. Beide können zu                      gation ist sowohl die Auszahlung des Ertrags als auch die
grossen Teilen auf rohes Glück zurückzuführen sein und                 Rückzahlung der Investition sicher. Erwerbe ich jedoch
beide können auf bewussten Entscheiden der steuer­                     Aktien eines Pharma-Unternehmens, ist weder das eine
pflichtigen Person beruhen und damit auf beeinflussba­                 noch das andere sicher und die Auszahlung des Ertrags
rem Glück. Hierzu ein Beispiel:                                        und die Rückzahlung der Investition sind von Zufällen
                                                                       abhängig, die ich nicht steuern kann. Ich kann bspw.
Nehmen wir eine Person, die von Geburt an grosse Unter­
                                                                       nicht beeinflussen, ob ein Medikament trotz Zulassung
stützung erhalten hat und in sehr gute Verhältnisse gebo­
                                                                       nicht doch Nebenwirkungen entfaltet, was zu einem
ren wurde. Diese Person arbeitet nach dem Studium nur
                                                                       Kurssturz führen wird. Gleichzeitig kann ich nicht beein­
zu 60 % und erzielt ein Einkommen von CHF 60 000. Die
                                                                       flussen, ob das Pharma-Unternehmen aufgrund einer
restliche Zeit frönt sie ihren Hobbys. Andererseits neh­
                                                                       neuen Pandemie zusätzliche Gewinne erzielt. Das heisst,
men wir eine Person, die in sehr schwierigen Verhältnis­
                                                                       wenn ich Glück besteuern möchte, müsste ich diese Divi­
sen geboren wurde, aber durch harte Arbeit einen jährli­
                                                                       dendenerträge oder die Wertsteigerung auf den Aktien
chen Lohn von CHF 60 000 erzielt. Diese beiden Perso­
                                                                       besteuern.
nen werden gleich besteuert. Aber sind die CHF 60 000
gleichermassen verdient?                                               Daraus folgt, dass eine Besteuerung der Gewinne dazu
                                                                       dient, das unterschiedliche Glück von Investoren auszu­
Angenommen, die beiden Personen investieren die ersten
                                                                       gleichen – zumindest mehr als in einem steuerfreien Sys­
CHF 10 000 aus Erwerbseinkommen in Aktien, und zwar
                                                                       tem.23
in Aktien von zwei verschiedenen Gesellschaften. Beide
machen eine saubere Marktanalyse und hören auf Ana­                    Das Schweizer Einkommenssteuerrecht stellt bekanntlich
lysten. Leider ist nur eines der beiden Investments ge­                Kapitalgewinne steuerfrei.24 Besonders befremdlich hin­
winnbringend. Beide verkaufen die Aktien wieder. Die                   sichtlich der Bedeutung von Glück ist die auf finanz­
freizeitliebende Person macht keinen Gewinn, aber auch                 mathematischen Überlegungen beruhende Steuerfreiheit
keinen Verlust, d. h., sie verkauft zu CHF 10 000. Die                 des Kapitalgewinnanteils bei strukturierten Produkten.25
hart arbeitende Person macht einen Gewinn von                          Dort wird bspw. bei Entschädigungen unterschieden,
CHF 10 000. Ist dieser Gewinn nun auf harte Arbeit oder                welcher Anteil finanzmathematisch auf Kapitalgewinn
Glück zurückzuführen?                                                  und welcher auf (risikolose) Zinserträge zurückzuführen
                                                                       ist. Nur Letztere (d. h. die risikolose Komponente) wer­
Diese Beispiele zeigen auf, dass der Versuch, Glück steu­
                                                                       den jedoch besteuert. Ein Glück-Egalitarier müsste das
erlich zu neutralisieren, vermutlich an Praktikabilitäts­
                                                                       Gegenteil fordern! Demnach scheint das schweizerische
                                                                       Einkommenssteuerrecht zumindest in diesem Punkt nicht
                                                                       besonders sensitiv, was die Besteuerung von Glück anbe­
20    In der Regel wird bei einer dualen Einkommenssteuer das
      Einkommen aus beweglichem Vermögen mit einer tiefen «flat
      rate tax» besteuert und das Arbeitseinkommen progressiv
      (hierzu bspw. S ørensen , Dual Income Taxation, 559 ff.).        22   N am , Taxing Option Luck, 1098 mwH.
21    JA zur 99%-Initiative, Informationen und Argumente zur Ini-      23   Man spricht hierbei auch von der «Neutralisierungsthese»;
      tiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern», 14 (pu-         N am , Taxing Option Luck, 1102.
      bliziert auf: https://99prozent.ch/media/downloads/Argumen-      24   Art. 16 Abs. 3 DBG.
      tarium_99_gelayoutet_DEU_v2.pdf).                                25   Vgl. KS 15 Obligationen und derivative Finanzinstrumente.

IFF Forum für Steuerrecht 2021                                                                                            © IFF-HSG
Peter Hongler, Die Besteuerung von Glück                                                                                                   335

langt. Es scheint im Gegenteil sogar so zu sein, dass die­                Glück.33 Somit müsste bei bewussten Schenkungen und
jenigen, die «Glück haben», im Einkommenssteuerrecht                      Erbschaften eine unterschiedliche Besteuerung zum Tra­
punktuell bevorteilt werden.26                                            gen kommen. Bei Erbschaften, die bewusst an jemanden
                                                                          ausgerichtet werden, müsste es nicht zu einem gesell­
Das bringt mich zum zweiten Anwendungsbeispiel, und
                                                                          schaftlichen Ausgleich kommen, da diese auf beeinfluss­
zwar der Erbschaftssteuer.
                                                                          barem Glück beruhen.34
5.3          Erbschaftssteuer                                             Das bringt mich aber zur Frage, wie denn die Erbschafts­
                                                                          steuern in der Schweiz ausgestaltet sind und ob diese dem
Gemäss Brülhart wird in der Schweiz doppelt so viel
                                                                          Faktor Glück Rechnung tragen. Die allermeisten Kanto­
Geld über Erbschaften und Schenkungen umverteilt wie
                                                                          ne35 kennen eine Erbschaftssteuer (oder präziser Erb­
durch die AHV.27 Die Einnahmen aus der AHV sind be­
                                                                          anfallsteuer) und nicht eine Nachlasssteuer.36 Das heisst,
kanntlich einkommenssteuerpflichtig,28 die Erbschaft und
                                                                          die Steuer wird bei jedem einzelnen Erben und nicht auf
Schenkung in direkter Linie jedoch in der Regel weder
                                                                          dem gesamten Nachlass erhoben. Die Nachlasssteuer
einkommens-29 noch erbschaftssteuerpflichtig. Wiederum
                                                                          würde – vereinfacht gesagt – beim Erblasser bzw. bei der
stellt sich die Frage, inwiefern Glück eine Rolle spielt.
                                                                          Erbengemeinschaft und nicht bei den einzelnen Erben
Dworkin als Glück-Egalitarier hat sich für eine Erb­                      e rhoben. Wird beispielsweise eine Erbschaft von
                                                                          ­
schaftssteuer ausgesprochen.30 Die Erbschaftssteuer kann                  CHF 1 000 000 auf 5 Erben à je CHF 200 000 aufgeteilt,
in diesem Sinne als Versicherung dienen, falls ich in eine                wird dies unter einer reinen Nachlasssteuer gleich behan­
arme Gesellschaftsklasse geboren werde.31 Auf den ersten                  delt wie eine Erbschaft von CHF 1 000 000 an eine Per­
Blick scheint dies äusserst plausibel und auch verschie­                  son.37
dene Ökonomen scheinen Erbschaftssteuern zu Umver­
                                                                          Auf den ersten Blick scheint eine Erbschaftssteuer dem
teilungszwecken zu befürworten.32 Wenn ich etwas erbe,
                                                                          Faktor Glück eher Rechnung zu tragen als eine Nachlass­
hat dies in der Regel einzig damit zu tun, dass ich in eine
                                                                          steuer, da sie individuelle Entscheide des Erblassers bes­
Familie geboren worden bin, in der etwas vererbt wird.
                                                                          ser berücksichtigen kann. Spannender ist die Frage nach
Die Erbschaft scheint auf einem Zufall und nicht auf
                                                                          den Steuersätzen. In den meisten Kantonen sind Schen­
einem bewussten Entscheid zu beruhen. Dies ist aller­
                                                                          kungen und Erbschaften in direkter Linie erbschaftssteu­
dings eine zu einfache Schlussfolgerung, da die Sicht des
                                                                          erfrei.38 Daneben hat sich vielerorts eine Praxis entwi­
Erblassers ignoriert wird. Aus Sicht des Erblassers hat
                                                                          ckelt, wonach die Erbschafts- und Schenkungssteuersät­
das Zusprechen einer Erbschaft u. U. überhaupt nichts
                                                                          ze umso höher sind, je geringer der Verwandtschaftsgrad
mit rohem Glück zu tun, sondern mit bewussten Ent­
                                                                          ist. Wiederum ist zu klären, ob dieser Status quo glück­
scheiden. Das heisst, wechselt man die Perspektive vom
                                                                          sensitiv ist oder nicht.
Erben (der u. U. rohes Glück hat) zum Erblasser, so wird
offensichtlich, dass aus Sicht des Erblassers die Erbver­                 Auf den ersten Blick müsste eine Erbschaftssteuer, die
teilung über den Pflichtteil hinaus auf einem bewussten                   Glück ausgleichen soll, mit einem Einheitssatz versehen
Entscheid beruht und insofern eine Erbschaft über den                     sein ohne besondere Berücksichtigung des Verwandt­
Pflichtteil hinaus idR nicht auf rohem Glück beruht.                      schaftsgrades.39 Argumentiert werden könnte sogar, dass
                                                                          Erbschaften an Nicht-Verwandte steuerlich ausgenom­
Über den Pflichtteil hinaus kann argumentiert werden,
                                                                          men und gleichzeitig die Erbschaften in direkter Linie
dass dieser Anteil u. U. darauf zurückzuführen ist, dass
                                                                          besteuert werden sollten.40 Wie erwähnt, besteht zumin­
sich der Erbe bewusst gut gegenüber der Erblasserin ver­
                                                                          dest im Umfang des Pflichtteils keine Wahl des Erblas­
halten hat. Daneben beruhen insbesondere Schenkungen
                                                                          sers und aus Sicht des Erben beruht dieser Erbteil aus­
auf bewussten Entscheiden und damit beeinflussbarem
                                                                          schliesslich auf rohem Glück, und zwar dem Glück, in

                                                                          33   Zu diesem Thema vgl. H alliday , Inheritance of Wealth. Jus­t ice,
26    Die Vermögenssteuer schafft hier teilweise einen Ausgleich               Equality, and the Right to Bequeath, 79.
      (vgl. H ongler /V alta , Internationale Perspektiven der Vermö-     34   A lstott , Equal Opportunity and Inheritance Taxation, 507.
      gensbesteuerung, 6 ff., v. a. Ziff. III.2).                         35   Der Bund kennt bekanntlich keine Erbschaftssteuer.
27    B rülhart , Wer hat, der erbt?                                      36   Vgl. hierzu O pel , § 5 N 4 ff.
28    Art. 22 Abs. 1 DBG.                                                 37   Ein ähnliches Beispiel bringt A lstott , Equal Opportunity and
29    Art. 24 lit. a DBG.                                                      Inheritance Taxation, 503. Auch Nachlasssteuern können ähn-
30    D workin , Sovereign Virtue, 348.                                        lich wie eine Erbschaftssteuer ausgestaltet sein.
31    Vgl. hierzu H alliday , Inheritance of Wealth. Justice, Equality,   38   Eine Übersicht findet sich in Credit Suisse, Übersicht kanto-
      and the Right to Bequeath, 96.                                           nale Erbschafts- und Schenkungssteuer, 1.1.2021, publiziert
32    Vgl. E isenring , Ist die Ungleichheit in der Schweiz eine Wachs-        auf: www.credit-suisse.com.
      tumsbremse? Und sollte man Kapital stärker belasten als Ar-         39   A lstott , Equal Opportunity and Inheritance Taxation, 507.
      beit? 142 Ökonomen nehmen Stellung.                                 40   A lstott , Equal Opportunity and Inheritance Taxation, 511.

© IFF-HSG                                                                                                    IFF Forum für Steuerrecht 2021
336                                                                                                  Peter Hongler, Die Besteuerung von Glück

die richtige Familie geboren worden zu sein. Auch in die­                  bspw. jemanden entschädigen, weil er oder sie (ohne be­
sem Punkt zeigt sich, dass es gar nicht so einfach ist, zwi­               wusstes Zutun) nicht gut aussieht und dies potenziell in
schen rohem Glück und beeinflussbarem Glück im Leben                       einer Gesellschaft Nachteile hat.
zu unterscheiden.
                                                                           Teilweise wird vorgebracht, dass nicht alle Zufälligkeiten
Zusammenfassend scheint auch bei der Erbschaftssteuer                      (d. h. nicht alles rohe Glück) ausgeglichen werden müs­
dem Faktor Glück kaum Bedeutung zuzukommen. Im                             sen. Der Staat solle jedoch zumindest die Institutionen
Gegenteil: Ähnlich wie bei der Frage nach der Besteue­                     nicht so gestalten, dass diese Zufälligkeiten zu zusätzli­
rung von Kapitalgewinnen tendieren die gegenwärtigen                       chen sozialen Vor- und Nachteilen führen.44 D. h., die ge­
kantonalen Erbschaftssteuersysteme sogar dazu, diejeni­                    sellschaftlichen Institutionen sollen nicht so organisiert
gen, die «Glück haben», zu belohnen und diejenigen, die                    sein, dass Nachteile entstehen für Personen, die Glück
Einkünfte erzielen, aufgrund von beeinflussbarem Glück                     bzw. Pech haben. Es geht also darum, zu prüfen, ob In­
zu bestrafen. Allerdings zeigt sich auch hier, dass aus                    stitutionen Personen, die rohes Glück haben, zusätzlich
Praktikabilitätsüberlegungen eine Besteuerung von                          bevorteilen. Dies ist eine erste Eingrenzung, die nachfol­
Glück nie präzis sein wird. Es fehlen schlicht die Infor­                  gend berücksichtigt werden sollte.
mationen, wer Glück hat.41 Dennoch ist die jetzige Aus­
                                                                           Eine zweite Eingrenzung stammt von Vallentyne, der
gestaltung der Erbschaftssteuern in der Schweiz wenig
                                                                           festhält, dass Gerechtigkeit im Rahmen eines egalitaris­
überzeugend. Eine Erhöhung der Steuersätze mit ab­
                                                                           tischen Ansatzes zumindest Chancengleichheit verlange
nehmendem Verwandtschaftsgrad lässt sich kaum recht­
                                                                           und dass eben nicht jegliches Glück ausgeglichen werden
fertigen.
                                                                           müsse.45 Die Chancengleichheit ist denn auch ein verbrei­
                                                                           tetes und anerkanntes Ziel in anderen Gerechtigkeitsthe­
                                                                           orien und nicht nur im Egalitarismus.46 Ohne hier vertieft
                                                                           auf die philosophische Argumentation einzugehen, ist
6           Kritik am Glück-Egalitarismus
                                                                           nachfolgend zu überprüfen, was es für das Steuerrecht
Ein erster Abriss zeigt, dass das Schweizer Steuerrecht in                 heissen würde, wenn nicht jegliches rohe Glück auszu­
einigen Punkten überraschenderweise diejenigen bevor­                      gleichen wäre, sondern zumindest Chancengleichheit ge­
teilt, die Glück haben, verglichen mit denjenigen, die                     schaffen würde und so das unterschiedliche rohe Glück
Einkommen durch bewusste Entscheide und harte Arbeit                       zumindest teilweise neutralisiert würde.
realisieren. Folgten wir glück-egalitaristischen Ansätzen,
                                                                           Kurzum soll im Folgenden diskutiert werden, wie das
wären diese gesetzgeberischen Entscheide zu überden­
                                                                           Steuerrecht ausgestaltet werden soll, wenn (i) nicht dar­
ken.
                                                                           auf abgezielt wird, jegliches rohe Glück auszugleichen,
Dieser Glück-Egalitarismus ist jedoch von philosophi­                      sondern der Fokus auf der Chancengleichheit liegt und
scher Seite unter Beschuss geraten. An dieser Stelle hat                   wenn (ii) insbesondere geprüft wird, welche institutio­
eine umfassende Behandlung der Gegenpositionen zu un­                      nellen Strukturen die Chancengleichheit verbessern oder
terbleiben, einzelne Argumente sollen dennoch darge­                       verschlechtern.
stellt werden.42 So wird beispielsweise argumentiert –
und auf diese Praktikabilitätsüberlegungen wurde auch
schon hingewiesen –, es sei gar nicht so klar, wann eine
Person bewusst einen Entscheid fällt und wann nicht.43
Eines der überzeugendsten Argumente gegen eine steuer­
liche Berücksichtigung von Glück ist zudem, dass der
zwingende Ausgleich von rohem Glück in einer Gesell­
schaft zu absurden Resultaten führen würde. Man müsste

41    Vgl. auch N am , Taxing Option Luck, 1095; F ried , Commentary.
      Compared to What? Taxing Brute Luck and Other Second-Best
      Problems, 380.
42    Vgl. bspw. T an , Luck, institutions, and global distributive jus-
      tice: A defence of global luck egalitarianism, 394 ff. Hierzu
      auch T an , Justice, Institutions, and Luck: The Site, Ground,
      and Scope of Equality, 1 ff.                                         44   Zum Ganzen vor allem T an , Luck, institutions, and global dis-
43    Vgl. S cheffler , Choice, Circumstance, and the Value of Equa-            tributive justice: A defence of global luck egalitarianism, 397 ff.
      lity. Hierzu auch I noue , Can Luck Egalitarianism Serve as a        45   V allentyne , Brute Luck, Option Luck, and Equality of Initial
      Basis for Distributive Justice? A Critique of Kok-Chor Tan’s              Opportunities, 529 ff.
      Institutional Luck Egalitarianism, 393 ff.                           46   Vgl. bspw. S en , The Idea of Justice, 1 ff.

IFF Forum für Steuerrecht 2021                                                                                                        © IFF-HSG
Peter Hongler, Die Besteuerung von Glück                                                                                                 337

7            Neutralisierung von Glück ver-                              ganz nach oben in der Einkommensverteilung zu kom­
             standen als Ermöglichung von                                men.51
             Chancengleichheit                                           Somit lohnt es sich, zu analysieren, ob das Steuerrecht
Was wird unter Chancengleichheit verstanden? Chancen­                    und die Ausbildungschancen zusammenhängen, da die
gleichheit bedeutet, dass der Entscheidungsbaum zu Be­                   Ausbildung durchaus einen beträchtlichen Einfluss auf
ginn des Lebens die gleichen Verästelungen ermöglichen                   die Einkommensmobilität hat, insb. für die Mobilität von
sollte.47                                                                ganz unten nach ganz oben. Auf den ersten Blick hat das
                                                                         Erste nichts mit dem Zweiten zu tun, d. h., meine Ausbil­
Wiederum bin ich als Steuerrechtler stark monetär getrie­                dungschancen bestehen auf den ersten Blick unabhängig
ben, so dass ein ziemlich objektives Kriterium für Chan­                 vom Steuersystem. Schliesslich geht es bei den Bildungs­
cengleichheit das künftig erzielbare Einkommen ist.                      chancen um die Ausgaben- und nicht um die Einnahmen­
Chancengleichheit bemisst sich in diesem Sinne daran,                    seite des Staates. Auf den zweiten Blick lohnt es sich je­
wie gross die Wahrscheinlichkeit ist, dass ich künftig                   doch, insbesondere das Verhältnis zwischen Steuerwett­
Einkommen X erzielen werde (je nach familiärer Her­                      bewerb und Bildungschancen genauer anzuschauen. Ver­
kunft). Um die Chancengleichheit zu messen, untersu­                     gleiche zwischen den Kantonen sind sehr schwierig, da
chen Ökonomen die Einkommensmobilität, d. h. die                         sich die Maturitätsquoten und die Schulsysteme interkan­
Wahrscheinlichkeit, dass ich in der Einkommensvertei­                    tonal zu stark unterscheiden. Vergleiche innerhalb eines
lung auf- oder absteige, verglichen mit meinen Eltern (in                Kantons können jedoch durchaus sinnvoll sein. In den
relativen und absoluten Zahlen). Vereinfacht gesagt, je                  folgenden Grafiken werden die Maturitätsquoten in Ver­
höher diese Mobilität, desto eher ist die Chancengleich­                 bindung zu den Gemeindesteuerfüssen gesetzt, und zwar
heit gewährleistet. Wie die Arbeiten von Patrick Chuard                  für den Kanton Zürich und den Kanton St.Gallen.52
und Veronica Grassi zeigen, gibt es interkantonale Unter­
schiede, die mit der Wirtschaftskraft einer Region einher­
gehen.48 Das heisst, in den Kantonen Zug, Zürich oder
auch Genf ist die absolute Einkommensmobilität grösser
als in den Kantonen Uri, Glarus und Jura, da auch das
wirtschaftliche Potenzial in diesen Kantonen grösser ist.49
Weiter ist von Bedeutung, dass die Mobilität nach oben
hinsichtlich Bildung in der Schweiz tief ist, wogegen die
Einkommensmobilität verglichen mit anderen Ländern
immer noch relativ gross ist. Stamme ich aus einem
Nichtakademiker-Haushalt, ist die Wahrscheinlichkeit,
dass ich einen universitären Abschluss erzielen werde,
verglichen mit anderen Ländern klein. Dass die Schweiz
dennoch eine hohe Einkommensmobilität hat, liegt ver­
mutlich im dualen Bildungssystem begründet. Das heisst,
trotz geringer Bildungsmobilität sind die Chancen in der
Schweiz gut, dass ich verglichen zu meinen Eltern in der
Einkommensverteilung aufsteige.50 Allerdings zeigen die
                                                                         51   Konkret zeigen sie auf, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist,
Zahlen von Chuard und Grassi auch, dass ein Universi­                         vom untersten Fünftel (einkommensmässig) ins oberste Fünf-
tätsabschluss bzw. eine Matura von grosser Hilfe ist, um                      tel aufzusteigen, und wie wichtig hierfür ein tertiärer (insb.
                                                                              ein universitärer) Abschluss ist (C huard /G rassi , Switzer-Land
                                                                              of Opportunity: Intergenerational Income Mobility in the Land
                                                                              of Vocational Education, 27 f.).
                                                                         52   Selbstverständlich bedürfte es für konkrete Schlussfolgerun-
                                                                              gen einer genauen Analyse dieser Zahlen. Im Rahmen der
                                                                              vorliegenden Abhandlung haben wir uns einzig auf öffentlich
                                                                              zugängliche Daten gestützt und bspw. nicht analysiert, wel-
47   V allentyne , Brute Luck, Option Luck, and Equality of Initial           chen Effekt interkantonale Maturitäten (d. h., Wohn- und Ma-
     Opportunities, 539.                                                      turitätskanton divergieren) haben. Die Daten zu den Maturi-
48   Vgl. aber bspw. C huard /G rassi , Switzer-Land of Opportunity:          tätsquoten sind hier verfügbar: H oidn /S chultheis , Maturitäts-
     Intergenerational Income Mobility in the Land of Vocational              quoten im Kanton St.Gallen – eine aktuelle Bestandsaufnah-
     Education, 1 ff.                                                         me, 51 (Maturitätsquoten 2014 – 2016 für den Kanton St.Gal-
49   C huard /G rassi , Switzer-Land of Opportunity: Intergenerational        len) sowie https://www.zh.ch/de/bildung/bildungssystem/
     Income Mobility in the Land of Vocational Education, 33.                 zahlen-fakten-in-bildung.html?keyword=bildungsdaten#/
50   So auch die Interpretation von C huard /G rassi , Switzer-Land           details/672@bildungsstatistik-kanton-zuerich (Maturitätsquo-
     of Opportunity: Intergenerational Income Mobility in the Land            ten 2017 – 2020 für den Kanton Zürich). Die Steuerfüsse stam-
     of Vocational Education, 48.                                             men aus den Jahren 2016 (St.Gallen) und 2020 (Zürich).

© IFF-HSG                                                                                                   IFF Forum für Steuerrecht 2021
338                                                                                                                                                                                   Peter Hongler, Die Besteuerung von Glück

Grafik 1: Steuerfuss und Maturitätsquote Kanton St.Gallen

                   30

                   25

                   20
 Maturitätsquote

                   15

                   10

                    5

                    0
                        162
                              153
                                    149
                                          149
                                                149
                                                      148
                                                            148
                                                                  145
                                                                        145
                                                                              145
                                                                                    145
                                                                                          144
                                                                                                143
                                                                                                      142
                                                                                                            142
                                                                                                                  140
                                                                                                                        139
                                                                                                                              139
                                                                                                                                    137
                                                                                                                                          135
                                                                                                                                                134
                                                                                                                                                      133
                                                                                                                                                            133
                                                                                                                                                                  132
                                                                                                                                                                        130
                                                                                                                                                                              128
                                                                                                                                                                                    125
                                                                                                                                                                                          123
                                                                                                                                                                                                120
                                                                                                                                                                                                      119
                                                                                                                                                                                                            118
                                                                                                                                                                                                                  115
                                                                                                                                                                                                                        112
                                                                                                                                                                                                                              107
                                                                                                                                                                                                                                    98
                                                                                                                                                                                                                                         95
                                                                                                                                                                                                                                              90
                                                                                                                                                                                                                                                   85
                                                                                                                                                                                                                                                        80
                                                                                                                                Steuerfuss

Grafik 2: Steuerfuss und Maturitätsquote Kanton Zürich

                   50

                   45

                   40

                   35
 Maturitätsquote

                   30

                   25

                   20

                   15

                   10

                    5

                    0
                        130
                        124
                        122
                        121
                        120
                        119
                        118
                        118
                        117
                        116
                        115
                        114
                        113
                        112
                        112
                        112
                         111
                        110
                        110
                        109
                        109
                        108
                        107
                        106
                        106
                        105
                        103
                        103
                        102
                        101
                        100
                          99
                          99
                          98
                          97
                          94
                          91
                          89
                          88
                          87
                          87
                          85
                          80
                          77
                          73

                                                                                                                                Steuerfuss

Es zeigt sich ein Trend, v. a. im Kanton Zürich, wonach                                                                                   höheren Einkommen rechnen darf, nur schon darin be­
die Maturitätsquoten in steuergünstigen Gemeinden hö­                                                                                     gründet, dass die Wahrscheinlichkeit eines Hochschul­
her sind. Und bevor Sie meine Ausführungen werten, ist                                                                                    abschlusses höher ist.
vorweg noch einmal auf das Ziel von Antrittsvorlesungen
                                                                                                                                          Die Frage, die mich einzig interessiert, ist jedoch, wie
hinzuweisen. Sicherlich soll auf das künftige Forschungs­
                                                                                                                                          viel davon auf den institutionellen Rahmen und wie viel
vorhaben des Fakultätsneulings hingewiesen werden,
                                                                                                                                          darauf zurückzuführen ist, in welche Familie ich geboren
aber wohl auch generell auf Entwicklungen, die in den
                                                                                                                                          werde. Oder anders gesagt, wäre es sicherlich stossend,
nächsten Jahren bzw. Jahrzehnten sowohl die Öffent­
                                                                                                                                          wenn das rohe Glück, dass ich in eine bestimmte Ge­
lichkeit als auch die Wissenschaft beschäftigen werden.
                                                                                                                                          meinde und eine bestimmte Familie geboren werde,
Was zeigt nun diese Übersicht? Selbstverständlich gibt es                                                                                 durch institutionelle Massnahmen des Staates (z. B. die
auch in der Schweiz «high- und low-opportunity zones»,                                                                                    Gestaltung des Steuerwettbewerbs) noch zu zusätzlichen
d. h. Gemeinden, in denen ein Neugeborenes mit einem                                                                                      Vorteilen führen würde.

IFF Forum für Steuerrecht 2021                                                                                                                                                                                                               © IFF-HSG
Peter Hongler, Die Besteuerung von Glück                                                                                             339

Um hierzu eine empirische Aussage zu machen, fehlen                      8          Zusammenfassung
soweit ersichtlich in der Schweiz noch die Daten. Unter­
suchungen aus den USA zeigen jedoch, dass ein mög­                       Ich erlaube mir folgende Schlussfolgerungen:
lichst frühzeitiger Umzug in eine «high-opportunity                      1. Ich bin überzeugt, dass wir die Beeinflussbarkeit von
­zone» die Chancen auf ein höheres Einkommen vergrös­                       Einkünften und damit das Glück bei der steuerlichen
 sert (und zwar unabhängig von der Familienzugehörig­                       Qualifikation berücksichtigen sollten. Das traditio­
 keit). Jedes Jahr zählt. Das zeigt auch, dass eben das Um­                 nelle Steuergerechtigkeitsaxiom, wonach ein gleich
 feld und nicht nur die eigene Familie die Chance auf ein                   hohes Einkommen unabhängig von der Verdientheit
 überdurchschnittliches Einkommen erhöht. Es braucht                        gleich besteuert werden soll, überzeugt nicht.
 bekanntlich ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen.53                 2. Rohes Glück darf bei steuerpolitischen Grundent­
 Konkret wird in diesen Untersuchungen betrachtet, wie                      scheidungen durchaus eine Rolle spielen. Eine höhe­
 sich Kinder der gleichen Familie entwickeln, wenn die                      re Besteuerung von Kapitalgewinnen oder auch tie­
Familie umzieht und bspw. ein Kind zum Umzugszeit­                          fere Erbschaftssteuersätze für Nicht-Verwandte sind
punkt 9 Jahre und das andere 11 Jahre alt ist. Die Daten                    nur zwei Vorschläge, die es vor diesem Hintergrund
von Chetty et al.54 zeigen zumindest für die USA, dass                      vertieft zu diskutieren gilt.
 ein früherer Umzug in eine «high-opportunity zone» die                  3. Noch überzeugender ist, nicht zu verlangen, dass jeg­
Wahrscheinlichkeit, ein höheres Einkommen zu realisie­                      liches Glück ausgeglichen wird, sondern zumindest,
ren, vergrössert.                                                           dass gewährleistet wird, dass die staatlichen Institu­
Was will ich damit ausdrücken? Ich vermute, dass der                        tionen Unterschiede, die auf rohes Glück zurückzu­
Steuerwettbewerb in den kommenden Jahrzehnten unter                         führen sind, nicht noch verschärfen. Auf den ersten
Druck kommen wird, und zwar nicht in einer traditionel­                     Blick scheint dem Steuerrecht hierbei keine Bedeu­
len Weise, wonach die Reichen weniger Steuern bezah­                        tung zuzukommen, da es vor allem um die Ausgaben­
len,55 sondern vielmehr in einer Art und Weise, bei der der                 seite des Staates geht. Die Relation von Steuerwett­
Steuerwettbewerb u. U. zu «high- und low-opportunity                        bewerb und Maturitätsquoten kann jedoch ein Anzei­
zones» führt, die in dieser Form irgendwann im Hinblick                     chen sein, dass der Steuerwettbewerb vermehrt zu
auf die gesellschaftliche Kohäsion und die Chancen­                         «high- und low-opportunity zones» führt. Somit kann
gleichheit nicht mehr tragbar erscheinen. Das sind natür­                   durchaus ein Zusammenhang bestehen zwischen
lich blosse Vermutungen und Blicke in die Kristallkugel,                    steuerpolitischen Entscheiden und der Chancen­
aber im Rahmen einer Antrittsvorlesung sollen diese er­                     gleichheit.
laubt sein. Oder um den Bogen zum Thema der heutigen                     4. Diese Schlussfolgerungen wiederum bestätigen eine
Vorlesung zu ziehen: Das rohe Glück, in welcher Ge­                         von mir schon verschiedentlich vertretene Meinung,
meinde ich geboren werde, wird unter Umständen durch                        wonach die Steuergerechtigkeitsdiskussion schlicht
den institutionellen Rahmen (d. h. durch den Steuerwett­                    nicht unabhängig von der Ausgabenseite beurteilt
bewerb) noch verschärft und hat aufgrund des unter­                         werden kann.56 Gleiches Einkommen muss eben für
schiedlichen Zugangs zu Bildung auch einen Einfluss auf                     eine gerechte Gesellschaft nicht gleich besteuert
das künftig zu erzielende Einkommen.                                        werden.

Was wäre eine Antwort darauf, falls meine Vermutung
zutrifft? Vermutlich nicht zwingend, den Steuerwett­                     Literaturverzeichnis
bewerb anzupassen bzw. diesen zu limitieren, da dieser
grosse Effizienzgewinne und sachgerechte Fiskalverant­                   Alstott Anne L., Equal Opportunity and Inheritance
wortung mit sich bringt. Vielmehr braucht es eine stetige                   Taxation, Harvard Law Review 2007, 469
Diskussion über Bildungschancen in der Schweiz, und                      Arneson Richard J., Luck Egalitarianism Interpreted
zwar gemeindebezogen.                                                       and Defended, Philosophical Topics 2004, 1
                                                                         Brülhart Marius, Wer hat, der erbt?, Das Forum für
                                                                            Schweizer Wirtschaftspolitik, 12.2.2020, publiziert
53   Die Redewendung wird auch in verschiedenen Vorträgen von               auf: https://www.batz.ch/2020/02/wer-hat-der-erbt/
     Raj Chetty verwendet.
54   C hetty /H endren , The Impacts of Neighborhoods on Intergene-
     rational Mobility I: Childhood Exposure Effects, 1143.
55   Unter Umständen hat der Steuerwettbewerb ja bereits zu
     einem de facto degressiven Steuersystem geführt (vgl. R oller /­
     S chmidheiny , Effective Tax Rates and Effective Progressivity in
     a Fiscally Decentralized Country, 18; zur Verfassungskonfor­
     mität dieser De-facto-Degressivität vgl. bereits H ongler , Das     56    H ongler , Das Leistungsfähigkeitsprinzip – eine moralische
     Leistungs­f ähigkeitsprinzip im Vielsteuersystem, 14 f.).                ­I llusion, Rz 44 ff.

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