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SEITE 4
Eine natürliche Symbiose
A natural symbiosis
SEITE 8
Auf einen Blick
MISSION
At a glance
Wir erforschen die Erde und das Leben
im Dialog mit den Menschen. SEITE 10
Neun Leitthemen
VISION Nine science themes
Als exzellentes Forschungsmuseum und
innovatives Kommunikationszentrum SEITE 20
prägen wir den wissenschaftlichen und Forschung Highlights
gesellschaftlichen Dialog um die Zukunft Research highlights
unserer Erde mit – weltweit. SEITE 68
Das Museum in Zahlen
The museum by numbers
SEITE 70
Annex
AppendixEine natürliche Symbiose | A natural symbiosis
A natural symbiosis. The handwriting, the name, his
global collection and Alexander von Humboldt’s life
achievements are the inspiration and guidance for the
work at the Museum für Naturkunde Berlin: deepening
research, communicating knowledge and changing
society – for nature / FÜR NATUR.
Eine natürliche Symbiose. Die Handschrift, der Name,
die globale Sammlung und das Lebenswerk unseres Alexander von Humboldt was the first globally
Paten und Inspirators Alexander von Humboldt stehen thinking and acting German scientist. Until today he
ab jetzt für die Arbeit und Aufgabe unseres Museums: is remembered and revered all over the globe for his
Forschung vertiefen, Erkenntnisse vermitteln, Gesell- groundbreaking work. During his long life he effortlessly
schaft verändern – alles FÜR NATUR. interwove 1) excellent science, 2) complex, holistic
reflections, 3) thought-leadership in a global context
Alexander von Humboldt war der erste global d enkende with 4) political ideas and action. His name stands
und handelnde Wissenschaftler Deutschlands und proud above our entrance door – small wonder that
wird als solcher auch heute noch weltweit verehrt und all over the world, we are, in relation to this association
beachtet. Exakt wissenschaftlich arbeitend, global, and our home town Berlin – known as the Humboldt
verantwortlich, politisch denkend und handelnd Museum.
war sein Leben. Sein Name steht über dem Eingang
unseres ehrwürdigen Museums – kein Wunder, dass His signature, his collection and distinguished life, our
wir durch diese Assoziation und unseren Standort welt- work and our motto thus intertwine to form this natural
weit als Humboldt-Museum berühmt sind. symbiosis.
Viel mehr als nur
Seine Handschrift, seine Sammlung, sein Lebenswerk, No question – 2015 and 2016 were T. rex Tristan Otto’s
unsere Arbeit und unser Motto bilden damit, wie selbst- years in Berlin. Just eleven months after we were offered
verständlich, eine natürliche Symbiose. this unique opportunity, we were able to host the brand-
„Tristan-Jahre“!
new exhibition “Tristan – Berlin bares teeth”, featuring
Keine Frage: die Jahre 2015 und 2016 am Museum für the sensationally well-preserved Tyrannosaurus rex
Naturkunde Berlin waren „Tristan Otto-Jahre“. Gerade skeleton with its dark, uncanny aura. Tristan Otto, one
So much more einmal elf Monate nachdem er uns angeboten worden
war, konnten wir diesen sensationell gut erhaltenen
of the best preserved specimens of its kind is also the
first original T. rex on display in Europe. This would not
than just Tristan.
und dunkel-bedrohlich wirkenden Tyrannosaurus rex have been possible without the vision and generosity
bereits in der Sonderausstellung „Tristan – Berlin zeigt of its owners Niels Nielsen and Jens Jensen combined
Zähne“ präsentieren – das erste jemals in Europa with the exemplary skills and commitment of Museum
gezeigte T. rex-Originalskelett. Dass dieses gelang, für Naturkunde staff. Over 70 staff members took up the
verdanken wir dem vorbildlichen Einsatz von über 70 challenge and gave everything. Their dedication and
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die alles gaben, efforts were crowned with success – visitor numbers
um alles möglich zu machen. Der Erfolg gab ihnen in 2016 rose by 51 % compared to 2015 – an already
recht: das Museum steigerte seine Besucherzahlen record-breaking year. With 821,429 visitors in 2016,
im Jahr 2016 um 51 % gegenüber dem bereits selbst the Museum für Naturkunde Berlin became the most-
rekordverdächtigen Besucherjahr 2015 und wurde visited natural history museum in Germany and the
mit 821.429 Besucherinnen und Besuchern das mit most visited of all 170 Berlin museums. At the same
Abstand meistbesuchte Naturkundemuseum Deutsch- time, Tristan became a most fascinating subject for our
lands und das meistbesuchte der ca. 170 Berliner palaeontological research.
Museen. Parallel dazu erwies sich Tristan Otto als ein
hoch spannendes paläontologisches Forschungsobjekt.
4 5Eine natürliche Symbiose | A natural symbiosis
Dass die Jahre 2015 und 2016 außerordentlich erfolg
reich waren, ist allerdings nicht allein Tristan Ottos
Verdienst. Der Prozess des Wandels, der 2012 begann,
trägt nun deutlich Früchte: eine signifikante Steigerung
der Drittmittel um 40 % (= 23 % des MfN Gesamt
budgets), eine Steigerung der Besucherzahlen um 75 %
und eine 50 %ige Steigerung ISI-gelisteter Publikationen
im obersten Quartil (2016 insgesamt 86 % in 1st (59 %) Ende 2016 gelang dann so etwas wie ein politischer
und 2nd (27 %) Quartil). Wie dieser Report anschaulich ‚Ritterschlag‘. Unter der Überschrift „Investitions-
zeigt, war das Museum sehr aktiv und sehr erfolgreich pakt für die wachsende Wissenschaft“ führte die
bei der Digitalisierung der Sammlungen und Inhalte, The success of 2015/16 is not just due to Tristan Otto. Koalitionsvereinbarung des neuen Berliner Senats
der Erfassung und Beobachtung der biologischen Viel- The dynamic transformation that we started in 2012, aus: „Das Museum für Naturkunde ist einer der
falt unseres Planeten, der Bildungs- und Beratungs is bearing fruit: since 2012 income from competive wissenschaftlichen und kulturellen Leuchttürme Following the 2016 Berlin city election we received an
arbeit sowie der Förderung der Bürgerwissenschaften grants is up by 40 % (now equaling 23 % of the total Berlins. Die Koalition wird die Voraussetzungen für die important political accolade. The coalition agreement
auf Berliner, deutschlandweiter und internationaler MfN budget), 50 % rise in 1st quartile ISI publications zukunftsweisende Entwicklung seiner Ausstellungen, included an important paragraph under the heading
Ebene. Jeder Forschungsbereich arbeitete intensiv (86 % of our ISI publications are now in 1st (59 %) and die Stärkung seiner Forschungskompetenz und ‘Investment pact for the development of science’, which
daran, herausragende Leistungen zu erbringen. 2nd quartile (27 %) ) and 75 % more visitors. As this die langfristige Sicherung und Zugänglichkeit seiner reads “The Museum für Naturkunde is one of Berlin’s
Auf allen relevanten Konferenzen war der international report will demonstrate we are actively digitizing our wissenschaftlichen Sammlungen als weltweit genutzte scientific and cultural beacons. The coalition senate
agierende Forschungsbereich Evolution und Geopro- vast collection and other content, discovering and Forschungsinfrastruktur schaffen.“ Ein starkes Ver will create the right conditions for a forward-looking
zesse mit Beiträgen vertreten. Durch den Forschungs- describing the world’s biodiversity, educating young sprechen – das wir meinen verdient zu haben. development of its exhibitions, the enhancement
bereich Sammlungsentwicklung und Biodiversitäts and old, fostering and exercising leadership for citizen of its research competence, as well as ensuring the
entdeckung wurden die Sammlungen nach modernsten science at local, national and international level. Und wenn wir gerade bei diesem Stichwort sind: long- term conservation and accessibility of its scientific
Prinzipien gepflegt und erweitert und für die Forschung Every team at the museum strives to deliver excellent Verdient haben unseren herzlichen Dank einmal mehr collections as a research infrastructure used by
bereitgestellt. Der Forschungsbereich Digitale Welt und results. Researchers in the Science Programme of alle, die mit Herzblut dafür gesorgt haben, dass wir so scientists all over the world.” What a promise – and
Informationswissenschaft hat sich zu einem Zentrum Evolution and geo-processes were invited to speak ausgesprochen erfolgreich waren: alle am Museum we believe we deserve it.
für die Sicherung, Bereitstellung und übergreifende at many important international conferences. Staff Tätigen, unser Wissenschaftlicher Beirat, unser Stif-
Nutzung von Daten entwickelt. Die Themen Politikbe- in the Science Programme Collections development tungsrat, unsere Zuwendungsgeber, unsere Besucher We owe heartfelt thanks to so many people and friends:
ratung, Wissenstransfer und Wissenschaftsgeschichte, and biodiversity discovery re-curate our collection in innen und Besucher und alle weiteren Unterstützer whether they work at the Museum, whether they are
die zunehmend wissenschaftspolitische Bedeutung accordance with modern principles and make them innen und Unterstützer, die in der einen oder anderen part of our Scientific Advisory Board, our Board of
gewinnen, wurden vom Forschungsbereich Wissen- even more accessible for scientific inquiry. The Science Weise ihren Teil zum Erfolg beigetragen haben. Trustees, our sponsors and visitors or in other ways
schaftskommunikation und Wissensforschung forciert. Programme Digital world and information science is support us – they all can justifiably feel proud for their
Unsere Aktivitäten orientierten sich dabei an den neun developing into a centre for innovative solutions for, share in this success story. Thank you!
Leitthemen, die den Rahmen für die Aktivitäten bilden, secure storage and comprehensive access of biological
mit denen wir Forschung vertiefen, Erkenntnisse ver- data. Science policy advice, knowledge transfer,
mitteln und Gesellschaft verändern wollen. studying the history of our collections and institution
are all part of our successful political and advocacy
work. This broad spectrum of research is delivered
by our Science Programme Public engagement with
science. All our science is structured in nine themes,
Prof. Johannes Vogel, Ph.D. Stephan Junker
which allow us to deliver our work: deepening research,
Generaldirektor Geschäftsführer
communicating results and changing society. Museum für Naturkunde Berlin Museum für Naturkunde Berlin
6 7A u f e i n e n Bl i c k | A t a g l a n c e
M U S E U M F Ü R N AT U R K U N D E B E R L I N
Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung
Stiftungsrat
Vorsitzender: Regierender Bürgermeister Michael Müller
Wissenschaftlicher Beirat Stab
Sprecher: Prof. Dr. Wolfgang Cramer › Stv. des Generaldirektors
Generaldirektor › ReferentInnen der Generaldirektion
› Öffentlichkeitsarbeit
Personalrat Prof. Johannes Vogel, Ph. D. › Serviceeinheiten
Vorsitzender: Dr. Stephan Schultka
Frauenvertreterin Geschäftsführer
Anja Friederichs Stephan Junker
Ombudsmann Sekretariat: Heike Nückles / Sabine Schöppe
PD Dr. Mark-Oliver Rödel
Forschungsbereich 1 Forschungsbereich 2 Forschungsbereich 3 Forschungsbereich 4
Evolution und Geoprozesse Sammlungsentwicklung und Digitale Welt und Wissenschaftskommunikation
Leitung: Prof. Dr. Nadia Fröbisch Biodiversitätsentdeckung Informationswissenschaft und Wissensforschung
Co-Leitung: PD Dr. Frieder Mayer /
Leitung: Dr. Christiane Quaisser Leitung: Dr. Jana Hoffmann Leitung: Dr. Katrin Vohland
Prof. Dr. Kai Wünnemann
Co-Leitung: PD Dr. Michael Ohl / Co-Leitung: N.N. Co-Leitung: Astrid Faber / Uwe Moldrzyk
Sekretariat: Rita Schmidt / Friederike Schwarz
Dr. Thomas von Rintelen Sekretariat: Ute Scheich Sekretariat: Monika Neumann
Sekretariat: Petra Ebber
› Mikroevolution
› IT-Forschungsinfrastrukturen › Ausstellung und Wissenstransfer
› Evolutionäre Morphologie › Biodiversitätsentdeckung › Wissenschaftsdatenmanagement › Bildung und Vermittlung
› Diversitätsdynamik › Sammlungsentwicklung › Biodiversitäts- und Geoinformatik › Wissenschaft in der Gesellschaft
Museum für Naturkunde –
› Impakt- und Meteoritenforschung › Kompetenzzentrum Sammlung › Perspektiven auf Natur – PAN
› Historische Arbeitsstelle
Leibniz-Institut für
Programmbereich I Programmbereich II
„ D Y N A M I K D E R N AT U R “ „ N AT U R U N D G E S E L L S C H A F T “
Evolutions- und Board of Trustees
Chair: Governing Mayor of Berlin Michael Müller
Biodiversitätsforschung
Scientific Advisory Board Directorate and Administration
Speaker: Prof. Dr. Wolfgang Cramer › Deputy Director General
Director General › Advisors of Directorate
› Press Office and Public Relations
Staff Council Prof. Johannes Vogel, Ph. D. › Service Units
Chair: Dr. Stephan Schultka
Women’s Representative Managing Director
Anja Friederichs Stephan Junker
Ombudsman Secretariat: Heike Nückles / Sabine Schöppe
PD Dr. Mark-Oliver Rödel
Science Programme 1 Science Programme 2 Science Programme 3 Science Programme 4
Evolution and Geoprocesses Collection Development Digital World and Public Engagement with
Head: Prof. Dr. Nadia Fröbisch and Biodiversity Discovery Information Science Science
Deputy Heads: PD Dr. Frieder Mayer /
Head: Dr. Christiane Quaisser Head: Dr. Jana Hoffmann Head: Dr. Katrin Vohland
Prof. Dr. Kai Wünnemann
Deputy Heads: PD Dr. Michael Ohl / Deputy Head: N.N. Deputy Heads: Astrid Faber / Uwe Moldrzyk
Secretariat: Rita Schmidt / Friederike Schwarz
Dr. Thomas von Rintelen Secretariat: Ute Scheich Secretariat: Monika Neumann
Secretariat: Petra Ebber
› Microevolution
› IT Research Infrastructure › Exhibitions and Knowledge Transfer
› Evolutionary Morphology › Biodiversity Discovery › Science Data Management › Education
› Diversity Dynamics › Collection Development › Geo- and Biodiversity Informatics › Science in Society
› Impact and Meteorite Research › Centre of Collections › Perspectives on Nature – PAN
› Historical Research
Science Theme I Science Theme II
“ D Y N A M I C N AT U R E ” “ S O C I E T Y A N D N AT U R E ”
8 9Neun Leitthemen | Nine science themes
Schnell erklärt LEITTHEMA / SCIENCE THEME
Sammlungen als globale
Das Museum für Naturkunde Berlin besitzt 30 Millionen
Sammlungsobjekte als zentrale Forschungsinfra
A quick guide
struktur. Diese Sammlungen sollen als wissenschaft-
wissenschaftliche liche Infrastruktur zu exzellenten, barrierefrei nutz-
baren, integrierten Sammlungen von hoher Relevanz
Forschungsinfrastruktur fortentwickelt werden. Größte Herausforderungen
Collections as a global und langfristige Kernaufgaben sind dabei: I) die
grundsätzliche Verbesserung der Sammlungsunter
scientific infrastructure bringung, verbunden mit der Entwicklung eines
effizienten Managements und einer adäquaten
Personalstruktur und II) die umfassende Erschließung
und Digitalisierung der Sammlungen als Grundlage
für ihre Inwertsetzung in Forschung, Bildung, Kultur,
4
innovativen Produkten und Technologien. Vernetzung
und Transfer sind dabei zentrale Faktoren, um neue
2 Nutzungen und Nutzergruppen zu erschließen.
Our collections of some 30 million objects form the
9
3 central infrastructure of the MfN. The development
7 of these collections as part of a global scientific
infrastructure aims at improvements in collection
storage, accessibility, utility and relevance for science,
1
education, culture, citizen science, innovative products
and technologies. Biggest challenges and long-term
8
5 tasks are: I) general improvement of collection storage,
II) the development of efficient collections management
and adequate staffing and III) opening our collections
through digitization. This will allow for better research
conditions, encourage more educational, cultural or
business use , enable knowledge transfer, technological
6 developments and the deepening of relationships and
engagement with new and old users.
Am Museum für Naturkunde Berlin widmen sich rund
300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in vier Forschungsbereichen
insgesamt neun Leitthemen und stehen dabei für ein gemeinsames
Ziel: Mit Leidenschaft und Kompetenz für Natur.
At the Museum für Naturkunde Berlin, some 300 staff work in four
science programmes on nine themes. They are united by their deep
passion and competence for (the study of) nature.
10 11Neun Leitthemen | Nine science themes
LEITTHEMA / SCIENCE THEME Biologische Artenvielfalt entsteht, wenn sich aus LEITTHEMA / SCIENCE THEME Ziel ist es, die Mechanismen zu erforschen, die die
Populationen einer Art getrennte Arten entwickeln. Etablierung bestimmter Baupläne und Organsysteme
Genomik der Artbildung Während wir die ökologischen Mechanismen der
Evolutionäre Morphologie über lange Zeiträume in der Erdgeschichte ermöglich-
Genomics of Speciation Artbildung vergleichsweise gut verstehen, wissen wir Evolutionary Morphology ten, ebenso wie das Verständnis der Hemmnisse, die
nahezu nichts über die genetischen Grundlagen, die dabei wirken. Besonders die Verknüpfung von Daten
zur Entstehung von neuen Arten führen. So stellt sich früherer Lebewesen mit denen heutiger Tiere ist ein
z. B. die Frage, ob sich nur wenige Gene oder einzelne herausragendes Merkmal der Forschung am Museum
Genombereiche während der Artbildung differenzieren, für Naturkunde Berlin. Dies spiegelt sich in dem
oder ob es zu einer generellen Differenzierung kommt, Methodenspektrum wider, das moderne bildgebende
die das gesamte Genom betrifft. Neue Methoden der Verfahren, phylogenetische Analysen und Methoden
Hochdurchsatzsequenzierung von DNA eröffnen der evolutionären Entwicklungsbiologie miteinander
hierzu neue Forschungsansätze und Einblicke, die vor verknüpft. Die Erkennung von Eigenschaften, die für
wenigen Jahren noch unvorstellbar waren. Dadurch die Evolution besonders wichtig sind, spielt dabei eine
rücken auch Artengruppen ins Blickfeld, die von beson- zentrale Rolle. Sie stellt einen zentralen Anknüpfungs-
derem evolutionsbiologischen Interesse sind, die aber punkt zu anderen Leitthemen des Museums dar, ins-
nicht zu den sogenannten Modellorganismen gehören, besondere zur Biodiversitätsdynamik und zur Genomik
die üblicherweise untersucht werden. der Artbildung. Daraus leitet sich der spezielle Fokus
des Museums auf Nicht-Modell-Organismen ab, die
Biological diversity evolves, when populations speziell zur Erforschung relevanter Merkmals komplexe
differentiate and develop into new species. While ausgewählt werden.
we do have a fair understanding of the ecological
mechanisms of speciation, we know hardly anything Studying the evolutionary history of body plans and
about the genetic mechanisms leading to the phenotypes across larger geological timescales has
emergence of new species. It is still an unanswered always been one of the MfN’s research foci. This
question whether the entire genome or only a few genes theme links paleontological and neontological data,
or genomic regions are involved in the evolution of developing both extinct and extant organisms as model
new species. Advancements in high-throughput DNA systems. Our approach to evolutionary developmental
sequencing allow new scientific approaches and thus biology applies and integrates a wide spectrum of
new insights that were not imaginable before. Today different methods in modern imaging techniques,
we can study non-model organisms and thus gain a molecular biology, study of collections and phylogenetic
much broader and potentially deeper understanding analysis. The identification of evolutionarily significant
of evolution. phenotypic traits plays a central role in our science
and provides a strong connection to other MfN science
themes, such as biodiversity dynamics or genomics
and speciation. The special focus in our work is around
non-model organisms.
12 13Neun Leitthemen | Nine science themes
LEITTHEMA / SCIENCE THEME Unser Ziel ist es, die Prozesse, die zur Biodiversitäts- LEITTHEMA / SCIENCE THEME Die Entstehung und Entwicklung der Erde und des
veränderung in der Erdgeschichte und heute führten Lebens wurden maßgeblich durch Kollisionen und
Biodiversitätsdynamik und führen, sowie deren ökologische und evolutive
Impakt- und Einschläge (Impakte) kosmischer Körper geprägt.
Diversity Dynamics Auswirkungen aufzuklären und zu verfolgen. Dazu Meteoritenforschung Die Frühgeschichte unseres Planetensystems kann
werden Diversitätsveränderungen untersucht – in anhand von Meteoriten erforscht werden. Krater-
Raum und Zeit sowie auf verschiedenen Ebenen der
Impact and strukturen auf der Erde und den Oberflächen anderer
belebten Welt. Im Mittelpunkt steht die Bedeutung von Meteorite Research Planeten ermöglichen, das Bombardement aus dem
biotischen und abiotischen Faktoren als Steuerungs- All zu rekonstruieren, das vermutlich die Entstehung
mechanismen der Biodiversität, von der Ebene der Art und Entwicklung von Lithosphären, Atmosphären und
bis zur Lebensgemeinschaft. Das Leitthema verknüpft Biosphäre entscheidend beeinflusst hat. Physiko-
in einzigartiger Weise Paläontologie und Biologie, chemische Prozesse während eines Einschlages
integriert verschiedene andere Leitthemen und liefert können durch die Analyse von Probenmaterial studiert
Forschungsergebnisse z. B. für die Beurteilung der werden. Einschlagprozesse und deren Folgen für
gegenwärtigen Biodiversitätskrise. Erkenntnisse aus die Umwelt können durch Laborexperimente und
der Phylogenie, der funktionellen Morphologie, der numerische Computermodelle besser verstanden
Evolutions- und Populationsgenetik, sowie der Ökologie werden. Dabei müssen die mikro- und kleinskaligen,
werden hier zusammengebracht. durch Stoßwellen hervorgerufenen Veränderungen
von M ineralen mit jenen großskaligen Prozessen
This theme aims to unravel the processes leading to verknüpft werden, die zur Bildung von Impaktkratern
biodiversity changes and its ecological and evolutionary und -becken führen.
consequences. We study the past and the present,
investigating diversity change along different scales Collisions of cosmic bodies significantly influenced
in time and space. We particularly focus on the the origin and evolution of planet earth and life.
significance of biotic and abiotic drivers that may affect Investigations of meteorites provide insights into
any level of biodiversity; from intra-specific diversity the early history of our planetary system. Craters
to biological traits and entire communities.This theme on earth and other planetary surfaces allow for
integrates knowledge from phylogeny, functional the reconstruction of such cosmic bombardment
morphology, evolutionary- and population-genetics and how it shaped the genesis and development
and ecology. This research is vital to understand, to of lithospheres, atmospheres and biospheres. The
inform and to call for action in light of the current global analysis of sample materials provides insights into
biodiversity and extinction crisis. the physicochemical processes at impact. Laboratory
experiments and numerical computer models give
a deeper understanding of meteorite impacts and
their environmental consequences. To gain maximum
knowledge and understanding, of these fundamental
processes our teams link small- or micro-scale events
(such as the shock modifications of minerals) with
large-scale events (such as the formation of impact
craters and basins).
14 15Neun Leitthemen | Nine science themes
LEITTHEMA / SCIENCE THEME Bisher sind nur knapp 1,9 Millionen Arten von Lebe- LEITTHEMA / SCIENCE THEME Naturkundemuseen sind zentrale Orte, um weltweit
wesen bekannt, das entspricht ca. 20 % der tatsächlich integriertes Wissen über Bio- und Geowissenschaften
Integrative existierenden Arten. Eine moderne, global ausgerichtete
Dynamische Informations- zu bewahren, dynamisch in Qualität und Aktualität zu
Biodiversitätsentdeckung Biodiversitätsforschung strebt jedoch eine möglichst und Wissensintegration sichern und breit und offen zugänglich zu machen. Der
vollständige Erfassung aller Lebewesen an, um die Bedarf an entsprechenden Informationsinfrastrukturen
Integrative Vielfalt des Lebens zu verstehen, sie zu schützen und
Dynamic Integration of ist dabei riesig – unter anderem in Evolutionsforschung,
Biodiversity Research ihr Potenzial zu nutzen, um konkrete Ansätze und Information and Knowledge Biodiversitätsentdeckung, Biodiversitätsdynamik und
Lösungen für globale gesellschaftliche Probleme wie -monitoring, ökologischer Modellierung, Klimafor-
z. B. Welternährung, nachhaltige Energieversorgung, schung, Bürgerwissenschaften und Kommunikation mit
Umweltverschmutzung und Gesundheitsfürsorge der Gesellschaft. Erforderlich sind virtuelle Forschungs-
abzuleiten. Die Forschung am Museum zielt darauf plattformen, die semantische Informationen, Medien-
ab, koordinierte Information über die Biodiversität und Objekt-Referenzdatenbanken und geeignete
in Berlin, Deutschland und weltweit zu liefern. Dafür algorithmische und menschlich-kollaborative Prozesse
werden die Objekte und Objektdaten in den eige- kombinieren. Als dynamische Plattformen aggregieren
nen Sammlungen erfasst und erforscht. Methoden, sie Informationen, ermöglichen durch kontinuierliche
Services und Tools zur Erfassung und Bestimmung von kritische Begutachtung Qualität und dynamisches
Biodiversität für Wissenschaftler und Nicht-Wissen- Wissensmanagement und bieten globalen Zugang für
schaftler werden entwickelt und zur Verfügung gestellt. breite Gesellschaftsschichten.
So far, some 1.9 million species are known to Natural history museums are unique institutions for
mankind. This accounts for about 20 % of the total integrating knowledge in the life and earth sciences,
estimate of extant species. Modern, global biodiversity from all over the world and our solar system and to
research strives to compile a complete account of make such knowledge accessible. We aim to safeguard,
life on earth. Discovering and describing all species to actively maintain, to update all information, and
will not only allow us to have a full inventory of life or to make it widely and freely accessible. Molecular
to understand organisms, but will help us to protect and evolutionary research; biodiversity dynamics,
them and potentially utilize them for societies grande biodiversity discovery and monitoring; ecological
challenges, be it food, water or climate security, modelling; climate science research; citizen science;
supply of energy, discovery of new medicines or helping and public engagement with science all require
to solve environmental pollution and fight emerging extensive information infrastructures. Furthermore,
diseases. Science at the MfN, in close collaboration with virtual research platforms need to be developed,
many national and international partners, generates, combining semantic information, media and object
organizes and coordinates information on local, national reference databases as well as relevant algorithmic
and global biodiversity, providing new insights through and human/collaborative processes. As dynamic
exact geographic, temporal and genetic information. platforms these virtual research environments
Therefore, the objects and object information available aggregate information; allow ongoing critical quality
in the MfN collections are documented and studied. assessment and dynamic knowledge management.
At the same time we are developing and using new Best of all, they offer global access, thus allowing for
methods, services and tools to create an inventory of global collaboration between science and society.
life while also making them globally available to citizens,
government, business and science.
16 17Neun Leitthemen | Nine science themes
LEITTHEMA / SCIENCE THEME Hier wird das Museum für Naturkunde Berlin selbst LEITTHEMA / SCIENCE THEME Wissenschaftlicher Austausch, Bildung und Vermitt-
zum Untersuchungsobjekt: Wie erfüllt es seine Aufgabe lung gehören zu den Kernaufgaben eines Forschungs-
Wissenskommunikation an der Schnittstelle von Wissenschaft, Politik und
Wissenstransfer museums. Das Leitthema ‚Wissenstransfer‘ geht
und Partizipation Gesellschaft und wie sollte es sie erfüllen? Dabei Knowledge Transfer darüber hinaus und betrachtet Forschungsprozesse,
werden die historischen, kulturellen und politischen Forschungsergebnisse und weitere Museumsleistungen,
in Theorie und Praxis Zusammenhänge einbezogen. Es wird untersucht, die sich außerhalb des Museums weiter nutzen lassen
Theory and application of mit welchen Methoden wissenschaftliche Inhalte könnten, beispielsweise in fachfremden Disziplinen, in
erfolgreich an unterschiedliche Zielgruppen vermittelt der Bildung oder in wirtschaftlichen oder kulturellen
knowledge communication, und im Dialog mit verschiedenen gesellschaftlichen Anwendungsfeldern. Aus den Forschungsprojekten
and Participation Akteuren entwickelt und kommuniziert werden heraus wird dies in der Regel nicht gemacht. Eine Über-
können. Dabei werden auch die damit verbundenen sicht über sämtliche Museumsleistungen ist in Arbeit,
Prozesse der Integration und Partizipation entlang Prozesse für einen effektiveren Transfer werden ent-
des gesamten Erkenntnisprozesses betrachtet. Das wickelt. Die verschiedenen Museumsleistungen können
Museum stellt sich der Frage, wieviel Partizipation auf diese Weise breiter als bisher, aktiv und gezielt in
seitens der Forschung zugelassen werden kann, wie Wissenschaft, Gesellschaft, Bildung, Kultur, Wirtschaft
die Beteiligung von gesellschaftlichen Akteuren am und Politik eingebracht werden. Die Museumsarbeit
wissenschaftlichen Prozess organisiert sein sollte und wird nachhaltiger, nutzbarer, sichtbarer und relevanter
wie die Rückkopplung ins wissenschaftliche System für die Gesellschaft.
funktioniert.
Exchanging scientific knowledge, education and
The Museum itself is becoming the object of scientific communication are core tasks and competencies of an
inquiry. This theme examines whether MfN is or how integrated research museum. Our knowledge transfer
it should fulfill its mission at the crossroads between theme studies how our processes, our results and
science, politics and society. Taking into consideration other achievements can be applied in other relevant
scientific, historical, cultural and political relationships disciplines and sectors such as education, economics
we analyze the methods, conduct experiments or culture. Such a 360 degree view of one’s science is
and devise research projects on how the MfN not part of the design or delivery of a ‘normal’ research
communicates science to diverse audiences more project. That is why we are developing an overview over
successfully. Furthermore, we investigate how the the scope and utility of our museum’s work, with the
public programmes at the MfN can be developed, in aim to develop processes for more effective knowledge
joint efforts and coproduction with internal and external transfer. Potentially, many aspects of our work will then
stakeholders. We aim to study relevant actions and be proactively connected to other science, but also
practices in the entire public engagement / science to society, education, culture, economy and politics.
participation process. This will allow us to assess the Our knowledge transfer theme is developing suitable
utility, the opportunities or obstacles for engaging wider methods, processes and formats, in order to make the
publics in different stages of the scientific process. museum’s work more sustainable, visible, usable, and
Independent from any outcome, this research will relevant.
increase the self-reflective capacity of the MfN, and
can, in turn, inform the wider science system on its
way towards open science.
18 19Fo r s c h u n g H i g h l i g h t s | R e s e a r c h h i g h l i g h t s
Artentdeckung
in der Sammlung
Discovering species
in collections
Insektenpatenschaften
Supporting insects
Elf neue Wespenarten in Australien entdeckt. Bisher Discovery of eleven new wasp species in Australia.
betrug die Anzahl der bekannten australischen Grab- Previously 23 species of the genus Sphex were known
wespen der Gattung Sphex 23 Arten. Durch die Arbeit in Australia, but two scientists from the Museum für
zweier Wissenschaftler des Museums für Naturkunde Naturkunde Berlin added 11 new ones making a
Berlin hat sich die Anzahl auf 34 erhöht! Die meisten new total of 34 species. Most of the newly discovered
der neu entdeckten Arten fanden sich unter Exemp- species were found among collections that had not
laren aus den Sammlungen, die vorher noch nicht bis been identified down to species level. Such taxonomic
zur Ebene der Art bestimmt worden waren. Bei vielen revisions are needed for many insect groups in Eine wertvolle und erfolgreiche Tradition. Über 15 An invaluable success story since 1998. Over 15
Insektengruppen sind solche taxo- nomischen Revisio- order to establish a more accurate record of global Millionen Käfer, Schmetterlinge, Wespen, Fliegen und million beetles, butterflies, wasps and large numbers
nen notwendig, um die globale Biodiversität möglichst biodiversity. Such knowledge is a prerequisite for eine Vielzahl weiterer Insekten warten auf Paten: Fast of other insects are in our collection. Since 1998 some
vollständig erfassen zu können; eine Grundvoraus- understanding and protecting the diversity of life and to 5.500 Patenschaften sind in den Insektensammlungen 5,500 people have generously donated money towards
setzung, um die Vielfalt des Lebens zu verstehen, zu unravel its potential. Up to 50 % of species may be still des Museums für Naturkunde Berlin seit dem Start this collection that allows us to re-house and recurate
schützen und ihr Potenzial zu nutzen. Schätzungen undiscovered in collections – time to start finding them! der Kampagne 1998 abgeschlossen worden. Teilweise this global treasure. From A for ant to Z for zorapterans
gehen von bis zu 50 % unbeschriebener Arten in den über 150 Jahre alte undichte Insektenkästen – vom – most of our insects now have a secure new home –
Sammlungen aus – packen wir es an! Dörfel, T. H. & Ohl, M. 2015. A revision of the Aaskäfer bis zur Zwiebeltaufliege – konnten mit den without dust or pest attacks.
Australian digger wasps in the genus Sphex Spendengeldern ausgetauscht und vor Staub und
(Hymenoptera, Sphecidae). – Zookeys 521: Schädlingsbefall bewahrt werden.
1 – 104. DOI: 10.3897/zookeys.521.5995
Leitthemen: Integrative Biodiversitätsentdeckung | Wissenstransfer Leitthema: Sammlungen als globale wissenschaftliche Forschungsinfrastruktur
20 Science themes: Integrated Biodiversity Discovery | Knowledge transfer Science theme: Collections as global research infrastructure 21Fo r s c h u n g H i g h l i g h t s | R e s e a r c h h i g h l i g h t s
Basaltic melt
Simulating meteorite impacts with a laser beam.
Impacts of meteorites and asteroids into the surfaces
of planets, moons, and asteroids are among the most
Laserstrahlen simulieren Meteoriteneinschläge. fundamental geologic processes in the solar system.
Einschläge von Asteroiden und Kometen auf die
Oberflächen von Planeten, Monden und Asteroiden A multidisciplinary team is studying the physical and
zählen zu den wichtigsten geologischen Prozessen im chemical processes that take place during the very first
Reaction zone Sonnensystem und haben auf der Erde die Evolution seconds of such impacts of extraterrestrial projectiles.
des Lebens unmittelbar und nachhaltig beeinflusst. Part of this research is aimed at understanding the
chemical interaction between projectile and target
Am Museum für Naturkunde Berlin untersuchen wir rocks, which occurs under extreme pressure-
in einer multidisziplinären Arbeitsgruppe die physika- temperature conditions during crater formation and
lischen und chemischen Prozesse, die während eines which governs the formation of impact melts. In order
Meteoriteneinschlages stattfinden. Wir wollen verste- to simulate meteorite impacts in the laboratory we
hen, wie die chemische Interaktion zwischen Projektil are performing hypervelocity impact experiments and
und Zielgestein unter extremen Druck- und Tempera- high-temperature laser experiments in our successful
turbedingungen während der Kraterbildung stattfindet MEMIN research unit.
Limestone und zur Bildung sogenannter Impaktschmelzen führt.
Unter idealisierten Laborbedingungen führen wir mit We are using a high-power laser system to melt and
nationalen Partnern Hochgeschwindigkeits-Impakt- vaporize mixtures of terrestrial rocks and meteorites.
experimente und Hochtemperatur-Laserexperimente With infrared and high speed cameras combined with
durch: wir simulieren Meteoriteneinschläge im Labor! micro-analytical investigations of the experimental
products we can study the impact process and the
Mittels eines Lasers werden Mischungen aus irdischen chemical processes during melt formation. Ultimately,
Gesteinen und Meteoriten-Material innerhalb von we contribute to a deeper understanding of such
Meteoriteneinschläge
Sekundenbruchteilen geschmolzen und verdampft. processes during impact melt formation. Especially
Mit Infrarot- und Hochgeschwindigkeits-Kameras the fate of carbonates upon impact is a topic of lively
können z. B. Temperaturen und Abkühlverhalten w äh- discussion in the community and is currently the
Meteorites with impact
rend der Versuche direkt gemessen werden. Dadurch focus of our work.
erlangen wir detaillierte Einblicke in chemische und
gesteinsbildende Prozesse und ziehen Rückschlüsse Hamann, C., R. Luther, M. Ebert, L. Hecht,
auf die Bildung von Impaktschmelzen. Besonders das A. Deutsch, K. Wünnemann, S. Schäffer, J. Osterholz,
Verhalten von Karbonatgesteinen unter Impaktbe and B. Lexow (2016), Correlating laser-generated
dingungen ist gegenwärtig ein kontrovers diskutiertes melts with impact-generated melts: An integrated
Thema, dem wir uns widmen. thermodynamic-petrologic approach, Geophys. Res.
Lett., 43, DOI: 10.1002/2016GL071050.
Leitthema: Impakt- und Meteoritenforschung
22 Science theme: Impact and Meteorite Research 23Fo r s c h u n g H i g h l i g h t s | R e s e a r c h h i g h l i g h t s
Fossilfund in Äthiopien führt zur Rückdatierung
Wie alt sind wir?
menschlicher Vorfahren. Im Jahre 2013 fand ein
internationales Forschungsteam unter Leitung der
Arizona State University und mit Beteiligung von
Dating Homo sapiens
Faysal Bibi, Museum für Naturkunde Berlin, einen DiMaggio, E. N., Campisano, C. J, Rowan, J.,
fossilen Unterkiefer in Ledi-Gararu, Afar-Region in Dupont-Nivet, G., Deino, A. L., Bibi, F., Lewis,
Äthiopien, der als Beleg dafür dient, dass die mensch- M. E., Souron, A., Werdelin, L. & Reed, K. E. 2015.
liche Gattung Homo schon vor 2,8 Millionen Jahren Late Pliocene fossiliferous sedimentary record
existierte. Der Unterkiefer ist 400.000 Jahre älter als and the environmental context of early Homo
alle bisher bekannten Fossilien der Gattung Homo. from Afar, Ethiopia. – Science 347: 1355 –1359.
Eine Analyse ergab, dass dieses Fossil nicht zu den DOI: 10.1126/science.aaa1415.
älteren Australopithecus-Arten wie die berühmte
‚Lucy‘ gehört. Der Fund schließt die Lücke zwischen Ethiopian Fossil find pushes back Age of early human
Australopithecus und dem modernen Menschen und ancestors. A fossil lower jaw found in the Ledi Geraru
ist ein hervorragendes Beispiel für ein Übergangsfossil research area, Afar Regional State, Ethiopia, has pushed
aus einer kritischen Zeitspanne der menschlichen back evidence for the human genus Homo to 2.8 million
Evolution. years ago. It was discovered by an international team
led by Arizona State University scientists. Faysal Bibi
Untersuchungen des Sedimentgesteins und fossiler from the Museum für Naturkunde Berlin was part of the
Tiere geben Hinweise auf das Alter und die Umgebung team that analyzed the fossil remains found with the
des Frühmenschenfundes. Das Wissenschaftler-Team hominin jaw.
stellte fest, dass in der Umgebung Arten vorherrschten,
die einen offenen, mit Gras oder Sträuchern bedeckten Analysis revealed advanced features that place the new
Lebensraum bevorzugten. Faysal Bibis Arbeit bestand fossil closer to early species on the Homo lineage, than
insbesondere in der Untersuchung dieser vielen Tier- to older Australopithecus like the famous ‘Lucy’ from
fossilien. Verglichen mit den am älteren Lucy-Fundort the nearby Hadar site. Studies of the sedimentary rocks
Hadar gefundenen Arten ist eine starke Zunahme von and the fossil animals found that the environment was
Arten zu beobachten, die die trockenen Bedingungen dominated by species that lived in fairly open habitats.
in Ledi-Geraru tolerierten. Noch ist es zu früh zu sagen, There is an increase in the proportion of species tolerant
dass ein Klimawandel für die Entstehung der Gattung of dry conditions at Ledi Geraru, compared to those at
Homo verantwortlich war. Die Suche nach Hominiden- the older, Lucy-age site at Hadar. But it is still too soon
fossilien im Fundgebiet wird deshalb fortgesetzt. to say that this means climate change is responsible for
the origin of Homo. We need a larger sample of hominin
fossils, and that is why the team will continue to search
in the Ledi Geraru area.
Leitthema: Biodiversitätsdynamik
24 Science theme: Diversity Dynamics 25Fo r s c h u n g H i g h l i g h t s | R e s e a r c h h i g h l i g h t s
Salamander zeigt Bein
Salamanders: Only salamanders show the capacity to regenerate
legs and more legs
their tails and limbs and that repeatedly throughout
their life. The regenerate is thereby as good as new,
including bones, nerves and musculature. Initial limb
development is also different from other four legged
vertebrates in that the development of the individual
skeletal elements takes place in reverse order. On the
basis of the collection of Paleozoic amphibians of the
Museum für Naturkunde, our scientists addressed
Nur Salamander besitzen die Fähigkeit Beine und the question whether this unique pattern of limb
Schwänze zu regenerieren, und das beinahe beliebig development is evolutionarily linked to the capacity
oft. Das Regenerat ist „wie neu“, inklusive neuer to regenerate limbs.
Wirbel, Rückenmark und Muskulatur. Auch die Bein-
entwicklung ist bei Salamandern anders als bei allen Our research revealed that several groups of Paleozoic
anderen vierfüßigen Wirbeltieren, denn die Entwicklung amphibians exhibit the reversed pattern of limb
der einzelnen Skelettelemente verläuft in umgekehrter development – only present among living tetrapods
Richtung. Unsere Wissenschaftlerinnen und Wissen- in salamanders – and were also able to regenerate
schaftler stellten sich nun die Frage, ob diese andere their limbs. Another group of Paleozoic amphibians,
Art der Beinentwicklung mit der Fähigkeit, die Beine the so called microsaurs, however, which are more
zu regenerieren, evolutiv zusammenhängt und nutzten closely related to today’s reptiles, birds and mammals,
dafür die Sammlung paläozoischer Amphibien am developed their legs like most modern tetrapods, but
Museum für Naturkunde Berlin. were nonetheless capable of regenerating their limbs
and tails like salamanders. This demonstrated that
Diese zeigt, dass mehrere Gruppen von paläozoischen the impressive regenerative capacities were probably
Amphibien ebenfalls ihre Beine wie Salamander the norm in tetrapods, but were lost in the course
entwickelten und regenerieren konnten. Nur „Micro- of evolution in all four legged vertebrates – except in
saurier“, eine andere Gruppe paläozoischer Amphi- salamanders.
bien, die näher mit heutigen Reptilien, Vögeln und
Säugetieren verwandt ist, entwickelten ihre Beine so Fröbisch NB, Bickelmann C, Olori JC, Witzmann F.
wie die meisten rezenten Vierfüßer. Trotzdem waren 2015. Deep-time evolution of regeneration and preaxial
Microsaurier in der Lage, ihre Beine und auch ihre polarity in tetrapod limb development. Nature 527:
Schwänze zu regenerieren. So konnte gezeigt werden, 231 – 234.
dass dieses enorme Regenerationsvermögen in vier-
füßigen Wirbeltieren ursprünglich sehr wahrscheinlich
die Norm darstellte und im Laufe der Evolutionsge-
schichte bei allen vierfüßigen Wirbeltieren außer den
Salamandern verloren ging.
Leitthema: Evolutionäre Morphologie
26 Science theme: Evolutionary Morphology 27Fo r s c h u n g H i g h l i g h t s | R e s e a r c h h i g h l i g h t s
A Biodiversity to Health pipeline. The bilateral research
project IndoBioSys (Indonesian Biodiversity Discovery
and Information System) at our Museum is funded by
the German Federal Ministry of Education and Research
(BMBF) for three years and conducted in collaboration
with the Zoologische Staatssammlung in Munich and
the Indonesian partner institution “Research Center for
Biology – Indonesian Institute of Sciences”.
Was verbindet Biodiversitätsforschung in Indonesien
mit Gesundheitsforschung? IndoBioSys (Indonesian It aims to develop and provide key components for
Biodiversity Discovery and Information System) ist ein a knowledge-based functional screening approach
dreijähriges bilaterales Forschungsprojekt, das im for the discovery of new anti-infective compounds
Rahmen einer Förderinitiative des Bundesministeriums from Indonesian organisms. This comprises a novel
für Bildung und Forschung (BMBF) zu Biodiversi- integrated high-throughput biodiversity discovery
täts- und Gesundheitsforschung in Indonesien seit pipeline for the sampling, identification and provision
April 2015 am Museum für Naturkunde Berlin, der of promising target groups. We focus on areas with
Zoologischen Staatssammlung München und dem a high level of biodiversity as well as utilizing a
indonesichen Partnerinstitut “Research Center for digital Indonesian Biodiversity Information System.
Biology – Indonesian Institute of Sciences” bearbeitet Thereby we are combining new data from the project
wird. Wir untersuchen dabei das Teilvorhaben „Bio- with existing information in real time and make this
diversitätsentdeckungspipeline und Informations- knowledge available for both research and the wider
system“. public via an online portal. The unique combination
of primary biodiversity data and relevant metadata
Ziel ist die Entwicklung und Bereitstellung zentraler supporting an innovative approach towards the
Komponenten eines wissensbasierten Ansatzes zur discovery of active compounds will create a novel
Entdeckung neuer, medizinisch interessanter Wirk- platform for the targeted, efficient, and sustainable
stoffe aus indonesischen Organismen. Hierzu wird a) exploitation of biological resources in Indonesia.
IndoBioSys
eine neuartige, integrierte Hochdurchsatz-Pipeline
zur Biodiversitätsententdeckung für die Aufsammlung For further information please visit our
und Identifikation vielversprechender Organismen aus www.indobiosys.org
Gebieten hoher Biodiversität eingesetzt und b) ein
digitales indonesisches Biodiversitätsinformations-
system aufgesetzt, das neue Daten und Ergebnisse mit
bereits vorhandenen Informationen zeitnah verknüpft
und für die Forschung wie für die breite Öffentlichkeit
über ein Online-Portal bereitstellt.
Leitthema: Integrative Biodiversitätsentdeckung
28 Science theme: Integrative Biodiversity Research 29Fo r s c h u n g H i g h l i g h t s | R e s e a r c h h i g h l i g h t s
Aufbau eines europäischen Netzwerkes für
Biodiversitätsinformation. Das vom Museum für
Naturkunde Berlin geleitete Projekt EU BON –
Building the European Biodiversity Observation
Network hat das Ziel, Meilensteine für den Aufbau Integrating Biodioversity Information in Europe for
eines integrierten, europäischen Netzwerkes für Scientists and Policymakers. The main objective of the
Biodiversitätsinformationen im Rahmen der globalen EU BON project (Building the European Biodiversity
GEO BON Initiative zu liefern, um Schlüsselfragen Observation Network) at the Museum für Naturkunde
zur Biodiversität beantworten zu können. Die Berlin is to build an integrated European network for
Ergebnisse können sich sehen lassen: Eine Vielzahl biodiversity information within the framework of
an entwickelten Produkten, zusammengeführten the global GEO BON initiative. The project’s basic
und standardisierten Daten und Informationen sowie characteristic is free and comprehensive access to data
weiterentwickelten wissenschaftlichen Methoden from all ecosystems (terrestrial, limnic and marine)
tragen zu einem Aufbau eines europäischen Biodiver as well as the integration of diverse data sources,
sitätsbeobachtungsnetzwerkes bei. Wissenschaft whether this concerns species observations or remote
lerinnen und Wissenschaftlern aus über 30 Institut sensing. Another focus is on developing analyses,
ionen und 18 Ländern haben in einem erfolgreichen modelling and other methods that help to comprehend
interdisziplinären Ansatz hierzu beigetragen. changes in biodiversity as well as developing more
detailed scenarios for the future. A consortium of 31
Als zentrale Informationsplattform für die im Rahmen partners from 18 countries is involved in carrying out
des Projekts entwickelten Produkte dient das neue these EU BON tasks. It is coordinated at the Museum
Biodiversitätsportal European Biodiversity Portal für Naturkunde Berlin. In May 2017, at the end of
EU Netzwerk
(www.biodiversity.eubon.eu), in dem die Produkte these four-and-a-half years of project, the European
thematisch und nach Nutzergruppen gegliedert biodiversity portal will be available for scientists,
zugänglich sind. Das Portal bietet neue Werkzeuge business, citizen scientists and policymakers, thus
EU network
zur Visualisierung biodiversitätsrelevanter Daten an supporting all areas where biodiversity matters.
– etwa Suchportale für verfügbare oder im Projekt
mobilisierte Verbreitungsdaten oder taxonomische For further information please visit
Referenzdatenbanken. Auch webbasierte Karten und www.eubon.eu
ein Informationsbereich für Citizen Science-Projekte
wurden im Portal integriert.
Leitthemen: Dynamische Informations- und Wissensintegration | Wissenstransfer
30 Science themes: Dynamic Integration of Information and Knowledge | Knowledge Transfer 31Fo r s c h u n g H i g h l i g h t s | R e s e a r c h h i g h l i g h t s
Tierstimmen digital
Science and song
Computerprogramm erkennt Tierstimmen. Wäre es
nicht toll, wenn wir unser Handy fragen könnten:
„Welcher Vogel singt denn da?“ Diese Wunschvor-
stellung wird Realität. Grundlagen dafür wurden in
unserem Tierstimmenarchiv in einem in Kooperation
mit der Bergischen Universität Wuppertal durchge- A computer programme that recognises animal
führten DFG-Projekt zum Thema „Referenzsystem für sounds. Wouldn’t it be marvellous if one could just ask
bioakustische Daten“ gelegt. In mühevoller Kleinarbeit a computer or mobile phone what bird is singing in
wurden dazu Aufnahmen gesucht, die frei von Hinter- your garden? Well, this is no longer wishful thinking, but
grundgeräuschen sind. 272 einheimische Tierarten about to become reality thanks to the work in the animal
sind mit 6.476 Aufzeichnungen im Referenzsystem sound archive at the Museum für Naturkunde Berlin.
vertreten, das über www.tierstimmenarchiv.de/RefSys The project entitled ‘Referenzsystem für bioakustische
frei verfügbar ist. Daten’ (reference system for bioacoustics data),
which is run in cooperation with Bergische Universität
Die Referenzaufnahmen sind Grundlage für die Wuppertal is delivering. Searching painstakingly through
Entwicklung von Algorithmen der automatischen our archive of over 160,000 recordings, background
Erkennung von Tierstimmen. Die Algorithmen konnten noise-free recordings were extracted. This resulted
bereits in einigen internationalen Wettbewerben ihr in clear recordings of 272 indigenous animal species.
Können unter Beweis stellen und erzielten sowohl In total 6,476 recordings are now accessible in our
in der von Kaggle veranstalteten NIPS4B Challenge reference library (www.tierstimmenarchiv.de/RefSys).
(Erkennung von 87 Arten in realistischen Monitoring-
Aufnahmen) als auch in den LifeCLEF Wettbewerben The reference recordings are the basis for the
der letzten beiden Jahre (Erkennung von fast tausend development of algorithms for automatic recognition of
brasilianischen Arten) jeweils die beste Lösung mit animal sounds. The algorithms have been tried and
den höchsten Erkennungsraten. Derzeit werden die tested in several international competitions. In 2015 / 16
Ergebnisse in der App „Naturblick“, einem Projekt zur our recordings outcompeted others in competitions: in
Berliner Stadtnatur angewandt. the NIPS4B Challenge organised by Kaggle (recognition
of 87 species in realistic monitoring recordings) as well
For further information please visit as in the LifeCLEF competitions (recognition of nearly
www.tierstimmenarchiv.de/RefSys one thousand Brazilian species). They always provided
the best solution with the highest recognition rates.
The results are now bearing fruit in our innovative
Naturblick project, where automatic voice recognition
was integrated in a smartphone app.
Leitthemen: Dynamische Informations- und Wissensintegration | Wissenstransfer
32 Science themes: Dynamic Integration of Information and Knowledge | Knowledge Transfer 33Fo r s c h u n g H i g h l i g h t s | R e s e a r c h h i g h l i g h t s
Sammlung öffne Dich! Establishing an inventory of specimen-rich collections.
The insect collection of the Museum für Naturkunde
Opening our collections
Berlin comprises 15 million specimens, the majority of
which has been dried and put on pins, filling some
35,000 wooden cases. In order to demonstrate that
Erschließung objektreicher Spezialsammlungen. there is a better way of making this hidden treasure
Mehr als 15 Millionen Tiere umfasst die Insekten- accessible not only to scientists worldwide, but also
sammlung des Museums für Naturkunde Berlin. Der to the public at large, the project Erschließung
größte Teil lagert getrocknet und auf Nadeln gesteckt objektreicher Spezialsammlungen (Establishing an
in rund 35.000 Holzkästen. Um diesen Schatz welt- Inventory of Specimen-rich Collections), EoS, was
weit einem breiten Publikum zugänglich zu machen, launched.
wurde das Projekt „Erschließung objektreicher
Spezialsammlungen“ (EoS) ins Leben gerufen. Within EoS, 10,000 individual insects and 10,000 insect
cases were selected as test objects for high-resolution
Für EoS wurden 10.000 einzelne Insekten und 10.000 scans. The pictures are now freely accessible online at
Insektenkästen als Testobjekte für extrem hochauf- www.eos.naturkundemuseum-berlin.de. All information
gelöste Scans ausgewählt. Ihre Bilder sind im Internet relating to these specimens, their metadata, is part
unter www.digicoll.info frei verfügbar. Auch alle zu of the collection and were therefore included. A QR
den Tieren gehörenden Informationen, ihre ‚Meta- code was generated for each of the insect cases. This
daten‘, sind Bestandteil der Sammlung und wurden allows to retrieve the information in the database with
daher sorgfältig fotografisch dokumentiert. Für jeden pictures of the cases and the metadata of all specimens
Insektenkasten und für jede Art wurde ein QR Code it contains.
erstellt, durch den die Datenbank mit dem Bild des
Kastens und den Metadaten aller darin enthaltener The project was funded by the European Regional
Objekte abgerufen werden kann. Development Fund and Berlin (ERDF). The photos will
help to protect the physical objects in the long term.
Die finanzielle Förderung des Projekts erfolgte durch Many aspects of our museum work are benefiting from
den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung the establishment of new digitisation methods.
(EFRE). Die Fotos helfen, die physischen Objekte
auf lange Sicht zu schützen. Da sie im Internet jeder- For further information please visit
zeit abgerufen werden können, ist der Zugriff vor Ort eos.naturkundemuseum-berlin.de
nicht mehr in jedem Fall notwendig. Das gesamte
Forschungsmuseum profitiert von der Etablierung
derartiger Digitalisierungsmethoden.
Leitthemen: Sammlungen als globale wissenschaftliche Forschungsinfrastruktur | Wissenstransfer
34 Science themes: Collections as global research infrastructure | Knowledge Transfer 35Sie können auch lesen