PERSONAL IN ALTEN- UND PFLEGEHEIMEN AM LIMIT - Daten, Lösungsansätze und Forderungen an die Politik
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Informationsblatt PERSONAL IN ALTEN- UND PFLEGEHEIMEN AM LIMIT Daten, Lösungsansätze und Forderungen an die Politik Stand: April 2022 ooe.arbeiterkammer.at
Andrea Heimberger, MSc Andreas Stangl AK-DIREKTORIN AK-PRÄSIDENT DIE OBERÖSTERREICHISCHEN ALTEN- UND PFLEGEHEIME BRAUCHEN EINEN FAIREN UND ZEITGEMÄSSEN PERSONALSCHLÜSSEL! Für tausende Menschen sind die oberösterreichischen Alten- und Pflegeheime das Zuhause in ihrem letzten Lebens- abschnitt. Ende 2020 lebten in den 132 Heimen fast 11.000 Menschen, für deren Wohl etwas mehr als 8.000 Per- sonaleinheiten eingesetzt sind. Die Beschäftigten in der Pflege leisten – nicht nur in Zeiten der Pandemie – einen unverzichtbaren Beitrag für die Gesellschaft, sie sind aber im Vergleich zu Arbeitnehmern/-innen aus anderen Spar- ten häufiger belastenden Rahmen- und Arbeitsbedingungen ausgesetzt. Das belastet viele Beschäftigte stark oder veranlasst immer mehr von ihnen dazu, den Beruf zu verlassen. Schon heute sind zahlreiche Betten dauerhaft gesperrt, weil Personal fehlt. Ein Grund für die zunehmende Verdichtung der Arbeit und Belastung der Beschäftigten ist eine gesetzliche Vorgabe zur Personalausstattung in den oberösterreichischen Heimen: der Mindestpflegepersonalschlüssel. Mittlerweile ist er mehr als 25 Jahre alt und somit den Anforderungen der Pflege und Betreuung im 21. Jahrhundert nicht mehr ge- wachsen. Bereits 2016 hat die Arbeiterkammer Oberösterreich in einer umfangreichen qualitativen Studie die Umsetzung des Mindestpflegepersonalschlüssels in den oberösterreichischen Alten- und Pflegeheimen genauer betrachtet. Seither wurden einige Anpassungen vorgenommen, die zentralen Handlungsfelder sind aber nach wie vor unverändert. Die drängendsten Probleme und wichtige Forderungen an die Politik sind in dieser Broschüre zusammengefasst. Die Arbeiterkammer Oberösterreich wird sich jedenfalls mit allen Kräften dafür einsetzen, dass diese von der Politik um- gesetzt werden. Nur so können auch in Zukunft eine hohe Lebensqualität im Alter garantiert, die Gesundheit und Sinnstiftung der Beschäftigten gestärkt und die Langzeitpflege wieder attraktiver werden. Andrea Heimberger, MSc Andreas Stangl AK-Direktorin AK-Präsident 2 ARBEITERKAMMER OBERÖSTERREICH
STATUS QUO: WIE GEHT ES DEN BESCHÄFTIGTEN IN DER PFLEGE? Beschäftigte und Führungskräfte in den ober- österreichischen Alten- und Pflegeheimen er- bringen täglich Spitzenleistungen, damit die Bewohner/-innen einen würdevollen Lebens- abend verbringen können. Oft ist zwar der Wille der Heimträger vorhanden, bestmög- liche Rahmen- und Arbeitsbedingungen zu schaffen, die derzeitigen Vorgaben behindern aber die Bemühungen. Mindestpflegeperso- nalschlüssel werden häufig immer noch als Höchstschlüssel interpretiert. Dabei müssen aber alle Besonderheiten, etwa lange Kranken- Zu wenig Zeit stände, Ausbildungen, Schwangerschaften, etc., für die Bewohner/-innen abgebildet werden. Die Arbeit in Heimen hat sich seit den Covid-19 hat die Situation massiv verschärft. 1990er-Jahren massiv verändert. Neue Pflege- Unter anderem gibt es derzeit die Möglich- konzepte, Qualitätsmanagement und diverse keit, den Mindestschlüssel zu unterschreiten. Projekte stellen eine zeitgemäße Langzeit- Trotz allem Engagement leiden die Arbeits- pflege in den Mittelpunkt. Zudem sind aber und teils auch die Pflege- und Betreuungs- auch Dokumentationsanforderungen und qualität in den oberösterreichischen Heimen. Kontrollen durch unterschiedlichste Behör- Beschäftigte nehmen ungern den Begriff den stark angestiegen. Mehr als die Hälfte der „gefährliche Pflege“ in den Mund, wollen das befragten Personen in der AK-Studie „Der aber auch nicht ausschließen. Vor allem stän- Oö. Mindestpflegepersonalschlüssel für Alten- dige Unterbrechungen könnten schwerwie- und Pflegeheime auf dem Prüfstand“ aus dem gende Folgen haben. Jahr 2016 gab an, dass der Dokumentations- aufwand, die Administration generell und Die Aufgaben der Pflege und Betreuung sind der Druck durch diverse Kontrollbehörden sehr vielschichtig und erfordern hohe Auf- seit Entstehung des Mindestpflegepersonal- merksamkeit. Gerade diese kann im Tagesbe- schlüssels massiv angestiegen sind. Manche trieb aber nicht immer gewährleistet werden. Kontrollinstrumente hat es zur Zeit der Ent- Diverse aktuelle Studien, aber auch laufende stehung des Mindestpflegepersonalschlüssels Schilderungen der Beschäftigten selbst, zei- noch nicht gegeben (wie z.B. OPCAT oder gen, wie oft die Beschäftigten bei ihrer Arbeit das Heimaufenthaltsgesetz), selbst das Gesund- unterbrochen werden. Es wäre daher nicht heits- und Krankenpflegegesetz mit der ver- verwunderlich, wenn es dazu kommen wür- pflichtenden Pflegeprozessplanung, -doku- de, dass z.B. versehentlich falsche Medika- mentation und -evaluierung ist erst nach der mente ausgeteilt werden. Die befragten Per- Ausverhandlung des Mindestpersonalschlüs- sonen empfinden Unterbrechungen meist als sels im Jahr 1997 entstanden. große Belastung – für ihre Arbeit selbst als auch für die Bewohner/-innen. Die zusätzlichen Tätigkeiten kosten viel Zeit. Zeit, die bei der Betreuung der Bewohner/ „Wenn zum Beispiel eine Person läutet, -innen fehlt. Gerade in diesem Bereich wird weil jemand gestürzt ist. Eine andere aus Zeitknappheit in der Praxis häufig einge- Person muss dringend aufs Klo. Und dann spart. Viele Beschäftigte sehen die Beziehungs- müssen wir weg und die aktuelle Tätigkeit und Betreuungsqualität massiv gefährdet. Die unterbrechen, sonst haben wir nachher fehlende Zeit macht den Beschäftigten sehr mehr Arbeit, als wenn wir bleiben wür- zu schaffen. Sie schildern, dass Bewohner/ den.“ (Fachsozialbetreuerin) -innen den Zeitdruck auch spüren. PERSONAL IN ALTEN- UND PFLEGEHEIMEN AM LIMIT 3
im Jahr 2016 an, dass diese Arbeit viel zu wenig Beachtung findet, im Tagesbetrieb aber sehr viel Zeit direkt von den Beschäftigten in den Wohnbereichen fordert. Die Ansprüche sind höher geworden, die fordernde Covid- Zeit mit Besuchssperren, ständig neuen Auf- lagen und hoher Unsicherheit um das Wohl der Angehörigen hat die Situation nochmals verschärft. „Es gibt ja Kinder von Bewohnern, die brauchen fast mehr Zeit als der Bewohner selbst. Die musst du fast mitbetreuen. Du bist immer in diesem Kreislauf drinnen. Sei es, wenn jemand im Sterben liegt, oder bei Beschwerden.“ (Fachsozialbetreue- rin Altenarbeit) So sehr die Aufgaben in der Pflege und Be- treuung steigen, so wenig Zeit haben die Kollegen/-innen für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter/-innen bzw. für eine zukunftswei- Beschäftigte klagen immer mehr sende Praxisanleitung der Auszubildenden. über zu wenig Zeit für die klas- In der Praxis sind Beschäftigte – oft unmittel- sische Pflege. Immer mehr wird bar nach absolvierter Ausbildung – mit nur von einem Trend zu „warm – satt sehr wenig Begleitung durch Kollegen/-in- – sauber“ berichtet. nen fix im Dienstplan eingeteilt und landen ohne Einarbeitung in ihrer neuen Tätigkeit. Ein Betriebsratsvorsitzender fasst zusammen, Auch während diverser Praktika kann auf- wie die Realität in vielen oberösterreichi- grund der derzeitigen zeitlichen Ressourcen schen Heimen aussieht: die Arbeit für viele Praxisanleiter/-innen nur wenig zufriedenstellend erledigt werden. Die „Das Nächste, wo man einsparen kann, ist Kollegen/-innen müssen sich entscheiden beim Spazierengehen, mit dem Rollstuhl zwischen mehr Zeit für die Praktikanten/-in- einmal eine Runde fahren im Garten, etc. nen oder für die Bewohner/-innen. Nehmen Genau dort fängt man dann zum Einspa- sie sich mehr Zeit für die Praxisanleitung, ren an: Dort, wo es über dieses , warm – steigt der Druck für die Kollegen/-innen zu- satt – sauber‘ hinausgeht.“ (Betriebsratsvor- sätzlich. Die Alternative wäre, die Aktivitäten sitzender und Fachsozialbetreuer Altenarbeit) der Praxisanleitung in die Freizeit zu verle- gen oder den Aufgaben der Praxisanleitung weniger Beachtung zu schenken – eine sehr Arbeitsqualität für die unzufriedenstellende Situation. Letzten En- Beschäftigten leidet des ist keine Option geeignet, um sinnvolle Praxisbegleitung zu ermöglichen und die Menschen, die Pflegeberufe ergreifen, ent- Pflegeausbildung attraktiv zu machen. scheiden sich meist für die Pflege und Betreu- ung, weil sie direkt mit Menschen arbeiten Es braucht daher im Personal- wollen. In der Ausbildung haben sie viel ge- schlüssel dringend eine Berück- lernt über Aktivierung und Stärkung der Be- sichtigung von Zeiten für Praxis- wohner/-innen, dies möchten sie gerne auch anleitung. einbringen. Angehörigenarbeit ist eine wei- tere wesentliche Zusatzaufgabe im Heim. Rund ein Drittel der befragten Personen gab bereits in der Studie der AK Oberösterreich 4 ARBEITERKAMMER OBERÖSTERREICH
Massive gesundheitliche sich auch auf die Arbeitsqualität für die Be- Belastungen schäftigten aus. „Ich bin wirklich sehr oft müde und muss Für sechs von zehn Pflegekräften ist die mich zu Hause erst einmal hinsetzen nach enorme Verantwortung für die Bewohner/ der Arbeit, weil ich so fertig bin. Ich muss -innen eine Belastung. Besonders die psy- öfter auf Kur fahren, weil ich so Kreuzweh chische Belastung hat seit 2016 stark zuge- habe. Also ich merke es in letzter Zeit nommen. Haben 2016 noch rund 42 Pro- sehr.“ (Knapp 50-jährige Fachsozialbetreue- zent der in der Pflege Beschäftigten an- rin Altenarbeit) geben, stark belastet bzw. belastet zu sein (Branchen gesamt: 11 Prozent), waren es Die fordernde Arbeit in der Pflege in Ober- 2021 bereits mehr als 57 Prozent (Branchen österreichs Alten- und Pflegeheimen wirkt gesamt: rund 26 Prozent). BELASTUNG DURCH PSYCHISCH BELASTENDE UND AUFREIBENDE ARBEIT ANGABEN IN PROZENT Pflegepersonal 23,5 33,8 27,9 6,6 8,1 2021 Gesamt 9,1 17,1 24,0 19,7 30,1 (alle Branchen) Pflegepersonal 15,7 26,2 30,2 8,7 19,2 Gesamt 2016 (alle Branchen) 3,2 8,0 13,5 13,9 61,4 0 20 40 60 80 100 stark belastet 2 3 4 gar nicht belastet AK Grafik Quelle: Arbeitsklima Indes der AK Oberösterreich Fast die Hälfte der Beschäftigten in der Pflege klagt über körperlich anstrengende Arbeit. Hohe Konzentration, einseitige Be- lastungen, zu wenige und zu kurze Pausen sowie unregelmäßige und überlange Arbeits- zeiten drücken ebenso auf ihr Gemüt, ob- wohl sie ihren Job immer noch als sehr sinn- stiftend ansehen. Die hohe Belastung hat mitunter enorme ge- sundheitliche Folgen: Mehr als die Hälfte der Pflegekräfte leidet unter Schlafstörungen, sechs von zehn sind erschöpft und ausge- laugt, jeweils rund 70 Prozent haben Muskelver- spannungen und Rückenschmerzen, ein Viertel hat hohen Blutdruck, ein Fünftel hat Herzrasen, etwas mehr als die Hälfte verspürt Resigna- tion im Beruf, und noch etwas mehr berichten über Fälle von Burnout im eigenen Betrieb. PERSONAL IN ALTEN- UND PFLEGEHEIMEN AM LIMIT 5
BELASTUNGEN – PFLEGEKRÄFTE FAST ÜBERALL SPITZENREITER ANGABEN IN PROZENT 70 60 60 57 50 47 42 40 30 30 24 25 25 20 20 15 13 9 10 10 6 0 hohe dauernder Kontakt schwere körper- hohe zu wenige, unregelmäßige überlange Verantwortung mit Kranken liche Anstrengung Konzentration kurze Pausen Arbeitszeiten Arbeitszeiten AK Grafik Quelle: Arbeitsklima Index der AK Oberösterreich Pflegeberufe alle Berufe All das führt dazu, dass sechs von zehn Beschäftigten in Pflegeberufen nicht glau- ben, ihren Beruf bis zur Pension ausüben zu können. In anderen Branchen sind es vier von zehn. (Quelle: Arbeitsklima Index der AK OÖ) Mindestpflegepersonalschlüssel: Mehr als 25 Jahre alt, kaum verändert Die Errichtung und der Betrieb von Alten- Relevant für die Personalausstattung in den und Pflegeheimen fallen in den Wirkungsbe- oberösterreichischen Alten- und Pflegeheimen reich der Länder, den Rahmen bildet eine ist die Verordnung der Oberösterreichischen 15a-Vereinbarung mit dem Bund. Daher sind Landesregierung über die Errichtung, den Qualitätsvorgaben und Personalausstattungen Betrieb sowie über die zur Sicherung einer in Österreichs Heimen immer noch sehr fachgerechten Sozialhilfe in Alten- und Pfle- unterschiedlich geregelt (Details auf ooe.ar- geheimen erforderlichen sonstigen Vorausset- beiterkammer.at/pflege). 2020 wies der Rech- zungen (Oö. Alten- und Pflegeheimverord- nungshof darauf hin, dass die Personalberech- nung 2020 – Oö. HVO 2020). Im § 16 Be- nungen in ganz Österreich nicht transparent treuungs- und Pflegepersonal ist sowohl die und nicht mehr zeitgemäß sind und kein quantitative als auch qualitative Personalaus- Qualitätsbegriff für die Langzeitpflege vor- stattung in Form eines pflegestufenabhängigen handen ist. Mindestpflegepersonalschlüssels festgelegt: (erwartete) Pflegestufen nach Personalschlüssel (Verhältnis beschäftigte den pflegegeldgesetzlichen Personen in der Pflege und Betreuung zu Bestimmungen Heimbewohnern/-innen) Kein Pflegegeld 1 : 24 Stufe 1 1 : 12 Stufe 2 1 : 7,5 Stufe 3 1:4 Stufe 4 1 : 2,5 Stufe 5 1:2 Stufe 6 1 : 1,5 Stufe 7 1 : 1,5 6 ARBEITERKAMMER OBERÖSTERREICH
Grundlage für die Berechnung des Personal- Die Oö. Alten- und Pflegeheimverordnung bedarfs ist die durchschnittliche Anzahl der gibt zudem vor, wie die verschiedenen Berufs- Heimbewohner/-innen und Kurzzeitpflege- bilder im Heim einzusetzen sind. Seit 1996 gäste je aktueller bzw. erwarteter Pflegegeld- hat es in der Verordnung im qualitativen einstufung des jeweils letzten Kalenderhalb- Bereich einige relevante Veränderungen ge- jahres. Die so errechneten Zahlen je Pflege- geben. 2018 wurde das 2016 geschaffene stufe sind zu addieren und ergeben die Zahl Berufsbild Pflegefachassistenz eingeführt, des mindestens erforderlichen Betreuungs- 2020 – unter Auflagen – das Berufsbild der und Pflegepersonals. Pflegeassistenz. Praktische Arbeitsbewertung fehlt Verbesserungen in den letzten Jahren Wie der Mindestpflegepersonalschlüssel in Seit 2016 gibt es folgende wesentliche Verän- den 1990er Jahren in Oberösterreich genau derungen, die zugleich als Verbesserungen entstanden ist, ist unklar. Als Basis dient eine eingestuft werden können: Berechnungsart aus anderen Bundeslän- dern, die jedoch nicht eins zu eins umge- Einsatz von Pflegefachassistenten/-innen setzt, sondern an die momentan verfügba- und Pflegeassistenten/-innen, ren Ressourcen angepasst wurde. Dabei neue prozentuelle Verteilung der Berufs- wurde keine arbeitswissenschaftliche Bewer- gruppen – Qualifikationsmix, tung der Tätigkeiten vorgenommen, es ging Klarstellung, dass auch Kurzzeitgäste mit eher um ein Ausverhandeln der verfügbaren ihrer (zu erwartenden) Pflegestufe bei der Ressourcen. Personalausstattung zu berücksichtigen sind, „Man hört eigentlich nur, dass es eine poli- Klarstellung, dass der Personaleinsatz nach tische Entscheidung war. Genauso gut hätte der aktuellen Pflegegeldeinstufung bzw. man darum würfeln können.“ (Heimleiter) aufgrund des aktuellen Pflegezustandes zu berechnen ist, Seit 2016 traten einige Novellen der Oö. Möglichkeit, in kleineren Heimen mehr Alten- und Pflegeheimverordnung in Kraft. Gesundheits- und Krankenpflegekräfte Klärungen gab es z.B. für die Besetzung in (DGKP) einzusetzen als die Prozentrege- den Nachtdiensten oder zum Einsatz von lung vorgibt, Pflegefachassistenten/-innen und Pflegeas- Neuregelungen für den Nachdienst (Um- sistenten/-innen. Der eigentliche Personal- setzung des § 3a Pflegefondsgesetz und schlüssel – das Verhältnis von Pflegepersonen Pflegepaket 2020), zu Bewohnern/-innen, wurde seit Inkraft- zusätzliche Aktivitäten für Alten- und Pfle- treten der Vorgaben mit 1.1.1998 aber nicht geheime der Sozialhilfeverbände: Unter- verändert. stützungsberufe (bis zu zwei Prozent zu- sätzlich zum Pflege- und Betreuungsper- Die Arbeiterkammer Oberöster- sonal), Einrechnung von Führungskräften sowie reich fordert schon lange eine klares Bekenntnis, dass 100 Prozent nicht arbeitswissenschaftliche Bewer- mehr reichen. So gibt es in der Oö. Sozial- tung von Tätigkeiten in Alten- hilfeverbände-Dienstpostenplanverord- und Pflegeheimen als Grundlage nung 2018 eine Klarstellung, dass im Be- für den Mindestpflegepersonal- reich des Betreuungs- und Pflegepersonals schlüssel. Dienstposten bis zum Ausmaß des Min- destpflegeschlüssels gemäß § 16 Oö. Alten- Seit 2018 liegt eine umfangreiche Studie der und Pflegeheimverordnung 2020 mit Universität Innsbruck im Auftrag der Bun- einem maximalen Überhang von 10 % fest- desarbeitskammer vor, die Details für weitere gelegt werden können. Anpassungen liefert. Die konkreten Verbesse- rungspotenziale wurden in Oberösterreich bisher nicht aufgegriffen. PERSONAL IN ALTEN- UND PFLEGEHEIMEN AM LIMIT 7
Qualitätsvorgabe in den begleitende Ausbildung (DGKP, PFA, FSB, oberösterreichischen Heimen DSB) abschließen. Aus besonders berück- sichtigungswürdigen Gründen kann mit Seit der Novelle der Oö. Alten- und Pflege- Zustimmung der Landesregierung die Frist heimverordnung 2020 gilt in den oberöster- verlängert werden, reichischen Heimen die Qualifikationsvorga- zur Ausübung des Berufsbilds der Heim- be, dass zur unmittelbaren Pflege sowie hilfe nach dem Oö. Sozialberufegesetz sozialen Betreuung der Heimbewohner/-in- oder der Altenbetreuung im Sinn des Oö. nen nur Personen herangezogen werden dür- Altenfachbetreuungs- und Heimhilfegeset- fen, die zes berechtigt sind. zur Ausübung des gehobenen Dienstes Das auf den Mindestpflegepersonalschlüssel für Gesundheits- und Krankenpflege anrechenbare Personal soll sich verteilt auf (DGKP) nach den gesundheits- und kran- die Berufsgruppen wie folgt zusammensetzen: kenpflegerechtlichen Bestimmungen des Bundes berechtigt sind, 25 bis 30 Prozent Personaleinheiten zur Ausübung des Berufsbilds der Pflege- DGKP und PFA, jedoch mindestens 15 fachassistenz (PFA) nach den gesundheits- Prozent Personaleinheiten DGKP. Sofern und krankenpflegerechtlichen Bestimmun- diese Prozentwerte weniger als 5,5 Perso- gen des Bundes berechtigt sind, naleinheiten für DGKP und PFA ergeben, zur Ausübung des Berufsbilds der Fach- kann der Prozentwert jedenfalls bis zu oder Diplomsozialbetreuung mit dem Aus- dieser Grenze überschritten werden, bildungsschwerpunkt Altenarbeit (FSB „A“ bis zu 7,5 Prozent Personaleinheiten Pfle- oder DSB „A“) oder der Fach- oder Dip- geassistenz, lomsozialbetreuung mit dem Ausbildungs- bis zu 15 Prozent Personaleinheiten Heim- schwerpunkt Behindertenarbeit (FSB „BA“ hilfen. Bei stationären Einrichtungen, die oder DSB „BA“) nach dem Oö. Sozialberuf- als Hausgemeinschaften errichtet sind egesetz berechtigt sind, und geführt werden, können über den zur Ausübung des Berufsbilds der Pflege- Mindestpflegepersonalbedarf hinaus zu- assistenz (PA) nach den gesundheits- und sätzlich 10 Prozent Personaleinheiten ein- krankenpflegerechtlichen Bestimmungen gesetzt werden. des Bundes berechtigt sind und binnen Ergänzend zu den beschriebenen Berufs- fünf Jahren nach Diensteintritt eine berufs- gruppen: FSB-A, DSB-A, FSB-BA, DSB-BA 8 ARBEITERKAMMER OBERÖSTERREICH
Veränderungen ergeben sich auch in der An- „Ich bewerte dieses Projekt sehr positiv. wesenheitszeit (Tag- und Nachtdienst). Der Die Reduktion der Pflegedokumentation Heimträger hat sicherzustellen, dass zumin- wurde bereits in den letzten Jahren von dest ein/-e DGKP in einem Tagdienst an- Seiten der Mitarbeiterinnen gefordert, die wesend ist und in Heimen bis zu 60 Wohn- Zustimmung von allen Seiten war enorm. plätzen zumindest eine Bedienstete/ein Be- Die Umsetzung hat sofort positive Auswir- diensteter im Nachtdienst anwesend ist. Ab kungen auf den Berufsalltag der Pflege- 60 Wohnplätzen müssen zumindest zwei Be- kräfte gezeigt.“ (Mitglied des AK-Projekts dienstete in einem Nachtdienst anwesend „Pflegedokumentation neu“) sein. Außerhalb des Tagdienstes muss ein/-e DGKP bzw. PFA zumindest rufbereit sein. Verbesserungen wurden auch insofern er- Eine Rufbereitschaft kann auch heimüber- reicht, als dass jetzt auch die realen Pflegebe- greifend organisiert werden. darfe in der Personalberechnung abgebildet werden. Auf Druck der Gewerkschaften in Parallel dazu werden für die Alten- und Pfle- den Gehaltsverhandlungen konnte eine erste geheime, deren Träger die Oö. Sozialhilfever- Verbesserung im Nachtdienst erreicht wer- bände sind, in der Oö. Sozialhilfeverbände- den. Heime der Sozialhilfeverbände haben Dienstpostenplanverordnung weitere Klärun- zudem die Möglichkeit, Unterstützungsper- gen getroffen: Sie enthält zum Beispiel Be- sonal anzustellen. Erste kleine Verbesserungs- rechnungsvorgaben für die Leitung des Be- schritte sind sichtbar, aber es gibt noch viel treuungs- und Pflegedienstes, Personalpla- Handlungsbedarf. nungsvorgaben für die Küche, Reinigung * Informationen und Haustechnik sowie Vorgaben für den zum Zukunftsfonds Einsatz von Unterstützungsberufen. Ausreichend Zeit der Arbeiterkammer für Führung nötig Oberösterreich fin- den Sie auf arbeit- Fazit: Nur kleine Veränderungen erfolgt, Bei allen Mehraufgaben, die seit Einsetzen menschendigital.at echte Reformen sind nötig! des Mindestpflegepersonalschlüssels entstan- oder durch Scannen den sind, wird ersichtlich, dass es ausreichend dieses QR-Codes. Einigkeit besteht, dass ein würdevolles Altern Zeit für die Führung im Pflege- und Betreu- in den oberösterreichischen Alten- und Pfle- ungsbereich braucht. Trotzdem sind Leitun- geheimen auch weiterhin ermöglicht werden gen des Betreuungs- und Pflegedienstes meist muss. Es wird versucht, Verbesserungen zu jedoch (zumindest zu Teilen) noch in den schaffen, wie z.B. die von den Beschäftigten Mindestpflegepersonalschlüsseln eingerech- geschilderte Belastung durch den hohen Do- net. Tatsächlich in der Pflege sind sie aber nur kumentationsaufwand zu verbessern. Wurde noch selten anzutreffen, wie ein Leiter des diese in der Studie der AK Oberösterreich Betreuungs- und Pflegedienstes schildert: „Der Oö. Mindestpflegepersonalschlüssel für Alten- und Pflegeheime auf dem Prüfstand“ „Die unmittelbare Pflege am Bewohner aus dem Jahr 2016 noch als extrem belastend mache ich so gut wie gar nicht. Also nur im empfunden, so bringt hier das Projekt „Pfle- Falle des Falles, so wie letztens, als ein Be- gedokumentation neu“ erste Verbesserungen wohner gestürzt ist, da habe ich ihm na- für die Alten- und Pflegeheime. Ausgehend türlich schon geholfen. Es würde sich nicht von einem AK-Pilotprojekt wird die Doku- wirklich ausgehen, es wäre sehr schwierig, mentationspraxis mit einem Gewinn für alle wenn ich, wie vorgesehen, neben meiner – Bewohner/-innen und Beschäftigte – neu Leitung dann auch noch die 50 Prozent in gedacht. Unterstützt durch den Zukunfts- der Pflege tätig wäre.“ (Leiter des Betreu- fonds der Arbeiterkammer Oberösterreich* ungs- und Pflegedienstes) sollen bald alle Beschäftigten von einer ver- einfachten Dokumentation profitieren, die zudem mehr Sicherheit bringt. Die Rückmel- dungen zum Projekt sind sehr positiv. PERSONAL IN ALTEN- UND PFLEGEHEIMEN AM LIMIT 9
Für die Heime der Sozialhilfeverbände gibt Noch immer arbeiten überdurchschnittlich es zumindest Vorgaben, abhängig von der viele Frauen in Gesundheitsberufen. Schwan- Heimgröße. Für Heime anderer Träger fehlen gere sind durch das Mutterschutzgesetz diese komplett, da die Oö. Alten- und Pflege- (MSchG) besonders geschützt und können heimverordnung hier keine Vorgaben trifft. viele Aufgaben nicht mehr übernehmen. Weil sie meist bis zu Beginn des Mutterschut- Auch die gegenteilige Praxis wurde oft ge- zes voll als Dienstposten eingerechnet sind schildert: Die Leitungen des Betreuungs- und und auch nicht nachbesetzt werden, ergibt Pflegedienstes sind so massiv in der Grund- sich ein massiver Engpass bei den Teams, vor pflege eingeteilt, dass die klassischen Füh- allem in kleineren Einheiten bzw. gerade rungsaufgaben oft aus Zeitgründen vernach- auch im Diplombereich. Oft stehen Schwan- lässigt werden (müssen). gere vor der Wahl: den Kollegen/-innen noch mehr Arbeit zuzumuten oder sich und das Immer mehr Aufgaben aus anderen Funk- Kind zu gefährden. tionsbereichen im Heim, wie etwa Reinigung oder Küche, werden auf die Pflege übertra- „Eine Stelle muss erst komplett frei sein, gen. Damit ist zwar der gesetzliche Mindest- bevor sie nachbesetzt wird. Da warten pflegepersonalschlüssel erfüllt, in anderen Be- manche bereits, dass Personen in den Mut- reichen (teilweise ohne verbindliche Schlüssel) terschutz gehen, damit man endlich nach- wird hingegen auf Kosten der Pflegebeschäf- besetzen kann. Das tut weh und das soll tigten eingespart. auch nicht sein.“ (Heimleiter) Beschäftigtenstruktur wird Fehlzeiten werden nicht berücksichtigt wenig berücksichtigt In der Verordnung zum Mindestpflegeperso- In der Oö. Alten- und Pflegeheimverordnung nalschüssel findet die Struktur der Beschäftig- fehlen verbindliche Vorgaben zur Einrech- ten – wie Alter, Schwangerschaft, Menschen nung der Fehlzeiten. Fehlzeiten sind Arbeits- mit besonderen Bedürfnissen und Rückkeh- zeiten, die die/der Beschäftigte nicht direkt rer/-innen nach langem Krankenstand – kaum bei den Bewohnern/-innen verbringt; zum Berücksichtigung. Die Dienstposten werden Beispiel nötige Fort- und Weiterbildungen, gleich bewertet. Die Heime sind in der Praxis Projekte, Urlaub, Krankenstand, Kur und sehr bemüht, spezielle Rahmenbedingungen Pflegefreistellung. Zahlreiche Studien weisen für spezielle Situationen zu schaffen. Es gibt darauf hin, dass Fehlzeiten derzeit mindestens jedoch kaum „leichtere Arbeitsplätze“ im 28 Prozent der Nettoarbeitszeit ausmachen. Heim. Die Folge: Die Teams kompensieren Führungskräfte und Betriebsräte/-innen be- die Arbeit oder manche Kollegen/-innen ar- stätigen dieses Ausmaß, in machen Heimen beiten dauerhaft über ihre persönliche Belast- gibt es noch höhere Zahlen. Gerade diese barkeit hinaus. Fehlzeiten führen häufig zu einer starken Be- lastung der Beschäftigten, weil sie öfter über- „Der Personalschlüssel ist wahrscheinlich raschend einspringen müssen, Über- oder für Personen im leistungsfähigen Alter von Mehrstunden aufbauen und mit weniger Kol- 20, 25 Jahren, schätze ich, berechnet wor- legen/-innen als vorgesehen arbeiten müssen. den. Und wenn ich heute 50 oder 55 bin, Quarantänen und zusätzliche Krankenstände kann ich diese Leistung, selbst wenn ich in der Covid-Zeit haben gezeigt, wie schnell will, nicht mehr erbringen.“ (Betriebsrats- durch mangelhaft berechnete Fehlzeiten vorsitzende) die Personalplanung gefährdet ist. Die Folge: Dienstplanstabilität ist häufig ein Fremdwort Für viele ist die Altersteilzeit eine letzte Alter- in oberösterreichischen Heimen. native, wie eine Betriebsrätin aus der Praxis erzählt: „Es gibt ganz viele Anfragen, wie das mit der Altersteilzeit funktioniert.“ Die Arbeitsbe- lastung durch Covid hat die Situation massiv verschärft. 10 ARBEITERKAMMER OBERÖSTERREICH
„Die meisten unserer Mitarbeiter sind DGKP/PFA nicht in allen Fällen zufrieden- langjährige Mitarbeiter, wir haben wenig stellend ist, da Hilfe so teils nur schwer und Fluktuation, was gut ist und für Qualität nicht zeitnah geholt werden kann. steht. Auf der anderen Seite ist der Anteil der Über-45-Jährigen derart krass. Man „Wenn Beschäftigte in der Nacht alleine muss einmal sagen, die haben alle sechs Dienst machen müssen, da darf wirklich Wochen Urlaub. Die haben natürlich, ge- nichts passieren.“ (Betriebsratsvorsitzende) rade in der Pflege vermehrt, Kuren oder Krankenstände. Das sollen sie auch haben, nur mir fehlt das permanent im Einsatz „In unserem Heim ist eine Bewohnerin der Mitarbeiter.“ (Heimleiter) eingezogen, die ständig mit Suizid gedroht und dies auch artikuliert hat – mit Wor- ten wie ,I spring do jetzt owi!‘ oder ,I bring Unzureichende Regelungen mi um! I nimm jetzt des Messer!‘ Die Kol- für den Nachtdienst legen, die am Abend dort waren in einer Zeit, zu der nicht mehr so viel Pflegeperso- In der Oö. Alten- und Pflegeheimverordnung nen im Dienst sind, die dann einfach gibt es mittlerweile einige Klärungen für die trotzdem noch teilweise 25 andere Perso- Arbeit im Nachtdienst. Damit wurde auf nen zum Betreuen haben immer wieder, Drängen der Gewerkschaften hin ein erster für die ist das der pure Wahnsinn.“ (Diplo- Schritt zur Verbesserung in der Nachtarbeit mierte Gesundheits- und Krankenpflegekraft) erreicht. In Heimen mit mehr als 60 Wohn- plätzen sind zumindest zwei Bedienstete ein- zusetzen. Ein/-e DGKP bzw. Pflegefachassis- Ziel sollte es sein, dass keine Per- tenz muss zumindest in (heimübergreifender) son alleine im Nachtdienst arbei- Rufbereitschaft verfügbar sein. Für einige tet, egal, wie groß das Heim ist. Heime konnte somit eine Verbesserung er- zielt werden. Heime mit weniger als 60 Be- wohnern/-innen bzw. große Heime mit mehr Für größere Heime braucht es weitere Nacht- als 100 Bewohnern/-innen spüren noch keine dienste. Damit auch alle Aufgaben im Nacht- Erleichterungen. Ob der zusätzliche Nacht- dienst vor Ort erfüllt werden können, braucht dienst auch in zusätzlichen Dienstposten ab- es Diplomierte Gesundheits- und Kranken- gebildet wird, bleibt noch offen und muss pfleger/-innen im Nachtdienst. Die Nacht- evaluiert werden. Beschäftigte beklagen wei- dienstbesetzungen sollen dabei zusätzlich zum ters, dass die Rufbereitschaftslösung für Tagdienst sein. PERSONAL IN ALTEN- UND PFLEGEHEIMEN AM LIMIT 11
MYTHEN UND FAKTEN ZUM MINDESTPFLEGEPERSONALSCHLÜSSEL Falsch ist: Richtig ist: ✖ Der Mindestpflegepersonalschlüssel gibt ✔ Es braucht dringend eine Evaluierung des die Musspersonalbesetzung im Heim vor. oö. Mindestpflegepersonalschlüssel unter ✖ Es müssen genau 100 Prozent erfüllt sein. Beachtung arbeitswissenschaftlicher Er- Als Träger/-in habe ich keine Möglich kenntnisse. keiten zur Gestaltung. ✔ Die derzeitigen Strukturen eigenen sich ✖ Der Mindestpflegepersonalschüssel garan- nur mangelnd für die derzeitigen und zu- tiert, dass ich auch die in der Pflegegeld- künftigen Herausforderungen der Lang- einstufung angesetzte zeitliche Mindest zeitpflege. betreuung bekomme. ✔ Der derzeitige Mindestpflegepersonal- ✖ Wenn ein Haus 110 Prozent Erfüllungs- schlüssel lässt sich nur umsetzen, wenn grad hat, heißt das automatisch, dass mehr laufend massive Mehr- und Überstunden Personal verfügbar ist als bei 100 Prozent. geleistet werden. ✖ Der Oö. Mindestpflegepersonalschlüssel ✔ Beschäftigte in der Pflege und Betreuung basiert auf einer Bewertung der tatsäch arbeiten gerne in diesem Beruf. Sie arbei- lichen Arbeitsaufgaben. ten aber oft über ihre Grenzen hinaus und ✖ Stark veränderten Bewohnerstrukturen gefährden ihre Gesundheit. wie Demenz oder psychiatrische Erkran- ✔ Die Studie der AK Oberösterreich „Der kungen wird im derzeitigen Schlüssel ge- oö. Mindestpflegepersonalschlüssel für nügend Rechnung getragen. Alten- und Pflegeheime auf dem Prüf- ✖ Der Mindestpflegepersonalschlüssel be- stand“ aus dem Jahr 2016 sowie die Studie rücksichtigt die Beschäftigtenstruktur im „Arbeitswissenschaftliche Analyse und Haus. Bewertung pflegerischer Humandienst- ✖ Zusatzaufgaben wie Dokumentation, leistungstätigkeiten in der stationären Qualitätsprojekte, etc. sowie Fehlzeiten Langzeitpflege als Basis für eine leistungs- (Krankenstände, Weiterbildungen, …) fin- gerechte Personalbemessung“ der Univer- den im Schlüssel genügend Berücksichti- sität Innsbruck aus dem Jahr 2018 liefern gung. immer noch wertvolle Erkenntnisse, die in ✖ Die Nachtdienste sind für alle Heime aus- den nächsten Arbeitsschritten einbezogen reichend geregelt. werden müssen. ✖ Der Mindestpflegepersonalschlüssel er- ✔ Unterstützungsberufe – nicht im Pflege- setzt Vorgaben aus anderen Rechtsquellen personalschlüssel eingerechnet – können wie z.B. ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, die Pflege und Betreuung entlasten und Mutterschutzgesetz, … wieder mehr Zeit für die „klassische Pfle- ✖ Der Mindestpflegepersonalschlüssel bietet ge“ schaffen. ein gutes Rüstzeug für eine zukunftsorien- ✔ Es braucht auch Überlegungen zu den tierte Altenarbeit im 21. Jahrhundert unterstützenden Funktionsbereichen im Heim (Küche, Reinigung, Wäscherei, Haustechnik, Verwaltung, …); auch hier hat es jahrelang kaum Anpassung der Rah- menbedingungen an die neuen Gegeben- heiten gegeben. 12 ARBEITERKAMMER OBERÖSTERREICH
Faktencheck: Fortschritte und offene Forderungen Bei den Forderungen der AK Oberösterreich aus dem Jahr 2016 gab es einige Fortschritte, es gibt aber nach wie vor viel Handlungsbedarf. Forderungen erreicht Anmerkung Mehr Zeit für Betreuung schaffen Stärkere Berücksichtigung von Demenz Angeregt und finanziert durch Pflegedokumentation evaluieren AK Oberösterreich Stärkere Berücksichtigung der Vorgaben für Führung für die Zusatzaufgaben Sozialhilfeverband-Heime Verbindliche Vorgaben für Zweiter Nachtdienst Nachtdienst ab 60 Bewohnern/-innen Berücksichtigung der jeweiligen Beschäftigtenstruktur Beachtung der Fehlzeiten Strengere Kontrolle der Auslegung des Mindestpersonalschlüssels Mehr Zeit für Innovation Weiterentwicklung des qualitativen Berufsbilder vorhanden; Mindestpflegepersonalschlüssels Praxistauglichkeit offen auf Basis der GuKG-Novelle Bessere Arbeitsbedingungen in Vorgaben für Sozialhilfeverband- allen Arbeitsbereichen im Heim Heime; Praxistauglichkeit offen ja nein teilweise PERSONAL IN ALTEN- UND PFLEGEHEIMEN AM LIMIT 13
WIE DIE POLITIK JETZT HANDELN MUSS Die zentrale Forderung der AK Oberöster- sowie ausreichende Ausbildungsplätze (be- reich an das Land OÖ bleibt auch nach vielen rufsbegleitend, am Abend, an Wochenenden, Jahren weiterhin aufrecht: etc.). Außerdem braucht es auch in Oberöster- reich öffentliche und kostenlose höhere Lehr- Der mehr als 25 Jahre alte Min- anstalten für Sozial- und Pflegeberufe (HLSP) als attraktiven neuen Ausbildungszweig. destpflegepersonalschlüssel muss dringend an die aktuellen Gegebenheiten in Alten- und Pfle- Zugang zur Schwerarbeitspension geheimen angepasst werden! für Pflegekräfte erleichtern Nur so wird den Beschäftigten ermöglicht, Nicht einmal jede zweite Pflegerin/jeder in einem sinnstiftenden Beruf gesund das zweite Pfleger (44,7 Prozent) kann es sich Regelpensionsalter zu erlangen. Gleichzeitig derzeit vorstellen, bis zur Regelpension in muss auch in Zukunft eine hohe Pflege- und diesem Beruf zu bleiben. Für die meisten Betreuungsqualität für die Bewohner/-innen Pflegekräfte ist ein Durchhalten bis zum ge- in Oberösterreichs Alten- und Pflegeheimen setzlichen Pensionsalter mit den derzeitigen erhalten bleiben. Rahmenbedingungen unvorstellbar. Immer lauter wird daher der Ruf der Pflegekräfte nach einem leichteren Zugang zur Schwerar- Eine Ausbildungsinitiative muss beitspension. Derzeit ist der Zugang massiv rasch Fahrt aufnehmen erschwert: Er erfolgt meist über die Ziffer 5 der Schwerarbeitsverordnung „berufsbedingte Um den heutigen und künftigen Personal- Pflege von erkrankten oder behinderten bedarf in der Pflege zu decken, braucht es in Menschen mit besonderem Behandlungs- Oberösterreich rasch eine echte Ausbildungs- oder Pflegebedarf (beispielsweise in Hospiz- offensive. Das Land Oberösterreich muss ge- oder Palliativmedizin)“. Relevant dabei ist die meinsam mit dem AMS konkrete Lösungen Pflegegeldeinstufung der zu Pflegenden. Be- zur Verbesserung der Ausbildungssituation trachtet man die derzeitige Arbeitssituation schaffen. Dazu zählen z.B. attraktive Ange- in den oberösterreichischen Heimen und in bote für Um- und Wiedereinsteiger/-innen. der Pflege generell, so wird deutlich: Die Ein- Wer eine Pflegeausbildung macht, muss sich grenzung auf spezielle Pflegesituationen und das auch leisten können. Es braucht daher Pflegegeldeinstufungen ist nicht mehr zeit- eine finanzielle Absicherung schon während gemäß. Es braucht einen leichteren Zugang der Ausbildung, eine Informationskampagne zur Schwerarbeitspension für Pflegekräfte. 14 ARBEITERKAMMER OBERÖSTERREICH
Arbeitswissenschaftliche Bewertungen Sofortmaßnahmen Forschungsberichte und Bekenntnis zur öffentlichen Finan- aus Sicht der AK und Studien finden zierung nötig Sie auf ooe.arbeiter- 20 Prozent mehr Personal in den oberös- kammer.at/pflege Aus Sicht der AK ist eine arbeitswissen- terreichischen Alten- und Pflegeheimen. oder durch Scannen schaftliche Bewertung der Tätigkeit für alle Das sind 1.200 zusätzliche Personaleinhei- dieses QR-Codes. Berufsgruppen und Funktionen im Alten- ten (Vollzeitkräfte). und Pflegeheim langfristig unbedingt not- wendig. Sie soll sich in transparenten und Fehlzeiten (Krankenstände, Urlaube, Fort- gesetzlich verbindlichen Personalbedarfsbe- und Weiterbildungen) müssen in den Per- rechnungen abbilden. Die Modelle sind lau- sonalberechnungen verbindlich berück- fend zu evaluieren und den Anforderungen sichtigt werden können. Schwangerschaf- anzupassen. Eine weitere wichtige Verände- ten müssen ab dem Tag der Meldung im rung ist die Berücksichtigung der biografi- Dienstpostenplan entsprechend berück- schen Entwicklungen und Mehrbedarfe in sichtigt werden können und ein sofortiger der Personalplanung. Ersatz muss ermöglicht werden. Schaffung weiterer verbindlicher Regelungen für die Als Garantie für eine zukunftsorientierte Ver- Besetzung der Nacht- und Wochenend- sorgungs- und Arbeitsqualität in Oberöster- dienste, ohne dass diese zulasten der Tages- reichs Alten- und Pflegeheimen braucht es in besetzung gehen. Österreich zudem ein klares Bekenntnis zur öffentlichen Finanzierung der Langzeitpflege Fokus muss auch auf die Dienstpostenplä- und die Bereitstellung der nötigen Mittel. ne und Arbeitsbedingungen aller weiteren Berufsgruppen im Heim (wie Küche, Rei- nigung, Verwaltung, Wäscherei, Haustech- Das Land muss umgehend nik, etc.) gelegt werden. beim Personal aufstocken Entlastung der Beschäftigten im Pflegebe- Die Landespolitik schiebt die Verantwortung reich durch eine Arbeitszeitverkürzung. immer wieder auf die Heim-Träger und wälzt nicht zuletzt die Probleme auf die einzelnen Eine echte Ausbildungsstrategie für die Beschäftigten ab. Die AK appelliert daher er- oberösterreichischen Alten- und Pflege- neut an die zuständigen Entscheidungsträger/ heime inklusive arbeitsmarktpolitischer -innen, endlich aktiv zu werden. Initiativen für Ein-, Um- und Wiederein- steiger/-innen. Das Arbeitsmarktservice und Zentrale Forderung der AK an das Land das Land OÖ müssen hier zusätzliche Mit- Oberösterreich bleibt weiterhin: Es braucht tel in die Hand nehmen, um die Pflegeaus- dringend eine Anpassung des Mindestpflege- bildung leistbar zu machen und weiter zu personalschlüssels, um auch in Zukunft eine attraktivieren. hohe Pflege- und Betreuungsqualität für die Bewohner/-innen in Oberösterreichs Alten- Auf Bundesebene fordert die AK mehr und Pflegeheimen gewährleisten zu können. Tempo in der Pflegereform, um endlich die Beschäftigten in der Pflege zu entlasten, Mit der Personalaufstockung soll unter ande- die Umsetzung des Ausbildungsfonds für rem garantiert sein, dass Unterstützungsper- Pflegeberufe und Aufstockung der Mittel sonal zur Entlastung der Pflege und Betreu- sowie einen leichteren Zugang zur Schwer- ung vor allem im hauswirtschaftlichen, aber arbeitspension für Pflegekräfte. auch im administrativen Bereich eingesetzt werden kann – zusätzlich zur Erfüllung des Mindestpflegepersonalschlüssels. Diese Unter- stützungskräfte wurden im Pflegepaket durch die Gewerkschaften ausverhandelt, sind aber immer noch nicht überall im Einsatz. PERSONAL IN ALTEN- UND PFLEGEHEIMEN AM LIMIT 15
DIE ARBEITERKAMMER IN LINZ UND DEN BEZIRKEN Beratung, Vertretung und Einsatz für Ihre Interessen AK Oberösterreich, Volksgartenstraße 40, 4020 Linz, Tel: +43 (0)50 6906 AK Braunau, Salzburgerstraße 29, 5280 Braunau, Tel: +43 (0)50 6906-4111 AK Eferding, Unterer Graben 5, 4070 Eferding, Tel: +43 (0)50 6906-4211 AK Freistadt, Zemannstraße 14, 4240 Freistadt, Tel: +43 (0)50 6906-4312 AK Gmunden, Herakhstraße 15b, 4810 Gmunden, Tel: +43 (0)50 6906-4412 AK Grieskirchen, Manglburg 22, 4710 Grieskirchen, Tel: +43 (0)50 6906-4511 AK Kirchdorf, Sengsschmiedstraße 6, 4560 Kirchdorf, Tel: +43 (0)50 6906-4611 AK Linz-Land, Kremstalstraße 6, 4050 Traun, Tel: +43 (0)50 6906-5611 AK Perg, Hinterbachweg 3, 4320 Perg, Tel: +43 (0)50 6906-4711 AK Ried, Peter-Rosegger-Straße 26, 4910 Ried im Innkreis, Tel: +43 (0)50 6906-4813 AK Rohrbach, Ehrenreiterweg 17, 4150 Rohrbach, Tel: +43 (0)50 6906-4912 AK Schärding, Schulstraße 4, 4780 Schärding, Tel: +43 (0)50 6906-5011 AK Steyr, Redtenbachergasse 1a, 4400 Steyr, Tel: +43 (0)50 6906-5116 AK Vöcklabruck, Ferdinand-Öttl-Str. 19, 4840 Vöcklabruck, Tel: +43 (0)50 6906-5217 AK Wels, Roseggerstraße 8, 4600 Wels, Tel: +43 (0)50 6906-5318 Die Broschüre kann bestellt werden unter: Arbeiterkammer Oberösterreich Abteilung Wirtschafts-, Sozial- und Gesellschaftspolitik, wsg@akooe.at Informationsblatt der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, Nummer 18/2022, Zl.-Nr.: GZ 02Z033937 M, AK-DVR 0077747 Medieninhaberin, Herausgeberin und Redaktion: Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, Volksgartenstraße 40, 4020 Linz, Tel. +43 (0)50 6906-0 Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz siehe ooe.arbeiterkammerat/impressum.html Stand: April 2022 Hersteller: new Typeshop - Christopher Grabner, Kopernikusstraße 22, 4020 Linz ooe.arbeiterkammer.at
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