Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende und Flüchtlinge - Der Umsetzungsstand im Überblick der Bundesländer

 
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Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende und Flüchtlinge - Der Umsetzungsstand im Überblick der Bundesländer
Einführung der Gesundheitskarte
für Asylsuchende und Flüchtlinge
        Der Umsetzungsstand
    im Überblick der Bundesländer
Einführung der Gesundheitskarte
für Asylsuchende und Flüchtlinge
   Der Umsetzungsstand im Überblick
          der Bundesländer

     Autor: Marcus Wächter-Raquet

           Sachstand: Februar 2016
Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende und Flüchtlinge in den Bundesländern

                                                                                        Inhalt

                             Einleitung                                                   5   Einführung der Gesundheitskarte
                                                                                              im Ländervergleich                         13
                             Asylsuchende in Deutschland                                  6
                                                                                              Baden-Württemberg                          13
                             Zahl und Herkunft der Asylsuchenden                          6   Bayern                                     14
                             Verteilung der Asylsuchenden und                                 Berlin                                     14
                             Personen im Leistungsbezug des AsylbLG                       7   Brandenburg                                15
                             Asylberechtigung und Schutzbedürftigkeit                         Bremen                                     15
                             nach internationalem Recht                                   8   Hamburg                                    17
                                                                                              Hessen                                     17
                             Gesundheitsversorgung Asylsuchender                         10   Mecklenburg-Vorpommern                     18
                                                                                              Niedersachsen                              18
                             Gesundheitsversorgung nach dem                                   Nordrhein-Westfalen                        18
                             Asylbewerberleistungsgesetz                                 10   Rheinland-Pfalz                            20
                             Einführung der Gesundheitskarte                                  Saarland                                   21
                             für Flüchtlinge                                             11   Sachsen                                    21
                                                                                              Sachsen-Anhalt                             21
                                                                                              Schleswig-Holstein                         21
                                                                                              Thüringen                                  23

                                                                                              Diskussion                                 24

                                                                                              Umsetzungstand: Gesundheitskarte für
                                                                                              Asylsuchende und Flüchtlinge – Überblick   26

                                                                                              Länderüberblick                            28

                                                                                              Literatur                                  31
                                                                                              Impressum                                  35

4
Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende und Flüchtlinge in den Bundesländern

                                   Einleitung

Deutschland erlebt derzeit einen großen Zu-      bereits seit einigen Jahren der Fall, in anderen
strom an Flüchtlingen. Im EASY-System, dem       Bundesländern wie etwa Nordrhein-Westfalen
Erfassungsinstrument für Asylsuchende des        erst seit einigen Wochen. Zudem werden in den
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge        kommenden Monaten weitere Bundesländer
(BAMF), wurden zum Ende des Jahres 2015          die eGK für Asylsuchende einführen. Grund für
1,1 Millionen Flüchtlinge registriert.           diese Entwicklung ist die Verabschiedung des
                                                 Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes im
Um den Bedarfen der Ankommenden gerecht zu       Oktober 2015, das den Ländern die Einführung
werden, müssen die Systeme zur Unterstützung     der eGK für Asylsuchende erleichtert.
von Asylsuchenden an ihre Belastungsgrenzen
gebracht werden. Dies betrifft unter anderem     Das Gesetz erlaubt den Landesregierungen,
den Bereich der gesundheitlichen Versorgung.     die gesetzlichen Krankenkassen zum Abschluss
Nur durch den Einsatz vieler freiwilliger Hel-   eines Rahmenvertrags für die Einführung der
ferinnen und Helfer kann eine medizinische       eGK zu verpflichten. Allerdings bleibt es jedem
Grundversorgung in den Unterkünften gewähr-      Bundesland freigestellt, diesen gesetzlichen
leistet werden. Die gesundheitliche Versorgung   Rahmen zu nutzen. Zudem sind die aufneh-
der Asylsuchenden außerhalb dieser Anlaufstel-   menden Kommunen für die Gesundheitsver-
len ist über das Asylbewerberleistungsgesetz     sorgung der Asylsuchenden zuständig und
(AsylbLG) geregelt. Danach haben Asylsuchende    müssen in der Regel für die Kosten aufkommen.
einen Anspruch auf die Behandlung akut auf-      Expertinnen und Experten befürchten ob dieser
tretender Erkrankungen und Schmerzzustände.      weitgehenden Freiwilligkeit einen Flicken-
Zudem erhalten werdende Mütter ärztliche und     teppich unterschiedlichster Regelungen auf
pflegerische Hilfe und Betreuung, Hebammen-      Landes- und kommunaler Ebene.
hilfe sowie Arznei-, Verband- und Heilmit-
tel. Mit Ausnahme für besonders vulnerable       In dieser Expertise wird zunächst der Prozess
Gruppen, etwa unbegleitete Minderjährige, ist    der Einführung der elektronischen Gesund-
die Behandlung chronischer Krankheiten sowie     heitskarte für Asylsuchende in den einzelnen
Psychotherapie darin nicht miteingeschlossen.    Bundesländern nachgezeichnet. Zusätzlich wer-
                                                 den für die Länder Berlin, Bremen, Hamburg,
Halten sich Asylsuchende länger als 15 Mo-       Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein
nate ohne nennenswerte Unterbrechung in          die Inhalte der abgeschlossenen Rahmenver-
Deutschland auf, erhalten sie eine elektroni-    träge hinsichtlich des Leistungsumfangs sowie
sche Gesundheitskarte (eGK) einer gesetzlichen   zu erwartender Kosten dargestellt. Darüber
Krankenkasse ihrer Wahl. Damit können sie        hinaus wird der Verhandlungsstand zwischen
ohne Leistungseinschränkungen das deutsche       Landesministerien, gesetzlichen Krankenkas-
Gesundheitssystem nutzen. Aber auch vor          sen und Kommunen in den Bundesländern wie-
Ablauf der Frist von 15 Monaten erhalten in      dergegeben, die zu einem späteren Zeitpunkt
einigen Bundesländern Asylsuchende bereits       die Gesundheitskarte einführen werden.
eine eGK. In Bremen und Hamburg ist das

                                                                                                                                              5
Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende und Flüchtlinge in den Bundesländern

                                                 Asylsuchende in Deutschland

                                   Derzeit befinden sich rund 60 Millionen Menschen weltweit auf der
                                            Flucht (UNHCR 2015). Auch die Zahl der Menschen,
                                   die in Deutschland einen Asylantrag stellen, ist in den vergangenen
                                 zwei Jahren und besonders seit Mitte des Jahres 2015 enorm gestiegen.
                                    Allein in den Monaten Oktober und November 2015 wurden über
                                               100.000 Menschen als Flüchtlinge registriert.

                             Zahl und Herkunft der                                      Kapazitäten beim BAMF nicht mehr unmit-
                             Asylsuchenden                                              telbar nach der erstmaligen Registrierung im
                                                                                        EASY-System gestellt werden konnte. Insge-
                             Nach Daten des Bundesamtes für Migration und               samt wurden zwischen Januar und Dezember
                             Flüchtlinge (BAMF) wurden im Jahr 2015 hier-               2015 ungefähr 1,1 Millionen Personen über das
                             zulande 441.899 Erstanträge und 34.750 Folge-              System registriert (Pro Asyl 2015).
                             anträge gestellt. Das bedeutet einen Anstieg bei
                             den Erstanträgen um 155,3 Prozent und bei den              Folgende Herkunftsländer waren im Zeit-
                             Folgeanträgen um 16,8 Prozent im Vergleich                 raum Januar bis Dezember 2015 am stärksten
                             zum Vorjahr. Damit konnte das BAMF insge-                  vertreten: Syrien mit 158.657 Erstanträgen,
                             samt 476.649 Asylanträge bis Ende Dezember                 im Vorjahr mit 39.332 Erstanträgen auf Rang
                             2015 entgegennehmen (BAMF 2016b).                          1 (+303,4 %); Albanien mit 53.805 Erstanträ-
                                                                                        gen, im Vorjahr Rang 5 mit 7.865 Erstanträgen
                             Hinzu kommen etwa 650.000 Menschen, die                    (+584,1 %); Kosovo mit 37.095 Erstanträgen,
                             im vergangenen Jahr im EASY-Registrierungs-                im Vorjahr Rang 6 mit 6.908 Erstanträgen
                             system erfasst wurden und noch keinen Asyl-                (+383,9 %). (BAMF 2016b) Bei den anhängigen
                             antrag stellen konnten. Diese Zahl ergibt sich,            Erstverfahren ragen die Herkunftsländer Syrien
                             wenn man von der Zahl der Registrierten die                (74.875 Personen), Afghanistan (33.421), Alba-
                             Erstanträge bis Ende Dezember 2015 abzieht.                nien (25.582), Irak (19.064) und Eritrea (17.489)
                             Allerdings können laut Behörden Menschen                   heraus (BAMF 2015b). Werden auch die regis-
                             im EASY-System mehrfach erfasst sein. Inter-               trierten Personen, die noch keinen Asylantrag
                             nen Schätzungen der Bundesregierung zufolge                stellen konnten, in die Betrachtung miteinbe-
                             kommt etwa jeder zehnte registrierte Asyl-                 zogen, so sind Syrien, Irak und Afghanistan die
                             suchende nicht in der ihm zugeteilten Erst-                Hauptherkunftsländer (BAMF 2015c).
                             aufnahmeeinrichtung an (Deutscher Bundes-
                             tag 2015). Der starke Anstieg der Asylsuchen-
                             denzahlen 2015 führte dazu, dass ein formaler
                             Asylantrag mangels ausreichender personeller

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Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende und Flüchtlinge in den Bundesländern

                                                  Verteilungsquoten 2016

                                                                                 3,4 %                   2,0 %

                                                                                   2,5 %
                                                                         0,9 %

                                                                                                                 5,0 %
Verteilung der Asylsuchenden und                                                   9,3 %
Personen im Leistungsbezug des AsylbLG                                                             2,8 %              3,0 %

Asylanträge können im Inland oder an der                     21,2 %
deutschen Grenze gestellt werden. Nach der
                                                                                                                 5,1 %
erstmaligen Äußerung eines Asylgesuchs und                                                   2,7 %
der damit einhergehenden Registrierung erfolgt                             7,3 %
die Verteilung der Asylbegehrenden auf die
einzelnen Bundesländer. Hierfür maßgeblich                 4,8 %
ist der sogenannte Königsteiner Schlüssel.
Er wird für jedes Jahr entsprechend den Steu-        1,2 %
ereinnahmen und der Bevölkerungszahl der
Bundesländer berechnet. Daneben spielen die                                                         15,5 %
Aufnahmekapazitäten eine Rolle sowie die                                  12,8 %
Herkunftsländerzuständigkeit der Erstaufnah-
meeinrichtungen. Auch minderjährige Schutz-
suchende, die ohne Begleitung eines für sie
verantwortlichen Erwachsenen sind, werden
seit dem 1. November 2015 über eine Quoten-       Baden-Württemberg                                                         12,86 %
                                                  Bayern                                                                    15,52 %
regelung bundesweit verteilt. Zuvor galt das
                                                  Berlin                                                                     5,05 %
Prinzip der Unterbringung am Ankunftsort.         Brandenburg                                                                3,06 %
                                                  Bremen                                                                     0,96 %
                                                  Hamburg                                                                    2,53 %
Nach der Verteilung auf ein Bundesland mel-
                                                  Hessen                                                                     7,36 %
den sich die Schutzsuchenden bei der zustän-      Mecklenburg-Vorpommern                                                     2,03 %
digen Aufnahmeeinrichtung, die sich um die        Niedersachsen                                                              9,32 %
                                                  Nordrhein-Westfalen                                                       21,21 %
Unterbringung kümmert und die nächstge-
                                                  Rheinland-Pfalz                                                            4,84 %
legene Außenstelle des BAMF informiert. Der       Saarland                                                                   1,22 %
Asylantrag wird anschließend persönlich bei       Sachsen                                                                    5,08 %
                                                  Sachsen-Anhalt                                                             2,83 %
der zuständigen Außenstelle des BAMF ge-
                                                  Schleswig-Holstein                                                         3,40 %
stellt. Jugendliche können nur in Begleitung      Thüringen                                                                  2,72 %
eines Vormunds ihren Antrag stellen. Nach der     Quelle: Verteilung der Asylbewerber (BAMF 2016a)
Antragstellung erhalten die Asylsuchenden eine
Aufenthaltsgestattung, die zum Aufenthalt in
Deutschland berechtigt, bis über den Asylantrag
entschieden ist. Diese Menschen befinden sich
derzeit als Asylsuchende im Verfahren und be-
ziehen dementsprechend Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Dieses

                                                                                                                                                 7
Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende und Flüchtlinge in den Bundesländern

                             Schutzoptionen für Flüchtlinge in Deutschland

                             Schutzkategorie                                            Bezeichnung              Erteilungsdauer

                             Schutz vor politischer Verfolgung                          Asylberechtigt           3 Jahre
                             nach Art. 16a GG

                             Schutz vor Verfolgung nach der                             Flüchtling               3 Jahre
                             Genfer Flüchtlingskonvention (GFK)

                             Internationaler subsidiärer Schutz                         Subsidiärer Schutz       zunächst 1 Jahr,
                                                                                                                 Verlängerung für zwei weitere Jahre möglich

                             Schutz nach der Europäischen                               Abschiebungsverbot       mindestens 1 Jahr
                             Menschenrechtskonvention

                             Quelle: Ablauf des deutschen Asylverfahrens (BAMF 2014)

                             regelt auch den Anspruch auf Gesundheitsver-                             Verfahrens zuständig ist. Kann der Antrag in
                             sorgung.                                                                 Deutschland bearbeitet werden, prüft das BAMF
                                                                                                      die Zuerkennung des internationalen Schutzes
                             Ende Dezember 2015 warten in Deutschland                                 (Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sub-
                             364.664 Asylsuchende auf die Entscheidung                                sidiärer Schutz) und die Anerkennung als Asyl-
                             über ihre Asylerst- oder Folgeanträge (BAMF                              berechtigter. Kommt beides nicht in Betracht,
                             2016b). Die durchschnittliche Bearbeitungsdau-                           entscheidet das Bundesamt, ob Abschiebungs-
                             er von Asylanträgen beträgt derzeit 5,4 Monate                           verbote nach § 60 des Aufenthaltsgesetzes
                             (SVR 2015). Diese statistische Verkürzung der                            (AufenthG) vorliegen. Kann auch kein Abschie-
                             Bearbeitungszeit beruht auf der Priorisierung                            beverbot festgestellt werden, erfolgt die Aus-
                             von Antragstellern aus Syrien einerseits und                             weisung des Asylsuchenden. Der Asylsuchende
                             aus den Westbalkanstaaten andererseits. Mit                              kann Einspruch gegen die Entscheidungen des
                             dieser administrativen Schwerpunktsetzung                                BAMF erheben.
                             verzögern sich die Verfahren von Flüchtlingen
                             aus anderen Herkunftsländern allerdings umso                             Am häufigsten wird eine Aufenthaltserlaubnis
                             mehr (Bertelsmann Stiftung 2015). So warteten                            aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlings-
                             zum Stichtag 31. Juni 2015 nach Angaben der                              eigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskon-
                             Bundesregierung rund 12.000 Asylbewerber seit                            vention (GFK) erteilt. Anträge auf Asyl nach
                             mehr als zwei Jahren auf eine Antwort (Medien-                           dem Grundgesetz (GG) werden nur sehr selten
                             dienst Integration o.D.).                                                bewilligt, da hier einzig die politische Verfol-
                                                                                                      gung durch staatliche Institutionen als Flucht-
                             Asylberechtigung und Schutz-                                             grund anerkannt wird. Anerkannte Flüchtlinge
                             bedürftigkeit nach internationalem Recht                                 nach GG und GFK bekommen eine Aufenthalts-
                                                                                                      erlaubnis für drei Jahre und danach in der Regel
                             Die Entscheidung über einen Asylantrag bzw.                              eine Niederlassungserlaubnis (unbefristeter
                             das Feststellen der Schutzbedürftigkeit nach                             Aufenthalt in Deutschland); beim subsidiären
                             internationalem Recht setzt die Prüfung des                              Schutz und dem Abschiebungsverbot ist die
                             Antrags nach dem sogenannten Dublin-                                     Aufenthaltserlaubnis kürzer, kann aber ver-
                             Verfahren voraus. Hier wird festgestellt, ob                             längert werden. Kann die Ausreise endgültig
                             Deutschland oder ein anderes Land der Euro-                              abgelehnter Asylsuchender nicht vollzogen
                             päischen Union (EU) für die Durchführung des                             werden (z. B. wegen Reiseunfähigkeit), wird
                                                                                                      für die Zeit des Verbleibs in Deutschland eine
                                                                                                      Duldung ausgesprochen, die teilweise jahrelang
                                                                                                      bestehen kann (SVR 2015).

8
Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende und Flüchtlinge in den Bundesländern

Schutzquote nach Herkunftsländern

                                           Serbien
                          Kosovo           0,1%
                            0,4%

                                      Mazedonien
                             Albanien 0,5%
                                 0,2%
                                               Syrien
                                               96,1%                                   Afghanistan
                                                                                            46,6%
                                                                  Irak
                                                                88,6%

                                                                                                               Pakistan
                                                                                                               9,8%

                                                      Eritrea
                                                       92,1%
                                                                                                80,2%
                                                                                             ungeklärt

Herkunftsländer nach Anzahl der Asylanträge 2015                    Schutzquote
1   Syrien, Arabische Republik                                           96,0 %   6     Serbien                                                                  0,1 %
2   Albanien                                                              0,2 %   7     Eritrea                                                                 92,1 %
3   Kosovo                                                                0,4 %   8     Mazedonien                                                               0,5 %
4   Afghanistan                                                          47,6 %   9     ungeklärt                                                               80,2 %
5   Irak                                                                 88,6 %   10    Pakistan                                                                 9,8 %
Quelle: Asylgeschäftsstatistik für den Dezember 2015 (BAMF 2016b)

Im Jahr 2015 wurden 293.968 Bundesamts-
entscheidungen (Summe der Entscheidungen
über Erstanträge, Folgeanträge, Widerrufs-
prüfverfahren und Wiederaufnahmeverfahren)
gezählt. Mehr als vier Fünftel aller Entschei-
dungen (86,2 %, 253.434 Entscheidungen) sind
Entscheidungen über Asylerstanträge (BAMF
2016b). Die Schutzquote fällt je nach Her-
kunftsland sehr unterschiedlich aus: Während
Menschen aus manchen Staaten, etwa Syrien,
fast eine hundertprozentige Chance haben, in
Deutschland zu bleiben, geht die Chance bei
anderen gegen null.

                                                                                                                                                                     9
Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende und Flüchtlinge in den Bundesländern

                                                           Gesundheitsversorgung
                                                               Asylsuchender

                                       Der Anspruch von Flüchtlingen auf Sozialleistungen, die
                                gesundheitliche Versorgung eingeschlossen, wird seit 1993 durch das
                                 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) geregelt. Allerdings ist die
                             gesundheitliche Versorgung auf akute Erkrankungen und Schmerzzustände
                             beschränkt. Asylbewerberinnen und -bewerber, die keine Gesundheitskarte
                             einer Krankenkasse besitzen, müssen jeden Arztbesuch vorab bei der für sie
                                                 zuständigen Behörde beantragen.

                             Gesundheitsversorgung nach dem                             bei Schwangerschaft und Geburt, Vorsorgeun-
                             Asylbewerberleistungsgesetz                                tersuchungen sowie Impfungen zu überneh-
                                                                                        men. Diese Bestimmung wird ergänzt durch
                             Anspruch auf gesundheitliche Versorgung laut               § 6 AsylbLG: „Sonstige Leistungen können ins-
                             AsylbLG haben nach § 1AsylbLG Asylsuchende,                besondere gewährt werden, wenn sie im Ein-
                             Bürgerkriegsflüchtlinge, Personen mit einer                zelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder
                             Duldung, vollziehbar ausreisepflichtige Per-               der Gesundheit unerlässlich […] sind.“ Hierfür
                             sonen sowie deren Familienangehörige. Im § 4               ist allerdings die vorherige Genehmigung durch
                             AsylbLG wird der Leistungsumfang gesundheit-               die zuständige Behörde einzuholen.
                             licher Versorgung genauer definiert: „Zur Be-
                             handlung akuter Erkrankungen und Schmerz-                  Flüchtlinge, die in den Erstaufnahme- oder
                             zustände sind die erforderliche ärztliche und              Nebeneinrichtungen untergebracht sind und
                             zahnärztliche Behandlung einschließlich der                noch keinen Asylantrag stellen konnten, wer-
                             Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln                  den von der Einrichtung medizinisch versorgt.
                             sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung                Auch die Durchführung der Eingangsuntersu-
                             oder zur Linderung von Krankheiten oder                    chung ist Aufgabe der Aufnahmeeinrichtung.
                             Krankheitsfolgen erforderlicher Leistungen                 Verantwortlich ist hierfür das jeweilige Bundes-
                             zu gewähren. Eine Versorgung mit Zahnersatz                land. Flüchtlinge, die bereits Leistungen nach
                             erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medi-           dem AsylbLG beziehen, werden in den Praxen
                             zinischen Gründen unaufschiebbar ist.“ Ohne                niedergelassener Ärztinnen und Ärzte sowie
                             Einschränkung sind medizinische Leistungen                 in Krankenhäusern behandelt. Hat der Hilfe-
                                                                                        suchende eine Gesundheitskarte einer Kran-
                                                                                        kenkasse, kann er direkt die Praxis bzw. das
                                                                                        Krankenhaus aufsuchen. Liegt diese Karte nicht
                                                                                        vor, müssen Asylsuchende vor Behandlungs-
                                                                                        beginn einen vom Kostenträger (z. B. Sozial-

10
Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende und Flüchtlinge in den Bundesländern

amt der für den Asylsuchenden zuständigen       Einführung der Gesundheitskarte
Kommune) ausgestellten Behandlungsausweis       für Flüchtlinge
vorlegen. Dieser ist mit einer Geltungsdauer
versehen. Wird der Patient an einen anderen     Im Bundesland Bremen erhalten Flüchtlinge
medizinischen Versorger überwiesen, muss        seit dem Jahr 2005 unmittelbar nach ihrer
wieder ein neuer Behandlungsschein ausge-       Registrierung eine Gesundheitskarte der AOK
stellt werden.                                  Bremen/Bremerhaven. In Hamburg gilt diese
                                                Regelung seit dem Jahr 2012. Grundlage für
Nach 15 Monaten ununterbrochenen Aufent-        dieses Vorgehen ist § 264 Abs. 1 SGB V, der
halts im Bundesgebiet erhalten die oben         die Übernahme der Krankenbehandlung für
genannten Personengruppen Leistungen nach       Nichtversicherungspflichtige ermöglicht,
dem Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII)         sofern der Krankenkasse die Aufwendungen
(§ 2 AsylbLG). Die in diesem Sinne Leistungs-   für den Einzelfall sowie eines Teils der Verwal-
berechtigten erhalten eine Versichertenkarte    tungskosten erstattet werden (Jung 2011). In
einer gesetzlichen Krankenversicherung ihrer    Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein
Wahl und können damit GKV-Leistungen im         wurden im Herbst 2015 ebenfalls Vereinbarun-
vollen Umfang, mit Ausnahme der Leistungen      gen zur auftragsweisen Betreuung Asylsuchen-
der Pflegeversicherung, beanspruchen. Der       der nach § 264 Abs. 1 SGB V abgeschlossen. In
Erhalt der Gesundheitskarte entspricht aber     Bundesländern ohne spezifische Regelungen
nicht einer echten GKV-Mitgliedschaft. Das      erhalten Asylsuchende gemäß § 264 Abs. 2 SGB
Sozialamt erstattet der Krankenkasse nach       V nach 15 Monaten ununterbrochenen Aufent-
§ 264 Abs. 2 SGB V die Behandlungskosten plus   halts in Deutschland eine Gesundheitskarte
eine fünfprozentige Verwaltungspauschale.       einer Krankenkasse ihrer Wahl.

Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge      Mit dem im Oktober 2015 verabschiedeten und
gelten Besonderheiten: Gemäß § 42 Abs. 2 Satz   in Kraft getretenen Asylbeschleunigungsge-
3 SGB VIII sind die Jugendämter verpflichtet,   setz, dem sogenannten Asylpaket I, wurde
ein unbegleitetes ausländisches Kind in Obhut   die Rechtsgrundlage für die bislang freiwilli-
zu nehmen. Das Jugendamt muss dann den          gen Vereinbarungen der Krankenkassen zur
notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe      Übernahme der Versorgung von Asylsuchenden
sicherstellen. Wie und in welchem Umfang        innerhalb der ersten 15 Monate geändert. Wenn
diese „Krankenhilfe“ sichergestellt wird, un-   ein Bundesland dazu eine Vereinbarung mit den
terscheidet sich von Bundesland zu Bundesland   gesetzlichen Krankenkassen einfordert und sich
(GKV-Spitzenverband 2016).                      die Vereinbarung mindestens auf Ebene der
                                                Landkreise oder kreisfreien Städte erstrecken
                                                soll, sind die gesetzlichen Krankenkassen nun
                                                gezwungen, mit den Landesregierungen eine
                                                Rahmenvereinbarung zu schließen.

                                                Um die regionalen Vereinbarungen möglichst
                                                gleichgerichtet zu gestalten, wurde der GKV-
                                                Spitzenverband gesetzlich beauftragt, mit den
                                                auf Bundesebene bestehenden kommunalen
                                                Spitzenorganisationen Rahmenempfehlungen
                                                zu vereinbaren, die in die Landes- bzw. kom-
                                                munalen Vereinbarungen übernommen werden
                                                sollen. Diese Empfehlungen sollen insbeson-
                                                dere Bestimmungen über den Leistungsumfang

                                                                                                                                           11
Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende und Flüchtlinge in den Bundesländern

                             nach AsylbLG, die Abrechnung und die Abrech-               Das Ende Oktober 2015 verabschiedete Asylver-
                             nungsprüfung enthalten sowie über den Ersatz               fahrensbeschleunigungsgesetz sieht eine neue
                             der Aufwendungen und der Verwaltungskosten                 Statuskennzeichnung der Gesundheitskarte
                             (GKV-Spitzenverband 2015).                                 vor. Unter dem Feld „Besondere Personen-
                                                                                        gruppe“ ist die Kennziffer 9 neu eingeführt
                             Ob die Länder diese gesetzliche Regelung an-               worden. Damit wird für den Leistungserbringer
                             wenden, bleibt ihnen überlassen. Auch bleibt es            erkennbar, dass ein eingeschränkter medizi-
                             im Verantwortungsbereich der Kommunen, ob                  nischer Leistungsanspruch besteht (§§ 4 und 6
                             sie dem zwischen einem Bundesland und den                  AsylbLG). Ende November 2015 hat die Gematik
                             gesetzlichen Krankenversicherungen geschlos-               das entsprechende Leistungsmerkmal auf der
                             senen Rahmenvertrag beitreten. Laut einer                  Chipkarte eingepflanzt (Ärzte-Zeitung 2016a).
                             Umfrage der Ärzte-Zeitung steht die große
                             Mehrzahl der übrigen Landesregierungen der                 Auf Bundesebene versuchen der Spitzenver-
                             Gesundheits-E-Card für Flüchtlinge positiv                 band der Krankenkassen und die kommunalen
                             gegenüber, plane deren Einführung 2016 oder                Spitzenverbände, sich auf „Rahmenempfeh-
                             prüfe die Gesundheitskarte derzeit intensiv.               lungen für die Übernahme der Krankenbehand-
                             Lediglich Bayern erklärte auf Anfrage, von                 lung“ als Blaupause für die Landesrahmenver-
                             der Möglichkeit keinen Gebrauch zu machen.                 träge zu verständigen. Streit entzündet sich
                             Genauere Informationen zum Stand der Einfüh-               immer wieder an der Höhe der Verwaltungs-
                             rung der Gesundheitskarte können der Tabelle               kosten. Auch die genaue und rechtssichere
                             im Anhang entnommen werden.                                Definition, auf welche Gesundheitsleistungen
                                                                                        Asylsuchende Anspruch haben, ist noch nicht
                             Der Erhalt der Gesundheitskarte entspricht                 festgelegt. Wann eine Erkrankung akut ist und
                             aber nicht einer echten GKV-Mitgliedschaft.                was mit chronisch Kranken passiert, denen es
                             Das Sozialamt erstattet der gesetzlichen Kran-             ohne Behandlung immer schlechter gehen wird,
                             kenversicherung die Behandlungskosten plus                 ist nicht geklärt. Eine schnelle Einigung der
                             eine Verwaltungspauschale. Auch der Leis-                  Gremien scheint derzeit nicht in Sicht zu sein
                             tungsumfang entspricht nicht dem der regulä-               (Anthony 2016).
                             ren Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse.
                             Leistungseinschränkungen bestehen im Bereich
                             der Langzeitpsychotherapie sowie der Rehabi-
                             litationsmaßnahmen. Die genauen Abrechnun-
                             gen sowie die Höhe der Verwaltungspauschale
                             werden in den Bundesländern unterschiedlich
                             geregelt sein. Ob die Gesundheitskarte in den
                             einzelnen Ländern eingeführt wird und welche
                             Regelung vereinbart wurde, wird im dritten
                             Kapitel dieser Expertise beschrieben.

12
Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende und Flüchtlinge in den Bundesländern

         Einführung der Gesundheitskarte
                im Ländervergleich

Das im Oktober 2015 beschlossene Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz
   unterstützt die Bundesländer bei der Einführung der elektronischen
      Gesundheitskarte (eGK) für Asylsuchende, die sich noch keine
  15 Monate in Deutschland aufhalten. Den einzelnen Ländern bleibt es
 freigestellt, ob sie das Gesetz nutzen oder die bestehenden Strukturen
 der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen über Behandlungsscheine
      beibehalten. Aus diesem Grund wurden bereits im Vorfeld der
 Gesetzesänderung Befürchtungen laut, dass es zu einem Flickenteppich
     unterschiedlicher Regelungen auf Länderebene kommen könnte.

Jetzt, gut drei Monate nach Verabschiedung des     und Hamburg werden zudem die tatsächlich
Gesetzes, haben neben Bremen und Hamburg,          anfallenden Kosten benannt.
die bereits vor Jahren die eGK für Asylsuchen-
de eingeführt haben, Nordrhein-Westfalen,
Schleswig-Holstein und Berlin mit der Aus-
gabe von Gesundheitskarten an Flüchtlinge          Baden-Württemberg
begonnen. Die Landesregierungen in Bayern
und Sachsen haben sich vorerst gegen die                            Die Landesregierung in
Einführung ausgesprochen. Die restlichen                            Baden-Württemberg befür-
Bundesländer befinden sich nach wie vor in                          wortet die Einführung der
Abstimmungsprozessen mit den gesetzlichen                           Gesundheitskarte für Flücht-
Krankenkassen und kommunalen Spitzenver-                            linge (Staatsministerium
bänden.                                                             Baden-Württemberg 2015). Es
                                                                    soll eine Rahmenvereinbarung
In den folgenden Ausführungen wird der Pro-                         mit allen gesetzlichen Kran-
zess der Einführung der eGK für Asylsuchende       kenkassen im Bundesland geschlossen werden.
auf Ebene der einzelnen Bundesländer nachge-       Die AOK Baden-Württemberg hat bereits im
zeichnet. Für diejenigen Länder, die bereits mit   Oktober 2015 signalisiert, die Landesregierung
der eGK arbeiten, werden zudem auf Basis der       bei dem Vorhaben zu unterstützen. Ein erster
Rahmenvereinbarungen der Leistungsumfang           Entwurf für eine Rahmenvereinbarung wurde
der Gesundheitsversorgung für Asylsuchen-          der Landesregierung von der AOK Baden-Würt-
de sowie die Regelungen zur Finanzierung der       temberg zugestellt. Die Vereinbarung regelt den
Leistungen dargestellt. Für die Länder Bremen      Einsatz einer eGK, den Leistungsumfang für

                                                                                                                                              13
Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende und Flüchtlinge in den Bundesländern

                             Flüchtlinge und die Erstattung der Kassenauf-              Die eGK erhalten alle Leistungsberechtigten
                             wendungen durch das Land. Der Leistungsum-                 nach dem AsylbLG, die sich in der Zuständigkeit
                             fang wird aufgrund der gesetzlichen Vorgaben               der Berliner Sozialämter sowie des Landesamtes
                             nicht das volle Leistungsspektrum von gesetz-              für Gesundheit und Soziales befinden. Begin-
                             lich Versicherten umfassen. Für weitergehende              nend mit den Flüchtlingen, die sich ab dem
                             Leistungen, wie etwa Vorsorgekuren oder                    4. Januar 2016 in Berlin registrieren lassen,
                             Haushaltshilfen, soll es ein Genehmigungsver-              erhalten nach und nach auch die bereits
                             fahren geben (Presseportal 2015). Ein Datum                registrierten Asylsuchenden die eGK (ebd.).
                             der Einführung wurde bisher aber noch nicht                Bis Mitte 2016 sollen alle im Jahr 2015 in Berlin
                             genannt.                                                   eingetroffenen Flüchtlinge die Gesundheits-
                                                                                        karte haben (rbb 2015a).

                                                                                        Leistungsumfang
                             Bayern                                                     Der Umfang der gesundheitlichen Leistungen,
                                                                                        die von Asylsuchenden in Anspruch genommen
                                              In Bayern wird die Gesund-                werden können, orientiert sich weiterhin an
                                              heitskarte für Flüchtlinge, die           den bundesweit geltenden rechtlichen Vor-
                                              sich noch keine 15 Monate in              gaben der §§ 4 und 6 des AsylbLG. Auch mit
                                              Deutschland aufhalten, nicht              der eGK soll die medizinische Versorgung der
                                              eingeführt (CSU-Landeslei-                Flüchtlinge auf die dort festgelegten Leistungen
                                              tung 2015). Das Gesundheits-              beschränkt bleiben. Dazu zählen unter ande-
                                              ministerium lässt derzeit die             rem die Behandlung akuter Erkrankungen und
                                              mittelfristigen Folgen des                von Schmerzzuständen, inklusive Arznei- und
                             Flüchtlingszustroms für die medizinische                   Verbandsmittel, Schutzimpfungen und medizi-
                             Versorgung genau prüfen. Ein umfangreiches                 nisch gebotene Vorsorgeuntersuchungen. Vom
                             Gutachten soll den zusätzlichen Bedarf an                  Rahmenvertrag ausgeschlossen sind Leistungen
                             medizinischer Versorgung infolge der Zuwan-                wie künstliche Befruchtung und Sterilisation,
                             derung von Asylsuchenden klären, insbesonde-               Vorsorgekuren oder die Teilnahme an besonde-
                             re bei Krankenhäusern, in der Geburtshilfe                 ren Behandlungsprogrammen der Krankenkas-
                             sowie bei niedergelassenen Ärzten und Psycho-              sen bei chronischen Erkrankungen (SenG 2015).
                             therapeuten. Mit Ergebnissen wird ab Mitte
                             2017 gerechnet (Mihm 2016).                                Die Behandlerinnen und Behandler können
                                                                                        im Datensatz der eGK anhand der Bezeichnung
                                                                                        „9“ im Feld „Besondere Personengruppe“

                             Berlin                                                     erkennen, dass es sich um einen Patienten bzw.
                                                                                        eine Patientin im Leistungsbezug des AsylbLG
                                                                                        handelt.
                                              Im Stadtstaat Berlin wurde
                                              die eGK für Flüchtlinge Anfang            Kosten
                                              Januar 2016 eingeführt. Ver-              In Berlin erhalten die Krankenkassen zusätz-
                                              tragspartnerinnen des Landes              lich zu den angefallenen Behandlungskosten
                                              Berlin sind die AOK Nordost,              eine Verwaltungsgebühr von sechs Prozent der
                                              die DAK-Gesundheit, die BKK·              entstandenen Leistungsaufwendungen pro an-
                                              VBU und die Siemens-Betriebs-             gefangenen Betreuungsmonat und Leistungs-
                                              krankenkasse (SBK). Ziel ist              berechtigten (SenG 2015).
                             eine den Marktanteilen der Krankenkassen
                             in Berlin entsprechende Verteilung der Asyl-               Finanzierung
                             suchenden auf die teilnehmenden Kassen. Die                Die Kosten der Gesundheitsversorgung von
                             Teilnahme weiterer Krankenkassen ist jederzeit             Asylsuchenden trägt vollständig das Land
                             möglich (SenG 2015).                                       Berlin (SenG 2015).

14
Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende und Flüchtlinge in den Bundesländern

Brandenburg                                      Bremen
                 Im November 2015 stimmte                         Das Bremer Gesundheitspro-
                 das Kabinett der Landesre-                       gramm für Asylsuchende nahm
                 gierung Brandenburg dem                          1993 auf dem Höhepunkt der
                 vorgelegten Entwurf für ein                      damaligen Flüchtlingswelle
                 neues Landesaufnahmegesetz                       seine Arbeit auf. Das Gesund-
                 zu. Laut Gesetzentwurf werden                    heitsprogramm bietet eine
                 die Kosten für die medizini-                     medizinische Grundversorgung
                 sche Versorgung vollständig                      von Asylsuchenden und
vom Land Brandenburg übernommen. Außer-          vermittelt bei unklaren, bei chronischen oder
dem soll zum 1. April 2016 eine Gesundheits-     anderen schwerwiegenden Krankheitsbildern in
karte für Asylsuchende, die sich noch keine      das Regelsystem der gesundheitlichen Versor-
15 Monate in Deutschland befinden, eingeführt    gung. Hierzu wurden Gesundheitssprechstun-
werden. Der Entwurf wurde dem Landtag            den in der Zentralen Aufnahmestelle und in
zugeleitet und soll im März 2016 beschlossen     anderen Gemeinschaftsunterkünften eingerich-
werden. In Kraft treten soll das neue Landes-    tet. Zudem erhalten in Bremen seit 2005 alle
aufnahmegesetz zum 1. April 2016 (Staats-        Asylsuchenden auf der Basis von § 264 SGB V
kanzlei Brandenburg 2015).                       eine Gesundheitskarte der AOK Bremen/
                                                 Bremerhaven (Jung 2011).
Voraussetzung für die Einführung der eGK für
Asylsuchende ist, dass die Kreise und kreis-     Nach der Registrierung werden die Asylsuchen-
freien Städte in Brandenburg dem bereits         den beim Amt für Soziale Dienste gemeldet.
ausgehandelten Rahmenvertrag zwischen der        Im nächsten Schritt meldet das Amt die Asyl-
AOK Nordost und der Landesregierung beitreten    bewerberinnen und -bewerber bei der AOK Bre-
(ebd.). Die Inhalte des Rahmenvertrags wurden    men/Bremerhaven an. Diese erstellt daraufhin
bisher nicht veröffentlicht.                     eine eGK und sendet sie den Asylsuchenden zu.
                                                 In Bremen ist für Behandlerinnen und Behand-
Finanzierung                                     ler anhand der eGK nicht zu erkennen, dass es
Das Land Brandenburg wird die Kosten für         sich um Asylsuchende handelt. Im Datensatz
die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen       der eGK ist im Feld „Besondere Personengrup-
künftig komplett übernehmen. Dafür wird eine     pe“ (BPG) weiterhin die „4 = Bundessozialhilfe-
Spitzabrechnung der Behandlungskosten neu        gesetz“ gespeichert (Kassenärztliche Vereini-
eingeführt. Die Erstattung erfolgt nach einem    gung Bremen 2015a). Nach den ersten 15 Mona-
gesonderten Kostennachweis. Bislang erhalten     ten sind Asylsuchende nicht mehr nach § 264
die Kommunen einen Pauschalbetrag pro Asyl-      Abs. 1 SGB V versichert, sondern nach Abs. 2
suchenden und Monat (Staatskanzlei Branden-      desselben Paragrafen. Es entfällt die Bezeich-
burg 2015).                                      nung „4“ im Feld „BPG“ (dies. 2015b).

                                                 Leistungsspektrum
                                                 In Bremen haben Asylsuchende Anspruch auf
                                                 die Behandlung akuter Erkrankungen und von
                                                 Schmerzzuständen. Außerdem können zur Ver-
                                                 hütung und Früherkennung von Krankheiten
                                                 Schutzimpfungen, medizinisch gebotene Vor-
                                                 sorgeuntersuchungen und Leistungen im Rah-
                                                 men der Mutterschaftsrichtlinie (kein Anspruch
                                                 auf Mutterschaftsgeld) abgerechnet werden
                                                 (Kassenärztliche Vereinigung Bremen 2015b).

                                                                                                                                           15
Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende und Flüchtlinge in den Bundesländern

                             Asylsuchende können nicht an Bonusprogram-                 Verfügung (ebd.): 2009: 2.391,77 Euro;
                             men der AOK Bremen/Bremerhaven, struktu-                   2011: 2.264,35 Euro; 2012: 2.158,51 Euro.
                             rierten Behandlungsmethoden bei chronischen
                             Erkrankungen (DMP), künstlicher Befruchtung                Rund 46 Prozent der Leistungsausgaben ent-
                             und Akupunkturbehandlungen teilnehmen.                     fallen auf den Leistungsbereich „Krankenhaus“.
                             Ein Anspruch auf Psychotherapie, Vorsorge-                 Es folgen mit knapp 19 Prozent der Bereich „ärzt-
                             kuren, Rehabilitationsmaßnahmen, Zahnersatz                liche Behandlungen“ und mit jeweils knapp
                             und kieferorthopädische Behandlungen besteht               zehn Prozent „Arzneimittel“ und „sonstige
                             in der Regel nicht bzw. kann nur im Einzel-                Sachleistungen“. Im Vergleich zu gesetzlich
                             fall nach Begutachtung bewilligt werden (dies.             Krankenversicherten entfallen prozentual mehr
                             2015a). So wird eine Psychotherapie grund-                 Ausgaben auf den Leistungsbereich „Kranken-
                             sätzlich nur als Kurzzeittherapie bewilligt. Die           haus“ und weniger Ausgaben auf „Arzneimit-
                             Begutachtung wird nicht von der AOK beauf-                 tel“. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass be-
                             tragt, sondern wird in Bremen vom Klinikum                 stimmte Leistungen, wie beispielsweise Kran-
                             Bremen-Ost und in Bremerhaven vom Gesund-                  kengeld, nicht in Anspruch genommen werden
                             heitsamt vorgenommen.                                      können. Insgesamt liegt das Ausgabenniveau
                                                                                        unter dem der gesetzlich Krankenversicherten
                             Sehhilfen sind nur analog zu den Bestimmun-                (ebd.).
                             gen des SGB V in Anlehnung an die Regelungen
                             für den Personenkreis unter 18 Jahren erstat-              Für die von der AOK durchzuführende Wahr-
                             tungsfähig. Für Vorsorgekuren und Rehabili-                nehmung der Krankenbehandlung wurden
                             tationsmaßnahmen kommt nur in besonders                    Verwaltungskosten in Höhe von acht Euro pro
                             gelagerten Einzelfällen eine Bewilligung in                Leistungsberechtigten und angefangenen Mo-
                             Betracht. Anschlussheilbehandlungen können                 nat sowie eine ergänzende Verwaltungsgebühr
                             dagegen im Rahmen der GKV bewilligt werden.                vereinbart. Die Gebühr berechnet sich anteilig
                             Zahnersatz und kieferorthopädische Behand-                 hinsichtlich der angefallenen Behandlungskos-
                             lungen können nur nach Begutachtung vom                    ten. Für die Gesamtverwaltungsgebühr (Ver-
                             zuständigen Gesundheitsamt in Bremen und                   waltungskosten plus ergänzende Gebühr) wurde
                             Bremerhaven bewilligt werden.                              ein Höchstsatz von zehn Euro festgelegt (Freie
                                                                                        Hansestadt Bremen und Magistrat der Stadt
                             Wird das Gesundheitsamt mit einem Gutachten                Bremerhaven 2005).
                             beauftragt, ist die AOK Bremen/Bremerhaven
                             verpflichtet, dem Gesundheitsamt mitzuteilen,              Finanzierung
                             auf welcher Rechtsgrundlage (Personenkreis)                In Bremen wurde der Rahmenvertrag von
                             die Betreuten Leistungen beziehen.                         vorherein auf kommunaler Ebene abgeschlos-
                                                                                        sen, also von den Trägern der Leistungen nach
                             Kosten                                                     AsylbLG, der Freien Hansestadt Bremen und
                             In Bremen werden die durchschnittlichen                    dem Magistrat der Stadt Bremerhaven, so dass
                             Behandlungskosten aus den Controlling-Daten                eine Finanzierung von Leistungen über das Land
                             der AOK Bremen/Bremerhaven ermittelt. Zu                   entfällt (Freie Hansestadt Bremen und Magist-
                             diesen Kosten zählen neben den Leistungen nach             rat der Stadt Bremerhaven 2005).
                             § 4 AsylbLG (bei Krankheit, Schwangerschaft
                             und Geburt) auch die sonstigen Leistungen nach
                             § 6 AsylbLG, die im Einzelfall zur Sicherung der
                             Gesundheit unerlässlich sind, etwa Therapiekos-
                             ten (Die Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend
                             und Frauen 2013). Für die Jahre 2009, 2011 und
                             2012 stehen die durchschnittlichen Behand-
                             lungskosten pro Kopf und Jahr öffentlich zur

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Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende und Flüchtlinge in den Bundesländern

Hamburg                                            die Bewilligung von Vorsorgekuren und Rehabi-
                                                   litationsmaßnahmen ist die zuständige Behörde
                                                   der Stadt Hamburg zuständig. Anschlussheil-
                 In der Freien Hansestadt
                                                   behandlungen können dagegen im Rahmen der
                 Hamburg erhalten seit dem
                                                   gesetzlichen Krankenversicherung bewilligt
                 1. Juli 2012 alle nach dem
                                                   werden.
                 AsylbLG Leistungsberechtigten
                 eine Gesundheitskarte der AOK
                                                   Kosten
                 Bremen/Bremerhaven. In den
                                                   Gemäß § 264 Abs. 1 SGB V bekommt die AOK
                 Jahren davor gab es in Ham-
                                                   Bremen/Bremerhaven durch die Freie Han-
                 burg bereits Versuche, die
                                                   sestadt Hamburg die Leistungsausgaben in
Gesundheitskarte analog zum Bremer Modell
                                                   vollem Umfang erstattet. Zuzüglich wurde eine
einzuführen. Der politische Wille war da, doch
                                                   Verwaltungspauschale von derzeit zehn Euro
es fand sich keine Krankenkasse, die als Ab-
                                                   pro Monat und Person vereinbart. Für die Be-
rechnungsstelle fungieren wollte. Daher wurde
                                                   reitstellung der eGK fällt eine einmalige Gebühr
die AOK Bremen/Bremerhaven als eine auf
                                                   von acht Euro an. Für die Nutzung des Medi-
diesem Gebiet erfahrene Vertragspartnerin
                                                   zinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK)
gewonnen.
                                                   werden fünf Euro je Bedarfsgemeinschaft und
                                                   Jahr berechnet (Burmester 2015).
Leistungsumfang
Asylsuchende mit einer eGK sind in Hamburg,
                                                   Die Pro-Kopf-Ausgaben seit Einführung der
abgesehen von einigen Leistungsbeschränkun-
                                                   eGK beliefen sich im Jahr 2012 auf 175,32 Euro
gen und -ausschlüssen, den GKV-Mitgliedern
                                                   bei 4.121 von der AOK Bremen/Bremerhaven in
verfahrens- und leistungsrechtlich gleichge-
                                                   Hamburg betreuten Personen. Bis zum Juni 2013
stellt. Für die Behandlerinnen und Behandler ist
                                                   erhöhte sich aufgrund der gestiegenen Flücht-
im Datensatz der eGK der eingeschränkte Leis-
                                                   lingszahlen die Zahl der Betreuten auf 5.359
tungsanspruch erkennbar. Im Feld „Besondere
                                                   (Burmester 2015).
Personengruppe“ wird die neu von der Gematik
aufgenommene Ziffer 9 geführt.

Leistungsbeschränkungen und -ausschlüsse
bestehen in Hamburg aufgrund der §§ 4 und 6
                                                   Hessen
AsylbLG bei Leistungen im Ausland, freiwilligen                     Im November 2015 wurde von
Zusatzleistungen der AOK Bremen/Bremerhaven,                        der Hessischen Landesregie-
Langzeitpsychotherapien, Rehabilitationsmaß-                        rung der „Hessische Aktions-
nahmen sowie bei Zahnersatz (Burmester 2015).                       plan zur Integration von
                                                                    Flüchtlingen und Bewahrung
Folgende Leistungen können von den Leis-                            des gesellschaftlichen Zusam-
tungsberechtigten nicht in Anspruch genom-                          menhalts“ vorgestellt. Darin
men werden: künstliche Befruchtungen, struk-                        hält die hessische Landes-
turierte Behandlungsmethoden bei chronischen       regierung fest, dass sie die von der Bundes-
Krankheiten (DMP), freiwillige Zusatzleistun-      regierung zugesagten neuen rechtlichen
gen, die von der AOK außerhalb der gesetzlichen    Möglichkeiten zur Einführung einer eGK für
Pflichtleistungen des SGB V angeboten werden,      Asylsuchende nutzen möchte. Ein Zeitpunkt
und Leistungen im Ausland. Nur unter bestimm-      für die Einführung der Gesundheitskarte wurde
ten Bedingungen können Kurzzeitpsychothe-          nicht genannt. Allerdings geht die Landesregie-
rapien, Zahnersatz und kieferorthopädische         rung nicht von einer landesweiten Umsetzung
Behandlungen sowie Sehhilfen (zu Konditionen       im Jahr 2016 aus, da die Erfahrungen in den
in Anlehnung an die Regelungen für den Perso-      anderen Bundesländern zeigen, dass nach der
nenkreis unter 18 Jahren) bewilligt werden. Für    Einführung zunächst nur einzelne Kommunen

                                                                                                                                              17
Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende und Flüchtlinge in den Bundesländern

                             von dem Instrument Gebrauch machen (Hessi-
                             sche Staatskanzlei 2015).
                                                                                        Niedersachsen
                                                                                                          Der niedersächsische Landtag
                             Die Kommunen wurden schriftlich gebeten,
                                                                                                          hat Ende Dezember 2014
                             ihre Meinung zur Gesundheitskarte abzugeben.
                                                                                                          beschlossen, die Einführung
                             Die Landesregierung hält es für möglich, dass
                                                                                                          einer elektronischen Gesund-
                             durch die Erhöhung der vom Land an die Kom-
                                                                                                          heitskarte in Kooperation mit
                             munen gezahlten Pauschale zur Versorgung der
                                                                                                          der gesetzlichen Krankenver-
                             Asylsuchenden bei den Gebietskörperschaften
                                                                                                          sicherung analog zum Bremer
                             kein Interesse mehr besteht, die Gesundheits-
                                                                                                          Modell zu prüfen. Gegenwärtig
                             karte einzuführen (Bebenburg und Rippega-
                                                                                        existiert der Entwurf einer Rahmenvereinbarung
                             ther 2015). Die Pauschale differenziert in drei
                                                                                        der gesetzlichen Krankenkassen in Niedersach-
                             Stufen zwischen Ballungsräumen und ländli-
                                                                                        sen mit dem Land (Niedersächsisches Ministe-
                             chen Regionen. Kommunen der höchsten Stufe
                                                                                        rium für Soziales, Gesundheit und Gleichstel-
                             (Darmstadt, Offenbach, Frankfurt, Wiesbaden)
                                                                                        lung 2015). Ein Datum, zu dem die eGK einge-
                             erhalten 1.050 Euro pro Flüchtling und Monat,
                                                                                        führt wird, wurde bisher nicht genannt.
                             Kommunen der niedrigsten Stufe (Regierungs-
                             bezirke Gießen und Kassel) erhalten 865 Euro
                             (Hessisches Ministerium für Finanzen 2015).
                             Die geschätzten Kosten für die Gesundheitsver-
                             sorgung von maximal 200 Euro pro Flüchtling
                                                                                        Nordrhein-Westfalen
                             und Monat können mit der Pauschale gedeckt
                                                                                                        Nordrhein-Westfalen (NRW)
                             werden (Bebenburg und Rippegather 2015).
                                                                                                        hat als erstes Flächenland die
                                                                                                        Gesundheitskarte für Flücht-
                             Unabhängig von der Abfrage der Kommunen ist
                                                                                                        linge eingeführt. Die Rahmen-
                             die hessische Landesregierung mit den Vertre-
                                                                                                        vereinbarung zwischen der
                             tern der Krankenkassen im Gespräch (ebd.).
                                                                                                        Landesregierung und den
                                                                                                        Krankenkassen zur Übernah-
                                                                                                        me der Gesundheitsversorgung

                             Mecklenburg-                                               für Asylsuchende gegen Kostenerstattung nach
                                                                                        § 264 SGB V wurde am 28. August 2015 unter-
                             Vorpommern                                                 zeichnet (MGEPA 2015c). Folgende gesetzliche
                                                                                        Krankenkassen haben den Rahmenvertrag
                                               Die Landesregierung von                  unterzeichnet (Stand: Januar 2016): AOK
                                               Mecklenburg-Vorpommern hat               NordWest, AOK Rheinland/Hamburg, Novitas
                                               im November 2015 Gespräche               BKK, Knappschaft, DAK-Gesundheit, Techniker
                                               mit den Krankenkassen und den            Krankenkasse (TK), Barmer GEK, IKK classic,
                                               kommunalen Spitzenverbänden              KKH Kaufmännische Krankenkasse, VIACTIV
                                               über die Einführung einer eGK            Krankenkasse, Siemens-Betriebskrankenkasse
                                               für Asylsuchende, die sich noch          (SBK) (MGEPA 2015d). Jede kreisfreie Stadt und
                                               keine 15 Monate in Deutschland           jede Gemeinde eines Kreises in NRW ist einer
                             aufhalten, aufgenommen (MAGS 2015). Geplant                Krankenkasse zugeordnet (ebd.).
                             ist die Einführung der eGK für das erste Quartal
                             2016. Ein genaues Datum steht aber nicht fest,             In Nordrhein-Westfalen kann jede Kommune
                             da die Krankenkassen noch untereinander über               selbst entscheiden, ob sie dem oben genannten
                             einen Rahmenvertrag beraten. Offen ist bislang,            Rahmenvertrag beitreten will. Insgesamt haben
                             ob alle Kassen die eGK an Asylsuchende ausgeben            bisher (Stand Januar 2016) 18 Gemeinden ihren
                             sollen oder nur ausgewählte oder lediglich eine            Beitritt zur Rahmenvereinbarung erklärt. Als-
                             Kasse (Sander 2015).                                       dorf, Bonn, Bochum, Gevelsberg, Monheim und

18
Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende und Flüchtlinge in den Bundesländern

Mülheim haben zum 1. Januar 2016 die eGK für    schaftsgeld) sowie Leistungen der Pflege und
Asylsuchende eingeführt. Wermelskirchen hat     der Eingliederungshilfe (MGEPA 2015b).
die Einführung für den 1. Februar 2016 ange-
kündigt, Oberhausen und Sprockhövel werden      Die Behandlerinnen und Behandler können im
zum 1. April folgen (aerzteblatt.de 2015b).     Datensatz eGK anhand der Bezeichnung „9“ im
Bocholt, Dülmen, Düsseldorf, Hattingen, Her-    Feld „Besondere Personengruppe“ erkennen,
decke, Köln, Moers, Münster und Remscheid       dass es sich um einen Patienten bzw. eine Pati-
werden ebenfalls folgen. Die Städte Essen,      entin im Leistungsbezug des AsylbLG handelt.
Herne, Hagen, Dortmund, Bottrop und Gel-
senkirchen haben sich gegen die Einführung      Abrechnung
entschieden (Anthony 2016).                     Die Krankenkassen rechnen die ihnen ent-
                                                standenen Ausgaben kalendervierteljährlich
Die eGK erhalten alle Asylsuchenden, die die    mit der jeweils zuständigen Gemeinde ab. Die
Erstaufnahmeeinrichtungen und zentralen         Gemeinde leistet als Vorauszahlung monatliche
Unterbringungseinrichtungen des Landes ver-     Abschlagszahlungen je Leistungsberechtigten,
lassen haben und den Gemeinden zugewiesen       die sich an den durchschnittlichen Leistungs-
wurden. Die Gemeinde meldet die ihr zugewie-    ausgaben für den Personenkreis orientieren und
senen Flüchtlinge bei der für sie zuständigen   regelmäßig den tatsächlichen Leistungsausga-
Krankenkasse an. Die Krankenkasse schickt       ben angepasst werden. Bis zum 31. Dezember
die eGK dann direkt an die Asylsuchenden. Bis   2016 orientiert sich die Höhe der Abschlagszah-
zur Zustellung der eGK können die Kommu-        lung an den durchschnittlichen Ausgaben der
nen den Flüchtlingen Abrechnungsscheine der     Empfänger laufender Leistungen nach § 2 des
Krankenkasse für ärztliche und zahnärztliche    AsylbLG und beträgt damit monatlich 200 Euro
Versorgung zur Verfügung stellen, um den ver-   je Leistungsberechtigtem (MGEPA 2015a). In
einfachten Zugang zur Gesundheitsversorgung     jedem Fall erfolgt später eine Abrechnung auf
ohne Wartezeit sicherzustellen (MGEPA 2015c).   Grundlage der tatsächlich entstandenen Leis-
                                                tungsausgaben. Entstandene Überzahlungen
Leistungsspektrum                               werden zurückgezahlt (MGEPA 2015e).
In NRW orientiert sich der Leistungsumfang
der gesundheitlichen Versorgung an den Vorga-   Zur Abgeltung der entstehenden Verwaltungs-
ben der §§ 4 und 6 AsylbLG. Dementsprechend     aufwendungen leistet die zuständige Gemeinde
ist der Anspruch auf Gesundheitsleistungen      Verwaltungskostenersatz für die von der Kran-
beschränkt auf die Behandlung von Schmerz-      kenkasse durchzuführende Wahrnehmung der
zuständen, akuter Erkrankungen sowie akut       Gesundheitsversorgung gemäß § 264 Abs. 1 SGB
behandlungsbedürftiger Erkrankungen. Über       V in Höhe von acht Prozent der entstandenen
den Erhalt von Vorsorgekuren, Neuversorgung     Leistungsaufwendungen, mindestens jedoch
mit Zahnersatz, Haushaltshilfe nach den Rege-   zehn Euro pro angefangenen Betreuungsmonat
lungen des SGB V, künstlichen Befruchtungen     je Leistungsberechtigten. Die zu erstattenden
und Sterilisation, strukturierten Behand-       Verwaltungskosten werden quartalsweise an-
lungsmethoden bei chronischen Krankheiten       hand der im jeweiligen Quartal pro Leistungs-
(DMP), Wahltarifen, die von der Krankenkasse    berechtigten angefallenen Leistungsaufwen-
außerhalb der gesetzlichen Pflichtleistungen    dungen ermittelt (MGEPA 2015a).
angeboten werden, und Leistungen im Ausland,
die in besonderen Fällen auch Asylsuchende      Finanzierung
beanspruchen können, wird wie vor Einführung    Das Land NRW beteiligt sich, geregelt durch
der eGK von den zuständigen Stellen in den      das Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG), an den
Kommunen entschieden. Grundsätzlich nicht       Kosten für Aufnahme und Unterbringung von
von der Versorgung umfasst sind Entgelter-      Asylsuchenden über eine pauschale Landeszu-
satzleistungen (z. B. Krankengeld und Mutter-   weisung. Für das Jahr 2016 sind dafür 1,948 Mil-
                                                liarden Euro vorgesehen, was einer Pauschale

                                                                                                                                          19
Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende und Flüchtlinge in den Bundesländern

                             von 10.000 Euro pro Asylsuchenden und Jahr                 Die Landkreise und kreisfreien Städte in Rhein-
                             entspricht (833 Euro pro Monat, zum Vergleich:             land-Pfalz können nun entscheiden, ob sie der
                             Die monatlichen Abschläge an die Krankenkas-               Vereinbarung beitreten (MSAGD 2016). Trier
                             sen für die eGK wurden zunächst auf 200 Euro               hat sich als erste Stadt für die Einführung
                             pro Asylsuchenden festgelegt). Darin enthalten             der eGK entschieden. Generell raten aber die
                             sind die vom Bund zugesagten Zuweisungen                   Spitzenverbände der Städte und Kreise ihren
                             (670 Euro pro Flüchtling und Monat) von ins-               Mitgliedern von der Einführung der eGK ab.
                             gesamt 626 Millionen Euro. Die Finanzmittel                Als Grund wurde genannt, dass die Kosten der
                             werden nach dem Zuweisungsschlüssel des                    Gesundheitsversorgung auf die Städte und Krei-
                             § 3 (1) FlüAG auf die Gemeinden verteilt und               se abgeladen werden (Die Welt Online 2016).
                             zum 1.3, 1.6., 1.9. und 1.12. zu jeweils einem
                             Viertel von den Bezirksregierungen ausge-                  Leistungsumfang
                             zahlt. Ab 2017 wird auf eine Pro-Kopf-Finan-               Bestehen bleiben die Regelungen des AsylbLG
                             zierung der Flüchtlingskosten für die Städte               hinsichtlich der Einschränkung der medizini-
                             und Gemeinden umgestellt (Städtetag Nord-                  schen Versorgung von Asylsuchenden gegen-
                             rhein-Westfalen 2015). Die Landespauschale                 über den Leistungen für gesetzlich Kranken-
                             wird unabhängig von der Einführung der eGK                 versicherte. Die Vereinbarungspartner haben
                             für Asylsuchende an die Kommunen ausgezahlt.               gemeinsam einen Leistungsumfang definiert,
                                                                                        der die Bedürfnisse der Asylsuchenden und die
                             Über das Flüchtlingsaufnahmegesetz erhalten                Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben berück-
                             Gemeinden im Einzelfall bei außergewöhnlich                sichtigt und zugleich ein möglichst unbüro-
                             hohen Behandlungskosten (derzeit mehr als                  kratisches Verfahren der Leistungsgewährung
                             70.000 Euro je Flüchtling im Kalenderjahr) eine            festlegt (MSAGD 2016).
                             zusätzliche Unterstützung (MGEPA 2015e).
                                                                                        Der Leistungskatalog war bei Erstellung des
                                                                                        ersten Teils dieser Expertise noch nicht ver-
                                                                                        öffentlicht.
                             Rheinland-Pfalz
                                                                                        Kosten
                                             Die Landesregierung in Rhein-              Die Krankenkassen erhalten eine Verwaltungs-
                                             land-Pfalz wird die eGK für                gebühr von acht Prozent der entstandenen
                                             Asylsuchende, die sich noch                Leistungsaufwendungen, mindestens jedoch
                                             keine 15 Monate in Deutsch-                zehn Euro pro Betreuungsmonat und Leistungs-
                                             land aufhalten, im Jahr 2016               berechtigtem. Die Kosten werden nach zwei ab-
                                             einführen. Ein entsprechender              gerechneten Quartalen evaluiert (MSAGD 2016).
                                             Rahmenvertrag zwischen dem
                                             Ministerium für Soziales,                  Finanzierung
                             Arbeit, Gesundheit und Demografie (MSAGD)                  Die Kosten für die medizinische Versorgung der
                             und den Krankenkassen wurde am 20. Januar                  Asylsuchenden werden aus öffentlichen Geldern
                             2016 unterzeichnet. An den Verhandlungen                   der zuständigen Behörden der Kommunen ge-
                             waren neben dem MSAGD und den Krankassen                   deckt (MSAGD 2016).
                             auch Vertreterinnen und Vertreter des Integra-
                             tionsministeriums sowie der kommunalen                     Das Land zahlt ab dem 1. Januar 2016 den Kom-
                             Spitzenverbände beteiligt.                                 munen über die Dauer des Asylverfahrens eine
                                                                                        monatliche Pauschale von derzeit 848 Euro pro
                             Der Rahmenvertrag war bei Erstellung des                   Asylsuchenden für alle Aufwendungen bezüg-
                             ersten Teils dieser Expertise noch nicht ver-              lich dessen Aufnahme, Unterbringung und Ver-
                             öffentlicht.                                               sorgung. Dazu kommt bei besonders kostenin-
                                                                                        tensiven Fällen eine zusätzliche Erstattung von
                                                                                        Gesundheitskosten (MIFKJF 2015).

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Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende und Flüchtlinge in den Bundesländern

Saarland                                           Sachsen-Anhalt
                  Das saarländische Gesund-                          Das Bundesland Sachsen-
                  heitsministerium hatte sich                        Anhalt plant, Asylsuchende
                  bereits im August 2015 für die                     Anfang 2016 mit einer Gesund-
                  Einführung der Gesundheits-                        heitskarte auszustatten. Die
                  karte für Flüchtlinge ausge-                       Landesregierung steht hier
                  sprochen. Ende vergangenen                         im Gespräch mit Vertreterin-
                  Jahres war im Saarland über                        nen und Vertretern der gesetz-
                  den Abschluss einer Rahmen-                        lichen Krankenkassen. Zudem
vereinbarung auf Landesebene mit Vertretern        müssen noch Haftungs- und Abrechnungsfra-
von Kassen, Kassenärztlicher Vereinigung und       gen für die Ärztinnen und Ärzte geklärt werden
Landkreisen verhandelt worden. Es wurde der        (Mitteldeutsche Zeitung Online 2015). Die CDU-
Entwurf einer Vereinbarung vorgelegt. Die          Landtagsfraktion geht davon aus, dass vor einer
Landkreise, die für die gesundheitliche Versor-    Klärung der offenen Fragen keine Gesundheits-
gung der Flüchtlinge zuständig sind, erachteten    karte für Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt einge-
jedoch den Abschluss einer entsprechenden          führt wird. Die CDU-Fraktion im Landtag von
Vereinbarung zum damaligen Zeitpunkt als           Sachsen-Anhalt (2015b) lehnt die Einführung
nicht zielführend (Burmeister 2016, Ärzte-Zei-     einer Gesundheitskarte zum jetzigen Zeitpunkt
tung 2016b). Als Grund gaben die kommunalen        ab, um neue Leistungen und Kosten, die damit
Spitzenverbände zu hohe Verwaltungskosten          auf die Kommunen zukommen würden, abzu-
an. Das Angebot der gesetzlichen Krankenkas-       wenden.
sen belief sich auf acht Prozent anteilige
Verwaltungskosten pro Person plus zusätzliche
2,5 Prozent Verwaltungskosten für die Kasse-
närztliche Vereinigung Saarland. Auf dieser        Schleswig-Holstein
Basis sieht der Geschäftsführer des saarländi-
schen Landkreistags keinen Regelungsbedarf –                       In Schleswig-Holstein erhalten
der Versicherungsschutz der Flüchtlinge sei                        seit dem 1. Januar 2016 alle
gewährleistet.                                                     Asylsuchenden, die eine Erst-
                                                                   aufnahmestelle des Landes
                                                                   in Richtung einer Kommune
                                                                   verlassen haben, eine Gesund-
Sachsen                                                            heitskarte. Die entsprechende
                                                                   Rahmenvereinbarung wurde
                 Die Landesregierung in Sach-      im Oktober 2015 von der Gesundheitsministerin
                 sen hat noch nicht abschlie-      des Landes Schleswig-Holstein unterzeichnet.
                 ßend über die Einführung der      Die Vertragspartner des Landes sind die AOK
                 eGK für Asylsuchende ent-         Nordwest, BKK-Landesverband Nordwest, IKK
                 schieden. In einer Veröffent-     Nord, Knappschaft, Novitas BKK sowie die
                 lichung der Sächsischen           Ersatzkassen Techniker Krankenkasse (TK),
                 Staatskanzlei (2016) vom          Barmer GEK, DAK-Gesundheit und die Kauf-
                 Januar 2016 wird angekündigt,     männische Krankenkasse (KKH).
dass die Landesregierung verschiedene Varian-
ten der Einführung der eGK prüfen und gegebe-      In Schleswig-Holstein können die Kommunen
nenfalls erforderliche Schritte einleiten wird.    nicht frei entscheiden, ob sie dem Rahmenver-
                                                   trag beitreten. Das Land hat die Kommunen per
                                                   Erlass dazu verpflichtet, mit den oben genann-
                                                   ten Kassen Verträge abzuschließen

                                                                                                                                              21
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