Phoenix auf dem Mars - Spektrum der Wissenschaft

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Phoenix auf dem Mars - Spektrum der Wissenschaft
Planetenforschung

                        Phoenix auf dem Mars
Illustration: Nasa, JPL / Caltech / University of arizona

                          Die jüngste Marslandemission gilt als beendet – doch die Auswertung
                          der Daten des Mars Phoenix ist in vollem Gange und noch für manche
                          Überraschung gut. Auch neue Fragen haben sich ergeben, und die Folge­
                          missionen zu ihrer Beantwortung sind schon in Vorbereitung.

                                                            Von Walter Goetz                                   den Klimaveränderungen? Haben sich auf dem

                                                            E
                                                                                                               Mars je Lebensformen entwickelt? Und sollte
                                                                      s waren gerade einmal 22 Fotos, die      dies der Fall sein: Ähneln sie terrestrischen Le-
                                                                      die US-Sonde Mariner 4 im Jahr           bensformen und können wir sie als solche an
                                                                      1965 vom Mars zur Erde funkte.           der Oberfläche nachweisen? Diese Fragen be-
                                                                      Doch mit den Aufnahmen aus einer         flügeln die Erforschung unseres Nachbarpla-
                                                            Nähe von bis zu 10 000 Kilometern hatte            neten schon seit Mitte der 1960er Jahre.
                                                            eine neue Epoche der Erforschung des Roten            Bislang allerdings ist die Geschichte der
                                                            Planeten begonnen, der wie die Erde polare         Marsmissionen von wechselhaftem Glück ge-
                                                            Eiskappen, Wolken am Himmel und jahres-            prägt. Mitte der 1970er Jahre landeten Viking
                                                            zeitliche Wetterzyklen besitzt und auf dem         1 und Viking 2 als erste Raumsonden funkti-
                                                            wir vertraute geologische Strukturen wie Vul-      onstüchtig auf der Oberfläche des Planeten.
                                                            kane und Canyons vorfinden.                        Von ihnen stammen auch die ersten Farbauf-
                                                               Andererseits ist er – zumindest heute – eine    nahmen des Roten Planeten, und sie sendeten
                                                            unwirtliche Welt. Doch war dies immer so?          viel länger als erwartet, bis 1982 beziehungs-
                                                            Existierte einst vielleicht flüssiges Wasser auf   weise 1980, Daten zur Erde. Doch ihre Suche
                                                            dem Mars, war der Planet sogar feucht und          nach mikroskopischen Lebensformen im Mars­
                                                            warm? Falls ja, wie kam es zu den anschließen­     boden lieferte widersprüchliche Resultate und

                          24                                                                                         SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT · APRIL 2010
Phoenix auf dem Mars - Spektrum der Wissenschaft
Astronomie & Physik

Die erfolgreiche Landung auf                       aus der Asche ihrer Vorgänger auferstehen zu
einem fremden Planeten ist auch
heute noch keineswegs selbstver-
ständlich. Doch dem Mars Phoenix
                                                   lassen: Am 4. August 2007 startete der Phoe-
                                                   nix, am 25. Mai des Folgejahres landete er auf
                                                   dem Mars.
                                                                                                                                                                                  In Kürze
(Illustration) gelang sie vor zwei                     Seine Vor-Ort-Mission scheint zwar längst                                                                                  r Mars Phoenix gilt als

Jahren. Anschließend untersuchte                   beendet. Am 2. November 2008 hörte die Bo-                                                                                     extrem erfolgreiche Mission:
er mehrere Monate lang die                         denstation zum letzten Mal von ihm – die Son-                                                                                  Erstmals hat eine Sonde
Chemie des Marsbodens, Funde                       ne lieferte wohl nicht mehr genug Energie –,                                                                                   geochemische und meteoro­
von Wassereis und das Wetter in                    und die im Januar 2010 aufgenommenen Ver-                                                                                      logische Daten von einem
den nordpolaren Regionen.                          suche, ihn nach dem Marswinter wieder aufzu-                                                                                   arktischen Landeplatz auf
                                                   wecken, erwiesen sich als vergeblich. Doch mit                                                                                 dem Mars geliefert.
                                                   der Auswertung der Daten sind die Forscher                                                                                     r Anfang 2010 wurde ver-
ist – nach heutigem Stand – erfolglos geblie-      bis heute beschäftigt. Phoenix lieferte optische                                                                               sucht, das Gefährt nach dem
ben. Ein voller Erfolg hingegen wurde, nach-       Aufnahmen, detaillierte Analysen von Boden-                                                                                    Marswinter wieder »aufzu-
dem 1993 ein Mars-Orbiter gescheitert war,         proben und selbst Wetterberichte – zahllose In-                                                                                wecken« – vergeblich.
der 1997 in eine Umlaufbahn eingeschwenkte         formationen, die nun nach und nach zu einem                                                                                    Gleichwohl ist die Datenlage
Mars Global Surveyor, dessen letzte Funksig­       Gesamtbild zusammengesetzt werden.                                                                                             über Wetter, Bodenbeschaf­
nale uns im Oktober 2006 ereichten. Eben-              Mit an Bord waren gleich mehrere abbil-                                                                                    fenheit und Wasservorkom­
falls im Jahr 1997 landeten Mars Pathfinder        dende Systeme: der Stereo Surface Imager                                                                                       men besser als je zuvor.
und sein Rover Sojourner sicher auf der Ober-      (SSI) mit einer Auflösung von bis zu einem                                                                                     r Gleichzeitig sind neue
fläche des Planeten.                               Millimeter pro Pixel, die Robotic Arm Came-                                                                                    Fragen aufgetaucht. Antwor­
    1999 jedoch gingen sowohl der Mars Cli-        ra (RAC) mit bis zu 24 Mikrometern pro Pi-                                                                                     ten sollen kommende Missi-
mate Orbiter als auch der Mars Polar Lander        xel, ein optisches Mikroskop (vier Mikrome-                                                                                    onen wie Curiosity und
verloren, und im Jahr 2000 wurde die Entwick­      ter pro Pixel) und schließlich ein Rasterkraft-                                                                                ExoMars liefern. Nach 2020
lung des ursprünglich als Kombination aus Or-      mikroskop, dessen Auflösung 0,1 Mikrometer                                                                                     werden dann erste Rückkehr­
biter, Lander und Rover geplanten Mars-Surve-      pro Pixel erreichte. Gemeinsam mit Kollegen                                                                                    kapseln Proben zur Erde
yor-Programms gestoppt. Doch immerhin fand         der University of Arizona hat unsere Arbeits-                                                                                  transportieren.
der Orbiter neue Verwendung: Unter dem Na-         gruppe am Max-Planck-Institut für Sonnen­
men Mars Odyssey startete er 2001 (und diente      sys­temforschung sowohl die Roboterarmka-
später als Relaisstation für die 2004 gelandeten   mera RAC als auch die Fokalebenen-Baugrup-
Zwillingsrover Spirit und Opportunity). 2003       pen des optischen Mikroskops beigesteuert.                                                                                    Die Schaufel am ausgefahrenen
feierte die europäische Weltraumbehörde ESA            Darüber hinaus war der Lander mit dem                                                                                     Roboterarm auf dem linken Foto
auch das erfolgreiche Eintreffen des Orbiters      nasschemischen WCL-Labor (Wet Chemistry                                                                                       dient zur Aufnahme von Boden-
Mars Express, lediglich der Lander Beagle blieb    Laboratory) ausgestattet. In vier separaten, je                                                                               proben. Rechts ist auch der Eis-
verschollen. 2006 schließlich erreichte der        einmal nutzbaren Zellen ließen sich Boden-                                                                                    bohrer auf der Schaufelrückseite
Mars Reconnaissance Orbiter die Umlaufbahn         proben mit flüssigem Wasser vermischen. Io-                                                                                   zu sehen. Die Kamera RAC er-
um unseren Nachbarplaneten und schießt bis         nenselektive Elektroden untersuchten die er-                                                                                  laubt einen Blick in die Schaufel
heute Bilder mit höchster Auflösung.               zeugte Lösung und lieferten Informationen                                                                                     und auf die Bodenprobe, wäh-
    Das jüngste Projekt ist indessen Mars Phoe-    über wasserlösliche Salze und andere Bestand-                                                                                 rend die Thermal and Electrical
nix. Nachdem im Jahr 2000 Katzenjammer ge-         teile. Weitere Proben wurden in einem Ther-                                                                                   Conductivity Probe (TECP) die
herrscht hatte, weil die noch unerforschten        mal and Evolved Gas Analyzer (TEGA) auf                                                                                       Leitfähigkeit der Bodenprobe
arktischen Regionen des Mars wieder außer          bis zu 1000 Grad Celsius erhitzt. Die dabei                                                                                   unter­sucht.
Reichweite gerückt waren, führte Mars Odys-
sey die Wende herbei. 2002 entdeckte die Son-
de ebendort dicht unter der Oberfläche große
Mengen an Wasserstoff (siehe »Gefrorener
                                                                                                      NASA, JPL / University of Arizona / Mark T. Lemmon, Texas A&M University

Ozean unter dem Marsboden«, SdW 9/2002,
S. 12). Forscher interpretierten die weniger als
einen Meter tief gelegenen Reservoire als Was-
sereis, das die lange gesuchten organischen
                                                                                                                                                                                                          Eisbohrer
Substanzen und damit Hinweise auf gegenwär-
tiges oder früheres Leben enthalten könnte.
    Erneut diente das Mars-Surveyor-Vorha-
ben als Ausgangsbasis. Sein Orbiter war im
Odyssey-Projekt aufgegangen, nun diente sein
Lander dem Team um Peter H. Smith von der                                                                                                                                                           RAC          TECP
University of Arizona in Tucson als Grundla-
ge, um die Mission Mars Phoenix gleichsam

SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT · APRIL 2010                                                                                                                                                                         25
Phoenix auf dem Mars - Spektrum der Wissenschaft
Planetenforschung

                                                             frei werdenden Gase ließen sich massenspek-               dem er die Laufzeit der Strahlung maß, die an
Der Landeplatz                                               troskopisch identifizieren, und die Tempera-              Staub- und Eispartikeln in der Luft zurückge-
                                                             turen, bei denen sie entstanden, grenzten die             streut wurde. In 25, 50 und 100 Zentimeter
Der Phoenix ging an einem                                    Identität ihrer (möglicherweise organischen)              Höhe über dem Lander waren außerdem
Ort nieder, der 500 Kilome­                                  Ursprungssubstanzen ein. Zudem konnten                    Druck- und Temperatursensoren am Mast
ter nördlich der Grenze der                                  endotherme Phasenübergänge erkannt wer-                   montiert, und an seiner Spitze befand sich ein
vulkanischen Tharsis-Region                                  den, solche also, bei denen die (kontrollierte)           in Dänemark entwickeltes Windmessgerät, der
und 1800 Kilometer von                                       Zufuhr von Wärmeenergie nicht zu entspre-                 »Wetterhahn«. Komplementäre Daten über
deren gigantischem Schild­
                                                             chend höheren Temperaturen führte.                        atmosphärischen Staub und Wasserdampf lie-
vulkan Alba Patera entfernt
liegt. Weitere rund 2000
                                                                 Schließlich verfügte der Lander über einen            ferte der SSI, der die Sonnenscheibe durch
Kilometer nördlich befinden                                  2,3 Meter langen Roboterarm mit einer                     optische und nahinfrarote Filter fotografierte.
sich die Eiskappe des Nord-                                  Schaufel, an deren Rückseite auch ein Eisboh-                 Das erste Bild, das die Kamera nach der
pols und die zirkumpolaren                                   rer installiert war. Damit ließen sich gezielt Bo­        Landung schoss, zeigt eine von den Landedü-
Dünen. Zu den Kriterien bei                                  denproben aufnehmen und an verschiedene                   sen frei gelegte helle, ebene Oberfläche, die
der Auswahl des Lande­                                       Systeme weiterreichen. So zeigte die am Arm               »Holy Cow«. Die Eisfunde darin zeigen, dass
platzes zählte die hohe                                      befestigte RAC-Kamera aufgenommene Bo-                    sich das 2002 von der Odyssey entdeckte Eis
Wahrscheinlichkeit, dort auf                                 denproben in hoher Auflösung, und ein Sen-                tatsächlich nur wenige Zentimeter unter der
Wassereis zu stoßen; außer­                                  sor mit vier Nadeln maß ihre elektrische und              Oberfläche befindet. Auf den meisten Bildern
dem durfte das Gelände                                       thermische Leitfähigkeit. Weitere Sensoren er-            ist allerdings nicht reines Wassereis, sondern
nicht zu steil abfallen und
                                                             fassten den Druck des atmosphärischen Was-                stark eishaltiger Regolith (eishaltiges Boden-
musste vergleichsweise frei
von Geröll sein.
                                                             serdampfs und die relative Luftfeuchte.                   und Gesteinsmaterial) zu sehen. In einem wei-
                                                                 Für die »Wetterberichte« war ein von der              teren eishaltigen Bodenbereich in direkter
                                                             kanadischen Raumfahrtbehörde entwickelter                 Nachbarschaft, der ebenfalls durch die Brems-
                                                             meteorologischer Mast zuständig. Sein wich-               raketen entstandenen »Snow Queen« (die meis­
                                                             tigstes Instrument war ein LIDAR-Laser                    ten Namen von Oberflächendetails wurden der
                                                             (Light Detection and Ranging), der die verti-             Welt der Märchen und Kindergeschichten ent-
                                                             kale Struktur der Atmosphäre untersuchte, in-             lehnt), entwickelten sich im Verlauf von 50

 Selbstporträt auf einer fernen Welt
 Einer für fast alles: Zahlreiche Instrumente des Phoenix zeigt                                      schen Zellen analysiert werden. In der Instrumentengruppe TEGA
 dieses Mosaikbild, dessen Einzelfotos die Stereokamera SSI                                          (der ein von organischem Material freier Teflonblock als Kalibra-
 schoss. Von links nach rechts sind das LIDAR-Lasersystem und                                        tionsreferenz diente) ließen sich die Proben erhitzen und die da-
 der meteorologische Mast mitsamt dem Wetterhahn zu sehen,                                           bei freigesetzten Gase untersuchen. Rechts ist der Ansatz des Ro-
 die der Wetterbeobachtung dienten. Die Datenübertragung zu                                          boterarms zu erkennen (der auf den anderen Bildern des Mosaiks
 Sonden im Orbit erfolgte über eine UHF-Hochfrequenzantenne.                                         nicht im Blickfeld war). In der Furche »Dodo Goldilock« (Kreis)
 Außerdem im Bild: eines der Solarpaneele für die Stromversor-                                       suchte der Lander nach Eis. Das kleine Bild oben rechts zeigt die
 gung. Bodenproben wurden über einen Schacht zum optischen                                           faltbare »Biobarriere«, die den Roboterarm bis zur Landung auf
 Mikroskop überführt und konnten außerdem in vier nasschemi­                                         dem Mars vor biologischer Kontamination schützte.
                                                                                                                                                   NASA, JPL, Robert G. Bonitz / IEEE

                             meteorologischer                                                                                 Biobarriere des Roboterarms
                             Mast mit Wetterhahn

                                                                            Schacht für Pro-
                                                                            benüberführung
                                                                            zum Mikroskop        TEGA-Komponente
                                     westliches                                                  für Gasanalyse
  UHF-                               Solarpaneel                                vier Nasschemie-
  An­                                                                           Zellen
  ten­
  ne                                                                                         thermische       Teflonblock zur
                                                                                             TEGA-            TEGA-Kalibrierung
                                                                                             Komponente

                                                                                                                                  Roboterarm (Ansatz)

  LIDAR

                                                                                                                                                     »Dodo Goldilock«-
                                                                                                                                                     Furche
             zusammengefaltete
             Biobarriere

 NASA, JPL / University of Arizona / Mark T. Lemmon, Texas A&M University
Phoenix auf dem Mars - Spektrum der Wissenschaft
Astronomie & Physik

Marstagen (»Sols«) durch Sublimation zahl-         a                                                                                                                              c
reiche Risse, nachdem die thermisch isolieren-
de obere Bodenschicht verloren gegangen war.
    Im Verlauf der Mission grub der Roboter-
arm zwölf bis zu 18,3 Zentimeter tiefe Fur-

                                                                                                    NASA, JPL / University of Arizona / Horst Uwe Keller und W. J. Markiewicz,
chen. In einigen wie etwa »Dodo Goldilock«
fand sich, bestätigt durch die SSI-Spektren,
nahezu reines Eis, in anderen eisreicher Rego-

                                                                                                    MPI für Sonnensystemforschung, Katlenburg - Lindau
lith, in manchen überhaupt kein Eis. Helle,        b                                                                                                                              d
zentimetergroße Klumpen in der »Dodo
Goldilock«-Furche, die im Verlauf von vier
Sols verschwanden, galten den Forschern als
weiteres Indiz dafür, dass es sich bei dem hel-
len Material unmittelbar unter der Oberfläche
tatsächlich um Wassereis handelte. Warum
aber das Mischungsverhältnis von Eis und Re-
golith auf kurze Distanzen so stark variiert,
bleibt weiterhin unklar.                           deutlich größere braune und schwarze Schluff-                                                                                 Der Blick der Roboterarmkamera
                                                   und Sandpartikel. Genauere Hinweise auf ih-                                                                                   unter den Lander zeigt die von
Erstaunlicher Perchloratfund                       ren Ursprung werden aber erst Vergleiche mit                                                                                  den Landedüsen des Phoenix frei
Manche Bodenauffälligkeiten lassen sich in-        irdischen Böden liefern.                                                                                                      gelegte Fläche »Holy Cow«. Der
dessen durch die klimatischen Bedingungen              In den Zellen des WCL-Nasschemielabors                                                                                    Leitfähigkeitssensor TECP ist als
der polaren Regionen erklären. Hier ist die        entstand bei der Mischung von Bodenproben                                                                                     helles Rechteck zu sehen. Auf
Landschaft von Aufwölbungen übersät, die           mit wässriger Lösung eine schwach alkalische                                                                                  den meisten Bildern erscheint
meist einige Meter Durchmesser aufweisen.          Lö­­sung, in der die Elektroden eine überra-                                                                                  die »Holy Cow« hell und reflek-
Ein Modell für die Bildung solcher »polygo-        schend hohe Menge an Perchlorat entdeckten,                                                                                   tierend (Bild a), im rötlichen
                                                                         –
ner« Strukturen hat ein Team um Ronald Slet-       also anionische ClO4 -Moleküle. (In geringe­                                                                                  Licht der Dämmerung gleicht sie
ten an der University of Washington entwi-         ren Mengen ließen sich auch, in absteigender                                                                                  sich aber dem umgebenden
ckelt. Ihm zufolge führt die jahreszeitliche       Reihenfolge, Kationen von Magnesium, Na­                                                                                      Marsboden an (b), woraus die
Kontraktion und Expansion des Bodens zur           trium, Kalzium und Kalium nachweisen.) Der                                                                                    Forscher schließen, dass sie hier
Entstehung keilförmiger Risse. Im Winter la-       Fund ist erstaunlich. Forscher um Michael                                                                                     nicht auf reines Eis gestoßen
gert sich darin feinkörniges Material ab, wes-     Hecht vom kalifornischen Jet Propulsion La-                                                                                   sind. Die benachbarte »Snow
halb sie sich im nächsten Sommer nicht wie-        boratory gehen davon aus, dass der Perchlorat­                                                                                Queen« war zunächst glatt (c),
der vollständig schließen. Durch die Ausbil-       anteil am Marsboden bei etwa einem Ge-                                                                                        zeigte jedoch nach etwa 50
dung von Hügeln (»Polygonen«) wird                 wichtsprozent liegt, was entsprechende Vor-                                                                                   Marstagen infolge der täglichen
schließlich die erzeugte jahreszeitliche Span-     kommen in einigen irdischen Wüstenböden                                                                                       Temperaturzyklen Risse an der
nung gemildert.                                    um mehrere Größenordnungen übersteigt. Ist                                                                                    Oberfläche (d, weiße Kreise).
                                                         –
    So kommt es zu einem Erosionsprozess,          ClO4 aber nur am Landeplatz oder tatsächlich
einem langsamen zyklischen Transport von           überall auf dem Mars verbreitet, wie frühere
Ober­­flächenmaterial, wie er auch in irdischen    Chlorfunde zumindest vermuten lassen? Und
arktischen Regionen auftritt, wo er als Kryotur­   welche primitiven Lebensformen könn­ten sich
bation bezeichnet wird. Er erneuert auf kurzen     angesichts einer so hohen Konzentration im
Zeitskalen kontinuierlich die Landschaft (sie-     Boden überhaupt entwickelt haben?
he Grafik S. 29) und hat wohl auch dazu bei-           Auf die Anwesenheit von Perchlorat ließen
getragen, dass Phoenix nicht auf Auswurfma-        die von WCL gemessenen Ionenkonzentratio­
terial des Heimdall-Kraters gestoßen ist. Die-     nen und weitere Parameter zwar nur indirekt
ser vor 500 Millionen Jahren entstandene           schließen; dennoch gilt sie als gesichert, da
Krater – mit elf Kilometer Durchmesser und
einem Kilometer Tiefe – befindet sich gerade
einmal 20 Kilometer westlich vom Landeplatz.
    Die große Vielfalt von Bodenpartikeln un-
tersuchte Phoenix mittels mikroskopischer
Farbaufnahmen und dreidimensionaler Dar-
stellungen des Rasterkraftmikroskops. Unklar
ist, inwieweit die untersuchten Partikel reprä-
sentativ für den Marsstaub im Allgemeinen
sind. Am Landeplatz dominieren rötlich oran-
gefarbene Teilchen, die kleiner als zehn Mikro-
meter sein müssen, da sie vom Mikroskop
nicht aufgelöst werden. Daneben gibt es auch

SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT · APRIL 2010                                                                                                                                                                       27
Phoenix auf dem Mars - Spektrum der Wissenschaft
Planetenforschung
                                                                             Zoom auf den Lander

                                                                                   a                                                               b                            c                                     d

                                                                                                                                                                                                                                             e

                                                                                                                                                                                     NASA, JPL / Malin Space Science Systems / University of Arizona

                                                                              Der Landeplatz des Phoenix liegt nahe der nördlichen Polkappe            Hitzeschild (schwarzer Punkt rechts von der Bildmitte) und der
                                                                              (a). Die Schwarz-Weiß-Aufnahme des Mars Global Surveyor (b)              Fallschirm (heller Punkt unten) zu erkennen. In der Vergrößerung
                                                                              zeigt ein 280 Meter breites Areal, in dem der Landeplatz links vom       (d) werden Unebenheiten des Bodens und grobkörniges, von den
                                                                              kreisförmigen Heimdall-Krater zu sehen ist. Das folgende Bild (c)        Landedüsen frei gelegtes Material deutlich. Eine letzte Vergröße-
                                                                              nahm der Mars Reconnaissance Orbiter 22 Stunden nach der Lan-            rung (e, mit einer Auflösung von etwa 33 Zentimeter pro Pixel)
                                                                              dung auf. Hier sind der Lander selbst, aber auch der abgestoßene         zeigt schließlich den Lander und die beiden Solarpaneele.

                                                                                                               andere Interpretationen der Daten kaum                    mit unterschiedlicher Empfindlichkeit auf ver­
                                                                           Am einen Ende der rund 20           möglich sind. TEGA indessen wies rätselhaf-               schiedene Ionentypen.
                                                                           ­Zentimeter breiten Furche          terweise nur in einem einzigen Fall ein mög-                 Ein weiteres wichtiges Ergebnis der massen-
                                                                            »Dodo Goldilock« fand sich fast    liches Zerfallsprodukt nach: Bei der Erhitzung            spektroskopischen Analysen war die Freiset-
                                                                            reines Wassereis (links). Die      einer Bodenprobe von »Baby Bear« wurde die                zung von Kohlendioxid bei Temperaturen von
                                                                            Kreise markieren Anhäufungen       Freisetzung von molekularem Sauerstoff beob­              800 bis 900 Grad – ein Hinweis auf das von
                                                                           von etwa zwei Zentimeter            achtet, der aus Perchlorat hervorgegangen sein            jeher erwartete und lange vermisste Kalzium-
                                                                           großen Eispartikeln (Detail         könnte. Allerdings müssen die Informationen               karbonat! Forscher um William V. Boynton
                                                                           rechts oben), die binnen vier       über die Konzentrationen wasserlöslicher                  von der University of Arizona gehen von einem
                                                                           Sols (Marstagen) nach dem           Kom­ponenten im Marsboden durch weitere                   Anteil von drei bis fünf Gewichtsprozent im
                                                                           Graben vermutlich infolge von       Instrumente ohnehin noch verfeinert werden,               Marsboden aus. Meist entstehen solche Karbo-
                                                                           Sublimation verschwunden            denn jede WCL-Elektrode reagiert, auch ab-                nate durch Ausfällung aus wässrigen Lösun­
                                                                           waren (rechts unten).               hängig von der tatsächlichen Konzentration,               gen – der Fund von Kalziumkarbonat zeigt
                                                                                                                                                                         also, dass am Phoenix-Landeplatz irgendwann
                                                                                                                                                                         einmal flüssiges Wasser existiert hat. Die Ent-
                                                                                                                                                                         deckung gilt als bestätigt, weil sie auch mit den
                                                                                                                                                                         Interpretationen der WCL-Daten vereinbar ist,
                                                                                                                                                                         wie ein Team um Samuel P. Kounaves von der
                                                                                                                                                                         Tufts University in Massachusetts nachwies.
                                                                                                                                                                            Überraschenderweise wurde über den ge-
                                                                                                                                                                         samten Temperaturbereich des Thermal Ana­
                                                                                                                                                                         lyzer von unter 0 bis 1000 Grad Celsius aber
                                                                                                                                                                         kein Schwefeldioxid frei, obwohl alle früheren
                                                                                                                                                                         Landemissionen erhebliche Schwefelmengen
                                                                                                                                                                         nach­gewiesen hatten. Magnesiumsulfat wäre,
                                                                                                                                                                         bei einem atmosphärischen Druck von sieben
                                                                                                                                                                         Millibar, kurz vor Erreichen der Maximaltem-
NASA, JPL / University of Arizona / Mark T. Lemmon, Texas A&M University

                                                                                                                                                                         peratur zerfallen, war also nicht in den Proben
                                                                                                                                                                         vorhanden. Mit dem Vorhandensein von Kal-
                                                                                                                                                                         ziumsulfat hingegen, das schon zuvor in gro­
                                                                                                                                                                         ßen Mengen nahe der nordpolaren Eiskappe
                                                                                                                                                                         gefunden worden war, hatten die Forscher fest
                                                                                                                                                                         gerechnet; es zerfällt allerdings erst bei etwa
                                                                                                                                                                         1400 Grad Celsius. Nach der Analyse aller
                                                                                                                                                                         Daten kam ein Team um Nasa-Forscher
                                                                                                                                                                         D. C. Golden dennoch zum Schluss, dass am
                                                                                                                                                                         Landeplatz des Phoenix – wie auch in den

                                                                           28                                                                                                   SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT · APRIL 2010
Phoenix auf dem Mars - Spektrum der Wissenschaft
Astronomie & Physik

                                                                                                                             Permafrost
NASA, JPL / University of Arizona / Mark T. Lemmon, Texas A&M University

                                                                                                                           Kryoturbation sorgt nahe der polaren Eiskappe für die Entstehung unregelmäßiger
                                                                                                                           Aufwölbungen, welche dort die Marsoberfläche prägen (links). Denn im Winter bilden
                                                                                                                           sich keilförmi­ge Spalten im Boden (Grafik), in die feinkörniges Material fällt, so dass
                                                                                                                           sie sich im Sommer nicht mehr vollständig schließen. Die resultierenden Spannungen
                                                                                                                           im Boden lassen das Material wandern (weiße Pfeile) und so »polygone« Hügelformen
                                                                                                                           entstehen. Die blauen Pfeile illustrieren den längerfristigen Materialtransport.

                                                                           meis­ten bislang analysierten Marsböden – ne-   gen zeigten, dass sich ab Sol 80 in jeder Nacht
                                                                           ben Kalziumkarbonat mit höchster Wahrschein­    Bodennebel sowie Wolken aus Wassereis in ei-
                                                                           lichkeit auch Kalziumsulfat vorhanden ist.      ner Höhe von etwa vier Kilometern nahe der
                                                                               Auch die meteorologischen Messverfahren     Obergrenze der atmosphärischen Grenzschicht
                                                                           des Phoenix erlaubten vielfältige Analysen,     bildeten. Viele dieser Wolken wiesen die auch
                                                                           deren Ergebnisse sich durch Beobachtungs-       auf der Erde bekannten »Fallstreifen« auf: Eis-
                                                                           daten aus dem Orbit weiter absichern ließen.    kristalle, die eine bestimmte Größe erreicht ha-
                                                                           Insbesondere untersuchte der Lander ausge-      ben, so dass sie durch die Atmosphäre zu fallen
                                                                           prägte Wetterphänomene, wie sie für die pola­   beginnen und sublimieren. Tagsüber indessen
                                                                           ren Regionen typisch sind, vor allem die be-    wurden die vom LIDAR entsandten Lichtpulse
                                                                           reits von Bildern aus der Umlaufbahn bekann­    durch atmosphärischen Staub zurückgestreut,
                                                                           te Wolkenbildung. Der Wetterhahn lieferte       noch bevor sie höher liegende Wolken erreich-
                                                                           zudem Daten über Windrichtung und -ge-          ten. Der SSI wiederum entdeckte gegen Ende
                                                                           schwindigkeit, die nun in die Entwicklung       der Mission auch am Taghimmel viele Wolken,
                                                                           von Wettermodellen einfließen.                  die in einigen Fällen binnen zehn Minuten
                                                                                                                                                                                   Landeplatz
                                                                                                                           durch Sublimation wieder verschwanden.
                                                                           Staubtornados                                      Zum Verständnis des täglichen lokalen                durch Einschlag
                                                                           zogen am Landeplatz vorüber                     Wasserkreislaufs hat die Phoenix-Mission we-            »geräumt«?
                                                                           Der Druck des atmosphärischen Wasserdampfs      sentlich beigetragen: In den Morgenstunden
                                                                                                                                                                                   Ein wichtiges Kriterium für
                                                                           steigt, wie die Messungen des Feuchtigkeits-    gelangt Wasserdampf in die Atmosphäre, der
                                                                                                                                                                                   die Wahl des Landeplatzes
                                                                           sensors zeigen, zwischen 2 Uhr und 10 Uhr       aus dicht unter der Oberfläche liegendem Eis            hatte in der Tatsache bestan­
                                                                           Ortszeit an, um bei etwa 1,8 Pascal ein Pla-    stammt oder auch aus Wasser, welches entwe-             den, dass sich dort nur
                                                                           teau zu erreichen, auf dem er für den größten   der an das körnige Material des Marsbodens              Felsen oder Steine mit
                                                                           Teil des Tages verbleibt, wohingegen die Tem-   gebunden ist oder als Kristallwasser in Mine-           Durchmessern von weniger
                                                                           peratur der Atmosphäre bis 14 Uhr weiterhin     ralen oder Salzen (wie Magnesiumperchlorat)             als etwa 50 Zentimetern
                                                                           ansteigt. Nach 10 Uhr pegelt sich dank atmo-    vorliegt. Im Verlauf der Nacht gefriert der at-         finden. Doch warum ist das
                                                                           sphärischer Konvektion ein konstanter Gleich­   mosphärische Wasserdampf aus und es bilden              so? Möglicherweise hat
                                                                           gewichts-Wasserdampfdruck ein. Wie an den       sich Fallstreifen. In einigen Fällen kam es aber        die Energie des Einschlags,
                                                                           Landeplätzen des Mars Pathfinder und des        auch zu Schneefall, bei dem die Fallstreifen            der den nahe gelegenen
                                                                                                                                                                                   Heimdall-Krater entstehen
                                                                           Rovers Spirit wurden auch hier Staubteufel      bis zur Oberfläche herabreichten.
                                                                                                                                                                                   ließ, das unter der Oberflä­
                                                                           beobachtet, die mit Geschwindigkeiten von          Phoenix war insgesamt 152 Sols in Betrieb,           che liegende Eis und andere
                                                                           fünf bis zehn Meter pro Sekunde in der Nähe     vom 26. Mai bis zum 2. November 2008, also              kondensierte flüchtige Stoffe
                                                                           vorüberzogen.                                   vom späten Frühling bis zum späten Sommer               explosionsartig verdampfen
                                                                              Im späteren Missionsverlauf erwiesen sich    des rund 23 Erdmonate dauernden Marsjahrs.              lassen, wodurch die größe­
                                                                           die LIDAR-Daten als besonders wichtig. Ihre     Vom 1. April bis zum 10. Juli 2009 herrschte            ren Felsbrocken zerstört und
                                                                           Auswertung durch James A. Whiteway von der      am Landeplatz dann die Dunkelheit der Po-               weggefegt wurden.
                                                                           kanadischen York University und seine Kolle-    larnacht. Nun ist die Sonne zwar längst wie-

                                                                           SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT · APRIL 2010                                                                                              29
Phoenix auf dem Mars - Spektrum der Wissenschaft
Planetenforschung

                                                                                                                                                                                                                           Klar ist: Der schwierige Schritt hin zu mehr-
Farbfotos:  NASA, JPL, Michael H. Hecht / University of Arizona / W. Thomas Pike, Imperial College

                                                                                                                                                                                                                       zelligen Lebewesen hat auf dem Mars sicher nie
                                                                                                                                                                                                                       stattgefunden; auch die Erde brachte solche
                                                                                                                                                                                                                       Organismen erstmals im Präkambrium vor
                                                                                                                                                                                                                       knapp einer Milliarde Jahren hervor, also sehr
London; kleines s/w-Foto:  NASA, JPL / Urs Staufer, TU Delft, Niederlande

                                                                                                                                                                                                                       spät in ihrer Geschichte. Doch bislang sind wir
                                                                                                                                                                                                                       nicht einmal auf Spuren organischen Materials
                                                                                                                                                                                                                       gestoßen. Erst wenn wir in geschützteren Regi-
                                                                                                                                                                                                                       onen wie dem Inneren von Sedimentgesteinen
                                                                                                                                                                                                                       oder tieferen Bodenschich­ten suchen, dürfen
                                                                                                                                                                                                                       wir hoffen, fündig zu werden. Parallel dazu
                                                                                                                                                                                                                       müssen wir die chemische Reaktivität des Bo-
                                                                                                                                                                                                                       dens und seiner Oberfläche sowie dessen Be-
                                                                                                                                                                                                                       wohnbarkeit abschätzen und terrestrische Le-
                                                                                                                                                                                                                       bensformen identifizieren, die unter diesen
                                                                                                                                                                                                                       Bedingungen gedeihen. Geochemische und
                                                                                                                                                                                                                       mineralogische Studien können Aufschluss auf
                                                                                                                                                                                                                       frühere Bedingungen wie Salzgehalte, Tempe-
                                                                                                     Unter dem Mikroskop zeigt sich                 der über dem Lander aufgegangen, doch er                           raturen und Wasserkreisläufe geben, und or-
                                                                                                     eine Mischung aus hellen und                   rührt sich nicht mehr. Vergeblich hatte die                        ganische Untersuchungen müssen sich den
                                                                                                     dunklen, rund 60 Mikrometer                    Mars Odyssey am 18. Januar 2010 begonnen,                          leichten Elementen der ersten und zweiten
                                                                                                     großen Körnchen (links), einge-                nach seinen Signalen zu lauschen. Hätte                            Hauptgruppe des Periodensystems widmen.
                                                                                                     bettet in rötlich orangefarbene,               ­Phoenix die winterlichen Temperaturen von                         Dem eventuellen Nachweis und der Identifi-
                                                                                                     knapp zehn Mikrometer große                     bis zu 150 Kelvin überstanden – womit nie-                        zierung solcher Moleküle würde dann die
                                                                                                     Staubpartikel (rechts). Die                     mand ernsthaft rechnete –, hätten ihn die                         Schlüsselfrage folgen: Wurden sie durch Me-
                                                                                                     Detailaufnahme eines Partikels                  Forscher im »Lazarus-Modus« wiedererwe-                           teoriten oder Kometen »importiert« oder be-
                                                                                                     (linkes Bild, oben) stammt vom                  cken können. Doch bei solcher Kälte werden                        zeugen sie eigenständige biologische Akti­vität?
                                                                                                     Rasterkraftmikroskop des                        Materialien spröde und brechen, es treten                             Was zu tun ist, soll in den nächsten Jahren
                                                                                                     Phoenix. Die Mineralogie der                    Leitfähigkeitsprobleme bei Platinen auf, und                      eine Reihe neuer Missionen erledigen. Ab
                                                                                                     einzelnen Teilchen ist noch nicht               die Batterien werden tiefentladen. Vor allem                      2012 wird der NASA-Rover Curiosity erst-
                                                                                                     völlig aufgeklärt.                              aber dürfte sich bis zum Spätwinter im Sep-                       mals die Methode der Röntgendiffraktion zur
                                                                                                                                                     tember 2009 eine rund 30 Zentimeter dicke                         Mineralanalyse anwenden und so eine nahezu
                                                                                                                                                     Schicht von ausfrierendem atmosphäri­schem                        vollständige Bestandsaufnahme der Minera­
                                                                                                                                                     Kohlendioxid auf den Solarpaneelen abgela-                        lien in Böden und Gesteinen leisten. Und na-
                                                                                                                                                     gert haben. Ihr Gewicht von mehr als einer                        türlich soll er mittels SAM, dem bereits flug-
                                                                                                     Aufschluss über Wolken und                      Tonne pro Paneel hat eines oder auch beide                        bereiten NASA-Instrument Sample Analysis
                                                                                                     Bodennebel, die sich nachts                     Module wohl schlicht abbrechen lassen.                            at Mars, auch atmosphärisches Methan auf-
                                                                                                     bildeten, gab das vom Laser­                        Trotzdem gilt Phoenix bereits jetzt als ex-                   spüren – selbst in Konzentrationen von weni-
                                                                                                     instrument LIDAR vermessene                     trem erfolgreich: Erstmals lieferte eine Sonde                    ger als einem Molekül pro einer Milliarde
                                                                                                     Streulicht aus der Atmosphäre                   geochemische und meteorologi­sche Daten                           Luftmoleküle.
                                                                                                     (links). Eiswolken in der atmo-                 von einem arktischen Landeplatz auf dem                               Ob es geochemischen Ursprungs ist oder
                                                                                                     sphärischen Grenzschicht in                     Mars. Die Hoffnung auf den Fund von Leben                         tatsächlich von Mikroben im Untergrund
                                                                                                     etwa vier Kilometer Höhe zeigen                 ist aber drei Jahrzehnte nach den biologi­schen                   stammt (weit über 90 Prozent der Methanvor-
                                                                                                     oft Fallstreifen – Eiskristalle, die            Experimenten der Viking-Landesonden er-                           kommen in der Erdatmosphäre sind biolo-
                                                                                                     zunächst frei fallen und dann                   neut enttäuscht worden. Wie sollen wir nun                        gischen Ursprungs), wird man aber auch dann
                                                                                                     sublimieren (rechts).                           weitersuchen?                                                     noch nicht wissen. In relativ großen Mengen
                                                                                                                                                                                                                                 NASA, JPL / University of Arizona / Jim  A. Whiteway, York University, Kanada
                                                                                                     5,0                                                                                                 5,0

                                                                                                                                                                                                         4,5
                                                                                                     4,0
         Höhe (in Kilometern)

                                                                                                                                                                                  Höhe (in Kilometern)

                                                                                                                 1,00                                                                                    4,0
                                                                                                     3,0
                                                                                                                           Intensität des
                                                                                                                             Streulichts

                                                                                                                  0,85
                                                                                                                                                                                                         3,5
                                                                                                                  0,70
                                                                                                     2,0
                                                                                                                 0,55                                                                                    3,0

                                                                                                     1,0         0,40
                                                                                                                                                                                                         2,5

                                                                                                       0                                                                                                 2,0
                                                                                                             03.00       03.15              03.30      03.45    04.00     04.15                                04.30     04.40           04.50               05.00                05.10            05.20
                                                                                                                                             lokale Zeit                                                                                    lokale Zeit

                                                                                                     30                                                                                                                      SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT · APRIL 2010
Phoenix auf dem Mars - Spektrum der Wissenschaft
Astronomie & Physik

   Wo ist Phoenix jetzt?

   Nach der harten Polarnacht hat sich der Phoenix nicht wieder             (von links nach rechts). Die Bilder sind näherungsweise einge­
   aus der Asche erhoben. Diese Aufnahmen der Stereokamera des              nordet, und die abgebildete Fläche misst rund 40 mal 45 Meter.
   Mars Reconnaissance Orbiter zeigt die Sonde im Spätfrühjahr              Die Schatten der Solarpaneele im linken Bild verlaufen in Rich-
   an Sol 21 der Mission, mitten im Marswinter und im Frühjahr              tung Nordosten, was einem Aufnahmezeitpunkt am frühen Nach-
                                                                            mittag lokaler Zeit entspricht.
    16. 6. 2008                        30. 7. 2009   6. 1. 2010                 Das stark verrauschte mittlere Bild wurde wenige Tage nach
                                                                            Ende der Polarnacht bei geringer Lichtintensität aufgenommen,
                                                                            als die Sonne nur ein Grad über dem Horizont stand. Im rechten
                                                                            Bild erscheint die Sonde asymmetrisch; mögliche Ursache
                                                                            könnte die Beschädigung eines Solarpaneels durch das darauf
   NASA, JPL / University of Arizona
                                                                            lastende Trockeneis sein.

wurde das Schlüsselmolekül bislang in der                  forschung entwickelt. MOMA wird Moleküle
Marsregion Syrtis Major entdeckt, einer gro­               oder ihre Bruchstücke und Derivate auf bis
ßen, dunklen Oberflächenstruktur. Messun­                  1000 Grad Celsius erhitzen oder durch Laser-
gen, die ein Team um NASA-Forscher Micha-                  strahlen in die Dampfphase überführen, um
el Mumma im Jahr 2009 von der Erde aus                     sie mittels eines Massenspektrometers zu iden-
vornahm, ergaben zeitweilige Konzentratio­                 tifizieren. Organische Moleküle mittlerer Ge-
nen von bis zu 20 Molekülen pro Milliarde                  wichtsklasse, entsprechend etwa 100 bis 600
Luftmoleküle, die allerdings im Widerspruch                atomaren Masseneinheiten, kann das Instru-
zu Modellen der Marsatmosphärenchemie ste-                 ment schon in sehr geringer Konzentration
hen und kontrovers diskutiert werden. Diesen               nachweisen. Methoden der Ramanspektro-
Streit wird erst SAM schlichten können.                    skopie, Röntgendiffraktion und Röntgenfluo-
                                                           reszenz sowie der Nahinfrarotmikroskopie zur
Ab 2020 mit Rückflugticket?                                mineralogischen Untersuchung des Bodens
Im Jahr 2013 wird dann ein Orbiter folgen:                 ergänzen schließlich das Instrumentarium.          Walter Goetz, der 2002 am Center
Das NASA-Projekt MAVEN soll die äußeren                        Die Zukunft von ExoMars hängt allerdings       for Planetary Science der Univer­
Regionen der Marsatmosphäre und ihre                       vom Erfolg des Curiosity-Rovers ab, denn bei-      sität Kopenhagen promovierte,
                                                                                                              arbeitet als Physiker am Max-
Wechselwirkung mit dem Sonnenwind unter-                   de sollen dieselbe Landetechnologie nutzen.        Planck-Institut für Sonnensystem-
suchen. Diese Daten können in theoretische                 Bewährt sie sich nicht, muss auch ExoMars          forschung (MPS) in Katlenburg-Lin-
Modelle einfließen, aus denen sich die meteo-              neu überdacht werden, ebenso wie MAX-C,            dau. Im Jahr 2004 nahm er an der
rologischen Bedingungen früherer Zeiten re-                der Mars Astrobiology Explorer Cacher der          dreimonatigen Primärmission der
konstruieren lassen. Möglicherweise war es ja              NASA. MAX-C soll gemeinsam mit ExoMars             Mars Exploration Rover am kalifor-
                                                                                                              nischen Jet Propulsion Laboratory
auch die dünne Marsatmosphäre, welche die                  in derselben Landeschale, der aeroshell, auf den   teil. 2008 folgte die Mitwirkung an
biologische Aktivität an der Oberfläche des                Mars gelangen. Dank der größeren Mobilität         der Phoenix-Primärmission an der
Planeten nicht ausreichend förderte oder gar               und Reichweite des Rovers wird er einerseits       University of Arizona in Tucson.
verhinderte. Denn schließlich lehrt uns das                ExoMars den Weg weisen und darüber hinaus          Derzeit wirkt er auch am Bau von
Beispiel Erde, dass die Atmosphäre neben den               einen großen Probenbehälter besitzen, den al-      Instrumenten für den geplanten
                                                                                                              europäischen Rover ExoMars mit.
Ozeanen das entscheidende Medium für die                   lerdings erst eine Folgemission zur Erde zu-
Entwicklung von Leben war.                                 rückbringen soll.
   Zugleich ist sie ein hochsensibler Indikator                Die vielfältige Morphologie und Mineralo-      © American Scientist
für Leben: »Diagnostische Moleküle« wie Me-                gie der Marsoberfläche sind uns durch die          www.amsci.org
than sind selbst in geringsten Konzentratio­               Missionen in der ersten Dekade des Jahrhun-
nen aussagekräftige Marker für biologische                 derts deutlich vor Augen geführt worden. Da-
                                                                                                              Hecht, M. H. et al.: Detection of
Prozesse. Die gezielte Suche nach solchen Mo-              mit ist klar: Für den Erfolg der Rover wird die    Perchlorate and the Soluble
lekülen soll daher ab 2016 der Mars Trace Gas              Wahl ihres Landeplatzes ausschlaggebend sein.      Chemistry of Martian Soil at the
Orbiter der ESA aus einer Umlaufbahn heraus                Im Erfolgsfall werden ExoMars und MAX-C            Phoenix Lander Site. In: Science
fortsetzen und dabei insbesondere auch ihre                aber auch das Ende einer Epoche markieren –        325(5936), S. 64 – 67, 3. Juli 2009.
Quellen lokalisieren.                                      als die letzten großen Missionen, die nicht        Smith, P. H. et al.: H2O at the
   Dann, voraussichtlich im Jahr 2018, wird                zum Transport von Marsproben zur Erde vor-         Phoenix Landing Site. In: Science
mit ExoMars erstmals ein ESA-Rover auf den                 gesehen sind. Das werden erst ihre Nachfolger      325(5936), S. 58 – 61, 3. Juli 2009.
Weg geschickt und mit seinem Bohrer bis in                 leisten: In der dritten Dekade heben hoffent-
eine Bodentiefe von zwei Metern vordringen.                lich die ersten Sample-Return-Missionen ab,
                                                                                                              Zahlreiche Weblinks zu diesem
Das Gefährt soll mit dem Mars Organic Mo-                  um den Roten Planeten nicht nur zu errei-          Thema und den ergänzenden Text
lecule Analyser (MOMA) ausgestattet sein,                  chen, sondern auch wieder von dort zurück-         »Warum Mars?« finden Sie unter
den gegenwärtig das MPI für Sonnensystem-                  zukehren.                                         www.spektrum.de/artikel/1022877.

SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT · APRIL 2010                                                                                                         31
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