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Pinwand Netzwerk Diakonat der Frau Rundbrief für Mitglieder und Interessierte 25. Jahrgang Nr. 48 / August 2021 Liebe Leserinnen und Leser! Mit über 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern In zwei weiteren Beiträgen wird die Bedeutung war die zentrale Feier zum Tag der Diakonin so und Zukunftsfähigkeit des Diakonenamts be- gut besucht wie noch nie – ein positiver Effekt leuchtet. Unser Überblick über aktuelle Stellung- des pandemiebedingten online-Formats der nahmen zum Diakonat der Frau hält Sie kirchen- Veranstaltung. Zum Nachlesen und für alle, die politisch auf dem Laufenden. nicht teilnehmen konnten, berichtet die Pinwand Herzlich, Ihre ausführlich. Tagung und Mitgliederversammlung 2021 In diesem Jahr findet von 1. – 3. Oktober im Den Eröffnungsvortrag am Abend wird Prof. „Haus am Maiberg“ in Heppenheim die turnus- Dr. Martin Lörsch halten. Er lehrt an der Theo- mäßige Mitgliederversammlung statt. logischen Fakultät in Trier Pastoraltheologie und Sie ist geplant als Präsenzveranstaltung ge- ist Berater in der Pastoralkommission der Deut- mäß den gültigen Corona Schutzvorgaben und schen Bischofskonferenz. Die Pastoraltheologin dem Hygienekonzept des Tagungshauses. Soll- und langjährige Geistliche Leiterin der kfd im ten sich kurzfristig Änderungen ergeben, werden Bistum Freiburg, Dr. Elisabeth Hönig, wird den wir für alle Angemeldeten ein alternatives online- Blick auf das diakonische Handeln von Frauen in Format anbieten. der Kirchengeschichte lenken. Juliana Schulte- Anmeldeschluss ist der 10. September 2021. Wieschen, Referentin bei Adveniat, wird mit Er- Wie es seit vielen Jahren gute Tradition ist, fahrungen aus Lateinamerika den Blick in die beginnt die Mitgliederversammlung auch dieses Weltkirche öffnen. Mal wieder mit einer öffentlichen Tagung von Das genaue Programm und den Zeitplan ent- Freitag, 1. Oktober, 18.00 Uhr bis Samstag, nehmen Sie bitte der Tagungsausschreibung, 2. Oktober, 17.00 Uhr. Das Thema der Tagung die dieser Ausgabe der „Pinwand“ beigefügt ist. lautet: „Seelsorge und Diakonie – Kirchesein Wir freuen uns auf eine spannende Tagung in unsicheren Zeiten“. und laden alle Mitglieder und Interessierte herz- Die Erfahrungen in und mit der Coronapande- lich nach Heppenheim ein! mie fordern einmal mehr dazu heraus, die zent- Im Anschluss an die Tagung findet von rale Bedeutung des Diakonischen für die Seel- Samstag, 2. Oktober, 19.00 Uhr bis Sonntag, sorge neu und verstärkt in den Blick zu nehmen. 3. Oktober, 13.00 Uhr die 12. ordentliche Mit- Viele klagen, dass niemand fragt, wie es ihnen gliederversammlung des „Netzwerk Diakonat geht. Viele vermissen, dass jemand sie aufsucht der Frau“ statt, mit Vorstandswahlen, Diskus- und ihnen zuhört. Es zeigt sich: Kirche ist da sion des Vorstandsberichts und Beratung über glaubwürdig, wo sie sich in der Nachfolge des aktuelle Herausforderungen für die Arbeit des dienenden Christus den Menschen zuwendet. Netzwerks. Die Mitgliederversammlung beginnt Diesen Herausforderungen will die Tagung am Abend des 2. Oktober um 19.00 Uhr. nachgehen. Impulse aus Theologie, Frauen- Sie wird am Sonntag, den 3. Oktober, nach geschichte und Weltkirche sollen zu einer kriti- der Eucharistiefeier fortgesetzt. Den Ausklang schen und konstruktiven Diskussion anregen, bildet das gemeinsame Mittagessen. aus der Anregungen für eine diakonische Praxis Einladung, Tagesordnung, Vorstandsbericht und eine zukunftsfähige Gestalt des Diakonats und Brief des Wahlausschusses sind für alle Mit- der Frau hervorgehen. glieder dieser Ausgabe der „Pinwand“ beigefügt.
Tag der Diakonin 2021 GERECHT – Tag der Diakonin 2021 Unter der Überschrift „GERECHT“ fand in diesem Jahr die zentrale Veranstaltung zum Tag der Diako- nin statt, coronabedingt online. Mehr als 500 Menschen hatten sich per Zoom eingewählt. Die vier Veranstalter – KDFB, kfd, Zdk und Netzwerk – werteten diese hohe Beteiligung als wichtiges Signal. Nach einem Gottesdienst, in dessen Mittelpunkt wissen sich von Gott gerufen. Mit ihrem diakoni- das Gleichnis von der beharrlichen Witwe aus schen Handeln, ihrer Liebe zu Gott und den dem Lukasevangelium stand, ging es im Studien- Menschen und auch mit ihrem Schmerz über die teil um die Frage nach Gerechtigkeit und einer Nichtanerkennung ihrer Berufung machen sie Kirche, zu deren Wesensmerkmalen diakoni- sichtbar, was der Kirche fehlt. Ein zuletzt wieder sches Handeln gehört, das nur dann glaubwürdig ins Gespräch gebrachtes Sonderamt für Frauen ist, wenn auch Geschlechtergerechtigkeit verwirk- ohne sakramentale Weihe ist keine Lösung. Der licht wird. Tag der Diakonin macht seit mehr als 20 Jahren In ihrer Begrüßung betonte Professorin Dr. auf eine schmerzliche Form der Diskriminierung Agnes Wuckelt, stellvertretende kfd-Bundesvor- von Frauen aufmerksam.“ sitzende: „Der Tag der Diakonin zeigt auch in die- Da der Tag der Diakonin ursprünglich in Mün- sem Jahr die Bedeutung der gleichberechtigten chen stattfinden sollte, war die Bistumsleitung des Erzbistums München-Freising um ein Grußwort gebeten worden. Domkapitular Msgr. Thomas Schlichting knüpfte an die Weihepräfation zur Weihe von Diakonen an, in der es an Gott, den Schöpfer, ge- richtet heißt: „Du fügst und gewährst immer neu, was uns Not tut im Wechsel der Gezeiten durch dein Wort, deine Weisheit und Kraft.“ Er erklärte „Dieser Satz steht bewusst im Präsenz. Die Über- schrift über die dann genannte Stiftung des drei- gliedrigen Weihamtes in diesem Gebet verweist darauf, dass Gottes Wirken nicht nur in der Ver- gangenheit stattfand, sondern jetzt im Augenblick, in dieser Stunde der Kirchengeschichte. Daraus Prof. Dr. Agnes Wuckelt, stellvertretende kfd-Bundes- vorsitzende, hält die Gleichberechtigung von Frauen und leitet sich für mich der Auftrag der Kirche ab, das Männern in der Kirche für ein wesentliches Element ihrer von Gott einst Gestiftete jeweils neu konkret zu Zukunftsfähigkeit. gestalten.“ Wie groß der Gestaltungsspielraum bezüglich des Weiheamtes ist, darüber gebe es in Teilhabe von Frauen am sakramentalen Dienst der Kirche unterschiedliche Aussagen und An- des Diakonats auf. Zukunftsfähigkeit bedeutet für sichten, je nachdem, ob man in einer römischen die Kirche, ihrer Sendung treu zu bleiben und die Glaubenskongreation oder im Vorstand eines Menschen mit ihren Fragen, Nöten und Freuden großen Frauenverbandes in Deutschland sitze. zum Maßstab ihres Handelns zu machen. Wenn „Aber“, bekräftigte er „der Gestaltungsauftrag der die Kirche nicht bereit ist, die Gleichberechtigung Dienste und Ämter fordert uns jetzt heraus, nicht von Frauen und Männern endlich anzuerkennen, nur das in der Vergangenheit Gelebte, einst dann steht ihr eine schlechte Zukunft bevor.“ Gestiftete, stets neu nur zu bekräftigen, sondern Die Vorsitzende des Netzwerks, Irmentraud auch die Nöte der Zeit genauso zu hören und zu Kobusch, erklärte: „Die beharrliche Forderung schauen, wie die Charismen, Begabungen und nach der sakramentalen Weihe von Frauen zu Berufungen wahrzunehmen.“ Er wünschte der Diakoninnen gehört unbedingt zum Einsatz für Veranstaltung „eine vieldimensionale Wirkung für mehr Gerechtigkeit. Seit das 2. Vatikanische Kon- das Leben der Kirche, damit möglich wird, was zil das Amt des Ständigen Diakonats leider nur manchen noch unmöglich scheint.“ für Männer wieder eingeführt hat, steht sie im Der Impulsvortrag von Prof. Dr. Anna Raum. Dass die Kirche die Berufung von Frauen Noweck, Professorin für Theologie in der Sozia- zur Diakonin bis heute nicht anerkennt, wird nicht len Arbeit an der Katholischen Stiftungshoch- mehr verstanden. Frauen stehen bereit. Sie schule München stand unter der Überschrift: 2
Tag der Diakonin 2021 „Miss Achtung – Sozialethische Impulse zu Ge- keiten entsprechend ausgebildet werden und die schlecht und Gerechtigkeit in Kirche und Gesell- sakramentale Weihe erhalten.“ schaft“. Auszüge aus dem Vortrag sind auf der Der Präsident des Zentralkomitees der deut- nächsten Seite wiedergegeben. schen Katholiken, Prof. Dr. Dr. Thomas Stern- Anschließend wurden drei Initiativen vorge- berg, schlug den Bogen zum Synodalen Weg stellt, die sich beharrlich für Gerechtigkeit einset- und rief dazu auf: „Lassen Sie nicht locker! zen. Pater Dr. Korbinian Linsenmann präsen- Bleiben Sie dran! Gerade so wie es die Witwe im tierte den Obdachlosen-Treff der Abtei St. Bonifaz Gleichnis ja vorgemacht hat. Machen Sie den Synodalen Weg zu einer breiten Bewegung nicht zuletzt auch für Ihr Thema.“ Er erinnerte an die Merowinger Königin, die Heilige Radegunde, die im Jahr 555 den Bischof von Noyan nötigte, sie zur Diakonin zu weihen. „Es ist höchste Zeit, diese uralte kirchliche Praxis wiederzubeleben.“ „Die theologisch-wissenschaftlichen Grundla- gen dazu sind geklärt“, fuhr Sternberg fort. „Sie sind insoweit geklärt, dass eine Entscheidung in Dr. Jutta Mader, Leiterin des 3. Diakonatskreises, informiert über den Diakonatskreis (Foto: privat). in München, Dr. Jutta Mader stellte den Dritten Diakonatskreis des Netzwerks vor, Sr. Susanne Schneider MC, sprach für die Gruppe „Ordens- frauen für Menschenwürde“. Prof. Dr. Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, ist davon überzeugt, dass die diakonische Arbeit in der Kirche und den Kirchengemeinden ohne das Engagement der Frauen zusammenbrechen würde. dieser oder jener Richtung möglich ist. Das haben wir so von der Glaubenskongreation bei einem Besuch in Rom gehört. Der Papst könne so oder so entscheiden.“ Nach Sternbergs Einschätzung müsse man allerdings den Eindruck haben, der Sr. Susanne Schneider MC stellt die Arbeit der Gruppe Papst hüte sich vor einer Entscheidung, nicht „Ordensfrauen für Menschenwürde“ vor. zuletzt aus Sorge vor restaurativen Kräften, die sowieso an seinem Stuhl sägen. „Aber“, so be- Dr. Maria Flachsbarth, KDFB-Präsidentin, kräftigte er, „ich denke, mit diesem Tag da sen- fasste zusammen: „Es ist eine Frage der Gerech- den Sie, da senden wir alle, ein Signal nach Rom tigkeit, allen Getauften und Gefirmten den Zu- zu Papst Franziskus, seine ja immer wieder gang zu allen Diensten und Ämtern in der Kirche große Wertschätzung von Frauen im kirchlichen zu öffnen. Alle Menschen müssen ihrer Berufung Dienst und in kirchlichen Leitungsfunktionen da- folgen können, weil sie als Abbild Gottes gleich durch zu unterstreichen, dass er den Diakonat an Wert und Würde sind. Eine glaubwürdige der Frau endlich wiederbelebt.“ Kirche ist einladend und nicht ausgrenzend. Die ganze Veranstaltung ist nachzuhören auf: Frauen, die sich zum diakonischen Dienst beru- https://vimeo.com/554650257 fen fühlen, sollen ihren Charismen und Fähig- Gabriele Greef, Thea Krüger 3
Tag der Diakonin 2021 „MISS ACHTUNG – Sozialethische Impulse zu Geschlecht und Gerechtigkeit in Kirche und Gesellschaft“ Der Impulsvortrag, den Frau Professorin Dr. Anna Noweck am 29. April 2021 im Rahmen des Tags der Diakonin auf der zentralen online-Veranstaltung gehalten hat, ist nachzuhören auf: https://vimeo.com/554650257 Gabriele Greef hat sich den Vortrag noch einmal angehört und einige Sätze und Thesen zusammen- gestellt, die ihr besonders wichtig scheinen. 1. „Die Unmöglichkeit der Weihe für Frauen be- 5. „Im Blick auf Frauen in Gesellschaft und deutet nicht nur den Ausschluss von Frauen als Kirche sehe ich weder das eine noch das andere. Frauen vom Amt, sondern damit auch den Aus- Care-Arbeit, familiär als auch außer-familiär und schluss vom Anspruch alle Charismen vollum- diakonischer Selbstvollzug der Kirche durch fänglich auszuagieren, den Ausschluss von der Frauen, was sozusagen Care in der Kirche ist, umfassenden spirituellen Begleitung von Men- beide Bereiche, beide Care Teile werden als schen und vor allen Dingen den Ausschluss hin- Liebesdienst verbrämt, der weiblichen Men- sichtlich von Einflussmöglichkeit und Entschei- schen aus der Brust, man könnte auch sagen, dungsmacht. Das stellt schlicht und einfach eine aus dem weiblichen Busen, quellen würde. In Diskriminierung auf Grund des Geschlechts diesem Sinne naturgegeben, ist das, was phy- dar.“ sisch und psychisch ein Knochenjob ist, nämlich 2. „Was all diesen Ausschlussphänomenen ge- die Care, weder groß herauszustellen, noch zu meinsam ist, ist, dass sie Leid erzeugen ... Dieses entgelten.“ Leid ist wie ein Seismograph für Ungerechtig- keit.“ 3. „Was wäre gerecht? Im Mittelpunkt aller Gestaltung von Gesellschaft und Organisationen und Institutionen und damit auch der Kirche steht der Mensch. Grundgelegt in der Menschenwürde, muss er, muss sie über die Möglichkeiten, die Freiheit verfügen, selbstbestimmt und sozial inte- griert ein gutes Leben entwerfen und es auch füh- ren zu können. Dieses Prinzip der Personalität schreibt sich die Katholische Soziallehre seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert zu Recht und nach- drücklich auf ihre Fahnen, wenn sie sich für Ge- rechtigkeit in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft Prof. Dr. Anna Noweck, Professorin für Theologie in der Sozialen Arbeit an der Katholischen Stiftungshochschule insgesamt einsetzt … sie sollte es auch auf ihre München sieht in der Missachtung der Care-Arbeit von eigenen Strukturen im Innern anwenden.“ Frauen einen Seismographen für Ungerechtigkeit und wirbt 4. „Ein weiterer Punkt, der mir beim Nach- um gemeinsame Verantwortung, Solidarität von Frauen und denken über Gerechtigkeit und Geschlecht auf- Enthusiasmus für den Diakonat der Frau. stößt, ist die Missachtung weiblicher Tätig- keiten. Und hier möchte ich auf vorwiegend weib- 6. „Dieses Framing der Nichtbeachtung und liche Tätigkeiten in der Care-Arbeit, in der Sorge Missachtung hält Frauen klein. Im Blick auf den für Andere, blicken. In der Care-Arbeit im gesell- Kirchenbereich ist es hier natürlich die Weihe zur schaftlichen Raum und auch für die Care im Diakonin, die eben den diakonischen Dienst und Rahmen der Kirche, die zuallererst von Frauen die starke Beteiligung der Frauen daran aufwer- getragen wird, finden wir hier wie dort geringe, bis ten würde. Und das würde nicht nur den Frauen, keine Anerkennung. Anerkennung spiegelt uns sondern das würde unserer Kirche insgesamt uns selbst durch die Augen Anderer zurück. Sie guttun.“ lässt uns Bestätigung, Selbstbewusstsein und 7. „Gleichzeitig ist es mir wichtig zu betonen, Selbstvertrauen ausbilden – oder eben auch dass es nicht allein um die Anerkennung von nicht. Anerkennung kann in Form von Achtung Frauen geht, sondern vielmehr um die Frage, wie und Respekt, aber auch in Form von monetärer wir Sorge, Care, um andere generell bewerten. Anerkennung ausgedrückt werden.“ Care-Arbeit, die durchaus auch von Männern 4
Tag der Diakonin 2021 getragen wird, getragen werden soll und getragen ist, die anerkannt und entgolten werden muss. werden muss. Wenn wir uns im Blick auf Care nur Und indem wir reflektieren, wie wir anderen auf sogenannte Frauenwelten fokussieren, dann Frauen oder auch anderen Care-Givern begeg- bestätigen wir genau die fatale Festschreibung nen, wie wir sie werten oder wie wir uns solida- von Frauen zu Care, zu Gefühl, zu unbe- risch mit ihnen verhalten können.“ zahlter Arbeit, die im privaten, nicht öffentlichen, 12. „Achtung, es geht mir nicht um eine Schuld- also unsichtbaren Raum stattfindet. Und dem zuweisung an Frauen für ihre Stellung als Frauen, gegenüber die Zuschreibung von Männern zu was jetzt im Sinne eines, ja, man könnte sagen, Erwerbsarbeit und zu Erwerbseinkommen zu weiblichen Märtyrertums wunderbar ins Bild pas- Vernunft, zu bezahlter Tätigkeit im öffentlichen sen könnte. Nein, es geht mir um eine selbst- Bereich und zu Macht. Und genau diese Zuord- reflektierte Haltung und die gemeinsame Verant- nung und Gegenüberstellung, diese Dichotomie, wortung aller am Diskurs Beteiligten einerseits stellt eine der Wurzeln des Problems dar. Und und andererseits aber auch um die Forderung deshalb sollten wir hier eine Öffnung wagen und von weiblicher Solidarität, die ich durchaus uns dabei verbünden mit allen, die Care geben.“ auch manchmal schmerzlich vermisse.“ 8. „Warum ist es so schwierig, eine Aufwertung 13. „Verändernde Prozesse von Umverteilung, und Anerkennung zu erreichen? Wertungen sind von Aufgabe von Machtbereichen und auch tief in unsere Empfindungen, in unsere Wahr- transformative Maßnahmen der Anerkennung von nehmungen und unsere Denkkategorien ein- Frauen, von Care-Givern, sind nicht leicht zu geschnitten. Sie prägen und leiten uns quasi haben, sind nicht leicht zu implementieren, denn vorreflexiv. Das verdanken wir dem Prozess der sie nehmen uns quasi das Geländer im Treppen- Sozialisation, den wir ja alle durchlaufen und in haus unseres Lebens. Sie machen fluide und dem wir Muster, Stereotype und eben Wertungen fließend, was klar definiert war und sie ver- gleichsam von Kindesbeinen an aufsaugen.“ wischen, wo Grenzziehungen etabliert waren. 9. In Bezug auf den Kampf von Frauen und ihre Und das verunsichert. Das macht Angst. Und Position in Gesellschaft und Kirche braucht es diese Angst ist in meiner Wahrnehmung zweierlei. „Erstens heißt es: Mitdenken und mit- gesellschaftlich, wie innerkirchlich, deutlich verändern müssen auch die, die derzeit privi- spürbar.“ legierte Positionen einnehmen. Das sind im 14. „Argumente gegen die gleichberechtigte Blick auf gesellschaftliche Strukturen Männer und Achtung von Frauen aus Begründungszusam- leider noch wenige Frauen in führenden Posi- menhängen – einerseits aus Tradition und tionen, in Machtpositionen, in den verschiedenen vermeintlich feststehender Kultur – andererseits Gesellschaftsbereichen. Und im Blick auf die aus Begründungszusammenhängen, die in der Kirche sind es die Männer im Amt.“ Transzendenz verankert werden, überzeugen 10. „Dabei ist dieses ,Mittun-Müssen‘ keine vielleicht mehr von der Angst vor Veränderung haltlose, willkürliche Idee, sondern legitimiert und einer Neuverteilung von Pfründen, als sich ... durch das Leid, das auf die Ungerech- dass sie uns heute angesichts des starken Ge- tigkeit verweist, diese Ungerechtigkeit, die gengewichts an theologischen und sozialwissen- angesichts der letztlich grundlegenden Würde schaftlichen Wissensständen noch überzeugen aller Menschen bekämpft werden muss. Und das können.“ ist, wenn wir auf die Kirche schauen, eigentlich 15. „Und deshalb braucht es Mut, das doch der Kern unserer Botschaft!“ Unmögliche zu denken, um das auch zu tun. 11. „Zweitens ist es aber auch unabdingbar, … Es braucht den Enthusiasmus, vielleicht auch dass wir uns immer wieder selbst kritisch und die Chuzpe, sich auf etwas Neues einzulassen. unvoreingenommen selbst reflektieren und … Möge also dieser Mut allen zuwachsen, uns prüfen, wo und wie wir überkommene Strukturen allen, die wir über Kirche und Gesellschaft auch mittragen in diesen erlernten Settings der nachdenken, Kirche und Gesellschaft leben und kirchlichen und gesellschaftlichen Strukturen. gestalten, damit es nicht nur gut für eine Frau, Oder wo wir sie hinterfragen. Dass wir prüfen, wo sondern für alle Frauen und letztlich für alle in und wie wir die Wertungen und Abwertungen re- Kirche und Gesellschaft im Großen werden produzieren oder auch brechen können, indem kann.“ wir etwa klar benennen, dass Care-Arbeit Arbeit Zusammenstellung der Zitate von Gabriele Greef 5
Tag der Diakonin 2021 Nicht nachlassen! Beim zentralen, online gefeierten Gottesdienst zum Tag der Diakonin stand das Gleichnis vom Richter und der beharrlichen Witwe (Lk 18,1 – 8) im Mittelpunkt. Die folgenden Texte nehmen darauf Bezug. Nicht nachlassen – Meditation zu Lk 18,1 – 8 „In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm.“ Nicht nachlassen. Eine Witwe, eine Frau ohne Beistand, fordert ihr Recht. Nicht nachlassen. Weder die Arroganz der Mächtigen, noch die Aussichtslosigkeit ihrer Sache können sie lähmen. Nicht nachlassen. Weder mit Charme, noch mit Schönheit kann sie punkten. Nicht nachlassen. Die Nachbarn und Freunde warnen sie: Du darfst den Bogen nicht überspannen! Nicht nachlassen. Der rücksichtslose Richter will endlich Ruhe – und verschafft ihr Recht! Nicht nachlassen. Jesus glaubt, dass es hier etwas zu lernen gibt: Vertrauen! Die Menschen nicht fürchten, das eigene Herz nicht beschwichtigen, vertrauen – nicht nachlassen. Dorothee Sandherr-Klemp Nicht nachlassen – Erfahrungen Beharrlichkeit, Ausdauer, sich nicht entmutigen uns Kraft gibt. Wir werden nicht nachlassen uns lassen, sondern weitergehen auf dem schwie- für die Gleichberechtigung von Frauen in der rigen Weg, das durfte ich in über zwanzig Jahren Kirche einzusetzen. im Netzwerk Diakonat der Frau erfahren. Immer So nach und nach hat sich die Situation ganz wieder sind wir für die sakramentale Weihe von langsam gewandelt. Heute darf an vielen Orten Frauen zu Diakoninnen eingetreten, waren mit über die Berufung von Frauen zum sakramentalen unserem Anliegen sichtbar und hörbar. Amt der Diakonin geredet und diskutiert werden. Anfangs war unsere Arbeit sehr schwierig, Dis- Gleichzeitig wissen wir aber, dass wir noch ein kussionen über unser Anliegen wurden entweder sehr schwieriges, und steiles Stück Weg vor uns durch Themenwechsel schnell beendet oder gar haben. Und so werden unsere Stimmen weiterhin nicht erst zugelassen. hörbar sein, wir werden weitergehen auf unserem Im Miteinander, im gemeinsamen Gebet spüren Weg. wir, dass Gottes Heilige Geistkraft mit uns geht, Stefanie Heller 6
Tag der Diakonin 2021 Rund um den Tag der Diakonin In zahlreichen Diözesen fanden im Umfeld des Tags der Diakonin Veranstaltungen statt. So erklärte im Bistum Osnabrück bei der online Veranstaltung „Keine Kirche ohne Frauen“ Bischof Bode, er halte es für falsch, wenn immer wieder nach theologischen Gründen gesucht werde, warum Frauen nicht Priesterinnen oder Diakoninnen werden könnten. Stattdessen müsse vielmehr danach gefragt werden, ob Frauen in sakramentalen Weiheämtern der Intention Jesu widersprächen. Darauf gebe es keine einfache Antwort. Der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer sagte bei einer Online-Veranstaltung der katholischen Akademie „Die Wolfsburg“: „Ich halte es für notwendig, dass Frauen Zugang zu den Ämtern haben.“ Dass Frauen sich berufen fühlten, gelte zwar immer noch als „Tabu“. „Aber der offene Dialog darüber ist der erste Schritt zu bereichernden Veränderungen.“ Im Bistum Trier erklärte Herbert Caspar, der Vorsitzende des Katholikenrates, bei der Veranstal- tung „Zur Diakonin berufen – Was nun?“, bei den meisten stelle sich die Frage, die Kirche zu verlas- sen, nicht. „Sie wollen in der Kirche bleiben und heraustreten aus ihren Nischen, damit die Kirche ein farbenfrohes Gesicht bekommt. Das Gesicht von Frauen und Männern, die gleichermaßen gleich- berechtigt sind.“ Von der viel beachteten Veranstaltung im Bistum Rottenburg-Stuttgart berichtet Hannelore Illchmann: „Die Zeit des Redens ist vorbei – Zeit ist schon zu die Diskriminierung von Frauen mit dem Rassis- viel vertan.“ Mit diesem Satz eröffnete Veronika mus, was ihr einen heftigen Schlagaustausch mit Rais-Wehrstein, Mitglied im Präsidium des Diöze- Bischof Oster einbrachte, der sich als Rassist an sanrats, am 17. April 2021 das erste Frauenforum den Pranger gestellt fühlte. „Wer jetzt nichts tut, der Diözese Rottenburg-Stuttgart, an dem sich tut trotzdem etwas“, schloss Frau Prof. Rahner etwa 200 Frauen digital beteiligten. Ausgerichtet ihr klar formuliertes Referat. wurde das Frauenforum vom Diözesanrat und Die vom Bischof dringend erwarteten prakti- dem Fachbereich Frauen der Diözese. schen Konsequenzen beschränkten sich zu- Die Grundlage für das Gespräch über die The- nächst darauf, dass Bischof Fürst versprach, alle menbereiche Berufungen, Geschlechtergerechtig- Frauen, die sich zur Diakonin oder zur Priesterin keit, Leitung und Macht sowie Spiritualität bildeten berufen fühlten, zu einem Gespräch einzuladen. sehr interessante Impulsreferate zu den Themen. Er sagte weiterhin zu, sich in der Vollversamm- Danach fanden Gespräche in Kleingruppen statt. lung der Bischofskonferenz und beim Synodalen Zwei Referate waren besonders aussagekräf- Weg mit Vehemenz für die Weihe von Diakonin- tig: Schwester Nicola Maria Schmitt von der City- nen einzusetzen. Doch ohne den Segen der Welt- Pastoral Stuttgart setzte sich auf dem Hintergrund kirche könne die Ortskirche nicht handeln. Immer- ihrer Erfahrungen aus Gesprächen mit vielen hin sagte er nach der Veranstaltung in einem Menschen dafür ein, die Berufungen von Frauen, Brief an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des ihre besonderen Kompetenzen und Charismen Frauenforums und später auch in Presseartikeln endlich anzuerkennen. Sie wies auf die Gefahr zu, alle Möglichkeiten, die das Kirchenrecht hin, dass wertvolle Sakramente wie Beichte und bietet, in der Diözese auszuschöpfen und nicht- Krankensalbung verschwinden könnten, weil es geweihte pastorale Dienste zur Spendung der zu wenige Priester zu ihrer Spendung gibt und Taufe und Eheassistenz im Einvernehmen mit der Gespräche-Suchende und Patientinnen und Bischofskonferenz zu beauftragen. Des Weiteren Patienten sich lieber an einen Seelsorger oder plant er, bereits vorhandene Formen der Ge- eine Seelsorgerin wenden, zu denen sie persön- meindeleitung durch Laien auszubauen und zu liche Beziehungen aufgebaut haben. qualifizieren. Die Tübinger Theologin Dr. Johanna Rahner Bewegung im Episkopat ist wohl festzustellen – stellte in ihrem Referat klar heraus, dass Katho- allerdings oft in der Richtung, dass Aufgaben und liken und Katholikinnen seit Jahrzehnten in einer Dienste aus dem Weiheamt ausgelagert werden, Doppelexistenz leben, da die gelebte Wirklichkeit alles in dem Bemühen, Frauen eben kein Weihe- in der Gesellschaft und die Wirklichkeit in der amt zu geben. Kirche sich absolut widersprechen. Sie verglich Hannelore Illchmann 7
Das Amt des Diakonats Das Amt des Diakonats Mit seinen Diakonatskreisen will das Netzwerk dem Diakonat der Frau den Weg bereiten. Damit verbunden ist aber auch die Hoffnung, durch die Erfahrungen und den geistlichen Weg von Frauen einen Beitrag zum Profil und Verständnis einer zukunftsfähigen Gestalt des Amts des Diakonats zu leisten. Immer wieder wird gefragt: – Was ist das für ein Amt, dessen Öffnung für Frauen gefordert wird? – Worin liegt seine Bedeutung für die Kirche? – Welche Zukunft hat dieses Amt, in das sich Frauen berufen fühlen? In den letzten Monaten sind zu dieser Frage zwei wichtige Beiträge erschienen. Sie machen auf Herausforderungen aufmerksam, zeigen Perspektiven auf, geben Anregungen für die Diskussionen um den Diakonat der Frau. Mit dem Abdruck der beiden Essays möchten wir sie einem breiteren Leser*innenkreis zur Verfügung stellen und ihre Rezeption für die Arbeit des Netzwerks erleichtern. Stefan Sander † Die Marginalisierten – Sorgenvolle Bestandsaufnahme des Diakonats Einst hat das Zweite Vatikanum das Diakonat neu tium, Nr. 8). Seine enge Verbindung zu Karl belebt. Heute ist dessen Zukunft in Gefahr. Die Rahner, dem spiritus rector der Diakonatsbewe- Theologie des Amtes ist umstrittener denn je, gung, und seine Nähe zum Deutschen Caritas- eine neue Studie verrät ein diffuses Selbst- Verband wurden im Laufe der Jahre zum Dreh- verständnis, und der Nachwuchs ist knapp. Ein und Angelpunkt der weiteren Entwicklung. Für Weckruf. Kramer werde durch den Priester vergeblich Das Internationale Symposium zur Theologie versucht, die Lücke zu schließen, die durch das des Diakonats, das im Frühjahr 2020 in Stuttgart Fehlen des Diakonats entstanden ist. geplant war, trug den Titel: „Das Gesicht der Kir- Schon die theologischen Hinweise in den Kon- che im Alltag der Menschen?“ Papst Franziskus zilstexten selbst ließen erahnen, dass die Debatte hatte beim Empfang aus Anlass des 50-jährigen um „eines der kostbarsten Geschenke des Kon- Jubiläums des Internationalen Diakonatszentrums zils“ (Balthasar Fischer) nicht allzu schnell ver- 2016 den Diakon so bezeichnet. Wie ist es um stummen würde. Entscheidende Konzilsdoku- das Amt und seinen Dienst heute bestellt? mente für die Erneuerung des Diakonats sind die Franziskus, der immer wieder vor einer unnötigen beiden Kirchenkonstitutionen des Zweiten Vatika- Klerikalisierung der Kirche warnt und daran nischen Konzils, „Gaudium et Spes“ und „Lumen erinnert, dass die Diakone nicht einfach erstklas- Gentium“. Ersteres formuliert: „Es geht um die sige Ministranten oder Priester zweiter Klasse Rettung der menschlichen Person, (…) um den sind, sieht im Diakon den Hüter des Dienstes in rechten Aufbau der menschlichen Gesellschaft“ der Kirche. (GS 3). Dem Auftrag zum Dienst am Menschen Die Anfänge der Diakonatsbewegung weisen gemäß werden den Diakonen die Hände „nicht den Weg für das Amt, das zuvor nahezu 1000 zum Priestertum (sacerdotium), sondern zur Jahre zur bloßen Weihestufe abgewertet gewe- Dienstleistung (ministerium)“ (LG 29) aufgelegt. sen war. Im Jahr 1977, 25 Jahre nach der Grün- dung der ersten Diakonatskreise in Deutschland, Schwierige Abgrenzung sprach Hannes Kramer, eine der bedeutendsten Das Konzil irritiert, weil LG mit dem Begriff sacer- Gestalten der Anfänge, von der Prägung einer dotium (LG 10) auch die gemeinsame Würde aller franziskanischen Haltung. Der Freiburger Caritas- Getauften umschreibt. Von daher ist dieser Ter- Mitarbeiter erinnerte an die Anfänge des Dia- minus nicht zur Differenzierung von Diakonat und konats im Urchristentum und an den Dienst der Presbyterat geeignet, zumal die zitierte Formel in Sieben in der Apostelgeschichte (Apg 6,1–7). Der dieser Kurzform aus einer diakonatsfeindlichen (!) Diakon solle sich den Ärmsten und Vergessenen Quelle stammt; darin wurde die enge Verbindung zuwenden und die Nachfolgegemeinschaft daran zwischen Bischof und Diakon, die der Ursprungs- erinnern, dass die Kirche in den Armen und text betonte, einfach gestrichen. Leidenden das Bild dessen erkennt, „der sie Zugleich findet sich in LG 29 eine eher additive gegründet hat und selbst ein Armer und Auflistung der Aufgaben des Diakonats. Danach Leidender war“ (Zweites Vatikanum, Lumen Gen- dient der Diakon, mit sakramentaler Würde ge- 8
Das Amt des Diakonats stärkt, „dem Volke Gottes in der Diakonie der ständnis der Kirche in die Ämtertrias ein. Be- Liturgie, des Wortes und der Liebestätigkeit in rechtigte Skepsis wurde diesem Modell in all den Gemeinschaft mit dem Bischof und seinem Pres- Jahren vor allem deshalb entgegengebracht, weil byterium“. Eine theologische Begründung findet die Ordination eines Helferamtes ohne Voll- die Wiedereinführung des Diakonats – gewiss machten den Keim des Klerikalismus in sich trägt kein Zufall – im Konzilsdekret „Ad Gentes“ über und das gemeinsame Priestertum abwertet. die Missionstätigkeit der Kirche. Dort heißt es: „Es Weihe gerät zur persönlichen Heiligung, struktu- ist angebracht, dass Männer, die tatsächlich relle Nachrangigkeit des diakonalen Dienstes und einen diakonalen Dienst ausüben, (...) durch die amtstheologische Bedeutungslosigkeit werden (…) Handauflegung gestärkt und dem Altare manifestiert. enger verbunden werden, damit sie ihren Dienst Das bipolare Amtsmodell dagegen suchte mit Hilfe der sakramentalen Diakonatsgnade wirk- das presbyterale und diakonale Amt der doppelt- samer erfüllen können“ (AG 16). einen Grunddimension der Kirche – communio In den Anfangsjahren suchte der Diakonat sein und missio – zuzuordnen, der Presbyter erinnert eigenständiges Profil in Auseinandersetzung und die Grunddimension des Nicht-aus-sich-selbst, Abgrenzung zum priesterlichen Amt, dessen der Diakon die des Nicht-für-sich-selbst (Bernd Mangel erst seine Wiedereinführung protegierte. Jochen Hilberath, Thesen zur Theologie des Er sollte und wollte allerdings kein Lückenbüßer, Diakonats, in: Klaus Kießling [Hg.], Ständige Hilfspriester oder halber Priester mit geringen Diakone – Stellvertreter der Armen? Berlin 2006, amtlichen Vollmachten sein. Gleichwohl war 98). Diesem Differenzierungsversuch haftet zwar diese Abgrenzungsbewegung nicht durchgängig etwas Künstliches an (Matthias Remenyi, Die von Erfolg gekrönt. Wie sollte sie auch gelingen, Autorität des Dienens, in: Remenyi [Hg.], Amt und suchten doch etliche Diakone der Anfangszeit Autorität, Paderborn 2012, 177); andererseits ihren stillen Lebenstraum priesterlicher Existenz plädiert das Modell für eine theologisch begrün- im Diakonat nachträglich zu verwirklichen. dete gleichwertige Zuordnung des presbyteralen Die anfänglichen Erfahrungen nach der Wie- und diakonalen Amtes, also der beiden Arme des dereinführung deuten zudem darauf hin, dass der Bischofs. Für viele scheint hier zu viel Kollegialität ständige Diakonat seinen Weg in manchen gewagt. Diözesen eher als Anerkennung des kirchlichen Das komplementäre Amtsmodell schließlich Einsatzes einiger Laien begonnen hat (persön- geht von der sakramentalen Fülle im Bischofsamt liche Heiligung) denn als Möglichkeit, das ge- aus, Presbyter und Diakon haben ihren je weihte Amt weiterzuentwickeln. Es fehlte die Er- spezifischen Anteil daran. Der Communio-Ekkle- fahrung, das eine Amt in vielfältiger Ausformung siologie des Konzils gemäß komme den Ämtern zu entwickeln. Die Wiedereinführung brachte die repraesentatio Christi, des Hauptes der Kir- schließlich eine Pluralisierung im Weiheamt und che, zu. Ihre Leitungsfunktion ist in der Sakra- damit scheinbar für viele unausweichlich eine mentalität des Amtes begründet. Der Diakon re- Relativierung im Sinne einer Entwertung des präsentiert Christus den Diener und die dienende priesterlichen Amtes und seiner Lebensform mit Kirche, seinen Dienst vollzieht er in allen Grund- sich. vollzügen der Kirche. Im Diakonat manifestiere Drei theologische Modelle des Zusammen- sich der diakonale Grundcharakter allen kirch- spiels der Weiheämter wurden im Laufe der Zeit lichen Handelns. diskutiert, zwei prägten die Entwicklungen in den Dieses in vielen Ortskirchen theologisch favo- Diözesen und konkurrieren miteinander. risierte Modell hat den Diakon trotz aller Eigen- Im hierarchischen Stufenmodell wird dem ständigkeitsbemühungen allerdings häufig zum Diakon als Helfer des Priesters die unterste Stufe diffusen Lückenbüßer (sic!) werden lassen, der im der hierarchischen Leiter in der Ämtertrias Kontext einer immer schneller sich verflüssi- zugewiesen. Bischöfe und Presbyter sind zei- genden Sozialform der Kirche nur schwer seine chenhafte Vergegenwärtigung Christi, des Haup- Identität sichern kann. tes der Kirche. Ihnen wird der ministeriale Dienst des Diakons zugeordnet. Die Vertreter argumen- Kann man Vorsteher sein, ohne in der Person tieren mit der in LG 28,1 und 29,1 formulierten Christi zu handeln? abgestuften Einheit des Amtes und tragen kon- Für Verunsicherung sorgte 2009 das über- sequent ein hierarchisch-juridisches Selbstver- raschend veröffentlichte Motu proprio „Omnium in 9
Das Amt des Diakonats mentem“. Die vom Konzil für amtliches Handeln Wort und Tat verkünden. Ihr Proprium als Diakon verwandte Formulierung „agere in persona Christi zu erfassen, fällt schwer. Capitis“ (in der Person Christi des Hauptes Befragt nach dem wichtigsten Merkmal ihres handeln), die bisher auf alle drei Ämter bezogen Dienstes wiesen viele Diakone auf ihre Verortung wurde, wird nur noch auf Bischof und Presbyter mitten unter den Menschen hin. Sie wollen Men- angewandt. Der Diakon erhalte die Kraft, dem schen auf Augenhöhe begegnen. Ihre Einbettung Volk Gottes in der Diakonie der Liturgie, des in familiäre und berufliche Kontexte, die sie als Wortes und der Liebe zu dienen. Theologische Ständige Diakone prinzipiell mit den Menschen Klarheit konnte die Änderung nicht schaffen. ihrer Gemeinde teilen, ist für sie eine wesentliche Schon die Konzilstexte lassen keinen Zweifel Bedingung dafür. Mitten unter den Menschen zu daran, dass der Diakon in persona Christi capitis sein, kann allerdings nur bedingt als Identitäts- (LG 41) handelt. Ist also, so gibt Manfred Hauke merkmal im Sinne einer Erkennbarkeit dienen. zu bedenken (Der Diakonat, Regensburg 2019), „ein Vorstehen im Namen Christi denkbar, das Die Wortbedeutung des diakonos etwas anderes wäre als ein Handeln in der Die interviewten Diakone im Zivilberuf fühlen sich Person Christi als Haupt der Kirche?“ als pastoral nicht einplanbare „Zugabe“, als Die Diskussion um die entsprechende Weise „kostenloses Geschenk“. Sie übernehmen Taufen der repraesentatio Christi im sakramentalen Amt und Trauungen und entlasten ihre presbyteralen scheint der Identität des Diakonats kaum einen Amtsbrüder. Auch andere Bereiche der Liturgie, Schub geben zu können; sie wird vielleicht auch wie etwa Andachten und Wortgottesdienste, deshalb geführt, weil sie angesichts der jüngsten gehören in der Regel zu ihrem Dienst. Daneben Debatten um den Frauendiakonat anschlussfähig fallen ihnen pastorale Aufgaben zu, die entweder ist an die Argumentationslinie von Johannes brachliegen oder ihren besonderen Neigungen Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben „Ordi- und Fähigkeiten entsprechen. Sie werden, gewollt natio sacerdotalis“. oder nicht, mitunter Ersatz für fehlende Priester. Versuche, das empirische Phänomen Diakonat In ihrem Manifest zum 50-jährigen Jubiläum des zu beschreiben, blieben bisher eher selten. Das Diakonats beklagen die Diakone Österreichs von Norbert Hark geleistete Forschungsprojekt genau dies; sie müssten zunehmend priesterliche „Pro Diakonia“ im deutschsprachigen Raum, Aufgaben übernehmen, ihr spezifisch diakonaler federführend vom Lehrstuhl für Religions- Dienst werde davon nahezu absorbiert. Ihre pädagogik und Pastoralpsychologie an der Hoch- diakonische Sendung in Gesellschaft und Kirche schule Sankt Georgen in Kooperation mit dem würde verdunkelt. Internationalen Diakonatszentrum (IDZ) begleitet, Die ekklesiologische Dimension der sakramen- begegnet diesem Sachverhalt mit einer talen Indienstnahme spielte in den meisten qualitativen Studie. Zwischen 2015 und 2019 Gesprächen nur eine untergeordnete Rolle. Die wurden in allen 42 deutschsprachigen Diözesen Ordination diente den Interviewpartnern eher als Ständige Diakone im beziehungsweise mit persönliche Bestärkung denn als unumkehrbare, Zivilberuf zu ihrem Selbstkonzept befragt. öffentliche, auf Dauer ausgesprochene Indienst- Ein oft vermutetes und erhofftes musterhaftes nahme für eine konkrete Aufgabe, die um ihrer Durchwirken der Berufswelt, also eine lebendige Bedeutung für die Sendung Jesu Christi willen Verbindung von Kirche und (Berufs-)Welt durch unerlässlich für die Kirche vor Ort ist und deshalb den Diakon im Zivilberuf (in Deutschland rund 65 an Personen gebunden wird. Prozent, weltweit die Regel) konnte die Studie Nur einige Gesprächspartner sahen in ihrem nicht bestätigen; dies dürfte dem Diakon zukünftig Dienst einen sozial-karitativen Handlungsschwer- immer schwerer fallen. punkt. Dieser Umstand verdient auch deshalb in- Viele regionale oder diözesane Besonderheiten tensivere Aufmerksamkeit, weil die karitative Aus- zeichnen den Diakonat aus, Pluri- statt Uniformi- richtung des Diakonats bisweilen als deutscher tät kennzeichnet Diakone wie den Diakonat. Eine Sonderweg markiert wird. So wurden in den USA Besonderheit stellt die Situation der Diakone in zuletzt Tätigkeiten in word, liturgy and charity der Schweiz dar, wo es nur hauptamtliche Dia- gleichermaßen vom Diakon erwartet. Vielfältige kone gibt. Ihnen werden häufig Leitungsfunktio- und vielseitige Verantwortungs- und Aufgaben- nen in einer Pfarrei übertragen. Sie selbst defi- bereiche seien für das diakonale Amt charakteris- nieren sich als Seelsorger, die das Evangelium in tisch, Lebensform und Tätigkeit in einem welt- 10
Das Amt des Diakonats lichen Beruf eher das Unterscheidungskriterium Zuletzt war wiederholt davon die Rede, ver- des Diakonats von den anderen Weiheämtern. In heiratete Diakone zur Priesterweihe zuzulassen. der Tat könnte der in LG 29 als Vorzeichen aller Das Abschlussdokument der Amazoniensynode kirchlichen Grundvollzüge gebrauchte Diakonie- wünscht die Weihe verheirateter Männer, die in begriff den Diakon pikanterweise zum Mädchen stabilen Familienbeziehungen leben, vor ihrer für alles machen. Die Konzilstexte scheinen die Weihe zu Priestern aber „ein fruchtbares Ständi- pointierte karitative Grundierung des neuen, alten ges Diakonat absolviert“ haben. Lediglich Diako- Amtes nicht mitzutragen. Dabei wird allerdings ne scheinen als viri probati in Betracht gezogen häufig übersehen, dass die entsprechende zu werden. Würde die Rolle des Diakonats damit Relatio sehr wohl die Affinität des Diakonats zu aber nicht als Durchgangsstufe, als Ersatzreser- den Aufgaben der Liebe spezifiziert. voir für fehlende Priester erneut manifestiert und Dienen ist sicher nicht das Proprium des Dia- seine fragile Eigenständigkeit erheblich beschä- kons, das ihn von anderen Ämtern unterscheidet. digt? Warum sollen gerade die verheirateten Dia- Neuere Erkenntnisse zum semantischen Befund kone und nur sie zu Priestern geweiht werden? der diakonia-Wortgruppe legen das nahe. Die Selbst wenn man dem Vorschlag folgen würde: Wortgruppe beschreibt nicht ein dienstbares Die Zahl der Diakone ist zwar seit der ersten Aufwarten an den Tischen, hat überhaupt keinen Weihe 1968 in Köln weltweit stetig gestiegen hierarchischen Impetus; der diakonos ist der Go- (2018: 47.504), hat aber wohl gegenwärtig – Between, der Gesandte, der sich in Treue zu sei- zumindest in Deutschland mit rund 3.400 Diako- nem Auftraggeber den Adressaten zuwendet. Die nen – seinen Zenit erreicht. Nahezu zwei Drittel Studien von John N. Collins und Anni Hentschel davon sind in Amerika tätig, die meisten in den sind eindeutig. USA (circa 19.000). In Europa werden in 34 Am konkreten Auftrag des Diakons lassen die Ländern fast 15.000 Diakone gezählt. Weder in semantischen Verschiebungen für Klaus Kießling Afrika mit 465 Diakonen in 27, in Asien mit 346 in allerdings keinen Zweifel: „Diakone folgen einem 23 Ländern, noch in Australien und Ozeanien Auftrag, sie sind Botschafter Jesu Christi, und der (451 in 2017) konnte sich das Amt etablieren. Inhalt dieses Auftrags sind die in der Weltge- Sorgen bereitet das Durchschnittsalter der Män- richtsrede wieder und wieder aufgezählten Werke ner nicht nur in den USA (68 Jahre), in Frankreich der Liebe, der caritas. Und daran, wie ich einem liegt es bei 67 Jahren, in Deutschland bei rund 60 Auftrag nachkomme, wird offenbar, wer ihn erteilt Jahren. Ein Drittel aller Diakone hierzulande war hat, erst recht dann, wenn mich göttliche Liebe Ende 2018 65 Jahre und älter. In Österreich antreibt und mein Auftraggeber caritas heißt: waren 2019 42 Prozent der Diakone in Pension. Dieser diakonia caritatis Dei sind nicht allein Die deutschen Bischöfe betonen in ihrem Diakone verpflichtet, vielmehr erinnern sie jede Schreiben „Gemeinsam Kirche sein“ von 2015 die Christin und jeden Christen gleichsam von Amts priesterliche Würde aller Getauften. Sie könne wegen an diesen Auftrag“ (Die Weltgerichtsrede weder durch Ämter oder Dienste noch durch die [Mt 25, 31– 46] – biblische Quelle der diakonia ca- Berufung oder Beauftragung Einzelner gesteigert ritatis Dei, in: Diaconia Christi 52 [2017] 1/2, 221). werden (35). Dem unverzichtbaren priesterlichen In seiner Enzyklika „Deus Caritas est“ erinnert Dienst komme die vornehme Aufgabe zu, das Benedikt XVI. mit Verweis auf Mt 25,31–46 an Priestertum aller Gläubigen zur Entfaltung zu Gottes Gegenwart im Armen und Bedrängten. Mit bringen. Leitung habe zugleich viele Gesichter der Wahl der Sieben, dem Ursprung des Dia- und könne unter bestimmten Umständen für konenamtes (siehe Apg 6,5 f.), sei die strukturelle einen befristeten Zeitraum an Beauftragte über- Verankerung dieses ekklesialen Grundprinzips geben werden. Der Diakonat bleibt im Wort der gelungen. Die Diakone Roms erinnert der eme- Bischöfe schwach, seine Rolle unklar; so auch in ritierte Papst im Jahr 2006 an die Relevanz der Gemeinden, wo sich Teams bilden und diakoni- Caritas für die Zukunft des Diakonats. Eine kraft- sche, katechetische oder liturgische Dienste stär- volle Bestätigung des Primats des diakonalen ken und koordinieren. In Österreich sind die Dia- Amtes der Caritas werde die Annahme des kone selbstverständlicher Bestandteil dieser Lei- Diakonats und seine Zukunft sicherstellen. tungsteams, in manchen Diözesen Deutschlands Andernfalls könnte er die Angst befeuern, eine wird auf sie als Amtsträger bewusst verzichtet; es Bedrohung für die Identität des Priesters zu sein, gehe schließlich um Beauftragung auf Grundlage und zugleich unter Klerikalismusverdacht geraten. des gemeinsamen Priestertums. 11
Das Amt des Diakonats Eine Kirchenzeitung berichtet im Dezember kann, aber nicht geben muss (siehe LG 29,2), der 2018 (Kirchenbote, Nr. 49/2018, 9) unter der tut sich schwer, Systemrelevanz zu belegen, Überschrift „Wir spüren: Es tut sich was“ von der aufgabenorientiert und konturiert zu Werke zu Amtseinführung des Gemeindeleiters, bei dem es gehen. nicht um einen neuen Pfarrer, sondern um einen Wie also kann die Zukunft des Diakonats ge- Pastoralreferenten geht, der nach Kanon 517 § 2 staltet werden, wie kann das Amt Welt und Kirche des Kirchenrechts eine Pfarreiengemeinschaft bereichern? Kurz: Was erwarten die Menschen, leitet. was benötigt die christliche Gemeinschaft? Eines ist sicher: Profilgewinn, Gestaltfindung gelingt Das Grenzgängeramt weder isolationistisch noch ohne Rückbezug auf Eine stimmige Verhältnisbestimmung von ge- die sich immer schneller verflüssigende Sozial- meinsamem Priestertum und sakramentalem form der Kirche. Zudem sollte die Wahrheit des Amt, von Ordination, Sendung Hauptamtlicher Amtes sich daran messen lassen, in welcher Ge- und Beauftragung Getaufter ist vor dem Hinter- stalt sie Sinn stiftet, sich im Leben der Menschen grund dieser Entwicklungen längst überfällig. Für bewährt. Geschlechtergerechtigkeit und theo- den Diakonat geht es dabei schon ums Ganze: logische Redlichkeit legen nahe, das Diakonat Das Grenzgängeramt wird einer Marginalisierung der Frau einzuführen. Das gebietet auch der nicht leicht entkommen, wenn bestimmte Grenz- Respekt vor dem vielfältigen sozial-karitativen erfahrungen nicht bearbeitet werden: in der Engagement vieler Frauen. Sie könnten das priesterlichen Hierarchie ohne plausiblen Grund Gesicht der Kirche im Alltag der Menschen um abgestuft, dem gemeinsamen Priestertum ent- ein Vielfaches bereichern. zogen, sakramentales Amt ohne exklusive sakra- Sinn und Opportunität des diakonischen Amtes mentale Zeichenhandlungen, ohne Amt(-svoll- erschlossen sich für Karl Rahner am besten macht) neben Dienstämtern, Ehrenamtlicher dadurch, „dass ausdrücklich gezeigt wird, dass unter Amtlichen, Nicht-Professioneller unter Pro- dieses Amt ja besteht, und zwar deshalb besteht, fessionellen. weil es eben nützlich und notwendig in der Kirche Der Diakonat hat sich trotz mancher Heraus- ist und von da aus die Sinnhaftigkeit einer gerade forderungen im deutschsprachigen Raum etab- sakramentalen Amtsverleihung deutlich gemacht liert, er ist nicht mehr wegzudenken, sein Fehlen wird“ (Die Theologie der Erneuerung des würde eine Lücke hinterlassen. Männer, die sich Diakonats, in: Diaconia in Christo, 1962, 297). mit Herzblut unwiderruflich vom Herrn der Kirche Denen, die bereits die Werke der Liebe, der in den Dienst nehmen lassen, sind ein großer caritas tun, sollte die gnadenvolle Stärkung durch Gewinn für Mensch, Gesellschaft und Kirche. sakramentale Indienstnahme zuteilwerden, um Lange, vielleicht zu lange haben sich Diakone der Zukunft des Diakonats willen. Der Diakonat allerdings zufriedengegeben mit Beruhigungs- könnte bleiben und werden, was er in seiner diskursen und Wertschätzungsklima von oben, Blütezeit war: Ratgeber des ganzen Klerus und ohne strukturelle Absicherungen einzufordern. Sinnbild der Kirche. Sie haben zu wenig darauf gesetzt, dass sie nicht Stefan Sander (1962 – 24.11.2020) nur Zugabe, sondern pastoral verrechenbar sind Herder Korrespondenz 2020, und um ihrer Aufgabe willen sein müssen. Das Heft 9, September, S. 32 – 36 Konzil irritiert hier wiederum: Wen es nur geben Abdruck mit freundlicher Erlaubnis des Verlags. Rainer Bucher: Das unfestgelegte Amt: Der Ständige Diakon Es gibt ihn erst seit kurzem wieder, seine Stellung Was ist das Besondere? ist prekär und irgendwie sitzt er zwischen vielen Zum ersten und irgendwie am faszinierendsten: Stühlen: der Ständige Diakon der Katholischen Diakone hat es über viele Jahrhunderte nicht Kirche. Das könnte seine Chance sein. gegeben. Der Ständige Diakonat verliert sich mit Was unterscheidet Diakone, hier und heute, der spätantiken Sazerdotalisierung der kirchlichen von den anderen Ämtern und Diensten der Kir- Ämter, im Mittelalter und in der Neuzeit bis zum che? Was ist das Besondere an den Ständigen II. Vatikanum gab es den Diakon in der römisch- Diakonen? 12
Das Amt des Diakonats katholischen Kirche nur als Durchgangsstation frontiert die Kirche mit ihrer eigenen Machtge- zum Priestertum. schichte, die nun seit einiger Zeit real eine Ent- Ständige Diakone sind zudem weit überwie- machtungs- und Abstiegsgeschichte geworden ist. gend verheiratete Männer. Das unterscheidet sie Was aber bedeutet das alles für Ständige vom Diakon auf dem Weg zum Priester und Diakone? natürlich überhaupt von allen anderen Klerikern in der katholischen Kirche – sieht man von ver- Konsequenzen heirateten Priestern in den unierten Ostkirchen Dass es ihr Amt jahrhundertelang nicht gegeben oder konvertierten Protestanten ab. hat, bedeutet schlicht, dass das, wofür es dieses Drittens aber: Als Diakone sind sie zwar Kleri- Amt gab, durch andere besetzt ist. Wie immer ker, also keine „Laien“, aber „auf einer niedrige- man die lange und komplexe Geschichte zusam- ren Stufe der Hierarchie“, wie es in Lumen gen- menfasst, wofür es Diakone und Diakoninnen in tium 29.1 heißt. Der Vatikan hat diesen Abstand der antiken Kirche gab, deutlich ist, dass es zwei 2009 mit dem Motu proprio Omnium in mentem große Felder waren: zum einen der Dienst an den kirchenrechtlich bekanntlich zur allseitigen Freude Geringen und Geringsten, und dann eben auch, noch ein wenig vergrößert. wenn auch wahrscheinlich von Anfang an eher Alle drei Elemente machen den Ständigen Dia- untergeordnet, der liturgische Dienst. kon zu einem etwas prekären Amt. Prekär meint Für Diakonie wie Liturgie aber gilt: Beide Felder hier nicht zuerst, wie umgangssprachlich, heikel, sind heute von anderen besetzt. Die Diakonie schwierig und problematisch, sondern ganz wört- wird in unseren Breiten von der hoch profes- lich „precarius“: auf Widerruf gewährt, unsicher, sionalisierten Caritas geleistet, die Liturgie aber vielleicht vorübergehend. Schließlich heißt es in eben immer noch vor allem vom Priester voll- Lumen gentium 29.2 ganz lapidar, dass es den zogen, zudem drängen auch immer mehr Laien, „zuständigen verschiedenartigen örtlichen Zu- ermutigt durch die Volk-Gottes-Theologie des II. sammenschlüssen der Bischöfe“ zukomme, „zu Vatikanums, in liturgische Vollzüge. entscheiden, ob und wo es für die Seelsorge Was aber bedeutet das Verheiratetsein der Dia- angebracht ist, dass derartige Diakone eingesetzt kone? Die entsprechenden Selbstverständnistexte werden.“ Deutlicher kann man nicht signalisieren: rekurrieren auf die Lebenserfahrung und Nähe zu Euch kann es, muss es aber nicht geben. der Lebenswirklichkeit der Nicht-Kleriker, die Ver- heiratetsein bedeutet. Aber das Verheiratetsein Konfrontationen bedeutet eben auch, mit der jahrhundertelangen Nun konfrontieren diese drei Spezifika des Stän- Gegenüberstellung von Sexualität und Kult im digen Diakons die katholische Kirche auch tat- Sinne von Unreinheit und Reinheit zu brechen. sächlich mit drei heiklen Realitäten ihrer selbst. Wie schwer das unserer Kirche immer noch fällt, Dass es den Ständigen Diakon über viele Jahr- sieht man auch daran, dass sie sich nicht entschlie- hunderte nicht gegeben hat, konfrontiert die ßen kann, Frauen zu Diakoninnen zu weihen. Kirche mit der Geschichtlichkeit ihrer eigenen Hier wie im dritten Bereich, die „niedrigste Ämter, die beim Ständigen Diakon sogar bis zu Stufe“ innerhalb der klerikalen Hierarchie zu sein, dessen Abschaffung führte. müssen Diakone damit umgehen, gewollt, aber Dass, zweitens, der Ständige Diakon zumeist irgendwie nicht ganz gleichrangig zu sein und von verheiratet, also legitim sexuell aktiv und gleich- den Laien zu den Klerikern gerechnet, von diesen zeitig Kleriker und liturgisch am Altar tätig ist, kon- aber dann doch nicht wirklich von gleich zu gleich frontiert die katholische Kirche mit ihrer eigenen, behandelt zu werden. immer noch ein wenig heiklen Einstellung zum Verhältnis von Sexualität und Kult. Der Zölibat ist Vom Stigma zum Charisma schließlich vor allem auf Grund der spätantiken In dieser Situation bleibt nur eine Strategie, eine Wiederaufnahme außerchristlicher kultischer Strategie, die man sogar als zentrale Strategie Reinheitsvorschriften in die Kirche eingewandert. Jesu analysiert hat: das Stigma zum Charisma zu Dass schließlich, drittens, der Ständige Diakon machen. Das setzt enorme Souveränität voraus Kleriker ist, aber keine Eucharistievollmacht be- und wirkliche Distanz zu Fremdzuschreibungen: sitzt, was genau spätestens seit dem Frühmittel- Das Gute daran aber ist, dass es eigentlich nur alter den Kleriker ausmachte und schließlich auch einer einzigen kleinen Verschiebung, genauer: seine Jurisdiktionsvollmacht begründete, das kon- einer Umkehrung bedarf. 13
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