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                         Netzwerk Diakonat der Frau
Rundbrief für Mitglieder und Interessierte           25. Jahrgang                 Nr. 48 / August 2021

Liebe Leserinnen und Leser!
Mit über 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern         In zwei weiteren Beiträgen wird die Bedeutung
war die zentrale Feier zum Tag der Diakonin so       und Zukunftsfähigkeit des Diakonenamts be-
gut besucht wie noch nie – ein positiver Effekt      leuchtet. Unser Überblick über aktuelle Stellung-
des pandemiebedingten online-Formats der             nahmen zum Diakonat der Frau hält Sie kirchen-
Veranstaltung. Zum Nachlesen und für alle, die       politisch auf dem Laufenden.
nicht teilnehmen konnten, berichtet die Pinwand      Herzlich, Ihre
ausführlich.

Tagung und Mitgliederversammlung 2021
In diesem Jahr findet von 1. – 3. Oktober im            Den Eröffnungsvortrag am Abend wird Prof.
„Haus am Maiberg“ in Heppenheim die turnus-          Dr. Martin Lörsch halten. Er lehrt an der Theo-
mäßige Mitgliederversammlung statt.                  logischen Fakultät in Trier Pastoraltheologie und
   Sie ist geplant als Präsenzveranstaltung ge-      ist Berater in der Pastoralkommission der Deut-
mäß den gültigen Corona Schutzvorgaben und           schen Bischofskonferenz. Die Pastoraltheologin
dem Hygienekonzept des Tagungshauses. Soll-          und langjährige Geistliche Leiterin der kfd im
ten sich kurzfristig Änderungen ergeben, werden      Bistum Freiburg, Dr. Elisabeth Hönig, wird den
wir für alle Angemeldeten ein alternatives online-   Blick auf das diakonische Handeln von Frauen in
Format anbieten.                                     der Kirchengeschichte lenken. Juliana Schulte-
   Anmeldeschluss ist der 10. September 2021.        Wieschen, Referentin bei Adveniat, wird mit Er-
   Wie es seit vielen Jahren gute Tradition ist,     fahrungen aus Lateinamerika den Blick in die
beginnt die Mitgliederversammlung auch dieses        Weltkirche öffnen.
Mal wieder mit einer öffentlichen Tagung von            Das genaue Programm und den Zeitplan ent-
Freitag, 1. Oktober, 18.00 Uhr bis Samstag,          nehmen Sie bitte der Tagungsausschreibung,
2. Oktober, 17.00 Uhr. Das Thema der Tagung          die dieser Ausgabe der „Pinwand“ beigefügt ist.
lautet: „Seelsorge und Diakonie – Kirchesein            Wir freuen uns auf eine spannende Tagung
in unsicheren Zeiten“.                               und laden alle Mitglieder und Interessierte herz-
   Die Erfahrungen in und mit der Coronapande-       lich nach Heppenheim ein!
mie fordern einmal mehr dazu heraus, die zent-          Im Anschluss an die Tagung findet von
rale Bedeutung des Diakonischen für die Seel-        Samstag, 2. Oktober, 19.00 Uhr bis Sonntag,
sorge neu und verstärkt in den Blick zu nehmen.      3. Oktober, 13.00 Uhr die 12. ordentliche Mit-
Viele klagen, dass niemand fragt, wie es ihnen       gliederversammlung des „Netzwerk Diakonat
geht. Viele vermissen, dass jemand sie aufsucht      der Frau“ statt, mit Vorstandswahlen, Diskus-
und ihnen zuhört. Es zeigt sich: Kirche ist da       sion des Vorstandsberichts und Beratung über
glaubwürdig, wo sie sich in der Nachfolge des        aktuelle Herausforderungen für die Arbeit des
dienenden Christus den Menschen zuwendet.            Netzwerks. Die Mitgliederversammlung beginnt
Diesen Herausforderungen will die Tagung             am Abend des 2. Oktober um 19.00 Uhr.
nachgehen. Impulse aus Theologie, Frauen-               Sie wird am Sonntag, den 3. Oktober, nach
geschichte und Weltkirche sollen zu einer kriti-     der Eucharistiefeier fortgesetzt. Den Ausklang
schen und konstruktiven Diskussion anregen,          bildet das gemeinsame Mittagessen.
aus der Anregungen für eine diakonische Praxis          Einladung, Tagesordnung, Vorstandsbericht
und eine zukunftsfähige Gestalt des Diakonats        und Brief des Wahlausschusses sind für alle Mit-
der Frau hervorgehen.                                glieder dieser Ausgabe der „Pinwand“ beigefügt.
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Tag der Diakonin 2021

GERECHT – Tag der Diakonin 2021
Unter der Überschrift „GERECHT“ fand in diesem Jahr die zentrale Veranstaltung zum Tag der Diako-
nin statt, coronabedingt online. Mehr als 500 Menschen hatten sich per Zoom eingewählt. Die vier
Veranstalter – KDFB, kfd, Zdk und Netzwerk – werteten diese hohe Beteiligung als wichtiges Signal.
Nach einem Gottesdienst, in dessen Mittelpunkt                 wissen sich von Gott gerufen. Mit ihrem diakoni-
das Gleichnis von der beharrlichen Witwe aus                   schen Handeln, ihrer Liebe zu Gott und den
dem Lukasevangelium stand, ging es im Studien-                 Menschen und auch mit ihrem Schmerz über die
teil um die Frage nach Gerechtigkeit und einer                 Nichtanerkennung ihrer Berufung machen sie
Kirche, zu deren Wesensmerkmalen diakoni-                      sichtbar, was der Kirche fehlt. Ein zuletzt wieder
sches Handeln gehört, das nur dann glaubwürdig                 ins Gespräch gebrachtes Sonderamt für Frauen
ist, wenn auch Geschlechtergerechtigkeit verwirk-              ohne sakramentale Weihe ist keine Lösung. Der
licht wird.                                                    Tag der Diakonin macht seit mehr als 20 Jahren
   In ihrer Begrüßung betonte Professorin Dr.                  auf eine schmerzliche Form der Diskriminierung
Agnes Wuckelt, stellvertretende kfd-Bundesvor-                 von Frauen aufmerksam.“
sitzende: „Der Tag der Diakonin zeigt auch in die-                Da der Tag der Diakonin ursprünglich in Mün-
sem Jahr die Bedeutung der gleichberechtigten                  chen stattfinden sollte, war die Bistumsleitung des
                                                               Erzbistums München-Freising um ein Grußwort
                                                               gebeten worden.
                                                                  Domkapitular Msgr. Thomas Schlichting
                                                               knüpfte an die Weihepräfation zur Weihe von
                                                               Diakonen an, in der es an Gott, den Schöpfer, ge-
                                                               richtet heißt: „Du fügst und gewährst immer neu,
                                                               was uns Not tut im Wechsel der Gezeiten durch
                                                               dein Wort, deine Weisheit und Kraft.“ Er erklärte
                                                               „Dieser Satz steht bewusst im Präsenz. Die Über-
                                                               schrift über die dann genannte Stiftung des drei-
                                                               gliedrigen Weihamtes in diesem Gebet verweist
                                                               darauf, dass Gottes Wirken nicht nur in der Ver-
                                                               gangenheit stattfand, sondern jetzt im Augenblick,
                                                               in dieser Stunde der Kirchengeschichte. Daraus
Prof. Dr. Agnes Wuckelt, stellvertretende kfd-Bundes-
vorsitzende, hält die Gleichberechtigung von Frauen und
                                                               leitet sich für mich der Auftrag der Kirche ab, das
Männern in der Kirche für ein wesentliches Element ihrer       von Gott einst Gestiftete jeweils neu konkret zu
Zukunftsfähigkeit.                                             gestalten.“ Wie groß der Gestaltungsspielraum
                                                               bezüglich des Weiheamtes ist, darüber gebe es in
Teilhabe von Frauen am sakramentalen Dienst                    der Kirche unterschiedliche Aussagen und An-
des Diakonats auf. Zukunftsfähigkeit bedeutet für              sichten, je nachdem, ob man in einer römischen
die Kirche, ihrer Sendung treu zu bleiben und die              Glaubenskongreation oder im Vorstand eines
Menschen mit ihren Fragen, Nöten und Freuden                   großen Frauenverbandes in Deutschland sitze.
zum Maßstab ihres Handelns zu machen. Wenn                     „Aber“, bekräftigte er „der Gestaltungsauftrag der
die Kirche nicht bereit ist, die Gleichberechtigung            Dienste und Ämter fordert uns jetzt heraus, nicht
von Frauen und Männern endlich anzuerkennen,                   nur das in der Vergangenheit Gelebte, einst
dann steht ihr eine schlechte Zukunft bevor.“                  Gestiftete, stets neu nur zu bekräftigen, sondern
   Die Vorsitzende des Netzwerks, Irmentraud                   auch die Nöte der Zeit genauso zu hören und zu
Kobusch, erklärte: „Die beharrliche Forderung                  schauen, wie die Charismen, Begabungen und
nach der sakramentalen Weihe von Frauen zu                     Berufungen wahrzunehmen.“ Er wünschte der
Diakoninnen gehört unbedingt zum Einsatz für                   Veranstaltung „eine vieldimensionale Wirkung für
mehr Gerechtigkeit. Seit das 2. Vatikanische Kon-              das Leben der Kirche, damit möglich wird, was
zil das Amt des Ständigen Diakonats leider nur                 manchen noch unmöglich scheint.“
für Männer wieder eingeführt hat, steht sie im                    Der Impulsvortrag von Prof. Dr. Anna
Raum. Dass die Kirche die Berufung von Frauen                  Noweck, Professorin für Theologie in der Sozia-
zur Diakonin bis heute nicht anerkennt, wird nicht             len Arbeit an der Katholischen Stiftungshoch-
mehr verstanden. Frauen stehen bereit. Sie                     schule München stand unter der Überschrift:

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Tag der Diakonin 2021

„Miss Achtung – Sozialethische Impulse zu Ge-                       keiten entsprechend ausgebildet werden und die
schlecht und Gerechtigkeit in Kirche und Gesell-                    sakramentale Weihe erhalten.“
schaft“. Auszüge aus dem Vortrag sind auf der                           Der Präsident des Zentralkomitees der deut-
nächsten Seite wiedergegeben.                                       schen Katholiken, Prof. Dr. Dr. Thomas Stern-
   Anschließend wurden drei Initiativen vorge-                      berg, schlug den Bogen zum Synodalen Weg
stellt, die sich beharrlich für Gerechtigkeit einset-               und rief dazu auf: „Lassen Sie nicht locker!
zen. Pater Dr. Korbinian Linsenmann präsen-                         Bleiben Sie dran! Gerade so wie es die Witwe im
tierte den Obdachlosen-Treff der Abtei St. Bonifaz                  Gleichnis ja vorgemacht hat. Machen Sie den
                                                                    Synodalen Weg zu einer breiten Bewegung nicht
                                                                    zuletzt auch für Ihr Thema.“ Er erinnerte an die
                                                                    Merowinger Königin, die Heilige Radegunde, die
                                                                    im Jahr 555 den Bischof von Noyan nötigte, sie
                                                                    zur Diakonin zu weihen. „Es ist höchste Zeit,
                                                                    diese uralte kirchliche Praxis wiederzubeleben.“
                                                                       „Die theologisch-wissenschaftlichen Grundla-
                                                                    gen dazu sind geklärt“, fuhr Sternberg fort. „Sie
                                                                    sind insoweit geklärt, dass eine Entscheidung in

Dr. Jutta Mader, Leiterin des 3. Diakonatskreises, informiert
über den Diakonatskreis (Foto: privat).

in München, Dr. Jutta Mader stellte den Dritten
Diakonatskreis des Netzwerks vor, Sr. Susanne
Schneider MC, sprach für die Gruppe „Ordens-
frauen für Menschenwürde“.

                                                                    Prof. Dr. Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees
                                                                    der deutschen Katholiken, ist davon überzeugt, dass die
                                                                    diakonische Arbeit in der Kirche und den Kirchengemeinden
                                                                    ohne das Engagement der Frauen zusammenbrechen
                                                                    würde.

                                                                    dieser oder jener Richtung möglich ist. Das haben
                                                                    wir so von der Glaubenskongreation bei einem
                                                                    Besuch in Rom gehört. Der Papst könne so oder
                                                                    so entscheiden.“ Nach Sternbergs Einschätzung
                                                                    müsse man allerdings den Eindruck haben, der
Sr. Susanne Schneider MC stellt die Arbeit der Gruppe               Papst hüte sich vor einer Entscheidung, nicht
„Ordensfrauen für Menschenwürde“ vor.                               zuletzt aus Sorge vor restaurativen Kräften, die
                                                                    sowieso an seinem Stuhl sägen. „Aber“, so be-
   Dr. Maria Flachsbarth, KDFB-Präsidentin,                         kräftigte er, „ich denke, mit diesem Tag da sen-
fasste zusammen: „Es ist eine Frage der Gerech-                     den Sie, da senden wir alle, ein Signal nach Rom
tigkeit, allen Getauften und Gefirmten den Zu-                      zu Papst Franziskus, seine ja immer wieder
gang zu allen Diensten und Ämtern in der Kirche                     große Wertschätzung von Frauen im kirchlichen
zu öffnen. Alle Menschen müssen ihrer Berufung                      Dienst und in kirchlichen Leitungsfunktionen da-
folgen können, weil sie als Abbild Gottes gleich                    durch zu unterstreichen, dass er den Diakonat
an Wert und Würde sind. Eine glaubwürdige                           der Frau endlich wiederbelebt.“
Kirche ist einladend und nicht ausgrenzend.                                       Die ganze Veranstaltung ist nachzuhören auf:
Frauen, die sich zum diakonischen Dienst beru-                                                  https://vimeo.com/554650257
fen fühlen, sollen ihren Charismen und Fähig-                                                     Gabriele Greef, Thea Krüger

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Tag der Diakonin 2021

„MISS ACHTUNG – Sozialethische Impulse zu Geschlecht und
Gerechtigkeit in Kirche und Gesellschaft“
Der Impulsvortrag, den Frau Professorin Dr. Anna Noweck am 29. April 2021 im Rahmen des Tags
der Diakonin auf der zentralen online-Veranstaltung gehalten hat, ist nachzuhören auf:
https://vimeo.com/554650257
Gabriele Greef hat sich den Vortrag noch einmal angehört und einige Sätze und Thesen zusammen-
gestellt, die ihr besonders wichtig scheinen.
1. „Die Unmöglichkeit der Weihe für Frauen be-                5. „Im Blick auf Frauen in Gesellschaft und
deutet nicht nur den Ausschluss von Frauen als             Kirche sehe ich weder das eine noch das andere.
Frauen vom Amt, sondern damit auch den Aus-                Care-Arbeit, familiär als auch außer-familiär und
schluss vom Anspruch alle Charismen vollum-                diakonischer Selbstvollzug der Kirche durch
fänglich auszuagieren, den Ausschluss von der              Frauen, was sozusagen Care in der Kirche ist,
umfassenden spirituellen Begleitung von Men-               beide Bereiche, beide Care Teile werden als
schen und vor allen Dingen den Ausschluss hin-             Liebesdienst verbrämt, der weiblichen Men-
sichtlich von Einflussmöglichkeit und Entschei-            schen aus der Brust, man könnte auch sagen,
dungsmacht. Das stellt schlicht und einfach eine           aus dem weiblichen Busen, quellen würde. In
Diskriminierung auf Grund des Geschlechts                  diesem Sinne naturgegeben, ist das, was phy-
dar.“                                                      sisch und psychisch ein Knochenjob ist, nämlich
   2. „Was all diesen Ausschlussphänomenen ge-             die Care, weder groß herauszustellen, noch zu
meinsam ist, ist, dass sie Leid erzeugen ... Dieses        entgelten.“
Leid ist wie ein Seismograph für Ungerechtig-
keit.“
   3. „Was wäre gerecht? Im Mittelpunkt aller
Gestaltung von Gesellschaft und Organisationen
und Institutionen und damit auch der Kirche steht
der Mensch. Grundgelegt in der Menschenwürde,
muss er, muss sie über die Möglichkeiten, die
Freiheit verfügen, selbstbestimmt und sozial inte-
griert ein gutes Leben entwerfen und es auch füh-
ren zu können. Dieses Prinzip der Personalität
schreibt sich die Katholische Soziallehre seit dem
ausgehenden 19. Jahrhundert zu Recht und nach-
drücklich auf ihre Fahnen, wenn sie sich für Ge-
rechtigkeit in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft        Prof. Dr. Anna Noweck, Professorin für Theologie in der
                                                           Sozialen Arbeit an der Katholischen Stiftungshochschule
insgesamt einsetzt … sie sollte es auch auf ihre           München sieht in der Missachtung der Care-Arbeit von
eigenen Strukturen im Innern anwenden.“                    Frauen einen Seismographen für Ungerechtigkeit und wirbt
   4. „Ein weiterer Punkt, der mir beim Nach-              um gemeinsame Verantwortung, Solidarität von Frauen und
denken über Gerechtigkeit und Geschlecht auf-              Enthusiasmus für den Diakonat der Frau.
stößt, ist die Missachtung weiblicher Tätig-
keiten. Und hier möchte ich auf vorwiegend weib-             6. „Dieses Framing der Nichtbeachtung und
liche Tätigkeiten in der Care-Arbeit, in der Sorge         Missachtung hält Frauen klein. Im Blick auf den
für Andere, blicken. In der Care-Arbeit im gesell-         Kirchenbereich ist es hier natürlich die Weihe zur
schaftlichen Raum und auch für die Care im                 Diakonin, die eben den diakonischen Dienst und
Rahmen der Kirche, die zuallererst von Frauen              die starke Beteiligung der Frauen daran aufwer-
getragen wird, finden wir hier wie dort geringe, bis       ten würde. Und das würde nicht nur den Frauen,
keine Anerkennung. Anerkennung spiegelt uns                sondern das würde unserer Kirche insgesamt
uns selbst durch die Augen Anderer zurück. Sie             guttun.“
lässt uns Bestätigung, Selbstbewusstsein und                 7. „Gleichzeitig ist es mir wichtig zu betonen,
Selbstvertrauen ausbilden – oder eben auch                 dass es nicht allein um die Anerkennung von
nicht. Anerkennung kann in Form von Achtung                Frauen geht, sondern vielmehr um die Frage, wie
und Respekt, aber auch in Form von monetärer               wir Sorge, Care, um andere generell bewerten.
Anerkennung ausgedrückt werden.“                           Care-Arbeit, die durchaus auch von Männern
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Pinwand Netzwerk Diakonat der Frau - Netzwerk Diakonat der ...
Tag der Diakonin 2021

getragen wird, getragen werden soll und getragen           ist, die anerkannt und entgolten werden muss.
werden muss. Wenn wir uns im Blick auf Care nur            Und indem wir reflektieren, wie wir anderen
auf sogenannte Frauenwelten fokussieren, dann              Frauen oder auch anderen Care-Givern begeg-
bestätigen wir genau die fatale Festschreibung             nen, wie wir sie werten oder wie wir uns solida-
von Frauen  zu Care,  zu Gefühl,  zu unbe-              risch mit ihnen verhalten können.“
zahlter Arbeit, die im privaten, nicht öffentlichen,           12. „Achtung, es geht mir nicht um eine Schuld-
also unsichtbaren Raum stattfindet. Und dem                zuweisung an Frauen für ihre Stellung als Frauen,
gegenüber die Zuschreibung von Männern  zu                was jetzt im Sinne eines, ja, man könnte sagen,
Erwerbsarbeit und  zu Erwerbseinkommen  zu               weiblichen Märtyrertums wunderbar ins Bild pas-
Vernunft,  zu bezahlter Tätigkeit im öffentlichen         sen könnte. Nein, es geht mir um eine selbst-
Bereich und  zu Macht. Und genau diese Zuord-             reflektierte Haltung und die gemeinsame Verant-
nung und Gegenüberstellung, diese Dichotomie,              wortung aller am Diskurs Beteiligten einerseits
stellt eine der Wurzeln des Problems dar. Und              und andererseits aber auch um die Forderung
deshalb sollten wir hier eine Öffnung wagen und            von weiblicher Solidarität, die ich durchaus
uns dabei verbünden mit allen, die Care geben.“            auch manchmal schmerzlich vermisse.“
   8. „Warum ist es so schwierig, eine Aufwertung              13. „Verändernde Prozesse von Umverteilung,
und Anerkennung zu erreichen? Wertungen sind               von Aufgabe von Machtbereichen und auch
tief in unsere Empfindungen, in unsere Wahr-               transformative Maßnahmen der Anerkennung von
nehmungen und unsere Denkkategorien ein-                   Frauen, von Care-Givern, sind nicht leicht zu
geschnitten. Sie prägen und leiten uns quasi               haben, sind nicht leicht zu implementieren, denn
vorreflexiv. Das verdanken wir dem Prozess der             sie nehmen uns quasi das Geländer im Treppen-
Sozialisation, den wir ja alle durchlaufen und in          haus unseres Lebens. Sie machen fluide und
dem wir Muster, Stereotype und eben Wertungen              fließend, was klar definiert war und sie ver-
gleichsam von Kindesbeinen an aufsaugen.“                  wischen, wo Grenzziehungen etabliert waren.
   9. In Bezug auf den Kampf von Frauen und ihre           Und das verunsichert. Das macht Angst. Und
Position in Gesellschaft und Kirche braucht es             diese Angst ist in meiner Wahrnehmung
zweierlei. „Erstens heißt es: Mitdenken und mit-           gesellschaftlich, wie innerkirchlich, deutlich
verändern müssen auch die, die derzeit privi-              spürbar.“
legierte Positionen einnehmen. Das sind im                     14. „Argumente gegen die gleichberechtigte
Blick auf gesellschaftliche Strukturen Männer und          Achtung von Frauen aus Begründungszusam-
leider noch wenige Frauen in führenden Posi-               menhängen – einerseits aus Tradition und
tionen, in Machtpositionen, in den verschiedenen           vermeintlich feststehender Kultur – andererseits
Gesellschaftsbereichen. Und im Blick auf die               aus Begründungszusammenhängen, die in der
Kirche sind es die Männer im Amt.“                         Transzendenz verankert werden, überzeugen
   10. „Dabei ist dieses ,Mittun-Müssen‘ keine             vielleicht mehr von der Angst vor Veränderung
haltlose, willkürliche Idee, sondern legitimiert           und einer Neuverteilung von Pfründen, als
sich ... durch das Leid, das auf die Ungerech-             dass sie uns heute angesichts des starken Ge-
tigkeit verweist, diese Ungerechtigkeit, die               gengewichts an theologischen und sozialwissen-
angesichts der letztlich grundlegenden Würde               schaftlichen Wissensständen noch überzeugen
aller Menschen bekämpft werden muss. Und das               können.“
ist, wenn wir auf die Kirche schauen, eigentlich               15. „Und deshalb braucht es Mut, das
doch der Kern unserer Botschaft!“                          Unmögliche zu denken, um das auch zu tun.
   11. „Zweitens ist es aber auch unabdingbar,             … Es braucht den Enthusiasmus, vielleicht auch
dass wir uns immer wieder selbst kritisch und              die Chuzpe, sich auf etwas Neues einzulassen.
unvoreingenommen selbst reflektieren und                   … Möge also dieser Mut allen zuwachsen, uns
prüfen, wo und wie wir überkommene Strukturen              allen, die wir über Kirche und Gesellschaft
auch mittragen in diesen erlernten Settings der            nachdenken, Kirche und Gesellschaft leben und
kirchlichen und gesellschaftlichen Strukturen.             gestalten, damit es nicht nur gut für eine Frau,
Oder wo wir sie hinterfragen. Dass wir prüfen, wo          sondern für alle Frauen und letztlich für alle in
und wie wir die Wertungen und Abwertungen re-              Kirche und Gesellschaft im Großen werden
produzieren oder auch brechen können, indem                kann.“
wir etwa klar benennen, dass Care-Arbeit Arbeit                      Zusammenstellung der Zitate von Gabriele Greef

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Tag der Diakonin 2021

Nicht nachlassen!
Beim zentralen, online gefeierten Gottesdienst zum Tag der Diakonin stand das Gleichnis vom Richter
und der beharrlichen Witwe (Lk 18,1 – 8) im Mittelpunkt. Die folgenden Texte nehmen darauf Bezug.
Nicht nachlassen – Meditation zu Lk 18,1 – 8
„In einer Stadt lebte ein Richter,
der Gott nicht fürchtete
und auf keinen Menschen Rücksicht nahm.“
Nicht nachlassen.
Eine Witwe,
eine Frau ohne Beistand,
fordert ihr Recht.
Nicht nachlassen.
Weder die Arroganz der Mächtigen,
noch die Aussichtslosigkeit ihrer Sache
können sie lähmen.
Nicht nachlassen.
Weder mit Charme,
noch mit Schönheit
kann sie punkten.
Nicht nachlassen.
Die Nachbarn und Freunde
warnen sie: Du darfst
den Bogen nicht überspannen!
Nicht nachlassen.
Der rücksichtslose Richter
will endlich Ruhe –
und verschafft ihr Recht!
Nicht nachlassen.
Jesus glaubt, dass es hier
etwas zu lernen gibt:
Vertrauen!
Die Menschen nicht fürchten,
das eigene Herz nicht beschwichtigen,
vertrauen –
nicht nachlassen.
Dorothee Sandherr-Klemp

Nicht nachlassen – Erfahrungen
Beharrlichkeit, Ausdauer, sich nicht entmutigen         uns Kraft gibt. Wir werden nicht nachlassen uns
lassen, sondern weitergehen auf dem schwie-             für die Gleichberechtigung von Frauen in der
rigen Weg, das durfte ich in über zwanzig Jahren        Kirche einzusetzen.
im Netzwerk Diakonat der Frau erfahren. Immer              So nach und nach hat sich die Situation ganz
wieder sind wir für die sakramentale Weihe von          langsam gewandelt. Heute darf an vielen Orten
Frauen zu Diakoninnen eingetreten, waren mit            über die Berufung von Frauen zum sakramentalen
unserem Anliegen sichtbar und hörbar.                   Amt der Diakonin geredet und diskutiert werden.
   Anfangs war unsere Arbeit sehr schwierig, Dis-          Gleichzeitig wissen wir aber, dass wir noch ein
kussionen über unser Anliegen wurden entweder           sehr schwieriges, und steiles Stück Weg vor uns
durch Themenwechsel schnell beendet oder gar            haben. Und so werden unsere Stimmen weiterhin
nicht erst zugelassen.                                  hörbar sein, wir werden weitergehen auf unserem
   Im Miteinander, im gemeinsamen Gebet spüren          Weg.
wir, dass Gottes Heilige Geistkraft mit uns geht,                                            Stefanie Heller

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Tag der Diakonin 2021

Rund um den Tag der Diakonin
In zahlreichen Diözesen fanden im Umfeld des Tags der Diakonin Veranstaltungen statt.
So erklärte im Bistum Osnabrück bei der online Veranstaltung „Keine Kirche ohne Frauen“ Bischof
Bode, er halte es für falsch, wenn immer wieder nach theologischen Gründen gesucht werde, warum
Frauen nicht Priesterinnen oder Diakoninnen werden könnten. Stattdessen müsse vielmehr danach
gefragt werden, ob Frauen in sakramentalen Weiheämtern der Intention Jesu widersprächen. Darauf
gebe es keine einfache Antwort.
Der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer sagte bei einer Online-Veranstaltung der katholischen
Akademie „Die Wolfsburg“: „Ich halte es für notwendig, dass Frauen Zugang zu den Ämtern haben.“
Dass Frauen sich berufen fühlten, gelte zwar immer noch als „Tabu“. „Aber der offene Dialog darüber
ist der erste Schritt zu bereichernden Veränderungen.“
Im Bistum Trier erklärte Herbert Caspar, der Vorsitzende des Katholikenrates, bei der Veranstal-
tung „Zur Diakonin berufen – Was nun?“, bei den meisten stelle sich die Frage, die Kirche zu verlas-
sen, nicht. „Sie wollen in der Kirche bleiben und heraustreten aus ihren Nischen, damit die Kirche ein
farbenfrohes Gesicht bekommt. Das Gesicht von Frauen und Männern, die gleichermaßen gleich-
berechtigt sind.“
Von der viel beachteten Veranstaltung im Bistum Rottenburg-Stuttgart berichtet Hannelore
Illchmann:
„Die Zeit des Redens ist vorbei – Zeit ist schon zu        die Diskriminierung von Frauen mit dem Rassis-
viel vertan.“ Mit diesem Satz eröffnete Veronika           mus, was ihr einen heftigen Schlagaustausch mit
Rais-Wehrstein, Mitglied im Präsidium des Diöze-           Bischof Oster einbrachte, der sich als Rassist an
sanrats, am 17. April 2021 das erste Frauenforum           den Pranger gestellt fühlte. „Wer jetzt nichts tut,
der Diözese Rottenburg-Stuttgart, an dem sich              tut trotzdem etwas“, schloss Frau Prof. Rahner
etwa 200 Frauen digital beteiligten. Ausgerichtet          ihr klar formuliertes Referat.
wurde das Frauenforum vom Diözesanrat und                     Die vom Bischof dringend erwarteten prakti-
dem Fachbereich Frauen der Diözese.                        schen Konsequenzen beschränkten sich zu-
   Die Grundlage für das Gespräch über die The-            nächst darauf, dass Bischof Fürst versprach, alle
menbereiche Berufungen, Geschlechtergerechtig-             Frauen, die sich zur Diakonin oder zur Priesterin
keit, Leitung und Macht sowie Spiritualität bildeten       berufen fühlten, zu einem Gespräch einzuladen.
sehr interessante Impulsreferate zu den Themen.            Er sagte weiterhin zu, sich in der Vollversamm-
Danach fanden Gespräche in Kleingruppen statt.             lung der Bischofskonferenz und beim Synodalen
   Zwei Referate waren besonders aussagekräf-              Weg mit Vehemenz für die Weihe von Diakonin-
tig: Schwester Nicola Maria Schmitt von der City-          nen einzusetzen. Doch ohne den Segen der Welt-
Pastoral Stuttgart setzte sich auf dem Hintergrund         kirche könne die Ortskirche nicht handeln. Immer-
ihrer Erfahrungen aus Gesprächen mit vielen                hin sagte er nach der Veranstaltung in einem
Menschen dafür ein, die Berufungen von Frauen,             Brief an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des
ihre besonderen Kompetenzen und Charismen                  Frauenforums und später auch in Presseartikeln
endlich anzuerkennen. Sie wies auf die Gefahr              zu, alle Möglichkeiten, die das Kirchenrecht
hin, dass wertvolle Sakramente wie Beichte und             bietet, in der Diözese auszuschöpfen und nicht-
Krankensalbung verschwinden könnten, weil es               geweihte pastorale Dienste zur Spendung der
zu wenige Priester zu ihrer Spendung gibt und              Taufe und Eheassistenz im Einvernehmen mit der
Gespräche-Suchende und Patientinnen und                    Bischofskonferenz zu beauftragen. Des Weiteren
Patienten sich lieber an einen Seelsorger oder             plant er, bereits vorhandene Formen der Ge-
eine Seelsorgerin wenden, zu denen sie persön-             meindeleitung durch Laien auszubauen und zu
liche Beziehungen aufgebaut haben.                         qualifizieren.
   Die Tübinger Theologin Dr. Johanna Rahner                  Bewegung im Episkopat ist wohl festzustellen –
stellte in ihrem Referat klar heraus, dass Katho-          allerdings oft in der Richtung, dass Aufgaben und
liken und Katholikinnen seit Jahrzehnten in einer          Dienste aus dem Weiheamt ausgelagert werden,
Doppelexistenz leben, da die gelebte Wirklichkeit          alles in dem Bemühen, Frauen eben kein Weihe-
in der Gesellschaft und die Wirklichkeit in der            amt zu geben.
Kirche sich absolut widersprechen. Sie verglich                                             Hannelore Illchmann

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Das Amt des Diakonats

Das Amt des Diakonats
Mit seinen Diakonatskreisen will das Netzwerk dem Diakonat der Frau den Weg bereiten. Damit
verbunden ist aber auch die Hoffnung, durch die Erfahrungen und den geistlichen Weg von Frauen
einen Beitrag zum Profil und Verständnis einer zukunftsfähigen Gestalt des Amts des Diakonats zu
leisten. Immer wieder wird gefragt:
– Was ist das für ein Amt, dessen Öffnung für Frauen gefordert wird?
– Worin liegt seine Bedeutung für die Kirche?
– Welche Zukunft hat dieses Amt, in das sich Frauen berufen fühlen?
In den letzten Monaten sind zu dieser Frage zwei wichtige Beiträge erschienen. Sie machen auf
Herausforderungen aufmerksam, zeigen Perspektiven auf, geben Anregungen für die Diskussionen
um den Diakonat der Frau. Mit dem Abdruck der beiden Essays möchten wir sie einem breiteren
Leser*innenkreis zur Verfügung stellen und ihre Rezeption für die Arbeit des Netzwerks erleichtern.

Stefan Sander †
Die Marginalisierten – Sorgenvolle Bestandsaufnahme des Diakonats
Einst hat das Zweite Vatikanum das Diakonat neu          tium, Nr. 8). Seine enge Verbindung zu Karl
belebt. Heute ist dessen Zukunft in Gefahr. Die          Rahner, dem spiritus rector der Diakonatsbewe-
Theologie des Amtes ist umstrittener denn je,            gung, und seine Nähe zum Deutschen Caritas-
eine neue Studie verrät ein diffuses Selbst-             Verband wurden im Laufe der Jahre zum Dreh-
verständnis, und der Nachwuchs ist knapp. Ein            und Angelpunkt der weiteren Entwicklung. Für
Weckruf.                                                 Kramer werde durch den Priester vergeblich
   Das Internationale Symposium zur Theologie            versucht, die Lücke zu schließen, die durch das
des Diakonats, das im Frühjahr 2020 in Stuttgart         Fehlen des Diakonats entstanden ist.
geplant war, trug den Titel: „Das Gesicht der Kir-          Schon die theologischen Hinweise in den Kon-
che im Alltag der Menschen?“ Papst Franziskus            zilstexten selbst ließen erahnen, dass die Debatte
hatte beim Empfang aus Anlass des 50-jährigen            um „eines der kostbarsten Geschenke des Kon-
Jubiläums des Internationalen Diakonatszentrums          zils“ (Balthasar Fischer) nicht allzu schnell ver-
2016 den Diakon so bezeichnet. Wie ist es um             stummen würde. Entscheidende Konzilsdoku-
das Amt und seinen Dienst heute bestellt?                mente für die Erneuerung des Diakonats sind die
Franziskus, der immer wieder vor einer unnötigen         beiden Kirchenkonstitutionen des Zweiten Vatika-
Klerikalisierung der Kirche warnt und daran              nischen Konzils, „Gaudium et Spes“ und „Lumen
erinnert, dass die Diakone nicht einfach erstklas-       Gentium“. Ersteres formuliert: „Es geht um die
sige Ministranten oder Priester zweiter Klasse           Rettung der menschlichen Person, (…) um den
sind, sieht im Diakon den Hüter des Dienstes in          rechten Aufbau der menschlichen Gesellschaft“
der Kirche.                                              (GS 3). Dem Auftrag zum Dienst am Menschen
   Die Anfänge der Diakonatsbewegung weisen              gemäß werden den Diakonen die Hände „nicht
den Weg für das Amt, das zuvor nahezu 1000               zum Priestertum (sacerdotium), sondern zur
Jahre zur bloßen Weihestufe abgewertet gewe-             Dienstleistung (ministerium)“ (LG 29) aufgelegt.
sen war. Im Jahr 1977, 25 Jahre nach der Grün-
dung der ersten Diakonatskreise in Deutschland,          Schwierige Abgrenzung
sprach Hannes Kramer, eine der bedeutendsten             Das Konzil irritiert, weil LG mit dem Begriff sacer-
Gestalten der Anfänge, von der Prägung einer             dotium (LG 10) auch die gemeinsame Würde aller
franziskanischen Haltung. Der Freiburger Caritas-        Getauften umschreibt. Von daher ist dieser Ter-
Mitarbeiter erinnerte an die Anfänge des Dia-            minus nicht zur Differenzierung von Diakonat und
konats im Urchristentum und an den Dienst der            Presbyterat geeignet, zumal die zitierte Formel in
Sieben in der Apostelgeschichte (Apg 6,1–7). Der         dieser Kurzform aus einer diakonatsfeindlichen (!)
Diakon solle sich den Ärmsten und Vergessenen            Quelle stammt; darin wurde die enge Verbindung
zuwenden und die Nachfolgegemeinschaft daran             zwischen Bischof und Diakon, die der Ursprungs-
erinnern, dass die Kirche in den Armen und               text betonte, einfach gestrichen.
Leidenden das Bild dessen erkennt, „der sie                Zugleich findet sich in LG 29 eine eher additive
gegründet hat und selbst ein Armer und                   Auflistung der Aufgaben des Diakonats. Danach
Leidender war“ (Zweites Vatikanum, Lumen Gen-            dient der Diakon, mit sakramentaler Würde ge-

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Das Amt des Diakonats

stärkt, „dem Volke Gottes in der Diakonie der              ständnis der Kirche in die Ämtertrias ein. Be-
Liturgie, des Wortes und der Liebestätigkeit in            rechtigte Skepsis wurde diesem Modell in all den
Gemeinschaft mit dem Bischof und seinem Pres-              Jahren vor allem deshalb entgegengebracht, weil
byterium“. Eine theologische Begründung findet             die Ordination eines Helferamtes ohne Voll-
die Wiedereinführung des Diakonats – gewiss                machten den Keim des Klerikalismus in sich trägt
kein Zufall – im Konzilsdekret „Ad Gentes“ über            und das gemeinsame Priestertum abwertet.
die Missionstätigkeit der Kirche. Dort heißt es: „Es       Weihe gerät zur persönlichen Heiligung, struktu-
ist angebracht, dass Männer, die tatsächlich               relle Nachrangigkeit des diakonalen Dienstes und
einen diakonalen Dienst ausüben, (...) durch die           amtstheologische Bedeutungslosigkeit werden
(…) Handauflegung gestärkt und dem Altare                  manifestiert.
enger verbunden werden, damit sie ihren Dienst                Das bipolare Amtsmodell dagegen suchte
mit Hilfe der sakramentalen Diakonatsgnade wirk-           das presbyterale und diakonale Amt der doppelt-
samer erfüllen können“ (AG 16).                            einen Grunddimension der Kirche – communio
   In den Anfangsjahren suchte der Diakonat sein           und missio – zuzuordnen, der Presbyter erinnert
eigenständiges Profil in Auseinandersetzung und            die Grunddimension des Nicht-aus-sich-selbst,
Abgrenzung zum priesterlichen Amt, dessen                  der Diakon die des Nicht-für-sich-selbst (Bernd
Mangel erst seine Wiedereinführung protegierte.            Jochen Hilberath, Thesen zur Theologie des
Er sollte und wollte allerdings kein Lückenbüßer,          Diakonats, in: Klaus Kießling [Hg.], Ständige
Hilfspriester oder halber Priester mit geringen            Diakone – Stellvertreter der Armen? Berlin 2006,
amtlichen Vollmachten sein. Gleichwohl war                 98). Diesem Differenzierungsversuch haftet zwar
diese Abgrenzungsbewegung nicht durchgängig                etwas Künstliches an (Matthias Remenyi, Die
von Erfolg gekrönt. Wie sollte sie auch gelingen,          Autorität des Dienens, in: Remenyi [Hg.], Amt und
suchten doch etliche Diakone der Anfangszeit               Autorität, Paderborn 2012, 177); andererseits
ihren stillen Lebenstraum priesterlicher Existenz          plädiert das Modell für eine theologisch begrün-
im Diakonat nachträglich zu verwirklichen.                 dete gleichwertige Zuordnung des presbyteralen
   Die anfänglichen Erfahrungen nach der Wie-              und diakonalen Amtes, also der beiden Arme des
dereinführung deuten zudem darauf hin, dass der            Bischofs. Für viele scheint hier zu viel Kollegialität
ständige Diakonat seinen Weg in manchen                    gewagt.
Diözesen eher als Anerkennung des kirchlichen                 Das komplementäre Amtsmodell schließlich
Einsatzes einiger Laien begonnen hat (persön-              geht von der sakramentalen Fülle im Bischofsamt
liche Heiligung) denn als Möglichkeit, das ge-             aus, Presbyter und Diakon haben ihren je
weihte Amt weiterzuentwickeln. Es fehlte die Er-           spezifischen Anteil daran. Der Communio-Ekkle-
fahrung, das eine Amt in vielfältiger Ausformung           siologie des Konzils gemäß komme den Ämtern
zu entwickeln. Die Wiedereinführung brachte                die repraesentatio Christi, des Hauptes der Kir-
schließlich eine Pluralisierung im Weiheamt und            che, zu. Ihre Leitungsfunktion ist in der Sakra-
damit scheinbar für viele unausweichlich eine              mentalität des Amtes begründet. Der Diakon re-
Relativierung im Sinne einer Entwertung des                präsentiert Christus den Diener und die dienende
priesterlichen Amtes und seiner Lebensform mit             Kirche, seinen Dienst vollzieht er in allen Grund-
sich.                                                      vollzügen der Kirche. Im Diakonat manifestiere
   Drei theologische Modelle des Zusammen-                 sich der diakonale Grundcharakter allen kirch-
spiels der Weiheämter wurden im Laufe der Zeit             lichen Handelns.
diskutiert, zwei prägten die Entwicklungen in den             Dieses in vielen Ortskirchen theologisch favo-
Diözesen und konkurrieren miteinander.                     risierte Modell hat den Diakon trotz aller Eigen-
   Im hierarchischen Stufenmodell wird dem                 ständigkeitsbemühungen allerdings häufig zum
Diakon als Helfer des Priesters die unterste Stufe         diffusen Lückenbüßer (sic!) werden lassen, der im
der hierarchischen Leiter in der Ämtertrias                Kontext einer immer schneller sich verflüssi-
zugewiesen. Bischöfe und Presbyter sind zei-               genden Sozialform der Kirche nur schwer seine
chenhafte Vergegenwärtigung Christi, des Haup-             Identität sichern kann.
tes der Kirche. Ihnen wird der ministeriale Dienst
des Diakons zugeordnet. Die Vertreter argumen-             Kann man Vorsteher sein, ohne in der Person
tieren mit der in LG 28,1 und 29,1 formulierten            Christi zu handeln?
abgestuften Einheit des Amtes und tragen kon-              Für Verunsicherung sorgte 2009 das über-
sequent ein hierarchisch-juridisches Selbstver-            raschend veröffentlichte Motu proprio „Omnium in

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Das Amt des Diakonats

mentem“. Die vom Konzil für amtliches Handeln        Wort und Tat verkünden. Ihr Proprium als Diakon
verwandte Formulierung „agere in persona Christi     zu erfassen, fällt schwer.
Capitis“ (in der Person Christi des Hauptes             Befragt nach dem wichtigsten Merkmal ihres
handeln), die bisher auf alle drei Ämter bezogen     Dienstes wiesen viele Diakone auf ihre Verortung
wurde, wird nur noch auf Bischof und Presbyter       mitten unter den Menschen hin. Sie wollen Men-
angewandt. Der Diakon erhalte die Kraft, dem         schen auf Augenhöhe begegnen. Ihre Einbettung
Volk Gottes in der Diakonie der Liturgie, des        in familiäre und berufliche Kontexte, die sie als
Wortes und der Liebe zu dienen. Theologische         Ständige Diakone prinzipiell mit den Menschen
Klarheit konnte die Änderung nicht schaffen.         ihrer Gemeinde teilen, ist für sie eine wesentliche
Schon die Konzilstexte lassen keinen Zweifel         Bedingung dafür. Mitten unter den Menschen zu
daran, dass der Diakon in persona Christi capitis    sein, kann allerdings nur bedingt als Identitäts-
(LG 41) handelt. Ist also, so gibt Manfred Hauke     merkmal im Sinne einer Erkennbarkeit dienen.
zu bedenken (Der Diakonat, Regensburg 2019),
„ein Vorstehen im Namen Christi denkbar, das         Die Wortbedeutung des diakonos
etwas anderes wäre als ein Handeln in der            Die interviewten Diakone im Zivilberuf fühlen sich
Person Christi als Haupt der Kirche?“                als pastoral nicht einplanbare „Zugabe“, als
   Die Diskussion um die entsprechende Weise         „kostenloses Geschenk“. Sie übernehmen Taufen
der repraesentatio Christi im sakramentalen Amt      und Trauungen und entlasten ihre presbyteralen
scheint der Identität des Diakonats kaum einen       Amtsbrüder. Auch andere Bereiche der Liturgie,
Schub geben zu können; sie wird vielleicht auch      wie etwa Andachten und Wortgottesdienste,
deshalb geführt, weil sie angesichts der jüngsten    gehören in der Regel zu ihrem Dienst. Daneben
Debatten um den Frauendiakonat anschlussfähig        fallen ihnen pastorale Aufgaben zu, die entweder
ist an die Argumentationslinie von Johannes          brachliegen oder ihren besonderen Neigungen
Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben „Ordi-    und Fähigkeiten entsprechen. Sie werden, gewollt
natio sacerdotalis“.                                 oder nicht, mitunter Ersatz für fehlende Priester.
   Versuche, das empirische Phänomen Diakonat        In ihrem Manifest zum 50-jährigen Jubiläum des
zu beschreiben, blieben bisher eher selten. Das      Diakonats beklagen die Diakone Österreichs
von Norbert Hark geleistete Forschungsprojekt        genau dies; sie müssten zunehmend priesterliche
„Pro Diakonia“ im deutschsprachigen Raum,            Aufgaben übernehmen, ihr spezifisch diakonaler
federführend vom Lehrstuhl für Religions-            Dienst werde davon nahezu absorbiert. Ihre
pädagogik und Pastoralpsychologie an der Hoch-       diakonische Sendung in Gesellschaft und Kirche
schule Sankt Georgen in Kooperation mit dem          würde verdunkelt.
Internationalen Diakonatszentrum (IDZ) begleitet,       Die ekklesiologische Dimension der sakramen-
begegnet diesem Sachverhalt mit einer                talen Indienstnahme spielte in den meisten
qualitativen Studie. Zwischen 2015 und 2019          Gesprächen nur eine untergeordnete Rolle. Die
wurden in allen 42 deutschsprachigen Diözesen        Ordination diente den Interviewpartnern eher als
Ständige Diakone im beziehungsweise mit              persönliche Bestärkung denn als unumkehrbare,
Zivilberuf zu ihrem Selbstkonzept befragt.           öffentliche, auf Dauer ausgesprochene Indienst-
   Ein oft vermutetes und erhofftes musterhaftes     nahme für eine konkrete Aufgabe, die um ihrer
Durchwirken der Berufswelt, also eine lebendige      Bedeutung für die Sendung Jesu Christi willen
Verbindung von Kirche und (Berufs-)Welt durch        unerlässlich für die Kirche vor Ort ist und deshalb
den Diakon im Zivilberuf (in Deutschland rund 65     an Personen gebunden wird.
Prozent, weltweit die Regel) konnte die Studie          Nur einige Gesprächspartner sahen in ihrem
nicht bestätigen; dies dürfte dem Diakon zukünftig   Dienst einen sozial-karitativen Handlungsschwer-
immer schwerer fallen.                               punkt. Dieser Umstand verdient auch deshalb in-
   Viele regionale oder diözesane Besonderheiten     tensivere Aufmerksamkeit, weil die karitative Aus-
zeichnen den Diakonat aus, Pluri- statt Uniformi-    richtung des Diakonats bisweilen als deutscher
tät kennzeichnet Diakone wie den Diakonat. Eine      Sonderweg markiert wird. So wurden in den USA
Besonderheit stellt die Situation der Diakone in     zuletzt Tätigkeiten in word, liturgy and charity
der Schweiz dar, wo es nur hauptamtliche Dia-        gleichermaßen vom Diakon erwartet. Vielfältige
kone gibt. Ihnen werden häufig Leitungsfunktio-      und vielseitige Verantwortungs- und Aufgaben-
nen in einer Pfarrei übertragen. Sie selbst defi-    bereiche seien für das diakonale Amt charakteris-
nieren sich als Seelsorger, die das Evangelium in    tisch, Lebensform und Tätigkeit in einem welt-

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Das Amt des Diakonats

lichen Beruf eher das Unterscheidungskriterium              Zuletzt war wiederholt davon die Rede, ver-
des Diakonats von den anderen Weiheämtern. In            heiratete Diakone zur Priesterweihe zuzulassen.
der Tat könnte der in LG 29 als Vorzeichen aller         Das Abschlussdokument der Amazoniensynode
kirchlichen Grundvollzüge gebrauchte Diakonie-           wünscht die Weihe verheirateter Männer, die in
begriff den Diakon pikanterweise zum Mädchen             stabilen Familienbeziehungen leben, vor ihrer
für alles machen. Die Konzilstexte scheinen die          Weihe zu Priestern aber „ein fruchtbares Ständi-
pointierte karitative Grundierung des neuen, alten       ges Diakonat absolviert“ haben. Lediglich Diako-
Amtes nicht mitzutragen. Dabei wird allerdings           ne scheinen als viri probati in Betracht gezogen
häufig übersehen, dass die entsprechende                 zu werden. Würde die Rolle des Diakonats damit
Relatio sehr wohl die Affinität des Diakonats zu         aber nicht als Durchgangsstufe, als Ersatzreser-
den Aufgaben der Liebe spezifiziert.                     voir für fehlende Priester erneut manifestiert und
    Dienen ist sicher nicht das Proprium des Dia-        seine fragile Eigenständigkeit erheblich beschä-
kons, das ihn von anderen Ämtern unterscheidet.          digt? Warum sollen gerade die verheirateten Dia-
Neuere Erkenntnisse zum semantischen Befund              kone und nur sie zu Priestern geweiht werden?
der diakonia-Wortgruppe legen das nahe. Die                 Selbst wenn man dem Vorschlag folgen würde:
Wortgruppe beschreibt nicht ein dienstbares              Die Zahl der Diakone ist zwar seit der ersten
Aufwarten an den Tischen, hat überhaupt keinen           Weihe 1968 in Köln weltweit stetig gestiegen
hierarchischen Impetus; der diakonos ist der Go-         (2018: 47.504), hat aber wohl gegenwärtig –
Between, der Gesandte, der sich in Treue zu sei-         zumindest in Deutschland mit rund 3.400 Diako-
nem Auftraggeber den Adressaten zuwendet. Die            nen – seinen Zenit erreicht. Nahezu zwei Drittel
Studien von John N. Collins und Anni Hentschel           davon sind in Amerika tätig, die meisten in den
sind eindeutig.                                          USA (circa 19.000). In Europa werden in 34
    Am konkreten Auftrag des Diakons lassen die          Ländern fast 15.000 Diakone gezählt. Weder in
semantischen Verschiebungen für Klaus Kießling           Afrika mit 465 Diakonen in 27, in Asien mit 346 in
allerdings keinen Zweifel: „Diakone folgen einem         23 Ländern, noch in Australien und Ozeanien
Auftrag, sie sind Botschafter Jesu Christi, und der      (451 in 2017) konnte sich das Amt etablieren.
Inhalt dieses Auftrags sind die in der Weltge-           Sorgen bereitet das Durchschnittsalter der Män-
richtsrede wieder und wieder aufgezählten Werke          ner nicht nur in den USA (68 Jahre), in Frankreich
der Liebe, der caritas. Und daran, wie ich einem         liegt es bei 67 Jahren, in Deutschland bei rund 60
Auftrag nachkomme, wird offenbar, wer ihn erteilt        Jahren. Ein Drittel aller Diakone hierzulande war
hat, erst recht dann, wenn mich göttliche Liebe          Ende 2018 65 Jahre und älter. In Österreich
antreibt und mein Auftraggeber caritas heißt:            waren 2019 42 Prozent der Diakone in Pension.
Dieser diakonia caritatis Dei sind nicht allein             Die deutschen Bischöfe betonen in ihrem
Diakone verpflichtet, vielmehr erinnern sie jede         Schreiben „Gemeinsam Kirche sein“ von 2015 die
Christin und jeden Christen gleichsam von Amts           priesterliche Würde aller Getauften. Sie könne
wegen an diesen Auftrag“ (Die Weltgerichtsrede           weder durch Ämter oder Dienste noch durch die
[Mt 25, 31– 46] – biblische Quelle der diakonia ca-      Berufung oder Beauftragung Einzelner gesteigert
ritatis Dei, in: Diaconia Christi 52 [2017] 1/2, 221).   werden (35). Dem unverzichtbaren priesterlichen
    In seiner Enzyklika „Deus Caritas est“ erinnert      Dienst komme die vornehme Aufgabe zu, das
Benedikt XVI. mit Verweis auf Mt 25,31–46 an             Priestertum aller Gläubigen zur Entfaltung zu
Gottes Gegenwart im Armen und Bedrängten. Mit            bringen. Leitung habe zugleich viele Gesichter
der Wahl der Sieben, dem Ursprung des Dia-               und könne unter bestimmten Umständen für
konenamtes (siehe Apg 6,5 f.), sei die strukturelle      einen befristeten Zeitraum an Beauftragte über-
Verankerung dieses ekklesialen Grundprinzips             geben werden. Der Diakonat bleibt im Wort der
gelungen. Die Diakone Roms erinnert der eme-             Bischöfe schwach, seine Rolle unklar; so auch in
ritierte Papst im Jahr 2006 an die Relevanz der          Gemeinden, wo sich Teams bilden und diakoni-
Caritas für die Zukunft des Diakonats. Eine kraft-       sche, katechetische oder liturgische Dienste stär-
volle Bestätigung des Primats des diakonalen             ken und koordinieren. In Österreich sind die Dia-
Amtes der Caritas werde die Annahme des                  kone selbstverständlicher Bestandteil dieser Lei-
Diakonats und seine Zukunft sicherstellen.               tungsteams, in manchen Diözesen Deutschlands
Andernfalls könnte er die Angst befeuern, eine           wird auf sie als Amtsträger bewusst verzichtet; es
Bedrohung für die Identität des Priesters zu sein,       gehe schließlich um Beauftragung auf Grundlage
und zugleich unter Klerikalismusverdacht geraten.        des gemeinsamen Priestertums.

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Das Amt des Diakonats

   Eine Kirchenzeitung berichtet im Dezember          kann, aber nicht geben muss (siehe LG 29,2), der
2018 (Kirchenbote, Nr. 49/2018, 9) unter der          tut sich schwer, Systemrelevanz zu belegen,
Überschrift „Wir spüren: Es tut sich was“ von der     aufgabenorientiert und konturiert zu Werke zu
Amtseinführung des Gemeindeleiters, bei dem es        gehen.
nicht um einen neuen Pfarrer, sondern um einen           Wie also kann die Zukunft des Diakonats ge-
Pastoralreferenten geht, der nach Kanon 517 § 2       staltet werden, wie kann das Amt Welt und Kirche
des Kirchenrechts eine Pfarreiengemeinschaft          bereichern? Kurz: Was erwarten die Menschen,
leitet.                                               was benötigt die christliche Gemeinschaft? Eines
                                                      ist sicher: Profilgewinn, Gestaltfindung gelingt
Das Grenzgängeramt                                    weder isolationistisch noch ohne Rückbezug auf
Eine stimmige Verhältnisbestimmung von ge-            die sich immer schneller verflüssigende Sozial-
meinsamem Priestertum und sakramentalem               form der Kirche. Zudem sollte die Wahrheit des
Amt, von Ordination, Sendung Hauptamtlicher           Amtes sich daran messen lassen, in welcher Ge-
und Beauftragung Getaufter ist vor dem Hinter-        stalt sie Sinn stiftet, sich im Leben der Menschen
grund dieser Entwicklungen längst überfällig. Für     bewährt. Geschlechtergerechtigkeit und theo-
den Diakonat geht es dabei schon ums Ganze:           logische Redlichkeit legen nahe, das Diakonat
Das Grenzgängeramt wird einer Marginalisierung        der Frau einzuführen. Das gebietet auch der
nicht leicht entkommen, wenn bestimmte Grenz-         Respekt vor dem vielfältigen sozial-karitativen
erfahrungen nicht bearbeitet werden: in der           Engagement vieler Frauen. Sie könnten das
priesterlichen Hierarchie ohne plausiblen Grund       Gesicht der Kirche im Alltag der Menschen um
abgestuft, dem gemeinsamen Priestertum ent-           ein Vielfaches bereichern.
zogen, sakramentales Amt ohne exklusive sakra-           Sinn und Opportunität des diakonischen Amtes
mentale Zeichenhandlungen, ohne Amt(-svoll-           erschlossen sich für Karl Rahner am besten
macht) neben Dienstämtern, Ehrenamtlicher             dadurch, „dass ausdrücklich gezeigt wird, dass
unter Amtlichen, Nicht-Professioneller unter Pro-     dieses Amt ja besteht, und zwar deshalb besteht,
fessionellen.                                         weil es eben nützlich und notwendig in der Kirche
   Der Diakonat hat sich trotz mancher Heraus-        ist und von da aus die Sinnhaftigkeit einer gerade
forderungen im deutschsprachigen Raum etab-           sakramentalen Amtsverleihung deutlich gemacht
liert, er ist nicht mehr wegzudenken, sein Fehlen     wird“ (Die Theologie der Erneuerung des
würde eine Lücke hinterlassen. Männer, die sich       Diakonats, in: Diaconia in Christo, 1962, 297).
mit Herzblut unwiderruflich vom Herrn der Kirche      Denen, die bereits die Werke der Liebe, der
in den Dienst nehmen lassen, sind ein großer          caritas tun, sollte die gnadenvolle Stärkung durch
Gewinn für Mensch, Gesellschaft und Kirche.           sakramentale Indienstnahme zuteilwerden, um
Lange, vielleicht zu lange haben sich Diakone         der Zukunft des Diakonats willen. Der Diakonat
allerdings zufriedengegeben mit Beruhigungs-          könnte bleiben und werden, was er in seiner
diskursen und Wertschätzungsklima von oben,           Blütezeit war: Ratgeber des ganzen Klerus und
ohne strukturelle Absicherungen einzufordern.         Sinnbild der Kirche.
Sie haben zu wenig darauf gesetzt, dass sie nicht                             Stefan Sander (1962 – 24.11.2020)
nur Zugabe, sondern pastoral verrechenbar sind                                     Herder Korrespondenz 2020,
und um ihrer Aufgabe willen sein müssen. Das                                       Heft 9, September, S. 32 – 36
Konzil irritiert hier wiederum: Wen es nur geben                 Abdruck mit freundlicher Erlaubnis des Verlags.

Rainer Bucher:
Das unfestgelegte Amt: Der Ständige Diakon
Es gibt ihn erst seit kurzem wieder, seine Stellung   Was ist das Besondere?
ist prekär und irgendwie sitzt er zwischen vielen     Zum ersten und irgendwie am faszinierendsten:
Stühlen: der Ständige Diakon der Katholischen         Diakone hat es über viele Jahrhunderte nicht
Kirche. Das könnte seine Chance sein.                 gegeben. Der Ständige Diakonat verliert sich mit
   Was unterscheidet Diakone, hier und heute,         der spätantiken Sazerdotalisierung der kirchlichen
von den anderen Ämtern und Diensten der Kir-          Ämter, im Mittelalter und in der Neuzeit bis zum
che? Was ist das Besondere an den Ständigen           II. Vatikanum gab es den Diakon in der römisch-
Diakonen?

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Das Amt des Diakonats

katholischen Kirche nur als Durchgangsstation             frontiert die Kirche mit ihrer eigenen Machtge-
zum Priestertum.                                          schichte, die nun seit einiger Zeit real eine Ent-
   Ständige Diakone sind zudem weit überwie-              machtungs- und Abstiegsgeschichte geworden ist.
gend verheiratete Männer. Das unterscheidet sie           Was aber bedeutet das alles für Ständige
vom Diakon auf dem Weg zum Priester und                   Diakone?
natürlich überhaupt von allen anderen Klerikern in
der katholischen Kirche – sieht man von ver-              Konsequenzen
heirateten Priestern in den unierten Ostkirchen           Dass es ihr Amt jahrhundertelang nicht gegeben
oder konvertierten Protestanten ab.                       hat, bedeutet schlicht, dass das, wofür es dieses
   Drittens aber: Als Diakone sind sie zwar Kleri-        Amt gab, durch andere besetzt ist. Wie immer
ker, also keine „Laien“, aber „auf einer niedrige-        man die lange und komplexe Geschichte zusam-
ren Stufe der Hierarchie“, wie es in Lumen gen-           menfasst, wofür es Diakone und Diakoninnen in
tium 29.1 heißt. Der Vatikan hat diesen Abstand           der antiken Kirche gab, deutlich ist, dass es zwei
2009 mit dem Motu proprio Omnium in mentem                große Felder waren: zum einen der Dienst an den
kirchenrechtlich bekanntlich zur allseitigen Freude       Geringen und Geringsten, und dann eben auch,
noch ein wenig vergrößert.                                wenn auch wahrscheinlich von Anfang an eher
   Alle drei Elemente machen den Ständigen Dia-           untergeordnet, der liturgische Dienst.
kon zu einem etwas prekären Amt. Prekär meint                Für Diakonie wie Liturgie aber gilt: Beide Felder
hier nicht zuerst, wie umgangssprachlich, heikel,         sind heute von anderen besetzt. Die Diakonie
schwierig und problematisch, sondern ganz wört-           wird in unseren Breiten von der hoch profes-
lich „precarius“: auf Widerruf gewährt, unsicher,         sionalisierten Caritas geleistet, die Liturgie aber
vielleicht vorübergehend. Schließlich heißt es in         eben immer noch vor allem vom Priester voll-
Lumen gentium 29.2 ganz lapidar, dass es den              zogen, zudem drängen auch immer mehr Laien,
„zuständigen verschiedenartigen örtlichen Zu-             ermutigt durch die Volk-Gottes-Theologie des II.
sammenschlüssen der Bischöfe“ zukomme, „zu                Vatikanums, in liturgische Vollzüge.
entscheiden, ob und wo es für die Seelsorge                  Was aber bedeutet das Verheiratetsein der Dia-
angebracht ist, dass derartige Diakone eingesetzt         kone? Die entsprechenden Selbstverständnistexte
werden.“ Deutlicher kann man nicht signalisieren:         rekurrieren auf die Lebenserfahrung und Nähe zu
Euch kann es, muss es aber nicht geben.                   der Lebenswirklichkeit der Nicht-Kleriker, die Ver-
                                                          heiratetsein bedeutet. Aber das Verheiratetsein
Konfrontationen                                           bedeutet eben auch, mit der jahrhundertelangen
Nun konfrontieren diese drei Spezifika des Stän-          Gegenüberstellung von Sexualität und Kult im
digen Diakons die katholische Kirche auch tat-            Sinne von Unreinheit und Reinheit zu brechen.
sächlich mit drei heiklen Realitäten ihrer selbst.        Wie schwer das unserer Kirche immer noch fällt,
Dass es den Ständigen Diakon über viele Jahr-             sieht man auch daran, dass sie sich nicht entschlie-
hunderte nicht gegeben hat, konfrontiert die              ßen kann, Frauen zu Diakoninnen zu weihen.
Kirche mit der Geschichtlichkeit ihrer eigenen               Hier wie im dritten Bereich, die „niedrigste
Ämter, die beim Ständigen Diakon sogar bis zu             Stufe“ innerhalb der klerikalen Hierarchie zu sein,
dessen Abschaffung führte.                                müssen Diakone damit umgehen, gewollt, aber
   Dass, zweitens, der Ständige Diakon zumeist            irgendwie nicht ganz gleichrangig zu sein und von
verheiratet, also legitim sexuell aktiv und gleich-       den Laien zu den Klerikern gerechnet, von diesen
zeitig Kleriker und liturgisch am Altar tätig ist, kon-   aber dann doch nicht wirklich von gleich zu gleich
frontiert die katholische Kirche mit ihrer eigenen,       behandelt zu werden.
immer noch ein wenig heiklen Einstellung zum
Verhältnis von Sexualität und Kult. Der Zölibat ist       Vom Stigma zum Charisma
schließlich vor allem auf Grund der spätantiken           In dieser Situation bleibt nur eine Strategie, eine
Wiederaufnahme außerchristlicher kultischer               Strategie, die man sogar als zentrale Strategie
Reinheitsvorschriften in die Kirche eingewandert.         Jesu analysiert hat: das Stigma zum Charisma zu
   Dass schließlich, drittens, der Ständige Diakon        machen. Das setzt enorme Souveränität voraus
Kleriker ist, aber keine Eucharistievollmacht be-         und wirkliche Distanz zu Fremdzuschreibungen:
sitzt, was genau spätestens seit dem Frühmittel-          Das Gute daran aber ist, dass es eigentlich nur
alter den Kleriker ausmachte und schließlich auch         einer einzigen kleinen Verschiebung, genauer:
seine Jurisdiktionsvollmacht begründete, das kon-         einer Umkehrung bedarf.

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