(K)EIN TISCH FÜR ALLE FÄLLE - FHWien der WKW
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DAS MAGAZIN FÜR MANAGEMENT & KOMMUNIKATION DER FHWIEN DER WKW 04|DEZEMBER 2018 (K)EIN TISCH FÜR ALLE FÄLLE Open Office, Shared Desk, Activity Based Working: Was steckt hinter diesen Schlagwörtern? studio! nimmt unterschiedlichste Arbeitsplätze unter die Lupe. Yacht statt Schreibtisch Mobil statt stationär Die ungewöhnlichen Arbeitsplätze der Bei einer Diskussion gab Business Angel AbsolventInnen der FHWien der WKW. Hansi Hansmann Einblick in seinen Alltag.
im fokus WO DIE IDEEN SPRIESSEN Je wohler wir uns bei der Arbeit fühlen, desto produktiver sind wir. So weit, so unbestritten. Beim idealen Office- Konzept scheiden sich aber die Geister. studio! blickt auf die Schreibtische der Gegenwart und der Zukunft. VON EMILY WALTON, MAGDALENA DÖRLER UND LISA WIEDNER A uf dem Schreibtisch stehen 21. Jahrhundert. Begriffe wie Desksha- Kaffeehäferl mit lustigen ring und Homeoffice tauchen in den Sprüchen, Fotos von der Fa- Medien auf. Gleichzeitig kursieren milie, dazu noch Mitbringsel aus dem Bilder von Büros, in denen Mitarbei- Urlaub. Daneben liegen Zettelberge, terInnen zwischendurch Tischfußball Stifte, Post-its, Telefon- und Compu- spielen oder sich gar ins Bällebad terkabel, vielleicht auch das restli- werfen. Die ultimative Verquickung che Mittagessen, an den Tischrand von Freizeit und Arbeit. geschoben. Und am Nebenschreib- Barbara Covar- rubias Venegas tisch tratscht die Kollegin, während Arbeiten in unterschiedlichen Zonen forscht im im ganzen Raum die Telefone ohne Das sind freilich nur einzelne Facetten Bereich Human Unterlass klingeln. des Arbeitsumfelds der Zukunft. Resources. Beim Wort »Büroarbeitsplatz« »Der Trend geht eindeutig hin zum kommt vielen dieses oder ein ähnliches Activity Based Working«, sagt Barbara Bild in den Sinn. Doch ist das wirklich Covarrubias Venegas, Researcher und ein Arbeitsumfeld, das die Produktivi- Lektorin im Studienbereich Human tät fördert und zeitgemäß ist? Moderne Arbeitswelten sehen anders aus. Nicht nur, dass Unterneh- men zunehmend ihre Angestellten » DER TREND GEHT EINDEUTIG HIN ZUM dazu anhalten, Privates (und mancher ACTIVITY BASED WORKING. « orts auch Essen) vom Arbeitsplatz BARBARA COVARRUBIAS VENEGAS fernzuhalten. Immer mehr Personal- FOTO: GETTY IMAGES abteilungen erkennen zudem, dass ein einziger, fixer Schreibtisch oftmals der falsche Ansatz ist für das Arbeiten im DEZEMBER 2018 3
im fokus Resources & Organization an der FHWien der WKW. Die Erforschung moderner Arbeitswelten zählt seit IN EINEM RAUM MIT 160 KOLLEGiNNEN Jahren zu ihren Schwerpunkten: »Activity Based Working bedeutet, Wo könnte man mehr über das Arbeiten in einem Großraumbüro erfahren dass verschiedene Arbeitszonen ein- als in einem der größten Newsrooms Europas? Seit 2005 arbeiten die Journa- gerichtet werden, die speziell an den listInnen der APA in dem 1.600 Quadratmeter großen Raum mit etwa 160 jeweiligen Aktivitäten ausgerichtet Arbeitsplätzen. Die alten Räumlichkeiten hatten nicht mehr zum modernen sind«, erklärt Covarrubias Venegas. So Agentur-Geschäft gepasst. »Bei Breaking News sind etliche Minuten vergan- brauche es etwa Räume, in denen in gen, in denen man die anderen erst einmal anrufen musste«, blickt Werner Müllner zurück. Er war als stellvertretender APA-Chefredakteur mitverant- wortlich für die Organisation des Newsrooms. » MIT DEM ERSTE BANK CAMPUS WOLLTEN Die vermeintliche Lärmhölle WIR DIE KOMMUNIKATION JENSEITS »Woran denkt jemand, wenn er Großraumbüro hört? Lärmhölle, schlechtes Licht und keine Privatsphäre«, meint Müllner – und erinnert sich, wie heftig ORGANISATORISCHER GRENZEN STÄRKEN. « das Thema Privatsphäre vor dem Umzug diskutiert wurde. Die Lösung war, URSULA TAVOLATO-KUNTNER die Ressorts mit höheren Möbeln etwas voneinander abzugrenzen. Außerdem konnte man sich am eigenen Arbeitsplatz einen Sichtschutz montieren lassen. »Das war anfangs das beliebteste Möbelstück«, berichtet Werner Müllner. Stille gearbeitet werden kann; Räume, »Aber nach einer Woche haben wir etwa die Hälfte wieder zurückgekriegt, in denen telefoniert werden kann; mit der schlichten Begründung: Ich sehe ja meine Kollegen nicht mehr.« Räume, in denen Platz ist für kreatives Für die Reduktion des Lärms gab es einfache technische Lösungen. Licht Brainstorming. Das Großraumbüro, war ein größeres Thema: Da ab einer gewissen Raumgröße eine zentrale für das sich zahlreiche Unternehmen natürliche Lichtquelle gesetzlich vorgeschrieben ist, wurden zwei große Glas- in den vergangenen Jahren entschie- kuppeln eingebaut. Was dabei unterschätzt wurde: Sonne kann blenden. »In den haben, könne diese Bedürfnisse den ersten Tagen ist die komplette Innenpolitik mit Sonnenbrillen dageses- ebenso wenig befriedigen wie das sen«, erzählt Müllner. Deshalb wurden Folien auf die Kuppeln geklebt. kleinere, »altmodische« Mehrperso- Außerdem stellte sich das Regulieren der Temperatur als enorm schwierig nenbüro. heraus: Trotz Lüftungsgitter an den Außenwänden, einer Gebäudekern-Tem- Der Ansatz des Activity Based perierung und sieben Umluftgeräten habe es ein Jahr gedauert, bis die Working ist nicht vollkommen neu. Regulierung auf die gewünschten 24 Grad funktioniert hat. Ungeachtet aller »Die ersten internationalen Konzerne Herausforderungen würde sich Werner Müllner auch heute wieder für eine führten dieses Konzept vor etwa 15 Open-Space-Lösung entscheiden: »Wir haben tausende kleine Zeiteinheiten Jahren ein«, berichtet Covarrubias gewonnen, weil alles viel authentischer und schneller geht.« Venegas. Inzwischen wenden sich österreichische Start-ups und Unter- nehmen diesem Modell zu, darun- ter auch die FHWien der WKW. Barbara Covarrubias Venegas und ihre KollegInnen können (und müssen) am Anfang eines jeden Arbeitstages entscheiden, in welche »Zone« sie sich setzen – abhängig von der jeweiligen Aktivität, der sie nachgehen. Ein Headquarter statt 20 Standorte Als vorbildhaftes Beispiel einer modernen Arbeitswelt gilt der Erste Campus der Erste Group Bank AG im zehnten Bezirk in Wien auf dem FOTOS: APA, ERSTE GROUP, CHRISTIAN WIND ehemaligen Südbahnhof-Areal. Rund Im Herzen des 5.200 MitarbeiterInnen, die früher auf APA-Newsrooms wird das Tagesge- 20 Standorte verteilt waren, arbeiten schäft der Nach- nun in einem Headquarter zusammen, richtenagentur das ebenfalls nach den Prinzipien des besprochen. Activity Based Working gestaltet ist. 4
»Natürlich haben wir uns auch andere Konzepte überlegt. Es war uns aber wichtig, dass wir die Kommunikation und Kooperation jenseits organisa- torischer Grenzen stärken und den Wissensaustausch erleichtern. Acti- vity Based Working ermöglicht dies. Außerdem war es uns ein Anliegen, ein Umfeld zu schaffen, das sich an Funktionalität, Ergonomie, Design: Der Erste Campus am Wiener den Aufgaben der MitarbeiterInnen Hauptbahnhof versucht, all das zu vereinen. ausrichtet, nicht an hierarchischen Strukturen und Statussymbolen«, er- klärt Ursula Tavolato-Kuntner, Future Work Manager bei der Erste Group. Hohe ergonomische Standards Eine moderne und funktionale sitzen, ist weder für den Körper noch Die MitarbeiterInnen am Erste Einrichtung allein reicht allerdings für den Geist förderlich. Campus entscheiden täglich selbst, in nicht, um den Wechsel von einer alten, Activity Based Working setzt ein welche Zone sie sich innerhalb ihrer sehr traditionellen Arbeitsweise – also großes Maß an Selbstorganisation vo- »Home Base« setzen – offene Struk- immer an demselben Schreibtisch, raus. »Damit dieses Zonenmodell gut turen und Einrichtungen erleichtern neben denselben KollegInnen – in funktioniert, müssen MitarbeiterInnen die formelle und informelle Kommu- eine flexiblere Arbeitswelt zu schaf- sehr strukturiert sein. Sie müssen sich nikation, die zu den Bedürfnissen der fen. »Menschen sind in der Regel morgens überlegen: Woran werde Tätigkeit passt. »Da die Räumlichkei- Ursula Tavolato- Gewohnheitstiere, viele müssen erst ich heute arbeiten? Für viele ist das Kuntner hat den ten darauf ausgerichtet sind, häufig umdenken«, weiß Expertin Barbara ein Umdenk- und Lernprozess«, sagt Erste Campus gewechselt zu werden, ist die Ausstat- maßgeblich mit- Covarrubias Venegas. Covarrubias Venegas. Stündliches tung ergonomisch auf dem höchsten gestaltet. Bei der Erste Group wurde der Arbeitsplatz-Hopping steigere weder Standard«, sagt Tavolato-Kuntner. Die Umzug durch Change-Manage- Produktivität noch Kreativität. Sie Schreibtische sind elektrisch höhen- ment-Maßnahmen begleitet. »Die selbst genießt es, dass sie sich an der verstellbar, ebenso einfach lassen sich Flexibilität ist ein Angebot an unsere FHWien der WKW jeden Tag einen die Bürostühle individuell anpassen. Mitarbeiter und soll kein Zwang sein. anderen, passenden Arbeitsplatz Es gibt Sitzecken und schalldämp- Natürlich übernehmen Führungskräf- aussuchen kann. »Ich muss lediglich fende Materialien, die für eine gute te hier eine starke Vorbildfunktion«, meinen Laptop anstecken und kann Akustik sorgen. »Schreiende Farben sagt Tavolato-Kuntner. Um das Mitei- überall meine Arbeiten erledigen«, so haben wir ausgeschlossen. Unsere nander und die Vernetzung zu fördern, Barbara Covarrubias Venegas. Umgebung ist mit dem Schlossgarten bietet man bei der Erste Group des Belvedere und dem Schweizergar- Events, bei denen sich MitarbeiterIn- Papierberge in der Forschung ten sehr grün. Wir wollten die Farben nen unterschiedlicher Abteilungen In der Forschung ist diese völlige Fle- der Natur in die Arbeitsbereiche kennenlernen können. Auch die xibilität allerdings nicht immer gefragt: hereinholen«, so Tavolato-Kuntner. So gesundheitlichen Vorteile dieser neuen Mancherorts genießt und benötigt man gibt es am Erste Campus auch eine Arbeitswelt versucht man stark in den den eigenen, permanenten Schreib- 7.500 Quadratmeter große Gartenflä- Vordergrund zu rücken. Acht Stunden tisch. Die WissenschaftlerInnen des che, die zum Arbeiten einlädt. oder mehr an einem Arbeitsplatz zu Research Clusters SMEs & Family DEZEMBER 2018 5
im fokus Businesses der FHWien der WKW verfassen viele wissenschaftliche Journal-Beiträge. »In diese Arbeit beziehen wir zahlreiche Publikatio- nen, Studien und Artikel mit ein. Da kann es schon vorkommen, dass sich Papierberge auf dem Tisch türmen«, so Christina Schweiger, Co-Head des Christina Schwei- Research Clusters. Sie teilt das Büro ger forscht am mit bis zu vier KollegInnen – in einem Research Cluster der FHWien der Nebengebäude der Fachhochschule. WKW. Zwar sind hier die Räumlichkeiten nicht wie im Haupthaus in Zonen geteilt, dennoch greift man häufig eine ähnliche Arbeitsweise auf und sucht sich einen Arbeitsplatz, der an die zu erledigende Tätigkeit angepasst ist. Brainstorming im Park »In der Wissenschaft arbeitet man sehr vernetzt. Wir sind in eine Scien- tific Community eingebettet und im Austausch mit ForscherInnen auf der ganzen Welt. Skype-Konferen- zen kommen im Arbeitsalltag häufig Türkenschanzpark zum Brainstorming Denn selbst wenn man in einem vor«, gibt Schweiger Einblick in ihre gehen. Als produktiv und motivie- hochmodernen Büro Zonen hat, die Tätigkeit. Um diese Konferenzen zu rend hat sich vor allem das »Writing Ruhe versprechen, so bleiben Büros führen, ohne dabei gestört zu werden Retreat« bewährt. Jeden Dienstagvor- doch Orte, in denen man leicht abge- oder andere zu stören, weicht man ins mittag kommen die Wissenschaft- lenkt wird. Besprechungszimmer oder gar in die lerInnen zu diesem Fixtermin im Küche aus. Die aktive Forschung wird Besprechungsraum zusammen, um in Kreatives Homeoffice häufig draußen betrieben: Interviews Ruhe an ihren Forschungspapieren zu Homeoffice ist nicht nur eine Option werden mit ProbandInnen geführt, schreiben. »Wir schätzen es außer- für Schreibtisch-ArbeiterInnen, die Daten dann in den Laptop bzw. dem, dass wir im Homeoffice arbeiten sondern auch für Kreative. Eva Maria das Tablet eingegeben. Gelegentlich können«, sagt Schweiger. Schuster, heute Schmuckdesignerin kommt es sogar vor, dass die Wissen- Die Arbeit im Homeoffice – in der und -produzentin, hat 23 Jahre in schaftlerInnen in den nahegelegenen Fachsprache auch Remote Working Büros gearbeitet, bevor sie sich mit genannt – erlebt nach einem Hype der Kunst in die Selbstständigkeit FOTOS: PHILIPP TOMSICH, EVA SCHUSTER, AMRIPHOTO, GETTY IMAGES wieder einen leichten Rückgang. wagte. In ihrer neuen Berufung ist ihr » ES KANN SCHON VORKOMMEN, DASS SICH »Einige große Unternehmen schaffen diese Arbeitsform sogar wieder ab«, Zuhause zum Arbeitsplatz geworden. Gerade als Kreative genießt sie das PAPIERBERGE AUF DEM TISCH TÜRMEN. « berichtet Barbara Covarrubias Ve- Alleinsein und die Selbstbestimmung. CHRISTINA SCHWEIGER negas. Sie selbst schätzt die Arbeits- »Derzeit kann ich mir eine Werkstatt möglichkeit von Zuhause. »Ich blocke außerhalb meines Zuhauses nicht mir diese Tage oftmals schon Monate vorstellen«, sagt die 47-Jährige. »Es im Vorhinein, damit ich dann völlig passiert oft, dass ich nachts noch konzentriert und ungestört arbeiten einmal aufstehe, um an einer Idee zu kann«, so die Organisations-Expertin. tüfteln.« 6
»Für jeden Arbeitsplatz wichtig« Ergonomie bedeutet, dass sich nicht der Mensch den Verhältnissen anpasst, sondern die Verhältnisse an den Menschen angepasst werden. »studio!« sprach mit Markus Lombardini, Ergonomie-Experte der AUVA- Landesstelle Wien, über die Vorteile von ergonomischen Arbeitsbedingungen und einfache Tipps fürs Büro. Herr Lombardini, warum ist das Thema Man erwartet sich dadurch, negative Ergonomie so wichtig? Belastungskomponenten ins Positive Lombardini: Ergonomie trägt zum umzukehren. Wohlbefinden bei. Die unterschied- lichen Aspekte der Ergonomie Für welche MitarbeiterInnen ist Homeoffice ist nicht nur etwas für Schreibtisch- optimieren aber auch die körperlichen Ergonomie besonders wichtig? ArbeiterInnen, sondern auch für Kreative: Eva Schuster hat – nach vielen Jahren in traditionellen Büros – ihre Belastungen. Deshalb sind sie für Lombardini: Da von der Ergonomie Wohnung zur Werkstatt umgewandelt. Ihre Kreationen jeden Arbeitsplatz wichtig. jeder Arbeitsplatz optimiert oder sind auf www.evamschuster.wien zu sehen. angesprochen wird, beschränkt sich Welche Vorteile hat eine ergonomische diese auch nicht auf einen kleinen Arbeitsplatzgestaltung? Personenkreis. Die Frage wird somit Lombardini: Das angesprochene Wohl- am besten mit »ALLE« beantwortet. befinden hat Einfluss auf die Psyche; Es geht in erster Linie um Optimie- die Belastungs- oder Bewegungssteue- rung eines jeden Arbeitsplatzes. rung auf die Physis. Es geht um einen guten Mix aus Belastung und Entlas- Drei einfache Tipps fürs Büro: tung. Ergonomie wird im Allgemei- 1. Tastaturfüße einklappen – so Immer wieder wird bei der Arbeit nen meist auf Arbeitshaltung oder reduzieren Sie muskuläre Arbeit und von zu Hause vor der Vereinsamung Lasthandhabung beschränkt. Aber damit Verspannungen in der Unter- gewarnt. Schuster fühlt sich davon auch Arbeitsbedingungen wie Klima, armmuskulatur. nicht betroffen. »Wie viel Austausch Belichtung und Beleuchtung, Vibra- 2. Mauszeigergeschwindigkeit anpas- man braucht, ist Typsache. Wenn ich tion und Strahlung haben Einfluss sen: Die gesamte Bildschirmbreite das Gefühl habe, dass mir Kontakt auf Ermüdung und Wohlbefinden am soll aus EINER Handgelenksbewe- fehlt, gehe ich sofort hinaus, zum Arbeitsplatz. Aufgrund der Themen- gung abgefahren werden können. Sport oder zum Einkaufen.« In ihrer vielfalt der Ergonomie ergeben sich 3. Armlehnen einstellen: Die Ellen Einpersonen-Werkstatt spielt sich viele Vorteile für alle Beteiligten. bogen sollen bei entspannten Schul- alles in einem Raum ab. »Ich habe tern auf der Armlehne aufliegen. Der dadurch generierte Drehpunkt ent- einen riesigen Tisch, der zwei Meter spannt die Schulter der Maushand lang ist. Je nach Bedarf liegen hier beim Umgreifen zwischen Maus und Perlen, Blüten und Arbeitsutensilien. Tastatur. Manchmal türmen sich aber auch die bürokratischen Aufgaben. Das muss Sie haben Fragen zum Thema? Die sich vielleicht noch etwas einspielen«, PräventionsexpertInnen der AUVA- meint Schuster. Für den Moment aber Landesstelle Wien stehen Ihnen gerne hat sie sich ein Arbeitsumfeld geschaf- zur Verfügung. fen, in dem sie produktiv, kreativ und Schreiben Sie an sichereswissen@ zufrieden arbeiten kann. auva.at oder besuchen sie den Info- Das entspricht der Arbeitsphilo Blog für Prävention am Arbeitsplatz sophie der Zukunft – egal ob im https://sichereswissen.info Kleinstunternehmen oder im Groß- konzern. DEZEMBER 2018 7
geradeheraus DER MITTELPUNKT DES (ARBEITS-)LEBENS Wie lange brauchen Sie morgens zur Arbeit? Sind Sie mit der U-Bahn unterwegs oder mit dem eigenen Auto? Ich wette: Mit der Seilbahn fahren Sie nicht ins Büro. Genau das tut Elke Ludewig, unsere Interviewpartnerin in dieser Ausgabe von studio! Ihr Michael Heritsch CEO der FHWien Arbeitsplatz ist das Sonnblick-Observatorium der ZAMG auf mehr der WKW als 3.000 Metern Seehöhe. Das »Pendeln« mit der Seilbahn ist für Elke Ludewig ein gewaltiger Fortschritt – bis vor kurzem musste sie den Weg mit einer abenteuerlichen Lastenseilbahn oder überhaupt zu Fuß zurücklegen. Dafür, sagt die Observatoriums-Leiterin, arbeitet sie so hoch oben, dass sie dabei zuschauen kann, wie sich Wolken bilden – wer kann das schon von sich behaupten? Wir sind damit mittendrin in dieser Ausgabe von studio!, in der wir uns dem Thema Arbeitsplatz widmen. An diesem Ort verbringen wir mindestens ein Drittel unseres Tages, also mehr als im eigenen Wohnzimmer, im Bett oder sonst wo. Die meisten von uns teilen sich diesen Ort mit Menschen, die sie sich nicht aussuchen können. Kein Wunder, dass da auch Reibung entsteht – besonders, wenn viele Menschen in einem Raum arbeiten. Licht, Temperatur, Lärm: Das sind die Dauerbrenner im Großraumbüro, wie wir beim Lokalaugenschein im APA-Newsroom herausgefunden haben. Die Antworten auf die Frage, wie Arbeitsplätze am besten gestaltet werden, sind einem Wandel unterworfen. In einer Podiumsdiskussion haben wir dieses Themenfeld mit Menschen beleuchtet, die junge Unternehmen fördern oder mitgestalten – etwa mit Hansi Hansmann, Business Angel und eine der prägendsten Persönlichkeiten der heimischen Start-up-Szene. Das Ergebnis dieser Diskussion können Sie auf den Seiten 10 bis 13 nachlesen. Hansmann selbst hat übrigens gar keinen physischen Arbeitsplatz. Mit dieser Ausgabe von studio! neigt sich das Jahr 2018 dem Ende zu. Bleiben Sie uns auch 2019 als LeserIn gewogen, wir haben bereits viele spannende Themen in der Pipeline. Vorab wünsche ich Ihnen aber eine schöne Weihnachtszeit – möglichst weit weg vom Schreibtisch! Michael Heritsch FOTO: FEELIMAGE/MATERN 8
Meine Vortragenden kommen aus der Praxis einer anderen Galaxis BEWERBUNGSSTART 09.01.2019 Die führende Fachhochschule für Management & Kommunikation verbindet Wirtschaft und Wissenschaft auf einzigartige Weise. Mit Lehrenden aus der Wirtschaft bieten wir eine exzellente akademische Ausbildung, die optimal auf eine er folgreiche Karriere vorbereitet. Mehr zu unseren Bachelor- und Master- Studiengängen sowie zu unseren Weiterbildungs-Studien finden Sie hier: www.fh-wien.ac.at DEZEMBER 2018 9
visionen »MENSCHEN Ich würde die Diskussion gern mit Ihren ganz persönlichen Arbeitsplätzen beginnen. Herr Hansmann, über Sie liest man, Sie hätten gar keinen. Wie können wir uns Ihren Alltag vorstellen? EROBERN IHRE Hansmann: Es stimmt, ich habe kein eigenes Office. Ich arbeite von zu Hause, auf der Wohnzimmercouch mit Laptop, Mobiltelefon und den Kopfhörern im Ohr. Ansonsten bin ich entweder bei meinen Start-ups RÄUME SELBST« oder ich arbeite im Kaffeehaus. Ich habe drei oder vier Cafés in Wien, in denen ich viel Zeit verbringe. Herr Stieger, Sie betreiben neben Ihrer Tätigkeit als Berater mehrere Cowor- king-Spaces in Wien. Mögen Sie dieses Umfeld – oder haben Sie lieber Ihre Ruhe Über die Frage, wie Arbeitsplätze gestaltet sein im Einzelbüro? müssen, lässt sich trefflich diskutieren. studio! lud Stieger: Ich arbeite in meinen eigenen ExpertInnen zum Round Table – und gewann Coworking-Spaces, und zwar immer in verschiedenen, das ist Luxus. Ich spannende Einblicke in ihre Unternehmen und ihre könnte mir nicht mehr vorstellen, ganz persönliche Arbeitsweise. jeden Tag ins selbe Büro zu gehen. MODERATION: ANDREA HEIGL FOTOS: CHRISTOPH LIEBENTRITT Herr Kraus, Sie gehen jeden Tag ins TEXT: KRISTINA SCHUBERT-ZSILAVECZ T-Center, die Firmenzentrale von T-Mobile. Erst kürzlich gab es dort eine Fusion mit UPC. Sie haben also gerade unterschiedliche Unternehmenskulturen 10
Business Angel Hansi Hansmann (oben) hat zwar keinen fixen Arbeitsplatz; wenn er aber bei »seinen« Start-ups ist, sitzt er am Besprechungstisch immer am selben Platz, verriet er bei der Podiumsdiskussion an der FHWien der WKW. DIE DISKUSSIONSRUNDE Hansi Hansmann Kommt ursprünglich aus der Pharma-Industrie, seit einem Buyout 2003 als Investor und Business Angel zusammengeführt. Was haben Sie dabei Meeting-Räume und einen großen tätig. War/ist mit der »Hansmen Group« an mehr als gelernt? Lounge-Bereich zu schaffen. Im Open 70 Unternehmen beteiligt, u. a. Runtastic (Exit 2015), mySugr (Exit 2017) und durchblicker.at. Kraus: Wir sind noch mitten im Um- Office haben wir mehr als 300 fixe zug und bauen das T-Center gerade Sitzplätze, auch die Bereichsleiter Florian Stieger um, indem wir alle Zwischenwände sitzen direkt bei ihren Teams, was sehr Geschäftsführer der GfP Gesellschaft für Personalentwick- rausnehmen. Wir sehen, dass das förderlich für die Kommunikation ist. lung GmbH und Gründer von Funkensprung Consulting. Konzept flexibler Arbeitsplätze gar Begleitet als Wirtschaftspsychologe Veränderungs- und Organisationsentwicklungs-Prozesse. Mitbetreiber von nicht so einfach anzunehmen ist – und Herr Heritsch, an der FHWien der mehreren Coworking-Spaces in Wien. zwar altersunabhängig. Oft gibt es das WKW gibt es seit einiger Zeit Smart Vorurteil, die Alten tun sich schwer Working. Was hat es damit auf sich? Astrid Lassner und für die Jungen ist es selbstver- Heritsch: Dafür war eigentlich eine Head of HR DACH der Paysafe Group und als solche für etwa 350 MitarbeiterInnen verantwortlich. Im Frühjahr ständlich. Das stimmt aber gar nicht. Notsituation ausschlaggebend. Wir 2018 wurde das Tochterunternehmen paysafecard als Es ist eher eine Frage der Persönlich- sind in den letzten Jahren sehr stark »Great Place to Work« in der Kategorie »Neue Arbeitswelt keitsstruktur. gewachsen und hatten keine Büroflä- & Lebensqualität« ausgezeichnet. chen mehr zur Verfügung. So sind Paysafe hat diesen Prozess des großen wir auf das Konzept des zonierten Werner Kraus Bereichsleiter Business & Wholesale und Senior Vice Umbaus schon beendet. Wie können wir Arbeitens gestoßen, bei dem sich President bei T-Mobile. War sein ganzes Berufsleben lang uns Ihr Büro vorstellen, Frau Lassner? Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der nationalen und internationalen Telekom- bzw. der Lassner: Der Umbau hat im Sommer Arbeitsplätze teilen. So wird die vor- IT-Branche tätig, u. a. bei Alcatel und Amdocs. 2017 stattgefunden. Ziel war es, auf handene Bürofläche effizient genützt. der gleichen Fläche zehn Prozent Am Anfang waren viele skeptisch, Michael Heritsch Seit 2006 CEO der FHWien der WKW. Ist in dieser mehr Arbeitsplätze und zugleich aber inzwischen gefällt das Smart Funktion nicht nur für über 160 Fachhochschul-Mitarbei- genug Rückzugsmöglichkeiten, Working den meisten. terInnen, sondern auch für rund 1.000 nebenberuflich Lehrende in neun Studienbereichen zuständig. » ICH KÖNNTE MIR NICHT MEHR VORSTELLEN, Sie wollen das Round-Table-Gespräch nachhören? Die Diskussion steht als Podcast auf der Website von JEDEN TAG INS SELBE BÜRO ZU GEHEN. « Radio NJOY zur Verfügung: wien.njoyradio.at/podcasts FLORIAN STIEGER DEZEMBER 2018 11
visionen Michael Heritsch (CEO der FHWien der WKW) und Astrid Lassner (HR-Chefin DACH bei Paysafe) im Gespräch mit Andrea Heigl (Kommunikationsagentur bettertogether). Welche Bedürfnisse haben Start-ups im Vergleich zu klassischen, schon gewachse- nen Unternehmen bei der Gestaltung der Arbeitsplätze? Hansmann: Start-ups zeichnen sich da- durch aus, dass sie einen hohen Grad an Innovation aufweisen, sonst sind sie keine Start-ups. Diese Innovation ist deutlich leichter, wenn man in großen, offenen Räumen arbeitet und Men- schen statt Wänden neben sich hat. Als Mann der Old Economy hatte ich das nicht und hätte es auch nicht gewollt. Die Vorstellung, in einem Großraumbüro zu sitzen, hat mir nie besonders behagt. Herr Stieger, was raten Sie Ihren Kunden in der Beratung? Ist das Groß- raumbüro die Antwort auf alle Fragen oder geht der Trend schon wieder in eine andere Richtung? Stieger: Ich kann nicht einfach ein Großraumbüro nehmen, alle reinset- zen und hoffen, dass es funktioniert. Die zentrale Frage ist: Was brauche ich als Organisation, damit ich wirk- schwierig, Menschen in Konzepte zu Und den Kontrollverlust haben Sie sam arbeiten kann? Ich erlebe es oft, pressen, wenn diese den Menschen überwunden? dass zuerst die Architektur da ist und nicht entsprechen. Es macht mich Heritsch: Ich fördere den sogar noch. dann geschaut wird, ob das greift oder skeptisch, wenn sich Mitarbeiter jeden Im Gegensatz zu Herrn Hansmann nicht. Tag aufs Neue einen Platz suchen sol- versuche ich bewusst, jedes Mal len. Ich glaube, der Mensch funktio- in meinem Besprechungszimmer Wie implementiert man so eine Kultur? niert anders, das sieht man auch in der woanders zu sitzen. Das sorgt zwar für Stieger: Idealerweise erobern sich die Familie: Theoretisch können wir uns Irritationen, aber mir ist das wichtig. Mitarbeiter ihre Räume selbst, das am Esstisch überall hinsetzen, aber ist nur oft mit dem Rechenstift nicht es sitzt immer jeder auf dem gleichen Was muss man als Unternehmen bieten, machbar. Platz. um bei BewerberInnen zu punkten? Hansmann: Ungefähr 25 meiner Start- Lassner: Unserer Erfahrung nach ist ups haben regelmäßig Board-Mee- den Bewerbern selbständiges Arbei- » VOR 30, 40 JAHREN WAR DAS BÜRO MIT tings und in allen diesen 25 Boards habe ich am Konferenztisch meinen ten sehr wichtig. Sie wollen nicht Micro-Management, sondern eigen- VORZIMMER ALS STATUSSYMBOL WICHTIG, »eigenen« Sessel. Ich bin total irritiert, wenn ich reinkomme und da schon ständige Projekte, bei denen sie den Weg selbst bestimmen können. Auch HEUTE ZÄHLEN ANDERE DINGE. « jemand sitzt. flexible Arbeitszeiten und Mobile HANSI HANSMANN Working sind wichtig. Was auch viele An der FHWien der WKW gibt es viele Kandidaten bei Paysafe anspricht, ist unterschiedliche Anstellungsverhältnisse, die lockere Atmosphäre mit Du-Kul- Kraus: Ich möchte beim Thema von wenigen Stunden bis zu Vollzeit. tur auf allen Ebenen, aber auch der Erobern anschließen: Ein Garten- Wie gehen Sie damit um, dass Ihre Mit- Kleidungsstil. Beim Rebranding haben architekt sollte einmal einen Park in arbeiterInnen nicht immer greifbar sind? unsere Mitarbeiter heuer zum Beispiel London gestalten. Er plante keine Heritsch: Das ist natürlich eine gewisse einen Hoodie bekommen. Wege, sondern nur Rasenfläche. Dann Umstellung, die schon früher mit FOTOS: CHRISTOPH LIEBENTRITT hat er gewartet, bis sich die Leute einem Kontrollverlust beginnt. Der Herr Stieger, was raten Sie Ihren Kun- ihre Trampelpfade selbst ausgetreten Gedanke, dass das Ergebnis zählt und den beim Recruiting der Generation Y? hatten. Dort hat er dann die Wege nicht der Weg dorthin, ist mit einem Stieger: Diese Generation schaut genau angelegt. Das ist ein sehr schönes Bild, Lernprozess verbunden und eine auf die Kultur: Sind die tollen Begriffe auch für ein Büro. Ich glaube, es ist Frage des Vertrauens. nur Versprechungen oder stimmt das 12
investiert wurde, frage ich mich: Was führung einen sehr hohen Stellenwert machen die mit Kundengeld? Vor 30, haben. 40 Jahren war ein eigenes Büro mit Kraus: Das moderne Arbeiten hat sich Vorzimmer und Couch als Status- noch nicht überall durchgesetzt. Es gibt symbol wichtig. Heute zählen andere auch in Österreich viele traditionelle Dinge. Unternehmen, bei denen man den Ein- druck hat, die Zeit sei stehengeblieben. Können Sie das unterschreiben, Herr Heritsch? Zum Abschluss: Welcher Gegenstand darf Heritsch: Ja, eindeutig. Bei uns kommt an Ihrem Arbeitsplatz nie fehlen? dazu, dass wir mit öffentlichen Gel- Hansmann: Das Handy, der Mac und dern finanziert werden. Da kann ich Kopfhörer. Mehr brauche ich nicht. nicht Perserteppiche ankaufen und Das ist mein Office und das kann ich Räume mit Marmor täfeln. Früher überall auf der Welt haben. hätte es keinen Termin ohne Krawatte Stieger: Mir ist noch wichtig, dass es Werner Kraus gegeben, das ist heute anders und ich einen guten Espresso gibt. Jedes Büro, (Bereichsleiter bin froh darüber, weil ich sonst an das eine Siebträger-Maschine hat, Business bei dem Zeug noch erstickt wäre (lacht). ist schon einmal Anwärter für einen T-Mobile) berichtete über Diese Äußerlichkeiten zählen nicht guten Kaffee. den Umbau des mehr so viel, dafür aber, dass ich mich Kraus: Was ich sehr schätze, ist ein T-Centers in adäquat benehme und höflich bin. Platz, an dem man sich zurückziehen Erdberg. kann. Das ständige Bienenstock-Ge- Wie vermittelt man das Wissen über schwirr geht nicht. neue Arbeitswelten in der Lehre? Lassner: Bei mir sind es Leuchtstifte. Heritsch: Am besten, indem man es Farben sind mir wichtig, vor allem, vorlebt. Unser Studienbereich Human wenn ich offline arbeite. Außerdem bis in die DNA? Ich kenne wenige, Resources & Organization beschäftigt freue ich mich, dass jeder unserer die sich vom Bällebad oder der Rut- sich intensiv damit und zieht auch Mitarbeiter einen höhenverstellbaren sche anziehen lassen. Es geht mehr internationale Vergleiche. Tisch hat. Ich werde versuchen, in um die »weichen« Faktoren wie: Wie Zukunft auch öfter im Stehen zu funktioniert dort Führung? Wie stark sind Arbeitsumfelder auch arbeiten – so wie es der Arbeitsmedi- Hansmann: Ich beobachte bei meinen kulturell geprägt? ziner empfiehlt. Start-ups, dass heute viel mehr darauf Lassner: Bei einem meiner früheren Heritsch: Mir ist Platz wichtig, vor geschaut wird, ob sich ein Mitarbeiter Arbeitgeber hatte ich viel Kon- allem beim Telefonieren. Da muss mit der Unternehmenskultur identifi- takt mit Russland. Dabei habe ich ich herumgehen können. Und ein zieren kann. Während früher nur der bemerkt, dass dort Statussymbole wie vernünftiges Ladekabel für alle meine Lebenslauf zählte, prüft man heute, ein Einzelbüro für die Geschäfts- Geräte. ob die persönliche Chemie passt. Man hat ja nicht sein Einzelbüro, in das man sich verschanzen kann. Kraus: Das neue Arbeiten erfordert Für Organisa- eine hohe soziale Kompetenz, die der tionsentwickler Generation Y nicht immer leichtfällt. Florian Stieger Wenn ich jemanden nicht mag, kann (Mitte) lautet die ich nicht einfach die Tür zumachen. zentrale Frage: Es wird beziehungsorientierter, das ist Welche Raum die Herausforderung für die Unter- lösung braucht ein nehmen, aber auch für die Jungen. Unternehmen, um wirksam arbeiten zu können? Herr Hansmann, Sie kommen in viele Unternehmen. Lassen Sie sich da von Äußerlichkeiten beeindrucken? Hansmann: In sehr limitiertem Ausmaß ist das von Bedeutung. Es soll sauber und funktionell sein. Überall dort, wo ich sehe, dass in Dinge wie Möbel übermäßig und unnötig viel Geld DEZEMBER 2018 13
alumni&co WAS MACHT EIGENTLICH » Ein Absolvent, der das Familien EIN ARBEITSPLATZ AUF DEM MEER unternehmen übernimmt und »Ich wollte schon immer reisen Atlantiküberfahrt auf einem Segelboot weiterentwickelt; eine Absolventin, und die Welt entdecken. Seit ich wurde mir bewusst, dass die Yacht die auf einer Luxusyacht um die Welt 18 bin, verfolge ich diesen Traum sehr industrie ein großes, internationales segelt: So unterschiedlich sind die zielstrebig«, sagt Sophie Brehovsky. Business ist und man das Segeln zum Auf ein Au-pair-Jahr nach der Schule Beruf machen kann.« Seit sechsein- Lebenswege der AbsolventInnen der folgten einige Auslandsaufenthalte halb Jahren ist Sophie Brehovksy Teil FHWien der WKW. Auch in dieser und Jobs in der Tourismusbranche. der Crew auf dem Luxus-Katamaran Ausgabe von studio! werden wieder »Mir war schnell klar, dass ich das »Moonwave«. »Ich habe bereits bei Reisen zum Beruf machen wollte.« der Entwicklung und dem Bau von zwei von ihnen vorgestellt. Die gebürtige Niederösterreicherin ›Moonwave‹ mitgeholfen und mir entschied sich für den Bachelor-Stu- dabei viel technisches Wissen und VON LISA WIEDNER UND SVENJA MOREL diengang Tourismus-Management an Know-how aus dem Projektmanage- der FHWien der WKW. Nach dem ment angeeignet. Auch im Umgang Abschluss verbrachte sie dann einige mit verschiedenen Kulturen habe ich Zeit in Südostasien. einiges gelernt. Die Arbeit auf dem Privat zog es Sophie Brehovsky so Boot ist kein klassischer Nine-to- FOTOS: PRIVAT, VARIUSCARD oft wie möglich in Richtung Sonne, five-Job, es gibt immer etwas zu tun. Strand und Meer. In verschiedensten Ein fixes Dach über dem Kopf am Urlaubsorten arbeitete sie im Sommer Festland besitze ich zurzeit nicht«, so als Segellehrerin. »Nach meiner ersten Brehovsky. 14
» DIE KLEINEN DINGE, DIE FREUDE BRINGEN Vom Bachelor-Studium »Un- in seinem Büro und spricht von einem ternehmensführung – Entrepre- gewissen Wohlfühlfaktor, den ein neurship« an der FHWien der WKW Schreibtisch mit sich bringt: »Wenn über eine Anstellung im Unterneh- ich morgens nicht weiß, wo ich abends men seines Vaters zur Gründung einer aufhöre, habe ich auch keine Möglich- eigenen, internationalen Firma: Das keit, einen effizienten und bedarfsori- ist die Kurzversion des beruflichen entierten Arbeitsplatz zu schaffen.« Weges von Michael Dorner, Ge- Was für Michael Dorner die schäftsführender Gesellschafter von größte Herausforderung im Unter- »Variuscard«, einem Hersteller für nehmer-Leben ist? »Alle kleinen Plastikkarten. und großen Dinge unter einen Hut Die »Moonwave« Die Arbeit im Familienbetrieb – zu bringen. Besonderen Spaß macht ist der Lebens- und ein Betrieb für Kunststoffverarbeitung natürlich das Gewinnen von neuen Arbeitsmittelpunkt von Sophie Brehovsky. – war Anlass für das berufsbegleitende KundInnen, ein interessanter Aus- Einen Wohnsitz an Studium: »Die FHWien der WKW tausch mit Menschen, bei dem man Land hat sie derzeit bot da die perfekte Lösung für mich.« über den eigenen Tellerrand schaut, nicht. 2005, noch während seines Studiums, oder eine neue Produktentwicklung. gründete Dorner »Variuscard«. In Wichtig ist schlussendlich, dass einem dem Unternehmen werden Plastik- die eigene Arbeit und das Produkt karten jeglicher Art hergestellt – von Spaß machen!«, ist der Unternehmer Chipkarten über Studierendenaus- überzeugt. weise bis hin zu Gutscheinkarten. ...? 2008 waren noch 16 MitarbeiterInnen angestellt, derzeit sind es schon über 30. »Variuscard« hat mittlerweile au- ßerdem KundInnen in aller Welt. Der Arbeitsalltag des Alumnus der FHWien der WKW ist klassisch organisiert, denn: »Mit einem mobilen Arbeitsplatz ist man quasi überall da- heim, aber nirgends richtig zuhause.« Dorner hat seinen fixen Arbeitsplatz Dennoch: »Die Routine eines klassischen Bürojobs würde mich wahrscheinlich schnell langweilen. Für die Arbeit auf einem Segelboot muss man sehr flexibel sein. Zudem ist man sehr stark vom Wetter abhängig. Das Leben und Arbeiten auf einer Yacht ist nicht für jeden etwas«, betont die erfahrene Seglerin. Zurzeit kann sich Sophie Brehovsky nichts Schöneres als ihren Job auf dem Meer vorstellen: »Ich möchte weiterhin am Wasser bleiben. Immer an der frischen Luft zu sein, möchte ich um nichts in der Michael Dorner schätzt den klassischen Welt missen.« Arbeitsplatz in seinem Zum Weiterlesen: Sophie Brehovs- Büro. Sein Unternehmen ky bloggt auf www.moonwave.com. »Variuscard« stellt Plastikkarten her und agiert am internationalen Markt. DEZEMBER 2018 15
dialog »WIR SCHAUEN ZU, WIE SICH WOLKEN BILDEN« Elke Ludewig hat den vielleicht spektakulärsten Arbeitsplatz Österreichs: Sie leitet das Sonnblick-Observatorium der ZAMG. Im studio!-Interview erzählt die junge Meteorologin, warum sie das Wetter fasziniert, wie sie den Klimawandel mit freiem Auge beobachtet und warum man als Forscherin in der Antarktis notfalls auch OP-Assistentin sein muss. VON KRISTINA SCHUBERT-ZSILAVECZ Ihr Arbeitsplatz liegt auf 3.106 Metern ist. Sie ist aber nach wie vor nur für Messtechnik, die wahnsinnig komplex Höhe. Wie können wir uns Ihren den Observatoriumsbetrieb zugäng- geworden ist. Außerdem betreuen wir Arbeitsweg vorstellen? lich. Das muss ich immer betonen, weil Forschungsprojekte mit, zum Beispiel Ludewig: Von der Talstation kann man viele sagen: Toll, da können wir jetzt entnehmen wir Schneeproben. im Normalfall mit der Werksseilbahn endlich auch auf den Sonnblick fahren. Weitere Schwerpunkte sind die hinauffahren. Wir hatten bisher das so Tatsächlich ist es für den Sonnblick Wetterbeobachtung und internatio- genannte Kisterl, das war eine offene unglaublich wichtig, dass wir wenig nale Messnetzwerke für Klima und Holzbox mit ca. 2 Metern Länge. Tourismus haben. Wir haben sehr Umwelt. Der Sonnblick ist Teil eines weltweiten Netzwerkes, in dem gere- gelt ist, dass überall auf der Welt zur » WIR HABEN AUF DEM SONNBLICK SEHR SAUBERE LUFT, selben Zeit eine Wetterbeobachtung durchgeführt wird und die Ergebnisse WEIL SO WENIGE MENSCHEN DORT HINAUF DÜRFEN. « innerhalb von 15 Minuten weltweit zur Verfügung stehen. Man saß dort in einer Bobfahrer-Stel- saubere Luft dort oben, weil so wenige Wollten Sie schon immer Meteorologin lung drinnen und dann ging’s in 20 Menschen auf den Sonnblick dürfen. werden? Minuten 1.500 Meter hinauf auf den Und durch die Lage im Nationalpark Ludewig: Das Wetter hat mich von Berg – bei einer maximalen Neigung Hohe Tauern haben wir auch keine klein auf fasziniert. Ich war immer von 47 Prozent. durch Flugverkehr verursachten Emis- schon viel im Gebirge unterwegs und sionen. habe mitgekriegt, wie schnell sich das Also kein Arbeitsplatz für Leute mit Wetter da oben ändern kann. Höhenangst? Wie viele Leute arbeiten auf dem Ludewig: (lacht) Da wird’s schwierig, Sonnblick und was genau passiert dort? Sie haben zuvor 14 Monate in der ja. Als Leiterin des Observatoriums Ludewig: Es sind immer zwei technische Antarktis gearbeitet. Das klingt schon habe ich ja auch Personalverantwor- Mitarbeiter vor Ort, wir sind rund um so, als würden Sie extreme Arbeitsorte tung, also war es mir ein Anliegen, die Uhr besetzt, das ganze Jahr über, besonders reizen. das »Kisterl« zu ersetzen. Mit Hilfe auch zu Weihnachten und an anderen Ludewig: Die Antarktis war schon im- FOTO: CHRISTOPH LIEBENTRITT von Förderungen und Spenden haben Feiertagen. Die Hauptaufgabe ist, zu mer mein Traum. Es war eine unglaub- wir es geschafft, eine neue Seilbahn schauen, dass die Infrastruktur funktio- liche Erfahrung, sowohl persönlich als zu finanzieren, die ein Doppeltrag- niert: der Seilbahnbetrieb, die Elektrik, auch beruflich, vor allem in technischer seil-System hat und windbeständiger die Stromversorgung und natürlich die Hinsicht. 16
Das Wetter hat Elke Ludewig von klein auf fasziniert: »Im Gebirge habe ich mitgekriegt, wie schnell sich das Wetter da oben ändern kann.« DEZEMBER 2018 17
dialog Wie haben Sie dort gewohnt? Ludewig: In der Neumayer-Station III, ist ein Container-Haus auf hydrau- lischen Stelzen. Dadurch kann die Station bei zunehmender Schneehöhe angehoben werden und somit versinkt nichts in Schnee und Eis. Dies gewährleistet, dass nach Abschluss der Forschungsprojekte das Gebiet wieder in den ursprünglichen Zustand zurückgeführt werden kann, indem die Die Abwechslung ganze Station einfach abgebaut wird. zwischen dem Wir hatten viele technische Ein- »normalen« Bürojob schulungen, zum Beispiel damit wir in Salzburg und selbst Ketten und Öl bei den Pisten- der Arbeit auf dem Sonnblick macht raupen wechseln können. Wir mussten Elke Ludewig aber auch medizinische Grundbegriffe großen Spaß: »Wer lernen: Es gab einen kleinen OP-Saal, bekommt schon und damit wir den Arzt im Notfall eine Bergtour unterstützen können, haben wir bezahlt? Das ist gelernt, Bestecke zu reinigen und ihm wunderschön.« zu reichen. Man war zwar in allem auf sich gestellt, zugleich hatten wir aber auch sehr gute Schulungen und Notfallpläne für alle Eventualitäten. Wie würden Sie die Licht- und trotzdem kontinuierlich gemessen, Gletscher zu dokumentieren. Damit Schattenseiten Ihres Jobs beschreiben? ohne ein spezifisches langfristiges Ziel verbunden ist, dass es am Sonn- Ludewig: Das Schöne ist, dass man zu verfolgen. Nun haben wir damit blick immer häufiger zu Steinschlag merkt, wie bedeutend diese Aufgabe eine der ältesten und wertvollsten kommt. Durch die Erwärmung – seit ist. Wir bereiten die Daten dafür auf, Messreihen der Welt, mit nur vier den 80er-Jahren um fast zwei Grad dass Wetterprognosen, aber auch Tagen Unterbrechung in 133 Jahren – taut der Permafrost auf, es bilden Umwelt- und Klimasimulationen be- (s. Kasten). Dies unterstreicht die sich Risse im Stein, Wasser dringt rechnet werden können. Unsere Daten Bedeutung des kontinuierlichen ein, gefriert und sprengt den Felsen. sind die Basis dafür, das Klimage- Monitorings. Das ist schlimm, weil ganze Hänge in schehen zu verstehen, und sollen die Bewegung geraten können. Politik dabei unterstützen, Maßnah- men zu treffen. Die Schattenseite des Monitorings » DER KLIMAWANDEL IST TATSÄCHLICH Für viele wäre so ein witterungsabhän- giger Job wie Ihrer wahrscheinlich der ist die Finanzierung. Die Datener- fassung rund um die Uhr hilft, das AUCH FÜR DEN LAIEN ERKENNBAR. « Horror. Was ist für Sie ein Horror-Job? Ein Bürojob? Ökosystem Erde und das Klima besser Ludewig: Den gibt es bei mir ja auch, zu verstehen und vorherzusagen. Wie macht sich der Klimawandel am ich habe in Salzburg mein Hauptbüro Aber sie ist teuer und man kann nicht Sonnblick bemerkbar? und bin tageweise auf dem Sonnblick. gewährleisten, einen wirtschaftlichen Ludewig: Der Klimawandel ist tatsäch- Wer bekommt schon eine Bergtour Output zu erzielen. Wir sind auf die lich auch für den Laien erkennbar. bezahlt? Das ist wunderschön. Das Finanzierung durch Ministerien bzw. Viele Teile des Gletschers sind mitt- Schlimmste wäre für mich wohl die Regierung angewiesen. Und hier lerweile im Sommer schneefrei, man Fließbandarbeit. Ich brauche Freiraum scheint der Nutzen des Monitorings sieht das blanke Eis, das immer weiter für den Geist, die Herausforderung, für die Menschheit oft unterschätzt zu schmilzt und die Gletscher aufbrechen die der Job mit sich bringt, die Ab- werden. lässt. Von Jahr zu Jahr kann man zuse- wechslung, auch den handwerklichen FOTOS: CHRISTOPH LIEBENTRITT, ZAMG Das heißt, die Finanzierung – auch hen, wie immer mehr Fels und Geröll Aspekt, die Kreativität, wir müssen ja die des Sonnblick-Observatoriums – frei werden. Im Schnitt schrumpft der auch viel selbst reparieren und warten ist oft schwierig. Man muss bedenken: Gletscher jedes Jahr einen Meter. da oben am Berg. Das Observatorium existiert seit Unsere Glaziologen arbeiten mitt- gut 133 Jahren. Damals hatte keiner lerweile mit Kameras, die regelmäßig Wie geht es Ihnen als junger Frau in den Klimawandel im Kopf, man hat Bilder machen, um das Schmelzen der einer Männerdomäne? 18
WETTERFEST SEIT MEHR ALS 130 JAHREN Das internationale Interesse an der Erforschung höherer atmosphärischer Schichten war Auslöser für die Errichtung des Observatoriums auf dem Sonnblick 1886. Ermöglicht wurde diese durch einen privaten Mäzen: den Rauriser Bergwerksbesitzer Ignaz Rojacher. Nach dessen Tod wurde 1892 der Sonnblick-Verein gegründet, der bis heute existiert und einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung des Observatoriums leistet. Heute wird es außerdem vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie von der Akademie der Wissenschaften unterstützt. Aber auch das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus fördert Messprogramme, wie zum Beispiel das glaziologische Monitoring. Betreiberin des Observatoriums ist die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Jeweils zwei Techniker der ZAMG haben 15 Tage durchgehend Dienst auf dem Sonnblick. Sie garantieren unter anderem, dass alle Messgeräte Ludewig: Viele hatten Bedenken, als ich 3.000 Metern Seehöhe ja fast dabei kontinuierlich und richtig messen. Seit dem Jahr am Sonnblick angefangen habe, die zu, wie sich die Wolken bilden – per- 1886 war das Observatorium nur an vier Tagen meisten Kollegen dort sind Män- fekte natürliche Laborbedingungen. nicht betreut. Das war kurz nach Ende des Ersten ner, viele sind älter als ich. Aber ich Weltkrieges: Nach Abzug des Militärs war der wurde sehr nett aufgenommen. Mein Abschließend noch eine typische Sonnblick unbesetzt, bis ein Bürger von Rauris Eindruck ist, dass es in der Forschung Meteorologen-Frage: Was ist Ihr hinaufgegangen ist und die Messung fortgesetzt hat. Für Elke Ludewig ein Beweis, »wie verbunden die und an den Universitäten schon viele Lieblingswetter? Menschen in der Umgebung mit diesem Berg sind. Frauen gibt, diese aber dennoch oft in Ludewig: Ich liebe die Vielfalt unseres Es ist quasi ›ihr‹ Observatorium.« den höheren Positionen und Gremien Wetters und die Jahreszeiten. Extreme fehlen. Ich denke, wenn man als Frau Wetterlagen, Stürme und Gewitter: weiterkommen will und seine Ziele Die Naturgewalten faszinieren mich hat, kann man diese auch erreichen. aber am meisten. Bis jetzt hatte ich keine Probleme, ich Vor ihrer Arbeit am Sonnblick (links) war wurde immer ernst genommen. Elke Ludewig in der Antarktis tätig – und hat sich damit einen Lebenstraum erfüllt. Was möchten Sie konkret als Leiterin des Observatoriums erreichen? Ludewig: Der Sonnblick wird nach wie vor als »Wetterwarte« bezeichnet. Das sind wir aber schon lange nicht mehr. Unsere Besucher sind immer ganz er- staunt, wie viel Technik wir vor Ort ha- ben und was und wie wir alles messen. Ansonsten ist es derzeit ein Hauptziel, die Infrastruktur auf Vordermann zu bringen. Und dann gilt es, den internationalen Status zu erhalten bzw. auszubauen. Ein konkretes Ziel ist, die Forschung zu erweitern, beispielsweise den Bereich Wolkenforschung mehr zu pushen. Wir schauen auf unseren über DEZEMBER 2018 19
wienERleben Das Wiener Unternehmen »gabarage« hat sich ganz der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit verschrieben. In den hauseigenen Werkstätten bekommen chronisch suchtkranke Menschen eine Chance auf Beschäftigung, aus nicht mehr benötigten Materialien werden Design-Objekte. VON BETTINA FERNSEBNER-KOKERT EIN ARBEITSPLATZ ALS ZWEITE D as Metallregal nimmt die Schultertasche aus weißem Kunst- in den hauseigenen Werkstätten aus ganze Wand ein. Taschen in stoffmaterial vom obersten Regalbrett: Werbeplanen Taschen, ein nicht mehr unterschiedlichen Farben, »Das war einmal die Leinwand im gebrauchtes »Parken verboten«-Schild Ausführungen und Größen stehen Gartenbaukino.« macht eine zweite Karriere als schicke darauf im Besprechungsraum von »ga- Immer wieder überlassen Unter- Tischplatte und die farbigen Gläser barage« in der Hütteldorferstraße im nehmen gabarage alte Roll-ups oder von ausrangierten Ampeln können als 15. Wiener Bezirk dicht aneinander- Planen und lassen daraus Taschen kugelrunde Hängelampen über dem gereiht. »Das sind unsere Prototypen«, fertigen, die anschließend wieder Esstisch auch weiterhin grünes, gelbes erklärt Laura Duda und holt eine von ihren eigenen KundInnen und und rotes Licht verbreiten. MitarbeiterInnen genutzt werden. »Hier«, sagt Duda, die zum Führungs- Mehrfach nachhaltig team von gabarage gehört, und greift Doch bei gabarage sieht man Nach- nach einer roten »gaba-bag« mit dem haltigkeit nicht ausschließlich unter Aufdruck der Wiener Straßenzeitung dem ökologischen Aspekt. Im Fokus Augustin, »das war unser erster großer steht ebenso die soziale Nachhaltig- Auftrag.« keit. »Alles im Leben braucht eine FOTOS: CHRISTOPH LIEBENTRITT, GABARAGE, EQOS ENERGIE GRUPPE Der gemeinnützige Verein »gabara- zweite Chance – das gilt nicht nur für ge upcycling design« verschreibt sich die Materialien, die verarbeitet wer- seit 15 Jahren dem Upcycling: Restma- den, sondern auch für die Menschen, terialien werden wiederverwertet und die bei gabarage upcycling design in hochwertige Design-Stücke um- beschäftigt sind«, lautet das Credo gewandelt, die im Online-Shop oder von Vereinsobfrau Gabriele Gott- im eigenen Geschäft in der Schleif- wald-Nathaniel. mühlgasse 6 im 4. Bezirk verkauft In der Werkstatt und in der werden. Der Kreativität sind dabei Schneiderei finden Männer und keine Grenzen gesetzt. So werden Frauen, deren Leben bisher nicht 20
Leni Landsgsell (links) prägt den gabarage-Style als Designerin mit. Ihre Kreationen sind auf Instagram unter @gabarage_upcycling_design oder @its_me_lensky zu sehen. UNGEWÖHNLICHER ARBEITSPLATZ I: ELEKTRISIERENDE WEIHNACHTSWICHTEL Weihnachtliche Stimmung kommt in Wien bereits seit den ersten Novem- CHANCE berwochen auf. Christian Gritsch, Projektleiter bei EQOS Energie, und sein Team sind in insgesamt 17 Wiener Einkaufsstraßen unterwegs, um kunst- voll gestaltete Weihnachtsdekoration in luftiger Höhe zu montieren, unter anderem in der Spiegelgasse, auf der Freyung oder in der Rotenturmstraße. Dort befestigen die Experten von EQOS Energie sieben jeweils 200 Kilo schwere Weihnachtskugeln in zehn Metern Höhe. Diese werden in vier Einzelteilen angeliefert und vor Ort zu zwei Halbschalen verschraubt, welche dann mit Hilfe eines Krans miteinander verbunden werden. Zwei bis drei Stunden Arbeitszeit sind dafür pro Kugel notwendig. Um den straffen geradlinig verlaufen ist, Beschäftigung. Zeitplan von drei Wochen Montagezeit einzuhalten, braucht es perfekte Derzeit erhalten 18 ehemals bzw. Planung, Teamgeist und Routine. chronisch Suchtkranke eine Chance, Bestaunen können PassantInnen die heurige Weihnachtsbeleuchtung bis wieder am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. zum 14. Jänner 2019. Bis dahin tauchen tausende kleine LED-Lämpchen Finanziert wird das sozialintegrative Wiens Einkaufsstraßen in ein festliches Lichtermeer. Projekt aus Mitteln des Europäischen » UNSERE LEUTE SEHNEN SICH NACH STRUKTUR — AUCH WENN ES FÜR SIE OFT NICHT EINFACH IST, DURCHZUHALTEN. « LAURA DUDA Sozialfonds ESF, der Sucht- und Drogenkoordination Wien und den Erlösen aus dem Verkauf der Pro- Die roten Weihnachtskugeln dukte. Das Sozialministerium fördert in der Rotenturm Sonderprojekte und das Arbeitsmarkt- straße werden service übernimmt einen Teil der in mehreren Personalkosten. Einzelteilen Die MitarbeiterInnen können bei geliefert und vor gabarage Lehrabschlüsse nachholen, Ort verbunden. zusätzliche Skills erwerben und erle- ben wieder einen Tagesablauf, DEZEMBER 2018 21
wienERleben der Struktur hat und gibt. »Danach einem Erstgespräch und darauffolgen- Die drei sitzen an ihren Nähma- sehnen sich unsere Leute alle, auch den Schnuppertagen in der Werkstatt schinen und fertigen Täschchen mit wenn es für sie oft nicht einfach ist, wird zunächst geklärt, ob man zuein- Reißverschluss an, ein großer Auftrag durchzuhalten«, erzählt Laura Duda. ander passt. Wenn das klappt, steigen des Nachhaltigkeitsministeriums für Sie erinnert sich an einen Mitarbei- die MitarbeiterInnen als Tagesarbeits- die österreichische EU-Ratspräsident- ter, der in Pension gegangen ist und kräfte ein. Sie sind dann monatlich an schaft. »Puh, ich glaube, heute schaffe gefragt hat, ob er nicht trotzdem mehreren Tagen bis zur Geringfügig- ich den Rest auch noch«, sagt Gerhard weiterhin kommen und auch ohne keitsgrenze angestellt. Im Anschluss und lacht. Eine halbe Stunde dauert Bezahlung weiterarbeiten kann. Gabriele Gottwald- startet ein auf neun Monate befristetes die Fertigung eines kleinen Tascherls, Nathaniel ist Im Zentrum steht, dass die Men- Programm mit Vollzeitarbeit und zwei Stunden dauert die Arbeit an Vereinsobfrau und schen, die bei gabarage arbeiten, wie- Mitbegründerin weiteren Ausbildungsmodulen. einer Schultertasche. Bei gabarage der dauerhaft Beschäftigung finden. von gabarage. Susanne, Gerhard und Karin (Na- werden alle Produkte zu 100 Prozent Auf dem Weg dorthin durchlaufen sie men geändert, Anm.) sind ihrem Ziel in Handarbeit hergestellt. mehrere Qualifizierungsschritte. Bei bereits einen Schritt nähergekommen. Kunterbuntes Lager Was das heißt, zeigt Laura Duda im Lager im Untergeschoß. Eine riesige Plane liegt zusammengelegt und noch vom Gebrauch verschmutzt auf dem Boden: »Bei uns wird alles händisch Marko Ascher gereinigt, zugeschnitten und verarbei- mit einem seiner Schützlinge, tet.« Das Lager, in dem die nicht mehr einem Berberaffen in Schönbrunn. Dessen Artge nossen sind » DIE MENSCHEN MÖCHTEN IHRE aufgrund der Zerstörung ihres CHANCE UNBEDINGT NUTZEN. « ROLAND SCHEER Lebensraumes stark bedroht. benötigten Materialen darauf warten, in stylishe Design-Objekte verwandelt zu werden, ist ein Schlaraffenland für Bastler und Kreative, ein Ort zum Stöbern und Entdecken. Eine alte Hüpfburg, Filmdosen aus Blech, Skier, Snowboards, Fußbälle, ausrangierte Fenster und Feuerwehrschläuche sind hier ebenso zu finden wie stapelweise UNGEWÖHNLICHER ARBEITSPLATZ II: Bücher, aus denen Sitzhocker und (preisgekrönte) Lampen gemacht wer- VON PRIMAT ZU PRIMAT den. Die Feuerwehrschläuche verwan- deln sich mit Sitzlehnen von Sesseln Wenn das nicht wahre Zuneigung ist! Tierpfleger Marko Ascher streichelt in Schaukeln, die Skier und Snow- einen Berberaffen im Tierpark Schönbrunn. Ansonsten beschäftigen sich boards erhalten mit Getränkekisten die geselligen Primaten lieber miteinander, indem sie kuscheln, klettern und als Untersatz eine neue Nutzung als FOTOS: TIERGARTEN SCHÖNBRUNN/ZUPANC, CHRISTOPH LIEBENTRITT, GABARAGE spielen. Auch das gegenseitige Lausen ist wichtig: Dadurch befreien sie sich von Parasiten und festigen ihre soziale Bindung. Sitzbänke. Aus nicht mehr benötigten Schon seit acht Jahren kümmert sich Marko um die Berberaffen, die sich Rolltreppen aus der U-Bahn-Station mit den Mähnenspringern ein Gehege teilen. Beide Tiere sind im nördlichen Zieglergasse hat der deutsche Desig- Afrika heimisch. Es gibt jedoch auch Berberaffen in Gibraltar, was sie zur ner Michael Hensel coole Sitzmöbel einzigen frei lebenden Primatenart Europas – neben dem Menschen – entworfen. Einige davon stehen jetzt macht. im Foyer des Stadtmuseums Dort- Zum Essen bekommen sie dreimal am Tag allerlei Gemüse- und Obstsor- mund für die Besucher bereit. ten. Hin und wieder überlegen sich die PflegerInnen auch kleine geistige »Was wir damit machen werden, ist Herausforderungen. Beispielsweise verstecken sie ein paar Nüsse in uns noch nicht ganz klar«, sagt Laura Schachteln oder frieren im Sommer Joghurt ein, das die Affen dann wie ein Duda und zeigt im Vorbeigehen auf Eis schlecken können. einen großen Stapel von grünen Not ausgangs-Schildern mit dem weißen 22
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