POLICY BRIEF meetPASS: meeting the Paris Agreement and Supporting Sustainability

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POLICY BRIEF meetPASS: meeting the Paris Agreement and Supporting Sustainability
meetPASS: meeting the Paris Agreement and
        Supporting Sustainability

                                  POLICY BRIEF

Das Projekt meetPASS beschäftigte sich mit der Frage, wie das bei der Klimakonferenz in Paris
beschlossene „1,5°C-Klimaziel“ erreicht werden kann und welche Konsequenzen sich daraus
für die globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals – SDGs) in Österreich
ergeben.
Dieses Policy Brief fasst die Ergebnisse des Projektes zusammen.
POLICY BRIEF meetPASS: meeting the Paris Agreement and Supporting Sustainability
Das Projekt meetPASS
meetPASS beschäftigte sich mit der Frage, ob und wie sich die Erreichung des 1,5°C-
Klimaziels auf die nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals - SDGs)
auswirkt.
Durch eine integrierte modellbasierte Szenarioanalyse unter Einbeziehung von Stakehol-
dern und ExpertInnen, wurden die ökonomischen, ökologischen und sozialen Wirkungen
eines Übergangs in eine kohlenstoffarme Gesellschaft aus einer globalen wie auch aus
einer österreichischen Perspektive analysiert.
In dem globalen Szenario wurde analysiert, ob das 1,5°C-Ziel auf globaler Ebene erreicht
werden kann. Darauf aufbauend wurde untersucht, wie sich die angenommenen Klima-
schutzmaßnahmen in Österreich auf ausgewählte SDG-Indikatoren auswirken.

Das globale meetPASS-Szenario
In einem Zielerreichungsszenario wird gezeigt, wie das 1,5°C-Klimaziel erreicht werden kann.
Es basiert sowohl auf politischen Maßnahmen (Anreize über den Preis, Regulierungen,
Information und Beratung), als auch auf internationaler Kooperation sowie autonomen
Verhaltensveränderungen privater Haushalte.
Die Erfüllung des 1,5°C-Ziels erfordert neben spezifischen energiepolitischen Maßnahmen, die
auf höhere Energieeffizienz und den Ausbau erneuerbarer Energie abzielen, auch eine
Erhöhung der Ressourceneffizienz. Zusätzlich kann der Wandel von Werten, Präferenzen und
Gewohnheiten zu einem Lebensstil führen, der durch Einfachheit und Zufriedenheit geprägt
ist, aber dennoch auf hoher Qualität von Gütern und Dienstleistungen basiert.

Energiewende
   •    Deutliche Erhöhung des CO2 Preises von derzeit rund 20 auf 200 Euro pro Tonne
   •    Dekarbonisierung der Energieproduktion und des Verkehrs
   •    Gebäudesanierung und Effizienzerhöhung
   •    100% erneuerbare Stromerzeugung in 2050
   •    Atomausstieg in der EU und Reduktion auf 9% weltweit

Ressourcenwende
   •    Unterstützung einer tatsächlichen Kreislaufwirtschaft durch Ressourcensteuer
   •    Beratungsprogramme für eine Ressourcenproduktivitätserhöhung der Wirtschaft
   •    Bis 2050 Recycling aller abiotischen Ressourcen

Ernährungswende
   •    Reduzierung des Fleischkonsums
   •    Reduzierung der Lebensmittelabfälle

Neue Werte für ein besseres Leben
   •    Mehr Freizeit durch kürzere Arbeitszeiten in hoch industrialisierten Ländern
   •    Reduktion des materiellen Konsums

       meetPASS                                                                         2
POLICY BRIEF meetPASS: meeting the Paris Agreement and Supporting Sustainability
Das 1,5°C-Ziel lässt sich noch erreichen
Ende 2015 hat die internationale Staatengemeinschaft in Paris beschlossen, den Treibhaus-
gasausstoß der Welt so zu beschränken, um eine globale Klimakrise zu verhindern. Die
Erderwärmung soll auf unter zwei Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit begrenzt
werden, wenn möglich sogar auf 1,5 Grad.
Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), der Weltklimarat der Vereinten
Nationen, veröffentlichte im Herbst 2018 einen Bericht, nach dem die Menschheit nur mehr
580 bis 770 Gigatonnen (Gt) CO2 emittieren dürfe, um zu erreichen, dass die globale Tempe-
ratur um nicht mehr als 1,5 Grad ansteigt verglichen mit dem vorindustriellen Niveau – und
auch das nur mit 50%iger Wahrscheinlichkeit.
Die im meetPASS-Szenario auf ihre Wirkungen hin untersuchten Maßnahmen und Verhal-
tensanpassungen sind geeignet, um den notwendigen Wandel herbeizuführen: Dadurch
würden die CO2-Emissionen global um 73 % sinken, pro Kopf würde sich der CO2-Ausstoß um
78 % auf 1 Tonne im Jahr 2050 reduzieren. Ohne eine ambitionierte Energie- und Ressour-
cenwende (Business as usual – BAU - Szenario) lässt sich hingegen erwarten, dass die CO2-
Emissioen bis 2050 um 38% steigen würden (+3 % pro Kopf).

           Globale CO2-Emissionen                      Globale CO2-Emissionen pro Kopf
                 (in Mio. Tonnen)                                 (in Tonnen)
 50000                                          5,00

 40000                                          4,00                              +3%
                                +38%
 30000                                          3,00

                                -73%                                             -78%
 20000                                          2,00

 10000                                          1,00

     0                                          0,00
         2020       2030        2040    2050           2020       2030          2040     2050
                 BAU         meetPASS                           BAU        meetPASS

Die kumulierten, weltweiten CO2-Emissionen über die Periode 2017-2050 ließen sich demnach
– rasche und weitreichende Veränderungen des Handelns vorausgesetzt - auf rund 650 Gt
begrenzen. Bei Zugrundelegung der Obergrenze von 770 Gt verblieben somit mehr als zehn
weitere Jahre für die Erreichung vollständiger CO2-Neutralität.
Die dafür notwendigen Investitionen in der EU belaufen sich zwischen 2020 und 2050 auf 3.800
Mrd. Euro bzw. auf durchschnittlich über 120 Mrd. Euro pro Jahr. Eine auf diese Weise erzielte
Dekarbonisierung wäre wirtschaftlich ohne Einbußen möglich und hätte auch positive
Auswirkungen auf die Beschäftigung.

Rasche Investitionen in den Klimaschutz erforderlich
Die Modellierungsergebnisse zeigen, dass eine deutliche Beschleunigung und Ausweitung
der Klimaschutzmaßnahmen notwendig sind, und das global.
Die erforderliche Energiewende muss begleitet werden durch eine ambitionierte Ressour-
cenwende, mit dem Ziel, Kreisläufe zu schließen, um primäre Ressourcen zu sparen. Zusätzlich
ist ein Wandel der Ernährungsgewohnheiten für die Erreichung der Klimaziele unverzichtbar.
Aus globaler Perspektive ist eine Reduktion des Fleischkonsums außerdem notwendig, um die
Abholzung, den Land- und Wasserverbrauch und letztlich auch den Hunger langfristig zu
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vermeiden. Auch über das Thema Ernährung hinaus kann der notwendige Wandel nur
gelingen, wenn nicht nur eine kleine Minderheit die heutigen Paradigmen des materiellen
Konsums durch nachhaltige Konsum- und Lebensstile ersetzt, sondern sich dieser Wandel
mehr und mehr als Mainstream durchsetzt.
Darüber hinaus weisen die Modellierungsergebnisse darauf hin, dass in Bezug auf die
Geschwindigkeit der Transformation eine lineare Denkweise (für den Zeitraum bis 2050) nicht
die erforderlichen Systemanpassungen liefert. Sowohl die politischen Interventionen (wie
bspw. Steuererhöhungen), als auch die Verhaltensanpassungen müssen insbesondere in den
Jahren bis 2030 bereits ein substanzielles Ausmaß erreicht haben. Jedes tatenlose Jahr wäre
verhängnisvoll für die Möglichkeit, die Vorgaben der Pariser Klimaziele noch zu erfüllen.
Schließlich zeigt das globale meetPASS-Szenario, dass ein sehr breites Bündel an Politikinstru-
menten und Verhaltensänderungen notwendig ist, um die Energie-, Ressourcen- und
Ernährungswende zu realisieren. Eine weltweite und deutliche budgetneutrale CO 2-
Bepreisung ist eines der zentralen Elemente in diesem Maßnahmenbündel.

Das meetPASS-Szenario für Österreich
Auch das im meetPASS-Projekt entwickelte Klimaschutzszenario für Österreich enthält
Maßnahmen, die auf Energie- und Ressourcenverbrauchsreduktionen, Effizienzsteigerungen,
einen Ausbau erneuerbarer Energie, sowie Verhaltensveränderungen abzielen und in den
Sektoren Energie, Transport, Gebäude, Industrie und bei den privaten Haushalten ansetzen.
Sowohl Informationskampagnen und Beratung als auch Regulierungen und Maßnahmen, die
über den Preis wirken, sind wesentliche Elemente dieses meetPASS-Szenarios.

Kostenwahrheit:
   •    Erhöhung des CO2-Preises auf 200 Euro pro Tonne CO2 bis 2050 (Mittelverwendung:
        Investitionsförderung für Unternehmen)

Energiesektor:
   •    100% erneuerbare Energie in der Stromproduktion bis 2035
   •    Ausbau der Stromnetzinfrastruktur
   •    Investitionen in die Speicherung

Verkehrssektor:
   •    Ausbau der Elektromobilität (auf Basis EE) auf 100% bis 2045
   •    Personenverkehr: Diverse Maßnahmen (Ausbau und Modernisierung des Schienennet-
        zes, Ausbau von Fuß- und Radwegen, Reduktion der Ticketpreise im ÖV um 50% bis
        2050, sowie Verdoppelung der Intervalle, etc.) führen zu einer Reduktion des Pkw-
        Verkehrs im Jahr 2050 gegenüber 2020 um ca. 50%
   •    Güterverkehr: teilweise Verlagerung von der Straße auf die Schiene (durch die Aus-
        weitung und Modernisierung des Schienennetzes beträgt der Anteil des Straßengüter-
        verkehrs im Jahr 2050 rund 54%, jener der Bahn rund 46%)
   •    (sofortige) Angleichung der Besteuerung von Benzin und Diesel und Erhöhung der
        Besteuerung (um 20 Cent je Liter in 2 Stufen bis 2027)
   •    Reduktion des Verbrauchs von Fahrzeugen
   •    Road Pricing (ab 2030 mit einer linearen Steigerung bis 0,3 Euro/km im Jahr 2050)

Gebäudesektor:
   •    Effizienzsteigerung durch Sanierung bestehender Gebäude (Erhöhung der Sanierungs-
        rate auf 2%)
   •    Verbesserte Energieeffizienz in Neubauten
   •    Austausch von fossilen Heizungsanlagen
   •    Steigerung des Fernwärmeanteils durch verbesserte Energieraumplanung
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•    Stärkere Nutzung von Sonnen- und Umgebungswärme

Industrie
    •    Umsetzung der EU-Energieeffizienzrichtlinie
    •    Förderung des Recyclings von Metall und Baustoffen
    •    Neue Produktionsverfahren in der Stahlindustrie

Private Haushalte
    •    Vermeidung von Lebensmittelabfällen
    •    Förderung der Sharing Economy

Um diese Maßnahmen umsetzen zu können, sind zusätzliche Investitionen nötig, die bis zum
Jahr 2050 bis zu zehn Milliarden Euro pro Jahr betragen.

CO2-Einsparungen aus Sicht der globalen Fairness
Die im meetPASS-Szenario für Österreich vorgesehenen Maßnahmen sind geeignet, die CO 2-
Emissionen bis 2050 auf 12 Mio. t zu reduzieren, was einem Einspareffekt von 47 Mio. t oder
knapp unter 80% bedeutet. Die kumulierten CO 2-Emissionen würden sich im Zeitraum von
2018 bis 2050 dadurch auf 1.078 Mio. t belaufen.
Um zu beurteilen, ob die im meetPASS-Szenario erreichte Dekarbonisierung in Österreich
ausreicht, um das 1,5°C-Klimaziel auf eine faire Art und Weise zu erreichen, wurde aus dem
globalen Kohlenstoffbudget das verbleibende Kohlenstoffbudget für Österreich abgeleitet,
indem das gesamte Budget gleichmäßig auf die Weltbevölkerung aufgeteilt wurde. Damit
stünde jedem Menschen das gleiche Kontingent an CO2-Emissionen pro Kopf zur Verfügung,
unabhängig davon, in welchem Land er oder sie lebt (basierend auf der Bevölkerung im Jahr
2017). Daraus ergibt sich für Österreich bis 2050 ein CO2-Budget von 910 Mio. t (bei einer
50%igen Wahrscheinlichkeit das 1,5°C-Ziel zu erreichen).
Damit würden die kumulierten CO2-Emissionen das für Österreich errechnete CO2-Budget trotz
der starken Reduktion um 170 Mio. Tonnen überschreiten, was einer gerechten globalen
Verteilung der CO2-Emissionen widerspräche. Im österreichischen meetPASS-Szenario wurden
zwar im Vergleich zum globalen Szenario zusätzliche Maßnahmen (z.B. stärkerer Ausbau des
Schienennetzes, stärkerer Ausbau der E-Mobilität, schnellere Umsetzung einer auf 100%
erneuerbarer Energie beruhenden Stromversorgung) angenommen. Diese sind jedoch nicht
in der Lage, die kumulierten Emissionen auf das notwendige Niveau zu reduzieren, um das
verbleibende CO2-Budget nicht zu überschreiten. Weitere Maßnahmen (wie z.B. die Redukti-
on des Fleischkonsums, die sich im meetPASS-Szenario für Österreich nicht abbilden ließ)
wären erforderlich.

Auswirkungen auf die SDGs
Die Auswirkungen des meetPASS-Szenarios auf die globalen Nachhaltigkeitsziele der UN
(SDGs) sind weitgehend vorteilhaft. Neben zahlreichen positiven Synergien lassen sich auch
Zielkonflikte in Bezug auf die soziale Verträglichkeit erkennen, die es durch Begleitmaßnah-
men zu vermeiden gilt.

Die Wirtschaft (SDG 8) profitiert
Die österreichische Wirtschaft befindet sich in diesem Szenario weiterhin auf einem Wachs-
tumspfad, der im Vergleich zu einem Szenario ohne zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen
(Business as usual – BAU – Szenario) bis zu 3 % bzw. 10 Mrd. Euro höher ist. Dieser beruht vor
allem auf umfangreichen Investitionen in die Umstrukturierung des Energiesystems, in die
Verbesserung der Energie- und Ressourceneffizienz und in den Transportsektor. Gedämpft
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wird das Wirtschaftswachstum durch ein schwächeres Exportwachstum, da sich der Welt-
handel weniger dynamisch entwickelt. Da die Importe nach wie vor niedriger sind, bleibt der
Außenbeitrag Österreichs positiv.

Die positive Wirtschaftsentwicklung wirkt sich auch vorteilhaft auf die Beschäftigung (Indikator
für SDG Target 8.2) aus. Zugleich ändert sich die Beschäftigungsstruktur (Indikator für SDG
Target 8.1): Während die Zahl der Erwerbstätigen im verarbeitenden Gewerbe generell
weniger stark wächst, als im „Weiter wie bisher“-Szenario, erhöht sie sich in den Dienstleis-
tungsbereichen stärker. Einzelne Branchen des verarbeitenden Gewerbes wie der Maschi-
nenbau und der Elektroindustrie profitieren von den höheren Investitionen wie auch das
Bauwesen durch stärkere Sanierungsaktivitäten im Gebäudesektor. Während mehr Jobs im
Bereich erneuerbarer Energie entstehen, geht deren Anzahl in energieintensiven Branchen (z.
B. in der Kokerei und mineralölverarbeitenden Industrie) zurück.

Energie- und Ressourcenverbrauch reduzieren sich – mit positiven Wirkungen auf die Umwelt
Die dem meetPASS-Szenario zugrundeliegenden Effizienzmaßnahmen und Verhaltensände-
rungen (z. B. weniger Autokäufe, da das Angebot an öffentlichen und alternativen Verkehrs-
mitteln größer ist) führen zu einer absoluten Entkopplung von Energieverbrauch und Wirt-
schaftswachstum. Das Ziel, den Primärenergieverbrauch bis zum Jahr 2030 auf 1.200 PJ zu
senken, kann erreicht werden. Der Endenergieverbrauch ist im meetPASS-Szenario um 36%
niedriger als im „Weiter wie bisher“-Szenario. Ressourceneffizienzmaßnahmen (z. B. Bau-
stoffsteuer), die den Materialverbrauch (Indikator für SDG Target 8.2) reduzieren, bewirken
Synergieeffekte. So vermeiden Recyclingmaßnahmen, von z. B. Bauschutt, die energieintensi-
ve Produktion von Zement.

Die CO2-Emissionen (Indikator für SDG Target 13.2) reduzieren sich im Vergleich zum BAU-
Szenario im Jahr 2050 um 80 %, wobei der Verkehrssektor durch die Umstellung auf CO2-
ärmere Antriebe und auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel sowie eine geringere Fahrleis-
tung die höchsten Reduktionen erzielen kann (Indikator für SDG Target 9.1).

Die Berücksichtigung sozialer Belange ist für die Erreichung des 1,5°C-Ziels wesentlich
Neben den genannten positiven Wirkungen können auch konterkarierende Effekte eintreten,
vor allem in Bezug auf die soziale Verträglichkeit (SDG 10). Die verschiedenen Haushaltstypen
sind entsprechend ihrer Einkommens- und Lebenssituation und ihres Konsumverhaltens
unterschiedlich von den Maßnahmen (z. B. CO2-Steuer und Maut) des meetPASS-Szenarios
betroffen. Zielkonflikte treten beispielsweise auf, sobald Sanierungsmaßnahmen in Mietwoh-
nungen die Mietkosten erhöhen, wodurch einkommensschwache Haushalte stärker betroffen
sind. Ähnlich ist die Situation bei Wohneigentum; auch hier leiden ärmere Haushalte stärker
unter einer verpflichtenden Sanierung. Haushalte, die in ländlichen Gebieten mit immer noch
unzureichender ÖV-Taktung oder ÖV-Versorgung wohnen, sind beispielsweise härter betrof-
fen, da sie weiterhin einen Pkw benötigen. Auch sind die E-Fahrzeuge anfangs noch teurer als
konventionelle Autos, wodurch der Umstieg von Benzin- und Dieselfahrzeugen schwer
möglich ist und somit laufend CO2-Steuer und Mineralölsteuer zu leisten sind. Unerwünschte
soziale Auswirkungen (SDG 10) müssen daher durch finanzielle Unterstützung für benachteilig-
te Haushalte verringert bzw. vermieden werden.

Beispiel CO2-Steuer
Ein wesentliches Element des meetPASS-Szenarios ist ein CO2-Preis, der bis ins Jahr 2050 auf
200 Euro je Tonne emittiertes CO2 ansteigt. Zu diesem Zeitpunkt wären die CO2-Emssionen
bereits stark reduziert, wodurch die finanzielle Belastung nicht sehr hoch wäre und auch
keine sehr hohen Steuereinnahmen resultieren würden.
Die CO2-Preiserhöhung wird einerseits über das Emissionshandelssystem (EHS) erreicht.
Anderseits wird in jenen Sektoren, die nicht am Emissionshandel teilnehmen (Verkehr,
Landwirtschaft, Gebäude, nicht-energie-intensive Industrie, Abfallwirtschaft) eine CO2-
Steuer in der Höhe des Zertifikatepreises des EHS eingeführt. Dadurch sind auch private
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Haushalte (über ihr Mobilitätsverhalten und ihre Wohnsituation) von der CO2-Steuer
betroffen. Daher haben wir uns die Effekte einer CO2-Steuer auf unterschiedliche Haushalts-
typen genauer angesehen.

Variante 1:
Im Jahr 2025 wird eine CO2-Steuer eingeführt. Diese erhöht sich von 20 Euro im Jahr 2020
auf 200 Euro im Jahr 2050. Die daraus resultierenden Steuereinnahmen fließen in Investitions-
förderungen an Unternehmen.
Auswirkung auf private Haushalte:
Durch die CO2-Steuer sind die privaten Haushalte mit durchschnittlich 0,7 Mrd. Euro pro Jahr
belastet. Die CO2-Steuerzahlungen erhöhen sich mit zunehmender Haushaltsgröße und
Einkommen, von 3 Euro/Monat bzw. 36 Euro/Jahr für Einpersonenhaushalte im untersten
Einkommensquintil auf 10 Euro/Monat bzw. 120 Euro/Jahr für Haushalte im obersten
Einkommensquintil mit mehr als fünf Personen.

Variante 2:
Die CO2-Steuer wird zusätzlich auch im Zeitraum 2020-2024 eingeführt, und die daraus
resultierenden Mittel an die privaten Haushalte rückvergütet.
Die frühere Einführung führt zu zusätzlichen Steuereinnahmen in der Höhe von bis zu 1,6
Mrd. Euro bzw. durchschnittlich 1,3 Mrd. Euro pro Jahr. Davon bezahlen die privaten
Haushalte aufgrund ihres CO2-Ausstoßes durch den Bedarf an Wärme und Treibstoffen
durchschnittlich 0,5 Mrd. Euro pro Jahr. Die übrigen CO2-Steuerzahlungen in Höhe von 0,8
Mrd. Euro gehen auf die Sektoren Gebäude, Industrie und Verkehr zurück.
Auswirkung auf private Haushalte:
Die CO2-Steuereinnahmen, die der private Haushalt zahlt, werden an diesen pro Kopf
rückvergütet. D. h. durchschnittlich erhält jede/r ÖsterreicherIn ca. 55 Euro pro Jahr. Bei
steigenden CO2-Steuerzahlungen der privaten Haushalte in den Jahren 2020-2024, aber
geringerer Dynamik der Bevölkerungsentwicklung, erhöht sich die Rückvergütung pro Kopf
von ca. 41 auf 64 Euro/Jahr.
Die CO2-Steuerzahlungen in Euro pro Jahr und Haushalt steigen mit der Haushaltsgröße und
dem Einkommen an. Die CO2-Steuerzahlungen pro Kopf sind in Einpersonenhaushalten am
größten. Mit zunehmender Haushaltsgröße können Skaleneffekte erzielt werden. Vor allem
die Wohnungsgröße nimmt pro Person ab und damit auch die zu beheizende Fläche.
Wie zu erwarten profitieren bei einer pro-Kopf Rückvergütung große Haushalte stärker als
Einpersonenhaushalte – egal in welchem Einkommensquintil. Die Differenz zwischen den
CO2-Steuerzahlungen pro Haushalt und den Einnahmen aus der Rückvergütung steigt mit
der Haushaltsgröße. Alle Fünfpersonenhaushalte können ihre CO 2-Steuerzahlungen durch
die Rückvergütung mehr als kompensieren. Bei den Drei- und Vierpersonenhaushalten
verzeichnen Haushalte in den oberen Einkommensquintilen Verluste. Ein- und Zweiperso-
nenhaushalte haben höhere CO2-Steuerzahlungen als Einnahmen aus der Rückvergütung -
außer die Zweipersonenhaushalte im untersten Einkommensquintil. Allerdings sind die
Verluste für einkommensschwächere Haushalte geringer (max. 34 Euro pro Jahr und
Haushalt) als für Haushalte in den oberen Einkommensquintilen, die bis zu 76 Euro pro Jahr
und Haushalt weniger haben als vor der CO2-Steuer.
Die Belastung der Haushalte wird in den Folgejahren (nach 2024) aufgrund der Sanie-
rungsmaßnahmen weiter abnehmen und damit auch die CO2-Steuerzahlungen reduzieren.
Ein zielgruppenspezifisches Förderprogramm für Gebäudesanierungen, das sich zuerst an
Eigentümer von Gebäuden richtet, in denen überwiegend einkommensschwache
Haushalte wohnen, könnte bereits kurzfristig helfen die CO2-Steuerzahlungen für Haushalte
in den unteren Einkommensquintilen zu reduzieren.
Durch die um fünf Jahre frühere Einführung der CO2-Steuer werden über den gesamten
Projektionszeitraum (2018-2050) betrachtet zusätzlich 2 Mio. t CO2-Emissionen eingespart.

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Die meetPASS SDG-Indikatoren im Überblick
Im Folgenden sind die in meetPASS analysierten Indikatoren angegeben. Sie beziehen sich
auf 8 SDGs und 16 SDG Targets. Die Auswirkungen auf die Indikatoren, die sich durch die
Modellierung des meetPASS-Szenarios ergeben, sind qualitativ bewertet. Die Bewertungsskala
umfasst sieben Stufen, wobei ein + bedeutet, dass die Ergebnisse den gewünschten Effekt
haben und vice versa:
+++     sehr starker positiver Zusammenhang
++      starker positiver Zusammenhang
+       leicht positiver Zusammenhang
0       keine Auswirkung
-       leicht negative Auswirkung
--      stark negative Auswirkung
---     sehr stark negative Auswirkung

1.2    Bevölkerungsanteil unter der nationalen Armutsgrenze: 0
2.4    Entwicklung der Lebensmittelpreise: ++
7.1    Energiekonsumquote: +
7.2    Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Endenergieverbrauch: ++
7.3    Energieeffizienz: ++
8.1    Jährliches BIP-Wachstum pro Kopf ++
8.1    Jährliches BIP-Wachstum pro geleisteter Arbeitsstunde: ++
8.1.   Verfügbares Einkommen pro Kopf: 0 bis -
8.1    Strukturwandel (Beschäftigung, Wachstum): +
8.2    Direkter Materialeinsatz pro Kopf und BIP: ++
8.2    Beschäftigung: ++
8.5    Verfügbares Einkommen: 0 bis –
9.1    Energieverbrauch des Transportsektors: +++
9.1    CO2-Emissionen des Verkehrs je Wertschöpfungseinheit: +++
9.2    Ressourceneffizienz: ++
9.2    Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe als Anteil an der Gesamtbeschäftigung: +
9.4    CO2-Emissionen der Industrie pro Wertschöpfungseinheit: ++
10.1 Wachstumsrate der Haushaltseinkommen (für Einkommensquintile): bis 2030 +, ab 2030 -
10.1 Wachstumsrate der Haushaltsausgaben (für Einkommensquintile): ++
10.4 Anteil der Haushaltsausgaben für Treibstoffe: +++
10.4 Anteil der Haushaltsausgaben für Wärme: +
10.4 Anteil der Haushaltsausgaben für Strom: -
10.4 Lohnquote: +
12.5 Nationale Recyclingrate für Erze und Steine und Erden: +
13.2 CO2 Emissionen, gesamt und pro Kopf: +++

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Positive Auswirkungen auf Österreich zu erwarten
Die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und der Agenda 2030 bedarf starker internatio-
naler Kooperation und dem politischen Willen aller beteiligten Staaten, aber auch vermehrte
Anstrengungen auf nationaler Ebene.
Österreich muss einerseits mit der Weltgemeinschaft und innerhalb der EU an der Bekämp-
fung des Klimawandels, der Ressourcenverknappung sowie der Ungleichheit und der Armut
zusammenarbeiten, aber andererseits auch seine eigenen soliden und unabhängigen
Strategien entwickeln, um zur Lösung der genannten Probleme beizutragen.
Die Begrenzung des weltweiten Temperaturanstiegs auf 1,5°C erfordert (auch in Österreich)
massive Investitionen in die Umstrukturierung des Energiesystems, die Energie- und Ressour-
ceneffizienz und in den Transportsektor. Innovationen und umweltschonende Verhaltenswei-
sen (auch Suffizienz) sind weitere stützende Pfeiler dieser Entwicklung. Während beim Ausbau
erneuerbarer Energien und der Energieeffizienz bereits in der Vergangenheit Fortschritte
erzielt werden konnten, sind diese im Transportsektor bislang nicht sichtbar. Die fehlende
Kostenwahrheit des Straßenverkehrs begünstigt die weitere Zunahme des motorisierten
Individualverkehrs und Güterverkehrs.
Im meetPASS-Szenario wird in Anlehnung an die nationale (und internationale) Literatur der
Ausbau von E-Mobilität stark forciert (100% bis 2045). Ein vollständiger Umstieg auf Elektromo-
bilität bringt jedoch Herausforderungen für die Netzinfrastruktur mit sich und erhöht den
Stromverbrauch. Daher ist es für eine nachhaltige Mobilität notwendig, den Ausbau der
Elektromobilität mit einer generellen Reduktion der Autofahrten zu koppeln, sowie stärker auf
öffentlichen Verkehr zu setzen, mehr zu Fuß zu gehen und mehr Rad zu fahren.
Österreich braucht sich vor den Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen nicht zu fürchten.
Die Modellierungsergebnisse legen den Schluss nahe, dass unter den gesetzten meetPASS-
Szenarioannahmen die Auswirkungen auf die SDG-Indikatoren vorteilhaft sein würden und
Synergieeffekte erzielt werden können. Neben positiven Effekten können auch konterkarie-
rende Effekte für die untersuchten 25 Haushaltstypen eintreten. Da zusätzliche Belastungen im
Einzelfall nicht ausgeschlossen werden können, können Kompensationszahlungen für
einkommensschwächere Haushalte negative Auswirkungen ausgleichen bzw. mindern.
In meetPASS wurden die Auswirkungen eines Klimaschutzszenarios auf SDG-Indikatoren
umfassend analysiert. Die große Herausforderung für Wissenschaft und Politik bei der Ausge-
staltung von sozialverträglichem, wirtschaftlich rentablen und ökologisch wirksamen Klima-
schutz liegt nun darin, einen umfassenden Ansatz zu entwickeln, der die Synergien aller
Nachhaltigkeitsdimensionen bestmöglich ausnutzt und Zielkonflikte minimiert.
Vor allem ist eine sozialverträgliche Gestaltung von Klimaschutzmaßnahmen in Haushalten mit
geringem Einkommen sehr wichtig, da Zielkonflikte zwischen der klimapolitisch gewünschten
Anreizwirkung hoher Energie- und CO2-Preise und der Sozialverträglichkeit nicht ausgeschlos-
sen werden können. Daher ist eine sozialpolitische Flankierung zur Minderung der Vertei-
lungswirkungen von Klimapolitik notwendig.

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meetPASS Steckbrief

             Laufzeit: 1. März 2017 bis 30. April 2019
             Leitung: SERI Nachhaltigkeitsforschungs und -kommunikations GmbH
             Partner: Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung mbH (GWS)
             Kontakt: Andrea Frank-Stocker (andrea.stocker@seri.at)
             Website: www.meetpass.at

             Dieses Projekt wird aus Mitteln des Klima- und Energiefonds gefördert
             und im Rahmen des Programms „Austrian Climate Research Pro-
             gramme – ACRP 9th Call“ durchgeführt.

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