Pollozek / Behringer Die zeitlose Ayurveda-Küche - Leseprobe

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Pollozek / Behringer Die zeitlose Ayurveda-Küche - Leseprobe
Pollozek / Behringer
                              Die zeitlose Ayurveda-Küche
                                                       Leseprobe
                                             Die zeitlose Ayurveda-Küche
                                               von Pollozek / Behringer
                                            Herausgeber: Narayana Verlag

                                 http://www.narayana-verlag.de/b8345

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Pollozek / Behringer Die zeitlose Ayurveda-Küche - Leseprobe
Die Energetik der Nahrung
      Der Dosha-spezifische Einfluss der Jahreszeiten und ausgleichende
      Maßnahmen (Rtucharya)

       Dominantes Dosha          VATA
       Kosmisches Prinzip        Dynamik
       Funktion                  Kontrolle über alle Bewegungsabläufe
       Naturbezüge               Golfströme, Erdrotation, Gravitation
       Jahreszeit (W-Europa)     1. Okt. - 1. Febr. (Herbst/Frühwinter)
       Witterungseinflüsse       Wind (Herbststürme/Klimawechsel)
       Klimatische
                                 Orkane, Dürren, Klimaschwankungen
       Störungen
       Dominante                 leicht           kalt
       Qualitäten                trocken          rau
       (Gunas)                   veränderlich     mobil
       Dominante Elemente        Luft + Äther
       Physisches Leitsymptom    Schmerz
       Stammsitz                 Dickdarm
       Einfluss auf Dhatus       Gewebe abbauend
       Saisonale Störungen &     Obstipation, Blähungen, Unterkühlung, Gelenkschmerzen,
       Krankheitstendenzen       Husten, Schnupfen, Nervosität, Schlafstörungen, Ängste
       Ausgleichende Rasas       süß, sauer und salzig
       Ausgleichende             schwer           heiß             ölig
       Qualitäten (Gunas)        träge            stabil           schleimig
                                 nahrhafte, gekochte, warme, ölige, gut gewürzte Voll-
       Ernährung generell        wertkost / Getränke, Suppen, Eintöpfe, Bohnen-, Reis-
                                 gerichte, Gratins
                                 Wurzelgemüse, gekocht; gelbe, rote,
       Gemüse
                                 orange Gemüsepfannen, Aufläufe
       Getreide                  Dinkel, Weizen, Hafer, Quinoa, Reis
       Hülsenfrüchte             Mungdal, rote Linsen, Toor Dal, Tofu
       Obst                      süße & saure Früchte, gedämpft
                                 Kreuzkümmel, Ingwer, Muskat, Pfeffer,
       Gewürze & Kräuter
                                 Ajwan, Fenchel, Hing, Kardamom, Zimt
       Getränke                  Gewürztees/-milch, Yogitee, milde Weine
       Milchprodukte             in Maßen, Sauermilchprodukte, Milch, Ghee
       Fleisch/Fisch             Geflügel, Fisch, Rind, Ziege, Hammel, Eier
       Einschränken              Rohkost, Hefeprodukte, trockene Speisen
124
Die ayurvedische Ernährungslehre

Essen & Leben im Einklang mit den Jahreszeiten         die reinigend und dynamisierend auf Leber, Darm,
                                                       Blut und Lymphsystem wirken.
Wenn jede Tageszeit ihre spezifischen Qualitä-
                                                       Ideale Speisen im Frühling (Kapha reduzierend):
ten birgt, gilt das einmal mehr für die Jahreszei-
                                                       Erbsen, rote Linsen, Bohnen, Sojaprodukte, Ge-
ten. Den Wandel und den massiven Einfluss einer
                                                       müsesuppen, Rohkost, Staudensellerie, Rettich, alle
Jahreszeit spürt jeder am eigenen Leib. Nach dem
                                                       Kohlsorten, alle grünen Blattgemüse, Salate und
Gesetz „Gleiches verstärkt Gleiches“ leiden die käl-
                                                       besonders die drei goldenen Wurzeln Ingwer, Zwie-
teempfindlichen Vata-Typen besonders im Spät-
                                                       bel, Knoblauch (Details siehe Nahrungstabelle).
herbst oder Frühwinter – dem Höhepunkt des kos-
mischen Vata-Einflusses auf die Erdatmosphäre.         Ideale Gewürze: Bockshornkleeblätter und -sa-
                                                       men, Ingwer(-pulver), Kardamom, Gewürznelke,                  3
                                                       Galgantwurzel, Knoblauch, Cumin, Safran, rote
Später Winter/Frühling (1.2.–1.6.):
                                                       Senfsaat, grüne und rote Chilischoten, schwarzer
Kapha-Zeit – Entgiftungszeit
                                                       Pfeffer, Zimt.
Das Wasser- und Erdelement bewirken in die-            Meiden: süße, saure und salzige Speisen, schwe-
ser Jahreszeit eine feuchte Kälte, Regen, Graupel,     re, frittierte, fette Nahrungsmittel, Milchprodukte,
Schnee(schmelze), bewölkten Himmel und trübes,         tierisches Eiweiß, Weizen-, Dinkel- oder Weiß-
nass-kaltes Wetter. Im Januar/Februar sitzt der an-    mehlprodukte und Süßigkeiten.
gesammelte Schleim noch sehr fest. Es ist die Zeit
von Erkältung, Schnupfen und Nebenhöhlenka-            Sommer/Frühherbst (1.6.–1.10.):
tarrh. Wer dazu neigt und zudem eine Kapha-Na-         Pitta-Zeit – aktive Zeit
tur besitzt, sollte Milchprodukte bereits ab Mitte
Januar stark einschränken, weniger Fleisch essen       Wenn das Feuerelement dominiert, gibt es sehr
und seinen Süßigkeitsvorrat verschenken. Starten       heiße, schwüle, tropische Sommer mit Wärmege-
Sie mit einer Kapha reduzierenden Diät. In der         wittern und Wetterleuchten. Herrscht das Wasser-
christlichen Tradition fastet man genau in dieser      element vor, wird der Sommer verregnet bis hin zu
Zeit.                                                  Überschwemmungen. Mit dem Einfluss von Pitta
Die Monate März bis Mai entsprechen der „in-           im Sommer werden die natürlichen Kalorien- und
neren Schlackenschmelze“ des Körpers. Es ist die       Energiedepots des Körpers automatisch verbrannt.
beste Zeit für Fastenkuren oder mildere Monodi-        Dadurch entsteht im Körper Hitze, zusätzlich zur
äten zur Entlastung des Organismus (siehe S. 329       äußeren Wärme. Das Agni wird deshalb zum Aus-
ff.). Auch Fitness-Programme und Schlafreduktion       gleich zurückgefahren, weil der Körper nur wenig
wirken Kapha reduzierend und vorbeugend ge-            Wärmekalorien über die Nahrung erzeugen muss.
gen die Frühjahrsmüdigkeit. Das Agni ist in dieser     Essen Sie deshalb weniger und achten Sie auf Ihr
Periode relativ schwach. Die Schleimhäute – Sitz       Sättigungsgefühl. Sorgen Sie jetzt für Kühlung und
von Kapha – beginnen sich zu erneuern. Sie sto-        Entspannung. Schränken Sie deshalb auf jeden
ßen dabei viel überschüssigen Schleim ab. In die-      Fall Salz, Gewürze und Alkohol ein. An heißen
ser Phase sollte man folglich keine verschleimen-      Tagen sollte genügend Wasser getrunken werden
den, also Kapha vermehrende, Nahrungsmittel wie        und körperliche Anstrengung gemieden werden –
Milchprodukte, Süßigkeiten oder zu viel tierisches     insbesondere mittags zur Pitta-Tageszeit.
Eiweiß, Weizenprodukte und Brot zu sich neh-           Halten Sie sich öfter an schattigen luftigen Plätzen,
men. Unterstützend wirken alle austrocknenden          im und am Wasser sowie in Blumengärten auf.
Vata-Nahrungsmittel und alle wärmenden, Pitta          Das besänftigt erhitzte Gemüter, besonders die der
anregenden Gewürze. Alle grünen Gemüse sind            Pitta-Typen!
chlorophyllhaltig und enthalten damit Bitterstoffe,
                                                                                                               125
Die Energetik der Nahrung
      Ideale Speisen im Sommer (Pitta reduzierend)           Ideale Speisen in der kalten Jahreszeit (Vata
      Frisches regionales Obst, alle wässrigen Gemüse        reduzierend): Warme Mais-, Gersten- und Reis-
      wie Gurken, Zucchini, grüne Blattgemüse, Salate        gerichte, Nüsse, Kürbis, Auberginen, Knollenge-
      (Details siehe Nahrungstabelle).                       müse, Kartoffeln, Eintöpfe und Suppen, warme
      Ideale Gewürze: Anis, Fenchel, Koriander, Peter-       Milchprodukte in Maßen, Mungbohnen, Fleisch,
      silie, Minze u. a. frische Gartenkräuter.              Fisch (Details siehe Nahrungstabelle).

      Meiden: saure, salzige und scharfe Speisen, Nacht-     Ideale Gewürze: Ingwer, Muskat, Galgantwurzel,
      schattengewächse, Frittiertes, rotes Fleisch, Sau-     Zimt, Kreuzkümmel, Ajwan, Nelke, Asant, Lor-
      ermilchprodukte, konzentrierte alkoholische Ge-        beerblätter, Herbes de Provence.
      tränke.                                                Meiden: Bittere, herbe und scharfe Speisen, zu viel
                                                             Rohkost, Kohlsorten, rohes Obst, zu schwere Spei-
      Spätherbst/Frühwinter (1.10.–1.2.):                    sen wie Weizengerichte, kalte Speisen und Geträn-
      Vata-Zeit – turbulente Zeit                            ke, Aufgewärmtes, Fast Food, Fasten.

      Raum- und Luftelement dominieren im Herbst             Alle konstitutionellen Schwächen werden stark
      mit ihren kalten, trockenen Winden und ihrer           durch den Faktor Zeit beeinflusst
      Wechselhaftigkeit. Der Frühherbst ist noch Pitta-      Vata verursachte Krankheiten werden meist durch
      Jahreszeit, in der die Galle verstärkt arbeitet. Mit   Wetter-, LuftdrucK– oder Temperaturstürze, Föhn
      der zunehmenden Kühle und dem Einsetzen der            oder Bewölkung ausgelöst. So spüren beispiels-
      Herbststürme gewinnt Vata langsam die Ober-            weise Rheumatiker (Rheuma heißt Amavata) kurz
      hand. Der Oktober ist oft noch recht warm. Ist die     vor einem Sturmtief eine Verschlimmerung ihrer
      Sonne weg, spürt man, wie der Boden die Wärme          Symptomatik.
      schluckt und wie sich die Kälte mit dem Wind aus-
      breitet. Viele Sonnenanbeter sind in dieser Zeit oft   Achten Sie von nun an auf die natürlichen Rhyth-
      leichtsinnig und zu leicht bekleidet, besonders die    men der Doshas in Ihrem Körper und in Ihrer
      wärmebedürftigen Vata-Naturen.                         Umgebung. Stellen Sie bei Wetterwechsel Ihre Er-
      Mit den ersten Nachtfrösten steigt das Vata in der     nährung um. Passen Sie sie entgegengesetzt den
      Natur drastisch an. Verspannungen, GelenK– und         Qualitäten der Witterung an. Herrscht beispiels-
      Knochenschmerzen, unregelmäßige Verdauung              weise feucht-kalt-schweres Wetter vor, essen Sie
      und Schlafstörungen können sich einstellen. Ein        trockene, heiße, leichte Speisen. Essen Sie auch
      bis maximal zwei Fastentage mit Ingwertee und          stets das, was momentan zu wenig in Ihrem Kör-
      anschließend gut gewürzten Mungbohnen-Gemü-            per vorherrscht oder was einen Dosha-Überschuss
      se-Eintöpfen oder Kichari können erfolgreich über      ausgleicht.
      diese Umstellungsphase hinweg helfen (siehe S.
      342). Besonders wichtig ist jetzt ein regelmäßiger
      Tagesablauf, was die Mahlzeiten und die Ruhe-/
      Aktivitätsphasen anbelangt. Der Körper braucht
      Unterstützung durch warme, würzige Speisen und
      Getränke und vor allem nahrhafte, kalorienreiche
      Kost. Nur so kann Agni genügend innere Wärme
      produzieren. Im Lauf des Novembers entwickelt
      sich das Verdauungssystem zu einem Hochofen
      mit erhöhtem Kalorienbedarf. Es ist keine Zeit
      für Fastenkuren oder nachlässige Mahlzeiten, will
      man nicht wie ein Hungerhaken aussehen.
126
Die ayurvedische Ernährungslehre

Harmonie ist nur möglich durch Rhythmus
Rhythmus bedeutet Routine. Routine ist Regelmä-              WICHTIG!
ßigkeit – die ewige Wiederkehr des Gleichen. Dem
menschlichen Geist widerstrebt Routine zutiefst.       Reduzieren Sie Vata durch eine Vata ausglei-
Der Körper hingegen reagiert äußerst empfindlich       chende Diät (V–), wenn
auf permanente Änderungen. Er liebt Ankerpunk-         • Ihr Vata-Anteil erhöht ist oder Sie ein domi-
te – feste Zeiten und Rhythmen, auf die er sich ein-     nanter Vata-Typ sind.
stellen kann. Der Körper hat ein inneres Uhrwerk.      • Sie sich in der Vata-Lebensphase (ab 50 Jah-
Wenn wir wie ein Surfer auf diesen Zeitwellen            ren aufwärts) befinden.
reiten, wird der Körper störungsfrei wie ein regel-    • die Witterung gerade kalt, trocken, wechsel-
                                                         haft oder windig ist.                                     3
mäßig gewartetes Auto funktionieren. Gewöhnen
Sie sich deshalb eine tägliche Gesundheitspflege       • Sie sich in einer Steppen-, Küsten- oder
an (Dinacharya), um Ihre drei Doshas in Harmo-           Hochgebirgsregion aufhalten.
nie zu halten. Der Körper liebt regelmäßige Dinge
wie Gewohnheiten und Routine – also auch feste         Reduzieren Sie Pitta durch eine Pitta aus-
Schlafzeiten, Essenszeiten und regelmäßige Akti-       gleichende Diät (P–), wenn
vitäts- und Ruhephasen.                                • Ihr Pitta-Anteil erhöht ist oder Sie ein domi-
                                                         nanter Pitta-Typ sind.
                                                       • Sie sich in der Pitta-Lebensphase (zwischen
                                                         18-55 Jahren) befinden.
                                                       • die Witterung gerade heiß, schwül, feucht-
                                                         warm oder drückend ist.
                                                       • Sie sich in einer Tropenwald-, Wüsten- oder
                                                         Südseeregion aufhalten.

                                                       Reduzieren Sie Kapha durch eine Kapha
                                                       ausgleichende Diät (K–), wenn
                                                       • Ihr Kapha-Anteil erhöht ist oder Sie ein do-
                                                         minanter Kapha-Typ sind.
                                                       • Sie sich in der Kapha-Lebensphase (Kind-
                                                         heit oder Jugend) befinden.
                                                       • die Witterung gerade nass, kalt, bewölkt
                                                         oder regnerisch ist.
                                                       • Sie sich in einer regenreichen Region, im
                                                         ewigen Eis, in Seengebieten oder in den
                                                         Wäldern des Nordens aufhalten.

                                                                                                             127
Die Energetik der Nahrung
      Das Essritual

        „Trinken vor der Mahlzeit wirkt wie Medizin,
             während des Essens wie Nektar, nach dem Essen wie Gift.“
              (Upanishaden)

128
Die ayurvedische Ernährungslehre

Der Geschmackssinn gilt als Hüter der                  ist eine Opfergabe an unser inneres Verdauungs-
Schwelle zu unserem Verdauungssystem                   feuer, ähnlich den Opferungen bei Feuerritualen.
Essen ist – wie das Kochen selbst – eine Kunst.
Über die Nahrung empfangen wir das Bewusst-
sein des Kochs und die Schwingungsebene der                    Jeder Bissen Nahrung muss seine ei-
Nahrung (siehe S. 110 ff. „Das Triguna-Konzept“).              gene individuelle Existenz aufgeben
Beispiel: Die Angst und die Ohnmacht des Tieres,        Er wird durch die Kraft von Agni verwandelt,
das getötet wird, oder die Wut des Kochs regist-        um in einem größeren Kosmos in Menschen-
riert der Esser unterschwellig und nimmt diese          form weiterzuleben. Etwas, das „nicht ich“ ist,
Schwingungen in sich auf. Da die Nahrung glei-          wird durch den Ich-Macher (Ahamkara) zu                      3
chermaßen Körper, Geist und Bewusstsein nährt,          einem Teil von mir selbst umgewandelt. Jede
sollten wir Speisen und Koch mit Bedacht aus-           Substanz fungiert entweder als „Nahrung“,
wählen und mehr Liebe in unsere täglichen Ver-          „Medizin“ oder „Gift“. Da jede Nahrung ne-
richtungen bringen. Die Rishis sahen in Nahrung         ben Prana Träger von Bewusstsein ist, liegt die
eine Offenbarung Gottes. Ein kleines Gebet vor          Entscheidung bei uns, welches Bewusstsein
dem Verzehr, in Stille gesprochen, macht aus blo-       am ehesten unserem Lebensziel und Lebens-
ßer Nahrung eine „gesegnete“ Mahlzeit. Sie neu-         gefühl entspricht.
tralisiert das Bewusstsein anderer Menschen, die
                                                        Nahrung (Sattva) ist das, was unseren Körper,
mit der Nahrung in Verbindung standen. So wird
                                                        unsere Sinne und unser Bewusstsein aufbaut
aus dem elementaren „Töten des Hungers“ mittels
                                                        und nährt. Es ist das, was unser Körper be-
Füllmaterial ein Nektar, der für uns wie geschaffen
                                                        herrscht und verarbeiten kann.
ist und Geist, Seele und Sinne nährt.
                                                        Als Medizin (Rajas) bezeichnen wir in der
Der Ayurveda lehrt uns, dass Nahrung Prana ist –        Ayurveda-Heilküche die Gewürze und die
der Kraftstoff aller Lebewesen                          achtsame Auswahl und Zubereitungsweise der
Leben ist folglich eine permanente Suche nach           Nahrung. All das verbessert die Assimilation,
Nahrung. Das Sanskrit-Sprichwort „Leben lebt            die Absorption sowie die Ausscheidung von
von Leben“ sagt im Grunde alles. Wir erhalten           Unverdaulichem. Medizin ist all das, was uns
unser Leben, indem wir das Leben anderer kon-           bei der Verdauung (Beherrschung) der Nah-
sumieren. Aus Sicht der Natur haben alle Wesen          rungsmittel unterstützt.
ein gleiches Anrecht auf Leben. Wenn wir in Har-        Gift (Tamas), also toxisch wirkende Nahrungs-
monie mit der Natur zu leben wünschen, sollten          mittel, blockieren die Verdauung. Sie stören
wir sie und „ihre Kinder“ nicht achtlos zerstören       den Aufbau unserer Gewebe und Organe und
oder töten. Sir J. Chandra Bose14, Indiens be-          stumpfen Sinne und Bewusstsein ab. Als „Gift“
rühmter Physiker, fand vor mehr als einem halben        wird all das bezeichnet, was die Verdauungs-
Jahrhundert heraus, dass Pflanzen Sinnesorgane          kraft und damit die „Beherrschung“ durch un-
haben. Sie leben selbst nach der Ernte noch. Be-        seren Körper herausfordert (Details s. S. 138 ff.).
reits die Rishis stimmen dem zu, dass die Karotte,      Ein Grund, weshalb in Indien der Akt des Es-
die wir versaften, oder der Kohl, den wir für den       sens ritualisiert wurde, ist sein Opferungsaspekt.
Kochtopf klein schneiden, wie ein Tier Schmerz          Diese Art der Demutsbezeugung verhindert,
und Schrecken empfinden. Pflanzen können uns            dass wir den Essensakt als Ersatzbefriedigung
ihre Empfindungen nicht mitteilen. Deshalb glau-        oder demonstrative Unterwerfung der Tier- und
ben wir, sie hätten keine. Aber auch Gemüse und         Pflanzenwelt missbrauchen. Das Essritual redu-
Früchte haben sie. Essen ist ein geheiligter Akt. Es    ziert auch die negativen Qualitäten von Nah-
                                                         rung und verstärkt seine positiven Wirkungen.
14 www.famousscientists.org/jagadish-chandra-bose
                                                                                                               129
Die Energetik der Nahrung
      Pfade zur Gesundheit – Pfade zur Krankheit               Die Unterdrückung der 13 körperlichen Trie-
                                                               be (Vegasamdharana)
      Laut Caraka gibt es verhaltenspsychologische und
      mentale Ursachen für die Zerstörung der Harmo-           Der Rishi Atreya Muni beschreibt in der Caraka
      nie der Doshas. Alle Gründe haben mehr oder we-          Samhita die körperlichen Triebe oder Reflexe,
      niger mit dem Thema Ernährung zu tun.                    die man nicht unterdrücken sollte. Adharaniya
                                                               Vegas sind natürliche Bedürfnisse, die von Vayu
               Gesundheitsgefährdende Nahrung                  oder Vata kontrolliert werden. Jede regelmäßige
               (Viruddhahara)                                  Unterdrückung eines Vegas (Drang oder Trieb)
                                                               oder eines Körperreflexes hat eine Störung der
        1. Toxische Nahrungskombinationen;                     Vata-Funktion und somit langfristig eine ernste
                                                               Erkrankung zur Folge. Die Vegas spielen eine zen-
        2. Falsche Essenszeiten;                               trale Rolle bei der Erhaltung der Gesundheit sowie
        3. Falsches Essverhalten;                              der Verhütung von Krankheiten.
                                                               Benannt werden im Folgenden die Störungen, die
        4. VPK störende, d. h., erhöhende Nahrungs-            durch die Unterdrückung dieser Reflexe hervorge-
        mittel und Geschmacksrichtungen (Rasa).
                                                               rufen werden. Zuletzt werden Anweisungen gege-
                                                               ben, wie man diese Störungen beseitigt. Die Vegas
        Gesundheitsgefährdendes Verhalten                      sind in das vorliegende Kochbuch integriert wor-
        (Viruddhacesta)                                        den, weil sie teilweise auch die Verdauungsorgane
                                                               betreffen. Außerdem stellen sie – neben falscher
        5. Dosha-spezifische       Anleitungen      zum        Ernährung – eine der Hauptursachen für die Ent-
        Krankwerden;                                           stehung von Krankheiten dar.
        6. Falsche Zeiten, Schlaf, Sex in Verbindung
        mit Nahrungsaufnahme etc.

      Die Ursachen psychosomatischer Krankheiten gemäß Caraka

      Die folgenden Ursachen werden als unheilvolle,           Mangelnde Stimulation der Sinne (Ayoga):
      ungesunde Verbindung der Sinne mit den Sinnes-           Zu wenig Berührung, zu wenig Geschmack, zu
      objekten angesehen. Der richtige und maßvolle            wenig Sonne, zu wenig Flüssigkeit etc.
      Gebrauch wird als gesund erachtet. Dies lässt sich
                                                               Fehlerhafte Stimulation der Sinne (Mithyayoga):
      auf das Thema „Ernährung“ übertragen. (Weite-
                                                               Pervertierter Gebrauch der Sinnesorgane, die star-
      re Ursachen gemäß Caraka siehe unter „Toxische
                                                               ke Emotionen auslösen wie Angst, Panik, Phobi-
      Nahrungskombinationen“). Das Fehlverhalten
                                                               en, Hass, Ekel, Aversion, Psychotrauma. Beispiel:
      bezieht sich auf den Faktor Zeit, die Sinnesorga-
                                                               Folterung, Furcht einflößende beleidigende Wor-
      ne und -objekte sowie die geistigen Fähigkeiten
                                                               te, Völlerei, Zwangsernährung, Hungerstreik etc.
      (Asatmendriyata Samyoga). Diese sind dreifach
      unterteilt:
      Exzessive Stimulation der Sinne (Atiyoga):
      Zu grell, zu laut, zu scharf, zu sauer, zu flüssig, zu
      trocken, zu schwer, zu laut, zu rau etc.

130
Die ayurvedische Ernährungslehre

Tabelle: Die Unterdrückung der 13 körperlichen Reflexe (Vegasamdha-
rana) und ihre Behandlung
Die Unterdrückung von...         Störung als Folge                     Beseitigung der Störung
                                                                       guten Schlaf, Wein, angenehme
1) Tränen des Kummers            Augen-, Herzkrankheiten, Anore-
                                                                       Gespräche, Anhören angeneh-
(Asru)                           xie, Schwindel, laufende Nase
                                                                       mer Geschichten
                                 Nackensteifheit, Kopfschmer-          Nackenmassage, Dampfbäder,
2) Niesreiz
                                 zen, Migräne, Gesichtslähmung,        Nasentropfen, Inhalieren v. Kräu-
(Kshavadhu)
                                 Schwächung der Sinnesorgane           terrauch, Vata besänftigende Diät
                                                                       Erbrechen Auslösen nach dem                 3
                                 Schwellungen, Fieber, Schwindel,
3) Brechreiz                                                           Essen, Inhalieren von Kräuter-
                                 Übelkeit, Hautkrankheiten, Juck-
(Vamadhu)                                                              rauch, Fasten oder leichte Diät;
                                 reiz, Anämie
                                                                       Körperübungen, Abführen
                                 schmerzhafter Harndrang, Kopf-/       Vollbäder, Massagen, Nasentrop-
4) Harndrang                     Blasen-/ Genitalschmerz, Steifheit    fen mit Ghee, Einlauf auf Kräuter-
(Moothra)                        in den Leisten, Dysurie, aufgetrie-   und Ölbasis, Kathetereinlauf mit
                                 benes Abdomen                         abführender Wirkung
                                 Kopfschmerzen, Kolik, Kotstau,        Zäpfchen, abführende Speisen &
5) Stuhldrang
                                 Blähsucht, Wadenkrämpfe, aufge-       Getränke, Massagen, Dampfbä-
(Sakrit)
                                 triebenes Abdomen                     der, Vollbäder, Einläufe
                                 Schwellung/Schmerzen in den
6) Samendrang/Coitus interrup-                                         Massagen, Bäder, Wein, Reis,
                                 Genitalien, Körperschmerzen,
tus / Sexualtrieb generell                                             Milch, Hühnchen; Kräutereinläu-
                                 Harnstau, Impotenz, Fieber, Herz-
(Shukla)                                                               fe, Sitzbad, Geschlechtsverkehr
                                 schmerzen, Hernien, Urinsteine
                                 Kot-, Harnstau, Blähsucht, Bauch-     Ölmassage (Snehana), Schwitz-
7) Windabgang                    krämpfe, Schmerzen, Erschöpfung,      bad (Svedana), Zäpfchen, Einläu-
(Adhovata)                       Verlust der Sehkraft, Verdauungs-     fe; warme Nahrung und Getränke
                                 störungen, Herzleiden                 mit karminativer Wirkung
                                 Blockade in Brust & Herz, Zittern,
                                                                       langsamer essen, nicht sprechen
8) Aufstoßen                     Verlust des Geschmacksinns, Dys-
                                                                       beim Essen, Tabukombinationen
(Udgara)                         pnö, Husten, Anorexie, Blähungen,
                                                                       meiden
                                 Tremor, Schluckauf
9) Gähnen/Husten                 Zittern, Krämpfe, Taubheitsgefühl,    Vata beseitigende Maßnahmen,
(Kasa)                           gekrümmter Körper, Verspannungen      Schlaf
                                 Schwäche, Appetitlosigkeit,
10) Hungergefühl                 Abmagerung, Körperschmerzen,          fettige, leicht ölige, warme &
(Kshudha)                        Schwindel, Verlust von Ausstrah-      leichte Kost
                                 lung und Farbe
                                 Trockenheit in Kehle & Mund,
11) Durstgefühl                  Depression, Taubheit, Müdigkeit,      kühle und Durst lindernde Ge-
(Thrit)                          Herzschmerzen, Erschöpfung,           tränke
                                 allgemeine Schwäche
                                 schwere Augen, Körperschmerzen,
12) Schlafdrang                                                  Ruhe, Ausschlafen, vor 0 Uhr zu
                                 Gähnen, Schwindel, Kopfschmerz,
(Nidra)                                                          Bett gehen
                                 Schläfrigkeit
13) Keuchen
(bei körperlicher Anstrengung)   Ohnmacht, Herzkrankheiten             Ruhe, Vata besänftigende Mittel
(Srama Swasa)
                                                                                                             131
Pollozek / Behringer
                                    Die zeitlose Ayurveda-Küche
                                    Heilkraft unserer Nahrung

                                    400 Seiten, geb.
                                    erschienen 2013

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