POLYTECHNIK - Musik bildet, entfaltet, verbindet

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POLYTECHNIK - Musik bildet, entfaltet, verbindet
POLYTECHNIK
I N F O R M A T I O N E N A U S D E R S T I F T U N G P O LY T E C H N I S C H E G E S E L L S C H A F T F R A N K F U R T A M M A I N
                                                      AUSGABE 2 / 2021

       Musik bildet,
    entfaltet, verbindet
POLYTECHNIK - Musik bildet, entfaltet, verbindet
Das Titelbild zeigt Sängerinnen und Sänger des
Chors der Stiftung Polytechnische Gesellschaft beim
Sommerkonzert 2021. Mehr über die Geschichte
des Chors lesen Sie ab Seite 21.

                                          »Spaß ist der Schlüssel
                                               zur Musik.«
                                     JAZZPOSAUNIST NILS LANDGREN IN SEINEM GRUSSWORT
                                            AN DAS SCHÜLER-JAZZENSEMBLE ANLÄSSLICH
                                     DES ZEHNTEN JUBILÄUMS VON JAZZ UND IMPROVISIERTE
                                                      MUSIK IN DIE SCHULE!
POLYTECHNIK - Musik bildet, entfaltet, verbindet
INHALT
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     P R O F. D R . R O L A N D K A E H L B R A N D T        ALEXANDER JÜRGS

     MAGISCHE MOMENTE                                        WAS MACHT EIGENTLICH … ?
     Musik schafft etwas, das Worte allein                   David Eberhardt im Porträt
     nicht erreichen können

                                                        18
                                                             P R O F. D R . M A R I A S P Y C H I G E R

                                                             MUSIKALISCHE IDENTITÄT
                                                             UND MUSIKALISCHE BILDUNG
                                                             Wie setzt sich musikalische Kultur von
                                                             Generation zu Generation fort?

8
     JENS-EKKEHARD BERNERTH

     PRÄGUNG FÜR EIN
     GANZES LEBEN
     Wie die Stiftung Polytechnische Gesellschaft
     musikalische Bildung systematisch fördert

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     GREGOR PRAML UND SASCHA WILD                            LISA OCHSENDORF

     JAZZ: EIN LEBENDIGES                                    VIELFÄLTIG, MEHRSTIMMIG,
     ERBE FRANKFURTER                                        MUSIKBEGEISTERT
     MUSIKKULTUR                                             Die Geschichte des Stiftungschors
     Frankfurt am Main und seine bewegte
     Jazzgeschichte

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                                                             KURZ NOTIERT

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     STIMMEN ZUM THEMA                                       NAMEN UND
                                                             NACHRICHTEN
     WAS BEDEUTET MUSIK
                                                             Kurzinformationen aus der Stiftung
     FÜR MICH?
     Diese Frage beantworteten uns Menschen
     aus unserem Stiftungsumfeld
POLYTECHNIK - Musik bildet, entfaltet, verbindet
EDITORIAL
  Liebe Leserinnen und Leser,

  Musik bildet, entfaltet, verbindet …

  … so haben wir diese höchst klangvolle Ausgabe unseres Stiftungsmagazins überschrieben.
  Zweimal im Jahr widmet sich die POLYTECHNIK einem übergeordneten Thema aus dem
  vielseitigen und dynamischen Kosmos der Stiftungsarbeit. Insgesamt sind so schon
  20 unterschiedliche Ausgaben entstanden. Und als wir uns im Team bei der letzten Re-
  daktionskonferenz auf die Suche nach einem passenden Thema für die nun vorlie-
  gende Winterausgabe machten, waren wir uns schnell einig, dass es einmal an der
  Zeit ist, sich dem Thema Musik zu widmen.

  Die Stiftung Polytechnische Gesellschaft ist nämlich zutiefst musikalisch. Wer eine unse-
  rer zahlreichen großen und auch kleinen Veranstaltungen besucht hat, kann das be-
  zeugen. Musik ist ein zentrales Motiv und die Playlist unseres Veranstaltungsmanagers
  penibel kuratiert. Aber wussten Sie auch, dass wir mit dem Stiftungschor und der Stif-
  tungsband Plan Zehn gleich zwei Klangkörper betreiben, bei denen viele Alumni und
  Stipendiaten gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus der Belegschaft unserer Stif-
  tung musizieren? Dass Geburtstagswünsche im Polytechniker-Haus gleich mehrstimmig
  vorgesungen werden? Dass die Stiftung eine Projektkette der Musikförderung aufgebaut
  hat – vom Kindergartenkonzert bis zum Opernstudio? Oder dass wir uns nun schon
  seit zehn Jahren für die musikalische Nachwuchsförderung in Deutschlands Jazz-
  hauptstadt Frankfurt einsetzen?

  Warum wir all dies mit großer Überzeugung und auch mit Leidenschaft tun, darüber
  wollen wir in dieser Ausgabe berichten. Mit Beiträgen von Prof. Dr. Roland Kaehlbrandt,
  Jens-Ekkehard Bernerth, Sascha Wild und Gregor Praml, Prof. Dr. Maria Spychiger
  und vielen mehr.

  Und auf der vorletzten Seite der POLYTECHNIK erwartet Sie noch ein besonderer »Bonus-
  Track«: Wir haben alle Mitwirkenden an dieser Ausgabe nach ihrem Lieblingslied ge-
  fragt. Die Ergebnisse zum Nachhören und Weiterhören finden Sie im Soundtrack zur
  Ausgabe auf Seite 27. Denn wie hat schon der leider viel zu früh verstorbene Schauspieler
  Frank Giering im Film »Absolute Giganten« gesagt: »Es müsste immer Musik da sein.
  Bei allem, was du machst.«

  Eine musikalische, informative und vergnügliche Lektüre wünscht

  AXEL BRAUN

  Bereichsleiter Information, Kommunikation und Veranstaltungen
  der Stiftung Polytechnische Gesellschaft
POLYTECHNIK - Musik bildet, entfaltet, verbindet
Polytechnik | Ausgabe 2 / 2021

MAGISCHE
MOMENTE

Musik schafft etwas, das Worte allein nicht erreichen können. Im Rahmen
unserer Arbeit dürfen wir immer wieder Zeuge solcher Momente werden.

V O N P R O F. D R . R O L A N D K A E H L B R A N D T

                       Es ist Donnerstagnachmittag, ein leicht nebliger Herbsttag im September. Fünf Jugend-
                       liche sitzen in einem Raum der Frankfurter Musikschule im ersten Stock der Schirn
                       Kunsthalle Frankfurt zusammen. Lässig lehnt ein junger Bassist an der Wand und spielt
                       ein Jazzriff. Andere Jugendliche fallen ein: Ein langhaariger Schlagzeuger, der wie
                       ein Uhrwerk spielt und mit dem Bass eine rhythmische Einheit bildet. Dann kommt der
                       Tastenmann hinzu, er legt ein paar jazzige Akkorde über den Grundrhythmus.

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POLYTECHNIK - Musik bildet, entfaltet, verbindet
Schwerpunkt

                     »Du hast so ein Talent, du
                  kannst alles spielen. Denk daran:
                       The sky is the limit.«

              Zwei Saxofonisten, ein ganz junger und ein etwas älterer, stimmen mit ein. Unisono
              spielen sie kraftvoll eine rhythmische Figur, eine ungeheure Energie entfaltet sich. Da
              betritt der berühmte schwedische Jazzposaunist Nils Landgren den Raum. Er nimmt
              an einem von der Stiftung Polytechnische Gesellschaft geförderten Jazz-Residenz-Pro-
              gramm der Alten Oper Frankfurt teil. Landgren, an seiner rot glänzenden Posaune
              erkennbar (»die Farbe der Liebe, und es sieht cool aus«), steigt spontan mit ein und
              nimmt den Groove der Jugendlichen auf. Alle formen jetzt eine vielstimmige Einheit,
              obwohl sie in dieser Konstellation noch nie zusammen gespielt haben. Die Nachwuchs-
              jazzer sind hoch motiviert, sie geben ihr Bestes. Da stoppt Nils Landgren das Spiel
              und wendet sich dem Bassisten zu: »Du hast so ein Talent, du kannst alles spielen. Denk
              daran: The sky is the limit.« Landgren spricht mit leiser Stimme, von Musiker zu
              Musiker. Nichts Einschüchterndes ist an ihm. Kameradschaftlich wendet er sich dem
              Schlagzeuger zu. »Ihr beide, Schlagzeuger und Bassist, müsst die Band eingrooven.
              Ihr müsst sie treiben, aber nicht zu sehr, im Gleichtakt.« Landgren macht leicht tän-
              zelnde Bewegungen, er swingt und bewegt sanft seine Posaune in kreisenden Be-
              wegungen. Die Jugendlichen hängen ihm an den Lippen. Diesen Moment werden
              sie nie vergessen. Für immer werden sie an den freundschaftlichen Rat des Jazz-
              stars denken.

              Es sind solche Momente, die eine tiefe Wirkung entfalten. Es sind Momente, die die
              Stiftung sucht und deren Zustandekommen sie fördert. Augenblicke wie diese schaffen
              etwas, das reine Erklärungen nicht erreichen können: magische Momente des Musi-
              kerlebens. So wie jener Moment, in dem es im großen Saal der Alten Oper Frankfurt
              mucksmäuschenstill ist, obwohl über eintausend Kinder anwesend sind. Der Moment,
              in dem der Dirigent auf der großen Bühne zum ersten Mal das Wort ergreift und sich
              an die Kinder wendet. Ein Dirigent und eintausend Kinder. Dann erklingt zum ersten
              Mal das Orchester. Die Kinder kennen das Stück aus den Vorbereitungen in der Schule.
              Aber jetzt wird es unmittelbar vor ihnen aufgeführt. Es ist SINFONIK HAUTNAH!.
              Am schönsten, das entdecken die Kinder bei diesen Konzerten, ist die ganz leise Musik.
              Der Dirigent Ernst Albrecht, der die ersten von der Stiftung geförderten Schülerkon-
              zerte dirigierte, hat die Kinder immer wieder gerade auf diese Stellen aufmerksam ge-
              macht. Gebannt lauschten sie den hohen, feinen Streichertönen: Momente von großer
              Intensität. Und das in unserer geräuschbesessenen Zeit.

              Bei einem Projektbesuch auf einem ehemaligen Firmengrundstück in Frankfurt betrete
              ich eine riesige, leere Fabrikhalle. In der Mitte steht allein auf weiter Flur: ein Flügel.
              Ich setze mich spontan daran und spiele ein paar Takte. Aus dem Hintergrund treten
              junge Musiker hervor und stimmen mit ein. Auch das: ein magischer Moment.

              Warum fördern wir als Stiftung Polytechnische Gesellschaft musikalische Bildung?
              Deswegen. Weil Musik bildet, entfaltet und verbindet. Ja, auch bildet. Denn ohne Vor-
              aussetzungen ist sie nicht zu meistern. Oder wie Nils Landgren es lächelnd sagt:
              »Üben lohnt sich – meistens.« Leidenschaft und Disziplin gehören dazu, Einfühlungs-
              vermögen – und Talent.

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POLYTECHNIK - Musik bildet, entfaltet, verbindet
Polytechnik | Ausgabe 2 / 2021

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                                                                                                        roten Posaune: Bei der Schüler-
                                                                                                        Jamsession in der Schirn Kunsthalle
                                                                                                        Frankfurt sorgte Jazzposaunist Nils
                                                                                                        Landgren für magische Momente.

                     Und früh muss die Förderung beginnen. Unsere Stiftung begünstigt die Hinführung zur
                     Musik in einer Breitenförderung und die Weiterentwicklung musikalischer Talente in
                     mehreren Anschlussprojekten, vom Projekt Jazz und Improvisierte Musik in die Schule!,
                     von dem der erste Teil dieses szenischen Berichts handelt, über die Schülerkonzerte
                     bis hin zum Opernstudio für Spitzensängerinnen und -sänger. Es ist inzwischen eine
                     ganze Kette von Projekten entstanden. Sie fördern polytechnische Fähigkeiten, näm-
                     lich die Vielseitigkeit, die das aktive Musizieren erfordert und entfaltet. Dass dabei so-
                     gar ein eigener mitreißender Stiftungschor entstanden ist, war gar nicht geplant, hat
                     sich ergeben. Auch ein magischer Moment mit schönsten Folgen.

                     Prof. Dr. Roland Kaehlbrandt ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung Polytechnische Gesellschaft
                     und Keyboarder der stiftungseigenen Band Plan Zehn.

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POLYTECHNIK - Musik bildet, entfaltet, verbindet
PRÄGUNG
FÜR EIN GANZES
LEBEN
»Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum«, sagte einst Friedrich Nietzsche.
Musik begeistert, tröstet, begleitet und prägt ein ganzes Leben. Wenig ver-
wunderlich, dass die Hinführung zur Musik für die Stiftung Polytechnische
Gesellschaft von zentraler Bedeutung ist. Dafür wird eine Kette von aufeinander
aufbauenden musikalischen Projekten im Stadtgebiet systematisch gefördert,
von denen wir an dieser Stelle berichten wollen.

VON JENS-EKKEHARD BERNERTH

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POLYTECHNIK - Musik bildet, entfaltet, verbindet
Polytechnik | Ausgabe 2 / 2021

»Die Stiftung Polytechnische Gesellschaft vertritt
und verwirklicht in ihren Projekten einen ganzheit-
lichen Bildungsbegriff. Dabei spielt natürlich auch
die kulturelle Bildung eine wichtige Rolle, und in
diesem Feld insbesondere die Konzertpädagogik.
Frühes Erleben von Musik in möglichst vielfältigen
Formen und idealerweise als Live-Erlebnis prägt
Kinder ihr Leben lang«, erläutert Dr. Katharina
Uhsadel, Bereichsleiterin Kunst, Kultur und Pflege
des kulturellen Erbes bei der Stiftung, das Enga-
gement in diesem Feld. »Kulturelle Bildung und ins-
besondere Musik spielen in dieser großen Bil-
dungsentwicklung eine bedeutende Rolle«, ergänzt
Christoph Gotthardt. Er ist als hessischer Landes-
koordinator für Musikvermittlung für die Durchfüh-
rung des Projekts Sinfonik für Kindergärten ver-
antwortlich, das in Zusammenarbeit mit Kita Frank-
furt und dem Hessischen Kultusministerium
realisiert wird und gleichzeitig den biografischen
Einstieg in die Projektkette Musikalische Bildung
der Stiftung markiert.                                                   Die Alte Oper Frankfurt bietet das Projekt
                                                                         ANKLANG als mehrteiligen Workshop-
                                                                         Zyklus oder als Fortbildung für Lehrkräfte
»Einerseits führt kulturelle Bildung – und insbeson-
                                                                         an. Beide Angebote widmen sich der
dere Musik – zur Kultur selbst als Lerngegenstand                        praktischen Gehörbildung von Grundschul-
hin. Andererseits aber ist sie auf vielfache Art und                     kindern.
Weise mit anderen Lernbereichen verbunden
und – im schulischen Kontext würde man sagen
fächerübergreifend – vernetzt. Zudem ist sie für
die Persönlichkeitsentwicklung und das soziale Ler-     später unter Jugendlichen und jungen Erwachse-
nen relevant«, führt Gotthardt weiter aus. Der Mu-      nen das Interesse an ihr, wie das Jugend-Kultur-
sikpädagoge besucht im Rahmen des Projekts Kin-         Barometer unter Leitung von Professor Susanne
dertageseinrichtungen und musiziert dort für die        Keuchel 2012 gezeigt hat.« Die Förderung her-
und mit den Jüngsten. Die Kleinen sind mit Feuer-       ausragender Angebote der Konzertpädagogik hat
eifer und Begeisterung bei der Sache. Gleichzeitig      zudem einen weiteren wichtigen und äußerst
lernen sie durch das Projekt zuzuhören, sich in         positiven Nebeneffekt: »Wir unterstützen damit die
eine Gruppe einzugliedern und gegebenenfalls auch       Musiklehrerinnen und Musiklehrer, von denen
mit einer (Einzel-)Aktion aus ihr hervorzutreten.       beispielsweise an Grundschulen viele fachfremd
»Die Kinder bringen Körper und Geist in ein gesun-      unterrichten: Lediglich 43 Prozent des Unterrichts
des Wechselspiel und lernen, etwa beim prakti-          werden von grundständig ausgebildeten Musik-
schen Musizieren, in ganzheitlicher Art und Weise       lehrkräften erteilt, wie eine Studie im Auftrag der
auf ein lohnenswertes Ziel hinzuarbeiten«, bringt       Bertelsmann Stiftung 2020 nachwies«, sagt Dr.
Christoph Gotthardt die Wirkung der Kindergarten-       Katharina Uhsadel. Auch Christoph Gotthardt weiß
auftritte auf den Punkt.                                um den Mangel an Fachlehrkräften, vor allem in
                                                        den Grundschulen. Umso wichtiger ist für ihn, die
Niedrigschwelligkeit war beim Konzipieren des Pro-      frühe und qualifizierte musikalische Prägung nicht
jekts Sinfonik für Kindergärten eine Grundvoraus-       nur in der Schule, sondern auch im Kindergarten
setzung, wie Dr. Katharina Uhsadel betont: »Der Zu-     weiter zu fördern: »Ich fände es wichtig, dass Mu-
gang von Kindern zur Kultur hängt maßgeblich            sik in der Ausbildung der pädagogischen Kräfte
von den Gewohnheiten, dem Bildungshintergrund           eine größere Rolle spielte. Wünschenswert wäre
und den Möglichkeiten des Elternhauses ab. Da-          zudem, dass in jedem Kindergarten zumindest eine
her ist es uns wichtig, einen Zugang über die Kinder-   pädagogische Kraft eine Musikqualifikation hätte
gärten und Schulen zu ermöglichen, damit alle           und das Thema und auch Projekte wie Sinfonik
Kinder erreicht werden. Je früher der erste Kontakt     für Kindergärten vertreten und bewegen könnte.«
mit Kultur stattfindet, desto stärker zeigt sich        Insgesamt hat der Pädagoge aber ausnahmslos

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POLYTECHNIK - Musik bildet, entfaltet, verbindet
Bericht

           großes Lob für die teilnehmenden Erzieherinnen        Die Lehrkräfte nehmen vorab an einer obligatori-
           und Erzieher übrig: »Die große Bereitschaft zur       schen Fortbildung teil, die Konzerte werden im
           Kooperation ist bemerkenswert. Sie haben Freude       Unterricht vor- und nachbereitet. »So ermöglichen
           daran, ihren überaus wichtigen Part im Vermitt-       wir, dass der Konzertbesuch nicht nur ein ein-
           lungsprozess zu spielen, und ebenso selbst Freude     maliges Erlebnis ist. Das ist schon ein sehr umfas-
           an der Musik.«                                        sendes Angebot«, sagt Tobias Henn. Dass es bei
                                                                 den Konzerten selbst zu außergewöhnlichen Augen-
           Dies gilt auch für die Lehrerinnen und Lehrer, die    blicken kommen kann, versteht sich von selbst:
           am Projekt SINFONIK HAUTNAH! mitwirken. Die           »Ein ganz besonderer Moment war für mich, als
           Schülerkonzerte in der Alten Oper Frankfurt sind      eintausend Grundschüler gemeinsam mit dem
           ein Höhepunkt im Kulturbereich der Stiftung. Bis zu   Orchester die Ode an die Freude gesungen haben.
           2.000 Schülerinnen und Schüler waren pro Ter-         Den Klang von eintausend Stimmen, die begeis-
           min im Großen Saal der Alten Oper zu Gast, in bes-    tert dieses tolle Werk sangen, werde ich nicht so
           ter Stimmung und mit immenser Freude an der           schnell vergessen. Und nach dem Konzert waren
           Darbietung klassischer Musik. SINFONIK HAUT-          die Schulklassen mit diesem Lied noch weit über
           NAH! wird auch von der Ernst Max von Grunelius-       den Opernplatz zu hören«, erinnert sich Tobias Henn.
           Stiftung und der Erhard Kunert-Stiftung geför-
           dert. »Wir wollen den jungen Menschen zeigen,         Bewusst kleiner gehalten ist das Projekt ANKLANG,
           was Musik alles kann; dass es sich lohnt, in ein      bei dem Viertklässlerinnen und Viertklässlern
           Konzert zu gehen«, erklärt Tobias Henn, der das       eine »Schule des Hörens« geboten wird, wie Tobias
           PEGASUS-Programm für Kinder, Jugendliche              Henn sie nennt. In Kleingruppen beschäftigen sich
           und Familien an der Alten Oper Frankfurt leitet.      die Grundschulkinder intensiv mit dem Phänomen
           »Vielleicht bekommt der eine oder die andere durch    des Hörens. Aufgrund der begrenzten Gruppen-
           unsere Angebote Lust, sich intensiver mit Musik       größe kann intensiver gearbeitet und können
           zu beschäftigen.« Tobias Henn wurde selbst bereits    Themen vertieft werden, für die in einem Schüler-
           früh durch seine musikalische Familie geprägt:        konzert nicht ausreichend Zeit ist. »ANKLANG
           »In meinem Elternhaus war ich immer von Musik         haben wir 2015 etabliert«, führt Dr. Katharina
           umgeben, und daher war es für mich selbstver-         Uhsadel aus. »Das Projekt entwickelte sich aus den
           ständlich, auch in einem Chor zu singen und ein       Schülerkonzerten in der Alten Oper. Das zeigt
           Instrument zu lernen. Durch meine tägliche Ar-        sehr schön, wie die Stiftung arbeitet und wie sie
           beit weiß ich aber, dass dies ein großes Privileg     auch ihre Förderprojekte zu Ketten vernetzt«,
           war«, merkt er an. Dieses Erleben von Musik,          hebt sie hervor.
           diese Magie möchte er durch SINFONIK HAUTNAH!
           weitergeben: »Bei SINFONIK HAUTNAH! haben             Beschäftigen sich die Sinfonik-Konzerte ausschließ-
           wir die Möglichkeit, dass Grundschulkinder ein gan-   lich mit klassischer Musik, steht bei Jazz und
           zes Sinfonieorchester mit einem Dirigenten, der       Improvisierte Musik in die Schule! (JIMS), das die
           auch das Konzert wunderbar moderiert, erleben         Stiftung initiiert und 2014 in die Trägerschaft der
           können. Und das im besten Haus am Platz. Die          Musikschule Frankfurt übergeben hat, der namens-
           jungen Zuhörer kommen – manche vielleicht zum         gebende Jazz im Fokus. Das Projekt wird in Ko-
           ersten Mal – in einen der größten Konzertsäle         operation mit der Musikschule Frankfurt realisiert
           Deutschlands und hören ein Sinfonieorchester in       und durch die Aventis Foundation gefördert. Die Teil-
           großer Besetzung.« Doch werden die Grundschul-        nehmerinnen und Teilnehmer werden aus allen
           kinder nicht einfach so in ein Konzert geschickt.     Klassenstufen der weiterführenden Schulen rekru-
                                                                 tiert. Erfahrene Trainer wie Nina Hacker, Gernot
                                                                 Dechert oder Peter Klohmann betreuen die Schüle-

          16.000
                                                                 rinnen und Schüler unter Federführung des Pro-
                                                                 jektleiters Sascha Wild in einer Big Band oder im
                                                                 Frankfurter Schüler-Jazzensemble. Ein weiterer
                                                                 Unterschied ist die Partizipation: »Wir setzen auf
                                                                 musikpraktisches Miteinander«, erläutert Sascha
                                                                 Wild. »Alle sind aktiv, und idealerweise ist das
             SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER
                                                                 Publikum im Konzert auch immer ein Teil der Band.
             wurden mit Jazz und Improvisierte Musik             Zusätzlich stellen wir Materialien zur Jazzgeschichte
             in die Schule! aktiv erreicht.                      und zur Jazztheorie zur Verfügung und bilden

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Das Opernstudio unterstützt
talentierte Sängerinnen und
Sänger auf ihrem Weg vom
Studium auf die Opernbühne.

  interessierte Lehrkräfte in der Umsetzung unserer      ten geschätzt: »Kürzlich wurde ich nach einem
  Inhalte fort.« Inzwischen wurden mit JIMS mehr         Konzert von meinen Sängerinnen und Sängern zur
  als 16.000 Schülerinnen und Schüler aktiv erreicht,    Seite gezogen und dankbar umarmt.«
  einige Alumni haben sich mittlerweile für ein Jazz-
  studium entschieden. »Ein besonderes Highlight ist     Mit der systematischen Förderung der verschiede-
  für uns, dass 2021 mit Darius Blair ein ehemaliges     nen musikpädagogischen Projekte trägt die Stiftung
  Mitglied unseres Schüler-Jazzensembles mit dem         Polytechnische Gesellschaft zur Vernetzung und
  Jazzstipendium der Stadt Frankfurt ausgezeichnet       nachhaltigen Verankerung vielfältiger musikpädago-
  wurde«, freut sich Sascha Wild.                        gischer Initiativen im Bildungsangebot Frankfurts
                                                         bei. Doch ist die Stiftung nicht nur fördernd in der
  Mit dem Opernstudio steht schließlich ein ganz be-     kulturellen Bildung aktiv. Auch in den Reihen der
  sonderes Stipendium an der Spitze der Projekt-         Stipendiaten und dem Alumni-Netzwerk sowie in
  kette. Das von der Oper Frankfurt durchgeführte Pro-   der eigenen Belegschaft der Stiftung finden sich
  gramm widmet sich der Ausbildung von Operntalen-       viele musikbegeisterte Menschen. Mit der Stiftungs-
  ten. Über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren       band Plan Zehn und dem Stiftungschor wurden
  werden talentierte Sängerinnen und Sänger gezielt      eigene Mitmachangebote etabliert, die sich mittler-
  auf die heutige Musiktheaterpraxis vorbereitet         weile einen guten Ruf erspielt haben. Band und
  und erhalten wertvolle Unterstützung auf dem Weg       Chor treten nicht nur bei Veranstaltungen der Stif-
  vom Studium auf die Opernbühne. »Seit der Grün-        tung auf. Plan Zehn wurde beispielsweise schon
  dung des Opernstudios der Oper Frankfurt im Jahr       für das Museumsuferfest gebucht und musizierte
  2008 wurden insgesamt 54 Stipendiatinnen und           bei der Einweihung des neuen Gebäudes der
  Stipendiaten gefördert. Daraus wurden 18 im An-        Heraeus Bildungsstiftung in Hanau. Der Stiftungs-
  schluss an ihre Zeit dort in das feste Ensemble        chor gab im September 2021 auf der Sommer-
  der Oper Frankfurt aufgenommen«, berichtet Thomas      wiese neben der Jahrhunderthalle ein begeistern-
  Stollberger von der Oper Frankfurt stolz. Der Oper     des Konzert. Vom Können der Combos kann man
  liegt eine ordentliche Ausbildung sehr am Herzen,      sich auf dem YouTube-Kanal der Stiftung ein eige-
  weshalb sie auf namhafte Gesangsdozenten setzt:        nes Bild machen – Gänsehautmomente inklusive.
  »Wir hatten beispielsweise Brigitte Fassbaender,
                                                         Jens-Ekkehard Bernerth ist Journalist und seit 2016 für
  Edith Wiens, Helmut Deutsch oder Neil Shicoff als
                                                         die Stiftung Polytechnische Gesellschaft im Bereich
  Ausbilder verpflichtet.« Aber auch die persönliche     Information, Kommunikation und Veranstaltungen für
  Betreuung wird von den internationalen Stipendia-      Digitale Kommunikation zuständig.

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JAZZ: EIN LEBENDIGES
ERBE FRANKFURTER
MUSIKKULTUR
Die Stadt Frankfurt am Main hat eine bewegte Jazzgeschichte,
die bis heute ihre Wirkung zeigt. Wie kam es dazu? Ein Rückblick
auf die Entstehung der Frankfurter Jazzszene.

VON GREGOR PRAML UND SASCHA WILD

             Frankfurt im November 2019. Es ist früh dunkel,        amerikanischen Jazz und ihre Frankfurter Brüder
             rund um die »Freßgass« herrscht reger Betrieb. Hier    und Schwestern im Geiste.
             liegt das Wohnzimmer der Frankfurter Jazzszene –
             der Jazzkeller Frankfurt. »EUROPE’S OLDEST             Seit jeher ist der Jazz eine Musikrichtung, die sich
             JAZZ CLUB SINCE 1952« lautet die stolze Eigen-         ihre Spielorte am liebsten selbst aussucht. In
             werbung. Hierhin hat das Programm Jazz und Im-         Frankfurt sind es in den 1930er-Jahren Jugendli-
             provisierte Musik in die Schule! Schülerinnen und      che, die den Nationalsozialisten aus dem Weg
             Schüler eingeladen, die Lust haben, gemeinsam          gehen wollen, um die Musik zu hören, die sie fas-
             zu jammen. Und sie sollen selbst ein Teil dieser le-   ziniert: Jazz! Er riecht nach Aufbruch und Frei-
             gendären Bühne im Rhein-Main-Gebiet sein dür-          heit, Individualität und Kreativität. Er verkörpert
             fen, auf der sie alle gestanden haben: die Stars des   den Beginn einer neuen Zeit und kann im Deutsch-

                                                      12
Polytechnik | Ausgabe 2 / 2021

land dieser Zeit nur im Kellerversteck gehört und       Erneut bewährt sich der Frankfurt Sound als zeit-
ausprobiert werden. Die Geburtsstunde des »Frank-       lose Verbindung unterschiedlicher Kulturen und
furt Sound« spielt sich im Geheimen ab, hinter          Musiktraditionen. Er lebt von Kollaboration und
verschlossenen Türen in einem stickig-feuchten          Grenzüberschreitung, der Verbindung von freier
Gewölbekeller.                                          Szene und institutionell verorteten Klangkörpern,
                                                        deren Synergien sich aktuell auch auf die Grün-
Als erstes Anzeichen der beginnenden Jazztradi-         dung neuer Spielorte übertragen. So arbeitet bei-
tion wird die Einrichtung einer Jazzklasse am Dr.       spielsweise das Schauspiel Frankfurt regelmäßig
Hoch’schen Konservatorium angesehen. Die Ener-          mit Jazzmusikern bei der musikalischen Umsetzung
gie, die der Jazz auf die jungen Musiker um die Brü-    großer Inszenierungen zusammen. Und auch die
der Albert und Emil Mangelsdorff herum ausstrahlt,      Alte Oper etabliert unter dem neuen Intendanten
kann auch das nationalsozialistische Deutschland        Dr. Markus Fein die »Bühne für Frankfurt«.
nicht brechen. Sie verabreden sich heimlich, um
mit Gleichgesinnten Musik zu hören, zu jammen
und informelle Wege zu finden, ihren Freiheitswil-
len zum Ausdruck zu bringen.

Diese Haltung führt nach Ende des Zweiten Welt-
kriegs zur Gründung der bis heute prägenden
Strukturen der Frankfurter Jazzszene. Hierzu gehö-
ren das hr-Jazzensemble, die hr-Bigband und das
bis heute stattfindende Deutsche Jazzfestival. In den
1970er- und 1980er-Jahren erobert eine neue Mu-
sikergeneration die Jazzbühnen der Stadt. Musiker
wie der Saxofonist Heinz Sauer und der Kontra-
bassist Stephan Schmolck entwickeln den Frankfurt
Sound mit ihrem an den Minimalismus angelehnten
Musikverständnis weiter.

Im Jahr 1991 erhält die junge Jazzsaxofonistin
Corinna Danzer das erste Jazzförderstipendium der
Stadt Frankfurt. Sie steht für die dritte Genera-                              Bereits seit den 1950er-Jahren wird im
tion der Frankfurter Jazzszene. Gemeinsam mit dem                              Jazzkeller Frankfurt gemeinsam Musik
Gitarristen Martin Lejeune greift sie den Frank-                               gemacht und erlebt.

furt Sound auf und fügt ihm in ihrem Album »Jazz-
mädchenreport« eine neue Facette hinzu.                 Zurück in den Jazzkeller: Hier hat Philipp Hahn
                                                        das Erbe seines Vaters angetreten und mit einem
Diesem Sog will sich auch das Jazzorchester im          beeindruckenden Streaming-Angebot durch die
Hessischen Rundfunk nicht entziehen und erfindet        Pandemie geführt. Er zeigt, dass sich eine über
sich neu. Die hr-Bigband holt Jim McNeely, den          Jahrzehnte gewachsene Umgebung auch in das
Leiter des damals weltweit führenden The Vanguard       digitale Zeitalter überführen lässt. Mit seinen Live-
Jazz Orchestra, an den Main und entwickelt sich         streams hat er ein lebendiges Porträt der Frank-
in den folgenden Jahren zu einem der führenden          furter Szene geschaffen, das in Zeiten der Pandemie
europäischen Klangkörper in Sachen Jazz. Hier-          ebenso als Plattform für die Fortsetzung des
auf reagiert auch die freie Szene der Stadt. Der Jazz   Frankfurt Sounds aufgefasst werden kann. Ein
soll moderner, jünger, offener und experimenteller      Sound, der sich ständig weiterentwickelt – uner-
werden – und er soll sich auch als Teil der Club-       schöpflich und kreativ wie das Repertoire der
kultur verstehen können. Auf musikalischer Ebene        zahlreichen Jazzmusikerinnen und -musiker in
kommen die nötigen Impulse hierfür von bestens          Frankfurt, die eine lebendige Tradition immer
ausgebildeten Musikerinnen und Musikern. Diese          wieder neu mit Leben füllen.
bewegen sich fließend zwischen den Genres Jazz,
                                                        Sascha Wild ist Musikpädagoge, Komponist und Schlagzeuger
Klassik, Clubmusik und Pop. Aufhorchen lassen
                                                        der Stiftungsband Plan Zehn. Seit 2014 leitet er das Programm
dabei der Gitarrist Max Clouth oder der Pianist         Jazz und Improvisierte Musik in die Schule!. Gregor Praml ist
Yuriy Sych, die beide ihre weltmusikalischen Er-        freier Musikredakteur beim Hessischen Rundfunk im Pro-
fahrungen mit den Wurzeln des Frankfurt Sounds          gramm von hr2-kultur.
verbinden.

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Stimmen zum Thema

WAS BEDEUTET
MUSIK FÜR MICH?
Diese Frage beantworteten uns Menschen
aus unserem Stiftungsumfeld.

                                       »Musik, insbesondere Punkrock und
                                       Reggae, eröffnete mir eine neue
                                       Sicht auf mein persönliches Umfeld
                                       und bereicherte meine Ansichten
                                       und Einstellungen, die mich bis heute
                                       prägen.«
                                       CHRISTIAN HEIDRICH (55)

                                       Stadtteil-Historiker der Generation VIII (2020/21)
                                       und Rechtsanwalt

»Musik ist wie Realität,
Fantasie, Freiheit und Si-                                  »Mit vier Jahren hörte ich
cherheit zugleich. Man                                      meinen ersten Schulfunk.
kann sie nicht greifen, und                                 Die Sendung begann immer
doch ergreift sie uns. Sie                                  mit der Arie des Papageno.
zieht uns in ihren Bann,                                    Ich war total fasziniert und
und jeder Ton führt in an-                                  wusste, dass mein Leben
dere Welten.«                                               etwas mit Musik zu tun ha-
SOFIA JANßEN ORTIZ (20)
                                                            ben würde.«
Sängerin der Stiftungsband Plan Zehn                        JÜRGEN NAEVE (74)
und Lehramtsstudentin
                                                            Bürger-Akademiker der Generation VI (2018/19)
                                                            und Musikexperte

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Polytechnik | Ausgabe 2 / 2021

                                 »Musik bedeutet für mich Freiheit.
                                 Freiheit, zu fühlen und meine Gefühle
                                 zum Ausdruck zu bringen. Freiheit,
                                 kreativ zu sein und mich auszuleben.
                                 Und vor allem Freiheit, wertungs-
                                 los im Moment zu sein und alles an-
                                 dere zu vergessen.«
                                 LARA CADEZ (20)

                                 Sängerin der Stiftungsband Plan Zehn und
                                 Kommunikationsdesign-Studentin

»Musik besteht für mich aus
Klängen, denen ich – nicht
immer mit Wohlgefallen –
hörend begegne: Geräusche
aus der Natur oder der Um-
gebung, Melodien eines
Instruments oder einer Stim-
me, die auf unterschiedliche                                       »Musik ist für mich eine uni-
Arten berühren können.«                                            verselle Sprache, mit der
DR. JULIA JUNG (34)
                                                                   ich beim Singen und Musizie-
Alumna des Main-Campus-Stipendiatenwerks der                       ren mit anderen Menschen
Generation VI (2016–2018) und Musikpädagogin
                                                                   in Kontakt komme. Sie wird
                                                                   generationsübergreifend ver-
                                                                   standen und schafft es, Gren-
                                                                   zen zu überwinden.«
                                                                   P R O F. F E L I X K O C H ( 5 2 )

                                                                   Dirigent und Moderator im Projekt SINFONIK
                                                                   HAUTNAH! sowie Professor für Alte Musik/Musik-
                                                                   vermittlung an der Hochschule für Musik Mainz

                                                           15
Porträt

WAS MACHT
EIGENTLICH …
DAVID EBERHARDT?
Der Main-Campus-academicus-Stipendiat studiert an der Frankfurter
Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Förderschullehramt
mit dem Hauptfach Posaune. Das Erlebnis Musik will er mit möglichst
vielen Menschen teilen.

VON ALEXANDER JÜRGS

                                                  Dass David Eberhardt Posaunist geworden ist, ist
                                                  im Grunde einem Missverständnis zu verdanken:
                                                  Als seine Mutter die Anmeldung für den Verein aus-
                                                  füllte, in dem er Blasmusikunterricht nehmen
                                                  wollte, trug sie als Instrument Posaune ein. Ihr Sohn
                                                  hatte sich eigentlich gewünscht, das Trompeten-
                                                  spielen zu erlernen. Doch wie es manchmal so ist,
                                                  das Formular blieb unverändert und das Leben
                                                  nahm seinen Lauf. Unglücklich ist Eberhardt darü-
                                                  ber nicht. Ein Instrument, das er lieber spielen
                                                  würde als Posaune, kann er sich heute nicht mehr
                                                  vorstellen. Auch wenn er mittlerweile viel ande-
                                                  res – Cajón, Schlagzeug, Gitarre und noch einige
                                                  Instrumente mehr – ausprobiert und gelernt hat.

                                                  »Musik war immer das, was mich bewegt hat, die
                                                  Musik hat mich nicht mehr losgelassen«, sagt
                                                  der 23-Jährige. Eberhardt lebt bis heute dort, wo er
                                                  aufgewachsen ist: in einem Ortsteil von Oberts-
                                                  hausen, nicht weit entfernt von Hanau und Offen-
                                                  bach. Zum Studieren kann er von dort aus bequem
                                                  nach Frankfurt am Main pendeln. An der dortigen
                                                  Hochschule für Musik und Darstellende Kunst
                                                  studiert er Förderschullehramt, bald kommt er ins
                                                  neunte Semester. Kindern mit Förderbedarf zu
                                                  vermitteln, welche Faszination von der Musik aus-
                                                  geht, ihnen Klangerfahrungen und Hörerfahrungen
                                                  weiterzugeben: Das erfüllt ihn, und darin sieht er
                                                  seine Zukunft. »Musik ist ein Erlebnis«, sagt David
                                                  Eberhardt. Und das sollen auch andere erfahren
                                                  können.

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Polytechnik | Ausgabe 2 / 2021

                 »Im Orchester zu musizieren ist
               wie Fußballspielen. Man muss sich
               abstimmen, man muss aufeinander
                achten. Nur als Team schafft man
                    es, wirklich gut zu sein.«

Musik ist für ihn sowieso etwas, das man am besten      dem Alltag«. Sogar stark eingeschränkte Kinder
mit anderen in der Gruppe erlebt. Deshalb ist           mit Mehrfachbehinderungen könnten davon profi-
Eberhardt auch so gern Teil eines Orchesters. Früher    tieren. Eberhardt erzählt davon, wie er in der För-
war er das ausschließlich als Musiker, mittlerweile     derschule einmal den Arm eines gehörlosen Kindes
ist er es auch als Lehrer und Dirigent. »Im Orchester   an seine Posaune legte und zu spielen begann.
zu musizieren ist wie Fußballspielen«, sagt er.         »Auch wenn das Kind die Musik nicht hören konnte,
»Man muss sich abstimmen, man muss aufeinander          konnte es doch die Schwingungen der Musik spü-
achten. Nur als Team schafft man es, wirklich gut       ren«, sagt er.
zu sein.«
                                                        Seit Anfang des Jahres zählt der Student zum Kreis
Im Laufe seines Lebens ist die Musik für David          der Main-Campus-academicus-Stipendiaten. Mit
Eberhardt immer wichtiger geworden, hat sie immer       dem Stipendium fördert die Stiftung Polytechnische
mehr Zeit eingenommen. In der Oberstufe wollte          Gesellschaft Studierende mit besonderen Bega-
er Musik als Leistungskurs wählen. Doch weil ein        bungen. Für das Stipendium kann man sich nicht
solcher Kurs an seiner Schule nicht zustande kam,       bewerben, sondern wird dafür vorgeschlagen. »Als
besuchte er während der Musikstunden fortan eine        ich erfahren habe, dass eine meiner Professorinnen
andere Schule: die Marienschule in Offenbach,           mich dafür empfohlen hat, war ich überrascht und
eigentlich eine reine Mädchenschule. »Der Musik-        glücklich«. Mit dem Stipendium sollen junge Wis-
unterricht dort hatte eine ganz andere Qualität,        senschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht nur
das hat man sofort gespürt«, erinnert er sich. In dem   finanziell unterstützt, sondern auch interdisziplinär
Kurs war Eberhardt einer von zwei externen Jun-         miteinander vernetzt werden.
gen, an der Pforte der Marienschule mussten sie
sich jedes Mal anmelden, um am Unterricht teil-         In den ersten Monaten seiner Stipendienzeit fand
nehmen zu können.                                       dieser fächerübergreifende Austausch wegen der
                                                        Pandemie ausschließlich im virtuellen Raum statt.
Während seiner Schulzeit machte Eberhardt auch          Das habe zwar gut funktioniert, sagt Eberhardt,
sein erstes Praktikum in einer Förderschule. Nach       doch ein persönliches Kennenlernen konnte es nicht
dem Schulabschluss entschied er sich dann für ein       ersetzen. Umso mehr habe er sich gefreut, als vor
Freiwilliges Soziales Jahr. Auch das absolvierte er     einiger Zeit doch ein Treffen in Präsenz möglich wur-
wieder an einer Förderschule, der Schule am Gold-       de. Intensiv wurde dort miteinander diskutiert,
berg in Heusenstamm. Kurz darauf fasste er den          besonders die Gespräche mit den Naturwissen-
Entschluss für das Studium. Eberhardt schaffte die      schaftlern unter den Stipendiatinnen und Stipendia-
Aufnahmeprüfung an der renommierten Frankfurter         ten hätten ihm neue Sichtweisen eröffnet. »Natur-
Musikhochschule im ersten Anlauf.                       wissenschaftler stellen Fragen, die ein Musiker
                                                        normalerweise nicht stellt«, sagt David Eberhardt.
Dass die Auseinandersetzung mit Musik Kindern           »Das ist genau die Art Austausch, die mich inspiriert.«
mit Behinderung weiterhelfen kann, davon ist der
                                                        Alexander Jürgs ist Redakteur der Rhein-Main-Zeitung
Student überzeugt. Musik sei für die Kinder an den
                                                        der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Förderschulen oft wie ein Ventil, »ein Ausbruch aus

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Gastbeitrag

MUSIKALISCHE
IDENTITÄT UND
MUSIKALISCHE
BILDUNG

Wie setzt sich musikalische Kultur von Generation zu Generation
fort? Die musikalische Produktivität einer Gesellschaft beginnt
mit der frühen musikalischen Erfahrung jedes ihrer Mitglieder.

V O N P R O F. D R . M A R I A S P Y C H I G E R

                                                   18
Polytechnik | Ausgabe 2 / 2021

Kinder können die Welt über Musik er-
fahren und tun dies sehr gerne. Projekte
wie Jazz und Improvisierte Musik in
die Schule! leisten einen wichtigen Bei-
trag zur musikalischen Bildung.

Kommunen und Gesellschaften verfügen vielerorts
über entwickelte Strukturen für das Musikleben
und bieten vielfältige Möglichkeiten zum Musik-
machen und musikalischen Lernen an. Es gibt
damit ein Engagement für die musikalische Entwick-
lung und Bildung der Bevölkerung und damit
auch für die nachfolgenden Generationen. Mit den
entsprechenden Ausbildungsstätten und deren
Finanzierung setzt sich musikalische Kultur laufend   Umgebung gefördert. Es stehen auch zahlreiche
fort. Man kann sich fragen, was geschehen wür-        mediale Lernmöglichkeiten zur Verfügung, gegebe-
de, wenn die konkreten, erkennbaren und wirksam-      nenfalls entstehen auch spontan virtuelle Lern-
en Angebote der musikalischen Betätigung und          und Musiziergemeinschaften. In Deutschland, so
Bildung nicht vorhanden wären – Musik in der Kita,    ergab vor einigen Jahren eine Studie, musizieren
Kinderchor, musikalische Früherziehung, der           14 der 80 Millionen Menschen in ihrer Freizeit. Im
Musikunterricht in der allgemeinbildenden Schule,     Chorwesen etwa, insbesondere aber im Internet
die Musikschulen, die verschiedensten Projekte        steigt diese Zahl noch laufend an, wobei Letzteres
wie JeKi, Response, Primacanta, Musikalische          in der Studie nicht abgebildet ist. Musik ist eben-
Grundschulen, Sinfonik für Kindergärten, ANKLANG,     so nah an den Emotionen der Einzelnen wie am
Jazz und Improvisierte Musik in die Schule! bis       gemeinschaftlichen Ausdruck und Erleben von
hin zur professionellen Förderung im Opernprojekt,    kleinen bis hin zu sehr großen Gruppen. So ist in
um nur einige aus dem Frankfurter Spektrum zu         heutigen pluralen Gesellschaften das Musikleben
nennen.                                               vielfältig. Entsprechend müssen es auch die Bil-
                                                      dungsangebote sein.
Es wäre traurig. Solche Trauer tritt jeweils ein,
wenn autoritäre Regimes in das Musikleben der be-     Wann sollte die musikalische Bildung im individu-
troffenen Gesellschaften restriktiv eingreifen, es    ellen Lebenslauf idealerweise einsetzen? Es ist
beschränken und gegebenenfalls für ihre Zwecke        bekannt, dass das Zeitfenster des intensiven Erle-
instrumentalisieren. Diktaturen sind nie komfor-      bens und Lernens im Bereich Musik sehr früh
tabel mit einem freien Musikleben, sie überwachen     aufgeht. Kinder sind von Anfang an für Klänge, Stim-
es ängstlich und penibel. In den heutigen westli-     men und Rhythmen sehr empfänglich. Der große
chen Gesellschaften wäre das Äquivalent solchen       ungarische Musikpädagoge und Komponist Zoltán
Zwangs vielleicht, dass der musikbezogene Lebens-     Kodály hat die Fachwelt trotzdem in Erstaunen
und Kulturbereich ganz dem Markt, den Medien          versetzt, als er auf die Frage nach dem idealen Zeit-
und der privaten familiären Förderung überlassen      punkt antwortete: »Neun Monate vor der Geburt.«
würde.

                                                                  14 Mio.
Tatsächlich ist Musik nicht aus dem menschlichen
Leben hinauszudividieren, sie ist unter allen Um-
ständen immer da. Zwar durchlaufen die Mitglieder
einer wie auch immer gearteten Gesellschaft nicht
immer eine musikalische Bildung, sicher aber eine
musikalische Sozialisation. Kinder sind von selbst
                                                                                VON 80 MILLIONEN MENSCHEN
musikalisch aktiv, viele werden auf die eine und
andere Weise angeregt und durch ihre unmittelbare                               in Deutschland musizieren in ihrer Freizeit.

                                                           19
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                                                                            Nach John Dewey, dem amerikanischen Bildungs-
                                                                            philosophen und frühen Architekten demokrati-
                                                                            scher Bildung, ist die ästhetische Erfahrung das
                                                                            spezifische Zusammenspiel von Qualitäten wie
                                                                            Vollständigkeit, Schönheit, Sinn, Bedeutung, emo-
                                                                            tionale Ergriffenheit. Dazu kommt eine innere
                                                                            Gewissheit der Werthaftigkeit dieser Erfahrung (im
                                                                            originalen Wortlaut »intrinsic assurance of worth«).
                                                                            Die ästhetische Erfahrung weise einen »rhythm
                                                                            of surrender and reflection« auf, ein Wechselspiel
                                                                            von Reflexion und Hingabe. Dazu gehören auch
                                                                            die Elemente der Neuartigkeit oder Überraschung,
                                                                            der Beunruhigung und Irritation. Weitere Autoren
                                                                            verweisen auf die schöpferische Kraft des Wahr-
                                                                            nehmens und das Fällen ästhetischer Entscheidun-
                                                                            gen und leiten damit in das selbsttätige Musizie-
                                                                            ren und Singen über. Ästhetische Erfahrung geht
                                                                            über das alltägliche Erleben weit hinaus, sie wirkt
                                                                            welterweiternd. Für den einzelnen Menschen ist
                                                                            diese Qualität der Erfahrung, unterschiedlich von
                                                                            Person zu Person, existenziell.

                     Zwar hört das sich entwickelnde Kind schon lange       Teilhaben, teilnehmen an der Vielfalt der musika-
                     vor der Geburt, nämlich ab der 24. Schwanger-          lischen Kultur und zu ihrer Zukunft beizutragen,
                     schaftswoche, und kann nachweislich auch schon         sich zu ihr bewusst, reflexiv und identitätsstiftend
                     Musik lernen – aber doch nicht ab dem ersten           in ein Verhältnis setzen zu können, das wird nur
                     Tag der Zellteilung? Kodály wollte sagen, dass mu-     durch Angebote der musikalischen Bildung und
                     sikalische Bildung nicht individuell gedacht wer-      Betätigung möglich. Es bleibt viel zu tun und zu
                     den kann, sondern immer als Interaktion und im         überlegen, unter anderem, weshalb mit großer Re-
                     sozialen Bezug. Er meinte vorerst die Mutter,          gelmäßigkeit musikalische Bildungsangebote von
                     ihr musikalisches Wesen und ihre musikalischen         Mädchen positiver und in erheblich größerer Zahl
                     Handlungen, insbesondere ihr Singen, welches           wahrgenommen werden als von Jungen. Men-
                     einen großen Einfluss auf die musikalische Entwick-    schen nicht zu beschränken, sondern ihnen die
                     lung des Kindes hat.                                   weiteren Welten offenzuhalten und zugänglich zu
                                                                            machen, das ist der Auftrag einer freien Ge-
                     Das Musikalische ist in der menschlichen Kognition     sellschaft und lohnender Einsatz der Stiftung
                     angelegt und bildet da einen eigenen Bereich; es       Polytechnische Gesellschaft.
                     ist eine erkennbare, diagnostizierbare Intelligenz.
                                                                            Prof. Dr. Maria Spychiger ist Professorin für
                     Sie bedarf, wie alle andern menschlichen Anlagen,
                                                                            empirische Musikpädagogik an der Hochschule für
                     spezifischer Förderung. Musikalische Entwicklung       Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main.
                     und Bildung hat im Lebenslauf eines Menschen
                     ihren eigenen Platz und Verlauf. Es formt sich damit
                     ein Bereich der Identität, musikpsychologisch
                     gesprochen: die musikalische Identität.

                     Die ästhetische Bildung ist der übergeordnete Bil-
                     dungsbereich, dem die musikalische Bildung
                     zugeordnet werden kann. In jüngerer Zeit spricht
                     man häufiger von kultureller Bildung und ihrem
                     spezifischen Wert, der Entwicklung ästhetischer
                     Kompetenz. Es geht aber gleichermaßen um den
                     Wert der ästhetischen Erfahrung. Sie umfasst
                     insbesondere auch kontemplative Qualitäten.

                                                              20
Polytechnik | Ausgabe 2 / 2021

VIELFÄLTIG,
MEHRSTIMMIG,
MUSIKBEGEISTERT
Im Stipendiaten- und Alumni-Netzwerk der Stiftung Polytechnische
Gesellschaft, unter ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und auch im
nahen Stiftungsumfeld gibt es viele musikbegeisterte Menschen. Einige
von ihnen stehen schon seit Längerem regelmäßig gemeinsam auf der Bühne.

VON LISA OCHSENDORF

                     2015 wurde ich als junge Schulmusikstudentin der        nikerin und Bürger-Akademikerin Silke Burkhart aus,
                     Hochschule für Musik und Darstellende Kunst             und dank ihrer Idee kontaktierte mich die Projekt-
                     (HfMDK) in das Main-Campus-Stipendiatenwerk der         leiterin des Stipendiaten- und Alumni-Programms
                     Stiftung Polytechnische Gesellschaft aufgenom-          der Stiftung, Dr. Tina Kühr. Die Vorstellung, einen
                     men. Einen stiftungseigenen Chor gab es damals          Stiftungschor aufzubauen, begeisterte mich – und
                     noch nicht. Die Initiative hierfür ging von Polytech-   so wurde er gegründet!

                                                               21
Bericht

                                                                             stellen. So können seither alle, mit und ohne Noten-
                          CHORPROBEN                                         kenntnisse, zu Hause üben. Neben den wöchent-
                                                                             lichen Proben werden jährlich mehrere Probentage
                          finden mittwochs von 19.15 bis 20.45 Uhr statt.
                                                                             und eine Chorfreizeit veranstaltet. Der Chor trifft
                          Wenn Sie Interesse daran haben, im Chor mit-
                          zusingen, wenden Sie sich gerne direkt an Lisa
                                                                             sich einmal monatlich zu einem gemeinsamen
                          Ochsendorf (l.ochsendorf@online.de).               Stammtisch, der für die Mitglieder weitaus mehr
                                                                             als nur ein geselliger Umtrunk ist. Seit 2020 gibt
                                                                             es eine chorinterne Struktur mit Chorsprecherin
                                                                             und -sprecher, Informations-, Noten- und Stamm-
                      In vielerlei Hinsicht war das Projekt ein Novum –      tischbeauftragten. Zur Organisation von Proben-
                      der erste Chor der Stiftung, meine erste eigene        plänen, Aufnahmen, Probenorten, Programmen
                      Chorleitung und für viele Mitglieder das erste ge-     und dergleichen werden ein Messengerdienst und
                      meinsame Singen überhaupt. Zu Beginn war un-           ein digitales Buddy Board genutzt.
                      klar, in welche Richtung sich der Stiftungschor ent-
                      wickeln würde. Bei der ersten Probe waren zwölf        Mittlerweile setzt sich das popmusikalische Pro-
                      Personen anwesend, und es wurde einstimmig ge-         gramm aus thematisch verbundenen Musikwünschen
                      sungen. Ende des Jahres 2015 hatten wir dann           der Chormitglieder zusammen. Zudem singt der
                      Premiere: Wir traten zum ersten Mal öffentlich auf.    Chor auch Songs aus der Filmmusik oder Musicals,
                      Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der Stiftung     einzelne Werke der Klassik oder Romantik; auf
                      sangen wir gemeinsam mit den Gästen ein Geburts-       Deutsch, Englisch und Französisch. Auch die Zahl
                      tagslied. Im Januar 2016 stand erstmals der Neu-       der Auftritte ist mit der Zeit enorm gewachsen.
                      jahrsempfang der Stiftung auf unserem Auftritts-       Der Chor ist nunmehr fester Bestandteil vieler ver-
                      kalender, was sich seitdem zu einer schönen Tra-       schiedener Stiftungsveranstaltungen. Er trat be-
                      dition entwickelt hat. Im selben Jahr ergaben sich     reits an einigen bedeutenden Orten in Frankfurt
                      noch weitere Auftrittsgelegenheiten bei Stiftungs-     auf, beispielsweise in der Goethe-Universität, im
                      veranstaltungen – und je mehr Auftritte wir hatten,    Haus am Dom, im Kaisersaal des Frankfurter Römer,
                      desto mehr Personen wollten bei uns mitsingen.         in der Neuen und Alten Oper sowie in der Pauls-
                      So nahm nicht nur unser Repertoire, sondern auch       kirche. Seit 2017 finden auch regelmäßig eigene
                      die Mitgliederzahl und die Professionalität des        große Jahresabschlusskonzerte in den Konzert-
                      Chors stetig zu.                                       sälen der Hochschule für Musik und Darstellende
                                                                             Kunst, Dr. Hoch’s Konservatorium oder auf der
                      Ich begann, die einzelnen Stimmen aller Lieder ein-    Bühne der Sommerwiese der Jahrhunderthalle
                      zusingen und die Aufnahmen zur Verfügung zu            statt. Besonderheiten – und echte Hingucker wäh-

Der Chor der Stiftung Polytechnische
Gesellschaft wächst seit seiner
Gründung im Jahr 2015 stetig weiter.
Inzwischen besteht er aus über
40 Sängerinnen und Sängern.

                                                                        22
Polytechnik | Ausgabe 2 / 2021

rend der Konzerte – sind die vielen Songs mit Body
Percussion oder Vocal Percussion und kleinen
Choreografien sowie einige Lieder zum Singen mit
dem Publikum.

Inzwischen wird der Chor auch abseits von Stif-
tungsveranstaltungen für Auftritte angefragt, bei-
spielsweise vom Bundesverband Deutscher Stiftun-
gen oder von den Maltesern. Höhepunkt im Jahr
2021 war ein Kooperationsprojekt mit einer Profi-
Band mit professionellen Aufnahmen, komplett
durchchoreografierten Liedern und einem gemein-
samen Auftritt im Deutsche Bank Park.

All diese Entwicklungen haben nicht nur zu gestei-
gerter Qualität, sondern auch zu einer gestärkten
und stetig wachsenden Chorgemeinschaft geführt.
Die Musik vereint nunmehr über 40 Menschen
aus unterschiedlichen naturwissenschaftlichen,
künstlerischen, wirtschaftlichen, pädagogischen und
gesellschaftswissenschaftlichen Bereichen. Die
Sängerinnen und Sänger gehören dem Stipendiaten-
und Alumni-Netzwerk der Stiftung an, arbeiten
in der Stiftung Polytechnische Gesellschaft oder
zählen zu ihrem Freundeskreis.                                            Echte
Auch während der Pandemie blieben wir aktiv und
riefen viele Projekte ins Leben: Die Chorproben
                                                                          Hingucker
fanden digital statt, die Stimmbildnerin Martha
Jordan verschickte Podcasts zu einzelnen stimm-                                  BESONDERHEITEN

physiologischen Themen, es wurden Vorstellungs-                                  während der Konzerte sind die vielen Songs
runden, kleine Online-Impulse (die sogenannten                                   mit Body Percussion oder Vocal Percussion und
Live Acts), und ein Online-Stammtisch eingeführt.                                kleinen Choreografien sowie einige Lieder
In der Vorweihnachtszeit 2020 gestalteten wir einen                              zum Singen mit dem Publikum.
digitalen Adventskalender, der so umfangreich
wurde, dass er bis ins neue Jahr hineinreichte. Hin-
zu kamen gemeinsame Videoprojekte, die noch
immer auf dem YouTube-Kanal der Stiftung zu
sehen sind, und Zusatzproben mit einer Software-        dige Leidenschaft und Energie des Stiftungschors,
Lösung. Nicht zuletzt wurden viele neue Lieder          die ihn einzigartig machen. Alle Mitglieder haben
gelernt – und zwar so effektiv, dass sie bei der ers-   einen starken Bezug zum Chor, identifizieren und
ten Outdoor-Probe direkt gesungen werden konn-          engagieren sich enorm für all unsere Projekte. Es
ten! Diese erste gemeinsame Live-Probe nach dem         wird gesungen, gesprochen, getanzt und viel ge-
Lockdown war für uns alle etwas ganz Besonde-           lacht. Die Hauptsache dabei: Wir sind energiegela-
res. Das Strahlen und der Glanz in den Augen, die       den und mit Freude bei der Sache. Der Chor ist
Gänsehaut und dieser einzigartige Glücksmoment,         infolge der herausfordernden Zeiten während der
endlich wieder gemeinsam zu singen, sind kaum           Pandemie sogar noch enger zusammengewach-
in Worte zu fassen. Für viele von uns war dies der      sen. Gemeinsam können wir nun endlich wieder
schönste Moment des gesamten Jahres.                    »aufatmen« und mit Abstand unter freiem Himmel
                                                        proben. Vielleicht sind Sie ja zukünftig mit dabei,
Der Chor kann inzwischen auf eine ereignisreiche        auf oder vor der Bühne?
sechsjährige Geschichte zurückblicken. Wir lieben                                                                                   LIST
                                                        Lisa Ochsendorf ist Pianistin und Musikpädagogin.                      AY          D
es, gemeinsam Musik zu machen und unsere Freude                                                                            L
                                                                                                                                               ES

                                                        Seit seiner Gründung 2015 leitet sie den Chor der
                                                                                                                   DIE P

am Singen miteinander zu teilen. Es sind die leben-     Stiftung Polytechnische Gesellschaft. Derzeit absolviert
                                                                                                                                               STIF

                                                        sie ihr Referendariat an einem Düsseldorfer Gymnasium.
                                                                                                                     S

                                                                                                                                               T

                                                                                                                                           U
                                                                                                                           NSCHOR

                                                              23
Kurz notiert

NAMEN UND
NACHRICHTEN
Kurzinformationen aus der Stiftung
                                                                                                 3
                                                                                                 DENIS THOUARD
                                                                                                 E R H Ä LT A L F R E D G R O S S E R -
                                                                                                 GASTPROFESSUR

               MAIN-CAMPUS-ALUMNUS
                                                                                                 Im Wintersemester 2021/22 be-
               E R H Ä LT S P I T Z E N F Ö R D E R U N G
                                                                                                 kleidet Prof. Dr. Denis Thouard
                                                                                                 die Alfred Grosser-Gastprofessur
               Der ehemalige Main-Campus-                                                        für Bürgergesellschaftsforschung
               doctus-Stipendiat Michael Won-                                                    an der Frankfurter Goethe-Uni-
               drak (links im Bild unten) hat                                                    versität. Thouard ist Directeur de
               ein Excellence Fellowship der

                                                              2
                                                                                                 recherche des CNRS am Centre
               Radbound Universität Nijmengen                                                    Georg Simmel (CNRS/EHESS
               in den Niederlanden erhalten. Die                                                 Paris) sowie am Centre Marc Bloch
               Radbound Excellence Initiative                                                    (Berlin). Sein Interesse gilt der
               soll außergewöhnliche Talente                                                     heutigen Debatte zur Hermeneu-
               aus allen akademischen Berei-                EIN FORUM FÜR GELEBTE
                                                                                                 tik und einer kritischen Lektüre
               chen zusammenbringen und die                 D E M O K R AT I E

               internationalen Verbindungen
               zwischen den Universitäten stär-             Die Frankfurter Paulskirche ist
               ken. Der engagierte 27-jährige               ein bedeutender Ort der deut-
               Nachwuchswissenschaftler der                 schen Freiheits- und Demokratie-
               Helmholtz Forschungsakademie                 geschichte. Den Geist dieses
               Hessen für FAIR wird so im An-               geschichtsträchtigen Ortes aufle-
               schluss an seine Promotion seine             ben zu lassen und ihn mit le-
               Arbeit im Bereich der Kernphy-               bendigen Diskussionen rund um
               sik mit namhaften Wissenschaft-              das deutsche Grundgesetz zu
               lern vor Ort umsetzen können.                erfüllen ist das Ziel des Projekts
               Wir gratulieren zu dieser exzel-             Junge Paulskirche. Im November
               lenten Förderung!                            startete die zweite Generation
                                                            politisch und historisch interes-

               1
                                                            sierter Oberstufenschülerinnen
                                                                                                 der soziologischen und philosophi-
                                                            und -schüler in das Schülerforum
                                                                                                 schen Schriften Georg Simmels.
                                                            zu Demokratie und Verfassung.
                                                                                                 Im Zentrum seiner Forschung
                                                            Im Laufe der nächsten Monate
                                                                                                 steht die Frage nach der Interpre-
                                                            werden sie offen über die Werte,
                                                                                                 tation, der Subjektivität und
                                                            Errungenschaften und Zukunfts-
                                                                                                 der Sprache. Im Rahmen seiner
                                                            visionen unserer Republik disku-
                                                                                                 Gastprofessur findet am 7. Fe-
                                                            tieren. Mehr zum Programm
                                                                                                 bruar 2022 um 19.00 Uhr der
                                                            unter www.junge-paulskirche.de.
                                                                                                 stadtöffentliche Vortrag »Politik
                                                                                                 des Lachens« in der Goethe-
                                                                                                 Universität Frankfurt am Main
                                                                                                 statt. In dem Vortrag wird an-
                                                                                                 hand von drei Zeitpunkten eine
                                                                                                 Historisierung der Diskurse
                                                                                                 über das Lachen skizziert.

                                                                  24
Polytechnik | Ausgabe 2 / 2021

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DEINE IDEE FÜR DEINEN
STA DTT E I L : N E U E STA DTT E I L -
BOTSCHAFTER GESUCHT!

Menschen im eigenen Stadtteil
durch eine Projektidee zusam-
menbringen, sich für die Nachbar-
schaft einsetzen, Austausch
und Zusammenhalt fördern – das
können engagierte junge Men-

                                                                               6
schen im Stadtteil-Botschafter-Sti-       ERÖFFNUNG DES DEUTSCHEN
pendium. Noch bis zum 16. Ja-             ROMANTIK-MUSEUMS
nuar 2022 können sich Interes-
sierte zwischen 15 und 27 Jahren          Frankfurt am Main ist um ein
unter www.stadtteil-botschafter.de        großartiges Museum reicher: Das     C H I L L I G E TAG E A M ST R A N D
mit ihrer Projektidee für ihren           neue Deutsche Romantik-Mu-
Stadtteil um einen Platz in der           seum vermittelt mit kunstvollen     Die stiftungseigene Band Plan
nächsten Stipendien-Generation            und von tiefer Kenntnis zeugen-     Zehn hat im September 2021
bewerben. In 35 Stadtteilen               den Details in seiner Daueraus-     ein neues Lied veröffentlicht: Die
Frankfurts sind im Rahmen des             stellung eindrücklich den großen    Eigenkomposition »Lazy days
Programms mittlerweile bereits            sprachlich-kulturellen Reich-       on the beach« ist ein lässiger mu-
130 Projekte umgesetzt worden.            tum der Romantik. 35 Stationen      sikalischer Gruß, den die Band-
Die Stiftung Polytechnische               laden zum Entdecken einer der       mitglieder aus den Ferien mitge-
Gesellschaft bietet den Stadtteil-        Schlüsselepochen deutscher Kul-     bracht haben. Interpretiert wird
Botschaftern ein Jahr lang ihr            turgeschichte ein. Unter den        der Song von Sängerin Sofia
Know-how, Föderung sowie eine             Zeugnissen der deutschen Ro-        Janßen Ortiz, Blasinstrumentalist
aktive Begleitung bei der Pro-            mantik befinden sich Handschrif-    Peter Klohmann, Bassist Jannis
jektumsetzung und ein großes              ten von Brentano, Novalis und       Kress, Schlagzeuger Sascha Wild
Expertennetzwerk, damit sie               Eichendorff sowie Gemälde von       und Keyboarder Prof. Dr. Roland
ihre Idee im Stadtteil lebendig           Caspar David Friedrich und          Kaehlbrandt. Das dazugehörige
werden lassen können.                     Johann Heinrich Füssli. Die Stif-   Musikvideo ist auf dem YouTube-
                                          tung Polytechnische Gesellschaft    Kanal der Stiftung Polytech-

    4
                                          trug zur Verwirklichung des         nische Gesellschaft zu sehen.
                                          neuen Museums mit einer sub-        In der Stiftungsband spielen seit
                                          stanziellen Förderung bei.          2013 musikbegeisterte Men-
                                                                              schen aus dem Stiftungsumfeld
                                                                              gemeinsam tanzbare Musik.

                                                                                                                               LIST
                                                                                                                          AY
                                                                                                                      L
                                                                                                                                      V
                                                                                                              DIE P

                                                                                                                                      ON PLA

                                                                                                                                  N
                                                                                                                          ZEHN

                                                                25
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