Präoperative MR-Mammographie bei primärem, nicht-metastasiertem Mammakarzinom liefert therapierelevante Zusatzbefunde - OPARU
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UNIVERSITÄT ULM Präoperative MR-Mammographie bei primärem, nicht- metastasiertem Mammakarzinom liefert therapierelevante Zusatzbefunde Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm Vorgelegt von: Christoph Schädle Geburtsort: Balingen Vorgelegt im Jahr: 2020
Amtierender Dekan: Prof. Dr. Thomas Wirth 1. Berichterstatter: Prof. Dr. Stefan Krämer 2. Berichterstatter: PD Dr. Nikolaus de Gregorio Tag der Promotion: 26.06.2020
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis .......................................................................................................... 1 1 Einleitung ..................................................................................................................... 2 1.1 Brustkrebs in der Gesellschaft................................................................................. 2 1.2 Therapieoptionen im Wandel ................................................................................. 2 1.3 Basisdiagnostik: Möglichkeiten und Grenzen der Mammographie und Sonographie ........................................................................................................................... 3 1.4 Diagnostische Relevanz der MRM (Magnetresonanz-Mammographie) ................. 4 2 Material und Methoden ............................................................................................... 6 2.1 Patienten ................................................................................................................. 6 2.2 MR-Mammographie ................................................................................................ 9 2.3 Pathologie und Klassifikation .................................................................................. 9 2.4 Therapie................................................................................................................. 10 2.5 Statistische Analyse ............................................................................................... 10 3 Ergebnisse .................................................................................................................. 12 3.1 MRT-Zweitbefunde................................................................................................ 12 3.2 Therapieänderung ................................................................................................. 12 3.3 Patientengruppen / Tumortypen .......................................................................... 14 4 Diskussion................................................................................................................... 15 4.1 MRT- Zweitbefunde ............................................................................................... 15 4.2 Therapieänderung ................................................................................................. 16 4.3 Patientengruppen / Tumortypen .......................................................................... 16 4.4 Grenzen der Studie ................................................................................................ 18 4.5 Schlussfolgerung.................................................................................................... 20 5 Zusammenfassung und Fazit ...................................................................................... 21 6 Literaturverzeichnis.................................................................................................... 23 I
Abkürzungsverzeichnis ACR - American College of Radiology BET - Brusterhaltende Therapie DCIS - Duktales Carcinoma in situ ILC - Invasiv-lobuläres Karzinom mBI-RADS - Breast Imaging Reporting and Data System der MRT MR- - Magnetresonanz- MRM - Magnetresonanz-Mammographie MRT - Magnetresonanztomographie NST - [Karzinom] nicht-spezifischen Typs PPW - Positiver prädiktiver Wert STIR - Short-Tau Inversion Recovery 1
1 Einleitung 1.1 Brustkrebs in der Gesellschaft Das Mammakarzinom ist derzeit die häufigste Krebsart bei Frauen in Europa sowie die Krebserkrankung mit der dritthäufigsten Mortalität, nach dem Bronchialkarzinom und dem kolorektalen Karzinom. 2012 wurde europaweit eine Inzidenz des Mammakarzinoms von 464000 Neuerkrankungen festgestellt und eine Mortalität von 131000 gemeldet. In Deutschland zeigte das Mammakarzinom 71620 Neuerkrankungen pro Jahr oder ca. 170 Fälle pro 100000 Einwohner und Jahr mit einer Mortalität von 16830 Sterbefällen pro Jahr [18]. Die Prognose nach Diagnose eines Mammakarzinoms ist in Deutschland weltweit verhältnismäßig gut. Die 5-Jahresüberlebensrate beträgt zurzeit 88 % [37]. 1.2 Therapieoptionen im Wandel Noch bis zum Ende der 70er-Jahre war die Mastektomie die Methode der Wahl bei der Behandlung von Brustkrebs. Mittlerweile sind jedoch brusterhaltende Therapieverfahren mit nachfolgender Bestrahlung der restlichen Brust der Standard und der Mastektomie bezüglich des Überlebens gleichwertig [15, 21, 22, 23, 34, 45, 70, 71]. Bei einer aktuellen Studie mit knapp 130.000 Patienten konnte sogar eine bessere Prognose bei brusterhaltender Therapie gezeigt werden [40]. Eine Metaanalyse mehrerer Studien zeigte jedoch auch eine signifikant geringere Rezidivrate nach Mastektomien im Vergleich mit brusterhaltenden Operationen [34]. Das Ziel der operativen Behandlung muss somit immer die komplette Tumorresektion "im Gesunden" (R0-Status) sein [8,59]. Die Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms schlägt folgende Behandlungsindikationen vor [43]. Indikationen für eine brusterhaltende Therapie (BET): ● lokal begrenzte nicht-invasive Karzinome der Brust (duktales Carcinoma in situ) ● invasive Karzinome mit günstiger Relation von Tumorgröße zu Brustvolumen ● invasive Karzinome mit intraduktaler Begleitkomponente, solange die Resektionsränder im Gesunden verlaufen 2
Kontraindikationen für eine BET: ● inkomplette Entfernung des Tumors, auch nach Nachresektion ● Vorliegen eines inflammatorischen Mammakarzinoms ● Kontraindikation zur Nachbestrahlung nach BET bei absoluter Indikation zur Bestrahlung ● Wunsch der aufgeklärten Patientin 1.3 Basisdiagnostik: Möglichkeiten und Grenzen der Mammographie und Sonographie Um eine rechtzeitige und adäquate Therapie der an Brustkrebs erkrankten Patienten zu gewährleisten, erfordert es ein gutes Zusammenspiel der verfügbaren diagnostischen Maßnahmen. Die Basismaßnahmen der Brustkrebsdiagnostik beinhalten die klinische Untersuchung mit Inspektion und Palpation der Brust und Lymphabflussgebiete sowie die Mammographie und Mamma-Sonographie [38]. Die Mammographie ist als bildgebendes Verfahren momentan immer noch der Goldstandard zur Früherkennung von Mammakarzinomen bei Frauen ab dem 40. Lebensjahr mit auffälligen klinischen Befunden der Brust [43]. Die Nachteile der Mammographie liegen vor allem in der geringen Sensitivität, insbesondere bei Frauen mit dichtem Brustgewebe. Die Sensitivität beträgt ca. 68 % [5], bei dichtem Brustgewebe kann diese sogar auf 30-48 % reduziert sein [36, 46]. Um die Diagnostik zu verbessern, wurde die Sonographie als weitere Methode etabliert. Es wird empfohlen bei allen Frauen mit erhöhter mammographischer Dichte (ACR C und D), oder klinisch und mammographisch unklarer Befunde die Sonographie als zusätzliches Verfahren einzusetzen [26, 51]. Bei Frauen unter 40 Jahren soll diese sogar als Methode der ersten Wahl eingesetzt werden, da die Strahlenbelastung der Mammographie bei dieser Patientengruppe nicht gerechtfertigt ist. Diese Altersangabe wird mit der geringen Inzidenz von Brustkrebs in der Altersgruppe unter 40 Jahren begründet sowie einem erhöhten Anteil von Frauen mit dichtem Brustgewebe und dadurch erschwerter mammographischer Beurteilbarkeit [12]. Die Sonographie dient zur Darstellung der 3
Tumorgröße und des Lymphknotenstatus und kann ebenso mittels ultraschallgestützter Stanzbiopsie als Hilfsmittel zur Gewebeentnahme dienen [52, 72]. Aber auch durch die Sonographie werden nur ca. 83 % aller Karzinome entdeckt. Und selbst durch die Kombination aus klinischer Untersuchung, Mammographie und Sonographie werden noch ca. 7 % der Karzinome übersehen [5]. Ebenso kann es durch ungenaue Erfassung der Tumorausdehnung bei konventioneller Bildgebung (Mammographie und Sonographie) gehäuft zu Rezidiven kommen. Die ipsilaterale Brustkrebs-Rezidivrate bei Frauen, die nach konventioneller Bildgebung für eine BET ausgewählt wurden, ist über die letzten Jahre zwar stetig gesunken, liegt jedoch momentan noch immer bei ca. 10 % nach 10 Jahren [1]. Kurniawan et al. berichteten 2008 in ihrem Screening-Programm, dass von 1648 Frauen, bei denen eine BET durchgeführt wurde, nur 70 % der Patientinnen tumorfreie (>1 mm) Resektionsränder gezeigt haben und bei 17 % nachreseziert werden musste [39]. Das kann eine starke Belastung für die Patienten darstellen, sowie weitere Kosten verursachen. Für die Planung einer BET ist es somit wesentlich, die lokoregionäre Tumorausbreitung möglichst exakt zu erfassen, und zusätzliche ipsi- oder kontralaterale Herde bereits präoperativ zu entdecken. 1.4 Diagnostische Relevanz der MRM (Magnetresonanz-Mammographie) Die MR-Mammographie scheint hierbei einen Lösungsansatz zu bieten. Die Sensitivität bei der Entdeckung von Mammakarzinomen liegt bei 94 % [17]. In Kombination aus vorausgegangener klinischer Untersuchung und konventioneller Mammographie kann dieses diagnostische Prozedere über 99 % aller Mammakarzinome entdecken [4,5]. Mehrere Studien haben gezeigt, dass die kontrastmittelverstärkte MRM somit dazu beiträgt, vermehrt multifokale oder multizentrische Herde zu erkennen, als die Mammographie und Sonographie zusammen. Solche multiplen Krebsherde kommen bei ca. 60 % aller Brustkrebspatienten vor [69]. Der Einsatz einer präoperativen MRM ist jedoch umstritten [60, 61, 64], da dieser potenziell zu Überdiagnostik und unnötigen Operationen führen kann [7, 16, 30]. Das Ziel dieser Studie war es herauszufinden, ob durch den Einsatz der präoperativen MRT bei bekanntem primärem Mammakarzinom zusätzlich auffällige Befunde - wie eine bisher unbekannte Multifokalität bzw. -zentrizität, eine neu-diagnostizierte segment- 4
oder quadrantenüberschreitende Ausdehnung des Primärtumors oder ein zusätzliches kontralaterales Zweitkarzinom - festzustellen sind. Ebenso wurde untersucht, ob diese Zusatzbefunde zu einer Änderung des anfänglichen Therapieplans führen. Einflussfaktoren wie die Histologie, das Grading sowie die Tumorausdehnung des Primärkarzinoms wurden hierbei berücksichtigt. 5
2 Material und Methoden 2.1 Patienten In diese Studie wurden alle Patientinnen eingeschlossen, welche in den Jahren 2011 und 2012 in der radiologischen Abteilung des Klinikums Esslingen eine prätherapeutische MR- Mammographie zur genaueren Diagnostik der Tumorausdehnung sowie zum Ausschluss ipsi- und kontralateraler Zweitkarzinome bei zuvor histologisch-gesichertem Mammakarzinom erhielten. Die Daten der im Vorfeld durchgeführten klinischen Untersuchung, Mammographie, Sonographie, Pathologie sowie der daraus resultierende vorläufige Therapieplan lagen vor. Von insgesamt 164 Patientinnen wurden 10 Frauen ausgeschlossen, welche kein primäres Mammakarzinom, sondern ein ipsi- oder kontralaterales Tumorrezidiv zeigten. Konsekutiv gingen 154 Patientinnen in die Studie ein. Das Alter der Patientinnen belief sich auf einen Mittelwert von 54,7 Jahren in einem Bereich von 28 bis 84 Jahren. Ein Großteil der Primärtumore wiesen die histologische Erstdiagnose eines Karzinoms vom NST-Typ auf, gefolgt von invasiv-lobulären Karzinomen. Über 80 % der Patienten verteilten sich auf diese beiden histologischen Gruppen. Tubuläre, papilläre und muzinöse Mammakarzinome sowie das nicht-invasive DCIS spielten nur eine untergeordnetere Rolle. Abbildung 1 zeigt die histologische Verteilung der Primärkarzinome. Neben der Histologie waren ebenfalls die Tumorausdehnung und das Grading der Primärtumore bekannt. Abbildung 2 zeigt die Anteile der verschiedenen T-Stadien, Abbildung 3 gibt die Verteilung der Differenzierungsgrade (Grading) der Primärkarzinome im Patientenkollektiv wieder. 6
Abbildung 1: Histologische Verteilung der Primärkarzinome. Verteilung der histologischen Typen der Primärkarzinome der 154 Mammakarzinom-Patientinnen des Klinikums Esslingen im Jahre 2011 und 2012. NST = [Karzinom] nicht-spezifischen Typs; ILC = invasiv- lobuläres Karzinom; gemischte Karzinome: Karzinome mit mehreren unterschiedlichen Histologien; Sonstige: tubuläres Karzinom (2), muzinöses Karzinom (1), DCIS (1) Abbildung 2: Verteilung der Tumorausdehnung der Primärkarzinome. Verteilung des T-Stadiums bzw. der Tumorausdehnung der Primärkarzinome der 154 Mammakarzinom-Patientinnen des Klinikums Esslingen im Jahre 2011 und 2012. T1: bis 2 cm; T2: >2 – 5 cm; T3: >5 cm; T4: jegliche Größe mit Beteiligung der Brustwand oder der Haut; Tcis: nicht invasiv 7
Abbildung 3: Verteilung des Differenzierungsgrades der Primärkarzinome. Verteilung des Differenzierungsgrades (Grading) der Primärkarzinome der 154 Mammakarzinom-Patientinnen des Klinikums Esslingen im Jahre 2011 und 2012. G1: Zellen sind gut differenziert; G2: Zellen sind mäßig differenziert; G3: Zellen sind schlecht differenziert. 8
2.2 MR-Mammographie Die MR-Mammographie wurde mit einem 1,5 Tesla Kernspintomograph (Avanto TIM) durchgeführt. Die Untersuchung erfolgte in Bauchlage. Es wurden spezielle Brustspulen eingesetzt, mit denen beide Mammae gleichzeitig untersucht werden. Die Untersuchung erfolgte vor einer operativen Therapie. Die MRT wurde in folgenden Sequenzen durchgeführt: 1. Coronare STIR 2. Axiale T2w 3. Axiale T1w vor sowie dynamisch nach i.v.-Kontrastmittelapplikation 4. Subtraktionsaufnahmen nach 2 Minuten und 5 Minuten Als Kontrastmittel wurde ein gadoliniumhaltiges Präparat (ProHance®, 0,1 mmol/kg) eingesetzt. Zwei erfahrene Radiologen des Klinikums Esslingen haben die Auswertung der MR- Mammographien vollzogen und zur Klassifikation der Läsionen das mBI-RADS-System benutzt. Nur MRT-Befunde mit der mBI-RADS-Klassifikation 4 und 5 wurden als relevante Zusatzbefunde herangezogen. Als Zusatzbefund wurden folgende Merkmale definiert: 1. Ipsilaterale neu-entdeckte Multifokalität bzw. Multizentrizität 2. Neu-diagnostizierte segment- oder quadrantenüberschreitende Ausdehnung der Läsion 3. Zweitbefund in der kontralateralen Brust 2.3 Pathologie und Klassifikation Die histologische Sicherung der erhobenen Zweitbefunde erfolgte durch eine, unter Befundkenntnis durchgeführte, sonographisch-gesteuerte Stanzbiopsie oder durch MRT- gestützte Vakuumbiopsien. 9
2.4 Therapie Nach der Erstdiagnostik durch Mammographie, Sonographie und der histologischen Sicherung der Diagnose bestand ein erstes Behandlungskonzept. Nach Durchführung der MR-Mammographie und - bei auffälligen Zusatzbefunden - weiterer histologischer Untersuchung wurden alle Befunde zusammengestellt und in einer interdisziplinären Konferenz des Klinikums Esslingen, bestehend aus Radiologen, Gynäkologen und Pathologen, das therapeutische Verfahren festgelegt. Es wurde entweder eine brusterhaltende Operation oder eine Mastektomie durchgeführt. Die primäre Mastektomie wurde bei Multizentrizität sowie bei ungünstigem Tumor-Brust- Größenverhältnis angewandt. Eine Therapieänderung hatte stattgefunden, wenn sich durch zusätzliche Befunde in der MRM das erste Behandlungskonzept von der letztendlich durchgeführten Therapie unterschied. Hierbei wurden folgende Änderungen berücksichtigt: ● Ablatio der ipsilateralen Brust statt einer BET ● erweiterte Segmentresektion der ipsilateralen Brust ● zusätzliche Operation (BET oder Ablatio) an der kontralateralen Brust 2.5 Statistische Analyse Alle Daten wurden retrospektiv erhoben und aufgelistet. Die patientenbezogenen Daten (Name, Alter, Geschlecht), die histologische Diagnose des primären Mammakarzinoms (NST, ILC, gemischte Karzinome, sonstige invasive Karzinome, DCIS), der Differenzierungsgrad des Primärkarzinoms (Grading G1, G2, G3), das T-Stadium des Primärkarzinoms (Tcis, T1, T2, T3, T4), die Befunde der MR-Mammographie (Zusatzbefund (ipsilateral, kontralateral) vs. kein Zusatzbefund), die Dignität des Zusatzbefundes der MRM (benigne vs. maligne) sowie die geplante und durchgeführte Therapie (BET/Ablatio, einseitig/beidseitig). Anschließend wurden die absoluten und relativen Häufigkeiten der auffälligen MR-Befunde, der malignen Befunde und der Therapieänderungen berechnet. Darüber hinaus wurde, als Maß für die Genauigkeit der MR-Mammographie, der positive prädiktive Wert berechnet. Dieser berechnet sich folgendermaßen: 10
Anzahl der malignen MR-Befunde PPW = --------------------------------------------- Anzahl aller auffälligen MR-Befunde Der PPW und die absoluten/relativen Häufigkeiten der auffälligen und malignen MR- Befunde sowie der Therapieänderungen wurden sowohl in Bezug auf das gesamte Kollektiv berechnet, als auch im Hinblick auf die einzelnen histologischen Typen, Differenzierungsgrade und T-Stadien der Primärkarzinome. Eine Stellungnahme der zuständigen Ethikkommission liegt vor. 11
3 Ergebnisse 3.1 MRT-Zweitbefunde Nach histologischer Sicherung des Mammakarzinoms wurde prätherapeutisch bei allen 154 Patientinnen eine MR-Mammographie durchgeführt. Bei 36 Patientinnen (23,4 %) wurden durch die MRT zusätzliche auffällige Befunde gefunden. Davon waren 32 (20,8 %) auf der Seite der befallenen Brust und 4 (2,6 %) auf der Gegenseite. Konnte bei den zusätzlichen Befunden in der MRM eine neu-entdeckte ipsilaterale Multifokalität oder ein kontralateraler Herd aufgezeigt werden, wurden diese Herde biopsiert und histologisch auf Malignität untersucht. 9 dieser auffälligen Befunde in der MRT wurden histologisch als benigne eingestuft. Somit konnte bei insgesamt 27 von 154 Patienten (17,5 %) ein maligner Zusatzbefund festgestellt werden. Hier waren wiederum 24 ipsilateral (15,6 %) und 3 (1,9 %) kontralateral. Der positive prädiktive Wert der MRM zur Entdeckung von tatsächlich malignen Zusatzbefunden beläuft sich somit auf 75 % (27 von 36). 3.2 Therapieänderung Alle 154 Patientinnen wurden operativ behandelt. Ursprünglich waren 121 (78,5 %) brusterhaltende Operationen und 32 (20,8 %) Mastektomien geplant. Bei einer Patientin mit beidseitigem Mammakarzinom war eine BET an der einen Brust und eine Mastektomie an der anderen geplant (0,6 %). Durch die Entdeckung von malignen Zusatzbefunden in der MRM kam es bei 20 Patientinnen (13 %) zu einer Änderung des ursprünglichen Therapieverfahrens. Tabelle 1 zeigt noch einmal die Anzahl der auffälligen, malignen und therapierelevanten Zusatzbefunde durch die MRM. Bei den 17 ipsilateralen Therapieänderungen wurden erweiterte Segmentresektionen (n=6) durchgeführt, solange noch brusterhaltend therapiert werden konnte. Wenn dies nicht mehr möglich war, wurde anstatt einer BET mastektomiert (n=11). Durch die Befunde auf der kontralateralen Seite kam es zu 2 zusätzlichen BETs und einer Mastektomie. Insgesamt erhöhte sich die Anzahl der Mastektomien um 6%. Bei 7 der 27 Patientinnen wurde das Therapieverfahren nicht geändert. Dies beruhte darauf, dass bei 5 Patientinnen bereits im Vorfeld eine Mastektomie geplant war. 2 Patientinnen zeigten die neu entdeckten malignen Herde im selben Segment wie das bereits bekannte Karzinom. 12
Abbildung 4 zeigt die geplanten (a) bzw. nach der MR-Mammographie durchgeführten (b) Operationen der insgesamt 154 Patientinnen mit histologisch-gesichertem Mammakarzinom. Abbildung 4: Operationen. Die geplanten (a) bzw. nach der Magnetresonanz-Mammographie durchgeführten (b) Operationen der insgesamt 154 Patientinnen mit histologisch-gesichertem Mammakarzinom am Klinikum Esslingen im Jahre 2011 und 2012. BET = brusterhaltende Therapie (dunkelblau); BET beidseitig (hellblau); Mastektomie (orange); Mastektomie beidseitig (gelb); BET der einen Brust und Mastektomie der anderen Brust (grün). 13
3.3 Patientengruppen / Tumortypen Bei der Identifizierung der Patientengruppen, welche besonders von der MRM profitieren würden, wurde das Augenmerk auf die unterschiedlichen histologischen Typen, auf die T- Stadien und auf das Grading gelegt. Tabelle 1 zeigt die Ergebnisse im Vergleich zum Gesamtkollektiv. Tabelle 1: Vergleich der einzelnen Patientensubgruppen. Vergleich der einzelnen Patientensubgruppen bezüglich der Rate an auffälligen, malignen und therapierelevanten Zusatzbefunden sowie des positiv prädiktiven Wertes (PPW) der MRM mit dem Gesamtkollektiv. Bei den Patienten handelt es sich um Frauen mit histologisch-gesichertem Mammakarzinom, bei welchen präoperativ eine MR-Mammographie am Klinikum Esslingen im Jahre 2011 und 2012 durchgeführt wurde. PPW = positiver prädiktiver Wert; MR- = Magnetresonanz-; NST = [Karzinom] nicht-spezifischen Typs; ILC = invasiv-lobuläres Karzinom; Gemischte: Karzinome mit mehreren unterschiedlichen Histologien; Sonstige: tubuläres Karzinom, muzinöses Karzinom, duktales Carcinoma in situ (DCIS). Anzahl Zweitbefunde Maligne Therapieänderung PPW Patienten (%) (%) (%) (%) Total 154 36 (23,4) 27 (17,5) 20 (13,0) 27/36 (75) Histologie NST 88 18 (20,5) 10 (11,4) 8 (9,1) 10/18 (56) ILC 38 10 (26,3) 9 (23,7) 7 (18,4) 9/10 (90) Gemischte 20 5 (25) 5 (25) 3 (20) 5/5 (100) Sonstige 4 1 (25) 1 (25) 1 (25) 1/1 (100) Beidseitig 4 2 (50) 2 (50) 1 (25) 2/2 (100) (NST, ILC) Grading G1 19 5 (26,3) 3 (15,8) 3 (15,8) 3/5 (60) G2 86 27 (31,4) 20 (23,2) 13 (15,1) 20/27 (74) G3 49 4 (8,2) 4 (8,2) 4 (8,2) 4/4 (100) T-Stadium T1 67 16 (23,9) 12 (17,9) 9 (13,4) 12/16 (75) T2 63 18 (28,6) 13 (20,6) 9 (14,3) 13/18 (72) T3 17 1 (5,9) 1 (5,9) 1 (5,9) 1/1 (100) T4 6 1 (16,7) 1 (16,7) 1 (16,7) 1/1 (100) Tcis 1 0 0 0 0 14
4 Diskussion 4.1 MRT- Zweitbefunde Bei der Erkennung zusätzlicher Befunde konnten in dieser Studie bei 23,4 % (36 von 154) der Patientinnen Zusatzbefunde durch die MRM entdeckt werden. Die Ergebnisse bestätigen die aktuelle Studienlage, welche zeigt, dass durch die MRM weitere Herde, ob ipsilateral oder kontralateral, entdeckt werden können sowie die Tumorausdehnung präziser erfasst wird. Mehrere klinische Studien zeigen, dass durch den zusätzlichen Einsatz der präoperativen MR-Mammographie in ungefähr 15 % der Fälle in der ipsilateralen Brust maligne Zusatzbefunde entdeckt wurden [5, 19, 25, 27, 29, 33, 41, 44, 62, 66]. Dies deckt sich sehr gut mit dem Ergebnis dieser Studie, in welcher zu 15,6 % (24 von 154 Patienten) maligne Zusatzbefunde in der ipsilateralen Brust durch die MRM gefunden werden konnten. Auch in der kontralateralen Brust lassen sich bei bereits bekanntem Brustkrebs weitere Herde durch die MRM entdecken. Laut Studienlage ist dies bei ca. 1,5 - 5 % der Patienten der Fall [11, 19, 29, 35, 42, 44, 65], und auch in diesem Patientenkollektiv konnte man bei 1,9 % (3 von 156 Patienten) maligne Zusatzbefunde in der kontralateralen Brust durch die MRM entdecken. Im Vergleich zur hohen Sensitivität der Methode, ist die Spezifität und vor allem der PPW geringer als die der Mammographie und Sonographie. Der in unserem Patientenkollektiv bestimmte PPW von 75 % zeigt noch relativ gute Ergebnisse im Vergleich zu den Meta-Analysen von Houssami et al. 2010 (66 %) und Bennani-Baiti et al. 2016 (56 %) [4, 30]. Die könnte technisch begründet sein, denn laut Plana et al. ist der PPW bei MRT-Geräten ≥1,5 Tesla (75 %) höher als bei Geräten mit
Belastung für den Patienten bedeuten kann. Turnbull et al. konnten in dieser Hinsicht keinen Vorteil für den zusätzlichen Einsatz einer präoperativen MRM bezüglich der Kosteneffektivität bzw. der Lebensqualität der Patienten aufzeigen [68]. 4.2 Therapieänderung Durch die Entdeckung maligner Zusatzbefunde kommt es im Regelfall auch zu einer Änderung der Therapieplanung. So kommt es bei geplanter brusterhaltener Therapie entweder zu einer erweiterten Segmentresektion oder, wenn eine BET nicht mehr indiziert ist, zu einer kompletten Mastektomie. Bei neu entdeckten Herden der kontralateralen Brust kommt es dementsprechend zu zusätzlichen Operationen der Gegenseite. Houssami et al. haben 2008 Daten aus 19 Studien zusammengefasst und zeigten im Schnitt zu 11,1 % eine korrekte Änderung des Therapieverfahrens aufgrund des Einsatzes der MRM [30]. In einer erst kürzlich veröffentlichten Studie kam es bei 20 % der Patienten zu einer vorteilhaften Therapieänderung [58]. Auch in dieser Studie konnte mit einer Änderungsrate von 13 % eine Übereinstimmung mit der aktuellen Studienlage gezeigt werden. 4.3 Patientengruppen / Tumortypen Bei dem Versuch spezielle Patientengruppen herauszufiltern, welche besonders vom Einsatz der MR-Mammographie profitieren würden, konnte eine erhöhte Anzahl an auffälligen Zusatzbefunden bei Brustkrebs-Patientinnen mit dem Grading G2 festgestellt werden (31,4 zu 23,4 %). Dies zeigte sich auch bei Patientinnen mit T2-Karzinomen (28,6 zu 23,4 %). Jedoch wurden im Vergleich zum Gesamtkollektiv vermehrt falsch-positive Ergebnisse durch die MRM geliefert, sodass ein geringerer PPW errechnet wurde (74 % (G2) und 72 % (T2) zu 75 % (Total)). Somit kam es zu keiner signifikanten Änderung des Therapieplans (15,1 % (G2) und 14,3 % (T2) zu 13 % (Total)). Auch in der aktuellen Literatur konnte bisher kein Zusammenhang mit einer erhöhten Sensitivität oder eines erhöhten PPW der MRM bezüglich des Gradings des Tumors, insbesondere bei Brustkrebs mit Grading G2, oder des T-Stadiums, insbesondere bei T2-Karzinomen, festgestellt werden. 16
Des Weiteren sollte untersucht werden ob die histologische Klassifikation des Primärtumors einen Einfluss auf die Entdeckung maligner Zusatzbefunde in der MRM hat. In der Literatur finden sich derzeit mehrere Studien, deren Ergebnisse die Anwendung der MRM bei invasiv-lobulären Karzinomen unterstützen [2, 10, 13, 14, 24, 47, 48, 54], jedoch auch einige, welche keine Vorteile dieser Patientengruppe für den Einsatz einer präoperativen MR-Mammographie bei bekanntem primärem Mammakarzinom zeigen [3, 6, 9, 28, 49, 50, 63]. Bluemke et al. 2004 konnten in ihrer Studie mit einer hohen Fallzahl von 821 Patienten zeigen, dass die Erkennung zusätzlicher Herde durch die MRM komplett unabhängig vom histologischen Typ, sowie auch unabhängig von der Brustdichte ist [9]. Auch Behrendt et al. konnten keinen Zusammenhang mit der Entdeckung neuer Herde durch die MRM und dem histologischen Typen feststellen. Hier zeigten Patientinnen mit der Diagnose eines ILC zu 22,3 % (8 von 36) neue maligne Herde durch die MRM im Vergleich zu 23,2 % (64 von 276) bei Patientinnen mit einem Tumor eines anderen histologischen Typs [3]. In weiteren Studien zeigte sich zudem keine signifikant erhöhte Rate an Therapieänderungen bei Patienten mit ILC im Vergleich zu anderen histologischen Typen (41,9 % bei Patienten mit ILC vs. 36,1 % bei Patienten mit NST) [63] bzw. keine erhöhte Rate an Mastektomien (17,9 % beim ILC vs. 17,4 % bei anderen histologischen Typen) [6]. Demgegenüber kommen Mann et al. bei der Analyse von 18 unabhängigen Studien zu einem anderen Ergebnis. Sie konnten bei Patienten mit invasiv-lobulären Karzinomen eine erhöhte Rate von neu entdeckten malignen Herden durch die MRM von 32 % in der ipsilateralen Brust zeigen und von 7 % in der kontralateralen Brust. Die Therapie änderte sich hier bei 28,3 % der Patienten. Es zeigte sich eine hohe Übereinstimmung mit der Pathologie, sodass ein PPW im Bereich zwischen 81 und 97 % festgestellt wurde [47]. Die MRM hat im Vergleich zur konventionellen Bildgebung die geringste falsch-negative Rate bei der Entdeckung von ILC, sowie die höchste Genauigkeit bei der Messung der Tumorausdehnung. In der Studie von Boetes et al. betrug die falsch-negative Rate für die Mammographie 14 %, für die Sonographie 3 % und für die MR-Mammographie 0 %. In der Mammographie haben Radiologen nur zu 33 % die Tumorausdehnung korrekt gemessen. In der Sonographie zu 47 %, und in der MRM zu 75 %. [10]. Letztlich wird der Einsatz der MR-Mammographie, ergänzend zur konventionellen Bildgebung, in den "Interdisziplinären S3-Leitlinien für die Diagnostik, Therapie und 17
Nachsorge des Mammakarzinoms" unter anderem bei invasiv-lobulären Karzinomen zur Optimierung der lokoregionären Ausbreitungsdiagnostik sowie zur Verbesserung der Therapieplanung empfohlen [43]. Auch in einer im Jahre 2015 veröffentlichten retrospektiven Studie mit einem Kollektiv von 1102 Patienten konnte insbesondere bei invasiv-lobulären Karzinomen ein signifikanter Vorteil bei der Entdeckung zusätzlicher maligner Herde dargestellt werden [13]. Hinsichtlich der momentanen Studienlage zum besseren Nutzen bei Patienten mit invasiv- lobulären Karzinomen unterstützt das Ergebnis dieser Studie die derzeitige Empfehlung für den Einsatz der präoperativen MRM. Es konnte eine erhöhte Sensitivität bei der Erkennung neuer maligner Herde bei invasiv-lobulären Karzinomen, im Vergleich zu anderen histologischen Klassifikationen, festgestellt werden. Bei 23,7 % der Patientinnen wurden maligne Zusatzbefunde in der MRM aufgezeigt, was bei 18 % der Patienten zu einer Therapieänderung führte. Der PPW für die Entdeckung tatsächlich maligner Herde belief sich auf 90 %. Bei gemischten Karzinomen wurde ebenfalls eine erhöhte Rate an malignen Zusatzbefunden und Therapieänderungen bei zudem erhöhtem PPW dokumentiert. Hierbei zeigten jedoch 12 von 20 dieser Patientinnen auch eine invasiv-lobuläre Komponente. Weitere Patientengruppen, bei denen derzeit die MRM ergänzend zur konventionellen Bildgebung empfohlen wird, sind folgende: junge/prämenopausale Frauen, bei unklarer lokoregionärer Ausbreitung nach konventioneller Diagnostik, hohes genetisches bzw. familiäres Erkrankungsrisiko sowie bei geplanter Teilbrustbestrahlung [43]. 4.4 Grenzen der Studie Da es sich hierbei um eine retrospektive Studie handelt, wurde der Langzeiteffekt der MR- Mammographie nicht beobachtet. Es wurde nicht untersucht, ob durch die zusätzlichen Informationen, welche man durch die MRM erhalten hatte, und die einhergehende Therapieänderung überhaupt die Reoperationsrate, das Lokalrezidivrisiko und im Endeffekt die Brustkrebsmortalität gesenkt werden könne. Die ergänzende MRM könnte, falls dies nicht der Fall ist, somit zur Überdiagnostik ohne wirklichen Benefit für Patienten und Gesundheitssystem führen. Dies ist in der momentanen Studienlage ebenfalls noch 18
sehr kontrovers und sollte in weiteren prospektiven randomisierten Studien untersucht werden. Aktuell zeigen die meisten Studien keine signifikante Senkung der Reoperationsrate nach Durchführung einer präoperativen MRM [7, 32, 55, 56, 64, 67]. Hierbei gehen die Kritiker der MRM davon aus, dass durch den adjuvanten Einsatz von Chemo- und Strahlentherapie die meisten der zusätzlichen Herde, bzw. die negativen Tumorränder, bereits effektiv behandelt wurden. Fischer et al. haben 2004 jedoch signifikant weniger Lokalrezidive feststellen können [20]. Hier handelte es sich aber um eine retrospektive Studie, in welcher die beiden Gruppen (mit MRM und ohne MRM) nicht angeglichen wurden: In der Gruppe, in der eine präoperative MRM durchgeführt wurde, befanden sich weniger fortgeschrittene Karzinomherde als in der Vergleichsgruppe. Auch bei der Untersuchung der Reoperationsraten bei Patienten mit invasiv-lobulären Karzinomen herrscht keine Einigkeit. Manche Studien zeigen eine geringere Rate nach brusterhaltender Therapie bei Patienten mit ILC und dem Einsatz einer präoperativen MRM. Mann et al. konnten 2010 eine signifikant niedrige Reoperationsrate bei ILC- Patienten mit MRM von 9 % herausstellen, im Vergleich zu 27 % bei ILC-Patienten ohne MRM [48]. Auch eine neuere retrospektive Studie aus dem Jahr 2014, in der man den therapeutischen Erfolg, unter anderem in Bezug auf Reoperationsraten bei Patientinnen mit Mammakarzinomen unterschiedlichen histologischen Typs untersucht hatte, konnte zeigen, dass insbesondere ILC-Patienten seltener Folgeoperationen benötigten, wenn eine präoperative MRM durchgeführt wurde. Patientinnen mit Karzinomen vom NST-Typ oder mit gemischten Histologien (ILC und NST) zeigten dagegen keinen signifikanten Zusammenhang mit Reoperationsraten, jedoch mit einer erhöhten Anzahl an endgültigen Mastektomien [24]. Demgegenüber konnten McGhan et al. 2010 bei ILC-Patienten, welche präoperativ eine MRM erhielten - im Vergleich zu denen, bei welchen dieses diagnostische Mittel nicht angewandt wurde - zwar eine höhere Sensitivität in der Entdeckung neuer Herde feststellen, jedoch keinen signifikanten Unterschied in Reexzisions- bzw. Reoperationsraten [49]. Auch Heil et al. konnten zeigen, dass Patienten mit ILC zwar öfters primär abladiert und auch öfters an beiden Brüsten operiert wurden, jedoch keine geringere Rate an Nachresektionen dokumentiert wurde [28]. 19
4.5 Schlussfolgerung Es konnte gezeigt werden, dass der präoperative Einsatz der Magnetresonanz- Mammographie bei primärem, nicht-metastasiertem Mammakarzinom therapierelevante Zusatzbefunde nach Mammo- und Sonographie liefert. Durch die hohe Sensitivität der MRM können vermehrt Zweitkarzinome entdeckt sowie die lokale Ausbreitungsdiagnostik von Mammakarzinomen verbessert werden. Die MRM liefert durch ihren relativ niedrigen PPW jedoch auch falsch-positive Befunde, sodass von einem routinemäßigen Einsatz abgeraten wird. Insbesondere Patientinnen mit einem ILC profitieren jedoch von einer zusätzlichen präoperativen MRM. 20
5 Zusammenfassung und Fazit Die Magnetresonanz-Mammographie (MRM) wird vermehrt zur genaueren Diagnostik der Tumorausdehnung bei Mammakarzinomen sowie zur Entdeckung von okkulten Zweitkarzinomen eingesetzt. Wird die MRM zusätzlich zur konventionellen Bildgebung (Mammo- und Sonographie) eingesetzt, können über 99 % der Mammakarzinome entdeckt werden, sie liefert jedoch auch falsch-positive Befunde. Das Ziel dieser Studie war es herauszufinden, ob durch den Einsatz der präoperativen Magnetresonanz- Mammographie bei bekanntem primärem Mammakarzinom, zusätzlich zur konventionellen Bildgebung, auffällige Befunde festzustellen sind, wieviel hiervon tatsächlich maligne Befunde darstellen und welche zu einer Änderung des anfänglichen Therapieplans führen. Einflussfaktoren wie die Histologie, das Grading sowie die Tumorausdehnung des Primärkarzinoms wurden hierbei berücksichtigt. Es wurden ausschließlich weibliche Patienten mit histologisch-gesichertem Mammakarzinom ausgewählt, welche in den Jahren 2011 und 2012 in der radiologischen Abteilung des Klinikums Esslingen, zusätzlich zur konventionellen Bildgebung, eine prätherapeutische, kontrastmittelunterstützte MRM (1,5 Tesla Kernspintomograph) beider Mammae erhielten (n=154). Auffällige Zusatzbefunde wurden bei neu- diagnostizierter segment- oder quadrantenüberschreitender Ausdehnung des Primärkarzinoms sowie bei ipsi- oder kontralateralen Zweitherden notiert. Hierbei wurden nur Zweitherde mit der mBI-RADS-Klassifikation (Breast Imaging Reporting and Data System der Magnetresonanztomographie (MRT)) 4 und 5 als relevante Zusatzbefunde herangezogen. Die Dignität dieser Herde wurde anschließend histologisch untersucht. Kam es durch diese Befunde zu ausgedehnteren ipsilateralen Operationen oder zusätzlichen Operationen an der kontralateralen Brust, wurde dies als Therapieänderung definiert. Alle Daten wurden retrospektiv erhoben, aufgelistet sowie anschließend die relativen und absoluten Häufigkeiten berechnet. Bei 36 von 154 Patientinnen (23,4 %) wurden Zusatzbefunde durch die MRT entdeckt. Davon waren 32 (20,8 %) auf der Seite der befallenen Brust und 4 (2,6 %) auf der Gegenseite. Maligne Zusatzbefunde zeigten 27 von 154 Patientinnen (17,5 %), 24 ipsilateral (15,6 %) und 3 (1,9 %) kontralateral. Der positive prädiktive Wert der MRM zur Entdeckung von malignen Zusatzbefunden beläuft sich somit auf 75 % (27 von 36). Bei 20 Patientinnen (13 %) kam es zu einer Änderung des ursprünglichen Therapieverfahrens. 21
Eine statistisch relevante erhöhte Rate an malignen Zusatzbefunden in der MRM zeigte sich bei Patientinnen mit der Histologie eines invasiv-lobulären Karzinoms (ILC) des Primärtumors mit 23,7 % (9 von 38) sowie bei Karzinomen mit gemischter Histologie 25 % (5 von 20); wobei die Mehrzahl (n=12) dieser gemischten Karzinome auch eine invasiv- lobuläre Komponente aufzeigten. Auch bei Primärkarzinomen mit dem Grading G2 (20 von 86; 23,2 %) und dem T-Stadium T2 (13 von 63; 20,6 %) konnten vermehrt maligne Zusatzbefunde gefunden werden. Bei diesen Patientengruppen erfolgte ebenfalls im Vergleich zum Gesamtkollektiv eine erhöhte Rate an Therapieänderungen durch die MRM. Ein erhöhter positiver prädiktiver Wert (PPW) wurde jedoch nur bei invasiv- lobulären (90 %) und Karzinomen mit gemischter Histologie (100 %) erreicht. Das Ergebnis dieser Arbeit deckt sich mit der aktuellen Studienlage. Die MRM zeigt eine deutlich höhere Sensitivität bei der Entdeckung von Zweitherden sowie eine genauere Ausbreitungsdiagnostik von Mammakarzinomen als die konventionelle Bildgebung mit Mammo- und Sonographie. Dies führt zu einer genaueren Therapieplanung. Jedoch bestätigt sich auch der relativ niedrige PPW (75 %). Durch die falsch-positiven Befunde und deren Folgen für Patient und Gesundheitssystem, wie unnötige Biopsien und Operationen, sollte die MRM nicht routinemäßig bei primärem Brustkrebs eingesetzt werden. In dieser Studie konnte nur bei invasiv-lobulären Karzinomen (sowie bei gemischten Karzinomen), zusätzlich zu einer erhöhten Rate an auffälligen, malignen und therapierelevanten Zusatzbefunden, ein signifikant höherer PPW festgestellt werden. Dies bekräftigt die Aussagen der aktuellen interdisziplinären S3-Leitline für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms, welche bei Patienten mit ILC den Einsatz der MRM empfiehlt, von einem routinemäßigen Gebrauch jedoch abrät. Aktuell noch kontrovers und nicht hinreichend untersucht ist, ob durch diese Zusatzbefunde und Therapieanpassungen letztendlich die Reoperationsrate und Brustkrebsmortalität gesenkt wird: Das Problem einer möglichen Überdiagnostik durch die MR-Mammographie verbleibt. 22
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