Die Expression von Androgen-, Vitamin-D-Rezeptor, FHL-2 sowie des Bone Sialo Proteins in primären Mammakarzinomen
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Aus der Universitäts-Frauenklinik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau Die Expression von Androgen-, Vitamin-D-Rezeptor, FHL-2 sowie des Bone Sialo Proteins in primären Mammakarzinomen INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung des Medizinischen Doktorgrades der Medizinischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau vorgelegt 2006 von Florian Michael Herrle geboren in Nürnberg
Dekan Hr. Prof. Dr. med. Christoph Peters 1. Gutachterin Fr. PD Dr. med. Annette Hasenburg 2. Gutachter Hr. Prof. Dr. med. Nikolaus Freudenberg Jahr der Promotion 2006
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung .............................................................................................................1 1.1 Das Mammakarzinom ..........................................................................................1 1.1.1 Epidemiologie ...........................................................................................1 1.1.2 Pathomorphologische Klassifizierung.......................................................1 1.1.3 Staging und Therapie des Mammakarzinoms ...........................................4 1.2 Metastasierung beim Mammakarzinom .............................................................12 1.3 Steroidhormonrezeptoren und Kofaktoren.........................................................17 1.3.1 Die Familie der Steroidhormon-Rezeptoren ...........................................17 1.3.2 Die Steroidhormon-Rezeptoren Östrogen-, Progesteron-, Androgen- und Vitamin-D-Rezeptor.......................................................20 1.3.2.1 Die Rolle von Östrogen- und Progesteronrezeptoren beim Mammakarzinom............................................................................20 1.3.2.2 Die Androgenrezeptoren und der Androgenrezeptor-Koaktivator FHL-2 ......................................................................................................23 1.3.2.3 Der Vitamin-D-Rezeptor.........................................................................25 1.4 Bone Sialo Protein (BSP) ....................................................................................29 2. Fragestellung und Ziel der Arbeit ...................................................................32 3. Material und Methoden ....................................................................................33 3.1 Patientinnenkollektive .........................................................................................33 3.2 Untersuchungsmaterial........................................................................................34 3.3 Immunhistochemische Färbungen.......................................................................34 3.4 Auswertungsverfahren ........................................................................................36 3.5 Statistik................................................................................................................36 4. Ergebnisse ..........................................................................................................38 4.1 Patientinnenkollektive .........................................................................................38 4.2 Nachweis der Expression von AR, FHL-2, VDR, BSP ......................................40 4.3 Statistische Auswertungen ..................................................................................43 5. Diskussion ..........................................................................................................45 6. Literaturverzeichnis..........................................................................................52 7. Zusammenfassung.............................................................................................69 8. Anhang 8.1 Abkürzungsverzeichnis 8.2 Vergleich TNM-Staging-System Mammakarzinom 1998 und 2003 8.3 Danksagung 8.4 Curriculum Vitae
1 1. Einleitung 1.1 Das Mammakarzinom 1.1.1 Epidemiologie Das Mammakarzinom ist die häufigste maligne Erkrankung der Frau in der westlichen, industrialisierten Welt und weist ab einem Alter von ca. 30 Jahren ein steil ansteigendes Erkrankungsrisiko auf. Seit Mitte der 90-er Jahre ist in Deutschland, aber auch in den USA und Großbritannien, eine rückläufige Mortalität zu beobachten, die sowohl auf verbesserte Programme zur Früherkennung als auch auf den zunehmenden Einsatz adjuvanter Hormon- und/oder Chemotherapie zurückzuführen sind (Peto 2000). 1.1.2 Pathomorphologische Klassifizierung Mammakarzinome gehen vom Drüsenepithel aus, können sowohl nicht-invasiv als auch invasiv sein und werden anhand dieses Merkmals unterschiedlich bewertet. Für die Klassifikation der nicht-invasiven duktalen Carcinoma in situ (DCIS) haben sich die Van-Nuys-Klassifikation und der Van-Nuys-Prognostic-Index (VNPI) durchgesetzt (Silverstein 1995a; Silverstein 1995b; Silverstein 1996): Zur Klassifikation werden DCIS zunächst nach Grading der Zellkerne in „high- grade“ und „non-high-grade“ eingeteilt; high-grade-DCIS (Gruppe 3: nuclear-high- grade DCIS) haben nach brusterhaltender Operation und unabhängig von einer lokalen Nachbestrahlung das größte Rezidivrisiko. Bei non-high-grade-DCIS werden solche ohne und mit Vorhandensein von Tumornekrosen des Comedo-Typs unterschieden (Gruppe 1: ohne Comedotyp-Nekrosen, Gruppe 2: mit Comedotyp- Nekrosen). Der VNPI kombiniert diese Klassifikation mit den weiteren prognostischen Prädiktoren Tumorgröße und Abstand zwischen Tumor und gesundem Gewebe. Es werden jedem Prädiktor Punktzahlen von 1-3 zugeordnet deren Addition den VNPI ergibt (3 Punkte: beste Prognose; max. 9 Punkte und
2 schlechteste Prognose). Anhand einer Langzeit-Beobachtung (medianer Beobachtungszeitraum 8 Jahre) ermittelte Silverstein, daß für Punktzahlen 3 und 4 eine brusterhaltende lokale Tumorexzision ohne Nachbestrahlung vertretbar ist (Lokalrezidivrate bei Lokalexzision mit bzw. ohne Radiatio: 0% bzw. 3%). Bei einem Score von 5-7 Punkten wird zusätzlich zur brusterhaltenden Exzison eine Nachbestrahlung empfohlen, weil damit das Lokalrezidivrisiko um 17% gesenkt werden konnte (32% vs. 15%). Für Tumoren mit Score 8-9 wird eine Mastektomie empfohlen, da bei brusterhaltender Therapie unabhängig von einer Nachbestrahlung innerhalb von acht Jahren bei mehr als 60% der Patientinnen Lokalrezidive auftraten. Die Klassifikation der invasiven Karzinome folgt der WHO-Klassifikation, die den histologischen Phänotyp ohne pathogenetische Beziehungen beschreibt. Wenn mehrere Typen in einem Tumor vorhanden sind, ist der dominierende Anteil diagnostisch hervorzuheben (World Health Organization 2002) Tab. 1 Histo-morphologische Typen des Mammakarzinoms (Berg 1995) Invasiv-duktal (IDC) 70-80% Tubulär 10-20% Invasiv-lobulär (ILC) 5-10% Medullär 5-10% Muzinös 1-2% Mikropapillär, metaplastisch und andere 1-2% (Paget-, inflammatorische Ca’s) Je nach Verhältnis von Tumor- zu Bindegewebe wird auch zwischen soliden (vorwiegend Tumorgewebe) und szirrhösen (vorwiegend Stroma) Karzinomen unterschieden. Für die Beurteilung der invasiven Karzinome ist der Differenzierungsgrad entscheidend (Grading, G1-G3). Aus den drei Merkmalen Tubulusausbildung,
3 Kernpolymorphie und Mitoserate wird ein Score gebildet und den drei Malignitätsgraden G1-G3 zugeordnet: G1: gering maligne, gut differenzierte Tumoren mit einem Score von 3-5; G2: mäßig maligne, mäßig differenzierte Tumoren mit einem Score von 6-7; G3: hoch maligne, schlecht differenzierte Tumoren mit einem Score von 8-9. Das Grading korreliert eng mit Lymphknotenstatus, Rezeptorstatus, Rezidivfrequenz und Mortalität (Elston 2002). Das invasiv-duktale Karzinom (IDC) hat im Vergleich zum invasiv-lobulären Karzinom eine schlechtere Prognose, die vermutlich auf die Tendenz zur früheren Metastasierung zurückzuführen ist. Dies wird auch durch eine große retrospektive Studie von Li belegt (Li 2003). Die meisten selteneren Formen des Mammakarzinoms haben insgesamt eine günstigere Prognose als das IDC (Bijker 2001; Thurman 2004). Das inflammatorische Mammakarzinom ist wahrscheinlich eine eigene Entität und, im Vergleich zu lokal fortschrittenem IDC, unter anderem mit höherer Inzidenz bei jungen Patientinnen, schlechterer Differenzierung, negativem Östrogenrezeptor (ER)-Status und ungünstigerer Prognose korreliert (Anderson 2003).
4 1.1.3 Staging und Therapie des Mammakarzinoms Staging Grundlage für das Staging von Mammakarzinomen ist das Manual des American Joint Commitee on Cancer (AJCC) (Greene 2002). Das präoperative klinische Staging (cTNM-Stadium) umfaßt Anamnese und klinische Untersuchung, Mammographie beider Brüste sowie eine diagnostische Feinnadelpunktion, Stanz-Biopsie oder Probeexzision. Je nach klinischer Präsentation (suspekte mammographische Läsion/Mikrokalk, unklarer palpabler Brustknoten, T4-Tumor) und Stadium (z.B. Verdacht auf primäre Fernmetastasierung) kommen weitere diagnostische Verfahren zum Einsatz (Ultraschall von Brust und/oder Abdomen, CT des Abdomens, MRT der Brust, Knochenszintigraphie und die Positronen-Emissions-Tomographie (PET). Postoperativ ergibt sich aus der histologischen Aufarbeitung des gesamten Tumorgewebes und der regionären Lymphknoten das differenzierte pathologische Staging (pTNM-Stadium). Beim prognostisch besonders wichtigen Staging der axillären Lymphknoten hat sich in den letzten zehn Jahren das Konzept der „sentinel lymph node dissection“ (SLND) durchgesetzt: Die ersten drainierenden axillären Lymphknoten des tumorbefallenen Brustsegmentes werden nach Injektion eines Markers (Tinte und/oder radioaktives Colloid) identifiziert, reseziert und im Schnellschnitt untersucht. Wenn der Sentinel- Lymphknoten tumorfrei ist (sN0-Stadium) kann mit vertretbar niedriger Fehlerrate auf eine tumorfreie Restaxilla geschlossen und auf eine komplette axilläre Lymphknotendissektion verzichtet werden. Nur bei Befall der Sentinel- Lymphknoten wird eine formale Axilladissektion durchgeführt, um das genaue Staging zu ermitteln. Falls bei histologischer Aufarbeitung der entnommenen und im Schnellschnitt als tumorfrei bewerteten Sentinel-Lymphknoten doch ein Tumorbefall nachweisbar ist, besteht die Möglichkeit, in einem zweiten Eingriff die Axilladissektion nachzuholen und eine erweiterte adjuvante Therapie zu planen.
5 Die SLND ist seit den Anfängen der 90-er Jahre in zahlreichen Studien mit der konventionellen axillären Lympknotendissektion verglichen und validiert worden (reviewed in: (Kelley 2004)): Die vorliegenden Ergebnisse von Multizenterstudien sprechen für den breiten Einsatz dieser Technik und belegen, daß die Patientinnen keinem erhöhten Risiko für die Bildung von Lokalrezidiven ausgesetzt sind. Die Identifikationsraten befallener Lymphknoten liegen zwischen 86 und 94%, die Rate falsch-negativer SLN zwischen 4 und 13% und die diagnostische Genauigkeit zwischen 97 und 99%. Die aktuelle und seit Anfang 2003 gültige Fassung des AJCC-Staging-Manuals (6. aktualisierte Fassung) enthält wichtige Neuerungen und Modifikationen, vor allem zur Beurteilung des LK-Status (Singletary 2002; Woodward 2003; Thor 2004): - Einteilung der Hauptgruppen pN1-3 primär nach Anzahl der befallenen Lymphknoten; - Kennzeichnen einer erfolgten Sentinel-Lymphknotenbestimmung (pN0(sn)); - differenzierteres pN0-Stadium unter Einbeziehung immunhistochemisch und/oder molekular nachgewiesener Mikrometastasen (pN0(i-/i+), pN0(mol-/mol+); - differenzierteres pN3-Stadium, zu dem Lymphknoten infraklavikulär (pN3a), im Bereich der A. mammaria interna (pN3b) sowie supraklavikulär (pN3c, früher M1) gehören). Diese Modifikationen wurden aufgrund neuer Daten zu stadienspezifischen Überlebenszeiten und aufgrund der Verbreitung neuer diagnostischer Methoden (insbesondere SLND, Verwendung der Immunhistochemie und/oder molekularer Indizes zur Detektion von Mikrometastasen) nötig und sie erlauben eine bessere therapeutische Stratifizierung. Es konnte gezeigte werden, daß die aggressive Therapie von Tumoren mit Befall der supraklavikulären Lymphknoten - früher als M1-Tumoren üblicherweise nicht kurativ behandelt – zu ähnlichen Überlebenszeiten führt, wie sie Patientinnen im Stadium-IIIB-Kollektiv erwarten können (Brito 2001).
6 Weiterhin erlaubt die systematische Dokumentation der Ergebnisse neuer diagnostischer Verfahren, deren therapeutische und prognostische Relevanz zu klären. Insbesondere die klinische Relevanz von mikroskopisch-histologisch nicht sichtbaren (pN0) sondern ausschließlich immunhistochemisch (pN0(i+)) und/oder molekular (pN0(mol+)) nachweisbaren Mikrometastasen ist noch unklar. In der Praxis werden im allgemeinen auch die als pN0(i+) bzw. pN0(mol+) klassifizierten Lymphknoten als positive Lymphknoten gewertet und die Patientinnen werden entsprechend therapiert. Ob die Differenzierung zwischen Mikrometastasen (Tumorzellepots mit einer Größe zwischen 0,2mm und 2mm Größe (pN1mi)) und sog. „isolated tumor cells“ in Lymphknoten klinisch relevant ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Tumorzelldepots, die kleiner als 0,2mm sind oder einzelne Tumorzellen werden als „isolated tumor cells“ bezeichnet, N0 klassifiziert und bedürfen keiner adjuvanten Therapie, da man annimmt, daß die Morbidität der Behandlung durch den noch unbekannten Nutzen einer adjuvanten Therapie nicht kompensiert würde. Eine komplette axilläre Lymphknotendissektion ist nach diesem Kenntnisstand routinemäßig nur bei histologischem Befall der Lymphknoten (ab pN1mi) indiziert. Für das Verfahren bei anderen Konstellationen (z.B. pN0(i+/mol+)) muß noch ein Konsens gefunden werden. Therapie Die Therapie des Mammakarzinoms ist heutzutage hochspezialisiert, interdisziplinär und multimodal. Die Therapieplanung (kurativ/palliativ/(neo)adjuvant) richtet sich primär nach histologischem Tumortyp, Staging, Grading sowie etablierten Risiko-, Prognose- und prädiktiven Faktoren; es sollten jedoch auch immer die individuellen Wünsche der Patientin berücksichtigt werden. Als wichtigste Therapiemodalitäten stehen Operation, Hormon-, Chemo-, Strahlen- und Immuntherapie zur Verfügung. Prinzipiell muß zwischen kurativem und palliativem Therapieansatz unterschieden werden: Ist Heilung ein realistisches Ziel, sind im allgemeinen auch aggressivere Therapien mit erhöhter Nebenwirkungsrate zu vertreten. Andererseits sollte wegen
7 möglicher Langzeitfolgen und unnötiger Kosten bei Patientinnen mit niedrigem Rezidivrisiko nicht übertherapiert werden. Ist dagegen bei metastasiertem Karzinom eine Heilung nicht mehr möglich, sollte die Lebensqualität der Patientin für die Auswahl der Therapie maßgeblich sein. Die klinisch und therapeutisch relevantesten prädiktiven Faktoren sind der immunhistochemisch bestimmte ER- und PR-Status (Harvey 1999; Goldhirsch 2001). Prognostische Faktoren erlauben es, den wahrscheinlichen Verlauf der Erkrankung (Gesamtüberleben, rezidivfreies Überleben) abzuschätzen, da sie das biologische Verhalten des Tumors (Wachstums-, Invasions-, Metastasierungspotential) wiederspiegelen. Diese Faktoren sind folglich für die Wahl einer risikostratifizierten Therapie wichtig (NIH consensus conference 1991; Bast 2001; Eifel 2001). Da der Lymphknotenstatus die stärkste prognostische Aussagekraft besitzt, hat er auch bei der Therapieplanung das größte Gewicht (Fitzgibbons 2000). Die klinische Bedeutung der prognostischen und prädiktiven Faktoren wird durch den therapeutischen Nutzen der adjuvanten Hormon- und Chemotherapie bei Frühstadien des Mammakarzinoms unterstrichen (Early Breast Cancer Trialists' Collaborative Group 1992; Early Breast Cancer Trialists' Collaborative Group 1998a; Early Breast Cancer Trialists' Collaborative Group 1998b; Adjuvant Therapy for Breast Cancer. NIH Consensus Statement Online 2000 November 1-3 2000). Gerade im Falle von Patientinnen mit tumorfreien Lymphknoten und niedrigem Rezidivrisiko will man unnötige Therapien mit Nebenwirkungen vermeiden, da ein größerer Teil der Patientinnen auch ohne adjuvante Therapie geheilt bliebe. In Tab. 2 ist das auf der Konsensuskonferenz St. Gallen 2003 erarbeitete Schema wiedergegeben (Senn 2003).
8 Tab. 2: Risikoadaptierte adjuvante Therapie beim primären, invasiv-duktalen Mammakarzinom gemäß St. Gallen Konsensus Konferenz 2003 "Endocrine re sponsive" "Endocrine non-resp." prä- post- prä- post- menopausal menopausal menopausal menopausal Niedriges Risiko N0, T
9 Rezeptors inhibiert (Hudziak 1989). Zahlreiche Studien zeigen, daß die Überexpression von Her2/neu ein starker positiver Prädiktor für das klinische Ansprechen auf die Therapie mit Trastuzumab ist (Bast 2001). Die Zugabe von Trastuzumab zu einer palliativen Chemotherapie bei Patientinnen mit Her2/neu positivem metastasierten Mammakarzinom führt zu einer 20% höheren Ansprechrate sowie zu einem verlängertem Überleben (median +5 Monate) (Slamon 2001). Seitdem Trastuzumab 1998 von der FDA zunächst zur Behandlung des fortgeschritten metastasierten Mamma-Karzinoms zugelassen wurde, wird es inzwischen auch in der adjuvanten und neo-adjuvanten Therapie verwendet (Buzdar 2005; Mohsin 2005) Während Tumorgröße und LK-Status im wesentlichen die Anwendung von Chemo- und/oder Radiotherapie bestimmen, ist die Expression der Hormonrezeptoren (ER/PR) entscheidend für die Gabe einer adjuvanten Hormontherapie. Da die Proliferation von ER- (und PR-) positiven Tumoren im allgemeinen östrogenabhängig erfolgt, kann bei diesen Tumoren durch verschiedene Verfahren der medikamentösen Hormonablation die hormonabhängige Proliferation reduziert werden (s. Tab 3). Ein Vorteil der Hormontherapie gegenüber der Chemotherapie ist die im allgemeinen bessere Verträglichkeit bei geringerer Zytotoxizität. In Tabelle 3 sind einige der heute verwendeten Präparate und ihre Wirkungsweisen zusammengestellt.
10 Tab. 3: Medikamentöse Hormonablation beim Mammakarzinom I. Hemmung der Östrogenbiosynthese Wirkstoff (Präparat) LH-RH-Analoga a) durch Hemmung der LH-abhängigen (Goserelin=Zoladex®) Biosynthese im Ovar (Robertson 2003) Aromataseinhibitoren (AI) - Nicht-steroidal: Anastrozol=Arimidex®, b) durch Hemmung der Aromatase im Ovar Letrozol=Femara®* - Steroidal: Exemestan=Aromasin®** (Morandi 2004)* II. Zell- bzw. gewebespezifisches Blockieren der Ligandenbindungsstelle des Rezeptors Selektive ER-Modulatoren (SERM) a) gemischte Antagonisten (z.B.Tamoxifen, Raloxifen=Evista®) (Frasor 2004; Jordan 2004) Antiöstrogen ICI 182780 b) reine Antagonisten (Fulvestrant=Faslodex®) (Johnston 2004; Osborne 2004) * Hauptindikation nichtsteroidaler AI: Adjuvante Therapie beim Mammakarzinom (Stadium I, II) bei post-menopausalen Frauen mit ER und/oder PR positivem Rezeptorstatus; ** Hauptindikation steroidaler AI: Therapie des fortgeschrittenen Mammakarzinoms bei post-menopausalen Frauen nach Progression unter Antiöstrogenbehandlung. Neben den bereits erwähnten „etablierten“ Prognosefaktoren werden zahlreiche andere potentielle Marker evaluiert:Hierzu gehören solche, die mit Proliferation (Ki- 67, Anteil der Zellen in der S-Phase), Angiogenese (vascular endothelial growth factor) oder Invasion und Metastasierung (Zelladhäsionsmolekül E-cadherin, diverse Proteasen wie z.B. der Plasminogenaktivator vom Urokinasetyp (uPA) oder Matrixmetalloproteasen (MMP)) assoziiert sind. Diese müssen jedoch erst in
11 größeren prospektiven Studien validiert werden, bevor sie in die Routinediagnostik aufgenommen werden können (Fitzgibbons 2000). Ein neuer Ansatz zur Identifizierung von Tumoren mit schlechter bzw. guter Prognose ist die Genexpressionsanalyse (van de Vijver 2002; van 't Veer 2002; Kang 2003; Ramaswamy 2003; Sotiriou 2003; Paik 2004; Wang 2005). Allerdings ist auch dieses Verfahren noch nicht für den Einsatz in der Patientenversorgung geeignet, da zum einen jeweils nur relativ kleine Kollektive untersucht wurden und zum anderen die Erfassung und Interpretation der Daten (noch) nicht standardisiert ist (Jenssen 2005; Michiels 2005).
12 1.2 Metastasierung beim Mammakarzinom Metastasierung, das Enstehen von Tumorabsiedlungen in tumorfernen Geweben, kann als Endstufe eines sequenziellen Entartungsprozesses verstanden werden. Voraussetzung für eine Metastasierung ist, daß Tumorzellen in der Lage sind, sich vom Primärtumor zu lösen, in das umliegende Gewebe einzudringen, es zu durchwandern und in einer dem Primärtumor fremden Umgebung zu adhärieren und zu proliferieren (Abbildung 1 (Hanahan 2000)). Abb. 1: Universelles Modell der Tumorigenese (Hanahan 2000). A: Sechs universelle Charakteristika von Tumoren B: Mögliche parallele Wege der Tumorgenese; diese können je nach Reihenfolge und Tempo differieren. So erwirbt z.B. beim untersten Beispiel die Zelle alle Eigenschaften in nur fünf Schritten - zwei davon in nur einem Schritt (z.B. durch Verlust der p53-Kontroll-Funktion). Im obersten Beispiel benötigt eine Zelle jeweils zwei Schritte, um zu Gewebeinvasion und Metastasierung fähig zu sein bzw. um Apoptose umgehen zu können
13 Hanahan postuliert, daß praktisch alle bösartigen Tumore die in Abb.1 aufgeführten Charakteristika besitzen, wenngleich es große Unterschiede sowohl zwischen verschiedenen Tumorarten und –subtypen als auch beim Tempo und der Reihenfolge, in denen diese Veränderungen auftreten, gibt. Das Metastasierungsverhalten und der Langzeitverlauf des Mammakarzinoms ist, trotz der gesicherten Korrelationen zwischen Tumorgröße, Differenzierung, Lymphknotenstatus einerseits und Überlebens- bzw. Heilungschancen andererseits, heterogen. Obwohl das Rezidivrisiko des invasiven Karzinoms im wesentlichen durch die Tumorgröße und die Zahl der befallenen Lymphknoten bestimmt wird, gibt es kleine Tumoren, die rasch metastasieren oder große infiltrierende T4-Tumoren, die noch keine Fernmetastasen gesetzt haben (Emens 2003). Auch Lokalrezidive können nicht nur – wie am häufigsten – innerhalb der ersten drei bis fünf Jahre auftreten, sondern Jahrzehnte später. Hämatogene Fernmetastasen können sich zeitgleich oder nach der lymphogenen Metastasierung bilden (Rutqvist 1984; Weiss 2003). Die meisten metastasierten Mammakarzinome werden im Zusammenhang mit Tumorrezidiven diagnostiziert, bei 1-5% der Patientinnen sind jedoch bereits zum Zeitpunkt der Erstdiagnose des Tumors Fernmetastasen vorhanden. Im allgemeinen ist nach Ausbildung von Fernmetastasen keine Heilung sondern nur noch palliative Therapie möglich. Vereinzelt wurden jedoch Vollremissionen nach Chemotherapie und Langzeitüberlebende bis zu 20 Jahre nach Therapie beschrieben (Falkson 1990; Greenberg 1996). Die erwähnten Eigenheiten führten dazu, das Mammakarzinom primär als systemische Erkrankung zu betrachten und zu behandeln. Die Chance auf Heilung wird also nicht nur durch die Radikalität bei der lokalen Tumorresektion determiniert sondern auch durch eine adäquate systemische Therapie, die eventuell schon vorhandene disseminierte Tumorzellen oder klinisch noch nicht feststellbare Mikrometastasen eliminiert.
14 Das Mammakarzinom kann prinzipiell in alle Organe metastasieren. Die häufigsten Lokalisationen sind jedoch Knochenmetastasen (ca. 70%), gefolgt von Lungen- oder Lebermetastasen (27%). (Coleman 1987). Anatomisch werden grundsätzlich zwei Metastasierungswege unterschieden: Lymphogene (lokale) Metastasierung: diese folgt je nach Ort des Primärtumors den Lymphgefäßen bis in die drainierenden Lymphknoten und erfolgt in der Regel vor der weitreichenderen hämatogenen Disseminierung. Karzinom der äußeren Quadranten metastasieren vornehmlich in axilläre Lymphknoten, während medial gelegene Tumoren entlang der Lymphgefäße der A. mammaria interna die retrosternalen und supraklavikulären Lymphknoten erreichen und über diesen Weg sogar Pleura, Mediastinum und die kontralaterale Mamma besiedeln können. Hämatogene (Fern-) Metastasierung: Die verschiedenen Phasen der Metastasierung sind in Abb. 2 schematisch für die Bildung von Knochenmetastasen gezeigt. Abb. 2: Prozeß der hämatogenen Metastasierung am Beispiel von Knochenmetastasen (Choong 2003): Zunächst kommt es zu lokaler Proliferation, Migration und invasivem Verhalten des Primärtumors. Nach Angiogeneseinduktion, Intravasation und Extravasation in Endstromgefäßen ist die systemische Tumorverbreitung möglich. Je nach Einfluß des Milieus am Metastasierungsort (hier das wachstumsfördernde Knochenmilieu)
15 kommt es erneut zur Tumorproliferation und letztlich Ausbildung von klinisch manifesten Metastasen (hier über die Stimulation von Osteoklasten bzw. Osteoblasten). Schon 1889 hatte Paget bei der retrospektiven Analyse von Obduktionsberichten die Prädilektion verschiedener Krebsarten für spezielle Zielorgane, unter anderem des Mammakarzinoms für Metastasierung in Knochen (Osteotropismus), bemerkt und daraufhin die „seed and soil“-Hypothese aufgestellt. Derzufolge liefern die „Zielorgane“ den abgesiedelten Tumorzellen einen „fruchtbaren Boden“ zum weiteren Wachstum (Paget 1889). Neben dem Mammakarzinom bilden auch typischerweise Prostata-, Bronchial-, Schilddrüsen- und Nierenkarzinome Knochenmetastasen. Offensichtlich stellt der Knochen für diese Tumoren das passende Wachstumsmilieu dar und Zellen dieser Tumoren sind in der Lage, die einzigartige Umgebung im Knochen für ihr Wachstum einsetzen (Yoneda 2000). Diese Metastasen können osteolytisch oder osteoplastisch sein; beim Mammakarzinom überwiegen osteolytische oder gemischte Typen (Mundy 2002). Osteolytische Metastasen verursachen erhebliche Morbidität (Schmerzen, Osteoporose, Hyperkalzämie, Knocheninstabilität bis zur Fraktur und möglicher ZNS-Kompression) und sind gegenüber palliativer Hormon- und Chemotherapie resistenter als Weichteilmetastasen. Trotzdem beträgt die mediane Überlebenszeit von Patientinnen mit Knochenmetastasen 20-30 Monate, während Patientinnen mit Weichteilmetastasen nur 3-5 Monate überleben. Zur Therapie stehen je nach Symptomatik, Tumorprogredienz und Hormonrezeptorstatus lokale (Radiotherapie, operative Stabilisierung frakturgefährdeter Knochen) und/oder systemische Maßnahmen zur Verfügung. Bei osteolytischen Knochenmetastasen ist auch eine Therapie mit Bisphosphonaten möglich (Coleman 1987; Coleman 2001). Die Osteoklasten-modulierte Interaktion zwischen Tumorzellen und Knochenmatrix ist am Beispiel osteolytischer Metastasen in Abb. 3 gezeigt:
16 Abb. 3: Osteoklasten-modulierte Interaktion von Tumorzellen und Knochen (Roodman 2004): Tumorzellen sezernieren das Parathyroid hormon-related-peptid (PTRP), das Osteoklasten aktiviert und zur Zunahme der Knochenresorption führt. Dadurch werden wiederum Wachstumsfaktoren (u.a. Transforming growth factor β (TGF-β), Insulin-like growth factors (IGFs), Fibroblast growth factors (FGFs), Platelet-derived growht factor (PDGF)) freigesetzt, die ihrerseits sowohl das Tumorwachstum födern als auch durch Stimulation der PTRP-Sekretion den Prozeß aufrechterhalten. Ferner wird postuliert, daß Mammakarzinomzellen nicht nur indirekt durch Osteoklasten sondern auch direkt auf die Knochenmatrix einwirken können. Eine vergleichende Studie zur Expression des Bone Sialoproteins (BSP) in Primärtumoren und den dazu gehörenden Knochen- bzw. Weichteilmetastasen zeigte, daß die Tumorzellen, die sich in engem Kontak zur Knochenmatrix befanden, besonders stark BSP exprimierten; das könnte auf eine BSP-vermittelte Interaktion zwischen Karzinomzellen und Knochen hindeuten (Waltregny 2000). Sowohl in vitro als auch anhand von Tiermodellen und Gewebe der Patientinnen wurden mehrere Faktoren ermittelt, die zur Identifizierung osteotroper
17 Mammakarzinome geeignet sind. Darüberhinaus würde die prospektive Diskriminierung zwischen osteotropen und nicht-osteotropen Mammakarzinomen auch eine gezieltere Planung der (adjuvanten) Therapie erlauben. Zu den in diesem Zusammenhang beschriebenen Faktoren gehören das BSP, Vitamin-D-Rezeptor-Genotypvarianten, das Osteopontin (OPN), Parathyroid hormone related protein (PTHrP), Periostin und das Urokinase-Plasminogen- Aktivatorsystem (uPA) (Fisher 2000; Diel 2001; Sloan 2002; Carlinfante 2003; Choong 2003; Sasaki 2003; Schondorf 2003). 1.3 Steroidhormonrezeptoren und Kofaktoren 1.3.1 Die Familie der Steroidhormon-Rezeptoren Steroidhormonrezeptoren gehören zur Super-Familie nukleärer Rezeptoren, die als Transkriptionsfaktoren wirken. Je nach Ligand regulieren sie die Aktivierung und Expression ihrer Zielgene und steuern somit letztlich Differenzierungs- und Proliferationsprozesse aber auch Stoffwechselfunktionen und Reproduktion. Neben den „klassischen“ Typ I Steroidhormon-Rezeptoren (Östrogen (ER)-, Progesteron (PR)-, Androgen (AR)-, Glukokortikoid (GR)-, und Mineralokortikoidrezeptoren (MR)) existiert die Familie der Typ II Nicht-Steroidhormon-Rezeptoren. Zu dieser Familie gehören unter anderem der Thyroidhormon-Rezeptor (TR), der Retinol- Säure-Rezeptor (RAR) und der Vitamin-D3-Rezeptor (VDR) (Carson-Jurica 1990; Beato 1995; Mangelsdorf 1995; McKenna 1999a; McKenna 2001; Murphy 2002).
18 Abb. 4: Aufbau und Funktion nukleärer Rezeptoren (Alberts 2002): Der Aufbau der Steroidhormonrezeptoren ist relativ konstant: An die N-terminale Domäne mit liganden-unabhängiger Aktivierungsfunktion (AF-1) (transcription activation domain) schließt sich die DNA-Bindungs-Domäne (DBD), die „hinge- region“, sowie die Liganden-Bindungs-Domäne (LBD), die die liganden-abhängige Aktivierungsfunktion (AF-2) enthält, an. Variabilität zwischen verschiedenen nukleären Rezeptoren besteht vor allem in der N-terminalen-Region, aber auch in der „hinge-region“ und der C-terminalen Region. Dagegen sind die DNA-bindende Domäne und die Liganden-bindende Domäne in hohem Grade konstant. Funktionsprinzip: Nach Bindung des Liganden an den im Zytosol vorhandenen Rezeptor entstehen aktive Rezeptor-Hormon-Komplexe, die nach Dimerisierung in den Zellkern translozieren. Dort binden sie mit der DBD an spezifische DNA-
19 Sequenzen (receptor-binding-elements/hormone-response-elements) und steuern nach Interaktion mit weiteren Kofaktoren die Transkription hormonabhängiger Zielgene. Neben der Aktivierung des Rezeptors durch den dazugehörenden Liganden kann auch die ligandenunabhängige Aktivierungsfunktion 1 ebenfalls zu einer Aktivierung des Rezeptors führen. In diesem Zusammenhang ist zum Beispiel die Aktivierung des ER durch Endothelial growth factor (EGF) oder Insulin-like growth factor 1 zu nennen (Hillner 2000; Yee 2000). Neben der klassischen Funktion der Steroidhormonrezeptoren als nukleäre Transkriptionsfaktoren gibt es auch eine Signaltransduktion über membrangebundene Rezeptoren (Ho 2002). Hierunter fällt zum Beispiel die über eine membranständige ER-Isoform induzierte Prolaktinfreisetzung bei bestimmten Hypophysentumoren (Norfleet 2000; Ho 2002). Neben der Interaktion zwischen Hormon und Rezeptor spielen Kofaktoren (Ko- Aktivatoren bzw. Ko-Repressoren) - einer der ersten identifizierten ist SRC-1 (steroid receptor coactivator-1 (Onate 1995)) - bei der Regulation von Transaktivierung und Transkription eine wichtige Rolle (reviewed in: (McKenna 1999b). Ko-Repressoren lagern sich an die Liganden- und DNA-Bindungs-Domäne und verhindern in Abwesenheit spezifischer Liganden die Rezeptor-Aktivierung bzw. Transkription. Nach Bindung der Liganden an den Rezeptor dissoziiert der Ko- Repressor-Komplex und ermöglicht die Interaktion mit den hormon-responsiven Elementen der Zielgene (Burke 2000).
20 1.3.2 Die Steroid-Hormonrezeptoren ER, PR, AR und VDR 1.3.2.1 Die Rolle von Östrogen- und Progesteronrezeptor beim Mammakarzinom Die Östrogen- und Progesteronrezeptoren sind nicht nur für die Steuerung der reproduktiven Organe (Uterus, Ovar) sondern auch für Wachstum und Differenzierung der Mamma notwendig. Die Östrogen-Rezeptoren (ER) Nachdem lange nur eine Form des ER, der „klassische“ ER (=ERα), bekannt war, wurde 1996 eine weitere Isoform des ER beschrieben und als ERβ bezeichnet (Kuiper 1996; Mosselman 1996): ERα und ERβ werden von zwei unterschiedlichen Genen kodiert, sind jedoch hinsichtlich der DBD- und LBD-Domänen weitgehend homolog. Auch die Transaktivierung von ER-abhängigen Zielgenen erfolgt durch ER-β analog zu ERα. Beide Isoformen unterscheiden sich aber in der N-terminalen liganden-unabhängigen Transkaktvierungsdomäne (AF-1). Im Gegensatz zu ERα enthält ERβ zwar keine starke AF-1-Funktion aber eine spezielle Repressor- bindende-Domäne, die nach Dissoziation des Repressors die Transkriptionsaktivität des Rezeptor-Hormon-Komplexes erhöht. Neben der Bildung von ERα- bzw. ERβ- Homodimeren können sich auch biologisch aktive Heterodimere bilden (Pace 1997). Zusätzlich moduliert ERβ die Transkriptionsaktivität von ERα. Die physiologische Funktion von ERα und ERβ wurde in knock-out-Mäusen (ERα - /- und/oder ERβ -/-) untersucht (Couse 1999). ERα-/- Mäuse sind infertil; in den Ovarien wurden anstelle von reifen Follikeln und Corpora lutea lediglich hämorrhagische Zysten gefunden. Der Uterus dieser Mäuse ist unreif, hypoplastisch und damit für die Implantation und Versorgung von Embryonen ungeeignet. Ferner fehlt in ERα-/- Mäusen Wachstum und Ausdifferenzierung der Brustdrüsen.
21 In ERβ-/- Mäusen waren hingegen Ovarien, Uterus und Mammae morphologisch normal und diese Mäuse sind fertil; allerdings bilden sich in den Ovarien dieser Tiere selbst nach Stimulation durch Gonadotropine deutlich weniger Follikel. Der Phänotyp (ERα-/-, ERβ-/-) entspricht im wesentlichen den ERα-defizienten Mäusen, was die vorrangige Bedeutung des ERα für die reproduktiven Funktionen unterstreicht. Aus den ungenügend vorhandenen und stimulierbaren Follikeln der ER-β-knock-out-Mäuse kann jedoch auf eine eigene Funktion des ERβ für eine reguläre Follikelbildung und –funktion geschlossen werden (Couse 1999). Die Progesteronrezeptoren (PR) Auch die PR existieren in zwei Isoformen - PR-A und PR-B. Im Gegensatz zum ER werden die PR durch separate Promoter und Translationsorte auf einem identischen Gen generiert (Kastner 1990). Obwohl sich die zwei Isoformen strukturell nur durch 165 zusätzliche Aminosäuren am N-terminalen Ende des PR-B (der ligandenunabhängigen AF-1-Domäne) unterscheiden, sind sie funktionell weitgehend eigenständig; dies wird unter anderem durch unterschiedliches Bindungsverhalten gegenüber Ko-Faktoren und dadurch verschiedene Transkriptionsaktivierung erklärt (Giangrande 2000; Richer 2002). Es ist bekannt, daß Progesterone über ihre Rezeptoren sowohl Proliferation und Morphogenese der Brustdrüsen als auch das Entstehen und Aufrechterhaltung einer Schwangerschaft im Uterus entscheidend mitsteuern (Conneely 2002). PR-A-knock-out-Mäuse haben schwere Abnormalitäten in den Funktionen von Ovar und Uterus und sind infertil. Hingegen sind Entwicklung und Funktion der Brustdrüsen normal. Im Gegensatz dazu zeigen PR-B -/- Mäuse ein normales Ansprechen und ungestörte Funktion von Ovarien und Uterus während das Wachstum der Brustdrüsen reduziert ist. Hieraus läßt sich schließen, daß PR-A für die normale Funktion von Uterus und Ovar und somit für Fertilität unerlässlich ist, während PR-B notwendig ist, um Brustdrüsengänge wachsen und differenzieren zu lassen (Conneely 2002).
22 Da ER und PR oft im Tumorgewebe exprimiert sind, wachsen ER- und/oder PR- positive Mammakarzinome häufig hormonabhängig. Andererseits können diese Rezeptoren durch Selektive-Estrogen-Rezeptor-Modulatoren (SERM) wie z.B. Tamoxifen und Raloxifen oder durch gewebespezifische reine Antiöstrogene (Fulvestrant) inaktiviert und dadurch das Tumorwachstum gebremst werden. Prinzipiell besteht daher die Möglichkeit, die Proliferation durch eine gerichtete medikamentöse Intervention zu behindern, und die Prognose der Patientinnen mit ER-/PR-positiven Tumoren ist besser als die einer Patientin mit ER/PR-negativem Tumor (Balleine R 2000). Weiterhin ist bekannt, daß PR-negative Tumoren eine höhere Wahrscheinlichkeit für Metastasen haben und daher als aggressivere Tumoren eingestuft werden (Balleine R 2000). Die genaue Bedeutung der einzelnen Rezeptor-Isoformen für die Onkogenese und das Verhalten der Mammakarzinome ist noch unklar. Es gibt Hinweise darauf, daß es während der Entwicklung eines Mammakarzinoms zu einer verstärkten ERα- und verringerten ERβ-Expression kommt; hingegen nehmen die Expressionslevel mit fortschreitender maligner und damit entdifferenzierender Entwicklung wieder ab (Leygue 1998; Kurebayashi 2000; Roger 2001). Dies legt eine Dysregulation der Östrogenwirkung nahe und läßt eine pathogenetische Bedeutung der überwiegenden ERα-Form vermuten. Eine neuere Untersuchung von Suzuki mit IHC- und PCR- Detektion des ERα in 102 bzw. 30 Patientinnen zeigte eine positive Korrelation von ERα-Expression und schlechter Prognose (Suzuki 2004). Die Bedeutung von ERβ für die Prognose des Mammakarzinoms wird kontrovers diskutiert (Dotzlaw 1997; Jarvinen 2000; Jensen 2001; Fuqua 2003). Ebenso könnte die Expression von ERβ für die gelegentlich beobachtete Tamoxifenresistenz ERα-positiver Tumoren verantwortlich sein (Speirs 1999). Auch die Expression der PR-Isoformen ist bei der Tumorigenese und im etablierten Mammakarzinom vermutlich dysreguliert und häufig überwiegt die Expression des PR-A gegenüber der des PR-B (Mote 2002). Während PR-A und PR-B bei benignen
23 proliferativen Brustläsionen in nahezu 100% exprimiert sind, nimmt der PR- Expressionsgrad bei DCIS (PR-A 65%/PR-B 75%) und invasiven Karzinomen (PR- A 66%/PR-B55%) ab – im Verhältnis ist dabei der PR-A meist stärker exprimiert als der PR-B (Ariga 2001). 1.3.2.2 Die Androgenrezeptoren (AR) und der Androgenrezeptor-Koaktivator FHL-2 AR: Auch die AR existieren in zwei Isoformen: dem AR-B und dem AR-A, die erstmals 1994 in humanen Fibroblasten nachgewiesen wurden (Wilson 1994). Analog zum PR werden auch die Isoformen des AR durch Starten der Translation an verschiedenen Orten eines identischen Gentranskripts generiert und AR-A ist am N-Terminus 188 Aminosäuren kürzer als AR-B. Damit unterscheiden sich die AR-Isoformen analog zu den PR-Isoformen in der ligandenunabhängigen N-terminalen Transaktivierungsdomäne (AF-1). Der AR-B ist, mit Ausnahme des adulten Lymphknotengewebes, in allen fetalen und adulten Geweben nachweisbar (Wilson 1996): die Expression ist in männlichen und weiblichen reproduktiven Organen am deutlichsten (Prostata > Ovar > Endometrium > Uterus). AR-A ist in praktisch allen fetalen Geweben, jedoch nicht in adulten Geweben von Kolon, Lung und Niere nachweisbar und hier beträgt das Verhältnis von AR-A zu AR-B durchschnittlich 1 zu 10. Trotz der strukturellen Ähnlichkeit zwischen PR und AR erscheinen die funktionellen Unterschiede zwischen AR-A und AR-B nicht so deutlich ausgeprägt wie beim PR-A und PR-B. Zoppi fand 1993 bei der Untersuchung einer Familie mit kompletter testikulärer Feminisierung nur geringe Mengen einer gekürzten Form des AR (Zoppi 1993); diese stellte sich später als AR-A-Isoform heraus (Wilson 1994; Wilson 1996). In
24 einer in-vitro Studie mit Zellinien konnte gezeigt werden, daß die Rezeptor- Isoformen auf verschiedene Androgen-Agonisten und –antagonisten ähnlich reagieren, sofern beide Isoformen in gleichen Mengen exprimiert sind (Gao 1998). Da aber in-vivo der AR-B deutlich überwiegt (AR-A : AR-B = 1:10) ist das bei dieser Familie beschriebene funktionelle Defizit des AR-A eher eine Folge der geringeren Expression als auf eine strukturbedingte Abweichung zurückzuführen. Klinisch-therapeutisch relevant ist der Androgenrezeptor bisher vor allem beim Prostata-Karzinom, wo analog zum Mammakarzinom über antihormonelle Therapie das Tumorwachstum kontrolliert werden kann. Die Rolle der AR beim Mammakarzinom ist noch nicht im Detail erforscht. Bekannt ist, daß der AR-B sowohl in 70-90% der primären Mammakarzinome als auch in ca 70% der Fernmetastasen exprimiert wird; zudem besteht eine positive Korrelation zum ER/PR-Status. (Lea 1989; Kuenen-Boumeester 1992; Isola 1993). Auffällig ist, daß der AR auch in ER/PR-negativen, schlecht differenzierten Tumoren relativ häufig exprimiert wird (Moinfar 2003). Abgesehen von der bekannten Funktion der Androgene als virilisierende und anabole Hormone ist bei Mammakarzinomzellinien jedoch auch eine wachstumshemmende Wirkung beschrieben worden: Man postuliert, daß die Effekte einer Medroxyprogesteronacetat (MPA)-Therapie auch über den AR gesteuert werden. Es wurde gezeigt, daß MPA die Proliferation von ER/PR-negativen Zellinien hemmend beeinflußt, wenn diese den AR exprimieren (Hackenberg 1993). Ob die AR als prognostische und/oder prädiktive Faktoren beim Mammakarzinom geeignet sind, ist noch unklar.
25 FHL-2: Ein Ko-Aktivator des AR ist das FHL-2 (Four-and-a-half-LIM-domains 2). FHL-2 enthält vier LIM-Domänen und eine N-terminale halbe LIM-Domäne. LIM- Domänen sind durch ein doppeltes Zink-Finger-Motiv charakterisiert, worüber direkte Protein-Protein-Interaktionen mit LIM-enthaltenden Proteinen oder anderen Protein-Klassen vermittelt werden können ( Jurata and Gill, 1998; Dawid et al 1998). FHL-2 wurde als gewebespezifischer Koaktivator des AR beschrieben (Muller 2000). Ursprünglich wurde FHL-2 in Prostataepithelien und Myozyten beschrieben; spätere Untersuchungen wiesen auch eine Expression in anderen Geweben sowie Prostata-, Ovarialkarzinomen sowie Mammakarzinom-Zellinien nach (Muller 2000; Nessler-Menardi 2000; Magklara 2002; Gabriel 2004). In Anwesenheit des Liganden Dihydrotestosterons interagiert FHL-2 spezifisch mit AR-B, jedoch nicht mit anderen nukleären Rezeptoren derselben Familie (GR, MR, PR, Thyroid-Hormon-Rezeptor, Retinoid-Acid-Receptor). Durch diese Interaktion wird die Transkriptionsaktivität des AR - zum Beispiel für das prostata-spezifische Zielgen Probasin – gesteigert. Diese Wirkung von FHL-2 fand sich bei keinem der anderen nukleären Rezeptoren, wie z.B. ER, VDR, TR. Eine mögliche Assoziation des FHL-2 mit der Entstehung des Mammakarzinoms ergibt sich aus der Interaktion zwischen BRCA1 und FHL-2, die zu einer erhöhten Transaktivierung führte (Yan 2003). Die genaue Relevanz bei der Tumorgenese ist jedoch noch ungeklärt. 1.3.2.3 Der Vitamin-D-Rezeptor (VDR) Der VDR unterscheidet sich im Aufbau von den Steroidhormonrezeptoren - wie z.B. AR, PR, AR - vor allem durch die sehr kurze N-terminale Domäne. Der wichtigste
26 Ligand ist das 1-α,25-Dihydrocholecalciferol, die biologisch aktive Form des Vitamin-D3 (VD3). Die vielfältigen biologischen Wirkung des VD3 werden durch den VDR und diverse Kofaktoren vermittelt und sind in Abb. 5 schematisch dargestellt (Haussler 1997; Haussler 1998; MacDonald 2001). Die klassische Funktion – die endokrine Regulation der Calciumhomöostase über die intestinale Calciumresorption - ist dabei nur ein Teilaspekt. Abb. 5: Physiologische Wirkungen des VDR und seines Liganden 1- ,25- dihydroxycholecalciferol (1,25(OH)2-D3): Die aktive Form des Vitamin-D, 1,25(OH)2-D3, bindet an den nukleären VDR, der als Transkriptionsfaktor and der Regulation des Knochenstoffwechsels (Ca-, Phosphat-Homöostase) beteiligt ist. Darüberhinaus spielt VD3 für die Funktion von Makrophagen, die Sekretion des Parathormons und die Erhaltung der epidermalen Integrität eine wichtige Rolle. Viele dieser Effekte werden durch VDR-regulierte Transkription bestimmter Zielgene gesteuert, die auch an Zellproliferation, Differenzierungsvorgängen und Apoptose beteiligt sind (Welsh 2003).
27 Die gewebespezifische Wirkung des VD3 läßt sich über den Metabolismus des Vitamin-D zur seiner biologisch aktiven Form VD3 beschreiben. Abb. 6 zeigt die organ-spezifischen Wege der Aktivierung. Hieraus lassen sich sowohl die systemisch-endokrine Wirkungsweise des VD3 – die Regulation der Calciumhomöostase – als auch die lokalen parakrin und autokrin vermittelten Effekte verstehen. Abb 6: Metabolismus und Aktivierung des Vitamin-D (Welsh 2003): Vitamin-D ist in Form des Ergocalciferols (D-2) oder Cholecalciferols (D-3) in der Nahrung enthalten und wird über den Gastrointestinaltrakt absorbiert. Zusätzlich kann der Körper in sonnenexponierter Haut VD3 aus Vorstufen synthetisieren, die vom Cholesterin abstammen. Die metabolische Aktivierung des VD3 zum 1,25(OH)2-D3 erfolgt in der Leber, Niere und denjenigen Zielgeweben, die über das entsprechende Enzym vefügen (z.B. Haut, Prostata, Colon, Brust). Die Aktivierung
28 in der Niere und Freisetzung ins Blut führt hauptsächlich zur systemisch-endokrinen Wirkung, Aktivierung in spezifischen Zielgeweben vermittelt lokal- parakrine/autokrine Effekte zur Zellregulation. 25-OHASE: 25-hydroxylase; 1 - OHASE: 1 -hydroxylase. Der VDR spielt auch für die Differenzierung und Proliferation von Tumorzellen eine Rolle: Es konnte gezeigt werden, daß VD3 die Proliferation von myeloiden Maus- Leukämiezellen hemmt und die Differenzierung zu Makrophagen induziert (Abe 1981). Dies führte zu der Idee, VD3 im Sinne einer Differenzierungstherapie einzusetzen (Zhao 2001). Mit Blick auf die klinische Anwendung wurden VD3- Analoga synthetisiert, um die als potentielle Nebenwirkung zu erwartende Hyperkalzämie zu kontrollieren, ohne dabei den antiproliferativen Effekt zu verlieren. Es wurde gezeigt, dass Calcitriol und seine Analoga die Proliferation von Mammakarzinomzellinien sowohl in vitro (Frampton 1983; Simpson 1986; Hansen 1994; Vandewalle 1995) als auch im Tiermodell (Colston 1989) hemmen können. Darüberhinaus konnte gezeigt werden, dass es zu einer VDR-abhängigen Hemmung der Invasion und Migration in vitro sowie zur Hemmung der Angiogenese in vivo kommt (Hansen 1994; Mantell 2000). Eine neuere Untersuchung anhand eines etablierten Nacktmaus-Modells für Knochenmetastasen (Arguello 1988) zeigte für das Vitamin-D-Analogon EB 1089 sowohl präventive Wirkung gegen Knochenmetastasierung als auch verlängertes Überleben der Versuchstiere (El Abdaimi 2000). Im Hinblick auf die bereits etablierte Therapie des Mammakarzinoms wurde eine durch Antiöstrogene vermittelte Potenzierung der antiproliferativen Wirkung verschiedener Vitamin–D-Analoga gefunden (Love-Schimenti 1996). Ferner konnte Vitamin-D die Empfindlichkeit von Mammakarzinomzelllinien für Zytostatika steigern (Ravid 1999; Wang 2000). VD3 und seine Analoga werden zur Zeit nicht nur als Adjuvans bei schon bestehender Erkrankung eingesetzt, sondern auch im Hinblick auf ihre Eignung zur Chemoprävention des Mammakarzinoms untersucht (Welsh 2003).
29 Es gibt jedoch auch Daten, die auf eine proliferationsfördernde Wirkung des VD3 bei Malignomen hinweisen: So ist die VDR-Expression in Karzinomen von Mamma und Kolon im Gegensatz zu der anderer Steroidhormonrezeptoren hochreguliert, was auf eine VDR-abhängige oder zumindest beeinflusste Proliferation hindeutet (Cross 1996; Friedrich 1998). VD3 hat ein pleiotropes Wirkspektrum, was unter anderem auf die regulatorische Wirkung bestimmter Metaboliten beim enzymatischen Umbau durch das Enzym 25(OH)D3-24-Hydroxylase (CYP24) zurückgeführt wird (Rashid 2001). So konnte an Leukämiezellen in vitro gezeigt werden, daß 1α,24(R),25(OH)3-D3 hauptsächlich pro-proliferativ wirkt, wohingegen das ursprüngliche 1,25(OH)2-D3 und ein weiteres Zwischenprodukt, das 1α25(OH)2-24-oxo-D3, hauptsächlich pro-differenzierend wirken (Campbell 1999). 1.4 Bone Sialo Protein (BSP) Das Bone Sialo Protein (BSP) ist ein Glykoprotein, das etwa 12% der nicht- kollagenen Knochenmatrix darstellt und wird normalerweise von Osteoblasten und Osteoklasten produziert (Fisher 1983; Fisher 1990). BSP vermittelt die Adhäsion zwischen Osteoklasten bzw. Osteoblasten und der extrazellulären Knochenmatrix und reguliert die Knochenmineralisierung (Fisher 1983; Fisher 1990; Bianco 1991; Raynal 1996). BSP kommt hauptsächlich in der Knochenmatrix vor, ist aber auch in Weichteilgeweben (z.B. Plazenta) und verschiedenen malignen Tumoren nachgewiesen worden (Bianco 1991; Bellahcene 1994; Bellahcene 1997; Bellahcene 1998; Bellahcene 2000b; Carlinfante 2003; Detry 2003). Die Bedeutung des BSP wird hauptsächlich im Rahmen des osteotropen Metastasierungsverhalten beim Mammakarzinom gesehen:
30 Das Bone Sialoprotein wurde erstmals in einer immunhistochemischen Untersuchung von Bellahcene mit dem Osteotropismus des Mammakarzinoms in Verbindung gebracht (Bellahcene 1994). Es wurde gezeigt, daß eine immunhistochemisch nachweisbare BSP-Expression im Mammakarzinomgewebe mit einer selektiven Knochenmetastasierung korreliert; Zusammenhänge mit etablierten prognostischen Faktoren wie zum Beispiel Lymphknotenstatus, ER/PR- Status konnten jedoch nicht festgestellt werden (Bellahcene 1996a). Weitere Studien an diversen Tumorgeweben, bestätigten eine solche Assoziation und postulierten das BSP als potentiellen prädiktiv-prognostischen Faktor für Knochenmetastasierung beim Mamma- und auch Prostata-Karzinom (Bellahcene 1996a; Bellahcene 1996b; Waltregny 1998; Waltregny 2000; Diel 2001). Weiterhin konnte in-vitro und in-vivo gezeigt werden, daß BSP-Expression auch Proliferation, Migration und Angiogenese bei Mammakarzinomzellen fördert (Sung 1998; Bellahcene 2000a). Abgesehen von den Primärtumoren wurde BSP auch in den Metastasen verschiedener Mammakarzinome nachgewiesen; BSP war hierbei fast immer in ossären Metastasen exprimiert, konnte aber auch in Weichteilmetasasen detektiert werden (Waltregny 2000; Sharp 2004). Nachdem das BSP initial meist immunhistochemisch in Tumorgewebe untersucht wurde, folgte 1997 die Beschreibung im Serum bei malignen Knochenkranheiten (Withold 1997) sowie die Entwicklung eines kommerziellen Radio-Immuno-Assays zur Untersuchung des BSP im Serum (Karmatschek 1997). Diel zeigte 1999 in einer Studie mit 388 Mammakarzinom und einem medianen follow-up von 20 Monaten, dass 17 von jenen 19 Patientinnen mit Knochenmetastasen im Vergleich zu neun Patientinnen mit selektiv-viszeraler Metastasierung einen signifikant erhöhten präoperativen Serum-BSP-Spiegel hatten. Die Serumkonzentration von BSP korrelierte aber nur mit der Größe des Primärtumors und mit keinem anderen prognostischen Faktor. In der multivariaten Analyse konnte der erhöhte präoperative Serum-BSP-Spiegel (>2.4ng/l) als
31 wichtigster unabhängiger prädiktiver Faktor für Knochenmetastasen ermittelt werden (P < 0.001; relative risk, 94; Spezifität 96.7%, Sensitivität 89.5% (Diel 1999). Fedarko zeigte jedoch, daß BSP – und auch Osteopontin (OPN) – im Serum an den Komplementfaktor H gebunden sind, was Tumorzelllinien vor Komplement- vermittelter Attacke schützen kann; zudem können erst nach Dissoziation hiervon die totalen Serum-Konzentrationen des BSP gemessen werden (Fedarko 2000). Darauf aufbauend wurde ein neuer Assay entwickelt, der Serum-BSP und OPN-Levels nach Dissoziation vom Komplement H bei Patienten mit verschiedenen Tumorarten (Colon, Brust, Prostata, Lunge) maß. Hier konnte zwar eine Spezifität für Tumorpatienten versus Nicht-Tumorpatienten, jedoch nicht für spezielle Tumorarten gefunden werden (Fedarko 2001). Abgesehen von der Komplexierung des BSP mit anderen Proteine, gibt es das prinzipielles Problem, daß Serumproteine nicht notwendigerweise einem spezifischen Syntheseort – in diesem Fall den Tumorzellen - zuzuordnen sind. Die genannten Rezeptoren (ER, PR, AR und VDR) und das BSP sind demnach Beispiele für einerseits etablierte (ER, PR), andererseits postulierte (AR, VDR, BSP) prognostische oder prädiktive Faktoren beim Mammakarzinom.
32 2. Fragestellung und Ziel der Arbeit Obwohl die Heilungschancen bei Mammakarzinom durch verbesserte Früherkennung und multimodale Therapiekonzepte gestiegen sind, entwickelt doch ein beachtlicher Anteil der Patientinnen Fernmetastasen. Meist treten diese im Verlauf der Nachsorge auf; in 1-5% wird jedoch schon bei der Erstdiagnose des Tumors auch eine Fernmetastasierung diagnostiziert. Zur Therapie des Mammakarzinoms stehen je nach Tumorstadium lokale, systemische und (neo)adjuvante Maßnahmen zur Verfügung. Bei der adjuvanten Therapie Hormonrezeptor-positiver Tumoren spielen Substanzen eine wichtige Rolle, die den Rezeptor blockieren und dadurch die hormoninduzierte Proliferation des Tumors hemmen. Analog zur Inhibierung des ER durch Tamoxifen kann die Signaltransduktion membranständiger Rezeptoren der Epidermal-growth-factor (EGF)-Rezeptor-Familie (Her1, Her2, Her3, Her4) durch spezifische Antikörper gehemmt werden. Im Rahmen der vorliegenden Studie sollte retrospektiv untersucht werden, ob die Expression von Steroidhormonrezeptoren (ER, PR, AR), einem AR-Kofaktor (FHL- 2), dem Vitamin-D-Rezeptor und dem BSP mit dem Metastasierungsverhalten primärer Mammakarzinome korreliert. Tumoren von Patientinnen mit primärer Fernmetastasierung (nur Knochenmetastasen vs. nur Weichteilmetastasen) wurden ausgewählt, um die Expression von AR, VDR, FHL-2 und BSP immunhistochemisch zu analysieren. Als Kontrolle dienten Tumoren von Patientinnen, die bei Diagnose und mindestens fünf Jahre nach Primärtherapie rezidivfrei geblieben waren.
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