Die Expression von Androgen-, Vitamin-D-Rezeptor, FHL-2 sowie des Bone Sialo Proteins in primären Mammakarzinomen

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Die Expression von Androgen-, Vitamin-D-Rezeptor, FHL-2 sowie des Bone Sialo Proteins in primären Mammakarzinomen
Aus der Universitäts-Frauenklinik
      der Albert-Ludwigs-Universität
           Freiburg im Breisgau

          Die Expression von
Androgen-, Vitamin-D-Rezeptor, FHL-2
    sowie des Bone Sialo Proteins
   in primären Mammakarzinomen

      INAUGURAL-DISSERTATION
                    zur
  Erlangung des Medizinischen Doktorgrades
         der Medizinischen Fakultät
       der Albert-Ludwigs-Universität
            Freiburg im Breisgau

               vorgelegt 2006
         von Florian Michael Herrle
            geboren in Nürnberg
Die Expression von Androgen-, Vitamin-D-Rezeptor, FHL-2 sowie des Bone Sialo Proteins in primären Mammakarzinomen
Meinen Eltern
Die Expression von Androgen-, Vitamin-D-Rezeptor, FHL-2 sowie des Bone Sialo Proteins in primären Mammakarzinomen
Dekan                Hr. Prof. Dr. med. Christoph Peters
1. Gutachterin       Fr. PD Dr. med. Annette Hasenburg
2. Gutachter         Hr. Prof. Dr. med. Nikolaus Freudenberg
Jahr der Promotion   2006
Die Expression von Androgen-, Vitamin-D-Rezeptor, FHL-2 sowie des Bone Sialo Proteins in primären Mammakarzinomen
Inhaltsverzeichnis

1.        Einleitung .............................................................................................................1

     1.1 Das Mammakarzinom ..........................................................................................1
         1.1.1 Epidemiologie ...........................................................................................1
         1.1.2 Pathomorphologische Klassifizierung.......................................................1
         1.1.3 Staging und Therapie des Mammakarzinoms ...........................................4

     1.2 Metastasierung beim Mammakarzinom .............................................................12

     1.3 Steroidhormonrezeptoren und Kofaktoren.........................................................17
         1.3.1 Die Familie der Steroidhormon-Rezeptoren ...........................................17
         1.3.2 Die Steroidhormon-Rezeptoren Östrogen-, Progesteron-,
                 Androgen- und Vitamin-D-Rezeptor.......................................................20
         1.3.2.1 Die Rolle von Östrogen- und Progesteronrezeptoren
                 beim Mammakarzinom............................................................................20
         1.3.2.2 Die Androgenrezeptoren und der Androgenrezeptor-Koaktivator
                 FHL-2 ......................................................................................................23
         1.3.2.3 Der Vitamin-D-Rezeptor.........................................................................25

     1.4 Bone Sialo Protein (BSP) ....................................................................................29

2.        Fragestellung und Ziel der Arbeit ...................................................................32

3.        Material und Methoden ....................................................................................33

     3.1 Patientinnenkollektive .........................................................................................33
     3.2 Untersuchungsmaterial........................................................................................34
     3.3 Immunhistochemische Färbungen.......................................................................34
     3.4 Auswertungsverfahren ........................................................................................36
     3.5 Statistik................................................................................................................36

4.        Ergebnisse ..........................................................................................................38

     4.1 Patientinnenkollektive .........................................................................................38
     4.2 Nachweis der Expression von AR, FHL-2, VDR, BSP ......................................40
     4.3 Statistische Auswertungen ..................................................................................43

5.        Diskussion ..........................................................................................................45

6.        Literaturverzeichnis..........................................................................................52

7.        Zusammenfassung.............................................................................................69

8.        Anhang

     8.1 Abkürzungsverzeichnis
     8.2 Vergleich TNM-Staging-System Mammakarzinom 1998 und 2003
     8.3 Danksagung
     8.4 Curriculum Vitae
1

1. Einleitung

1.1     Das Mammakarzinom

1.1.1   Epidemiologie

Das Mammakarzinom ist die häufigste maligne Erkrankung der Frau in der
westlichen, industrialisierten Welt und weist ab einem Alter von ca. 30 Jahren ein
steil ansteigendes Erkrankungsrisiko auf.
Seit Mitte der 90-er Jahre ist in Deutschland, aber auch in den USA und
Großbritannien, eine rückläufige Mortalität zu beobachten, die sowohl auf
verbesserte Programme zur Früherkennung als auch auf den zunehmenden Einsatz
adjuvanter Hormon- und/oder Chemotherapie zurückzuführen sind (Peto 2000).

1.1.2   Pathomorphologische Klassifizierung

Mammakarzinome gehen vom Drüsenepithel aus, können sowohl nicht-invasiv als
auch invasiv sein und werden anhand dieses Merkmals unterschiedlich bewertet.
Für die Klassifikation der nicht-invasiven duktalen Carcinoma in situ (DCIS) haben
sich die Van-Nuys-Klassifikation und der Van-Nuys-Prognostic-Index (VNPI)
durchgesetzt (Silverstein 1995a; Silverstein 1995b; Silverstein 1996):
Zur Klassifikation werden DCIS zunächst nach Grading der Zellkerne in „high-
grade“ und „non-high-grade“ eingeteilt; high-grade-DCIS (Gruppe 3: nuclear-high-
grade DCIS) haben nach brusterhaltender Operation und unabhängig von einer
lokalen Nachbestrahlung das größte Rezidivrisiko. Bei non-high-grade-DCIS werden
solche ohne und mit Vorhandensein von Tumornekrosen des Comedo-Typs
unterschieden (Gruppe 1: ohne Comedotyp-Nekrosen, Gruppe 2: mit Comedotyp-
Nekrosen). Der VNPI kombiniert diese Klassifikation mit den weiteren
prognostischen Prädiktoren Tumorgröße und Abstand zwischen Tumor und
gesundem Gewebe. Es werden jedem Prädiktor Punktzahlen von 1-3 zugeordnet
deren Addition den VNPI ergibt (3 Punkte: beste Prognose; max. 9 Punkte und
2

schlechteste     Prognose).   Anhand      einer    Langzeit-Beobachtung   (medianer
Beobachtungszeitraum 8 Jahre) ermittelte Silverstein, daß für Punktzahlen 3 und 4
eine brusterhaltende lokale Tumorexzision ohne Nachbestrahlung vertretbar ist
(Lokalrezidivrate bei Lokalexzision mit bzw. ohne Radiatio: 0% bzw. 3%). Bei
einem Score von 5-7 Punkten wird zusätzlich zur brusterhaltenden Exzison eine
Nachbestrahlung empfohlen, weil damit das Lokalrezidivrisiko um 17% gesenkt
werden konnte (32% vs. 15%). Für Tumoren mit Score 8-9 wird eine Mastektomie
empfohlen, da bei brusterhaltender Therapie unabhängig von einer Nachbestrahlung
innerhalb von acht Jahren bei mehr als 60% der Patientinnen Lokalrezidive auftraten.

Die Klassifikation der invasiven Karzinome folgt der WHO-Klassifikation, die den
histologischen Phänotyp ohne pathogenetische Beziehungen beschreibt. Wenn
mehrere Typen in einem Tumor vorhanden sind, ist der dominierende Anteil
diagnostisch hervorzuheben (World Health Organization 2002)

Tab. 1 Histo-morphologische Typen des Mammakarzinoms (Berg 1995)
Invasiv-duktal (IDC)                        70-80%
Tubulär                                     10-20%
Invasiv-lobulär (ILC)                       5-10%
Medullär                                    5-10%
Muzinös                                     1-2%
Mikropapillär, metaplastisch und andere
                                            1-2%
(Paget-, inflammatorische Ca’s)

Je nach Verhältnis von Tumor- zu Bindegewebe wird auch zwischen soliden
(vorwiegend Tumorgewebe) und szirrhösen (vorwiegend Stroma) Karzinomen
unterschieden.

Für die Beurteilung der invasiven Karzinome ist der Differenzierungsgrad
entscheidend (Grading, G1-G3). Aus den drei Merkmalen Tubulusausbildung,
3

Kernpolymorphie und Mitoserate wird ein Score gebildet und den drei
Malignitätsgraden G1-G3 zugeordnet: G1: gering maligne, gut differenzierte
Tumoren mit einem Score von 3-5; G2: mäßig maligne, mäßig differenzierte
Tumoren mit einem Score von 6-7; G3: hoch maligne, schlecht differenzierte
Tumoren    mit        einem     Score   von      8-9.    Das   Grading   korreliert   eng   mit
Lymphknotenstatus, Rezeptorstatus, Rezidivfrequenz und Mortalität (Elston 2002).

Das invasiv-duktale Karzinom (IDC) hat im Vergleich zum invasiv-lobulären
Karzinom eine schlechtere Prognose, die vermutlich auf die Tendenz zur früheren
Metastasierung zurückzuführen ist. Dies wird auch durch eine große retrospektive
Studie   von     Li    belegt     (Li   2003).     Die    meisten   selteneren   Formen     des
Mammakarzinoms haben insgesamt eine günstigere Prognose als das IDC (Bijker
2001; Thurman 2004).
Das inflammatorische Mammakarzinom ist wahrscheinlich eine eigene Entität und,
im Vergleich zu lokal fortschrittenem IDC, unter anderem mit höherer Inzidenz bei
jungen Patientinnen, schlechterer Differenzierung, negativem Östrogenrezeptor
(ER)-Status und ungünstigerer Prognose korreliert (Anderson 2003).
4

1.1.3 Staging und Therapie des Mammakarzinoms

Staging
Grundlage für das Staging von Mammakarzinomen ist das Manual des American
Joint Commitee on Cancer (AJCC) (Greene 2002).
Das präoperative klinische Staging (cTNM-Stadium) umfaßt Anamnese und
klinische Untersuchung, Mammographie beider Brüste sowie eine diagnostische
Feinnadelpunktion,    Stanz-Biopsie    oder   Probeexzision.     Je      nach    klinischer
Präsentation (suspekte mammographische Läsion/Mikrokalk, unklarer palpabler
Brustknoten,    T4-Tumor)      und     Stadium    (z.B.     Verdacht       auf     primäre
Fernmetastasierung) kommen weitere diagnostische Verfahren zum Einsatz
(Ultraschall von Brust und/oder Abdomen, CT des Abdomens, MRT der Brust,
Knochenszintigraphie und die Positronen-Emissions-Tomographie (PET).
Postoperativ ergibt sich aus der histologischen Aufarbeitung des gesamten
Tumorgewebes und der regionären Lymphknoten das differenzierte pathologische
Staging (pTNM-Stadium).
Beim prognostisch besonders wichtigen Staging der axillären Lymphknoten hat sich
in den letzten zehn Jahren das Konzept der „sentinel lymph node dissection“ (SLND)
durchgesetzt: Die ersten drainierenden axillären Lymphknoten des tumorbefallenen
Brustsegmentes werden nach Injektion eines Markers (Tinte und/oder radioaktives
Colloid) identifiziert, reseziert und im Schnellschnitt untersucht. Wenn der Sentinel-
Lymphknoten tumorfrei ist (sN0-Stadium) kann mit vertretbar niedriger Fehlerrate
auf eine tumorfreie Restaxilla geschlossen und auf eine komplette axilläre
Lymphknotendissektion     verzichtet   werden.    Nur     bei   Befall     der   Sentinel-
Lymphknoten wird eine formale Axilladissektion durchgeführt, um das genaue
Staging zu ermitteln. Falls bei histologischer Aufarbeitung der entnommenen und im
Schnellschnitt als tumorfrei bewerteten Sentinel-Lymphknoten doch ein Tumorbefall
nachweisbar ist, besteht die Möglichkeit,         in einem zweiten Eingriff die
Axilladissektion nachzuholen und eine erweiterte adjuvante Therapie zu planen.
5

Die SLND ist seit den Anfängen der 90-er Jahre in zahlreichen Studien mit der
konventionellen axillären Lympknotendissektion verglichen und validiert worden
(reviewed in: (Kelley 2004)): Die vorliegenden Ergebnisse von Multizenterstudien
sprechen für den breiten Einsatz dieser Technik und belegen, daß die Patientinnen
keinem erhöhten Risiko für die Bildung von Lokalrezidiven ausgesetzt sind. Die
Identifikationsraten befallener Lymphknoten liegen zwischen 86 und 94%, die Rate
falsch-negativer SLN zwischen 4 und 13% und die diagnostische Genauigkeit
zwischen 97 und 99%.

Die aktuelle und seit Anfang 2003 gültige Fassung des AJCC-Staging-Manuals (6.
aktualisierte Fassung) enthält wichtige Neuerungen und Modifikationen, vor allem
zur Beurteilung des LK-Status (Singletary 2002; Woodward 2003; Thor 2004):
-   Einteilung der Hauptgruppen pN1-3 primär nach Anzahl der befallenen
    Lymphknoten;
-   Kennzeichnen einer erfolgten Sentinel-Lymphknotenbestimmung (pN0(sn));
-   differenzierteres   pN0-Stadium   unter   Einbeziehung    immunhistochemisch
    und/oder     molekular     nachgewiesener      Mikrometastasen      (pN0(i-/i+),
    pN0(mol-/mol+);
-   differenzierteres pN3-Stadium, zu dem Lymphknoten infraklavikulär (pN3a), im
    Bereich der A. mammaria interna (pN3b) sowie supraklavikulär (pN3c, früher
    M1) gehören).
Diese Modifikationen wurden aufgrund neuer Daten zu stadienspezifischen
Überlebenszeiten und aufgrund der Verbreitung neuer diagnostischer Methoden
(insbesondere SLND, Verwendung der Immunhistochemie und/oder molekularer
Indizes zur Detektion von Mikrometastasen) nötig und sie erlauben eine bessere
therapeutische Stratifizierung. Es konnte gezeigte werden, daß die aggressive
Therapie von Tumoren mit Befall der supraklavikulären Lymphknoten - früher als
M1-Tumoren üblicherweise nicht kurativ behandelt – zu ähnlichen Überlebenszeiten
führt, wie sie Patientinnen im Stadium-IIIB-Kollektiv erwarten können (Brito 2001).
6

Weiterhin erlaubt die systematische Dokumentation der Ergebnisse neuer
diagnostischer Verfahren, deren therapeutische und prognostische Relevanz zu
klären. Insbesondere die klinische Relevanz von mikroskopisch-histologisch nicht
sichtbaren (pN0) sondern ausschließlich immunhistochemisch (pN0(i+)) und/oder
molekular (pN0(mol+)) nachweisbaren Mikrometastasen ist noch unklar. In der
Praxis werden im allgemeinen auch die als pN0(i+) bzw. pN0(mol+) klassifizierten
Lymphknoten als positive Lymphknoten gewertet und die Patientinnen werden
entsprechend therapiert.
Ob die Differenzierung zwischen Mikrometastasen (Tumorzellepots mit einer Größe
zwischen 0,2mm und 2mm Größe (pN1mi)) und sog. „isolated tumor cells“ in
Lymphknoten klinisch relevant ist, ist noch nicht abschließend geklärt.
Tumorzelldepots, die kleiner als 0,2mm sind oder einzelne Tumorzellen werden als
„isolated tumor cells“ bezeichnet, N0 klassifiziert und bedürfen keiner adjuvanten
Therapie, da man annimmt, daß die Morbidität der Behandlung durch den noch
unbekannten Nutzen einer adjuvanten Therapie nicht kompensiert würde.
Eine komplette axilläre Lymphknotendissektion ist nach diesem Kenntnisstand
routinemäßig nur bei histologischem Befall der Lymphknoten (ab pN1mi) indiziert.
Für das Verfahren bei anderen Konstellationen (z.B. pN0(i+/mol+)) muß noch ein
Konsens gefunden werden.

Therapie
Die Therapie des Mammakarzinoms ist heutzutage hochspezialisiert, interdisziplinär
und multimodal. Die Therapieplanung (kurativ/palliativ/(neo)adjuvant) richtet sich
primär nach histologischem Tumortyp, Staging, Grading sowie etablierten Risiko-,
Prognose- und prädiktiven Faktoren; es sollten jedoch auch immer die individuellen
Wünsche der Patientin berücksichtigt werden. Als wichtigste Therapiemodalitäten
stehen Operation, Hormon-, Chemo-, Strahlen- und Immuntherapie zur Verfügung.
Prinzipiell muß zwischen kurativem und palliativem Therapieansatz unterschieden
werden: Ist Heilung ein realistisches Ziel, sind im allgemeinen auch aggressivere
Therapien mit erhöhter Nebenwirkungsrate zu vertreten. Andererseits sollte wegen
7

möglicher Langzeitfolgen und unnötiger Kosten bei Patientinnen mit niedrigem
Rezidivrisiko nicht übertherapiert werden. Ist dagegen bei metastasiertem Karzinom
eine Heilung nicht mehr möglich, sollte die Lebensqualität der Patientin für die
Auswahl der Therapie maßgeblich sein.

Die klinisch und therapeutisch relevantesten prädiktiven Faktoren sind der
immunhistochemisch bestimmte ER- und PR-Status (Harvey 1999; Goldhirsch
2001).
Prognostische Faktoren erlauben es, den wahrscheinlichen Verlauf der Erkrankung
(Gesamtüberleben, rezidivfreies Überleben) abzuschätzen, da sie das biologische
Verhalten   des   Tumors     (Wachstums-,     Invasions-,   Metastasierungspotential)
wiederspiegelen. Diese Faktoren sind folglich für die Wahl einer risikostratifizierten
Therapie wichtig (NIH consensus conference 1991; Bast 2001; Eifel 2001). Da der
Lymphknotenstatus die stärkste prognostische Aussagekraft besitzt, hat er auch bei
der Therapieplanung das größte Gewicht (Fitzgibbons 2000).

Die klinische Bedeutung der prognostischen und prädiktiven Faktoren wird durch
den therapeutischen Nutzen der adjuvanten Hormon- und Chemotherapie bei
Frühstadien des Mammakarzinoms unterstrichen (Early Breast Cancer Trialists'
Collaborative Group 1992; Early Breast Cancer Trialists' Collaborative Group
1998a; Early Breast Cancer Trialists' Collaborative Group 1998b; Adjuvant Therapy
for Breast Cancer. NIH Consensus Statement Online 2000 November 1-3 2000).
Gerade im Falle von Patientinnen mit tumorfreien Lymphknoten und niedrigem
Rezidivrisiko will man unnötige Therapien mit Nebenwirkungen vermeiden, da ein
größerer Teil der Patientinnen auch ohne adjuvante Therapie geheilt bliebe. In Tab. 2
ist das auf der Konsensuskonferenz St. Gallen 2003 erarbeitete Schema
wiedergegeben (Senn 2003).
8

Tab. 2: Risikoadaptierte adjuvante Therapie beim primären, invasiv-duktalen
Mammakarzinom gemäß St. Gallen Konsensus Konferenz 2003
                           "Endocrine re sponsive"                  "Endocrine non-resp."
                                prä-             post-                  prä-      post-
                             menopausal       menopausal             menopausal menopausal
Niedriges Risiko
N0, T
9

Rezeptors inhibiert (Hudziak 1989). Zahlreiche Studien zeigen, daß die
Überexpression von Her2/neu ein starker positiver Prädiktor für das klinische
Ansprechen auf die Therapie mit Trastuzumab ist (Bast 2001). Die Zugabe von
Trastuzumab zu einer palliativen Chemotherapie bei Patientinnen mit Her2/neu
positivem metastasierten Mammakarzinom führt zu einer 20% höheren Ansprechrate
sowie zu einem verlängertem Überleben (median +5 Monate) (Slamon 2001).
Seitdem Trastuzumab 1998 von der FDA zunächst zur Behandlung des
fortgeschritten metastasierten Mamma-Karzinoms zugelassen wurde, wird es
inzwischen auch in der adjuvanten und neo-adjuvanten Therapie verwendet (Buzdar
2005; Mohsin 2005)

Während Tumorgröße und LK-Status im wesentlichen die Anwendung von Chemo-
und/oder Radiotherapie bestimmen, ist die Expression der Hormonrezeptoren
(ER/PR) entscheidend für die Gabe einer adjuvanten Hormontherapie. Da die
Proliferation   von   ER-     (und   PR-)   positiven   Tumoren      im   allgemeinen
östrogenabhängig erfolgt, kann bei diesen Tumoren durch verschiedene Verfahren
der medikamentösen Hormonablation die hormonabhängige Proliferation reduziert
werden (s. Tab 3). Ein Vorteil der Hormontherapie gegenüber der Chemotherapie ist
die im allgemeinen bessere Verträglichkeit bei geringerer Zytotoxizität. In Tabelle 3
sind   einige   der   heute   verwendeten   Präparate   und   ihre   Wirkungsweisen
zusammengestellt.
10

Tab. 3: Medikamentöse Hormonablation beim Mammakarzinom
I. Hemmung der Östrogenbiosynthese         Wirkstoff (Präparat)
                                           LH-RH-Analoga
a) durch Hemmung der LH-abhängigen
                                           (Goserelin=Zoladex®)
Biosynthese im Ovar
                                           (Robertson 2003)
                                           Aromataseinhibitoren (AI)
                                           - Nicht-steroidal: Anastrozol=Arimidex®,
b) durch Hemmung der Aromatase im Ovar     Letrozol=Femara®*
                                           - Steroidal: Exemestan=Aromasin®**
                                           (Morandi 2004)*
II. Zell- bzw. gewebespezifisches
Blockieren der Ligandenbindungsstelle
des Rezeptors
                                           Selektive ER-Modulatoren (SERM)
a) gemischte Antagonisten                  (z.B.Tamoxifen, Raloxifen=Evista®)
                                           (Frasor 2004; Jordan 2004)
                                           Antiöstrogen ICI 182780
b) reine Antagonisten                      (Fulvestrant=Faslodex®)
                                           (Johnston 2004; Osborne 2004)
* Hauptindikation nichtsteroidaler AI: Adjuvante Therapie beim Mammakarzinom
(Stadium I, II) bei post-menopausalen Frauen mit ER und/oder PR positivem
Rezeptorstatus;
** Hauptindikation steroidaler AI: Therapie des fortgeschrittenen Mammakarzinoms
bei post-menopausalen Frauen nach Progression unter Antiöstrogenbehandlung.

Neben den bereits erwähnten „etablierten“ Prognosefaktoren werden zahlreiche
andere potentielle Marker evaluiert:Hierzu gehören solche, die mit Proliferation (Ki-
67, Anteil der Zellen in der S-Phase), Angiogenese (vascular endothelial growth
factor) oder Invasion und Metastasierung (Zelladhäsionsmolekül E-cadherin, diverse
Proteasen wie z.B. der Plasminogenaktivator vom Urokinasetyp (uPA) oder
Matrixmetalloproteasen (MMP)) assoziiert sind. Diese müssen jedoch erst in
11

größeren prospektiven Studien validiert werden, bevor sie in die Routinediagnostik
aufgenommen werden können (Fitzgibbons 2000).

Ein neuer Ansatz zur Identifizierung von Tumoren mit schlechter bzw. guter
Prognose ist die Genexpressionsanalyse (van de Vijver 2002; van 't Veer 2002; Kang
2003; Ramaswamy 2003; Sotiriou 2003; Paik 2004; Wang 2005). Allerdings ist auch
dieses Verfahren noch nicht für den Einsatz in der Patientenversorgung geeignet, da
zum einen jeweils nur relativ kleine Kollektive untersucht wurden und zum anderen
die Erfassung und Interpretation der Daten (noch) nicht standardisiert ist (Jenssen
2005; Michiels 2005).
12

1.2    Metastasierung beim Mammakarzinom

Metastasierung, das Enstehen von Tumorabsiedlungen in tumorfernen Geweben,
kann als Endstufe eines sequenziellen Entartungsprozesses verstanden werden.
Voraussetzung für eine Metastasierung ist, daß Tumorzellen in der Lage sind, sich
vom Primärtumor zu lösen, in das umliegende Gewebe einzudringen, es zu
durchwandern und in einer dem Primärtumor fremden Umgebung zu adhärieren und
zu proliferieren (Abbildung 1 (Hanahan 2000)).

Abb. 1: Universelles Modell der Tumorigenese (Hanahan 2000).
A: Sechs universelle Charakteristika von Tumoren
B: Mögliche parallele Wege der Tumorgenese; diese können je nach Reihenfolge
und Tempo differieren. So erwirbt z.B. beim untersten Beispiel die Zelle alle
Eigenschaften in nur fünf Schritten - zwei davon in nur einem Schritt (z.B. durch
Verlust der p53-Kontroll-Funktion). Im obersten Beispiel benötigt eine Zelle jeweils
zwei Schritte, um zu Gewebeinvasion und Metastasierung fähig zu sein bzw. um
Apoptose umgehen zu können
13

Hanahan postuliert, daß praktisch alle bösartigen Tumore die in Abb.1 aufgeführten
Charakteristika besitzen, wenngleich es große Unterschiede sowohl zwischen
verschiedenen Tumorarten und –subtypen als auch beim Tempo und der
Reihenfolge, in denen diese Veränderungen auftreten, gibt.

Das Metastasierungsverhalten und der Langzeitverlauf des Mammakarzinoms ist,
trotz der gesicherten Korrelationen zwischen Tumorgröße, Differenzierung,
Lymphknotenstatus einerseits und Überlebens- bzw. Heilungschancen andererseits,
heterogen.
Obwohl das Rezidivrisiko des invasiven Karzinoms im wesentlichen durch die
Tumorgröße und die Zahl der befallenen Lymphknoten bestimmt wird, gibt es kleine
Tumoren, die rasch metastasieren oder große infiltrierende T4-Tumoren, die noch
keine Fernmetastasen gesetzt haben (Emens 2003). Auch Lokalrezidive können nicht
nur – wie am häufigsten – innerhalb der ersten drei bis fünf Jahre auftreten, sondern
Jahrzehnte später. Hämatogene Fernmetastasen können sich zeitgleich oder nach der
lymphogenen Metastasierung bilden (Rutqvist 1984; Weiss 2003).

Die meisten metastasierten Mammakarzinome werden im Zusammenhang mit
Tumorrezidiven diagnostiziert, bei 1-5% der Patientinnen sind jedoch bereits zum
Zeitpunkt der Erstdiagnose des Tumors Fernmetastasen vorhanden. Im allgemeinen
ist nach Ausbildung von Fernmetastasen keine Heilung sondern nur noch palliative
Therapie möglich. Vereinzelt wurden jedoch Vollremissionen nach Chemotherapie
und Langzeitüberlebende bis zu 20 Jahre nach Therapie beschrieben (Falkson 1990;
Greenberg 1996).
Die erwähnten Eigenheiten führten dazu, das Mammakarzinom primär als
systemische Erkrankung zu betrachten und zu behandeln. Die Chance auf Heilung
wird also nicht nur durch die Radikalität bei der lokalen Tumorresektion determiniert
sondern auch durch eine adäquate systemische Therapie, die eventuell schon
vorhandene disseminierte Tumorzellen oder klinisch noch nicht feststellbare
Mikrometastasen eliminiert.
14

Das Mammakarzinom kann prinzipiell in alle Organe metastasieren. Die häufigsten
Lokalisationen sind jedoch Knochenmetastasen (ca. 70%), gefolgt von Lungen- oder
Lebermetastasen (27%). (Coleman 1987).
Anatomisch werden grundsätzlich zwei Metastasierungswege unterschieden:
Lymphogene (lokale) Metastasierung: diese folgt je nach Ort des Primärtumors den
Lymphgefäßen bis in die drainierenden Lymphknoten und erfolgt in der Regel vor
der weitreichenderen hämatogenen Disseminierung. Karzinom der äußeren
Quadranten metastasieren vornehmlich in axilläre Lymphknoten, während medial
gelegene Tumoren entlang der Lymphgefäße der A. mammaria interna die
retrosternalen und supraklavikulären Lymphknoten erreichen und über diesen Weg
sogar Pleura, Mediastinum und die kontralaterale Mamma besiedeln können.

Hämatogene (Fern-) Metastasierung: Die verschiedenen Phasen der Metastasierung
sind in Abb. 2 schematisch für die Bildung von Knochenmetastasen gezeigt.

Abb.   2:   Prozeß   der   hämatogenen     Metastasierung    am    Beispiel   von
Knochenmetastasen (Choong 2003):
Zunächst kommt es zu lokaler Proliferation, Migration und invasivem Verhalten des
Primärtumors. Nach Angiogeneseinduktion, Intravasation und Extravasation in
Endstromgefäßen ist die systemische Tumorverbreitung möglich. Je nach Einfluß des
Milieus am Metastasierungsort (hier das wachstumsfördernde Knochenmilieu)
15

kommt es erneut zur Tumorproliferation und letztlich Ausbildung von klinisch
manifesten Metastasen (hier über die Stimulation von Osteoklasten bzw.
Osteoblasten).

Schon 1889 hatte Paget bei der retrospektiven Analyse von Obduktionsberichten die
Prädilektion verschiedener Krebsarten für spezielle Zielorgane, unter anderem des
Mammakarzinoms für Metastasierung in Knochen (Osteotropismus), bemerkt und
daraufhin die „seed and soil“-Hypothese aufgestellt. Derzufolge liefern die
„Zielorgane“ den abgesiedelten Tumorzellen einen „fruchtbaren Boden“ zum
weiteren Wachstum (Paget 1889).
Neben dem Mammakarzinom bilden auch typischerweise Prostata-, Bronchial-,
Schilddrüsen- und Nierenkarzinome Knochenmetastasen. Offensichtlich stellt der
Knochen für diese Tumoren das passende Wachstumsmilieu dar und Zellen dieser
Tumoren sind in der Lage, die einzigartige Umgebung im Knochen für ihr Wachstum
einsetzen (Yoneda 2000). Diese Metastasen können osteolytisch oder osteoplastisch
sein; beim Mammakarzinom überwiegen osteolytische oder gemischte Typen
(Mundy 2002).

Osteolytische    Metastasen     verursachen    erhebliche     Morbidität   (Schmerzen,
Osteoporose, Hyperkalzämie, Knocheninstabilität bis zur Fraktur und möglicher
ZNS-Kompression) und sind gegenüber palliativer Hormon- und Chemotherapie
resistenter als Weichteilmetastasen. Trotzdem beträgt die mediane Überlebenszeit
von Patientinnen mit Knochenmetastasen 20-30 Monate, während Patientinnen mit
Weichteilmetastasen nur 3-5 Monate überleben. Zur Therapie stehen je nach
Symptomatik, Tumorprogredienz und Hormonrezeptorstatus lokale (Radiotherapie,
operative   Stabilisierung    frakturgefährdeter   Knochen)     und/oder   systemische
Maßnahmen zur Verfügung. Bei osteolytischen Knochenmetastasen ist auch eine
Therapie mit Bisphosphonaten möglich (Coleman 1987; Coleman 2001).
Die Osteoklasten-modulierte Interaktion zwischen Tumorzellen und Knochenmatrix
ist am Beispiel osteolytischer Metastasen in Abb. 3 gezeigt:
16

Abb. 3: Osteoklasten-modulierte Interaktion von Tumorzellen und Knochen
(Roodman 2004):
Tumorzellen sezernieren das Parathyroid hormon-related-peptid (PTRP), das
Osteoklasten aktiviert und zur Zunahme der Knochenresorption führt. Dadurch
werden wiederum Wachstumsfaktoren (u.a. Transforming growth factor β (TGF-β),
Insulin-like growth factors (IGFs), Fibroblast growth factors (FGFs), Platelet-derived
growht factor (PDGF)) freigesetzt, die ihrerseits sowohl das Tumorwachstum födern
als auch durch Stimulation der PTRP-Sekretion den Prozeß aufrechterhalten.

Ferner wird postuliert, daß Mammakarzinomzellen nicht nur indirekt durch
Osteoklasten sondern auch direkt auf die Knochenmatrix einwirken können. Eine
vergleichende Studie zur Expression des Bone Sialoproteins (BSP) in Primärtumoren
und den dazu gehörenden Knochen- bzw. Weichteilmetastasen zeigte, daß die
Tumorzellen, die sich in engem Kontak zur Knochenmatrix befanden, besonders
stark BSP exprimierten; das könnte auf eine BSP-vermittelte Interaktion zwischen
Karzinomzellen und Knochen hindeuten (Waltregny 2000).

Sowohl in vitro als auch anhand von Tiermodellen und Gewebe der Patientinnen
wurden    mehrere    Faktoren    ermittelt,   die   zur   Identifizierung   osteotroper
17

Mammakarzinome       geeignet   sind.   Darüberhinaus    würde     die   prospektive
Diskriminierung zwischen osteotropen und nicht-osteotropen Mammakarzinomen
auch eine gezieltere Planung der (adjuvanten) Therapie erlauben.
Zu den in diesem Zusammenhang beschriebenen Faktoren gehören das BSP,
Vitamin-D-Rezeptor-Genotypvarianten,      das   Osteopontin   (OPN),     Parathyroid
hormone related protein (PTHrP), Periostin und das Urokinase-Plasminogen-
Aktivatorsystem (uPA) (Fisher 2000; Diel 2001; Sloan 2002; Carlinfante 2003;
Choong 2003; Sasaki 2003; Schondorf 2003).

1.3    Steroidhormonrezeptoren und Kofaktoren

1.3.1 Die Familie der Steroidhormon-Rezeptoren

Steroidhormonrezeptoren gehören zur Super-Familie nukleärer Rezeptoren, die als
Transkriptionsfaktoren wirken. Je nach Ligand regulieren sie die Aktivierung und
Expression ihrer Zielgene und steuern somit letztlich Differenzierungs- und
Proliferationsprozesse aber auch Stoffwechselfunktionen und Reproduktion. Neben
den „klassischen“ Typ I Steroidhormon-Rezeptoren (Östrogen (ER)-, Progesteron
(PR)-, Androgen (AR)-, Glukokortikoid (GR)-, und Mineralokortikoidrezeptoren
(MR)) existiert die Familie der Typ II Nicht-Steroidhormon-Rezeptoren. Zu dieser
Familie gehören unter anderem der Thyroidhormon-Rezeptor (TR), der Retinol-
Säure-Rezeptor (RAR) und der Vitamin-D3-Rezeptor (VDR) (Carson-Jurica 1990;
Beato 1995; Mangelsdorf 1995; McKenna 1999a; McKenna 2001; Murphy 2002).
18

Abb. 4: Aufbau und Funktion nukleärer Rezeptoren (Alberts 2002):
Der Aufbau der Steroidhormonrezeptoren ist relativ konstant: An die N-terminale
Domäne mit liganden-unabhängiger Aktivierungsfunktion (AF-1) (transcription
activation domain) schließt sich die DNA-Bindungs-Domäne (DBD), die „hinge-
region“, sowie die Liganden-Bindungs-Domäne (LBD), die die liganden-abhängige
Aktivierungsfunktion (AF-2) enthält, an. Variabilität zwischen verschiedenen
nukleären Rezeptoren besteht vor allem in der N-terminalen-Region, aber auch in der
„hinge-region“ und der C-terminalen Region. Dagegen sind die DNA-bindende
Domäne und die Liganden-bindende Domäne in hohem Grade konstant.
Funktionsprinzip: Nach Bindung des Liganden an den im Zytosol vorhandenen
Rezeptor entstehen aktive Rezeptor-Hormon-Komplexe, die nach Dimerisierung in
den Zellkern translozieren. Dort binden sie mit der DBD an spezifische DNA-
19

Sequenzen (receptor-binding-elements/hormone-response-elements) und steuern
nach Interaktion mit weiteren Kofaktoren die Transkription hormonabhängiger
Zielgene.

Neben der Aktivierung des Rezeptors durch den dazugehörenden Liganden kann
auch die ligandenunabhängige Aktivierungsfunktion 1 ebenfalls zu einer Aktivierung
des Rezeptors führen. In diesem Zusammenhang ist zum Beispiel die Aktivierung
des ER durch Endothelial growth factor (EGF) oder Insulin-like growth factor 1 zu
nennen (Hillner 2000; Yee 2000).
Neben der klassischen Funktion der Steroidhormonrezeptoren als nukleäre
Transkriptionsfaktoren   gibt      es   auch   eine    Signaltransduktion    über
membrangebundene Rezeptoren (Ho 2002). Hierunter fällt zum Beispiel die über
eine membranständige ER-Isoform induzierte Prolaktinfreisetzung bei bestimmten
Hypophysentumoren (Norfleet 2000; Ho 2002).
Neben der Interaktion zwischen Hormon und Rezeptor spielen Kofaktoren (Ko-
Aktivatoren bzw. Ko-Repressoren) - einer der ersten identifizierten ist SRC-1
(steroid receptor coactivator-1 (Onate 1995)) - bei der Regulation von
Transaktivierung und Transkription eine wichtige Rolle (reviewed in: (McKenna
1999b).
Ko-Repressoren lagern sich an die Liganden- und DNA-Bindungs-Domäne und
verhindern in Abwesenheit spezifischer Liganden die Rezeptor-Aktivierung bzw.
Transkription. Nach Bindung der Liganden an den Rezeptor dissoziiert der Ko-
Repressor-Komplex und ermöglicht die Interaktion mit den hormon-responsiven
Elementen der Zielgene (Burke 2000).
20

1.3.2 Die Steroid-Hormonrezeptoren ER, PR, AR und VDR

1.3.2.1 Die Rolle von Östrogen- und Progesteronrezeptor beim
Mammakarzinom

Die Östrogen- und Progesteronrezeptoren sind nicht nur für die Steuerung der
reproduktiven   Organe   (Uterus,   Ovar)   sondern   auch   für   Wachstum   und
Differenzierung der Mamma notwendig.

Die Östrogen-Rezeptoren (ER)
Nachdem lange nur eine Form des ER, der „klassische“ ER (=ERα), bekannt war,
wurde 1996 eine weitere Isoform des ER beschrieben und als ERβ bezeichnet
(Kuiper 1996; Mosselman 1996): ERα und ERβ werden von zwei unterschiedlichen
Genen kodiert, sind jedoch hinsichtlich der DBD- und LBD-Domänen weitgehend
homolog. Auch die Transaktivierung von ER-abhängigen Zielgenen erfolgt durch
ER-β analog zu ERα. Beide Isoformen unterscheiden sich aber in der N-terminalen
liganden-unabhängigen Transkaktvierungsdomäne (AF-1). Im Gegensatz zu ERα
enthält ERβ zwar keine starke AF-1-Funktion aber eine spezielle Repressor-
bindende-Domäne, die nach Dissoziation des Repressors die Transkriptionsaktivität
des Rezeptor-Hormon-Komplexes erhöht. Neben der Bildung von ERα- bzw. ERβ-
Homodimeren können sich auch biologisch aktive Heterodimere bilden (Pace 1997).
Zusätzlich moduliert ERβ die Transkriptionsaktivität von ERα.

Die physiologische Funktion von ERα und ERβ wurde in knock-out-Mäusen (ERα -
/- und/oder ERβ -/-) untersucht (Couse 1999). ERα-/- Mäuse sind infertil; in den
Ovarien wurden anstelle von reifen Follikeln und Corpora lutea lediglich
hämorrhagische Zysten gefunden. Der Uterus dieser Mäuse ist unreif, hypoplastisch
und damit für die Implantation und Versorgung von Embryonen ungeeignet. Ferner
fehlt in ERα-/- Mäusen Wachstum und Ausdifferenzierung der Brustdrüsen.
21

In ERβ-/- Mäusen waren hingegen Ovarien, Uterus und Mammae morphologisch
normal und diese Mäuse sind fertil; allerdings bilden sich in den Ovarien dieser Tiere
selbst nach Stimulation durch Gonadotropine deutlich weniger Follikel.
Der Phänotyp (ERα-/-, ERβ-/-) entspricht im wesentlichen den ERα-defizienten
Mäusen, was die vorrangige Bedeutung des ERα für die reproduktiven Funktionen
unterstreicht. Aus den ungenügend vorhandenen und stimulierbaren Follikeln der
ER-β-knock-out-Mäuse kann jedoch auf eine eigene Funktion des ERβ für eine
reguläre Follikelbildung und –funktion geschlossen werden (Couse 1999).

Die Progesteronrezeptoren (PR)
Auch die PR existieren in zwei Isoformen - PR-A und PR-B. Im Gegensatz zum ER
werden die PR durch separate Promoter und Translationsorte auf einem identischen
Gen generiert (Kastner 1990). Obwohl sich die zwei Isoformen strukturell nur durch
165   zusätzliche   Aminosäuren      am   N-terminalen       Ende     des     PR-B    (der
ligandenunabhängigen     AF-1-Domäne)       unterscheiden,     sind     sie    funktionell
weitgehend eigenständig; dies wird unter anderem durch unterschiedliches
Bindungsverhalten      gegenüber    Ko-Faktoren      und      dadurch         verschiedene
Transkriptionsaktivierung erklärt (Giangrande 2000; Richer 2002).

Es ist bekannt, daß Progesterone über ihre Rezeptoren sowohl Proliferation und
Morphogenese der Brustdrüsen als auch das Entstehen und Aufrechterhaltung einer
Schwangerschaft im Uterus entscheidend mitsteuern (Conneely 2002).
PR-A-knock-out-Mäuse haben schwere Abnormalitäten in den Funktionen von Ovar
und Uterus und sind infertil. Hingegen sind Entwicklung und Funktion der
Brustdrüsen normal. Im Gegensatz dazu zeigen PR-B -/- Mäuse ein normales
Ansprechen und ungestörte Funktion von Ovarien und Uterus während das
Wachstum der Brustdrüsen reduziert ist.
Hieraus läßt sich schließen, daß PR-A für die normale Funktion von Uterus und Ovar
und somit für Fertilität unerlässlich ist, während PR-B notwendig ist, um
Brustdrüsengänge wachsen und differenzieren zu lassen (Conneely 2002).
22

Da ER und PR oft im Tumorgewebe exprimiert sind, wachsen ER- und/oder PR-
positive Mammakarzinome häufig hormonabhängig. Andererseits können diese
Rezeptoren durch Selektive-Estrogen-Rezeptor-Modulatoren (SERM) wie z.B.
Tamoxifen und Raloxifen oder durch gewebespezifische reine Antiöstrogene
(Fulvestrant) inaktiviert und dadurch das Tumorwachstum gebremst werden.
Prinzipiell besteht daher die Möglichkeit, die Proliferation durch eine gerichtete
medikamentöse Intervention zu behindern, und die Prognose der Patientinnen mit
ER-/PR-positiven Tumoren ist besser als die einer Patientin mit ER/PR-negativem
Tumor (Balleine R 2000). Weiterhin ist bekannt, daß PR-negative Tumoren eine
höhere Wahrscheinlichkeit für Metastasen haben und daher als aggressivere
Tumoren eingestuft werden (Balleine R 2000).
Die genaue Bedeutung der einzelnen Rezeptor-Isoformen für die Onkogenese und
das Verhalten der Mammakarzinome ist noch unklar. Es gibt Hinweise darauf, daß es
während der Entwicklung eines Mammakarzinoms zu einer verstärkten ERα- und
verringerten ERβ-Expression kommt; hingegen nehmen die Expressionslevel mit
fortschreitender maligner und damit entdifferenzierender Entwicklung wieder ab
(Leygue 1998; Kurebayashi 2000; Roger 2001). Dies legt eine Dysregulation der
Östrogenwirkung nahe und läßt eine pathogenetische Bedeutung der überwiegenden
ERα-Form vermuten. Eine neuere Untersuchung von Suzuki mit IHC- und PCR-
Detektion des ERα in 102 bzw. 30 Patientinnen zeigte eine positive Korrelation von
ERα-Expression und schlechter Prognose (Suzuki 2004). Die Bedeutung von ERβ
für die Prognose des Mammakarzinoms wird kontrovers diskutiert (Dotzlaw 1997;
Jarvinen 2000; Jensen 2001; Fuqua 2003). Ebenso könnte die Expression von ERβ
für die gelegentlich beobachtete Tamoxifenresistenz ERα-positiver Tumoren
verantwortlich sein (Speirs 1999).

Auch die Expression der PR-Isoformen ist bei der Tumorigenese und im etablierten
Mammakarzinom vermutlich dysreguliert und häufig überwiegt die Expression des
PR-A gegenüber der des PR-B (Mote 2002). Während PR-A und PR-B bei benignen
23

proliferativen Brustläsionen in nahezu 100% exprimiert sind, nimmt der PR-
Expressionsgrad bei DCIS (PR-A 65%/PR-B 75%) und invasiven Karzinomen (PR-
A 66%/PR-B55%) ab – im Verhältnis ist dabei der PR-A meist stärker exprimiert als
der PR-B (Ariga 2001).

1.3.2.2 Die Androgenrezeptoren (AR) und der Androgenrezeptor-Koaktivator
FHL-2

AR:
Auch die AR existieren in zwei Isoformen: dem AR-B und dem AR-A, die erstmals
1994 in humanen Fibroblasten nachgewiesen wurden (Wilson 1994). Analog zum PR
werden auch die Isoformen des AR durch Starten der Translation an verschiedenen
Orten eines identischen Gentranskripts generiert und AR-A ist am N-Terminus 188
Aminosäuren kürzer als AR-B. Damit unterscheiden sich die AR-Isoformen analog
zu    den    PR-Isoformen     in    der      ligandenunabhängigen   N-terminalen
Transaktivierungsdomäne (AF-1).
Der AR-B ist, mit Ausnahme des adulten Lymphknotengewebes, in allen fetalen und
adulten Geweben nachweisbar (Wilson 1996): die Expression ist in männlichen und
weiblichen reproduktiven Organen am deutlichsten (Prostata > Ovar > Endometrium
> Uterus). AR-A ist in praktisch allen fetalen Geweben, jedoch nicht in adulten
Geweben von Kolon, Lung und Niere nachweisbar und hier beträgt das Verhältnis
von AR-A zu AR-B durchschnittlich 1 zu 10.

Trotz der strukturellen Ähnlichkeit zwischen PR und AR erscheinen die
funktionellen Unterschiede zwischen AR-A und AR-B nicht so deutlich ausgeprägt
wie beim PR-A und PR-B.
Zoppi fand 1993 bei der Untersuchung einer Familie mit kompletter testikulärer
Feminisierung nur geringe Mengen einer gekürzten Form des AR (Zoppi 1993);
diese stellte sich später als AR-A-Isoform heraus (Wilson 1994; Wilson 1996). In
24

einer in-vitro Studie mit Zellinien konnte gezeigt werden, daß die Rezeptor-
Isoformen auf verschiedene Androgen-Agonisten und –antagonisten ähnlich
reagieren, sofern beide Isoformen in gleichen Mengen exprimiert sind (Gao 1998).
Da aber in-vivo der AR-B deutlich überwiegt (AR-A : AR-B = 1:10) ist das bei
dieser Familie beschriebene funktionelle Defizit des AR-A eher eine Folge der
geringeren Expression als auf eine strukturbedingte Abweichung zurückzuführen.

Klinisch-therapeutisch relevant ist der Androgenrezeptor bisher vor allem beim
Prostata-Karzinom, wo analog zum Mammakarzinom über antihormonelle Therapie
das Tumorwachstum kontrolliert werden kann.
Die Rolle der AR beim Mammakarzinom ist noch nicht im Detail erforscht. Bekannt
ist, daß der AR-B sowohl in 70-90% der primären Mammakarzinome als auch in ca
70% der Fernmetastasen exprimiert wird; zudem besteht eine positive Korrelation
zum ER/PR-Status. (Lea 1989; Kuenen-Boumeester 1992; Isola 1993). Auffällig ist,
daß der AR auch in ER/PR-negativen, schlecht differenzierten Tumoren relativ
häufig exprimiert wird (Moinfar 2003).
Abgesehen von der bekannten Funktion der Androgene als virilisierende und anabole
Hormone ist bei Mammakarzinomzellinien jedoch auch eine wachstumshemmende
Wirkung     beschrieben    worden:   Man   postuliert,   daß   die   Effekte   einer
Medroxyprogesteronacetat (MPA)-Therapie auch über den AR gesteuert werden. Es
wurde gezeigt, daß MPA die Proliferation von ER/PR-negativen Zellinien hemmend
beeinflußt, wenn diese den AR exprimieren (Hackenberg 1993).

Ob die AR als prognostische und/oder prädiktive Faktoren beim Mammakarzinom
geeignet sind, ist noch unklar.
25

FHL-2:

Ein Ko-Aktivator des AR ist das FHL-2 (Four-and-a-half-LIM-domains 2). FHL-2
enthält vier LIM-Domänen und eine N-terminale halbe LIM-Domäne. LIM-
Domänen sind durch ein doppeltes Zink-Finger-Motiv charakterisiert, worüber
direkte Protein-Protein-Interaktionen mit LIM-enthaltenden Proteinen oder anderen
Protein-Klassen vermittelt werden können ( Jurata and Gill, 1998; Dawid et al 1998).

FHL-2 wurde als gewebespezifischer Koaktivator des AR beschrieben (Muller
2000). Ursprünglich wurde FHL-2 in Prostataepithelien und Myozyten beschrieben;
spätere Untersuchungen wiesen auch eine Expression in anderen Geweben sowie
Prostata-, Ovarialkarzinomen sowie Mammakarzinom-Zellinien nach (Muller 2000;
Nessler-Menardi 2000; Magklara 2002; Gabriel 2004).
In Anwesenheit des Liganden Dihydrotestosterons interagiert FHL-2 spezifisch mit
AR-B, jedoch nicht mit anderen nukleären Rezeptoren derselben Familie (GR, MR,
PR, Thyroid-Hormon-Rezeptor, Retinoid-Acid-Receptor). Durch diese Interaktion
wird die Transkriptionsaktivität des AR - zum Beispiel für das prostata-spezifische
Zielgen Probasin – gesteigert. Diese Wirkung von FHL-2 fand sich bei keinem der
anderen nukleären Rezeptoren, wie z.B. ER, VDR, TR.

Eine mögliche Assoziation des FHL-2 mit der Entstehung des Mammakarzinoms
ergibt sich aus der Interaktion zwischen BRCA1 und FHL-2, die zu einer erhöhten
Transaktivierung führte (Yan 2003). Die genaue Relevanz bei der Tumorgenese ist
jedoch noch ungeklärt.

1.3.2.3 Der Vitamin-D-Rezeptor (VDR)

Der VDR unterscheidet sich im Aufbau von den Steroidhormonrezeptoren - wie z.B.
AR, PR, AR - vor allem durch die sehr kurze N-terminale Domäne. Der wichtigste
26

Ligand ist das 1-α,25-Dihydrocholecalciferol, die biologisch aktive Form des
Vitamin-D3 (VD3).

Die vielfältigen biologischen Wirkung des VD3 werden durch den VDR und diverse
Kofaktoren vermittelt und sind in Abb. 5 schematisch dargestellt (Haussler 1997;
Haussler 1998; MacDonald 2001).
Die klassische Funktion – die endokrine Regulation der Calciumhomöostase über die
intestinale Calciumresorption - ist dabei nur ein Teilaspekt.

Abb. 5: Physiologische Wirkungen des VDR und seines Liganden 1- ,25-
dihydroxycholecalciferol (1,25(OH)2-D3): Die aktive Form des Vitamin-D,
1,25(OH)2-D3, bindet an den nukleären VDR, der als Transkriptionsfaktor and der
Regulation des Knochenstoffwechsels (Ca-, Phosphat-Homöostase) beteiligt ist.
Darüberhinaus spielt VD3 für die Funktion von Makrophagen, die Sekretion des
Parathormons und die Erhaltung der epidermalen Integrität eine wichtige Rolle.
Viele dieser Effekte werden durch VDR-regulierte Transkription bestimmter
Zielgene gesteuert, die auch an Zellproliferation, Differenzierungsvorgängen und
Apoptose beteiligt sind (Welsh 2003).
27

Die gewebespezifische Wirkung des VD3 läßt sich über den Metabolismus des
Vitamin-D zur seiner biologisch aktiven Form VD3 beschreiben. Abb. 6 zeigt die
organ-spezifischen Wege der Aktivierung. Hieraus lassen sich sowohl die
systemisch-endokrine    Wirkungsweise     des   VD3     –   die   Regulation    der
Calciumhomöostase – als auch die lokalen parakrin und autokrin vermittelten Effekte
verstehen.

Abb 6: Metabolismus und Aktivierung des Vitamin-D (Welsh 2003):
Vitamin-D ist in Form des Ergocalciferols (D-2) oder Cholecalciferols (D-3) in der
Nahrung enthalten und wird über den Gastrointestinaltrakt absorbiert. Zusätzlich
kann der Körper in sonnenexponierter Haut VD3 aus Vorstufen synthetisieren, die
vom Cholesterin abstammen. Die metabolische Aktivierung des VD3 zum
1,25(OH)2-D3 erfolgt in der Leber, Niere und denjenigen Zielgeweben, die über das
entsprechende Enzym vefügen (z.B. Haut, Prostata, Colon, Brust). Die Aktivierung
28

in der Niere und Freisetzung ins Blut führt hauptsächlich zur systemisch-endokrinen
Wirkung,    Aktivierung     in    spezifischen   Zielgeweben      vermittelt   lokal-
parakrine/autokrine Effekte zur Zellregulation. 25-OHASE: 25-hydroxylase; 1 -
OHASE: 1 -hydroxylase.

Der VDR spielt auch für die Differenzierung und Proliferation von Tumorzellen eine
Rolle: Es konnte gezeigt werden, daß VD3 die Proliferation von myeloiden Maus-
Leukämiezellen hemmt und die Differenzierung zu Makrophagen induziert (Abe
1981). Dies führte zu der Idee, VD3 im Sinne einer Differenzierungstherapie
einzusetzen (Zhao 2001). Mit Blick auf die klinische Anwendung wurden VD3-
Analoga synthetisiert, um die als potentielle Nebenwirkung zu erwartende
Hyperkalzämie zu kontrollieren, ohne dabei den antiproliferativen Effekt zu
verlieren. Es wurde gezeigt, dass Calcitriol und seine Analoga die Proliferation von
Mammakarzinomzellinien sowohl in vitro (Frampton 1983; Simpson 1986; Hansen
1994; Vandewalle 1995) als auch im Tiermodell (Colston 1989) hemmen können.
Darüberhinaus konnte gezeigt werden, dass es zu einer VDR-abhängigen Hemmung
der Invasion und Migration in vitro sowie zur Hemmung der Angiogenese in vivo
kommt (Hansen 1994; Mantell 2000). Eine neuere Untersuchung anhand eines
etablierten Nacktmaus-Modells für Knochenmetastasen (Arguello 1988) zeigte für
das   Vitamin-D-Analogon     EB     1089   sowohl    präventive    Wirkung     gegen
Knochenmetastasierung als auch verlängertes Überleben der Versuchstiere (El
Abdaimi 2000).
Im Hinblick auf die bereits etablierte Therapie des Mammakarzinoms wurde eine
durch Antiöstrogene vermittelte Potenzierung der antiproliferativen Wirkung
verschiedener Vitamin–D-Analoga gefunden (Love-Schimenti 1996). Ferner konnte
Vitamin-D die Empfindlichkeit von Mammakarzinomzelllinien für Zytostatika
steigern (Ravid 1999; Wang 2000).
VD3 und seine Analoga werden zur Zeit nicht nur als Adjuvans bei schon
bestehender Erkrankung eingesetzt, sondern auch im Hinblick auf ihre Eignung zur
Chemoprävention des Mammakarzinoms untersucht (Welsh 2003).
29

Es gibt jedoch auch Daten, die auf eine proliferationsfördernde Wirkung des VD3 bei
Malignomen hinweisen: So ist die VDR-Expression in Karzinomen von Mamma und
Kolon im Gegensatz zu der anderer Steroidhormonrezeptoren hochreguliert, was auf
eine VDR-abhängige oder zumindest beeinflusste Proliferation hindeutet (Cross
1996; Friedrich 1998).
VD3 hat ein pleiotropes Wirkspektrum, was unter anderem auf die regulatorische
Wirkung bestimmter Metaboliten beim enzymatischen Umbau durch das Enzym
25(OH)D3-24-Hydroxylase (CYP24) zurückgeführt wird (Rashid 2001). So konnte
an Leukämiezellen in vitro gezeigt werden, daß 1α,24(R),25(OH)3-D3 hauptsächlich
pro-proliferativ wirkt, wohingegen das ursprüngliche 1,25(OH)2-D3 und ein weiteres
Zwischenprodukt, das 1α25(OH)2-24-oxo-D3, hauptsächlich pro-differenzierend
wirken (Campbell 1999).

1.4 Bone Sialo Protein (BSP)

Das Bone Sialo Protein (BSP) ist ein Glykoprotein, das etwa 12% der nicht-
kollagenen Knochenmatrix darstellt und wird normalerweise von Osteoblasten und
Osteoklasten produziert (Fisher 1983; Fisher 1990).
BSP vermittelt die Adhäsion zwischen Osteoklasten bzw. Osteoblasten und der
extrazellulären Knochenmatrix und reguliert die Knochenmineralisierung (Fisher
1983; Fisher 1990; Bianco 1991; Raynal 1996).
BSP kommt hauptsächlich in der Knochenmatrix vor, ist aber auch in
Weichteilgeweben     (z.B.   Plazenta)   und   verschiedenen   malignen   Tumoren
nachgewiesen worden (Bianco 1991; Bellahcene 1994; Bellahcene 1997; Bellahcene
1998; Bellahcene 2000b; Carlinfante 2003; Detry 2003).

Die Bedeutung des BSP wird hauptsächlich im Rahmen des osteotropen
Metastasierungsverhalten beim Mammakarzinom gesehen:
30

Das   Bone    Sialoprotein   wurde      erstmals      in   einer    immunhistochemischen
Untersuchung von Bellahcene mit dem Osteotropismus des Mammakarzinoms in
Verbindung    gebracht    (Bellahcene       1994).    Es    wurde     gezeigt,   daß    eine
immunhistochemisch nachweisbare BSP-Expression im Mammakarzinomgewebe
mit einer selektiven Knochenmetastasierung korreliert; Zusammenhänge mit
etablierten prognostischen Faktoren wie zum Beispiel Lymphknotenstatus, ER/PR-
Status konnten jedoch nicht festgestellt werden (Bellahcene 1996a). Weitere Studien
an diversen Tumorgeweben, bestätigten eine solche Assoziation und postulierten das
BSP als potentiellen prädiktiv-prognostischen Faktor für Knochenmetastasierung
beim Mamma- und auch Prostata-Karzinom (Bellahcene 1996a; Bellahcene 1996b;
Waltregny 1998; Waltregny 2000; Diel 2001). Weiterhin konnte in-vitro und in-vivo
gezeigt werden, daß BSP-Expression auch Proliferation, Migration und Angiogenese
bei Mammakarzinomzellen fördert (Sung 1998; Bellahcene 2000a).
Abgesehen von den Primärtumoren wurde BSP auch in den Metastasen
verschiedener Mammakarzinome nachgewiesen; BSP war hierbei fast immer in
ossären Metastasen exprimiert, konnte aber auch in Weichteilmetasasen detektiert
werden (Waltregny 2000; Sharp 2004).

Nachdem das BSP initial meist immunhistochemisch in Tumorgewebe untersucht
wurde, folgte 1997 die Beschreibung im Serum bei malignen Knochenkranheiten
(Withold 1997) sowie die Entwicklung eines kommerziellen Radio-Immuno-Assays
zur Untersuchung des BSP im Serum (Karmatschek 1997).
Diel zeigte 1999 in einer Studie mit 388 Mammakarzinom und einem medianen
follow-up    von   20    Monaten,    dass    17      von   jenen    19   Patientinnen   mit
Knochenmetastasen im Vergleich zu neun Patientinnen mit selektiv-viszeraler
Metastasierung einen signifikant erhöhten präoperativen Serum-BSP-Spiegel hatten.
Die Serumkonzentration von BSP korrelierte aber nur mit der Größe des
Primärtumors und mit keinem anderen prognostischen Faktor. In der multivariaten
Analyse konnte der erhöhte präoperative Serum-BSP-Spiegel (>2.4ng/l) als
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wichtigster unabhängiger prädiktiver Faktor für Knochenmetastasen ermittelt werden
(P < 0.001; relative risk, 94; Spezifität 96.7%, Sensitivität 89.5% (Diel 1999).
Fedarko zeigte jedoch, daß BSP – und auch Osteopontin (OPN) – im Serum an den
Komplementfaktor H gebunden sind, was Tumorzelllinien vor Komplement-
vermittelter Attacke schützen kann; zudem können erst nach Dissoziation hiervon die
totalen Serum-Konzentrationen des BSP gemessen werden (Fedarko 2000). Darauf
aufbauend wurde ein neuer Assay entwickelt, der Serum-BSP und OPN-Levels nach
Dissoziation vom Komplement H bei Patienten mit verschiedenen Tumorarten
(Colon, Brust, Prostata, Lunge) maß. Hier konnte zwar eine Spezifität für
Tumorpatienten versus Nicht-Tumorpatienten, jedoch nicht für spezielle Tumorarten
gefunden werden (Fedarko 2001).
Abgesehen von der Komplexierung des BSP mit anderen Proteine, gibt es das
prinzipielles   Problem,   daß    Serumproteine     nicht   notwendigerweise       einem
spezifischen Syntheseort – in diesem Fall den Tumorzellen - zuzuordnen sind.

Die genannten Rezeptoren (ER, PR, AR und VDR) und das BSP sind demnach
Beispiele für einerseits etablierte (ER, PR), andererseits postulierte (AR, VDR, BSP)
prognostische oder prädiktive Faktoren beim Mammakarzinom.
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2. Fragestellung und Ziel der Arbeit

Obwohl     die   Heilungschancen     bei      Mammakarzinom   durch   verbesserte
Früherkennung und multimodale Therapiekonzepte gestiegen sind, entwickelt doch
ein beachtlicher Anteil der Patientinnen Fernmetastasen. Meist treten diese im
Verlauf der Nachsorge auf; in 1-5% wird jedoch schon bei der Erstdiagnose des
Tumors auch eine Fernmetastasierung diagnostiziert.
Zur Therapie des Mammakarzinoms stehen je nach Tumorstadium lokale,
systemische und (neo)adjuvante Maßnahmen zur Verfügung. Bei der adjuvanten
Therapie Hormonrezeptor-positiver Tumoren spielen Substanzen eine wichtige
Rolle, die den Rezeptor blockieren und dadurch die hormoninduzierte Proliferation
des Tumors hemmen. Analog zur Inhibierung des ER durch Tamoxifen kann die
Signaltransduktion membranständiger Rezeptoren der Epidermal-growth-factor
(EGF)-Rezeptor-Familie (Her1, Her2, Her3, Her4) durch spezifische Antikörper
gehemmt werden.

Im Rahmen der vorliegenden Studie sollte retrospektiv untersucht werden, ob die
Expression von Steroidhormonrezeptoren (ER, PR, AR), einem AR-Kofaktor (FHL-
2), dem Vitamin-D-Rezeptor und dem BSP mit dem Metastasierungsverhalten
primärer Mammakarzinome korreliert.

Tumoren von Patientinnen mit primärer Fernmetastasierung (nur Knochenmetastasen
vs. nur Weichteilmetastasen) wurden ausgewählt, um die Expression von AR, VDR,
FHL-2 und BSP immunhistochemisch zu analysieren. Als Kontrolle dienten
Tumoren von Patientinnen, die bei Diagnose und mindestens fünf Jahre nach
Primärtherapie rezidivfrei geblieben waren.
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