Prävention von Masern, Mumps und Röteln - Richtlinien und Empfehlungen

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Richtlinien und Empfehlungen

Prävention von Masern, Mumps und Röteln
Juni 2003
Bundesamt für Gesundheit (BAG), Schweizerische Kommission für Impffragen (SKIF)

   Das Wichtigste in Kürze
   Das Ziel des MMR-Präventionspro-      hat Masern 1995 eliminiert,                der und ein Jugendlicher sind gestor-
   gramms ist es, die Bevölkerung vor    Mumps und Röteln 1996. Notwen-             ben, 68 mussten hospitalisiert wer-
   Masern, Mumps und Röteln und          dig dazu ist eine Durchimpfung von         den (fünf wegen einer Enzephalitis).
   deren Komplikationen zu schützen.     95% mit zwei Dosen MMR im
   In Übereinstimmung mit den Län-       Kleinkindesalter.
   dern Europas und der Weltgesund-                                                 Impfung
   heitsorganisation (WHO) sollen Ma-
   sern in der Schweiz eliminiert und    Epidemiologie                              Empfohlen sind 2 MMR-Impfungen
   Mumps und Röteln weitgehendst                                                    im Alter von 12 und 15–24 Mona-
   eingedämmt werden (Mumps:             In der Schweiz gab es im Jahr 2001         ten. Zwischen den beiden Dosen
Bundesamt für Gesundheit
                     Prävention von Masern, Mumps und Röteln
         Juni 2003

                     Herausgeber
                     © Bundesamt für Gesundheit (BAG)

                     Aktuelle Version im Internet
                     www.bag.admin.ch/infinfo

                     Weitere Informationen
                     Bundesamt für Gesundheit
                     Direktionsbereich Öffentliche Gesundheit
und Empfehlungen

                     Abteilung Übertragbare Krankheiten
                     3003 Bern
                     Telefon 031 323 87 06
                     epi@bag.admin.ch
Richtlinien

                     Autoren

                     Bundesamt für Gesundheit
                     Direktionsbereich Öffentliche Gesundheit, Abteilung Übertragbare Krankheiten

                     Schweizerische Kommission für Impffragen (SKIF)
                     G. Bachmann, Zürich; H. Binz, Solothurn; C. Bourquin, Bern; D. Desgrandchamps, Baar; F. Gurtner, Bern; D. Koch, Bern;
                     L. Matter, Basel; F. Méan, Lausanne; U. Schaad, Basel; J. Roffler, Genf; H-P. Roost, Bern; R. Seger, Zürich; C.-A. Siegrist, Genf; R. Stef-
                     fen,
                     Zürich; B. Vaudaux, Lausanne; H. Zimmermann, Bern. Unter der Mitarbeit von D. Stürchler (Stürchler Epidemiologics), Büren.

                     Referenzierungsvorschlag
                     Bundesamt für Gesundheit, Schweizerische Kommission für Impffragen. Prävention von Masern, Mumps und Röteln. Richtlinien und
                     Empfehlungen (ehemals Supplementum XII). Bern: Bundesamt für Gesundheit, 2003

                     Diese Publikation erscheint auch in französischer Sprache.

                     BAG-Publikationsnummer
        2            BAG OeG 11.06 1500 d 1000 f 20EXT0609/20EXT06010

                     Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier
Bundesamt für Gesundheit
Prävention von Masern, Mumps und Röteln

                                        manifeste Immunschwäche sind           Erkrankungen, UIE in der Anam-
                                        Kontraindikationen. Eine irrtümliche   nese (von Anaphylaxie abgesehen)
  Unerwünschte     Impferscheinun-      Impfung während der Schwanger-         und      durchgemachte       Masern,
  gen (UIE)                             schaft ist aber kein Grund für einen   Mumps und Röteln schränken die
                                        Schwangerschaftsabbruch. Bei an-       Anwendung nicht ein. MMR-Imp-
  Etwa 2% der Geimpften entwickeln      geborener Immunschwäche ist die        fung verursacht keine Epilepsie,
  milde Masern, 0,1% eine Parotitis,    MMR-Impfung im Allgemeinen             präventive antiepileptische Behand-
  und 5–10% der geimpften Frauen        kontraindiziert. Bei erworbener Im-    lung ist nicht nötig und Antiepilep-
  (nicht Kinder) eine transitorische    munschwäche (HIV-Infektion) ist die    tika sind keine Kontraindikation. Kin-
  Röteln-Arthropathie. Der Impfung      Impfung nur bei asymptomatischen       dern mit Krampfleiden in der Anam-
  zuzuschreibende UIE treten bei        Personen möglich, wenn die Zahl        nese ist prophylaktisch Paracetamol
  38,5      der CD4-Lymphozyten noch genü-         zu verabreichen.
  °C) bei 3%. Viel seltener sind Fie-   gend Immunkompetenz anzeigt. Da
  berkrämpfe (1:10 000), idiopathi-     MMR-Impfviren nicht von Person zu
  sche thrombozytopenische Purpura      Person übertragen werden, können       Vorgehen bei
  (ITP) (1:30 000) und Impfenzephali-   Haushaltmitglieder        Immunge-     Krankheitsausbrüchen
  tis (1:200 000, kausaler Zusammen-    schwächter geimpft werden.
  hang nicht definitiv erwiesen).                                              Als Ausbrüche gelten ≥2 laborbestä-
  Potenzierung von UIE durch simul-                                            tigte Fälle am gleichen Ort. Ausbrü-
  tane Anwendung mehrerer Anti-         Anwendungseinschränkungen              che sind dem Kantonsarzt (durch
  gene ist nicht zu befürchten. Mor-    (Impfen ist unter Auflagen mög-        den Arzt und das Labor) und dem
  bus Crohn, Autismus und Guillain-     lich)                                  BAG (durch das Labor) zu melden.
  Barré-Syndrom sind nicht kausal mit                                          Der behandelnde Arzt und der Kan-
  der MMR-Impfung verknüpft. UIE        Bei Personen, die Kortikosteroide      tonsarzt sprechen das Vorgehen ab.
  sind meldepflichtig.                  (Prednisonäquivalent 2 mg/kg/Tag       Erkrankte Kinder sind während der
                                        oder ≥20 mg/Tag während >14 Ta-        Dauer der Infektiosität vom Schul-
                                        gen), Blutprodukte oder Immunglo-      besuch zu dispensieren. Ausbrüche

                                                                                                                        Juni 2003
  Kontraindikationen (Impfen ist        buline erhalten, muss die Impfung      bieten die Gelegenheit, den Impf-
  nicht erlaubt)                        aufgeschoben werden. Nach idiopa-      status zu überprüfen und die Not-
                                        thischer thrombozytopenischer Pur-     wendigkeit der MMR-Impfung in
  Bestehende Schwangerschaft, Ana-      pura (ITP) sind Nutzen und Risiken     Erinnerung zu rufen. Impfung der
  phylaxie nach Impfung, und klinisch   individuell abzuwägen. Harmlose        ungeschützten       Kontaktpersonen

                                                                                                                        und Empfehlungen
Häufig verwendete Abkürzungen
BAG    Bundesamt für Gesundheit
                                                                                                                        Richtlinien

MMR    Masern-Mumps-Röteln
UIE    Unerwünschte Impferscheinung
WHO    Weltgesundheitsorganisation

                                                                                                                        3
Bundesamt für Gesundheit
                     Prävention von Masern, Mumps und Röteln

                     Inhaltsverzeichnis
                     Das Wichtigste in Kürze                                                                                                 1
                     Impressum                                                                                                               2
                     Einleitung                                                                                                              5
                              Ziele                                                                                                          5
                              Methoden                                                                                                       5
                              Rationale                                                                                                      5
                     Epidemiologie                                                                                                           5
                              International                                                                                                  5
                                Tabelle 1: Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln in Westeuropa und der Schweiz                              6
                              Schweiz                                                                                                        6
                                Tabelle 2: Geschätzte Häufigkeit klinischer Masern-, Mumps- und Röteln-Fälle in der Schweiz vor und
                                           nach Einführung des nationalen MMR-Impfprogramms 1987                                             6
                                Tabelle 3: Durchimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln, Schweiz 1991–98                                      7
                                Tabelle 4: Prävalenz von IgG-Antikörpern gegen Masern, Mumps und Röteln bei Schweizer Neugeborenen,
                                           1994–99                                                                                           7
                     Klinik                                                                                                                  8
                              Masern                                                                                                         8
                              Mumps                                                                                                          8
                              Röteln                                                                                                         9
                     Impfung                                                                                                                 9
                              Impfstoffe                                                                                                     9
         Juni 2003

                                Tabelle 5: In der Schweiz zugelassene und im Rahmen des Nationalen Impfprogramms empfohlene
                                           Impfstoffe gegen Masern, Mumps und Röteln (Juni 2003)                                             9
                              Wirksamkeit                                                                                                    9
                              Immunogenität                                                                                                 10
                              Impfversager                                                                                                  10
                              Unerwünschte Impferscheinungen (UIE)                                                                          10
                                Tabelle 6: Übersicht über die Häufigkeit von Komplikationen nach natürlicher Infektion und von
                                           unerwünschten Impferscheinungen (UIE) nach Impfung                                               11
                                Tabelle 7: Meldungen von unerwünschten Impferscheinungen (UIE) in Zusammenhang mit der
und Empfehlungen

                                           MMR-Impfung (BAG und SANZ),1991–2001                                                             11
                                Tabelle 8: Arztbesuche 30 Tage vor und 30 Tage nach zweiter MMR-Dosis mit 4–6 oder 10–12 Jahren             12
                                Tabelle 9: Häufigkeit von UIE nach Impfung seronegativer Frauen in der Postpartalzeit mit Rötelnimpfviren
Richtlinien

                                           (RA 27/3) oder Placebo (NaCl), Kanada 1989–92                                                    13
                              Impfvisite                                                                                                    14
                     Impfempfehlungen                                                                                                       14
                              Indikationen                                                                                                  14
                              Kontraindikationen                                                                                            15
                                Tabelle 10: Zahl der CD4-Zellen, die bei HIV-Infektion ein schweres Immundefizit anzeigt                    15
                              Anwendungseinschränkungen                                                                                     15
                              Impfpromotion                                                                                                 15
                     Krankheitsausbrüche                                                                                                    16
                              Masernausbrüche                                                                                               16
                              Mumpsausbrüche                                                                                                16
                              Rötelnausbrüche                                                                                               16
                     Anhang: Internet- und Kontaktadressen                                                                                  17
        4            Literatur                                                                                                              18
Bundesamt für Gesundheit
Prävention von Masern, Mumps und Röteln

Einleitung                                 mination nur möglich ist, wenn ≥ 95%         ungeimpften Minderheiten auftreten
                                           der Bevölkerung unempfänglich sind           [20, 21], oder wenn Europa Erkrankun-
                                           und das Virus nicht übertragen.              gen nach Übersee exportiert [22]. Um
Ziele                                                                                   nicht zum Insel-Reservoir zu werden,
                                           Strategie                                    muss die Schweiz die weltweiten An-
Ziel des MMR-Präventionsprogramms          Die Impfung adoleszenter Mädchen             strengungen zur Elimination mittragen.
in der Schweiz ist der Schutz der          gegen Röteln in der Schweiz hat
Bevölkerung vor Masern (M), Mumps          gezeigt, dass eine auf Risikogruppen
(M), und Röteln (R) und deren Kompli-      ausgerichtete Strategie nicht aus-
kationen, und die Umsetzung der            reicht: zwar schützt sie die Betroffe-
von der Weltgesundheitsorganisation        nen, aber die Viruszirkulation unter-
                                                                                        Epidemiologie
(WHO)für Europa formulierten Ziele         bricht sie nicht, und Erkrankungen
[1]:                                       nicht immuner und durch die Impfung
– Elimination der einheimischen Ma-        nicht geschützter Personen sind wei-         International
  sern bis 2007                            terhin möglich. Gleiche Erfahrungen
– Reduktion der Mumpserkrankungen          haben andere Länder mit der Röteln-          Trotz aller Anstrengungen sind Ma-
  bis spätestens 2010 auf eine Inzi-       und Masern-Impfung gemacht [5, 9,            sern noch immer ein Gesundheitspro-
  denz von
Bundesamt für Gesundheit
                     Prävention von Masern, Mumps und Röteln

                     Tabelle 1
                     Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln in Westeuropa und der Schweiz a

                                                                       SF         S           DK         UK          NL          D            F          I          CH
                     Jahr               Programmbeginn                 1982       1982        1987       1988        1987        1980         1986       1982       1987
                                        Zweidosenprogramm              1982       1982        1987       1996        1987        1991         1997       2000       1996
                     Alter              1. Dosis (Monate)              14–18      14–18       12–15      12–18       12–15       11–14        12–15      12–15      12
                                        2. Dosis (Jahre)               6          11–12       11–12      3–7         9           1,5          3–7        5–6        1,5
                     Masern
                       Vorkommen                                       –          –           gering     gering      gering      erhöht       erhöht     erhöht     erhöht
                       Durchimpfungb                                   98%        97%         88%        92%         94%         ≤ 80%        83%        56%        80%
                       Fälle/105                                       20%        25%         ?            >30%       >30%       >25%
                     a
                         Hauptsächlich nach [27] und [28]. CH=Schweiz, D=Deutschland, DK=Dänemark, F=Frankreich, I=Italien, NL=Niederlande, S=Schweden, SF=Finnland,
                         UK = Vereinigtes Königreich.
                     b
                         Mit einer Dosis MMR im Zeitraum 1995–96 (Alter nicht angegeben).

                     1999 kam es zu einem Masernaus-                        Sentinellasystem mitmachen, melden                 2000 sind hochgerechnet um 600
                     bruch mit 2961 Patienten [20].                         Masern, Mumps und Röteln einmal                    Krankheitsfälle aufgetreten. Das me-
                     Alle Länder der Europäischen Union                     pro Woche an das BAG. Ärzte in der                 diane Alter der Patienten beträgt rund
                     haben mittlerweile Programme mit                       Swiss Paediatric Surveillance Unit                 9 Jahre. Der Altersmedian hat von 1986
                     zwei MMR-Dosen implementiert (Ta-                      (SPSU) erfassen die im Spital beob-                bis 1996 nicht zugenommen. In den
                     belle 1). In Finnland, Schweden und                    achteten Fälle von kongenitalen Rö-                60er Jahren gab es in der Schweiz ge-
                     Dänemark, die seit den 80er Jahren                     teln und melden sie an das BAG. Labo-              mäss der Todesfallstatistik des Bundes-
                     zwei Dosen einsetzen, sind die Ma-                     ratorien müssen Masernnachweise                    amtes für Statistik (nur Hauptdiagno-
                     sern eliminiert oder die Inzidenz ist auf              einmal pro Woche an den Kantonsarzt                sen) im Durchschnitt sieben Masern-
                     ein sehr tiefes Niveau abgesunken.                     und das BAG melden.                                todesfälle/Jahr, 1985–94 waren es
                     Deutschland, Grossbritannien und                                                                          0,4/
                     Frankreich haben zwischen 1991 und                     Fallzahlen                                         Jahr [35]. Die Zuverlässigkeit der Dia-
         Juni 2003

                     1997 ihre Programme mit einer zwei-                    Die Angaben in der Tabelle 2 sind ap-              gnosen in der Todesfallstatistik ist
                     ten Dosis ergänzt. Im 2001 hat                         proximativ und beruhen zum grossen                 nicht bekannt (zur Letalität bei Masern
                     Deutschland die erste MMR-Dosis auf                    Teil auf Hochrechnungen der Senti-                 siehe Abschnitt Klinik).
                     11–14 Monate und die zweite Dosis                      nella-Meldungen von 1987–2000.
                     auf 15–23 Monate vorverlegt [14].                                                                         Mumps
                                                                            Masern                                             Die Mumpsimpfung wird seit 1981 für
                                                                            Die MMR-Impfung ist seit 1969 ver-                 Kleinkinder empfohlen. In den Jahren
                     Schweiz                                                fügbar. Die Masernimpfung wird seit                1994–95 hat die Schweiz eine ausge-
                                                                            1976 für Kleinkinder empfohlen und                 dehnte Epidemie erlebt [35]. Eine er-
                     Überwachung [29–31]                                    ist seit 1987 Teil eines nationalen Pro-           neute Epidemie trat 1999–2000 auf.
                     Seit 1999 müssen Ärzte Masernfälle                     gramms [33]. Der seit 1980 rückläu-                Schätzungsweise 16 000 Personen
und Empfehlungen

                     innerhalb einer Woche dem Kantons-                     fige Trend ist diesem Programm zuzu-               sind 1999 erkrankt, im 2000 etwa
                     arzt melden. Meldekriterium ist die kli-               schreiben. In den Jahren 1987 (schät-              28 000. Neben der unzureichenden
                     nische Trias Fieber, makulopapulöses                   zungsweise 11 000 Fälle) und 1997                  Durchimpfung hat insbesondere die
                     Exanthem, und Husten, Rhinitis oder                    (>6000 Fälle) traten Masern epide-                 ungenügende Wirksamkeit der Imp-
Richtlinien

                     Konjunktivitis. Ärzte müssen auch la-                  misch auf [34]. Bleibt die Durchimp-               fung mit dem Impfstamm Rubini
                     borbestätigte Rötelninfektionen bei                    fung gleich oder nimmt sie ab, sind in             (siehe Abschnitt Wirksamkeit) zu die-
                     Neugeborenen und Schwangeren                           der Zukunft weiterhin Epidemien                    ser Situation beigetragen.
                     melden. Ärzte, die bei dem freiwilligen                zu erwarten. Im nicht epidemischen

                     Tabelle 2
                     Geschätzte Häufigkeit klinischer Masern-, Mumps- und Röteln-Fälle in der Schweiz vor und nach Einführung des nationalen
                     MMR-Impfprogramms 1987
                                                1980a          1990b         1995c         1996         1997           1998           1999             2000          2001
                     Masern                   33 000            2500         1400         2000          6400           2000             800           600             700
                     Mumps                    41 000            9000        50 800       12 800         5500           8000          17 100        28 100          10 000
                     Röteln                   44 000            4500         1800         2900          3600           1800           1400          1200            1200
                       Konnatal                  4–5               ?             2            1            0              0               1             0               0
                     a
                         In den 80er Jahren wurde bereits geimpft, die Durchimpfung ist allerdings nicht bekannt. Die Fallzahlen wurden auf 73000 Geburten und anhand des ver-
                         muteten Manifestationsindexes (Masern: 90%, Mumps: 70%, Röteln: 60%) und der geschätzten Durchimpfung (Masern: 50%, Mumps: 20%, Röteln: 0%)
                         berechnet.
        6            b

                     c
                         Ab 1990 auf die Schweiz hochgerechnete Sentinella-Meldungen [29].
                         Ab 1995 wurden konnatale Röteln durch die SPSU erfasst. 1995–2000 gab es in der Schweiz vier Fälle (zwei sichere Fälle, einen möglichen und einen frag-
                         lichen Fall) [32]. Die Rötelnimpfung ist seit 1973 für Mädchen am Schulende empfohlen.
Bundesamt für Gesundheit
Prävention von Masern, Mumps und Röteln

Röteln                                               Für die Schweiz fehlen regelmässig                 Zeitpunkt der Impfungen zu einer
Die Rötelnimpfung ist seit 1973 für                  erhobene repräsentative Angaben.                   Überlastung des noch unreifen Im-
Mädchen am Schulende und seit 1981                   Aufgrund verschiedener Studien ha-                 munsystems führen würden und die
für alle Kleinkinder empfohlen. In der               ben in der Schweiz um 80% der Klein-               Annahme, dass eine natürliche Erkran-
Periode 1977–1986, als die Impfung                   kinder, 85% der Erstklässler und 90%               kung für die Entwicklung der Kinder
bereits angewendet wurde, wurden                     der Schulabgänger eine Masern-,                    wichtig sei [42–44].
aufgrund der medizinischen Statistik                 Mumps- und Rötelnimpfung erhalten
der Spitäler (VESKA, heute H+) und                   (Tabelle 3) [37–41 und BAG unveröf-                Seroprävalenz
einer ergänzenden Umfrage bei den                    fentliche Daten]. Bei Achtklässlern (Al-           Die Impfung und die natürliche Infek-
nicht an der Statistik teilnehmenden                 ter                                 13–            tion hinterlassen Antikörper. Von 649
Spitälern 45 Fälle von kongenitalen                  15 Jahre) in der Stadt Zürich erreichte            Achtklässlern waren 1995–96 seropo-
Röteln (4–5/Jahr) eruiert; 1995–2000                 die Durchimpfung mit einer Dosis                   sitiv: 92% auf Masern (Geimpfte:
waren es noch vier Fälle (0–1/Jahr).                 1995–96 sogar 95% [39]. Gesamt-                    94%, Ungeimpfte: 80%), 87% auf
Der rückläufige Trend ist dem Impfpro-               schweizerisch wird die für Masern-Eli-             Mumps (Geimpfte: 89%, Ungeimpfte:
gramm zuzuschreiben. Subklinisch in-                 mination erforderliche Schwelle von                81%) und 84% auf Röteln (Geimpfte:
fizierte Erwachsene können Röteln in                 ≥ 95% jedoch meist nicht oder zu spät,             91%, Ungeimpfte: 70%) [39]. Die hohe
die Familie tragen und ungeimpfte                    das heisst erst im Schulalter erreicht.            Seroprävalenz bei Ungeimpften deu-
Schwangere gefährden [36]. Im Jahr                   Neben der anhaltenden Viruszirkula-                tet auf anhaltende Zirkulation von
2000 sind in der Schweiz etwa 1300                   tion besteht dann das Risiko, dass                 Wildviren hin. In diagnostischen Ser-
Personen an Röteln erkrankt. Die Zahl                Erkrankungen in jüngere (
Bundesamt für Gesundheit
                     Prävention von Masern, Mumps und Röteln

                     geht Neugeborenen in den ersten             Pneumonie und 68 (2,2%) wurden               Je nachdem, ob prospektiv, retrospek-
                     6–12 Lebensmonaten verloren [48,49]         hospitalisiert [20]. Das mediane Alter       tiv oder bei Ausbrüchen untersucht
                     Nach 6 Monaten sind ≥90% der Neu-           der Patienten betrug 6 Jahre. In einer       wird, kann die mediane Letalität 2,5%,
                     geborenen ungeschützt (Tabelle 4).          Nachbefragung von 162 Patienten mit          0,1% oder 3,7% betragen [61]. Die
                     Auch in einer Studie von 1991–92            bestätigten Masern oder Masernver-           WHO bezifferte die globale Masern-
                     waren 6–11 Monate alte Säuglinge nur        dacht betrug die Komplikationsrate           letalität 1998 auf 3% [8]. Etwa 60%
                     noch in 6–16% seropositiv [45]. Auch        insgesamt 25% [52]. Auch nach Ma-            der Todesfälle gehen auf das Konto
                     gestillte Säuglinge verlieren diesen        sern kann eine idiopathische thrombo-        bakterieller Pneumonien.
                     Leihschutz. Bei Frühgeburten ist die        zytopenische Purpura auftreten.
                     Schutzdauer auf 2–4 Monate verkürzt.        Kinder mit Immunschwäche und                 Diagnostik
                                                                 schwangere Frauen haben ein erhöh-           Die klinische Diagnose des sporadi-
                                                                 tes Risiko von Komplikationen. Ma-           schen Falls ist unzuverlässig [25, 62].
                                                                 sern in der Schwangerschaft scheinen         Neben Masern- und Rötelnviren
                                                                 das Risiko von Spontanaborten, vor-          können Epstein-Barr-Viren (Mononu-
                     Klinik                                      zeitigen Wehen und niedrigem Ge-             kleose), diverse Enteroviren, Herpes-
                                                                 burtsgewicht zu erhöhen [2,53].              viren (Exanthema subitum) und Parvo-
                                                                 Die genaue Häufigkeit der Masernen-          viren (Erythema infectiosum), HIV,
                     Die Klinik wird hier mit Blick auf die      zephalitis ist umstritten. Diese Kompli-     ß-hämolytische Streptokokken (Schar-
                     MMR-Impfung          zusammengefasst.       kation ist in Ländern mit hoher              lach) und Medikamente (Penicilline,
                     Angaben zur Häufigkeit von Komplika-        Impfakzeptanz mittlerweile selten und        Cephalosporine, Sulfonamide) Exan-
                     tionen weisen zum Teil erhebliche           neue Angaben fehlen. Surveillance-           theme verursachen [2, 3, 51]. Zur
                     Bandbreiten auf (Tabelle 7). Diese          Daten aus der Vorimpfära belegen             Bestätigung der Diagnose sind Labor-
                     Schwankungen erklären sich durch            eine Häufigkeit von 0,05–0,3% [2,3,6].       untersuchungen nötig. Bei Masernver-
                     unterschiedliche oder fehlende Defini-      In Helsinki wurden die bei hospitalisier-    dacht sind schon beim ersten Arztbe-
                     tionen (z.B. betreffend Konvulsion          ten, 1 Monat bis 16 Jahre alten Kindern      such virologische oder serologische
                     oder                                        1968–1987 diagnostizierten Enzephali-        Tests angezeigt. Für den Virusnach-
                     Seropositivität [50]), unvollständige Er-   tiden ausgewertet [54]. Die Studie er-       weis sind Urin oder ein Abstrich von
                     fassung (z.B. Aborte, Hörschäden            fasste in 15 Jahren 46 Masern-Enze-          der Mundschleimhaut geeignet. Virus-
                     oder Todesfälle nach Enzephalitis oder      phalitiden auf 225 000 Masernfälle,          isolation erlaubt falls notwendig durch
         Juni 2003

                     Pneumonie) und unterschiedliche             was einer Häufigkeit von 1/5000 ent-         Sequenzierung die Unterscheidung
                     Denominatoren (Infizierte, ambulante        spricht. Vor Beginn des nationalen           von Wild- und Impfviren [63].
                     Patienten oder Hospitalisierte).            Impfprogramms 1982 waren die häu-
                                                                 figsten Enzephalitiserreger Mumps-,
                                                                 Masern-, Varicella-Zoster-Virus (VZV)        Mumps
                     Masern                                      und Mycoplasma pneumoniae, nach
                                                                 1982 waren es VZV, Enteroviren und           Manifestation
                     Manifestation                               Mycoplasma pneumoniae. Im Masern-            15–30% aller Infektionen sind inappa-
                     Fast alle (≥90%) Infektionen sind ap-       ausbruch in den Niederlanden wurden          rent. Die Inkubationszeit beträgt 14–
                     parent. Die Inkubationszeit beträgt 7–      fünf (0,2%) von 2961 Patienten wegen         21 Tage. Mumps ist charakterisiert
                     18 Tage. Masern sind charakterisiert        Enzephalitis hospitalisiert [20]. In einer   durch mono- oder bilaterale Schwel-
und Empfehlungen

                     durch Fieber (>38 °C), Husten, Rhinitis,    älteren Studie waren ein Drittel der         lung der Speicheldrüsen, meist der Pa-
                     Konjunktivitis, ein makulopapulöses         Kinder, die eine Masernenzephalitis          rotis [3,51].
                     Exanthem und ein Enanthem [3,51].           überlebten, bleibend behindert [55].
                     Durchgemachte Masern hinterlassen           Die subakute sklerosierende Panen-           Komplikationen
Richtlinien

                     lebenslange Immunität.                      zephalitis (SSPE) ist eine seltene töd-      Komplikationen kommen auch nach
                                                                 lich verlaufende Spätfolge von Masern        inapparenter Infektion vor [64].
                     Komplikationen                              (ca. 1:100 000) [56–58].                     Mumps-Orchitis kann 1⁄3 aller postpu-
                     Im Jahr 1963 wurden in England                                                           bertär erkrankten Männer betreffen.
                     53 008 Masernpatienten nach Kompli-         Letalität                                    Bei einem Ausbruch auf St. Lawrence
                     kationen befragt: 1% wurde hospitali-       Von den 1963 in England durch eine           Island hatten 25% der männlichen
                     siert, die Häufigkeit schwerer Bron-        Umfrage erfassten Masernpatienten            Personen aller Altersgruppen (52/205)
                     chitis    oder   Pneumonie      betrug      starben 12 von 53 008 (22/100 000)           eine Orchitis; bei >15 Jahre alten
                     38/1000, die der Enzephalitis 1/1000.       [59]. Beim Ausbruch in den Niederlan-        Männern stieg der Prozentsatz auf
                     Häufige Masern-Komplikationen sind          den starben drei von 2961 Patienten:         38% [64]. Aseptische Meningitis be-
                     Otitis media (bei 7–9%) und bakte-          zwei Kleinkinder und ein Jugendlicher        trifft 5–15% der Mumpspatienten und
                     rielle Pneumonie (bei 1–6%), in Ent-        [20]. Beim Ausbruch in Rumänien              ist häufiger bei Männern als bei
                     wicklungsländern auch Diarrhöe. In          1996–98 mit 32 915 Fällen war die Le-        Frauen [65,66]. Oft tritt sie auch ohne
                     der Schweiz erleiden etwa 15% der           talität bei Ungeimpften knapp 0,1%,          Parotitis auf. Meningeale Zeichen sind
                     Masernpatienten eine Komplikation,          bei Einmalgeimpften 0,05%, bei Zwei-         noch häufiger: bei einem Mumpsaus-
                     ca. 2% werden hospitalisiert und bei        malgeimpften 0% [60]. Die Masernle-          bruch unter Teenagern in Südengland
                     0,1% tritt eine Enzephalitis auf. Beim      talität ist bei Kleinkindern und Erwach-     1996 gaben vier von 30 (13%) Erkrank-
        8            Ausbruch in den Niederlanden 1999           senen höher als bei Schulkindern und         ten starke Kopfschmerzen oder Na-
                     hatten von 2961 Patienten 196 (6,6%)        Adoleszenten, und in Entwicklungs-           ckensteifigkeit an [67]. In Kanada in
                     eine Otitis media, 156 (5,3%) eine          ländern höher als in Industrieländern.       den 80er Jahren wurde bei 4% der
Bundesamt für Gesundheit
Prävention von Masern, Mumps und Röteln

Mumpspatienten eine Pankreatitis di-                kontrolliert; 4% hatten Spontanaborte,              aviären Zelllinien gezüchtet. In auf
agnostiziert [68]. Für transitorische               54% hatten therapeutische Aborte,                   Hühnerzellen gezüchteten Impfstof-
Hörstörungen wird eine Häufigkeit                   2% hatten Totgeburten und 43% von                   fen sind durch hochsensitive Metho-
von 4–6% angegeben. Viel seltener ist               269 Neugeborenen hatten einen kon-                  den defekte aviäre, endogene Retrovi-
die Mumps-Enzephalitis. Die Bedeu-                  genitalen Rötelninfekt [69]. In England             ren und das aviäre Leukosevirus nach-
tung                       permanenter              wurde die Häufigkeit kongenitaler                   gewiesen worden. Nach heutigem
Hörschäden nach Mumps und die                       Röteln vor Einführung der Impfung auf               Wissensstand sind solche Viren nicht
Stellung der Mumps-Pankreatitis bei                 200–300 Fälle pro Jahr geschätzt.                   auf Impflinge übertragbar [74–76].
Diabetes sind noch unklar. Infertilität             Zusätzlich waren jährlich etwa 740                  Trivalente (MMR) Produkte sind die
nach Mumps wird häufig gefürchtet;                  Schwangerschaftsabbrüche auf Rö-                    Impfstoffe der ersten Wahl. Die Im-
das Risiko ist allerdings nicht überzeu-            telninfektionen zurückzuführen [167].               munogenität der beiden in der Tabelle
gend nachgewiesen.                                  Auf die Schweiz bezogen ergäbe dies                 aufgeführten MMR-Impfstoffe ist ver-
                                                    jährlich etwa 25–35 Fälle kongenitaler              gleichbar [77].
Diagnostik                                          Röteln und 90 Schwangerschaftsab-
Die klinische Diagnose kann im Einzel-              brüche. Die idiopathische thrombozy-                Kühlkette
fall schwierig sein [25], besonders bei             topenische Purpura (ITP) nach Röteln                Alle Produkte sind thermolabil und
isolierter Pankreatitis, Orchitis oder              hat eine Häufigkeit von 1:3000 [2,                  müssen bei +2 bis +8°C transportiert
Oophoritis. Neben serologischen Tests               137, 138].                                          und gelagert werden. Zu Lagerung
ist der Virusnachweis aus Speichel,                                                                     und Haltbarkeit sind die Angaben der
Blut oder Liquor möglich [67].                      Diagnostik                                          Hersteller zu beachten.
                                                    Rötelninfektionen müssen laborbestä-
                                                    tigt werden, besonders Röteln in der                Kosten
Röteln                                              Schwangerschaft und bei Neugebore-                  Der Publikumspreis der Kombinations-
                                                    nen.                                                präparate liegt bei 45–47 Franken.
Manifestation                                                                                           Die Krankenversicherer übernehmen
25–50% aller Infektionen sind inappa-                                                                   nach Krankenpflege-Leistungsverord-
rent. Die Inkubationszeit beträgt 14–                                                                   nung (KLV, Artikel 12 Buchstabe f) die
23 Tage. Röteln beim Erwachsenen                                                                        Kosten für zwei MMR-Impfdosen [78].
sind eine meist milde, fieberhafte
                                                    Impfung

                                                                                                                                                 Juni 2003
Krankheit mit oder ohne Exanthem
[51]. Kongenitale Röteln sind charakte-                                                                 Wirksamkeit
risiert durch sensorische, kardiale,                Impfstoffe
neurologische und andere Defekte [3].                                                                   Masernimpfung
Durchgemachte Röteln hinterlassen                   Produkte                                            Bei Immunkompetenten ist die
meist eine lebenslange Immunität.                   In der Schweiz sind Mitte 2003 sechs                Schutzwirkung     einer    Impfdosis
Einzelfälle von kongenitalen Röteln                 empfohlene Produkte zugelassen: vier                >90%. Neuere Angaben zur Wirksam-
sind sowohl nach früherer natürlicher               monovalente und zwei trivalente [72,                keit wurden bei Ausbrüchen gewon-
Rötelninfektion wie auch bei Geimpf-                73]. Die Verfügbarkeit der monovalen-               nen:                               in
ten beschrieben.                                    ten Impfstoffe ist stark eingeschränkt.             Luxemburg betrug die Schutzwirkung
                                                    Alle Produkte enthalten attenuierte                 95% [79]; in Rumänien betrug sie

                                                                                                                                                 und Empfehlungen
Komplikationen                                      Lebendviren (Tabelle 5). Sechs Pro-                 nach einer Dosis 89%, nach zwei Do-
Um 30% der Frauen mit Röteln haben                  dukte enthalten Neomycin, fünf Gela-                sen 96% [60]; in Colorado (USA) war
akute Arthralgie oder Arthritis. Viel sel-          tine. Die verwendeten Masern-Impfvi-                sie nach einer Dosis 92%, nach zwei
tener sind Spontanabort, fetale Em-                 ren (Edmonston-Enders, Edmonston-                   Dosen 100% [80]. In Kanada können
                                                                                                                                                 Richtlinien

bryopathie und kongenitale Röteln. In               Zagreb und Schwarz) sind miteinander                zwei MMR-Dosen wahlweise mit 12
England wurden 1976–78 966 Frauen                   verwandt und von Wildviren unter-                   und
mit in der Schwangerschaft erworbe-                 scheidbar [63]. Die verwendeten Impf-               18 Monaten oder mit 12–15 Monaten
ner, bestätigter Rötelninfektion nach-              viren werden auf humanen oder                       und 4–6 Jahren verabreicht werden. In

Tabelle 5
In der Schweiz zugelassene und im Rahmen des Nationalen Impfprogramms empfohlene Impfstoffe gegen Masern, Mumps und
Röteln (Juni 2003)
Virus                  Produkt                        Impfstamm                      Zellkultur               Begleitstoffe a        auf SLb
Masern                 Attenuvax® c                   Edmonston-Enders (EE)          aviär                N         G           HA   ja
                       Moraten® c                     Edmonston-Zagreb (EZ)          human                          G           LA   nein
Mumps                  Mumpsvax® c                    Jeryl-Lynn (JL)                aviär                N         G           HA   ja
Röteln                 Meruvax II® c                  Wistar-RA 27/3 (RA)            human                N         G           HA   ja
MMR                    M-M-R II®                      EE + JL + RA                   aviär-human          N         G           HA   ja
                       Priorix®                       Schwarz + RIT-4385 + RA        aviär-human          N                     HA   ja
a
    G = Gelatine (unverändert oder modifiziert), HA = Human-Albumin, LA = Lact-Albumin, N = Neomycin.
b

c
    Spezialitätenliste des Bundesamtes für Sozialversicherungen.                                                                                 9
    Zurzeit nicht verfügbar (Zukunft?).
Bundesamt für Gesundheit
                     Prävention von Masern, Mumps und Röteln

                     Ontario (Kanada) wurden 1990–96           die Impfung je nach Falldefinition eine    Nach Impfung mit den Impfstämmen
                     5542 Masernfälle und 16 587 Kontrol-      Schutzwirkung von 95–100% [103].           Jeryl-Lynn und Urabe serokonvertie-
                     len verglichen. Die beste Schutzwir-                                                 ren 83–100% der Geimpften [86, 107,
                     kung konnte durch zwei nach dem 12.                                                  108, 116]. Rubiniviren sind weniger
                     Lebensmonat verabreichte Dosen er-        Immunogenität                              immunogen als Jeryl-Lynn-Viren [66,
                     reicht werden [81]. Einen noch besse-                                                77,
                     ren Schutz erzielen drei Dosen [82].      Nicht alle Antikörper korrelieren mit      117]. Die Antikörpertiter fallen mit
                     Zur Elimination der Masern ist eine       Schutz, und ihre Bedeutung ist nicht       der Zeit ab. In Finnland fiel der Anteil
                     hohe Durchimpfung mit zwei Dosen          immer klar (zum Beispiel postexposi-       Personen mit nachweisbaren Antikör-
                     notwendig [10, 23, 25].                   tioneller Titeranstieg bei Personen, die   pern in 4 Jahren auf 76%; nach einer
                                                               vor Krankheit geschützt sind [104]).       zweiten Dosis und weiteren 5 Jahren
                     Der Schutz ist ab der 2. Woche nach       Vermutlich reaktivieren Exposition         betrug der Anteil 86% [116]. In
                     Impfung voll wirksam [83]. Nach einer     oder Boosterimpfungen B-Lymphozy-          Schweden wiesen 12 Jahre nach do-
                     Studie aus den 70er Jahren hält die       ten, die Antikörper produzieren, und T-    kumentierter Impfung noch 73% von
                     Schutzwirkung über viele Jahre an:        Lymphozyten, die virusinfizierte Zellen    229
                     nach 0–4, 5–9 und 10–14 Jahren            eliminieren. Immunogenitätsstudien         Kindern neutralisierende Antikörper
                     machten 1% (2/187), 2% (11/661) be-       sind auch wegen unterschiedlicher se-      auf [118].
                     ziehungsweise 3% (8/308) der              rologischer Methoden und Cutoffs mit
                     Geimpften Masern durch (Ungeimpfte        Vorsicht zu interpretieren. Inwieweit      Rötelnimpfung
                     wurden nicht untersucht) [84]. Bei ei-    eine Exposition durch MMR-Wildviren        Der Anteil der Serokonversionen nach
                     nem Ausbruch in Arkansas (USA) von        zur Reaktivierung der Immunität, res-      Impfung ist 95–100% [107, 108, 119].
                     1986 war die Wirksamkeit einer Ma-        pektive zum Aufrechterhalten von           Die Beurteilung des Schutzes vor
                     sernimpfung im Alter von ≥12 Mona-        nachweisbaren Antikörpern beiträgt,        Röteln anhand von Antikörpern ist
                     ten 92%; 0–4, 5-9, 10–14 und 15–19        ist noch nicht bekannt.                    schwierig, besonders wenn niedrige
                     Jahre nach Impfung war die Masern-                                                   Titer vorliegen [120–124]. Immerhin
                     Attackrate 0%, 1%, 5% und 10% [85].       Masernimpfung                              scheinen Titer von ≥15 IU/ml im ELISA
                                                               Neutralisierende Antikörper korrelie-      oder EIA Schutz anzuzeigen. In Finn-
                     Mumpsimpfung                              ren mit Schutz [104–106]. Bei einer        land wurde die Antikörperkinetik nach
                     Eine Dosis des Jeryl-Lynn Impfstoffs      Epidemie in Taiwan wurde festge-           Impfung mit RA27/3-Impfviren (Ta-
         Juni 2003

                     ergab in den 60er Jahren eine Schutz-     stellt, dass neutralisierende Antikörper   belle 5) mittels EIA verfolgt. Fünfzehn
                     wirkung von 95% (bei Nachkontrollen       sowohl vor Erkrankung (>500 mIU/ml)        Jahre nach Erstimpfung (im Alter von
                     bis 20 Monate nach Impfung) [86]. Der     als auch vor Re-Infektion (>1000 mIU/      14–18 Monaten) und 11 Jahre nach
                     gleiche Impfstoff erreichte bei Ausbrü-   ml) schützen [105].                        Wiederholungsimpfung (mit 6 Jahren)
                     chen in den USA Schutzwirkungen           Die Serokonversionsrate beträgt nach       hatten noch 69% Titer ≥15 IU/ml
                     von 75–91% [66]. Ausbrüche unter re-      Erstimpfung im Alter von 9 Monaten         [119]. Auch andere Studien weisen da-
                     ligiösen Gemeinschaften in London,        um 85%, mit 12 Monaten um 95%              rauf hin, dass die Immunantwort viele
                     New York, Israel und Russland zeigen,     und mit 15–18 Monaten um 98–100%           Jahre lang anhält [120, 125, 126].
                     dass Einmaldosen keinen lebenslan-        [106–108]. Die Impfung mit attenuier-
                     gen Schutz verleihen [87]. Zum nach-      ten Viren erzeugt niedrigere Antikör-
                     haltigen Schutz vor Mumps sind zwei       per-Titer als eine natürliche Infektion.   Impfversager
und Empfehlungen

                     Impfdosen empfohlen [25]. Zahlreiche      Antikörper sind in der 2. Woche nach
                     in den letzten Jahren durchgeführte       Impfung nachweisbar, früher als nach       Primäre Impfversager entwickeln
                     Studien zur Wirksamkeit der Mumps-        natürlicher Infektion. Maximale Titer      nach Anwendung eines wirksamen
                     impfung ergaben ohne Ausnahme             werden nach 1 Monat erreicht [6]. Ohne     Produkts keine messbare Immunant-
Richtlinien

                     eine ungenügende Wirksamkeit des          Re-Exposition fallen die Titer im Lauf     wort. Sekundäre Impfversager erkran-
                     Rubini-Impfstammes [88–99]. Die           der Zeit allmählich ab [109,110]. Die      ken trotz messbarer initialer Immun-
                     WHO hat denn auch im Jahr 2001 die        Halbwertszeit der Antikörpertiter be-      antwort. Fehlen Angaben über die
                     Empfehlung herausgegeben, den Ru-         trägt 2–12 Jahre [111, 112]. Vier bis      Kühlkette und die verwendete Charge,
                     bini-stamm in nationalen Impfpro-         11 Jahre nach Impfung waren noch           bleibt bei Primärversagern unklar, ob
                     grammen nicht mehr zu verwenden           81% von 1490 Kindern seropositiv           eine Immunantwort ausbleibt, weil
                     [65]. Die SKIF und das BAG schlossen      [113], 12 Jahre nach Impfung in einer      der Geimpfte nicht auf das Impfanti-
                     sich                                      andern Studie noch 99% von 193 Kin-        gen reagierte, oder die verwendete
                     dieser Empfehlung an [73].                dern [109]. Sechs Jahre nach Zweit-        Charge überaltert oder temperaturge-
                                                               impfung hatten alle 40 Teilnehmer          schädigt war.
                     Rötelnimpfung                             messbare neutralisierende Antikörper,      Nach einer Impfdosis ab Alter 12 Mo-
                     Die experimentelle Infektion von 28       aber teilweise niedrige Titer [110].       nate ist der Anteil der Primärversager
                     Freiwilligen 12 Monate nach Impfung                                                  auf 1% bis maximal 10% zu veran-
                     ergab eine Schutzwirkung von 93%          Mumpsimpfung                               schlagen [3,127]. Viele Primärversager
                     [100]. Bei einer Epidemie in Taiwan       Zelluläre Immunität scheint von Be-        (Hyporesponder) reagieren auf eine
                     wurde eine Wirksamkeit von 94–97%         deutung. Auch neutralisierende Anti-       zweite, nach einem Mindestabstand
                     ermittelt [101], bei einer Epidemie in    körper korrelieren nicht regelmässig       von 4 Wochen verabreichte Dosis, mit
 10                  Maine (USA) 8 Jahre nach Impfung          mit Schutz [115]. Ein Schwellenwert        einer adäquaten Immunantwort. Nach
                     eine solche von 90% [102]. In einer       für protektive Immunität ist nicht         Wiederholungsimpfung ist der Anteil
                     Primarschule in Frankreich erreichte      bekannt.                                   der Primärversager
Bundesamt für Gesundheit
Prävention von Masern, Mumps und Röteln

Tabelle 6
Übersicht über die Häufigkeit von Komplikationen nach natürlicher Infektion und von unerwünschten Impferscheinungen (UIE)
nach Impfunga
                 Erscheinung                         Nach Infektion                   Quelle          Nach Impfung                Quelle
                                                     (pro 106 Erkrankteb)                             (pro 106 Geimpftec)
MMR              Anaphylaxie                         *                                                1–10                        [131, 132]
                 Konvulsionen                        5000–7000                                        3–385                       [133–136]
                 Thrombopenie/ITP                    330                                              31–34                       [137, 138]
Masern           Otitis media                        70 000–90 000                                    *
                 Pneumonie                           10 000–60 000                                    *
                 Enzephalitis                        200–2000                         [20, 54, 59]    0,6–1,6 (4,7e)              [131, 135, 139]
                 Tod                                 220–1000                         [20, 59, 60]    Einzelfälle                 [132]
Mumps            Aseptische Meningitis               50 000–100 000                                   8–100 (Urabe)               [136, 140]
                                                                                                      0–1 (Jeryl-Lynn)            [141, 174, 175]
                 Sensorische Hörstörung              50–50 000                                        *
                 Mumpsorchitis (씹)                   25 0000                          [64]            *
                 Pankreatitis                        40 000                           [68]            *
                 Enzephalitis                        250                                              0,3                         [135]
Röteln           Arthralgie/Arthritis (씸)            300 000–520 000                  [135]           150 000                     [135]
                 Kongenitale Rötelnd                 76–3200–10 200                   [7, 70, 71]     0                           [7]
                 Abort                               1800                             [7]             *
                 Taubheit                            880                              [7]             *
                 Enzephalitis                        40–160                           [7]             *
a
  Nach [2, 3, 6, 132], sofern keine Referenzen angegeben sind.
b
  Denominator ist die (geschätzte) Zahl der Erkrankten in der Allgemeinbevölkerung.
c
  Denominator ist die geschätzte Zahl der Geimpften. Bei Eindosis-Programmen entspricht die Zahl der Geimpften in etwa der Zahl der verwendeten Impf-
  dosen.
d
  Bei kongenitalen Röteln ist der Denominator Neugeborene.

                                                                                                                                                        Juni 2003
e
  Leningrad-Stamm.
* = keine Daten.

Tabelle 7
Meldungen von unerwünschten Impferscheinungen (UIE)* in Zusammenhang mit der MMR-Impfung (BAG und SANZ),
1991–2001
                                                                             MMR-Impfung
Erscheinung                              allein                              kombiniert mit                     Total

                                                                                                                                                        und Empfehlungen
                                                                             anderen Impf.
Neurologische                            12                                  4                                  16
  Meningitis                                    3                                0                                   3                                  Richtlinien
  Enzephalitis                                  1                                1                                   2
  Guillain-Barré-Syndrom                        2                                1                                   3
  Andere                                        6                                2                                   8

Allergische                              10                                  9                                  19
   Urtikaria                                    7                                6                                   13
   Anaphylaktische Reaktion                     0                                2                                    2
   Bronchospasmus                               2                                1                                    3
   Quincke-Ödem                                 1                                0                                    1

Entzündliche/infektiöse                  18                                 16                                  34
  Fieber +/- Exanthem                           12                               10                                  22
  Parotitis                                      4                                1                                   5
  Idiopathische Thrombozytopenie                 1                                1                                   2
  Haarverlust                                    1                                0                                   1
  Andere                                         0                                4                                   4

Ausgeprägte Lokalreaktionen                 4                                4                                   8
Total                                    44                                 33                                  77
                                                                                                                                                        11
* unabhängig, ob ein kausaler Zusammenhang besteht oder nicht.
Bundesamt für Gesundheit
                     Prävention von Masern, Mumps und Röteln

                     Tabelle 8
                     Arztbesuche 30 Tage vor und 30 Tage nach zweiter MMR-Dosis mit 4–6 oder 10–12 Jahrena
                                                                                           Alter 4–6 Jahre                       Alter 10–12 Jahre
                                                                                           vor MMR nach MMR                      vor MMR nach MMR
                     Besuche/1000 Personen-Monate                                          5,6          3,6                      2,1          3,8

                     Odds ratio vorher/nachher (95%-Konfidenzintervall)                    0,64 (0,40–1,01)                      1,45 (1,00–2,10)
                     a
                         In vier Modell-HMOs der USA mit sechs Millionen Versicherten. Besuche wegen Exanthem, Gelenkschmerz, Konvulsionen, Fieber,
                         Lymphadenopathie, Malaise, Ödem, neurologischen und muskuloskeletalen Beschwerden. Nach [141].

                                                                        lingspaaren in Finnland wurden angeb-             stelle. In dieser Art äussert sich 48–
                                                                        lich mit der MMR-Impfung assoziierte              96 Stunden postvakzinal die lokale
                     Unerwünschte Impferscheinungen                     UIE genau untersucht [129,130]. Kau-              Neomycinallergie (die nicht als Kontra-
                     (UIE)                                              sal assoziierte UIE hatten eine Häufig-           indikation gilt) [2]. Systemische Aller-
                                                                        keit von nur 6%. Am deutlichsten imp-             gien sind selten (Tabelle 6) und rei-
                     Tabelle 6 gibt eine Übersicht über die             fassoziiert war Fieber >38.5° C. UIE              chen von generalisierter Urtikaria bis
                     Häufigkeit von Komplikationen nach                 wie Diarrhöe kamen mit MMR-Imp-                   zum anaphylaktischen Schock.
                     natürlicher Infektion und von uner-                fung und Plazebo gleich oft vor, Nau-
                     wünschten Impferscheinungen (UIE)                  sea                                               Fieber
                     nach MMR-Impfung.                                  war nach Plazebo häufiger als nach                In der finnischen Zwillingsstudie er-
                                                                        MMR-Impfung.                                      reichte Fieber > 38,5 °C nach MMR-
                     In der Schweiz wurden von 1991 bis                                                                   Impfung an den Tagen 7–12 eine Inzi-
                     2001 77 Meldungen von UIE erfasst:                 Risikofaktoren                                    denz von 3,5/100/Tag, nach Placebo
                     44 nach MMR allein, 33 nach MMR in                 UIE begünstigende Faktoren sind Al-               eine solche von 1,1/100/Tag [130]. Am
                     Kombination mit andern Impfungen.                  ter und Geschlecht.                               deutlichsten war die Differenz zwi-
                     Die in Zusammenhang mit der MMR-                                                                     schen MMR und Placebo (3,9%) an
                     Impfung ans BAG und die Schweizeri-                Alter                                             den Tagen 9–10 nach Impfung. Hin-
         Juni 2003

                     sche Arzneimittel-Nebenwirkungszen-                In den USA wurden bei 4–6-Jährigen                gegen bestand keine Differenz an den
                     trale (SANZ) gemeldeten UIE sind,                  und 10–12-Jährigen die Arztbesuche                Tagen 1–6 und 13–21. Die meisten
                     ohne Beurteilung der Kausalität, in                30 Tage vor bis 30 Tage nach einer                Fieber waren mild und von kurzer
                     Tabelle 7 zusammengestellt. Im glei-               zweiten MMR-Dosis verglichen (Ta-                 Dauer.
                     chen Zeitraum wurden drei UIE nach                 belle 8). Schon vor der Impfung fan-
                     Rötelnimpfung registriert. Es handelte             den Besuche wegen Beschwerden                     Fieberkrämpfe nach MMR-Impfung
                     sich um zwei Fälle von Arthritis und               wie Fieber und Exanthemen statt. Be-              kommen vor. In einer grossen Health
                     um eine allergische Reaktion. Es sind              suche nach der Impfung waren in bei-              Maintenance Organisation in den USA
                     keine Meldungen über psychische                    den Gruppen etwa gleich häufig, aber              hatten mit MMR Geimpfte ein knapp
                     Störungen (z.B. Autismus) eingegan-                wegen der höheren Häufigkeit vor der              dreifach höheres Risiko von Fieber-
                     gen. Im genannten Zeitraum wurden                  Impfung bei den 4–6-Jährigen schlos-              krämpfen als Nichtgeimpfte. Die Fie-
und Empfehlungen

                     in der Schweiz etwa 1,1 Millionen                  sen die Autoren auf bessere Verträg-              berkrämpfe traten meist 8–14 Tage
                     Dosen MMR-Impfstoff vertrieben.                    lichkeit in dieser Altersgruppe.                  nach Impfung auf, hatten eine Häufig-
                                                                                                                          keit von 25–34/100 000 geimpfte Kin-
                     Kausalität                                         Geschlecht                                        der, blieben jedoch folgenlos; das
Richtlinien

                     Nicht jede postvakzinale Erscheinung               Nach Röteln und Rötelnimpfung sind                Risiko und die Häufigkeit der nicht fe-
                     ist kausal mit einer Impfung verknüpft;            besonders Frauen (aber nicht Klein-               brilen Krampfanfälle waren bei
                     Ereignisse können zufällig aufeinander             kinder) von Arthralgie und Arthritis be-          Geimpften und Ungeimpften gleich
                     treffen. Kausalität wird anhand von                troffen.                                          [133]. In Australien wurden im nationa-
                     fünf Kriterien bewertet [128]:                                                                       len Kontrollprogramm auf 1,7 Millio-
                     – Konsistenz, d.h. Replizierbarkeit                Lokalreaktionen                                   nen verabreichte MMR-Impfdosen
                        durch verschiedene Beobachter an                Schmerz, Rötung, Schwellung und re-               21 Krämpfe mit Synkope (14/106) re-
                        verschiedenen Orten;                            gionale Lymphadenopathie kommen                   gistriert [134]. Fieberkrämpfe erhöhen
                     – Ausmass des Zusammenhangs                        vor. Diese Lokalreaktionen heilen meist           das Risiko späterer epileptischer oder
                        und, nach Möglichkeit, auch Dosis-              in                                                anderer neurologischer Leiden somit
                        Abhängigkeit;                                   Tagen spontan ab.                                 nicht [2]. Antipyretica können Fieber-
                     – Spezifität, d.h. es wird möglichst nur                                                             krämpfe verhindern, wenn sie prophy-
                        ein Produkt verdächtigt;                        Allergien                                         laktisch verabreicht werden [2]. Fieber
                     – zeitlicher Zusammenhang                          Auslöser können die Impfantigene,                 kann plötzlich auftreten, und Krämpfe
                     – biologische Plausibilität, d.h. zellbio-         (modifizierte) Gelatine [143,144] oder            können schon bei geringgradig erhöh-
                        logische, tierexperimentelle oder               Neomycin sein (Tabelle 5). Hühnerei-              ten Temperaturen beginnen. Bei
                        andere Erklärbarkeit.                           weiss ist dagegen von geringer Be-                Kindern mit Krampfleiden in der Vorge-
 12                  In einer überkreuzten, plazebokontrol-             deutung [144,145]. Lokale Allergien               schichte ist Prophylaxe mit Paraceta-
                     lierten Doppelblindstudie an 581 Zwil-             manifestieren sich als Pruritus, Fle-             mol empfohlen.
                                                                        cken oder Urtikaria um die Injektions-
Bundesamt für Gesundheit
Prävention von Masern, Mumps und Röteln

Tabelle 9
Häufigkeit von UIE nach Impfung seronegativer Frauen in der Postpartalzeit mit Rötelnimpfviren (RA 27/3) oder Placebo
(NaCl), Kanada 1989-92a
Beschwerden                                            RA 27/3               NaCl                  Relatives Risiko
                                                       (n=268)               (n=275)               (95% Vertrauensintervall)
Exanthem                                               25%                   11%                   2,6 (1,6–4,2)
Zervikale Lymphadenopathie                             19%                   10%                   2,2 (1,3–3,8)
Myalgien                                               21%                   16%                   1,4 (0,9–2,1)
Parästhesien                                            7%                    7%                   1,1 (0,6–2,1)
Arthralgie oder Arthritis akutb                        30%                   20%                   1,7 (1,2–2,6)
persistierend                                          22%                   15%                   1,6 (1,0–2,5)
a
    Nach [157]. Beschwerden erfasst durch Hausbesuch im Monat 1, telefonische Nachfrage in den Monaten 3, 6 und 9, Schlussuntersuchung im Monat 12.
b
    Akute Arthralgie bei 21% (RA 27/3) bzw. 16% (NaCl), definiert durch Schmerz. Akute Arthritis bei 9% bzw. 4%, definiert durch Schmerz plus Schwellung,
    Rötung, Hitze, eingeschränkte Bewegung oder Erguss.

UIE nach Masernimpfung                               Arthralgien an und bis zu 15% haben                 Für Schäden, die durch empfohlene
Impfmasern treten bei etwa 2% der                    Zeichen einer Arthritis [7,135,156]. In             Impfungen entstanden und anderwei-
Geimpften auf [135]. Fälle von Enze-                 einer randomisierten, kontrollierten                tig nicht gedeckt sind, leisten die Kan-
phalitis wurden beschrieben. Sie tritt               Doppelblindstudie erhielten seronega-               tone Entschädigung (Epidemiengesetz
5–15 Tage nach Impfung in Erschei-                   tive Frauen postpartal Röteln-Impfvirus             Artikel 23, lit 3) [159].
nung und beginnt in erster Linie mit                 oder Placebo. Akute Arthropathien
Bewusstseinstrübung. In der Literatur                waren bei Geimpften um 5–10% häu-                   Meldepflicht
wird die Häufigkeit mit ca. 1–5/106                  figer als bei Placebo (Tabelle 9) [157].            Gesundheitliche Störungen gelten als
angegeben [131,135,139,146]. Ein                     Bei Kindern sind dagegen Gelenkbe-                  UIE, wenn
kausaler Zusammenhang konnte aller-                  schwerden selten.                                   – ein zeitlicher Zusammenhang mit
dings nie nachgewiesen werden, ob-                   Die Gelenkbeschwerden klingen in                       einer Impfung besteht (im allgemei-
wohl eine biologische Plausibilität                  der Regel in 2 Wochen ab. Chronifizie-                 nen 4 bis 8 Wochen),

                                                                                                                                                               Juni 2003
gegeben ist (erhöhtes Enzephalitisri-                rung ist nicht zu befürchten [7].                   – die Erscheinung hauptsächlicher An-
siko nach Masern durch Wildviren)                    Thrombozytopenie nach natürlichen                      lass für den Arztbesuch ist,
[174,175]. Morbus Crohn, Autismus                    Röteln hat eine Häufigkeit von 330/Mil-             – die Erscheinung keine eindeutige
oder Guillain-Barré-Syndrom sind mit                 lion Erkrankte [156]. Idiopathische                    andere Ursache hat.
Masern und Masernimpfung in Verbin-                  thrombozytopenische Purpura (ITP)                   Ärzte müssen vermutete schwerwie-
dung gebracht worden. Aufwändige                     tritt meist 7–30 Tage nach Impfung                  gende oder bisher nicht bekannte UIE
Untersuchungen haben diese Berichte                  auf. Sie hat eine Häufigkeit von 34–                und vermutete Produktemängel mel-
nicht bestätigt [144, 147–152, 176].                 45/Million Geimpfte [136, 137]. ITP                 den. Todesfälle und lebensbedrohliche
Nach jetzigem Stand des Wissens sind                 kann monatelang dauern und Behand-                  UIE sind unverzüglich zu melden [30,
die genannten Krankheiten nicht kausal               lung mit Kortikosteroiden und Immun-                31, 160]. Meldepflichtig sind u.a.
mit der MMR-Impfung verknüpft. Die                   globulinen erfordern [138].                         ausgeprägte Lokalreaktionen, hohes

                                                                                                                                                               und Empfehlungen
grossen Anwenderzahlen (>300 Mil-                                                                        Fieber, allergische Erscheinungen, Or-
lionen Impfdosen in den USA [65])                    Abklärung von UIE                                   ganerkrankungen wie Arthritis, Labor-
weisen auf die Sicherheit der MMR-                   UIE sind differentialdiagnostisch abzu-             befunde wie Thrombopenie, Hospitali-
Impfung hin und machen die Entde-                    klären. Bei schwereren Komplikatio-                 sationen und bleibende Schäden.
                                                                                                                                                               Richtlinien

ckung neuer UIE wenig wahrschein-                    nen (z.B. Meningitis, Arthritis) muss               Meldungen nehmen die Abteilungen
lich.                                                die Virusisolation versucht werden.                 für klinische Pharmakologie und Toxi-
                                                     Bei allgemeinentzündlichen Reaktio-                 kologie der fünf Universitätsspitäler
UIE nach Mumpsimpfung                                nen sind die entsprechenden Immun-                  Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zü-
Impfparotitis tritt bei 0,1% der Ge-                 parameter (z.B. Rheumafaktoren) zu                  rich und das regionale Pharmacovigi-
impften auf. Aseptische Meningitis                   bestimmen. Allergien sind fachärztlich              lance-Zentrum Lugano entgegen, dring-
nach Urabevirus hatte eine Häufigkeit                abklären zu lassen.                                 liche Meldungen auch die Swissmedic
um 100/106 [136]. Dank guter Surveil-                                                                    (Schweizerisches Heilmittelinstitut1)
lance wurde diese UIE rasch entdeckt                 Therapie von UIE                                    (Adressen im Anhang) [161].
und das Produkt aus dem Handel                       Jeder Impfling soll auf Sofortreaktio-
gezogen [154, 155]. Nach Impfung mit                 nen beobachtet werden. Der Impfarzt                 Risikovergleiche
dem Jeryl-Lynn-Impfstamm ist eine                    muss die Notausrüstung griffbereit                  Wahrscheinlichkeiten sind bevölke-
Meningitis äusserst selten [141, 174,                haben [158]. Anaphylaxie ist dem                    rungsbezogen. Einem Impfwilligen kann
175].                                                Patienten klar mitzuteilen und in den               nicht vorhergesagt werden, ob ein
                                                     Impfdokumenten festzuhalten. Die                    Ereignis für ihn zutrifft oder nicht. Ver-
UIE nach Rötelnimpfung                               Therapie der UIE richtet sich nach der
Impfröteln treten 7–42 Tage nach Imp-                Pathophysiologie. Die meisten UIE                   1
                                                                                                             Aus dem Zusammenschluss der Interkantona-
fung bei bis 15% der Geimpften im                    heilen spontan und vollständig aus.                     len Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) und der   13
Erwachsenenalter auf. Bis zu 25% der                                                                         Facheinheit Heilmittel des BAG im Januar 2002
jungen Frauen geben postvakzinale                    Schadenersatz                                           entstanden.
Bundesamt für Gesundheit
                     Prävention von Masern, Mumps und Röteln

                     gleiche erleichtern die Risikowahrneh-     werden. Voraussetzung ist, dass nicht        tritt in den Kindergarten, spätestens in
                     mung. Das Risiko einer UIE kann mit        durch den gleichen Stichkanal injiziert      der Schule, zwei MMR-Dosen erhalten
                     dem Risiko einer Komplikation nach         wird. Auch verbietet die Galenik, diese      haben. Fehlende Impfungen können je-
                     natürlicher Infektion (Tabelle 6) oder     Produkte zu mischen. Ist simultane           derzeit nachgeholt werden. Diese Emp-
                     mit einem alltäglichen Risiko vergli-      Verabreichung nicht möglich, wird zwi-       fehlungen entsprechen bezüglich dem
                     chen werden.                               schen zwei Lebendimpfstoffen ein             Alter denjenigen in Deutschland [14]
                     Bei Impfung aller Kinder und unter der     Mindestabstand von 4 Wochen emp-             und entsprechen bezüglich dem 2-
                     Annahme durchschnittlicher Manifes-        fohlen. Die MMR-Impfung kann hinge-          Dosen-Schema denjenigen in Westeu-
                     tationsindices (Masern: 90%, Mumps:        gen jederzeit (Stunden, Tage, Wo-            ropa, den USA und Kanada [4, 28]. Eine
                     70%, Röteln: 60%) könnten in der           chen) vor oder nach einer Impfung mit        Masern- oder MMR-Impfung im Alter
                     Schweiz pro Neugeborenenkohorte            Totimpfstoffen verabreicht werden.           9–11 Monate kommt für Säuglinge mit
                     (80 000) und Jahr 72 000 Fälle von         Kombinationen erzeugen in der Regel          hohem Risiko in Betracht. Dies sind
                     Masern, 56 000 Fälle von Mumps und         eine                                         Frühgeburten, Säuglinge in Tages-
                     48 000 Fälle von Röteln vermieden          Immunantwort, die derjenigen der Ein-        pflege, bei Ausbrüchen exponierte
                     werden, dazu Orchitiden, kongenitale       zelkomponenten entspricht.                   Säuglinge und solche, die in Gebiete rei-
                     Röteln, 14–140 Masernenzephalitiden        Dokumentation                                sen, wo Masern noch sehr häufig sind.
                     sowie mehrere Dutzend Maserntote.          Die Einwilligung ist mit einem Eintrag       Auch in Entwicklungsländern werden
                     Als «Preis» würden im gleichen Kol-        in die Krankengeschichte zu dokumen-         Säuglinge vielfach schon mit 9 Monaten
                     lektiv pro Jahr mit 0–30 Fälle von         tieren. Datum, Produkt, Dosis, Appli-        geimpft.
                     Konvulsionen und drei Fälle von ITP        kationsweg, Lot-Nummer und Impf-
                     als Folge der Impfungen auftreten; mit     arzt sind im Impfbüchlein einzutragen.       Erwachsene
                     einer Impfenzephalitis wäre alle 2–                                                     Alle jungen nicht-immunen Erwachse-
                     10 Jahre zu rechnen. Im Zustand der                                                     nen sollen ebenfalls zwei MMR-Do-
                     Elimination bleiben lediglich Impfrisi-                                                 sen (im Abstand von ≥1 Monat) erhal-
                     ken, nach der Eradikation und Einstel-                                                  ten. Diese Empfehlung gilt besonders
                     lung der Impfungen weder Infektions-
                                                                Impfempfehlungen                             für Medizinal- und Pflegepersonal,
                     noch Impfrisiken.                                                                       zum eigenen Schutz und zum Schutz
                                                                                                             der Patienten. Im Spital besteht zu-
                                                                Indikationen                                 dem das Risiko nosokomialer Übertra-
         Juni 2003

                     Impfvisite                                                                              gung [163,164].
                                                                Kinder
                     Vorbereitung                               1. MMR-Impfung mit 12 Monaten                Als immun gelten und von der MMR-
                     Impfwillige Personen sind über die         2. MMR-Impfung mit 15–24 Monaten             Impfung ausgenommen sind Erwach-
                     Impfung, UIE und das Verhalten nach        Zwischen den beiden Dosen muss ein           sene, die:
                     der Impfung zu informieren. Ihre Ein-      Mindestabstand von 4 Wochen einge-           – mit     grosser   Wahrscheinlichkeit
                     willigung ist einzuholen. Impfwillige      halten werden.                                 schon als Kind infiziert worden sind;
                     müssen anamnestische Angaben ma-           Zu den empfohlenen Produkten siehe             in der Schweiz sind dies aufgrund der
                     chen über frühere Impfungen, deren         Abschnitt Impfungen. Der Mumps-                damaligen epidemiologischen Situa-
                     Verträglichkeit, den aktuellen Gesund-     impfstamm Rubini ist im Rahmen des             tion Personen, die vor 1964 geboren
                     heitszustand, Allergien, Medikamente       nationalen Impfprogramms nicht emp-            sind,
und Empfehlungen

                     (Antikoagulantien, Antiepileptika, Blut-   fohlen [73].                                 – zwei MMR-Dosen im Abstand von
                     produkte) und eine bestehende                                                             mindestens 1 Monat erhalten haben.
                     Schwangerschaft.                           Die Durchimpfung der Kleinkinder ge-           Aus den vorgelegten Dokumenten
                                                                gen Masern ist in der Schweiz ungenü-          sollen Impfarzt, Datum, Produkt und
Richtlinien

                     Verabreichung                              gend. Um die Wildviruszirkulation unter        Dosis hervorgehen,
                     Alle Impfstoffe der Tabelle 5 sind         Kleinkindern, dem zurzeit grössten           – eine laborbestätigte Infektion oder
                     Lyophilisate, die kurz vor Anwendung       empfänglichen Bevölkerungssegment              Immunität nachweisen.
                     nach Vorschrift der Hersteller in Lö-      in der Schweiz, zu unterbrechen wurde
                     sung gebracht werden müssen. Die           die erste MMR-Impfung vom Alter 15           Teilimmune
                     Injektion erfolgt subcutan; eine intra-    Monate auf das Alter 12 Monate vorver-       Kinder, die anamnestisch eine natürli-
                     muskuläre Injektion ist ebenfalls mög-     legt [13]. Daraus erwachsen den Kin-         che Erkrankung durchgemacht haben,
                     lich. Das Volumen ist 0,5 ml. Die          dern hinsichtlich der langfristigen Im-      sollen trotzdem mit MMR geimpft
                     MMR-Impfung kann simultan mit              munität und der Wirksamkeit der zwei-        werden. Die anamnestischen Anga-
                     anderen Routineimpfungen verab-            ten MMR-Impfung keine Nachteile. Die         ben erlauben keinen sicheren Schluss
                     reicht werden, ohne dass eine Über-        Serokonversionsrate ist mit 12 Mona-         auf Schutz. Antikörperbestimmungen
                     lastung des Immunsystems oder              ten gleich gut wie mit 15 Monaten [4–        vor MMR-Impfung sind unnötig.
                     Potenzierung unerwünschter Impfer-         6]. Die zweite Dosis soll Kindern, die auf
                     scheinungen zu befürchten ist [162].       die erste Dosis nicht reagiert haben, er-    Stillende Mütter
                     Auch andere Lebendimpfstoffe (Gelb-        möglichen, eine schützende Immunant-         Die dem Säugling mit der Brustmilch
                     fieber) oder inaktivierte Impfstoffe       wort zu entwickeln. Die zweite Dosis         mitgegebenen sekretorischen Antikör-
                     (Hepatitis A und B, Meningokokken)         gegen MMR wird im Alter von 15 bis 24        per beeinträchtigen die MMR-Impfung
 14                  können mit MMR simultan verabreicht        Monaten empfohlen. Sie kann bereits 4        nicht. Die einer stillenden Mutter ver-
                                                                Wochen nach der Erstdosis verabreicht        abreichten Impfviren beeinträchtigen
                                                                werden. Alle Kinder sollten vor dem Ein-     den Säugling nicht. Das gestillte Kind
Bundesamt für Gesundheit
Prävention von Masern, Mumps und Röteln

und die stillende      Mutter    dürfen     keine Fälle von kongenitalen Röteln         Nach Absetzen der Kortikosteroid-
geimpft werden.                             registriert worden [7].                     Therapie ist eine Karenzzeit von ≥1
                                                                                        Monat geboten.
Akut Erkrankte                              Anaphylaxie
Schnupfen, Halsweh, leichtes Fieber,        Anaphylaxie auf Neomycin, Gelatine          Immunglobuline (Ig)
Durchfall oder andere harmlose Er-          oder frühere Impfung mit Masern-,           Nach Gabe von Standard-Ig oder IgG zur
krankungen sind kein Grund, die Imp-        Mumps- oder Röteln-Antigen ist eine         Prophylaxe oder Behandlung spezifi-
fung zu verschieben oder auszulassen        Kontraindikation. Urtikaria und lokale      scher Krankheiten muss die Impfung
[107, 108]. Dies gilt besonders, wenn       allergische Reaktionen sind keine           ebenfalls solange hinausgeschoben
nicht gewährleistet ist, dass die Imp-      Kontraindikationen.                         werden, bis die Ig abgebaut sind. Die
fung nach Abklingen der Erkrankung                                                      Wartefrist schwankt zwischen 3 Mona-
durchgeführt werden kann.                   Immunschwäche                               ten (Ig gegen Tetanus oder Varizella-
                                            Bei den meisten Formen von angebo-          Zoster) und 11 Monaten (intravenöse
Bei Kindern mit Krampfleiden in der         rener Immunschwäche ist die MMR-            Ig-Therapie bei Kawasaki-Syndrom); bei
Vorgeschichte ist Prophylaxe mit Para-      Impfung wegen der Gefahr einer              Ig nach Masern-Exposition beträgt sie
cetamol empfohlen.                          massiven Infektion kontraindiziert. Ge-     5 Monate [2].
HIV-Infizierte                              sunde Geschwister und andere Perso-
Bei HIV-Infektion ohne schweres             nen im Haushalt von Immunge-                Blutprodukte
Immundefizit ist die MMR-Impfung            schwächten dürfen geimpft werden,           Blutprodukte können mit der Antikör-
angezeigt und gut verträglich [2]. Ob-      da die MMR-Impfviren nicht übertra-         perbildung interferieren. Personen, die
wohl die Immunkompetenz mit fort-           gen werden [3]. Auch schwere erwor-         Blutprodukte erhalten haben, sollen
schreitender Krankheit abnimmt, sol-        bene Immunschwächen sind eine               eine Karenzzeit von 3 Monaten (Ery-
len HIV-infizierte Kinder in der Schweiz    Kontraindikation. Die Schwere des er-       throzyten) bis 7 Monaten (Thrombozy-
wie andere Kinder mit 12 Monaten mit        worbenen Defizits wird bei HIV-Infek-       ten) einhalten. Nach Möglichkeit sol-
MMR geimpft werden. HIV-Infektion           tionen klinisch und anhand der Zahl         len Blutprodukte in den ersten 2 Wo-
mit schwerem Immundefizit (siehe            der CD4+ Lymphozyten beurteilt              chen nach Impfung vermieden wer-
unten) ist dagegen eine Kontraindika-       (Tabelle 10). Kürzlich wurde über ein       den.
tion.                                       HIV-infiziertes 1-jähriges Kind mit
                                            Impfmasern bei 570 CD4-Zellen/µL            Krampfleiden

                                                                                                                                  Juni 2003
                                            und 254 000 RNA Kopien/µL berichtet         Diese Situation erfordert eine Bespre-
Kontraindikationen:                         [165]. Was schweres Defizit bei Korti-      chung mit den Eltern. Kinder mit
schliessen eine Impfung aus                 kosteroidtherapie bedeutet, wird un-        Krampfleiden in der Vorgeschichte
                                            ten erklärt. Kinder mit Malignomen          oder familiärer Belastung haben ein
Bestehende Schwangerschaft                  können 6 Monate nach Abklingen der          erhöhtes Risiko postvakzinaler Konvul-
Bei Schwangeren ist wegen des               Immunsuppression geimpft werden             sionen. Fast immer sind dies Fieber-
theoretischen Risikos einer Embryo-         [7]. Nach Knochenmarktransplantation        krämpfe, und es gibt keine Hinweise,
pathie die Impfung kontraindiziert.         ist eine Karenzzeit von 12–24 Mona-         dass solche Konvulsionen perma-
Frauen sollen vor der Impfung auf           ten zu wahren. Nach einer Transplan-        nente Hirnschäden oder Epilepsie ver-
bestehende Schwangerschaft befragt          tat-gegen-Wirt-Reaktion bleibt die          ursachen, oder neurologische oder an-
werden, besonders auf die Möglich-          Impfung kontraindiziert. Nach Organ-        dere vorbestehende Leiden verschlim-

                                                                                                                                  und Empfehlungen
keit einer frühen Schwangerschaft.          transplantation sind Lebendimpfstoffe       mern [2]. Familiäre Belastung und an-
Schwangerschaftsteste sind hingegen         zeitlebends kontraindiziert.                tiepileptische Dauerbehandlung sind
nicht nötig [7]. Frauen, die eine                                                       keine Kontraindikation. Ein Gespräch
Schwangerschaft möchten, verhüten                                                       mit dem Neuropädiater ist für solche
                                                                                                                                  Richtlinien

nach MMR-Impfung, wenn möglich              Anwendungseinschränkungen:                  Kinder zu empfehlen, deren antiepilep-
1 Monat lang; das ursprüngliche Inter-      gestatten die Impfung unter Auflagen        tische Dauerbehandlung schlecht ein-
vall von 3 Monaten konnte aufgrund                                                      stellbar ist. Prävention mit Anti-
des Nachweises der Unschädlichkeit          Kortikosteroide                             epileptika ist nicht empfohlen. Zur
auf 1 Monat verkürzt werden [7]. Wird       Bei Behandlung mit Prednison oder           Prävention mit Antipyretika siehe Ab-
eine schwangere Frau versehentlich          einem Äquivalent mit einer Dosis            schnitt UIE.
geimpft, oder wird eine Frau in den         von 2 mg/kg KG/Tag oder ≥20 mg/Tag
ersten Monaten nach der Impfung             während >14 Tagen muss die Imp-
schwanger, kann die Schwangerschaft         fung aufgeschoben und die Erholung          Impfpromotion
trotzdem ausgetragen werden. Bei            der Immunkompetenz abgewartet
mehr als 1000 rötelnempfänglichen           werden, bis geimpft werden kann.            Ärzte, Eltern und Erwachsene sollen
schwangeren Frauen, die in der Früh-                                                    sich bietende Gelegenheiten zur Über-
schwangerschaft unabsichtlich eine                                                      prüfung des Impfstatus wahrnehmen,
Rötelnimpfung erhalten haben, sind                                                      und den Impfschutz ergänzen oder
                                                                                        aufbauen.
Tabelle 10
Zahl der CD4-Zellen, die bei HIV-Infektion einschweres Immundefizit anzeigt, nach [3]   Gelegenheiten für die Impfpromotion
Alter              12 Jahre        bei Kindern und Jugendlichen sind:        15
                                                                                        – Routineuntersuchungen des Klein-
CD4-Zellen/µL
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