PRESS REVIEW Monday, December 14, 2020 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal - Index of

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PRESS REVIEW Monday, December 14, 2020 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal - Index of
PRESS REVIEW

         Daniel Barenboim Stiftung
Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal

      Monday, December 14, 2020
PRESS REVIEW Monday, December 14, 2020 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal - Index of
PRESS REVIEW                                                Monday, December 14, 2020

Berliner Morgenpost, PBS, BSA, DIVAN, DB
„In der Musik vereint“. Daniel Barenboim und das West-Eastern Divan Orchestra in der Waldbühne

Welt am Sonntag, DB
„Ich rede mit Beethoven”. Interview mit Daniel Barenboim

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Bundesweiter Lockdown von Mittwoch an

Berliner Morgenpost
Chefdirigent Doyle verlängert am Rias Kammerchor

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Musikdirektor in Wien

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Ein paar Takte und Blue Notes zu Beethoven, getauft am 17. Dezember vor 250 Jahren

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Das war es wert: Theaterstatistik fürs Geschichtsbuch

Der Tagesspiegel
Veranstalter Dieter Semmelmann über Absagen, Hilfsprogramme und Shows unter Pandemie-
Bedingungen

Die Welt
Wie die Mailänder Scala ihre Saisoneröffnung als Online-Event inszenierte: Protokoll einer Blamage

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Zwei neue Einspielungen von Georg Friedrich Händels „Messias“ von der Gaechinger Cantorey aus
Stuttgart und dem Rias Kammerchor Berlin
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14.12.2020                                                                 Berliner Morgenpost

          VERMISCHTES                                                                                  SEITE 6 | SONNTAG 13. DEZEMBER 2020

          In der Musik vereint
          Daniel Barenboim und das West-Eastern Divan Orchestra in der Waldbühne

          Michael Barenboim (Violine); Kian Soltani (Violoncello); West-Eastern Divan Orchestra mit Daniel Barenboim. (v. l. n. r.).
          Fotos: Monika Rittershaus/Marcus Hoehn CLEAR/Mateo Juventino

          1
          Erleben Sie Daniel Barenboim und die jungen Musikerinnen und Musiker des
          West-Eastern Divan Orchestra beim Open-Air-Konzert in der sommerlichen
          Naturkulisse der Waldbühne Berlin!
          Nach dem großen Jubiläumsjahr 2019 zu seinem 20-jährigen Bestehen holt das
          Orchester am Samstag, dem 14. August 2021 den in diesem Sommer aufgrund der
          Corona-Pandemie verschobenen Auftritt in Berlin nach: Unter der Leitung von
          Maestro Barenboim stehen Brahms’ Doppelkonzert für Violine und Cello mit den
          Solisten Michael Barenboim und Kian Soltani sowie weitere populäre Werke auf
          dem Programm. Seien Sie mit der ganzen Familie bei diesem außergewöhnlichen
          Event dabei und schenken Sie sich und Ihren Liebsten Musik unter freiem Himmel
          in einzigartiger Atmosphäre!

https://emag.morgenpost.de/titles/bmberlinermorgenpost/10120/publications/783/articles/1263762/6/5                                           1/2
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14.12.2020                                                                       Berliner Morgenpost

          Alles begann mit einem Workshop, zu dem Daniel Barenboim und Edward W. Said
          im Jahr 1999 junge Musikerinnen und Musiker aus Israel, Palästina und anderen
          Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas in die damalige europäische
          Kulturhauptstadt Weimar einluden. Das Ziel: durch die Erfahrung gemeinsamen
          Musizierens und des Zusammenlebens auf Augenhöhe einen Dialog zwischen
          Menschen zu ermöglichen, die sich sonst nur im Klima feindseliger
          Auseinandersetzungen begegnen konnten. Beim Namen des Projekts stand Johann
          Wolfgang von Goethe mit seiner Gedichtsammlung West-östlicher Divan Pate,
          einer poetischen Brücke zwischen Kulturen des Ostens und Westens. Die Resonanz
          machte deutlich, dass der musikalische und zwischenmenschliche Austausch über
          den Workshop hinaus fortgesetzt werden musste: „Keiner von uns hatte damit
          gerechnet, doch sofort war klar, dass wir ein Orchester vor uns hatten“, erinnert
          sich Daniel Barenboim an die Geburtsstunde des West-Eastern Divan Orchestra.
          „Niemals aber hätten wir uns damals im Traum vorstellen können, dass dieses
          Orchester über 20 Jahre später als musikalischer Botschafter der Verständigung
          durch die ganze Welt reisen würde. „Die ersten Arbeitsphasen und Konzerte fanden
          in Weimar und Chicago statt, und schnell wurde das West-Eastern Divan Orchestra
          zu den wichtigsten internationalen Festivals und in die bedeutendsten Konzertsäle
          eingeladen. Heute sind die Musikerinnen und Musiker regelmäßig bei den
          Festspielen in Salzburg und Luzern, den BBC Proms in London, im Wiener
          Musikverein, der Carnegie Hall, der Mailänder Scala und im Centro Cultural
          Kirchner in Buenos Aires zu Gast.
          Die Arbeit des West-Eastern Divan Orchestra führte schließlich 2012 zur
          Gründung der Barenboim-Said Akademie und fünf Jahre später zur Eröffnung des
          Pierre Boulez Saals im ehemaligen Magazingebäude der Staatsoper Unter den
          Linden im Herzen Berlins. Seitdem sind die drei Institutionen vereint in ihrer
          Mission, die Musik zu einer Botin des Humanismus und der transkulturellen
          Verständigung zu machen – und die Vision Daniel Barenboims und Edward W.
          Saids weiterzutragen.
          Erleben Sie das legendäre Orchester unter der Leitung von Daniel Barenboim mit
          Michael Barenboim (Violine) und Kian Soltani (Violoncello) am Samstag, 14.
          August 2021, um 19 Uhr in der Waldbühne Berlin.

          Berliner Morgenpost: © Berliner Morgenpost 2020 - Alle Rechte vorbehalten.

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Quelle:          Welt am Sonntag, Bundesausgabe Nr. 50/2020 vom 13.12.2020, S.58 (Wochenzeitung / Sontag, Berlin)
                                                 Reichweite:    429.894
                                                 Autor:         Elmar Krekeler                  Quellrubrik:   Kultur
                                                                                                                                         WELTamSONNTAG
Auflage:         121.097                         Ressort:       Kultur                          Seitentitel:   WSBE-VP1

           11
                lch rede mit Beethoven 11
           Am 17. Dezember wird der 250. Geburtstag des Komponisten gefeiert. Daniel Barenboim hat
           nun alle Klaviersonaten eingespielt - bereits zum fünften Mal in seinem Leben. Warum macht
           er das?
           Von Elmar Krekeler                                   sel, dieser Akkordfarbe ändert sich al­             Klar.
                                                                les. Deswegen ist Musiker ja so eine
           WELT am Sonntag:                                     privilegierte Existenz, weil man so viel            Wie klingt das dann?
           Man könnte jetzt so einen My­                        studieren kann, wie man will, es wird
           thos stricken. Vom einsamen                          immer alles neu, manchmal mit der                   Warum spielst du ... denn so ei­
           Maestro, der in seiner Villa sitzt                   kleinsten Entscheidung, die man                     nen Unsinn!
           und sich langweilt und, von Co­                      trifft Mit den Sonaten ist es - bei mir             Beethoven hat ja als erster Kom­
           rona stillgelegt, überlegt, er                       wenigstens - wie mit philosophischen                ponist ziemlich penibel vorge­
           könnte sich zum fünften Mal                          Büchern, die kann man auch immer                    schrieben, wie etwas gespielt
           vornehmen, Beethovens Klavier­                       wieder lesen und findet immer wieder                werden soll. Klassische Frage:
           sonaten einzuspielen.                                etwas Neues. Die "Ethik" von Spinoza                Nehmen Sie seine Metronoman­
           Daniel Barenboim:                                    zum Beispiel, das ist mein philosophi­              gaben ernst?
              An eine Aufnahme hatte ich gar                    sches Lieblingsbuch, seit ich 14 bin.                  Auf gar keinen Fall. Komponisten
           nicht gedacht. Ich hätte die Sonaten                 Damit komme ich auch zu keinem En­                  schreiben die Zahlen hin, bevor sie
           Mitte Mai in Wien spielen sollen. Erst               de.                                                 das Stück gehört haben, ohne eine
           als das abgesagt worden war, kam die                                                                     Ahnung vom Gewicht des Klanges. Als
           Idee mit der Aufnahme. Ich hatte das                 Ist man Beethoven in den Sinfo­                     ich Chefdirigent beim Orchestre de
           Gefühl, dass ich tatsächlich Neues ge­               nien oder in den Sonaten näher?                     Paris war, gaben wir bei Pierre Boulez
           funden hatte in den Partituren.                      Für mich ist es die gleiche Welt und                Orchesterstücke in Auftrag. Er wollte
                                                                die gleiche Distanz. Der größte Unter­              zwölf "Notations" schreiben. Vier hat
           Kaufen Sie sich zujeder Aufnah­                      schied zwischen dirigieren und Kla­                 er geschrieben. Die fünfte "Notation"
           me einen neuen Satz Noten?                           vier spielen ist, dass man als Dirigent             kam 22 Jahre später. Da war ich
           Muss ich nicht. Ich schreibe nicht in                nicht die Möglichkeit zu üben hat.                  schon beim Chicago Symphony Or­
           meine Partituren hinein. Die sind so­                Auch die ärmste Familie kann ein Kla­               chestra. Boulez kam zur Uraufführung
           wieso fast jungfräulich.                             vier finden, auf dem man spielen                    nach Chicago. In einer Probe habe ich
           Als Sie das erste Mal die Sonaten                    kann. Üben heißt ja auch suchen, un­                ihn dann sehr, sehr vorsichtig gefragt:
           komplett im Konzert gespielt ha­                     tersuchen. Praktisch untersuchen.                   "Sind Sie sicher wegen der Metro­
           ben, waren Sie siebzehn. Wie                         Das kann der Dirigent nur theore­                   nomzahl?" - "Nein, machen Sie, wie
           findet man in Stücken, die man                       tisch. Wenn ein Dirigent zur Probe                  Sie denken. Aber warum fragen Sie?"
           seit sechzig Jahren wortwörtlich                     kommt, erwartet das Orchester von                   - "Ihre Angaben scheinen mir zu
           in den Fingern hat, noch Neues?                      ihm, dass der Dirigent weiß, was er                 schnell. Der Text ist so komplex, dass
              Es geht gar nicht ums Spielen, um                 will. Der Anteil der Intuition ist beim             man nicht alle Details wird hören
           Fingerfertigkeit. Sondern prinzipiell                Dirigieren geringer als beim Klavier­               können in dem Tempo." - "Macht
           erst einmal darum, was es eigentlich                 spielen. Dirigieren war für mich als                nichts. Wenn Sie zufrieden sind, dann
           heißt, einen musikalischen Text zu le­               Pianist sehr hilfreich, weil ich mir da­            werden wir sehen." Das haben wir
           sen_ Das heißt Verbindungen zu su­                   durch selbst viel näher gekommen                    dann getan. Und es war gut. Auf mei­
           chen und herzustellen_ Gleichzeitig in               bin. Weil ich durchs Dirigieren gelernt             ne Frage: "Verzeihen Sie, Sie sind
           der Vergangenheit, der Gegenwart                     habe, besser zu hören. Ich höre mich                nicht nur ein großer Komponist und
           und der Zukunft zu sein_ Ganz prosa­                 besser als früher.                                  ein großer Dirigent, wieso haben Sie
           isch herauszufinden, wo etwas her­                   Apropos zuhören. Es geht das                        eine Zahl angegeben, die um so viel
           kommt, wo es hinwill. Ein Piano ist                  Gerücht, Sie seien als Orchester­                   höher ist als das, was Sie eigentlich
           nach einem Pianissimo lauter als ein                 erzieher ein - na ja - harter                       jetzt wollen?", hat er dann typisch
           Piano nach einem Forte. Diese Ver­                   Hund. Sind Sie mit sich beim                        französisch geantwortet: "Wenn ich
           bindungssuche ist eine Lebensarbeit.                 Üben so kritisch wie mit Ihrem                      schreibe, koche ich mit Wasser. Wenn
           Damit kommt man nicht zu einem                       Solo-Oboisten bei der Probe?                        ich dirigiere, koche ich mit Feuer."
           Ende. Jedes Mal wenn ich eine Beet­                     Viel kritischer. Ich kann ja dafür,
           hoven-Sonate spiele, finde ich etwas,                dass etwas nicht so wird, wie ich es                Mit Boulez konnten Sieja im­
           das ich bis dahin nicht bemerkt hatte.               mir vorher vorgestellt habe, niemand                merhin reden. Reden Sie mit
                                                                anderen verantwortlich machen als                   Beethoven?
           Zum Beispiel?                                        mich selbst.                                        Ich rede mit ihm. Er hört mich halt
           Das muss gar nichts Großes sein. Eine                                                                    nicht.
           Phrasierung, ein Dynamikwechsel, die                 Schimpfen Sie mit sich?                             Nun ist ja das ganze Jahr über
           Farbe eines Akkordes_ Mit dieser                                                                         sehr viel von Beethovens huma­
           Phrasierung, diesem Dynamikwech-                                                                         nistischer Botschaft die Rede.

                                                                                                                                                              4
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14.12.2020                                                  https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466063/1

        F.A.Z. - Politik                                                                                                Montag, 14.12.2020

                           Bundesweiter Lockdown von Mittwoch an
                   Einzelhandel muss weitgehend schließen/Merkel: Wir sind zum Handeln gezwungen

        oll. BERLIN. Das öffentliche Leben in Deutschland wird angesichts der sich ausbreitenden Corona-
        Pandemie schon am Mittwoch drastisch eingeschränkt. Der Einzelhandel mit Ausnahme der
        Geschäfte für den täglichen Bedarf muss schließen. Das teilte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
        am Sonntag nach Beratungen mit den Ministerpräsidenten mit. Der seit Anfang November geltende
        Teil-Lockdown habe „nicht gereicht“, sagte Merkel. „Wir sind zum Handeln gezwungen und handeln
        jetzt auch.“ Das exponentielle Wachstum der Corona-Neuinfektionen habe eine Zeitlang gestoppt
        werden können, sagte Merkel. Dann habe es aber eine „Seitwärtsbewegung“ gegeben, und seit eini-
        gen Tagen gebe es wieder ein exponentielles Wachstum. Die nationale Wissenschaftsakademie
        Leopoldina hatte in der vergangenen Woche einen Lockdown mit Geschäftsschließungen spätestens
        nach Weihnachten bis zum 10. Januar gefordert.

        „Corona ist außer Kontrolle geraten“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). „Die
        Philosophie heißt: Daheim bleiben!“ Deutschland drohe ansonsten zum Sorgenkind Europas zu
        werden. Von der Geschäftsschließung ausgenommen sind der Einzelhandel für Lebensmittel,
        Wochenmärkte für Lebensmittel, Direktvermarkter von Lebensmitteln, Abhol- und Lieferdienste,
        Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker,
        Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Auto- und Fahrradwerkstätten, Banken und Sparkassen.

        Für Weihnachten sollen nach dem Beschluss die strengen Regeln für private Kontakte – maximal
        fünf Personen aus maximal zwei Hausständen – gelockert werden. Die Personen müssen aus dem
        engsten Familienkreis kommen. Kontrollieren wird der Staat die Kontaktbeschränkungen zu Hause
        nicht. „Es wird keine Stichproben unter Weihnachtsbäumen geben“, sagte der nordrhein-westfäli-
        sche Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). An Silvester und Neujahr wird ein bundesweites An-
        und Versammlungsverbot gelten. Der Verkauf von Feuerwerk werde verboten. Das sei „de facto ein
        Böllerverbot“, sagte Söder. Neun Monate nach dem ersten Corona-Lockdown sollen die meisten
        Kitas und Schulen in Deutschland geschlossen oder nur noch eingeschränkt betrieben werden.
        Merkel und die Ministerpräsidenten vereinbarten, dass Schüler und Kita-Kinder spätestens von
        Mittwoch an für zunächst dreieinhalb Wochen zu Hause bleiben sollen. Das Bundesarbeits- und
        Sozialministerium wird in Abstimmung mit dem Bundesfamilienministerium zusätzliche Möglich-
        keiten für Eltern schaffen, für die Betreuung der Kinder bezahlten Urlaub zu nehmen. Die gesetzli-
        chen Regelungen dafür werden noch in dieser Woche auf den Weg gebracht. Der saarländische
        Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) sagte: „Wir müssen jetzt stark sein. Stark sein in Geduld,
        Disziplin und Ausdauer. Und wir müssen zusammenhalten, um der Pandemie weiterhin gemeinsam
        die Stirn zu bieten.“

        Die Bundesregierung rechnet damit, dass die Corona-Hilfen für den bis 10. Januar geltenden Lock-
        down zusätzlich elf Milliarden Euro pro Monat kosten werden. Der Bundeshaushalt 2021 habe aber
        genügend Puffer, um dies stemmen zu können, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am
        Sonntag nach der Bund-Länder-Schalte. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach von
        einem nötigen Kraftakt. Beide Minister hatten sich darauf geeinigt, dem Handel nicht mit Umsatz-

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        hilfen, sondern unter anderem mit Fixkostenzuschüssen aus den „Überbrückungshilfen III“ zu
        helfen.

        Der Handelsverband Deutschland hatte schon vor dem Treffen gewarnt, dass eine Schließung des
        Einzelhandels mehr als die Hälfte der Innenstadthändler in Existenzgefahr bringe. Die Konditionen
        der Überbrückungshilfen sollen verbessert werden. 500000 Euro soll es maximal für die direkt und
        indirekt von den Schließungen betroffenen Unternehmen geben. Bisher lag der Höchstbetrag bei
        200000 Euro pro Monat. Die Regelung gelte für Handelsunternehmen, Solo-Selbständige und selb-
        ständige Angehörige der freien Berufe. Für die betroffenen Unternehmen soll es zudem Abschlags-
        zahlungen geben. Mit Teilabschreibungen solle der Wertverlust von Waren und anderen Wirt-
        schaftsgütern im Einzelhandel aufgefangen werden. Dadurch könnten die Geschäfte diese steuer-
        mindernd geltend machen. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sagte nach den Beschlüssen,
        dass es mit der jetzigen Strategie nicht möglich sein werde, nach dem 10. Januar wieder ins Alltags-
        leben zurückzukehren. Es brauche eine dauerhafte Strategie, sonst hangele man sich von einem
        Lockdown zum nächsten.

        In Amerika sollen nach der dort erfolgten Zulassung des Impfstoffs von Biontech/Pfizer die Vakzine
        bis Montag auf die 145 Impfzentren des Landes verteilt werden. (Siehe Seiten 2 und 10, Wirtschaft,
        Seite 17, sowie Rhein-Main-Zeitung.)

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          KULTUR                                                                                       SEITE 21 | SAMSTAG 12. DEZEMBER 2020

          Musik

          Chefdirigent Doyle verlängert am Rias Kammerchor
          Justin Doyle bleibt weitere fünf Jahre Chefdirigent des Rias Kammerchors in
          Berlin. Sein Vertrag sei bis Ende Juli 2027 verlängert worden, teilte die Einrichtung
          mit. Der Brite verantwortet den Chor seit 2017, er ist auch dessen künstlerischer
          Leiter. Doyle war früher Chorknabe an der Westminster Cathedral in London. Den
          Chor des früheren Rundfunks im amerikanischen Sektor Berlins (Rias) gibt es seit
          1948. dpa

          Berliner Morgenpost: © Berliner Morgenpost 2020 - Alle Rechte vorbehalten.

https://emag.morgenpost.de/titles/bmberlinermorgenpost/10120/publications/782/articles/1263142/21/4                                           1/1
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        F.A.Z. - Feuilleton                                                                                           Samstag, 12.12.2020

                                                  Musikdirektor in Wien

        Der israelische Dirigent Omer Meir Wellber wird von September 2022 an neuer Musikdirektor der
        Volksoper Wien. Er vervollständigt damit die neue Leitung des Hauses an der Seite der Regisseurin
        Lotte de Beer, die als Intendantin antritt. Neben der Leitung von Neuproduktionen und Repertoire-
        vorstellungen wird Wellber fünf Spielzeiten lang die Verantwortung tragen für den musikalischen
        Bereich des Hauses und die Entwicklung von Ensemble, Orchester und Chor. Bereits vom Frühjahr
        2021 an wird er die Vorbereitungen der neuen Direktion mitgestalten. Wellber, der zu den gefragtes-
        ten Dirigenten weltweit gehört, ist laut einer ersten Stellungnahme „fest entschlossen, die Volksoper
        zu einem der aufregendsten europäischen Musiktheater zu machen“. F.A.Z.

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        F.A.S. - Feuilleton                                                                                           Sonntag, 13.12.2020

                                           Mit dem Körper komponiert
                  Ein paar Takte und Blue Notes zu Beethoven, getauft am 17. Dezember vor 250 Jahren

        Dass Ludwig van Beethoven eine Herausforderung und eine Zumutung ist, das spürt und erfährt
        man womöglich am besten, wenn man erst einmal die Rolling Stones auflegt, „You Can’t Always Get
        What You Want“, einen fünfzig Jahre alten Song mit verkatertem Text und einem berauschenden
        Refrain, was eine subtile Spannung schafft. Donald Trump spielte diesen Song bei seinen Wahl-
        kampfauftritten, die Rolling Stones versuchten, das zu verbieten, dann war zum Glück der Wahl-
        kampf vorbei. Dass Donald Trump etwas missverstanden hat, erschließt sich sofort beim Hören.
        Dass die Musik aber beschädigt, ja dass die Rolling Stones widerlegt wären, bloß weil ihr politischer
        Gegner sich diesen Song für seine Zwecke angeeignet hat: Davon kann keine Rede sein. Man kriegt,
        was man will, wenn man den Song auflegt.

        Dass das mit Beethoven viel komplizierter ist, das sieht und hört man, zum Beispiel, in einem alten
        Filmausschnitt (der auf Youtube verfügbar ist): Es ist das Jahr 1942, der 19. April, der Vorabend von
        Hitlers Geburtstag, und in der alten Berliner Philharmonie dirigiert Wilhelm Furtwängler die
        Neunte Symphonie. Es sind die letzten fünf Minuten, das jubilierende Finale, Furtwängler tanzt fast
        beim Dirigieren. Und im Publikum sitzt und lauscht, fast andächtig, ein Publikum, das wie die Elite
        des Naziregimes aussieht, mittendrin Joseph Goebbels. Einmal gibt es einen Schnitt, und man sieht
        neben dem Orchester ein Hakenkreuz hängen, so groß wie hundert Geigen. Und spätestens in
        diesem Moment möchte man sich abwenden oder die Ohren zuhalten, weil beides zusammen doch
        nicht möglich ist: der Chor, der „alle Menschen werden Brüder“ singt, und die sogenannten Herren-
        menschen im Parkett; die ungeheure Freiheit dieser Musik und die Befehlsempfänger, die auch
        morgen ihrem Führer nicht widersprechen werden. Und wenn Furtwängler, der Chor und das
        Orchester sich verbeugen und der Applaus nicht aufhören will, dann meint man in diesem Hände-
        klatschen das Dementi Beethovens zu hören, die kategorische Verneinung, die Absage an alle, die bis
        dahin glaubten, dass solche Musik ihre Hörer zu Höherem dränge und bewege.

        Kann schon sein, dass das eine romantische Illusion ist, altmodische Schwärmerei, pubertärer Kitsch
        – aber es ist halt zugleich auch die schwer zu widerlegende Wahrheit eines jeden Kopfes, der einiger-
        maßen geübt im Hören ist und empfänglich genug, sich in den besten Momenten dieser Musik nicht
        nur hinreißen, berühren, begeistern zu lassen. Sondern sich gewissermaßen zu erheben und sich als
        Teil zu empfinden von etwas, was größer und bedeutender ist als nur der eigene Geschmack und die
        eigene Leidenschaft. Dass das keine Frage der Moral ist, dass es also nicht bloß das Gute ist, zu dem
        diese Musik einen erhebt, das kann man allerdings sehr gut sehen und hören in Stanley Kubricks
        dystopischem Film „A Clockwork Orange“, in dem die Neunte Symphonie, vor allem ihr zweiter Satz,
        als akustischer Terror angewandt und erfahren wird; Alex, der kaputte Held des Films, kann am
        Schluss die Musik nicht mehr ertragen und stürzt sich aus dem Fenster.

        Und trotzdem bleibt es ein Skandal, dass Beethoven den Nazis eine Freude war. Haben sie nicht
        Bücher, in denen weit weniger Aufruhr und Widerstand war, verboten und verbrannt? Haben sie
        nicht Gemälde, weil darin zu viel Freiheit war, in die Depots verbannt? Hätten sie nicht Beethoven
        verbieten müssen? Der Jazz war doch auch verboten.

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        Schließlich hat uns das jetzt zu Ende gehende Beethoven-Jahr gelehrt, dass Beethovens Musik zu
        hören geradezu ein Beweis staatsbürgerlicher Reife und demokratischer Gesinnung sei: Beethoven
        stehe „für ein kosmopolitisches Lebensgefühl, für eine Gesellschaft, in der Musik einen wesentlichen
        Teil der Zivilisation ausmacht, für die unbedingte Anerkennung der Menschenrechte...“, so hat das
        der Musikwissenschaftler Ulrich Konrad, stellvertretend für die gesamte sinnstiftende Klasse, ausge-
        drückt. Schon im Koalitionsvertrag für die vergangene Legislaturperiode hatten sich die Regierungs-
        parteien auf Folgendes geeinigt: „Der 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven im Jahr 2020
        bietet herausragende Chancen für die Kulturnation Deutschland im In- und Ausland. Deshalb ist die
        Vorbereitung dieses wichtigen Jubiläums eine nationale Aufgabe.“

        Aber wer die Botschaft Beethovens zu hören meint, muss fast immer Dinge außerhalb der Musik
        zitieren. Schillers „Ode an die Freude“, das Libretto des „Fidelio“, die Widmung der Eroica für Bona-
        parte, die Beethoven angeblich von der Partitur kratzte, als Napoleon sich zum Kaiser krönte. Und
        wer die Musik in Worte fassen will, hat ständig mit Übersetzungsfehlern zu kämpfen. Beethoven sei
        die deutsche Musik schlechthin, haben die Deutschen einander schon deshalb erzählt, weil sie damit
        quasi teilhatten an seinem Genie; aber in ihren Tornistern hatten die Soldaten des Ersten Weltkriegs
        die Beethoven-Biographie des Franzosen Romain Rolland, die ihnen wenig half beim Überleben in
        den Schützengräben.

        Beethoven, das sei gewissermaßen der Soundtrack der Aufklärung, nicht nur weil der Komponist in
        seinem Tagebuch einmal Kant zitiert, den Satz vom bestirnten Himmel über uns und dem Sittenge-
        setz in uns; deshalb aber auch. Nur dass Beethoven, manchmal in ein und demselben Stück, auch
        das Gegenteil ist, rauschhaft, dunkel, absolut unvernünftig in seiner Leidenschaft. Und natürlich
        kann man die Musik als Ausdruck und Erkenntnis des Menschseins, ja, wie Richard Wagner das
        nannte, als „menschliches Evangelium“ hören. Nur kommt dabei womöglich das Göttliche zu kurz;
        und der Unmensch Goebbels hörte nicht auf, ein Unmensch zu sein, wenn die Neunte Symphonie
        verklungen war.

        Ludwig van Beethoven, gestorben vor 193 Jahren, wäre interessant für uns Heutige auch dann, wenn
        er nur halb so gute Musik komponiert hätte: als Charakterkopf und Unterwerfungsverweigerer in
        einer Welt, in welcher die Bürger noch längst nicht an der Macht waren; als Solo-Selbständiger,
        freier Unternehmer und Agent seines eigenen Talents; als großer Liebender, dessen Begehren keine
        Standesgrenzen kannte, weshalb es dann nie etwas Festes wurde mit den adeligen Damen, die er
        anhimmelte und denen er seine zartesten Kompositionen widmete; schließlich als Sieger über sein
        eigenes Gebrechen, als der Mann, der seiner Taubheit die schönste Musik abringen konnte.

        Der „Spiegel“ hat, anlässlich des 249. Geburtstags vor einem Jahr, noch einmal die populäre Vermu-
        tung artikuliert, dass ein glücklich verheirateter Beethoven wohl kaum Musik von solcher Tiefe und
        Vollkommenheit hätte schreiben können. Genauso gut kann man aber das Gegenteil behaupten:
        dass nämlich, wer solche Musik im Kopf hat, für die Wirklichkeit, zum Beispiel einer ordentlichen
        Ehe, verloren ist. Mit drei Flaschen Wein am Tag hat Beethoven zuletzt diese Verlorenheit bekämpft;
        und das Blei, mit dem der Wein damals versetzt war, hat ihn schließlich vergiftet.

        Was jedem, der sich an die Heldensagen modernerer Musik erinnern kann, an die Geschichten vom
        Leben und Sterben von Charlie Parker, Amy Winehouse, Prince, vertraut vorkommen muss. Und
        natürlich sind Heldensage und Geniekult die angemessenen Formen, sich mit Beethovens Leben und
        Werk zu befassen – auch wenn Experten und Akademiker davor warnen, weil Schwärmerei den
        analytischen Blick eher trübe und auch das größte Genie aus seinem musikalischen, gesellschaftli-
        chen und politischen Kontext heraus betrachtet werden müsse. Und eine feministische Kritik sieht
        im Geniekult ohnehin nur den Versuch, männliche Dominanz zu feiern. Wobei das eine ja nicht der

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        Widerspruch zum anderen ist; im Gegenteil: Je mehr man weiß über diese Musik, je genauer man
        ihre Bedingungen und ihre Machart durchschaut, desto mehr Anlass findet die Emphase.

        Und der Wille, diese Musik zu feiern und ihren Schöpfer zu bewundern und zu verehren, die Bereit-
        schaft, sich hinzugeben und auszuliefern und die Musik wie einen Rausch zu erleben, ist auf jeden
        Fall angemessener als der Versuch, darin die Vertonung der allgemeinen Erklärung der Menschen-
        rechte zu hören, eine Kritik der musikalischen Vernunft (oder auch das musikalische Pendant zu
        Hegels Logik, was Adorno gern bewiesen hätte; woran er aber gescheitert ist).

        Man meint ja (und weiß es nicht genau, weil man in andere Köpfe nicht hineinhören kann) in diesen
        Tagen eine andere, eine sinnlichere, unbefangenere, lässigere Art, Beethoven zu hören, wahrzuneh-
        men. Man bekommt, wenn man nicht völlig weltfremd gelebt hat, ja den Pop, den Jazz, den Hip-Hop
        nicht heraus aus seinem Kopf. Und manchmal ist es, als wären Grundkenntnisse dieser Musik sogar
        hilfreich: die herrlichen Blue Notes im ersten Satz der Waldsteinsonate, die vertrackten Grooves im
        dritten Satz der Appassionata, der symphonische Powerpop im zweiten Satz der Siebten Symphonie
        oder der zweite Satz der Eroica, der in manchen Takten nach New Orleans klingt – all das öffnet sich
        einem Kopf, der mit den synkopischen Rhythmen der populären Musik vertraut ist, viel leichter.

        Und dann, vielleicht der schwierigste Fall, die 32. Sonate, seine letzte, der Thomas Mann eine unver-
        gessliche Passage im „Doktor Faustus“ widmete, wobei er, wenn er die Frage nach Subjektivität und
        Objektivität dieser Harmonien diskutierte, dabei von Theodor W. Adorno so gut befeuert wurde,
        dass sich der Text bei Adorno auch damit bedankte, dass Mann, wenn er das zarte Thema der Arietta
        lautmalerisch zu fassen suchte, immer wieder die Silben „Wie-sen-grund“ anschlug. Adorno spricht
        vom „Widersinn, dass der letzte Beethoven zugleich subjektiv und objektiv genannt wird. Objektiv ist
        die brüchige Landschaft, subjektiv das Licht, darin einzig sie erglüht.“

        Man folgt alldem sehr gern und zustimmend; und zugleich möchte man fragen: Habt ihr nicht den
        Thelonious-Monk-haften Minimalismus im Thema gehört? Und dann, im Mittelteil, den besten
        Boogie der ganzen Wiener Klassik? Und kann es eigentlich sein, dass sechzig, siebzig Jahre später,
        als der Jazz und der Blues entstanden, jemand auf einem verstimmten Piano in einer Honky-Tonk-
        Bar in Louisiana genau diesen zweiten Satz spielte. Und dass das Publikum darin seinen Blues und
        seine Sehnsucht sehr gut ausgedrückt fand?

        Seit mehr als hundert Jahren kursiert das Gerücht, Beethoven sei schwarz gewesen, Abkömmling
        afrikanischer Söldner in den spanischen Niederlanden; und in den frühen Sechzigern, als es den
        amerikanischen Schwarzen darum ging, sich aus einer weißen Geschichtsschreibung zu befreien,
        wurde diese Hypothese ziemlich populär. Der genealogische Beweis war schwer zu führen, der musi-
        kalische ging umso einfacher: Hört doch nur auf die Synkopen, die Bluestöne, die Breaks in den
        Sonaten! Was natürlich schon deshalb Quatsch ist, weil niemand den Blues in den Genen hat. Oder
        gar im Blut.

        Richtig ist aber, dass diese Musik mit dem Körper komponiert ist und mit dem Körper wahrgenom-
        men werden will. Zum einen, weil der ertaubende Beethoven mit dem Trommelfell allein eben kaum
        noch etwas hörte. Und zum anderen, weil die Säle, in denen die Symphonien uraufgeführt wurden,
        so klein waren, dass, wenn da ein Symphonieorchester spielte, der Lärm gewaltig war. Hundertzehn
        Quadratmeter hat der Saal im Palais Lobkowitz, wo die Eroica uraufgeführt wurde – in einem Inter-
        view mit der „Zeit“ hat die Musikwissenschaftlerin Birgit Lodes darauf hingewiesen, dass der Schall-
        druck so hoch war, wie wenn in der Berliner Philharmonie tausend Musiker spielten. Im Berghain
        wäre es leise dagegen.

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        In einem Beitrag fürs Online-Magazin „Van“ hat der Schriftsteller Thomas von Steinaecker die
        Frage, ob Beethoven schwarz war, sehr nachvollziehbar mit „nein“ beantwortet. Die schönste Pointe
        liefert aber Charles M. Schulz in einem Peanuts-Comic, der darin eingebettet ist. Da sitzt Schroeder,
        wie immer, an seinem Kinderklavier und spielt Beethoven, und Lucy sitzt neben ihm und erzählt,
        was sie gerade gelesen hat: „Einige Wissenschaftler fühlen, dass Beethoven schwarz war.“ – „Wirk-
        lich?“, fragt Schroeder, dann schweigt er erst einmal. Und dann: „Willst du mir damit sagen, dass ich
        all die Jahre ,Soul‘-Musik gespielt habe?“

        Was soll man ihm schon antworten als: „Ja, klar!“Claudius Seidl

        Einen Text über die medizinischen Leiden Ludwig van Beethovens lesen Sie auf Seite 65.

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        F.A.Z. - Feuilleton                                                                                               Montag, 14.12.2020

              Das war es wert: Theaterstatistik fürs Geschichtsbuch

        Diese Zahlen klingen wie aus einer anderen Welt: In der Spielzeit 2018/19 fanden in Deutschland 65
        995 Bühnenvorstellungen statt. Inklusive der öffentlich getragenen Theater, der Festspiele, der
        Privattheater, der selbständigen Sinfonieorchester und der Rundfunkorchester besuchten rund 35
        Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer die Häuser, 300000 mehr als im Vorjahr. Wer durch die
        aktuelle Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins blättert, den überkommt das bittere Gefühl
        tragischer Vergänglichkeit. Wer hätte noch zu Beginn des Jahres gedacht, dass diese Spielzeit eine so
        andere, so viel ärmere werden würde?

        Als „Dokumentation der letzten Spielzeit vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie“ werde ihre
        Statistik „in die Geschichte eingehen“, prophezeite der Bühnenverein unter seiner neuen Führung
        nicht ohne Pathos. Ihr frisch gekürter Präsident Carsten Brosda hatte am Wochenende gegenüber
        der F.A.S. die Schließungen von Theatern „auch mit Disziplinlosigkeiten in anderen Bereichen der
        Gesellschaft“ in Zusammenhang gebracht und gefordert, dass „die Kultur in der ersten Welle der
        Lockerungen dabei sein“ müsse. Das klang im Rückblick auf die gestern beschlossenen, nun wieder
        umfassenderen Verschärfungen dann fast schon rührend optimistisch. Immerhin stehen die
        geschlossenen Theater nun ab Mittwoch nicht mehr allein da, sondern teilen ihr Schicksal mit (fast)
        allen anderen Einrichtungen unserer Öffentlichkeit.

        Wozu lohnt also dann der schwelgende Blick in Statistiken aus vergangenen Theatertagen? Weil sich
        die Gesellschaft und insbesondere die Politik noch einmal vor Augen führen sollte, was ihr die
        Bühnenkultur vor Corona wert war und auch was sie ihr an durchaus berechenbarem Wert gebracht
        hat: Bei den öffentlich getragenen Theatern und Orchestern betrugen die staatlichen Zuschüsse rund
        2,74 Milliarden Euro, die Eigeneinnahmen stiegen von 569344 auf 586757 Millionen Euro um
        immerhin 3,1 Prozent. Beim fest angestellten Personal stiegen die Zahlen ebenfalls wieder leicht um
        0,8 Prozent von 44 821 auf 45 188 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Anzahl der nicht ständig
        Beschäftigten weist ebenso eine Steigerung um 0,7 Prozent von 32 495 auf 32 719 aus.

        Diese Zahlen sollte die Politik im Blick behalten, wenn sie demnächst ihre Kulturhaushalte verab-
        schiedet und über etwaige Budgetkürzungen diskutiert. stra

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        Montag, 14.12.2020, Tagesspiegel / Kultur

        „Wir hoffen auf einen Sommer mit Konzerten“
        Veranstalter Dieter Semmelmann über Absagen, Hilfsprogramme und Shows
        unter Pandemie-Bedingungen

        Herr Semmelmann, dies war ein Jahr fast ohne Konzerte. Bei welchem Auftritt hat es Ihnen
        persönlich besonders leidgetan, dass er nicht stattfinden konnte.

        Ich möchte da kein Konzert herausheben, weil wir von Sarah Connor über Roland Kaiser bis hin zu
        Céline Dion so viele tolle Shows geplant hatten. Es ist für jede einzelne ein kleines Drama, dass sie
        nicht stattfinden konnte. Das gesamte Jahr 2020 war – ich sage es mal salopp – ein beschissenes
        Jahr. Es sind Dinge passiert, die wir uns nicht in den schlimmsten Albträumen hätten vorstellen
        wollen. Mittlerweile haben wir uns mit dieser Situation einigermaßen abgefunden. Wir sind damit
        beschäftigt, Schadensbegrenzung zu betreiben, möglichst alle Shows zu verlegen und damit
        zumindest langfristig zu retten.

        Wie viele Ihrer Konzerte waren betroffen?

        Wir mussten rund 1500 Veranstaltungen verlegen oder absagen. Das betrifft ein Volumen von weit
        über zwei Millionen Tickets.

        Können Sie absehen, wie hoch hierzulande in etwa der Gesamtverlust der
        Konzertveranstalter ausfallen wird?

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        Das kann ich nicht genau beziffern, aber der Schaden geht insgesamt sicher in die Milliarden.
        Unsere Branche umfasst sehr viele unterschiedliche Beteiligten: Nicht nur die Seite der
        Veranstalter, sondern alle, die zur Durchführung von Konzerten notwendig sind: Da sind natürlich
        die Künstler, die Bands, die Technik, die Crews, die Security und das sonstige Personal, wo oft
        Soloselbstständige beschäftigt sind. Das geht bis hin Veranstaltungsstätten, Cateringfirmen und
        auch zu den Taxifahrern, denen Kundschaft fehlt.

        Wird es eine Pleitewelle bei den über 450 deutschen Konzertveranstaltern geben?

        Jens Michow, Präsident des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft, glaubt
        das 50 Prozent der Veranstalter nicht überlebensfähig sind. Das ist natürlich eine sehr hohe Zahl
        und es fällt mir schwer, das objektiv zu begutachten, aber ich denke schon, dass es spätestens 2022
        einen Aderlass geben wird und wir einen weiteren Konzentrationsprozess erleben werden.

        Zur Unterstützung der Firmen gibt es diverse staatliche Fördermaßnahmen. Wie beurteilen
        Sie diese?

        Die helfen eher den kleineren und mittelgroßen Betrieben. Wir als sehr großes Unternehmen
        scheitern da leider bisher an den Förderbedingungen und haben von diesen Zuschüssen bisher
        kaum etwas erhalten.

        Konnten Sie denn vom „Neustart Kultur“-Programm profitieren, in dem
        Kulturstaatsministerin Monika Grütters eine Milliarde Euro zur Verfügung stellt?

        Ein begrüßenswerter Ansatz. Allerdings verteilt sich diese Milliarde auf wahnsinnig viele
        Unternehmen und Sparten, wozu auch die ohnehin subventionierten Kulturbereiche gehören. Für
        die kommerzielle Veranstaltungsbranche sind etwa 100 Millionen übrig geblieben, und die werden
        nach einem relativ komplizierten Modell verteilt. Mittel aus dem „Neustart Kultur“ gibt es für neue
        Projekte, die nicht gewinnbringend durchgeführt werden können. Es werden aber keine Verluste
        oder Schadenersatz für die letzten Monate übernommen. Das ist hilfreich, aber nur ein Tropfen auf
        den heißen Stein.

        Dann haben Sie sich gar nicht beworben?

        Doch, wir haben uns mit Veranstaltungen beworben, die wir im nächsten Jahr – auch unter
        Pandemiebedingungen – durchführen wollen und haben auch eine Zusage bekommen. Man muss
        aber ehrlicherweise sagen, dass man sich als Veranstalter sehr genau überlegt, ob man Projekte
        angeht, die wahrscheinlich einen Verlust verursachen werden, den man dann durch Fördermittel
        ausgleichen kann. Wobei auch kein Gewinn in Aussicht steht. Ich möchte den „Neustart Kultur“ gar
        nicht schlechtreden. Letztendlich ist jede Unterstützung begrüßenswert und wir sind durchaus
        dankbar. Aber unser Problem löst dieses Programm sicher nicht.

        Was wünschen Sie sich stattdessen?

        Wir haben seit März 2020 unverschuldet mehr oder weniger Berufsverbot. Unser Wunsch wäre,
        dass alle Unternehmen der Branche Förderungen erhalten. Also auch die vielen Einzel-Firmen, die
        sich mittlerweile zu einer konzernähnlichen Struktur zusammengeschlossen haben. Wir fordern
        keinen kompletten Umsatz- Ersatz, denn das ist bei unserer Größenordnung auf Dauer
        unrealistisch, sondern einen umfassenden Ersatz unserer Fixkosten, rückwirkend bis zum Beginn

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        des ersten Lockdowns und für die nächsten Monate. Die Kosten sind unser großes Problem, denn
        wir müssen weiterhin Büromieten, Versicherungen und laufende Kosten bezahlen und können
        nicht alle Mitarbeiter komplett in Kurzarbeit schicken, denn die Verlegung der Konzerte muss ja
        organisiert werden.

        Ihr Unternehmen hat im September unter Hygieneauflagen sieben Konzerte für 5000
        Besucherinnen und Besucher in der Berliner Waldbühne veranstaltet. Wie wurde das
        angenommen und hat es sich gelohnt?

        Das war für uns nach langer Zeit mal wieder ein Licht am Ende des Tunnels und wurde gut
        angenommen. Wir hatten eine Auslastung von etwa 75 Prozent, einige Konzerte waren auch
        ausverkauft. Man hat die Sehnsucht der Menschen nach Live-Erlebnissen gesehen. Und es ist zu
        keiner einzigen Infektionen gekommen. Wirtschaftlich ist das natürlich kein tragfähiges Modell,
        obwohl die Künstler auf ihre normalen Gagen verzichtet haben. Aber die Musiker und die Crews
        hatten wieder einmal Arbeit. Wir haben die Hoffnung, dass wir zumindest im Sommer nächstes
        Jahr wieder Konzerte machen können, vielleicht sogar in der Form und im Umfang, wie wir sie in
        der Vergangenheit organisieren konnten. Das ist mein größter Wunsch für das nächste Jahr.

        Das wird Finanzminister Scholz freuen zu hören, denn er sagte letztens im Tagesspiegel-
        Gespräch, dass er die Konzertveranstalter ermutigen möchte, wieder loszulegen, damit es
        nicht dazu komme, dass die Pandemie vorbei sei und es keine Konzerte gäbe. Sie legen also
        wieder los?

        Ja, klar. Vielleicht muss man das dem Finanzminister noch mal erklären: Wir haben ja unglaublich
        viel Konzerte von diesem auf das nächste Jahr verlegt. Die stehen ohnehin an. Es ist das A und O,
        dass wir die jetzt nicht nochmal verlegen müssen. Wir würden die Shows gerne durchführen im
        nächsten Jahr. Und wenn wir vom Finanzminister die angekündigte Zusage bekommen, dass
        gegebenenfalls die Schäden oder die Verluste ersetzt werden, die durch reduzierte
        Besucherkapazitäten entstehen, dann werden wir das auch realisieren können. Wir brauchen aber
        relativ schnell eine gesicherte Aussage wie dieses Modell genau aussehen wird. Der Teufel liegt im
        Detail.

        Wo sehen Sie Probleme?

        Ich habe manchmal das Gefühl, dass in den Ministerien größtenteils Leute verantwortlich sind, die
        vor allem mit der subventionierten Kultur zu tun haben – mit Theatern, städtischen Konzertsälen,
        Orchestern. Es besteht weniger Erfahrung, wie die moderne Kultur funktioniert. Wir arbeiten jetzt
        mit unseren Verbänden daran entsprechende Vorschläge vorzubereiten und sie im Finanz- und
        Wirtschaftsministerium vorzustellen. Unter Dach und Fach ist es noch nicht. Aber alle Beteiligten
        arbeiten konstruktiv zusammen und sind gewillt gute Konzepte zu entwickeln.

        Der von Scholz angesprochene Ausgleich für pandemiebedingt ausfallende Konzerte ab der
        zweiten Jahreshälfte 2021 würde also schon mal helfen?

        Genau, das würde helfen.

        Können Sie sich vorstellen im nächsten Jahr auch mit Schnelltests oder Impfbestätigungen
        vor Konzerten zu arbeiten?

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        Wir haben viele verschiedene Konzepte in der Schublade und sind für alle Eventualitäten
        vorbereitet. Im Moment liegt der Fokus der Verantwortlichen verständlicherweise auf anderen
        Dingen. Doch wir erwarten, dass wir ab Mitte Januar angehört werden, wenn die Inzidenzzahlen
        hoffentlich zurückgegangen sind und das Impfen begonnen hat. Wir möchten mit unseren
        Künstlern für unser Publikum wieder tolle Erlebnisse schaffen. Professionelle Veranstalter können
        das – wir haben es in den letzten Monaten bewiesen und wir sind uns unserer Verantwortung sehr
        wohl bewusst.

        Kommt es dann auf den deutschen Bühnen zu einem Konzert-Stau, weil so viel verschoben
        wurde?

        Das ist ein Hauptproblem: Wir haben jetzt schon Termin-Not, weil wahnsinnig viele verlegte
        Veranstaltungen noch durchgeführt werden müssen. Neue Tourneen-Planungen beginnen meist
        erst im Jahr 2022. Aber erstmal müssen die Tickets, die die Fans behalten haben, abgearbeitet
        werden. Wir fordern sie gerade in einer Kampagne noch einmal auf, die Karten nicht
        zurückzugeben, solidarisch zu sein und an uns zu glauben. Auch deshalb ist das vom
        Finanzminister angestoßene Programm wichtig, damit wir das popkulturelle Leben auf den
        Bühnen wieder beginnen kann, das seit fast einem Jahr stillsteht.

        Das Gespräch führte Nadine Lange. Dieter Semmelmann gründete 1991

        Semmel Concerts.

        Die Firma beschäftigt 150 Mitarbeitende und organisiert jährlich 1500 Veranstaltungen für über
        fünf

        Millionen Besucher.

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22 FEUILLETON

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             ormalerweise würde jetzt                                                                                                                                                                                                                                                                                        Jahr vergüteten Bühnenarbeiter an.           werbeträchtiger Ausschnitt seines
             die Novitätenhölle der                                                                                                                                                                                                                                                                                          Und der diesjährige Sommerfestspiele-        Tourprogramms.
             Weihnachtsopernproduk-                                                                                                                                                                                                                                                                                          Wellenbrecher Salzburg lässt mitteilen,         Frauen werden in große, seltsame
             tionen ihren Rachen öff-                                                                                                                                                                                                                                                                                        dass am 10. Dezember das Programm            Couture-Roben verpackt, am schrillsten
             nen. In diesem Jahr gibt                                                                                                                                                                                                                                                                                        für 2021 verkündet wird und gerade           Marina Rebeka in einen ganzen Veil-
es gerade einmal zwei frische Verdi-In-                                                                                                                                                                                                                                                                                      70.000 Vorschauen gedruckt und dann          chenladen, die Männer singen stoisch
szenierungen im gesamten deutsch-                                                                                                                                                                                                                                                                                            verschickt werden.                           im Frack. Auf den Boden werfen darf
sprachigen Raum. Via Stream, mit gar                                                                                                                                                                                                                                                                                            Noch ist allerdings der 7. Dezember,      sich nur Ludovic Tézier beim Posa-Tod
keinem oder nur kleinem Live-Chor im                                                                                                                                                                                                                                                                                         traditionell – zumindest seit 1951 – nicht   (in Fjodor Schaljapins Pelzmantel).

                                                                                          Die Oper
Opernhaus. Das kommt einer Kastrati-                                                                                                                                                                                                                                                                                         nur der Gedenktag des Mailänder Stadt-          Überhaupt wirken die „Don Carlo“-
on gleich.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   heiligen Sankt Ambrosius, sondern auch       Ausschnitte vor einem verschneiten Sa-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             der festlichen Inaugurazione der Scala-      lonwagen, wo Elina Garanca als Prin-
             VON MANUEL BRUG                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Saison. Diese Eröffnung, überfüllt, poli-    zessin von einer Zofe Tee eingeschenkt

                                                                                        schafft sich ab
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             zeiabgesperrt, glamourös und vulgär,         bekommt, wie „Doktor Schiwago“ mit
   In Leipzig hat man den „Troubadour“                                                                                                                                                                                                                                                                                       weltweit übertragen, von den italieni-       der falschen Musik. So fährt der Opern-
auf 90 Minuten heruntergehackt, Jakob                                                                                                                                                                                                                                                                                        schen Zeitungen tage- wie seitenlang         zug immer mehr nach nirgendwo.
Peters-Messers angedeutete Inszenie-                                                                                                                                                                                                                                                                                         gecovert, ist immer noch das schlagzei-         Der verharrt mit Carlos Álvarez als
rung spielt zwischen mit rot-weißen                                                                                                                                                                                                                                                                                          lenträchtigste Opernevent des Jahres.        Jago einmal kurz vor einem brennenden
Bändern gesichertem Sperrmüll auf der                                                                                                                                                                                                                                                                                           Doch das berühmte Opernhaus ist           Weißen Haus. Der greise Möchtegern-
Vorbühne. Es gibt keine Vorgeschichte                                                                                                                                                                                                                                                                                        längst wieder in Covid-Quarantäne,           Bariton Plácido Domingo, stimmlich
und keinen Sinti-Chor, Azucena steigt                                                                                                                                                                                                                                                                                        spielt nicht. Der neue Intendant Domi-       fahl mit Wackel-Legato und nach seiner
gleich mit ihrer Arie aus dem zweiten                                                                                                                                                                                                                                                                                        nique Meyer hat gerade einen Karten-         Corona-Genesung müde aussehend,
Bild ein.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    einnahmenverlust von 26 Millionen            versucht, noch einmal vor Mikrofonen
   Marina Prudenskaya singt das sehnig-                                                                                                                                                                                                                                                                                      Euro publik gemacht. Auch die Inaugu-        mit einem „Andrea Chenier“-Clip
anrührend. Auch die Lenore von Rober-                                                                                                                                                                                                                                                                                        razione mit Donizettis „Lucia di Lam-        staatsmännisch zu posieren. Und als
ta Mantegna schafft sich mit der schö-                                                                                                                                                                                                                                                                                       mermoor“ wurde schon vor Wochen              Liù hat Aleksandra Kurzak vor wasser-
nen Fülle ihres warmen Soprans Raum                                                                                                                                                                                                                                                                                          abgesagt.                                    leichentotem Ophelia-Foto in einem ro-
und Aura. Dann fährt ein Treppenturm                                                                                                                                                                                                                                                                                            Stattdessen singen jetzt deren Prota-     sa Tüllalbtraum ertrinkend mit herab-
herein, zwei Statistenritter mit Flügeln                                                                                                                                                                                                                                                                                     gonisten auf Arte voraufgezeichnet aus       hängenden Strähnen einen ziemlichen
kämpfen. Ansonsten ist das trotz Anto-                                                                                                                                                                                                                                                                                       der Konserve. Die aufstrebende ameri-        bad hair day.
nio Foglianis befeuerndem Dirigat des                                                                                                                                                                                                                                                                                        kanisch-kubanische Sopranistin Lisette          „Die Bühne ist ein Raum der Möglich-
Gewandhausorchesters eine maue An-                                                                                                                                                                                                                                                                                           Oropesa singt aus „Lucia“, einigerma-        keiten“, verheißt das Pseudobildungs-
gelegenheit.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 ßen surreal auf einem Steg über einem        fernsehen zwischen den Musikaus-
   In Zürich, wo man nur für die Kame-                                                                                                                                                                                                                                                                                       Wasserbecken und vor einem Video-            schnitten, die das Scala-Orchester un-
ras von Arte „Simon Boccanegra“ her-                                                                                                                                                                                                                                                                                         meeresstrand neben beschirmten Stati-        ter seinem maskenvermummten Chef
ausbringt, sieht alles besser aus. Weil                                                                                                                                                                                                                                                                                      sten in einem muschelornamentierten          Riccardo Chailly vom überbauten Par-
Andreas Homoki so zeitlos moderni-                                                                                                                                                                                                                                                                                           Armani-Kleid mit ebenfalls surrealem         kett aus versiert begleitet. Dann singt
stisch und öde Regie führt wie immer,                                                                                                                                                                                                                                                                                        Dekolleté; Christa Ludwig hätte es „Bu-      Marianne Crebassa die Carmen im Was-
wirkt diese Genueser Dogengeschichte                                                                                                                                                                                                                                                                                         senquetsche“ genannt. Juan-Diego             ser und Piotr Beczala die Blumenarie
in der Wüstenei sich drehender weißer                                                                                                                                                                                                                                                                                        Floréz singt aus dem „Liebestrank“ im        vor einer virtuellen Monsterdistel.
Salonfluchten (mit besonders vielen                                                                                                                                                                                                                                                                                          blauen Edelanzug und in einem Am-               Eleonora Buratto und George Petean
Türen!) auch so makellos geschmacks-                                                                                                                                                                                                                                                                                         biente à la Fellinis „La strada“.            mühen sich mit dem „Maskenball“ vor
neutral wie immer.                                                                                                                                                                                                                                                                                                              „A riveder le stelle“ – „Die Sterne       Krähen auf Telefondrähten. Roberto
   Die Chöre kommen nur aus dem Off                                                                                                                                                                                                                                                                                          wiedersehen“ – heißt der vorab für die       Alagna, der hier 2006 mitten in einer
wie Fabio Luisis sachliche Verdi-Aku-                                                                                                                                                                                                                                                                                        Kameras aus Konserven zusammenge-            „Aida“-Inaugurazione-Folgevorstellung
stikzurichtung, weil man in Zürich die                                                                                                                                                                                                                                                                                       bosselte Galaabend. Er hätte ein viel ge-    dem buhenden Publikum davonlief,
Kollektive per Glasfaserkabel aus dem                                                                                                                                                                                                                                                                                        sehenes Manifest für die Relevanz der        kehrt erstmals mit „Tosca“ wieder.
Kilometer entfernten Probenraum                                                                                                                                                                                                                                                                                              Gattung Oper werden können. Aber er             Jonas Kaufmann hatte für „Nessun
überträgt. Der Fernsehtechniker mischt                                                                                                                                                                                                                                                                                       präsentiert nur wort- und sinnfrei alt-      dorma“ vor Spiralnebeln kurzfristig ab-
also doppelt, was sich inzwischen schon                       Kristine Opolais singt in                                                                                                                                                                                                                                      modische Tradition im scheinbar mo-          gesagt; er wurde durch Piotr Beczala er-
etwas besser anhört als bei früheren                          einem Live-Intermezzo die                                                                                                                                                                                                                                      dernen, völlig austauschbaren Videoa-        setzt. Da hat dann auch der Chor mit
Streams.                                                      „Madame Butterfly“                                                                                                                                                                                                                                             nimationskleid. In Italien, dem Land,        Maske im Logenrund einen Miniauf-
   Gespannt war man auf das Boccane-                                                                                                                                                                                                                                                                                         das die Oper erfunden hat, verharrt die-     tritt, so wie schon zu Beginn mit der
gra-Debüt von Christian Gerhaher.                                                                                                                                                                                                                                                                                            se als Kunstform eben bis heute im De-       Nationalhymne, in die auch die Bühnen-
Der Liedpapst singt in seiner erst zwei-                                                                                                                                                                                                                                                                                     korationsstatus. Es geht um Bellezza         arbeiter auf der Szene mit einstimmten.
ten Verdi-Rolle den alten Korsaren, der                                                                                                                                                                                                                                                                                      und Sprezzatura, nie um Relevanz für            Mit Rossinis wunderbarem Freiheits-
sich an späten Vaterfreuden labt und                                                                                                                                                                                                                                                                                         die Gegenwart.                               schluss aus „Wilhelm Tell“ geht es ins
dann vergiftet stirbt, mit deutschem                                                                                                                                                                                                                                                                                            Und so hat der hier viel gebuchte Re-     Finale. Man erinnert an Arturo Toscani-
Ernst, drangvoller Eleganz und druck-                                                                                                                                                                                                                                                                                        gisseur Davide Livermore den dreistün-       ni, der war einmal das gute Gewissen
reicher Emphase. Die ihm naherücken-                                                                                                                                                                                                                                                                                         digen Arienparcours vor dem Pixels-          des Hauses. Die Rai-Kamera fliegt über
den Objektive verstärken das pla-                                                                                                                                                                                                                                                                                            creen vorwiegend mit Versatzstücken          den Dom, die Galleria und die Piazza
stisch-bannende, eingedüstert-bittere                                                                                                                                                                                                                                                                                        aus eigenen Inszenierungen versehen.         Scala durch die leere Stadt.
Charakterbild.                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Da fliegen Autos und stehen Eisenbahn-          Normalerweise ist da an Sant’Ambri-
   Am Morgen drauf sitzt Gerhaher in                                                                                                                                                                                                                                                                                         wagen herum. Dazwischen rezitieren           gio auch spät noch dicht gedrängt Le-
München in einer ebenfalls per Video                                                                                                                                                                                                                                                                                         im Ausland unbekannte Schauspieler in        ben. So, wie die Scala-Inaugurazione
verfolgbaren Pressekonferenz. Er führt                                                                                                                                                                                                                                                                                       den Prunkfoyers, auf Treppen und im          normalerweise ein so nerviges wie lie-
mit seiner Prominenz das Aktionsbünd-                                                                                                                                                                                                                                                                                        Scala-Museum melodramatisch Tief-            benswertes Durcheinander aus Getüm-
nis „Aufstehen für die Kunst“ von 25 in                                                                                                                                                                                                                                                                                      schürfendes von Dante, Shakespeare,          mel, klingenden Telefonini, schwatzen-
Bayern Kulturschaffenden an, die per                                                                                                                                                                                                                                                                                         Verdi, Primo Levi und Rudolf Nurejew.        den Adabeis, sich ereifernden Loggio-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                         TEATRO ALLA SCALA

Eilantrag beim Verwaltungsgerichtshof                                                                                                                                                                                                                                                                                           25 Sängerstars sind aufgeboten, kein      nisti, arroganten Promis, echten Fans
gegen die rigide freistaatliche Theater-                                                                                                                                                                                                                                                                                     Werk ist freilich jünger als Puccinis „Tu-   ist. Kaum Disziplin, aber Leben und
schließungspolitik klagen möchten. Zu-                                                                                                                                                                                                                                                                                       randot“ von 1925. Mit Ausnahme eines         Italianità!
nächst müssen sie sitzen bleiben und                                                                                                                                                                                                                                                                                         „Walküre“-Ausschnitts mit Andreas               Ein Laserdreieck leuchtet vom Scala-
sich neu justieren, denn die Staatsregie-                                                                                                                                                                                                                                                                                    Scharger und Camilla Nylund in tiefen        Bühnenturm in die dunklen Straßen.

                                                                                Wie die Mailänder Scala ihre Saisoneröffnung als
rung hat den „Katastrophenfall“ ausge-                                                                                                                                                                                                                                                                                       Fauteuils, schmeckt das Menü komplett        Tristezza! Am schmerzlichsten fehlt –
rufen. So bleibt es bei verbalen Gefech-                                                                                                                                                                                                                                                                                     italienisch.                                 Applaus, Reaktion, die Geste des Huma-

                                                                                Online-Event inszenierte: Protokoll einer Blamage
ten über die „Fragwürdigkeit gesetzge-                                                                                                                                                                                                                                                                                          Einen Hauch Moderne bringt, wäh-          nen als Antwort. So bleiben die Gesänge
berischer Aktionen“.                                                                                                                                                                                                                                                                                                         rend die anderen beteiligten Tänzer des      aus der TV-Dose (die nach der Livesen-
   Indessen ordnet die seit März ge-                                                                                                                                                                                                                                                                                         Scala-Balletts als Hüpfpuppen behan-         dung, obwohl einen Monat bei Arte-
schlossene New Yorker Metropolitan                                                                                                                                                                                                                                                                                           delt werden, einzig dessen wie meist         Concert abrufbar, aus technischen
Opera wegen eines Gewerkschafts-                                                                                                                                                                                                                                                                                             hemdloser Etoile Roberto Bolle mit           Gründen lange nicht mehr neu zu öff-
streits die Aussperrung ihrer 300 im                                                                                                                                                                                                                                                                                         einer Laserchoreografie zu Synthie-          nen ist) eben Tütensuppe mit Ge-
Durchschnitt mit 260.000 Dollar pro                                                                                                                                                                                                                                                                                          Mucke und Satie – die ist freilich nur ein   schmacksverstärker.

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