47 ZEITSCHRIFT DES DIRIGENTENFORUMS JULI 2019
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ZEITSC H R I FT DES DI R IGENTEN FORUMS J U LI 2019 47 Deutscher Dirigentenpreis 2019 in Köln: Die Kandidaten S E ITE N 4 B I S 7 Vielfältiges Kursprogramm: Von der Operette bis zur Chorsinfonik S E ITEN 8 B IS 2 2 Der Freundeskreis des Dirigentenforums S EITEN 2 0 B I S 21
Wenn Beethoven, dann Bärenreiter. Orchesterwerke von Ludwig van Beethoven Die Neun Symphonien Partituren und Orchesterstimmen BA 9001–BA 9009 ● Urtext-Ausgaben 9 Dirigierpartituren im Schuber BA 9000 auf dem aktuellsten Stand 9 Studienpartituren im Schuber TP 900 der Forschung Die fünf Klavierkonzerte ● Herausgegeben von dem Partituren und Orchesterstimmen BA 9021–BA 9025 renommierten britischen 5 Studienpartituren im Schuber TP 920 Musikwissenschaftler Konzert für Klavier und Orchester Jonathan Del Mar nach dem Violinkonzert op. 61 BA 9013 ● Das komplette Konzert in D für Violine Orchestermaterial ist und Orchester op. 61 käuflich erhältlich Partitur und Orchesterstimmen BA 9019 Romanzen in F und G für Violine und Orchester op. 40 und op. 50 Mit Beethoven Partitur und Orchesterstimmen BA 9026 durch das Jahr 2020 Konzert in C für Klavier, Violine, Taschenkalender Violoncello und Orchester op. 56 (10,5 x 14,8 cm) „Tripelkonzert“ ISBN 978-3-7618-2450-4 Partitur und Orchesterstimmen BA 9027 € 14,95 Bärenreiter Urtext di r igenten forum 47 | J u li 2019 Your next performance is worth it. www.baerenreiter.com
Editorial Inhalt Editorial 3 Deutscher Dirigentenpreis: Die Kandidaten 5 Termine 7 Vergessene Operette 8 FOTO: JA N N WI LKEN Korngold-Entdeckung 10 Große Chorsinfonik 12 Opernkurs Leipzig 13 Liebe Leserin, lieber Leser, Conductor Collider 14 im Herbst wird es spannend, wenn vom zu bieten. Auf dem Gebiet der zeitge- 11. bis 18. Oktober 2019 der Deutsche nössischen Musik stellte die erstmalige Junge Dirigenten zeigen Format 15 Dirigentenpreis zum zweiten Mal in Zusammenarbeit mit dem renom- Köln ausgetragen wird! Wir nehmen mierten Kölner Ensemble Musikfabrik Vier junge Dirigenten diese Ausgabe zum Anlass, Ihnen die im März für unsere Orchesterstipendi- im Rampenlicht 16 zwölf Kandidatinnen und Kandidaten, aten ein Highlight dar, das in Zukunft die die Wettbewerbs-Jury zur Teil- wiederholt werden soll (S. 14). Dramatik aus Disziplin 17 nahme ausgewählt hat, vorzustellen (Seiten 4-7). Sie alle werden im Oktober Der Freundeskreis Dirigentenforum Fliegender Wechsel in der Metzinger Gelegenheit haben, mit dem Gürze- e.V. wurde im Rahmen des 25-jährigen Stadthalle 18 nich-Orchester Köln, dem WDR Sinfo- Jubiläums des Dirigentenforums im nieorchester sowie Sängerinnen und November 2016 gegründet und hat WDR Rundfunkchor 19 Sängern der Oper Köln in der Kölner seither schon viele unserer Projekte Philharmonie zu arbeiten und der Jury unterstützt und ermöglicht. Mit Fünf Fragen an... Andreas Bausdorf 20 ihr Können im Sinfonie- und Opernre- diesem Heft führen wir die neue pertoire zu demonstrieren. Rubrik „Fünf Fragen an…“ ein, in der Assistenz bei Jörg Widmann 21 sich jeweils ein Mitglied des Freundes- In der ersten Jahreshälfte stand im kreises den Fragen unserer Redaktion Dirigierkurs Nürnberg 22 Dirigentenforum neben der Aufnahme stellt und Einblick gibt in die Beweg- neuer Stipendiaten im Orchester- und gründe und Ziele der Förderarbeit. Neue Herausforderungen 23 Chorbereich (S. 27) ein umfangreiches Den Anfang macht Andreas Bausdorf Kursangebot auf dem Programm. Ich (S. 20), Vorstandsvorsitzender des Chefposition und erste Preise 24 freue mich besonders, dass wir unseren Freundeskreises Dirigentenforum e.V. Chorstipendiaten neben einem hochka- und Geschäftsführer der Deutschen Informationen zur Bewerbung 24 rätigen a cappella-Kurs mit dem WDR Orchester-Stiftung. Rundfunkchor die Möglichkeit bieten Neun neue Maestri 27 konnten, auch im chorsinfonischen und Das Team des Dirigentenforums im Opernchor-Bereich Erfahrungen zu wünscht Ihnen viel Freude bei der Impressum 30 sammeln und Kontakte zu knüpfen Lektüre und eine schöne, erholsame (Seiten 12, 13 und 19). Sommerzeit! Es ist uns ein Anliegen, unseren Ihre Stipendiaten in möglichst vielen musikalischen Bereichen und Genres die Gelegenheit zur praktischen Arbeit 2 | 3
deutsc h er d i r igenten pr eis 2019 Die Kandidaten Zwölf Dirigentinnen und Dirigenten für den Deutschen Dirigentenpreis 2019 nominiert Das Dirigentenforum des Deutschen Jahre sind. Unter 91 Bewerbern aus aller sowie Michael Mund (Oper Köln). Die Musikrats richtet den Deutschen Welt wurden 12 Kandidaten ausge- Kandidaten Johannes Braun und Gábor Dirigentenpreis 2019 in Partnerschaft wählt. Die Video-Vorauswahl fand unter Hontvári qualifizierten sich für den mit der Kölner Philharmonie, der Oper dem Jury-Vorsitz von Lothar Zagrosek in Deutschen Dirigentenpreis über ihre Köln, dem Gürzenich-Orchester Köln Bonn statt. Mitglieder dieser Jury waren erfolgreiche Teilnahme am Dirigenten- und dem WDR Sinfonieorchester aus. außerdem Siegwald Bütow (WDR Sinfo- forum, die mit mehreren Juryentschei- Bewerben konnten sich Dirigentinnen/ nieorchester), Patrick Hahn und Ulrike dungen verbunden ist. en aller Nationen, die jünger als 32 Schäfer (Gürzenich-Orchester Köln) ergänzten sein Studium. 2016 wurde er Ka Hou Fan studierte an der École mit dem Ernst-von-Schuch-Preis ausge- Normale de Musique de Paris sowie an zeichnet und 2017 belegte er beim der Universität für Musik und darstel- 8. Dirigierwettbewerb der Mitteldeut- lende Kunst Wien. Beim Princess Astrid schen Musikhochschulen mit dem MDR International Music Competition 2018 Sinfonieorchester den zweiten Platz. und dem Maestro Solti International Conducting Competition 2017 erreichte er jeweils das Semi-Finale. Seit 2019 nimmt er am Master-Programm des Johannes Braun Conservatorium van Amsterdam und des Royal Conservatoire of The Hague Johannes Braun ist seit der Spielzeit teil, in dessen Rahmen er Assistenzen 2017/18 als 1. Kapellmeister am Landes- bei Dirigenten und professionellen theater Coburg verpflichtet. Er studierte Orchestern absolvieren wird. an der Hochschule für Musik Karlsruhe und der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ Weimar. Meisterkurse u.a. bei Bernard Haitink und Johannes Schlaefli Ka Hou Fan 4 | 5
deutsc h er di r igenten pr eis 2019 Julio García Vico Gábor Hontvári Marc Leroy-Calatayud Julio García Vico studiert seit 2015 an Gábor Hontvári studiert seit 2015 Seit 2016 ist Marc Leroy-Calatayud Assi- der Robert Schumann Hochschule an der Hochschule für Musik „Franz stant conductor an der Opéra National Düsseldorf Dirigieren. Zuvor absol- Liszt“ Weimar. Zuvor absolvierte er de Bordeaux und beim Orchestre Natio- vierte er seinen Master für Neue Musik seinen Bachelor im Orchester- und nal Bordeaux-Aquitaine. Er studierte (Klavier) beim Ensemble Modern und Chordirigieren an der Franz-Liszt- an den Musikhochschulen in Lausanne, war Akademist beim Spanischen Natio- Musikakademie in Budapest. Beim Wien sowie Zürich und besuchte nalorchester. An der Musikhochschule Internationalen „Lantos Rezső Wettbe- Meisterkurse u.a. bei Bernard Haitink Madrid studierte er von 2009 bis 2013 werb“ für junge Chordirigenten 2014 und Vladimir Jurowski. Konzerten- Klavier. Auftritte als Dirigent führten und beim 7. Dirigierwettbewerb der gagements erhielt er bisher u.a. beim ihn u.a. an die Komische Oper am Rhein. mitteldeutschen Hochschulen mit dem Orchestre de l’Opéra de Limoges, 2018 assistierte er Rüdiger Bohn beim MDR ging er als 1. Preisträger hervor. dem Musikkollegium Winterthur, der European Workshop for Contemporary Beim Wettbewerb „Campus Dirigieren“ Janáček Philharmonie Ostrava und Music. 2019 übernahm er eine Assistenz erhielt er 2019 den 2. Preis sowie den der Südwestdeutschen Philharmonie für Fausto Nardi bei der Internationale Publikumspreis. Konstanz. Opernakademie in Weikersheim. Niklas Benjamin Hoffmann Nicolas Kierdorf Paul Marsovszky Niklas Benjamin Hoffmann gewann Nicolas Kierdorf absolvierte seinen Paul Marsovszky studierte zunächst an 2016 den International Donatella Bachelor in Orchesterdirigieren an der der Franz Liszt Musikakademie Buda- Flick & LSO Conducting Competition HfMT Köln und ist seit 2017 im Master- pest, wo er seinen Master-Abschluss und wurde infolgedessen Assistant programm an der HfMT Hamburg. mit Bestnote und Auszeichnung absol- Conductor des London Symphony Meisterkurse u.a. bei Johannes vierte. Seit 2018 studiert er an der UdK Orchestra. Hier arbeitete er eng mit Schlaefli, Nicolás Pasquet und Markus Berlin. Zu den professionellen Orche- allen Gast- und Chefdirigenten wie z.B. Lehtinen gaben weitere wichtige stern, mit denen er bisher gearbeitet Valery Gergiev, Sir Simon Rattle und Impulse. 2019 erreichte er das Finale hat, gehören das Ungarische Rund- Bernard Haitink zusammen und diri- beim Deutschen Hochschulwettbe- funkorchester, Festival Strings Lucerne, gierte eigene Konzerte. Sein Studium werb „Campus Dirigieren“. Mit den Symphonisches Orchester Savaria, absolvierte er an der Musikhochschule Hamburger Symphonikern konzer- Concerto Budapest, Danubia Orchester, „Franz Liszt“ in Weimar. Engagements tiert er regelmäßig und ist seit 2019 die Magdeburgische Philharmonie, die führten ihn u.a. zum St. Petersburg Künstlerischer Leiter des Orchesters der Brandenburger Symphoniker sowie Symphony Orchestra und der Staats- Konrad-Adenauer-Stiftung. das Brandenburgische Staatsorchester philharmonie Rheinland Pfalz. Frankfurt. di r igenten forum 47 | J u li 2019
deutsc h er di r igenten pr eis 2019 Vitaly Shevelev ist seit 2017 Kapell- war sie u.a. beim Orchestre National de meister am Buryat State Academic Lille, dem Berkeley Ensemble und dem Opera and Ballet Theatre (Russland). Orchestre Victor Hugo Franche-Comté Er studierte am Sankt Petersburger zu erleben. Konservatorium und besuchte Meister- kurse u.a. bei Vasily Sinaisky und Alexander Titov. Die Orchester des Eremitage-Theaters und des Sankt Petersburger Konservatoriums, das North-West Grand Orchestra, das Sankt Simon Proust Petersburger Jugendorchester und das Internationale Sinfonieorchester Simon Proust ist seit 2017 Künstle- Tavrichesky gehören u.a. zu den Ensem- rischer Leiter des Orchestre des Jeunes bles, mit denen Vitaly Shevelev bislang du Centre und seit 2010 des von ihm konzertierte. Johannes Zahn gegründeten Ensemble Cartésixte. 2017-2019 war er Chef assistant beim Mit dem Gewinn des Aspen Conduc- Ensemble Intercontemporain. Beim ting Prize 2018 und dem 2. Preis des Princess Astrid International Music 7. International Conducting Compe- Competition erhielt er 2018 den 2. Preis. tition Jorma Panula in Finnland Sein Studium absolvierte er am Conser- (ohne Vergabe des 1. Preises) konnte vatoire National Supérieur de Musique Johannes Zahn international auf sich in Paris. Als Gastdirigent arbeitet er aufmerksam machen. Bis 2017 studierte regelmäßig mit dem Orchestre Nati- er an der HfMT Hamburg; zurzeit ist onal de Lille, dem Orchestre Sympho- er Student an der Zürcher Hochschule nique Région Centre Tours u.a. Chloé van Soeterstède der Künste. Johannes Zahn dirigierte bereits zahlreiche Orchester, darunter Chloé van Soeterstède studierte in Paris, das City of Birmingham Symphony London und Manchester. 2018 war sie Orchestra, die Symphoniker Hamburg, Finalistin beim International Donatella die Bremer Philharmoniker, das Berner Flick & LSO Conducting Competition Symphonieorchester, Festival Strings und erreichte 2017 das Viertelfinale Lucerne u.a. beim Besançon International Conduc- ting Competition. Sie ist Gründerin und Künstlerische Leiterin des Ensembles Arch Sinfonia, das Konzerte in London, Vitaly Shevelev Paris und Lille gibt. Als Gastdirigentin Termine Öffentliche Wertungsrunden in der Kölner Philharmonie (Eintritt frei): Mittwoch, 16.10.2019, 10:00 Uhr WDR Sinfonieorchester Donnerstag, 17.10.2019, 10:00 Uhr Gürzenich-Orchester Köln, Ensemble und Internationales Opernstudio der Oper Köln Donnerstag, 17.10.2019, 14:00 Uhr WDR Sinfonieorchester Finalkonzert: Freitag, 18.10.2019, 20:00 Uhr WDR Sinfonieorchester, Gürzenich-Orchester Köln, Sänger des Ensembles und des Internationalen Opernstudios der Oper Köln Tickets für das Finalkonzert sind unter koelner-philharmonie.de und koelnticket.de erhältlich. 6 | 7
deutsc h l an dfu n k, musi k jou r nal, 14. jan uar 2019 Vergessene Operette „Rosen aus Florida“ an der Musikalischen Komödie Leipzig Von c l aus fisc h er Erstaunlich aktuell - „Der Bachelor“ FOTOS: TOM SC H U LZE anno 1929 Goliath Armstrong ist Multimillionär und einer der begehrtesten Jungge- sellen Manhattans. Selbstverständ- lich kann er sich vor Heiratsanträgen kaum retten. Er genießt jedoch lieber sein turbulentes Jet-Set-Leben. Sein besonderer Spleen: Wo auch immer er sich gerade aufhält, lässt er sich Rosen aus Florida einfliegen. Prophylaktisch. Es könnte ja vielleicht doch einmal die Richtige vor der Tür stehen. Die Handlung der Operette „Rosen aus Florida“ ist durchaus aktuell. Sie erinnert an das Konzept von „The Bachelor“, einer Reality-Soap des Privatfernsehens, sagt der Chefdirigent Yura Yang dirigiert das Orchester der Musikalischen Komödie Leipzig. der Musikalischen Komödie Leipzig Stefan Klingele. So wundert er sich Stück zu vollenden. Er tat es. Aber über sogar ein Banjo vorgesehen. Dann schon, dass sie in den letzten Jahren den Verbleib der Manuskriptfragmente gibt es wieder Passagen, die deutlich von keinem Theater im deutschen ist nichts bekannt, sagt Stefan Klingele. nach Richard Strauss oder Ermanno Sprachraum gespielt worden ist: „1951 „Ich weiß nicht, ob die im Krieg verloren Wolf-Ferrari klingen. Eine anregende in St. Gallen, das ist die letzte mir gingen, vielleicht tauchen sie ja auch Melange - und eine anspruchsvolle bekannte Aufführungsserie gewesen – wieder auf. Aber vielleicht ist das auch Aufgabe für die junge Nachwuchsdi- knapp siebzig Jahre ist das Stück jetzt eine Sage! Was man festhalten kann rigentin und ihre beiden männlichen verschwunden.“ ist, dass die Berta Fall, die Witwe Fall Kollegen, die das Werk unter Anleitung einfach wirklich Geld brauchte, weil von Stefan Klingele innerhalb einer Verschwundene Manuskriptfragmente Leo Fall ein lebenslustiger Mann war, Woche einstudiert haben. - Ein „Fall“ für die Forschung der alles verspielt und versoffen hat „Was uns sehr auffällt, ist die reiche Der Komponist Leo Fall war zu wahrscheinlich. Und Berta Fall hat sich Instrumentation“, sagt Klingele. „Es ist Lebzeiten ein Star. Seine Operetten ja irgendwann das Leben genommen, im Schlagwerk unheimlich viel Silbriges, „Madame Pompadour“, „Die Dollarprin- einfach weil sie wirklich einsam und Zartes. Harfe kommt zum Einsatz, zwei zessin“ oder „Die Rose von Stambul“ alleine war und nicht wusste, wie sie Saxophone, die in den Liebesduetten waren und sind bis heute Publikums- ihre Existenz sichern sollte. Vielleicht auch immer in Terzen spielen. Auch die renner. Aber fast jeder fleißige Genius war es einfach eine Art Geschenk von Streicher sind in der Harmonieführung verliert auch gelegentlich die Lust, Korngold an Berta Fall…“ ganz dicht…“ ein Projekt zu Ende zu führen. Das Manuskript von „Rosen aus Florida“ Musikalische Vielfalt - Von Charleston Wie dirigiert man Operette? Die Genese blieb Fragment - und wanderte in die bis Richard Strauss der Produktion Schublade. Leo Fall hat es bis zu seinem Die Partitur von „Rosen aus Florida“ ist „Man weiß es nicht so genau: Was ist Tod nicht mehr angerührt. äußerst abwechslungsreich. Ähnlich von Fall und was von Korngold“, sagt Damit begann eine spannende wie bei Korngolds älterem Kollegen einer der drei Stipendiaten des Deut- Geschichte, die noch längst nicht Paul Abraham wird der walzer- und schen Musikrats, der Schweizer Reto hinreichend erforscht ist. Die Witwe marschlastige Operettenklang ab und Schärli. „Es ist tatsächlich zum ersten Leo Falls übergab die Fragmente dem an durch typische Modetänze der zwan- Mal, dass ich ein Stück gelernt habe damals jungen Komponisten Erich ziger Jahre wie Foxtrott und Charleston und es keine einzige Aufnahme gab“, Wolfgang Korngold mit der Bitte, das angereichert. Bei einer Nummer ist ergänzt Yura Yang, die aus Südkorea di r igenten forum 47 | J u li 2019
deutsc h l an dfu n k, musi k jou r nal, 14. jan uar 2019 stammt und nach einer Hospitanz finden, falsche Noten finden, z.B. auch und angenehm-voluminösem Sopran. an der Dresdner Staatsoperette Stricharten anpassen und auch testen – Ein gelungener Operettenabend, der inzwischen bereits eine Stelle hat, als und das ist ein richtiger Workshopcha- dem Leipziger Publikum eine lohnende Kapellmeisterin am Theater in Kiel. „Ich rakter, wie man es eigentlich erwartet.“ Entdeckung ermöglicht hat! habe einmal Operette machen dürfen in Dresden und ich habe dann gemerkt, Gelungenes Experiment - Eindrücke aus Bereicherung des Repertoire-Kanons: dirigieren tut man auch anders, finde der Premiere „Rosen aus Florida“ lohnt auch die ich, wenn man Operette dirigiert. Und Alle drei Stipendiaten wurden der szenische Produktion ich wollte die Möglichkeit nutzen, dass Aufgabe voll gerecht, allerdings Christian Geltinger, der Chefdrama- man das wirklich lernen kann von so dirigierten Yura Yang und Chanming turg der Oper und der Musikalischen einem tollen Dirigenten.“ Chung aus Südkorea bei der Premiere Komödie Leipzig kann sich eine Stefan Klingele hält „Rosen aus der konzertanten Produktion eine Spur szenische Produktion der „Rosen aus Florida“ für bestens geeignet, um mitreißender und musikantischer als Florida“ in Zukunft sehr gut vorstellen: den drei Stipendiaten - der dritte, der Schweizer Reto Schärli. Auch das „Das ganze Stück könnte man unter Chanmin Chung, stammt ebenfalls aus Sängerensemble der Musikalischen das Motto „Der Bachelor“ stellen. Im Südkorea - die musikalische Leitung Komödie Leipzig war in bester Form. zweiten Akt gibt es z.B eine Schön- einer Operette zu vermitteln. „Es gibt Adam Sanchez gab den Jungmilliardär heitskonkurrenz, einen Schönheits- langsame Walzer, schnelle Walzer, Goliath Armstrong als leicht schmie- wettbewerb... letzten Endes könnte Märsche, Tänze, da ist einfach alles riger Tenor mit herrlich-komischen man das wunderbar aktualisieren auf drin! Da lernen sie in alle Richtungen zu Lebemann-Posen. Als Gast am Haus die heutige Zeit.“ Chefdirigent Stefan dirigieren. Man muss Rubato dirigieren überzeugte Desirée Brodka in der Partie Klingele sieht das genauso: „Ich bin und leise Klänge zart blühen lassen und der Dorrit, jener Frau, die Goliath von ziemlich sicher, dass in den nächsten auch mal reinhauen bei den drama- Seiten seiner Eltern zugedacht war, die Jahren ein Theater eine Inszenierung tischen Stellen!“ ihn aber völlig kalt lässt. Doch selbst- machen wird!“ Da dem Orchester der Musikalischen verständlich kommt er am Schluss doch Komödie Leipzig die Musik von „Rosen noch unter die Haube. Nach turbu- aus Florida“ auch noch nicht bekannt lenten Verwechslungsszenen kommt Der Beitrag wurde am 14. Januar 2019 in der war, hatten es die drei Nachwuchs- es zum Happy-End mit der russischen Sendung „Musikjournal“ im Deutschland- maestri in den Proben natürlich Adligen Irina Naryschkin, der Goliaths funk gesendet. leichter, von den Musikern akzeptiert immenser Reichtum sichtlich egal war. zu werden. „Das Orchester muss sich Sie wurde von Ensemblemitglied Lilly da schnell in ganz neue Stücke rein- Wünscher verkörpert, mit großer Geste Moderatorin Bettina Volksdorf interviewt Reto Schärli, Yura Yang und Chanmin Chung (v.l.n.r.). 8 | 9
n eu e musi kzeitu ng (nmz), 13. jan uar 2019 Korngold-Entdeckung „Rosen aus Florida“ an der Musikalischen Komödie Leipzig Von rol an d h. di ppel Es war vom 08. bis 13. Januar 2019: nur die Teile, die sie in den beiden noch lange mit Freude daran erinnern, der 16. Operetten-Workshop Junge Vorstellungen auch dirigierten. Der wie wenig Mühe sie mit den Gesangs- Dirigenten mit Abschlusskonzerten in Schweizer Reto Schärli ist freischaf- solisten wie Desirée Brodka (a. G.), Lilli der Musikalischen Komödie Leipzig. In fend. Die beiden Südkoreaner haben Wünscher und Adam Sanchez hatten. den Proben unter der künstlerischen bereits feste Engagements, wo sie als Diese beherrschen alle Tücken des Gesamtleitung von Stefan Klingele Kapellmeister sicher nicht allzu lange Metiers, der pikanten bis pathetischen saß auch Roland Seiffarth, der Initi- auf eigene Operetten-Einstudierungen Dialoge, der zwischen Raffinesse und ator des Projekts, und beobachtete, warten müssen. Bei den Arbeits- und Eingängigkeit changierenden Melodien wie die Werkauswahl für das Dirigen- Schlussproben standen zwei Schwer- und das dröhnende Herausschleudern tenforum des Deutschen Musikrats punkte im Vordergrund: Die richtigen der Refrains. So bekommen die jungen immer raffinierter und in diesem Fall Klangfarben, also eine bei Korngold Dirigenten Impulse, die sie zu Höchst- für Interpreten deutlich komplizierter sehr intensive Herausforderung, und leistungen und entspannter Konzentra- wird. Nach „Das Lied der Liebe“ lagen die korrekte Proportionierung von tion herausfordern. Aber irgendetwas die Noten zu Erich Wolfgang Korngolds Dynamik und Ausdruck. ist immer bei der Mischung aus Leo erfolgreichster Operette „Rosen aus Das Projekt soll nicht nur den Zielvor- Fall und Erich Wolfgang Korngold, der Florida“ (Wien 1929) nach Fragmenten stellungen des Deutschen Musikrats im Jahr 1929 für das Theater an der von Leo Fall in der Dialogbearbeitung entsprechen, sondern auch dem Wien mit „Rosen aus Florida“ seine von Christian Geltinger und Stefan unter Stefan Klingele und Cusch Jung zu Lebzeiten erfolgreichste Operette Klingele auf den Pulten: Schwierig, spannend-ambitionierten Spielplan schrieb: Ausgefeilt in der Rhythmik prickelnd, raffiniert! der Musikalischen Komödie zusätzliche und in der Melodik ist das Werk nur Dieses Jahr hat Stefan Klingele mit Reizstoffe injizieren. Die Messlatte ist mit Hybridstücken wie Künnekes „Die den drei Teilnehmern des Operetten- noch höher, seit im Herbst Korngolds große Sünderin“ oder des späten Lehár workshops genau eingetaktet, wann „Das Lied der Liebe“ nach Melodien von vergleichbar. Erich Wolfgang Korngold jeder in den beiden Teilen der Auffüh- Johann Strauß, das Werk des Operetten- hatte die von Leo Fall hinterlassenen rung zum Zug kommt. Sie probten Workshops 2018, als CD-Weltpremiere Musiknummern seiner eigenen musi- erschien. kalischen Individualität angeglichen: Allerdings Falls klare Melodik und rhythmische dirigierte Prägnanz kommen hier zur Synthese FOTOS: TOM SC H U LZE bei den mit Korngolds differenzierter bis Aufnahmen rauschhafter Orchestration. Klingele das Selten sind sich die späte Operette und Orchester die Screwball-Komödien Hollywoods der Musi- so nahe wie in diesem Stück. Fiktive kalischen Identitäten, die der Milliardär Goliath Komödie Armstrong und die russische Fürstin und deren Irina Naryschkin (die Kritik um 1930 Ensemble setzte sie gleich mit einer jener realen selbst, nicht russischen Adeligen, die in Rudeln vor die Teil- der Oktoberrevolution nach Amerika nehmer des fliehen) annehmen. Das jedoch verzö- Dirigenten- gert nicht nur deren eigene amouröse forums. Vereinigung, sondern auch die der Chanmin heiratswilligen Amerikanerin Dorrit Chung, Reto Farring mit Tommy Webbs (Andreas Schärli und Rainer, der in der zweiten Duett- Yura Yang Nummer seine Position gegen ein werden Solo-Banjo verteidigen muss). Bei den Reto Schärli sich sicher konzertanten Aufführungen, zu denen di r igenten forum 47 | J u li 2019
n eu e musi kzeitu ng (nmz), 13. jan uar 2019 Strauss. Die Würdigung der Teilnehmer- Leistungen ist deshalb nicht einfach: Man kann es bei der engagierten Kollegialität des Sängerensembles den jungen Dirigenten nicht verübeln, wenn einige Stellen sehr süffig geraten und Korngolds instrumentale Detail- arbeit dann wegrutscht. Bei anderen Stellen führt das Orchester etwas auf Kosten der Spannung in den edlen, dabei vor Retardierung nicht sicheren Übergängen. Da steckt der Teufel im Detail. Denn die flächige Akustik der Musikalischen Komödie verschluckt bei leiseren Passagen einige solistische Reizungen, bevor diese im Saal wahrge- nommen werden könnten. Ergebnis also unentschieden. Macht Chanmin Chung nichts, denn es geht beim Operetten- workshop nicht um Wettbewerb und Cusch Jung als Erzähler und Bettina komplizierter zu entscheiden, wie weit deshalb ist das Allerschwerste gerade Volksdorf als Moderatorin umfänglich das Material im Stand bei Leo Falls Tod gut genug. Außerdem sind die von den mitbeschäftigt sind, sieht man leider 1925 einfloss und was von Korngold mit Teilnehmern des Dirigentenforums nicht, dass die Chordamen eigentlich in eigenen melodischen Erfindungen 1929 hier gemachten Erfahrungen überall sündteuren Bademoden à la Hollywood transformiert wurde. anwendbar. Hoffentlich bekommt man stecken sollten. Cusch Jung bleibt mit Korngolds raffinierte und dabei hyper- auch diese Entdeckung bald als CD. freundlicher Ironie nichts anderes trophe Instrumentation macht den Reiz übrig, als an manchen Stellen Wich- des Stückes aus. Keine Vorerfahrung Zuerst erschienen in der Online-Ausgabe tiges zu rekapitulieren. So schön wirr ist kann den jungen Dirigenten den Weg der neuen musikzeitung (www.nmz.de), das alles. zu dieser ebnen etwa wie zu den in 13.1.2019. Wiederveröff. mit freundlicher Die drei noch bis kurz vor der Premiere vergleichbarer Weise anspruchsvollen Genehmigung des Autors und des ConBrio durch Stefan Klingele gecoachten Teil- Aufführungen der Opern von Richard Verlags. nehmer kommen unterschiedlich mit der großen Besetzung des Orchesters und den recht kurzen Musiknummern zurecht. Es scheint, dass Yura Yang die rational strukturierende Tüftlerin ist, die die Funktion des Schlagwerks für viele Kombinationen gut zu nutzen weiß. Chanmin Chung setzt mehr auf Brio und Durchsichtigkeit. Reto Schärli vertraut vor allem dem melodischen Zug der Sänger, die er mit den Orches- terklängen elegant umhüllt. Doch um diese Eindrücke zu präzisieren, ist die Partitur eigentlich zu komplex und viele Nummern im Aufbau der musika- lischen Formen zu kurzatmig. Korngold brachte das Saxophon selbst an unmerkbaren Stellen in reizvoll außergewöhnliche Kombination mit anderen Instrumenten, mit Solo-Banjo und Celesta. Für die Mitwirkenden wurde es im Verlauf der Proben immer Désirée Brodka hinter der Bühne vor ihrem Auftritt in der Rolle der Dorrit Farring 10 | 11
di r igenten forum - c hor Große Chorsinfonik Vier junge Chorstipendiaten studieren mit dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt und dem Philhar- monischen Chor Berlin Mendelssohns „Elias“ ein Vorstellungen reiten“, meint Jörg-Peter Weigle, der zu Werken von den Stipendiaten Hilfestellung zu FOTOS: TOB IAS TA NZYNA Felix Mendels- Schlagtechnik und Probenmethodik sohn Bart- gab. Die Nachwuchschordirigenten holdys „Elias“ profitierten von der Fähigkeit des gemeinsam Staatsorchesters Frankfurt und des mit dem Philharmonischen Chores, sich auf die Orchester und verschiedenen dirigentischen Persön- dem Philhar- lichkeiten und ihre Ideen einzulassen. monischen Die offene Kritik von Jörg-Peter Weigle Chor Berlin und der Dialog mit den professionellen umsetzen. Musikern schufen eine angenehme Geleitet Jörg-Peter Weigle, Nikolaus Henseler, Justus Barleben, Julia Selina Blank, wurde der Johanna Soller (v.l.n.r.) Kurs von Jörg- Peter Weigle, Zum ersten Mal hatten vier Stipen- seit 2018 Chefdirigent des Staatsorche- diaten des Dirigentenforums, Justus sters Frankurt und Gründungsmitglied Barleben, Julia Selina Blank, Nikolaus des Chorbereichs im Dirigentenforum, Henseler und Johanna Soller aus dem der sich zuvor zwei Tage zu Klavier- Förderbereich Chor, Gelegenheit, proben mit den Stipendiaten in Berlin mit dem Staatsorchester Frankfurt getroffen hatte. zusammen zu arbeiten. Sie über- „Dieser Kurs ist wichtig zur Überwin- nahmen eine Einstudierung für Jörg- dung des Klischees einer Einteilung Peter Weigle, standen am Pult „seines“ in Chor- und Orchesterdirigenten. Ich Orchesters und hatten damit die für konnte zeigen, welche Gemeinsam- angehende Chordirigenten immer noch keiten das Chor- und Orchesterdiri- Julia Selina Blank seltene Möglichkeit, ein Profiorchester gieren haben und welche „no-gos“ es leiten zu können. In einem einwöchigen auf beiden Seiten gibt. So können sich Probenatmosphäre, in der die Stipendi- Kurs konnten die jungen Dirigenten die Dirigenten zukünftig besser auf aten konzentriert an ihren Stärken und in Frankfurt/Oder ihre klanglichen chorsinfonische Situationen vorbe- Schwächen arbeiten konnten. Nikolaus Henseler, Stipendiat des Dirigenten- forums seit 2018: „Es war sehr lohnend mit Felix Mendelssohns „Elias" eine ganze Woche zu verbringen und das Brandenburgische Staatsorchester in mehreren Proben dirigieren zu können. Dass wir auch mit den vier hochkarä- tigen Solisten proben konnten, dazu das regelmäßige Feedback von Jörg- Peter Weigle, hat die Woche nochmal bereichert. “ Diese Werkstatt wurde durch das finanzielle Engagement der Kulturbe- triebe Frankfurt/Oder (Kulturbüro) und des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Bran- Justus Barleben am Pult des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt denburg ermöglicht. di r igenten forum 47 | J u li 2019
foto gr afisc h e impr ession en Opernkurs Leipzig Künstlerische Leitung: Thomas Eitler-de Lint Chor der Oper Leipzig | 11. bis 14. März 2019 FOTOS : MAHMOU D DA B DOU B Johannes Eppelein und Thomas Eitler-de Lint im Gespräch Nikolaus Henseler Franziska Kuba Johannes Eppelein, Franziska Kuba, Thomas Eitler-de Lint, Johanna Soller, Nikolaus Henseler Der Chor der Oper Leipzig und Johannes Eppelein am Pult Johanna Soller 12 | 13
hörtz24, 2. apr i l 2019 Conductor Collider Ensemble Musikfabrik als neuer Partner im Dirigentenforum Von felix kn ob l auc h Composer Collider ist die Reihe der eckig strukturierter FOTOS: SAB I N E GROSSE-WORTMA N N Musikfabrik, bei der das Landesen- Stil schafft hier semble in Kooperation mit jungen Durchblick. Kompositionsstudierenden deren Mark Andres Ni Werke erarbeitet und zur Auffüh- (2006) besteht aus rung bringt. Der Deutsche Musikrat insgesamt sieben veranstaltet nun zum ersten Mal sein Sätzen, die allesamt Dirigentenforum – eine Plattform extrem empfindlich zur Förderung junger Dirigenten – im Zusammenspiel zusammen mit der Musikfabrik unter sind. Hinzu kommt dem Titel Conductor Collider. das musikalisch Das Konzept lässt sich als Workshop rudimentäre verstehen, bei dem den Dirigenten Material, das die die Möglichkeit geboten wird, fünf Musik zu einem Tage lang mit einem professionellen extrem feinen und Ensemble für zeitgenössische Musik Johannes Marsovszky zerbrechlichen und unter der künstlerischen Leitung Gewebe macht. von Prof. Rüdiger Bohn (Düsseldorf) die Musiker bei Rebecca Saunders a Dass Andres Werk nicht auseinander- Neue Musik einzustudieren. visible trace (2006). Das sehr getragen fiel, verdankte es maßgeblich dem Eröffnet wurde der Konzertabend mit leise Werk verleitet durch seine inei- Studenten Gábor Hontvári. Schade Edgar Varèses Octandre (1923), dirigiert nander fließenden Klänge dazu, völlig lediglich, dass die Resonanzen der von Seung Hyun Baek. Baek studiert an in der Musik aufzugehen, den Fokus stumm gedrückten Akkorde des der Hochschule für Musik in Nürnberg. auf den Dirigenten dadurch aber zu Klaviers im dritten Satz – Oboe und Er selbst kam als Nachrücker in das verlieren. Die Folge: Plötzliche Schläge Klarinette spielen hier demonstrativ in Collider-Projekt und hatte lediglich fallen stellenweise gar selten perfekt den Flügel – wegen des verwischenden zwei Wochen Zeit, das Werk einzustu- zusammen. Johannes Marsovszky Haltepedals nicht gut zur Geltung dieren. Umso erstaunlicher die Präzi- – mittlerweile freiberuflicher Diri- kommen. sion, mit der er das hoch konzentrierte gent – weiß mit den träge werdenden Abschlussstück des Konzertabends Ensemble leitet. Musikern aber durchaus überzeugend war Iannis Xenakis Thallein (1984), das Nicht immer ganz aufmerksam waren umzugehen. Besonders sein klarer und mit einem zerschmetternden Auftakt beginnt. Gabriel Venzago – Kapellmei- ster am Mecklenburgischen Staats- theater – macht besagtem Auftakt mit seinem Dirigat alle Ehre. Das rhythmisch komplexe Werk wird hier nicht nur zum Hör-, sondern auch zum Sehgenuss. Obwohl keiner der anwesenden Teilnehmer des Dirigentenforums bei Rüdiger Bohn studiert hat, ist allen die Arbeit mit Bohn deutlich anzumerken. Ein spätromantisch rundes Dirigat ist bei vielen zeitgenössischen Werken oft irritierend und wirkt unter Umständen gar kontrapunktisch zur Musik. Von diesen künstlichen Romantifizierungs- versuchen sind Bohn und seine Schüler Mitglieder des Ensemble Musikfabrik glücklicherweise weit entfernt. di r igenten forum 47 | J u li 2019
badisc h e n eu este nac h r ic hten, 29. apr i l 2019 Junge Dirigenten zeigen Format Konzert bildet Abschluss eines Meisterkurses unter der Leitung von Pavel Baleff Von k ar i n h ei n ek e-di etz Zum Finale des Meisterkurses für FOTO: STEPHA N I E SC HWEIGERT Dirigieren unter der Leitung von Pavel Baleff präsentierten vier Nachwuchsdi- rigenten mit der Philharmonie Baden- Baden eine beachtenswerte Sonntags- Matinee im Kurhaus. Carl Maria von Webers Ouvertüre zur Oper „Oberon“ dirigierte Reto Schärli, der zurzeit als freischaffender Opern- und Orchesterdirigent, Chorleiter und Korrepetitor arbeitet. Die Ouvertüre vereinigt romantische Märchenstim- mung und orientalisches Klangkolorit, eingesponnen in eine fremdartige Zauberwelt im farbenprächtigen Klangreigen. Der Dirigent formte mit präzisen Einsätzen das Orchester, wobei er sich dem Bewegungsablauf Davide Perniceni und Rudolf Meister mit der Philharmonie Baden-Baden der Musik anpasste. Skizziert hat dies Schärli mit großer Emotionalität und ins Publikum, die auch in den Pausen das von großem romantischen Flair Dynamik im allumfassenden Spek- ihre Wertigkeit erhöhten. Ein ange- getragen war. Dabei gestaltete er die trum – besonders die Decrescendi nehmes Forte-Spiel zwischen Orchester Dramatik des Satzes perfekt aus, fand besaßen Format. Bei freiem Dirigat und Pianist führte zum Finale mit nati- immer neue Strukturbewegungen, überzeugte er als Persönlichkeit. onalen Tanzrhythmen. Ausdrucksstark die das Orchester maßgeschneidert Edvard Griegs Klavierkonzert a-Moll hat gestalteten die Flöten ihre Kantilenen. umsetzte. Filigrane Zeichensetzung mit dem Schumanns Tonart und Stim- Eine elegante Harmonie herrschte war das Hauptanliegen des Dirigenten mungsgehalt gemeinsam. Beide zählen zwischen Solist und Orchester. im Andante-Satz. Hier wurde auf die wohl zu den schönsten der Romantik. Das Finalende unterstrich die virtuose Balance zwischen den Instrumenten- Der Pianist Rudolf Meister entwickelte Versiertheit des Pianisten. Da blitzten gruppen von den Holzbläsern bis zu den nach dem Forte-Auftakt des Orchesters im rasanten Tempo Oktaven über die tiefen Streichern besonders geachtet formidabel das romantische Thema bei Tastatur mit rhythmischen Akzenten und somit wurde sein Dirigat zu einer meisterhaftem Anschlag und skizzierte und entsprechenden Farbkontrasten. innigen Darbietung. die lebhafte, figurierte Episode bis Markant führte der Dirigent die Philhar- Kraft- und schwungvoll, fast schon ein zum lyrischen Seitenthema weiter. Der monie zum Fortissimo. bisschen burschikos, nahm Baek das Dirigent Davide Perniceni, Korrepetitor Felix Mendelssohn Bartholdy kompo- Menuett auf, trotz allem sehr differen- mit Dirigierverpflichtung am Theater nierte seine c-Moll-Sinfonie 1824 als ziert, besonders im kontrastierenden und Orchester Heidelberg, dirigierte 15-jähriger als Vermächtnis zur Wiener Trio. Da zeichnete er dieses zu einem ohne Stab. Nach fein nuancierten Klassik. Martijn Dendievel (erster und Kleinod, vorwiegend im Piano-Bereich. Angaben in Mimik und Gestik fügte zweiter Satz) und Seung Hyun Baek Markant und ziseliert zugleich gab sich das Orchester punktgenau seinen (dritter und vierter Satz) teilten sich das er dem Finale Leidenschaft mit einer Anweisungen. Die groß angelegte Dirigat. Dendievel hat die Leitung als beispielhaften Intension. Pulsierende Kadenz im Kopfsatz modellierte Rudolf Assistenz-Dirigent des Symfonieorkest Genauigkeit war seine Vorgabe. Der Meister auf seine bestimmende Art. Im Vlaanderen und Erster Gastdirigent nahtlos übergehende Fugenteil besaß Adagio strömten stimmungsvoll weich beim Akademischen Orchester Halle eine Verdichtung, die das positiv Strah- fließende Streicher-Melodien wie aus inne, er begann in seiner zupackenden lende noch verstärkte. einem Guss, denen sich im emotionalen Art den Kopfsatz zu führen, leitete Farbenklang die Bläser zugesellten. haargenau die Einsätze, zauberte Mit freundlicher Genehmigung der Glitzernde Fontänen streute der Pianist dabei ein ausdrucksstarkes Legato, Badischen Neuesten Nachrichten 14 | 15
badisc h es tagb l att, 30. a pr i l 2019 Vier junge Dirigenten im Rampenlicht Konzert beschließt Meisterkurs bei Pavel Baleff Von k ar en str eic h Pavel Baleff, Chefdirigent der Baden- überzeugte mit akkuraten Einsatz- diesem Klavierkonzert. Der souverän Badener Philharmonie, leitete vom angaben und drängte auf Kontraste, agierende Pianist machte es dem 24. bis 28. April in Kooperation mit zeigte jedoch dabei wenig sicht- jungen Dirigenten leicht, im vorbild- dem Dirigentenforum des Deutschen bare Emotionen. Dank des Pianisten lichen Zusammenwirken mit dem Musikrats einen Meisterkurs für Professor Rudolf Meister, Rektor an der Orchester die klangfarbenreiche Schön- junge Dirigenten, den „Maestros von Hochschule für Musik und darstellende heit dieses Klavierkonzertes zu demons- Morgen“. Als Höhepunkt und Abschluss Kunst Mannheim, konnte in diesem trieren. Mit spieltechnischer Brillanz, dieses Meisterkurses durften vier der Matinée Konzertprogramm auch ein zupackend oder mit perlenden Läufen, ausgewählten Stipendiaten in einem außergewöhnlich schönes Solistenkon- gestaltete der Solist seinen Part durch Matinée-Konzert mit der Baden- zert geboten werden, mit dem einzigen die drei Sätze des Werkes, als wäre es Badener Philharmonie als Dirigenten Klavierkonzert a-Moll op. 16 von Edward die schönste Selbstverständlichkeit der ihre erlangten Erfahrungen im Wein- Grieg. Meister habe sich dafür gerne zur Welt. Als Finale dieser Matinée erklang brennersaal des Kurhauses demons- Verfügung gestellt, da er selbst einst die Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 11 von Felix trieren. Den Anfang machte Reto in jungen Jahren von der Förderung Mendelssohn Bartholdy. Den 1. Satz, Schärli, freiberuflicher Dirigent, Korre- des Deutschen Musikrates profitierte. Allegro di molto, und den zweiten Satz, petitor und bereits Leiter dreier Chöre, Davide Perniceni, bereits Korrepetitor Andante, dirigierte Martijn Dendievel, mit der Ouvertüre zur Oper „Oberon“ am Theater und Orchester Heidelberg, vielfach ausgezeichneter Student an von Carl Maria von Weber. Schärli übernahm den Dirigentenstab bei der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar. Dendie- vels Dirigat zeichnete sich durch sorgsam gezielte Handzei- chen aus, er ließ das kraftvolle Pathos FOTO : STEPHAN I E SC HWEIGERT dieser Jugendsinfonie Mendelssohns gut zur Wirkung kommen. Doch der Dirigent des 3. und 4. Satzes, Seung Hyun Baek, Student an der Hochschule für Musik in Nürnberg, steigerte diesen Über- schwang noch mit energisch fordernden Bewegungen bis zur schwungvollen, fugen- haften Schluss-Szene, die durch alle Orches- terstimmen zieht. Nicht nur Seung Hyun Baek, sondern alle vier jungen „Maestros von Morgen“ wurden vom Publikum mit begeis- tertem und aufmun- terndem Applaus Applaus für Davide Perniceni, Reto Schärli, Pavel Baleff, Martijn Dendievel und Seung Hyun Baek (v.l.n.r.) bedacht. di r igenten forum 47 | J u li 2019
sÜ dWest pr esse, 2o. m ai 2019 Dirigentenforum in Metzingen - Dramatik aus Disziplin Von susan n e ec kstei n Das Dirigentenforum ist ein Förder- FOTO: HORST HA AS programm des Deutschen Musikrates. Hier hat der Spitzennachwuchs die Chance, sich mit einem renommierten Orchester zu erproben und auch öffent- lich aufzutreten. Als musikalischer Leiter fungierte Prof. Lutz Köhler, als Sparring-Partner die Württembergische Philharmonie Reutlingen. Der Trainingszweck war auch an der ungewohnten Programmfolge abzu- lesen: Drei Ouvertüren und eine sinfo- nische Dichtung im ersten Teil standen einer Sinfonie im zweiten gegenüber. Vor der Pause wechselten sich Seung Hyun Baek und Hangyul Chung (beide aus Korea) am Dirigentenpult ab, den zweiten Teil – Mendelssohns Sinfonie Nr. 3, die „Schottische“ – übernahmen Claudio Novati und Julio García Vico (aus Italien und Spanien) jeweils zur Hälfte. „Wie klingt das Scheitern?“, fragte das Programmheft. Damit war Beethovens „Coriolan“-Ouvertüre gemeint, die jedoch nach unbesiegbarer Kämpfer- Hangyul Chung leitet die Württembergische Philharmonie Reutlingen natur klang. Seung Hyun Baek indu- zierte Hochspannung, das Orchester betont straff und präzise ließ sein satzes – in diesem Fall darf man von reagierte mit äußerster Disziplin und Kollege die „Fledermaus“-Ouvertüre „Interpretation“ reden. Soweit das aus Dramatik. Ähnlich energiegeladen und gestalten, doch er hatte sich offenbar dem Saal zu erkennen war (schade, dass prägnant ließ Hangyul Chung Brahms’ ins wienerische Kolorit eingearbeitet, das Publikum die Dirigenten nur von „Tragische Ouvertüre“ musizieren, inszenierte fesselnde Anläufe und char- hinten sieht), wandte er sich direkt den manchmal schien der Druck fast zu manten Walzerschwung und erntete Musizierenden zu, Arme und Hände hoch, dieser Brahms wirkte ungewohnt lebhaften Applaus. sprachen eine sparsame, dabei detail- streng. Klingt es so, wenn hochmoti- Mehr Spielraum für Ausdruck und reich beredte Sprache. Die Kantilenen vierte Heißsporne unter Leistungsdruck Gestaltung ließen die zwei jungen durften sich aussingen, die Abschnitte dirigieren? Dirigenten im zweiten Teil zu. Zunächst gingen logisch und natürlich ineinander Auch Smetanas Tondichtung „Aus Claudio Novati, der stilbewusst und über, Akzente und Artikulation wirkten Böhmens Hain und Flur“ zeigte ein sicher durch die ersten zwei Sätze von zugleich spontan und durchdacht, die verändertes Gesicht. Um orchestral Mendelssohns „schottischer“ Sinfonie Musik fesselte auf natürliche Weise. lachende Fluren und tanzende Land- führte. Im zweiten Satz konnte man Der Dirigentenstab schien sich in einen leute darzustellen, braucht es eine den Eindruck gewinnen, er wolle mehr Zauberstab zu verwandeln: Der junge lockere Musizierhaltung. Dafür war hier frischen Wind als die Musiker, doch das Mann hatte die Musik auf selbstver- wohl kein Platz: Die strikt herausge- „Vivace non troppo“ dauert nur vier ständliche, lockere Art im Griff und ließ kehrte Autorität des jungen Dirigenten Minuten, und schon musste er den Platz sie schlüssig gestalten, ohne künstlich zwang das gemeinsame Spiel in ein am Pult an Julio García Vico abtreten. zu dramatisieren. Viel Applaus gab es enges Korsett, das an maschinelle Diesem gelang eine überzeugende zum Schluss – für das Orchester und Akkordarbeit denken ließ. Ebenfalls Darstellung des Adagio und des Final- alle vier Dirigenten. 16 | 17
r eutli nger gen er al-a nzeiger, 21. m ai 2019 Fliegender Wechsel in der Metzinger Stadthalle Junge Dirigenten bei der Philharmonie spielen Sinfoniekonzert Von c h r istoph b. ströh le Es ist schon ungewöhnlich, dass man Aufbrausender Coriolan Philharmonie, Johannes Brahms’ es als Zuhörer in einem Sinfoniekon- Seung Hyun Baek hieß der erste der „Tragische Ouvertüre“ d-Moll op. 81 zert mit gleich drei Ouvertüren und vier Dirigenten. Unter seiner Leitung anvertraut. Sein Dirigat lebte von einer einer sinfonischen Dichtung zu tun arbeitete die Philharmonie in Beetho- inneren Motorik, einer Zugewandt- bekommt. Und dass bei der Sinfonie, vens „Coriolan“-Ouvertüre das aufbrau- heit zum Orchester, auch zu einzelnen die in der zweiten Hälfte des Abends sende Wesen, die Rastlosigkeit des Gruppen, die der Musik guttat. Schön, erklingt, nach dem zweiten Satz der porträtierten römischen Feldherren gut wie er insbesondere den Holzbläsern Dirigent wechselt. Da aber auch bei heraus, bis hin zu seinem Zerbrechen Raum gab und immer wieder eine klare den Dirigenten noch kein Meister vom an sich selbst. Einem heiklen Bläserein- Dynamik einforderte. Himmel gefallen ist, der hoffnungsvolle satz hätte der in Nürnberg studierende Nachwuchs aber gefördert werden will, Dirigent noch etwas mehr Aufmerk- Maler und Bildhauer und zwar unter realen Konzertbedin- samkeit widmen können, die prägnante Bei der Ouvertüre zu „Die Fledermaus“ gungen, ist das beim Dirigentenforum Rhythmik des ersten und die anmutige von Johann Strauss (Sohn) schien des Deutschen Musikrates durchaus ein Sanglichkeit des zweiten Themas aber Hangyul Chung jeden Ton der Solooboe übliches Prozedere. sprachen für ihn. innerlich mit auszuformen. Die Walzer, Denn gleich vier Nachwuchsdirigenten, In Bedřich Smetanas „Aus Böhmens Rosalindes Abschiedsromanze, das die der Musikrat über einen Zeitraum Hain und Flur“, ebenfalls unter Seung Cancan-Thema und die fulminante von mindestens zwei Jahren fördert, Hyun Baeks Leitung, erfuhren die Coda waren bei ihm in den besten sollen an einem Abend ihre Chance strahlenden Klänge des Beginns eine Händen. Das Orchester spielte mit bekommen und sich vor Publikum melancholische Wendung, mündeten Hingabe und äußerst launig. beweisen. Ort des Geschehens war in in ein flirrendes Fugato und einen über- Die Sinfonie nach der Pause teilten diesem Fall die Metzinger Stadthalle, schäumenden Tanz. Claudio Novati und Julio García Vico, das beteiligte Orchester die Württem- Hangyul Chung, Student in Mannheim, Studenten in Weimar und Düsseldorf, bergische Philharmonie Reutlingen. hatte Professor Lutz Köhler, der künstle- unter sich auf. Felix Mendelssohn-Bart- Der örtliche Veranstaltungsring hatte rische Leiter des vorangegangenen Diri- holdys „Schottische“ gab das Orchester eingeladen. gierkurses mit der Württembergischen mit einer wunderbaren Wärme und Erlebnistiefe wieder, wobei Claudio Novati die Klänge gleichsam FOTO: HORST HA AS zu plastizieren schien, während Julio García Vico eher wie ein Maler mit dem Pinsel erschien. Lisa Valdivia, Projektma- nagerin beim Deut- schen Musikrat, lobte am Ende die Württem- bergische Philharmonie. Die Stipendiaten seien „sehr dankbar für die offene Atmosphäre, die sie hier vorge- funden haben“. Und die Metzinger hatten ein schönes Konzert – wobei die Halle nur gut Claudio Novati am Pult der Württembergischen Philharmonie Reutlingen zur Hälfte gefüllt war. di r igenten forum 47 | J u li 2019
foto gr afisc h e impr ession en WDR Rundfunkchor Künstlerische Leitung: Prof. Stefan Parkman WDR Rundfunkchor | 13. bis 16. Mai 2019 FOTO S: WDR / THOMAS KOST Johannes Eppelein Prof. Stefan Parkman und John Lidfors im Gespräch Konzertmoderatorin Elfi Vomberg, Franziska Kuba Im Arbeitsgespräch: ein Chormitglied, Nikolaus Henseler, John Lidfors Adrian Büttemeier dirigiert den WDR Rundfunkchor 18 | 19
fr eu n deskr eis di r igenten forum e.V. Fünf Fragen an... Andreas Bausdorf, Vorstandsvorsitzender des Freundeskreises Dirigentenforum e.V. 70ern und von Meisterkursen in anderen Ländern 80ern neben ermöglicht. Und als Vorsitzender des Queen Freundeskreises hoffe ich, dass der geprägt hat. Verein in 30 Jahren so viele Mitglieder Ich würde gewonnen hat, dass wir dem Förder- ihn fragen, programm ordentlich Geld überweisen wie er es können. trotz seines Handicaps Was unterscheidet den Dirigenten von geschafft heute von seinem Kollegen von vor 50 hat, ein Jahren? musika- Ich bin da eigentlich nicht der richtige FOTO : DI R K H ASSKAR L lischer Ansprechpartner, denn ich übe den Superstar zu Beruf nicht aus. Aber aus vielen Gesprä- werden. Und chen weiß ich, dass die Erwartungen woher er an Dirigenten stetig steigen. Heute die Energie müssen Dirigenten auch Politiker und genommen Fundraiser sein. Manche/r wird das als hat, sich in Überforderung empfinden, insbeson- Andreas Bausdorf, 1. Vorsitzender des Freundeskreises Dirigentenforum der Bürger- dere wenn es keine unterstützenden rechtsbe- Mitarbeiter gibt. Die Kommunikation Andreas Bausdorf studierte Gesang wegung zu engagieren und mit seinem von Dirigentinnen und Dirigenten mit an der Kölner Musikhochschule und Song „Happy Birthday“ mitzuhelfen, dem Orchester dürfte sich ebenso geän- war Mitglied im Chor der Bayreuther einen gesetzlichen Feiertag für Martin dert haben. Heute ist ein Führungsstil Festspiele. 1993 wurde er Mitarbeiter Luther King in den USA durchzusetzen. gefragt, der stark auf Eigenverant- im Künstlerischen Betriebsbüro des wortung und Beteiligung setzt. Den Stadttheaters Gießen und anschließend Wenn Sie beliebig ein Werk für einen richtigen Ton zu treffen und gleichzeitig Orchestergeschäftsführer und Referent Kurs auswählen könnten, welches den Erwartungen der Musikerinnen des Generalmusikdirektors am Staats- Stück würden Sie nehmen? und Musiker nach Führung zu entspre- theater Mainz. Von 1996 bis 1999 arbei- Dvoraks 7. Sinfonie, die habe ich in chen, ist für junge Dirigentinnen und tete er als Orchesterdirektor und später meiner Zeit als Projektleiter nie ins Dirigenten nicht einfach. auch als Referent des GMD an der Oper Programm eines Kurses bekommen, Frankfurt. Im Juni 1999 wechselte er obwohl ich das Stück wirklich sehr liebe. Was können Orchesterdirigenten von zum Deutschen Musikrat als Projekt- Chordirigenten lernen und umgekehrt? leiter des Dirigentenforums. 2010 ging Wo sehen Sie das Dirigentenforum in Vielleicht können Orchesterdirigenten er als stellvertretender Geschäftsführer 30 Jahren? von Chordirigenten lernen, immer der Deutschen Orchestervereinigung Ich glaube, das ursprüngliche Konzept mit dem Ensemble zu atmen. Und nach Berlin und übernahm 2015 die ist so gut, dass es auch in 30 Jahren umgekehrt könnte es die Klarheit des Geschäftsführung der Deutschen noch funktioniert. Die Erfolge der Schlagbildes sein. Aber ich fürchte, ich Orchester-Stiftung. Stipendiatinnen und Stipendiaten bediene hier Klischees. Wenn ich mich bestätigen das fast täglich. Mehr richtig entsinne, ging es beim Aufbau Sie dürften live einen Komponisten Opernkurse zu veranstalten, bleibt von Dirigentenforum-Chor auch darum, treffen und könnten eine Frage stellen. sicher ein dauerhaftes Ziel, denn für die Wertschätzung für Chordirigenten Wen und was würden Sie fragen? die Stipendiaten sind sie besonders durch ein eigenes Förderprogramm zu Stevie Wonder, der mich neben meiner wertvoll. Vielleicht könnte es weitere steigern. Vielleicht folgen wir einfach musikalischen Sozialisation mit Kooperationen wie mit der Zürcher den Balten, die unterscheiden da nicht geistlicher Chormusik im Knabenchor Hochschule geben. Ein internationales so sehr und bringen immer wieder tolle und später in Kammerchören in den Netzwerk, das Stipendiaten den Besuch Dirigentinnen und Dirigenten hervor. di r igenten forum 47 | J u li 2019
meldu ngen | fr eu n deskr eis di r igenten forum e.V. Assistenz bei Jörg Widmann Zusammenarbeit mit der Jungen Deutschen Philharmonie Über eine außergewöhnliche Begegnung freuten sich die FOTO: PR IVAT Stipendiaten Martijn Dendievel und Arutyun Muradyan: Sie durften während der Frühjahrs- tournee der Jungen Deutschen Philharmonie Jörg Widmann assistieren und übernahmen u.a. die Vorproben für die Messe für großes Orchester des Komponisten. Martijn Dendievel, Jörg Widmann und Arutyun Muradyan (v.l.n.r.) während der Probenphase mit der Jungen Deutschen Philharmonie Unterstützen Sie die Talentförderung des Dirigentenforums. Damit Musik uns auch in Zukunft verzaubert. WWW.DIRIGENTENFORUM.DE/FREUNDESKREIS 20 | 21
foto gr afisc h e impr ession en Dirigierkurs Nürnberg Künstlerische Leitung: Roger Epple Nürnberger Symphoniker | 3. bis 6. Juni 2019 FOTOS: A LEX R EI B R IC H Clemens Mohr Seung Hyun Baek Hangyul Chung Nikolaus Henseler Roger Epple mit Seung Hyun Baek und den Nürnberger Symphonikern di r igenten forum 47 | J u li 2019
meldu ngen Neue Herausforderungen Stipendiaten des Dirigentenforums übernehmen Stellen in Davos, Salzburg und Aachen Bereit für neue berufliche Herausforderungen: Marco Amherd, Ines Kaun und Yura Yang in Davos, Salzburg und Aachen Dirigent und Organist Marco Amherd tenforums. In der Spielzeit 2017/18 war wechselt. Am Musiktheater im Revier übernimmt die Leitung des DAVOS er als Solorepetitor und Dirigent am Gelsenkirchen war sie von 2013 bis 2018 FESTIVAL ab 2020. „Als Dirigent gehört Theater für Niedersachsen Hildesheim als Solorepetitorin mit Dirigierverpflich- es zu meinen liebsten Aufgaben, kluge, engagiert. Seit 2018 ist er Kapellmeister tung engagiert. Anschließend wurde sie originelle Programme zu entwerfen, am Mecklenburgischen Staatstheater. am Theater Kiel Kapellmeisterin, Solore- neue Talente zu entdecken und diese Bei den Münchner Symphonikern ist er petitorin und musikalische Assistentin dann miteinander zu verknüpfen. Das Assistant Conductor. des GMD Georg Fritzsch. Vom Dirigen- DAVOS FESTIVAL bietet hierfür ideale tenforum des Deutschen Musikrates Voraussetzungen", so Alumnus Marco Einen weiteren Erfolg kann Yura Yang wird sie seit 2016 gefördert und wurde Amherd zu seiner Nominierung. verzeichnen, die zur nächsten Spielzeit 2019 in die Künstlerliste Maestros von als 1. Kapellmeisterin sowie stellver- Morgen aufgenommen. Am Salzburger Landestheater werden tretende GMD ans Theater Aachen gleich zwei Positionen aus dem Stipendiatenkreis des Dirigenten- forums besetzt: Neue Leiterin des Opernchors wird Ines Kaun; Gabriel Venzago übernimmt die Position des 1. Kapellmeisters. Ines Kaun war von 2013 bis 2018 Stipendiatin des Dirigen- tenforums. 2014 bis 2016 war sie als stellvertretende Chordirektorin am Staatstheater Darmstadt und Leiterin des dortigen Kinder- und Jugendchores tätig. 2018 war sie Finalistin des Deut- schen Chordirigentenpreises mit dem RIAS Kammerchor. Seit der Spielzeit 2016/17 war sie Chordirektorin mit Dirigierverpflichtung am Theater und Orchester Heidelberg. Gabriel Venzago ist seit 2017 Stipendiat des Dirigen- Gabriel Venzago übernimmt die Position des 1. Kapellmeisters am Salzburger Landestheater 22 | 23
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