PRESS REVIEW Thursday, May 6, 2021 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal - Index of

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PRESS REVIEW Thursday, May 6, 2021 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal - Index of
PRESS REVIEW

         Daniel Barenboim Stiftung
Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal

          Thursday, May 6, 2021
PRESS REVIEW Thursday, May 6, 2021 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal - Index of
PRESS REVIEW                                                          Thursday, May 6, 2021

Der Tagesspiegel
Die ersten Theater geben die Saison verloren

Berliner Zeitung
Die Schaubühne verzichtet auf die Ferien, das Deutsche Theater setzt Freiluftpremieren an

Berliner Zeitung
Mobbing-Vorwürfe am Gorki: Die klagende Dramaturgin erhält vom Theater 15.000 Euro

Die Zeit
Bernd Stegemann antwortet seinen Kritikern und plädiert für eine andere Streitkultur

Berliner Zeitung
In den spektakulären Fällen von Kunstrückgaben an ihre rechtmäßigen Besitzer äußert sich auch ein
neues Erbeverständnis

Süddeutsche Zeitung
Streit ums Urheberrecht: Ist die digitale Kultur die Fortsetzung der Popgeschichte oder ihr Ende?

W&V
Lea: Erster Popstar mit Toniebox-Figur

Berliner Morgenpost
Till Brönner wird 50 Jahre alt. Deutschlands bekanntester Jazz-Trompeter hat mehr als 20 durchaus
unterschiedliche Alben aufgenommen

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Lit.Cologne als Digitalfestival

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Aušrine Stundyte erstrahlt in Sergej Prokofjews Oper „Der feurige Engel“, Wien

Süddeutsche Zeitung
Shakespeares Herrscherparabel „Richard II.“ in Wien
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6.5.2021                                       https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/476289/18-19

       Donnerstag, 06.05.2021, Tagesspiegel / Kultur

       Die ersten Theater geben die Saison verloren
       Die meisten Berliner Bühnen aber hoffen noch auf Öffnungen vor dem
       Sommer. Ein Überblick
       Von Frederik Hanssen

       Als erstes großes Theater der Hauptstadt gibt die Komische Oper Berlin die Saison verlo-
       ren. Aufgrund der bis Ende Juni gültigen Regelungen der „Notbremse“ im Infektions-
       schutzgesetz werde man den regulären Spielbetrieb in der laufenden Spielzeit nicht wie-
       der aufnehmen, gab das von Barrie Kosky geleitete Haus jetzt bekannt. Ausnahmen könn-
       ten lediglich zwei Vorstellungen der Neuproduktion der Operette „Der Zigeunerbaron“ bil-
       den, die im Rahmen des Berliner Pilotprojektes „Perspektive Kultur“ stattfinden könnten.
       Voraussetzung dafür ist, dass sich Kultursenator Klaus Lederer durchringt, das vor Ostern
       vorzeitig abgebrochene Projekt wieder aufzunehmen. An der Komischen Oper geht man
       derzeit davon aus, dass dies Ende Juni der Fall sein könnte.

       Auch das Theater an der Parkaue hat den Spielbetrieb bis zum Ende der Spielzeit einge-
       stellt. Geplant ist aber ein „Digitales Community Festival“. An der Deutschen Oper hofft
       man dagegen weiter. „Noch haben wir die Saison nicht für beendet erklärt“, heißt es auf
       Nachfrage. Freiluftvarianten sind in Planung, außerdem gehört das Opernhaus ebenfalls
       zu den potenziellen Teilnehmern des Pilotprojekts.

       Die Staatsoper schreibt auf ihrer Website, dass „dem Bundesinfektionsschutzgesetz fol-
       gend“ alle Veranstaltungen bis Ende Mai 2021 abgesagt sind. Bereits aus dem Spielplan für
       Juni und Juli gestrichen sind allerdings auch die geplanten Wiederaufnahmen von Mi-
       chael Thalheimers „Freischütz“-Inszenierung, Puccinis „Madama Butterfly“ sowie „Baby-
       lon“ von Jörg Widmann. Die Neuproduktion von Puccinis „La Fanciulla del West“ steht
       noch in der Planung, gerade haben die Proben begonnen. Allerdings lassen sich aktuell
       weder für die Premiere am 16. 6. noch für die Folgevorstellungen Tickets buchen.

       Schaubühnen-Pressesprecherin Katharina Glögl schreibt auf Tagesspiegel-Anfrage: „Wir
       hoffen immer noch, im Juni öffnen zu können und dann auch den Sommer durchzuspie-
       len. Pläne für diese Variante bestehen nach wie vor.“ Das Berliner Ensemble wiederum
       setzt auf Schauspiel unter freiem Himmel und bereitet darum sein „Hoftheater“ vor. Sollte
       die Inzidenz so schnell fallen, dass noch in dieser Saison ein Spielbetrieb im Saal möglich
       wäre, steht man am Schiffbauerdamm aber auch dafür „in den Startlöchern“.

       Das Deutsche Theater zieht es ebenfalls nach draußen, sowohl auf den Theatervorplatz als
       auch in den Innenhof. Hier könnte bis August Programm stattfinden. Geplant sind drei
       Premieren, darunter zwei Uraufführungen. Auch die Neuköllner Oper bereitet eine Open-
       Air- Premiere vor: Anfang Juli soll das neue Musical von Peter Lund und Thomas Zaufke
       herauskommen.

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       Im Schillertheater hat nicht nur die Komödie am Ku’damm Asyl gefunden, seit Kurzem
       gibt es dort im Foyer auch eine Corona-Schnellteststation. Hinter den Kulissen warten die
       Künstlerinnen und Künstler ungeduldig auf den Neustart. Für Vorstellungen ab dem 1.
       Juni werden Eintrittskarten verkauft. Wer gern lange im Voraus plant, kann zudem be-
       reits für den Kabarettistischen Jahresrückblick 2021 sowie für das Silvesterkonzert von
       Klaus Hofmann Tickets erstehen.

       Das Gorki Theater verzeichnet für den Mai nur Onlineangebote auf der Website, danach
       bricht der Kalender ab. „Wir halten uns noch alle Möglichkeiten für den Juni offen“, sagt
       Daniél Kretschmar, der Leiter der Kommunikationsabteilung. Auf Indoor-Entertainment
       ab dem Hochsommer setzt der Friedrichstadtpalast: Die Voraufführungen der neuen Re-
       vue „Arise“ sollen am 7. August im 1900- Plätze-Saal starten. Frederik Hanssen

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               Donnerstag, 06. Mai 2021, Berliner Zeitung /

               Noch ist die Spielzeit nicht
               verloren
               Die Schaubühne verzichtet auf die Ferien, das Deut-
               sche Theater setzt Freiluftpremieren an

               ULRICH SEIDLER

               D
                                   ie Magnolien blühen, das Theatertreffen naht, die Spielzeit ist
                                   fast vorbei, die Theaterkritiker bedenken mit angestautem
                                   Griesgram, wovon sie sich nach dieser Saison entspannen
                                   könnten, aber halt! Die Sprechbühnen wuseln unverdrossen
               weiter.

               Wird es vor dem Sommer doch noch einmal hell? Impftempo und Virus‐
               mutation liefern sich ein Rennen. Die Inzidenzen sinken, bald sind wir
               vielleicht bei 100 angekommen, dann tritt die Bundesnotbremse außer
               Kraft, und das Land darf wieder selbst entscheiden. Die Berliner Kulturver‐
               waltung bastelt schon mal an einem digitalen Negativtestnachweis na‐
               mens Bärcode. Nase hinhalten, sauberes Ergebnis hochladen, scannen,
               fertig.

               Im Juni könnte es also noch einmal so richtig losgehen. Die Schaubühne
               hat die Sommerpause abgeblasen und mitgeteilt, dass sie durchspielt,
               wenn erlaubt. Das Berliner Ensemble hält das kleine Hoftheater bereit.
               Und das Deutsche Theater will es noch einmal richtig wissen. Nicht nur,
               dass das Haus nach dem Ausstieg der Volksbühne bei dem Pilotprojekt
               Testing mitmacht, falls dieses doch wieder aufgenommen wird. Geplant ist
               hierfür eine René-Pollesch-Premiere, die vierte am DT: „Goodyear“. Noch
               mehr Kraft und Aufwand stecken in den Open-Air-Plänen des Hauses.

               Vor dem Theater wird eine Bühne mit 130 Plätzen zusammengespaxt, auf
               dem Hof gibt es eine zweite mit 80 Plätzen. Die beiden sollen, wenn die
               Pandemie nun zuverlässig verröchelt, auch in den Sommerferien bespielt
               werden. Nicht mit Leseshows oder Liederabenden, sondern mit Reper‐
               toire-Vorstellungen und mehreren groß besetzten Premieren. Termine gibt
               es zwar noch nicht, aber die Website ruft uns ein höchst verbindliches „Co‐
               ming soon“ zu.

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               Auf der kleineren Bühne kommt die Uraufführung „Gaia googelt nicht“ von
               Nele Stuhler heraus und auf der großen „Tartuffe oder das Schwein der
               Weisen“, Peter Lichts herrliche, sich ständig selbst veralbernde Adaption
               des Molière-Moral-Slapsticks.

               Regie führt Jan Bosse, der Feuer fängt, wenn er von dem Stück erzählt:
               „Tartuffe ist ein Guru-Hochstapler der modernen ganzheitlichen Sorte. Ei‐
               ne rückgratlose Gesellschaft labert sich um Sinn und Verstand, aber für
               eins haben sie alle durchaus ein starkes Empfinden: dass das so alles nicht
               reicht, dass die ,mittlere Gemittelheit‘ der Dinge, Gefühle, Konzepte keine
               Veränderung bringen kann. In die Lücke der fehlenden Vorstellung einer
               Zukunft setzt sich fett die Sehnsucht nach einem Erlöser, nach der einfa‐
               chen moralischen Antwort. Bloß keine Verantwortung übernehmen. Auch
               bei Peter Licht wird der Betrüger enttarnt. Aber die Rechnung bezahlen wir
               trotzdem.“ Huch, hat Jan Bosse hier ein aktuelles Gesellschaftsbild gezeich‐
               net, ohne das Wort Corona zu benutzen? Welch hoffnungsvolles Symptom!

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               Donnerstag, 06. Mai 2021, Berliner Zeitung /

               Am Ende ein Vergleich
               Mobbing-Vorwürfe am Gorki: Die klagende Dramatur-
               gin erhält vom Theater 15.000 Euro

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                Die Intendantin des Gorki-Theaters, Shermin LanghoffBenja‐
                                      min Pritzkuleit

               SUSANNE LENZ

               A
                           m Mittwoch wurde am Bühnenschiedsgericht Berlin der Büh‐
                           nenrechtsstreit einer Dramaturgin gegen das Maxim-Gorki-
                           Theater mit einem Vergleich beigelegt. Das Theater zahlt der
                           Dramaturgin Johanna Höhmann demnach 15.000 Euro als Aus‐
               gleich für den Verlust des Arbeitsplatzes. Das Arbeitsverhältnis endet ent‐
               sprechend der umstrittenen Nichtverlängerungsmitteilung am 31. Juli
               2021.

               Die Dramaturgin hatte sich dagegen gewandt, dass ihr befristeter Arbeits‐
               vertrag nicht verlängert wurde. Ihrer Ansicht nach habe dies gegen das
               Maßregelungsverbot des § 612 a BGB verstoßen und im Zusammenhang
               mit einem Beschwerdebrief mehrerer Beschäftigter gegen die Intendantin
               wegen Machtmissbrauch und Mobbing gestanden. Zudem sei sie in ihrer
               Elternzeit als Frau diskriminiert worden. Das Maßregelungsverbot bedeu‐
               tet, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder
               einer Maßnahme nicht benachteiligen darf, weil dieser in zulässiger Weise
               seine Rechte ausübt. Das bedeutet: Wenn eine Arbeitnehmerin Elternzeit
               nimmt oder sich über ihren Arbeitgeber oder ihre Arbeitgeberin be‐
               schwert, hat sie das Recht dazu, und es dürfen ihr keine Nachteile daraus
               entstehen. Das Gorki war den klägerischen Anträgen entgegengetreten. Sie
               seien unzutreffend.

               Fünf Minuten Verhandlung

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               All dies war nicht Gegenstand der Verhandlung. Es wurden keine Zeugen
               gehört, weder die Klägerin erschien vor Gericht noch ein Vertreter des
               Gorki-Theaters oder des Landes Berlin. Nur deren Anwälte waren im Sit‐
               zungssaal. Fünf Minuten – länger dauerte das Ganze nicht. Es wurde nicht
               einmal bekannt gegeben, wer den Vergleich beantragt hat. Der Vorsitzende
               Richter entschuldigte sich scherzhaft bei den anwesenden Journalisten:
               „Das war nun nicht so prickelnd.“

               Mit einem Vergleich konnte man rechnen. Denn das ist bei der Mehrzahl
               der vor Arbeitsgerichten verhandelten Fälle so, das Arbeitsgerichtsgesetz
               schreibt ausdrücklich vor, dass die gütliche Erledigung des Rechtsstreits
               angestrebt werden soll. Das Gorki-Theater muss die Kosten nun aus sei‐
               nem mageren Budget begleichen.

               Gerüchte über ernstzunehmenden Machtmissbrauch am Maxim-Gorki-
               Theater in Berlin waren vor zwei Wochen zunächst in der Süddeutschen
               Zeitung laut geworden. Vergangenen Donnerstag veröffentlichte der Spie‐
               gel weitergehende Details über „das Klima der Angst“, an diesem als pro‐
               gressiv geltenden Theater. Mitarbeiter des Theaters schilderten gegenüber
               dem Spiegel eine toxische Arbeitsumgebung. Kritik zu äußern, sei im Gor‐
               ki-Theater nicht mehr möglich. Zum Ende der Spielzeit würden wohl min‐
               destens acht Leute das Theater verlassen, eine ungewöhnlich hohe Fluk‐
               tuation. Aus Furcht vor Konsequenzen wollten alle Betroffenen anonym
               bleiben.

               Langhoffs Vertrag verlängert

               Die Kulturverwaltung war informiert und in Form von Mitarbeitergesprä‐
               chen auch involviert. Das Haus hat im Dezember 2020 Shermin Langhoffs
               Vertrag als Intendantin verlängert. Sie geht damit in eine dritte Amtsperi‐
               ode.

               Auch wenn dieses Verfahren entschieden worden ist: die Theaterwelt ist in
               Aufruhr, Machtstrukturen werden infrage gestellt, Missstände angepran‐
               gert. Das Gorki-Theater ist nur eine der Berliner Bühnen, in denen in der
               jüngeren Vergangenheit Machtmissbrauch zum Thema geworden ist. 2019
               beschwerten sich Musiker der Staatskapelle über verletzenden Narzissmus
               des Dirigenten Daniel Barenboim und die Schauspielerin Maya Alban-Za‐
               pata machte rassistisches Verhalten im Theater an der Parkaue zum The‐
               ma. In einem Interview mit der Berliner Zeitung äußerte sie sich erst kürz‐
               lich zu dem Rassismusvorfall in Düsseldorf und ihren eigenen Erfahrun‐
               gen. Ende 2020 warf die Staatsballerina Chloé Lopes Gomes ihrer Trai‐
               ningsleiterin Rassismus vor, das von ihr angestrengte Verfahren endete im
               April auch mit einem Vergleich. Im März 2021 schied Volksbühneninten‐

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               dant Klaus Dörr aus dem Amt, unter anderem wegen des noch zu klären‐
               den Vorwurfs des Sexismus.

               Im Spiegel hat sich kürzlich die Schauspielerin und Regisseurin Mateja
               Meded geäußert, die auch am Gorki auftrat. „Ich habe nirgendwo so viel
               Rassismus und Sexismus erlebt wie im Theater“, ist er überschrieben.
               Theater seien wie Fürstentümer organisiert, in denen immer noch in 75
               Prozent der Fälle ein alter weißer Herr auf dem Thron sitzt. „In denen es,
               um zu arbeiten, wichtig ist, mit wem du geschlafen hast, wer mit dir schla‐
               fen will, mit wem du befreundet oder verwandt bist.“

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        Feuilleton · Bernd Stegemann                                                                               Lesezeit: 7 Min.

        Von der Bühnenhölle in die Hölle der De-
        batten
        Ein Artikel des Dramaturgen BERND STEGEMANN in der »FAZ« über die Rassismusvorwürfe
        gegen das Düsseldorfer Schauspielhaus wurde heftig attackiert. Auch in der ZEIT. Hier ant-
        wortet er seinen Kritikern – und plädiert für eine andere Streitkultur

        In der Debatte um die Rassismusvorfälle am Düsseldorfer Schauspielhaus, über die Peter
        Kümmel in der ZEIT berichtet hat, bin auch ich zwischen die Fronten geraten. In der FAZ
        hatte ich versucht, die komplizierte Situation einer Theaterprobe zu schildern, um die vom
        Schauspieler Ron Iyamu erhobenen Rassismusvorwürfe im Kontext zu erörtern. Von dieser
        Kontextualisierung fühlten sich viele provoziert. Peter Kümmel schrieb gar, mein Beitrag
        enthalte einen »Text-Anfall von white supremacy«, also von weißer Überheblichkeit. Es
        gab weitere Artikel und einen Protestbrief, deren Vorwurf zusammengefasst lautet, ich
        würde Rassismus relativieren. Und damit haben die Protestierenden nach ihrer eigenen Lo-
        gik recht. Denn ich habe gewagt, den monolithischen Vorwurf »Rassismus« in dem vielfach
        uneigentlichen Kunstraum der Theaterprobe auseinanderzufalten.

        Im Theater wird mit Bedeutungen gespielt, es werden Rollen ausprobiert und Handlungen
        vorgeführt, die in der realen Welt bei der Polizei oder im Krankenwagen enden würden.
        Und ebenso ist die Theaterprobe ein chaotisches Durcheinander von semantischen Ebenen,
        psychologischen Energien und ästhetischen Behauptungen. Wer mit der Brille seiner All-
        tagsvernunft darauf schaut, kann staunen oder Amnesty International einschalten. Und
        weil die Probe so ein enthemmter Ort ist, gibt es seit je die großen Theaterkräche, die sich
        an dem Unbehagen, den Verletzungen und dem Überdruss entzünden. Im Theater ist also
        nichts in Ordnung, sondern die Probe ist eine organisierte Grenzverwischung. Dass jede
        Theaterproduktion nach ihrer eigenen Verwirrung sucht, macht die Lebendigkeit dieser
        Kunst aus.

        Seit einiger Zeit wächst das Unbehagen an diesen Grenzverwischungen, und erste Theater
        starten den Versuch, dass auf jeder Probe eine unabhängige Autorität sitzen soll, die im Fal-
        le einer Grenzverletzung einschreiten kann. Was spaßeshalber als Moralpolizei tituliert
        wird, ist der ernsthafte Versuch, das Arbeitsklima diskriminierungsfreier zu gestalten. In
        der Rückschau hätte ich mir selbst häufig eine solche Macht gewünscht, die den aggressi-

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        ven Herren auf dem Regiestuhl die Rote Karte zeigt. Wie die moralischen und die ästheti-
        schen Kategorien auf der Probe zusammenfinden, wird die Zukunft zeigen.

        Was den Düsseldorfer Fall so schwierig macht, ist die öffentliche Debatte, die nun über ein-
        zelne Probenvorkommnisse geführt wird. Denn zum einen sind alle enthemmten Situatio-
        nen des Theaters außerhalb ihres Kontextes ein Skandal. Und zum anderen werden an die-
        se Skandale nun weitere Konflikte angehängt. Schaut man sich den Verlauf der Düsseldor-
        fer Debatte an, dann steht man erschrocken vor einer Eskalation, bei der sich die Fronten
        immer weiter verhärten. So hat die Kulturwissenschaftlerin Natasha A. Kelly zusammen
        mit 22 weiteren Unterzeichnerinnen ihre Düsseldorfer Produktion beendet und stattdessen
        ein eigenes Theater für People of Color gefordert, da sie sich »nirgendwo hineinintegrieren
        müssten«. Eine Unterzeichnerin dieser Forderung, die Schauspielerin Maya Alban-Zapata,
        will das Düsseldorfer Theater nicht mehr betreten, denn »Euer Haus stinkt«. Der schon er-
        wähnte Protestbrief gegen meinen FAZ-Artikel mündet in der Formulierung, dass der Ras-
        sismus in den »verlausten Ecken unserer Gesellschaft haust«. Und in den einschlägigen
        Kommentarspalten der sozialen Netzwerke wird von den Theaterproben eine direkte Ver-
        bindung zu den rassistischen Morden in Hanau gezogen.

        Der Nationalismus kommt wieder als Kampf der Identitäten

        Das Milieu der Kultur- und Theaterszene, in dem ich seit über dreißig Jahren arbeite, hat ei-
        nen liebenswerten Hang zur Übertreibung. Und da die Übertreibungen in jede Richtung
        ausschlagen können, entsteht so ein faszinierendes und dramatisches Miteinander. Seit ei-
        niger Zeit bemerke ich jedoch eine Schieflage. Konflikte werden nicht mehr als lebendiger
        Streit ausgetragen, sondern verhärten sich schnell zum Stellungskrieg. Die Übertreibungen
        dienen nicht mehr der Verdeutlichung, sondern sollen den anderen mundtot machen. Die-
        se Tendenz zur Frontbildung ist kein Theaterspezifikum, sondern bestimmt immer häufiger
        die alltägliche Kommunikation. Ich nenne das Muster, nach dem solche unversöhnlichen
        Debatten ablaufen, asymmetrischen Streit.

        Die Asymmetrie besteht darin, dass die eine Seite beispielsweise politische Entscheidun-
        gen in der Corona-Politik kritisieren will und darum Fragen stellt: Ist der Inzidenzwert ein
        ausreichendes Kriterium für eine Ausgangssperre? Oder: Werden die Folgeschäden für die
        Wirtschaft, für die Bildung der Kinder und das soziale Leben genügend berücksichtigt? Die
        Entgegnung im asymmetrischen Streit antwortet nicht auf diese Fragen, sondern sie be-
        dient sich einer anderen Kategorie von Aussagen. So wird den Kritikern geantwortet:

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        80.000 Tote sind genug! Geh mal auf eine Intensivstation! Auf Fragen wird also mit morali-
        scher Empörung reagiert und auf Argumente mit pathetischen Bildern.

        Die Schauspieler und Schauspielerinnen von #allesdichtmachen, die ihr Unbehagen jüngst
        mit kurzen Videos in die Form der ironischen Affirmation verpackt haben, bekamen die
        Wucht der moralisch-pathetischen Empörung zu spüren. Ihre gespielten Auftritte als »ge-
        horsame Bürger, die um strenge Maßnahmen betteln«, wurden als zynisch und menschen-
        verachtend gebrandmarkt. Über Kunst gehen die Meinungen bekanntlich auseinander, und
        auch ich hätte einiges an der Darstellung auszusetzen. Dass aber die Kulturstaatsministerin
        den Künstlern Ratschläge gibt, was gute und was schlechte Kunst ist, und dass ein WDR-
        Rundfunkrat fordert, die beteiligten Tatort-Kommissare sollten suspendiert werden, über-
        schreitet deutlich die Grenze der Kunstkritik.

        Die asymmetrische Kommunikation geht also von einer Front zwischen möglichen und
        unmöglichen Aussagen aus. Diese Unterscheidung ist weder neu noch besonders raffiniert,
        sondern ein archaisches Machtmittel. In ihr treffen von jeher konkrete Argumente und Fra-
        gen auf die Macht des Ausnahmezustands. Und wer im Ausnahmezustand zu viele Fragen
        stellt, galt zu allen Zeiten als verdächtig. Im Gegensatz dazu zeichnet sich eine offene und
        liberale Gesellschaft dadurch aus, dass sie eine symmetrische Debattenkultur hat. Deren
        prominentester Vertreter in Deutschland ist Jürgen Habermas. Sein Konzept der beraten-
        den Öffentlichkeit und sein Eintreten für den zwanglosen Zwang des besseren Arguments
        gehören zu den wichtigsten zivilisatorischen Leistungen der deutschen Nachkriegsgesell-
        schaft. Denn die Befreiung musste nicht nur von den echten Nazis und ihrer Ideologie erfol-
        gen, sondern sie musste in jedem einzelnen Kopf geschafft werden. Nur wer gelernt hat,
        dass eine politische Meinung nicht wahrer ist, weil man die »richtige« Nationalität und
        Weltanschauung hat, der begreift, dass andere Menschen andere Meinungen haben und
        darum nicht weniger Lebensrechte haben als man selbst.

        Dieser Fortschritt ist leider keine sichere Bank, denn die Kultur der wechselseitigen Aner-
        kennung muss in jeder Debatte neu verteidigt werden. Seit einigen Jahren scheint die Be-
        reitschaft, andere Meinungen zu akzeptieren, wieder zu schwinden, und die asymmetri-
        sche Kommunikation setzt sich immer öfter durch. Eine Ursache für diese regressive Ent-
        wicklung liegt in einem Politikstil, der ebenfalls aus den dunklen Phasen des 19. und 20.
        Jahrhunderts bekannt ist. Was unter dem sperrigen Namen der Identitätspolitik weltwei-
        ten Zulauf findet, ist die Wiederholung des Nationalismus im Gewand unserer Gegenwart.
        Im Zentrum der Identitätsbildung steht heute nicht mehr die Nation, sondern die einzelne

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        Community, die sich als Besonderheit von dem Gesamt der Gesellschaft abgrenzen will.
        Identitätspolitik ist Mikro-Nationalismus für postmodern zersplitterte Gesellschaften.

        Nicht das Argument wird widerlegt, sondern die Person attackiert

        Wie das historische Vorbild greifen die einzelnen Identitätsgruppen zur Hierarchisierung
        der Aussagen aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Aus der plumpen Nibelungen-
        treue, dass die Aussage eines Deutschen für jeden echten Deutschen mehr wiege als die ei-
        nes Franzosen, wird die identitätspolitische Variante: Wenn die Vertreter der Identität X et-
        was sagen, so muss ihren Aussagen immer geglaubt werden; wenn die Vertreter einer an-
        deren Identität etwas entgegnen, so wird ihr Recht auf Mitsprache kategorisch infrage ge-
        stellt. Vor allem im Milieu des Theaters treten die negativen Effekte dieser neuen Hierarchi-
        en immer deutlicher hervor. Wer anderer Meinung ist, ist nicht mehr Teil einer lebendigen
        Auseinandersetzung, sondern muss für seine Abweichung bestraft werden. Man spricht
        nicht mehr miteinander, sondern unterschreibt Protestbriefe. Man sucht nicht mehr den
        Kontakt zur anderen Person, sondern will, dass diese aus der eigenen Kantine verschwin-
        det.

        Wie anders die Debatten verlaufen könnten, zeigte jüngst die Autorin Mithu Sanyal, die in
        ihrem Roman Identitti vom chaotischen Labyrinth postmodern widersprüchlicher Identi-
        tätssuchen humorvoll und einnehmend erzählt hat. Diese Lust an der Vielfalt findet sich
        auch in ihrer Replik, die sie in der FAZ zu dem Düsseldorfer Fall veröffentlicht hat. Wie un-
        versöhnlich die Reaktionen der deutschen Identitätspolitiker wiederum sind, zeigen exem-
        plarisch die Aussagen, die Ekkehard Knörer, der Mitherausgeber des Merkurs, dazu auf
        Twitter getätigt hat. Er habe kein Verständnis für die Geduld, die Mithu Sanyal mit mir ha-
        be, denn ich hätte einen »ekelerregenden Text« geschrieben, »einen echten Stegemann«.
        Der Merkur war unter der Leitung von Karl Heinz Bohrer ein Leuchtturm intellektuell an-
        spruchsvoller Debatten. Der neue Herausgeber folgt wie viele andere in den sozialen Netz-
        werken der asymmetrischen Kommunikation. Sie reagieren nicht auf Argumente, sondern
        schicken die ganze Person in den Orkus.

        Wenn immer mehr Menschen in Deutschland den Eindruck haben, dass sie ihre Meinung
        nicht mehr frei sagen dürfen, dann meinen sie genau diesen Mechanismus. Sie erleben, wie
        leichtfertig inzwischen Biografien zerstört werden können. Und sie beobachten, dass nicht
        mehr auf ihre Aussagen reagiert wird, sondern ihre Person angegriffen wird. Die Standard-
        antwort auf diese Sorge lautet: Jeder kann seine Meinung sagen, er muss nur mit Wider-
        spruch rechnen. Die Halbwahrheit der Antwort liegt darin, dass sie die zugrunde liegende
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        asymmetrische Kommunikation verschweigt. Nicht das Argument wird widerlegt, sondern
        die Person attackiert. Die Sorge vieler Menschen resultiert aus der berechtigten Angst, dass
        man wegen einer »falschen« Aussage seine soziale Stellung verlieren kann und dass diese
        Deklassierungen immer häufiger auch Folgen für den Arbeitsplatz haben können.

        Die asymmetrische Kommunikation macht aus Widersprüchen Kämpfe zwischen Feinden.
        Sie hierarchisiert Aussagen und selektiert Argumente nach ihren Urhebern. Sie führt eine
        Ungleichheit in den zwanglosen Zwang des besseren Arguments ein, und schließlich lässt
        sie immer mehr Menschen verstummen. Die Selbstgewissheit der Profiteure dieser Spal-
        tung zeigt sich zusehends an ihrer enthemmten Sprache. Doch spätestens wenn in den Hö-
        hen der Kultur wieder von »stinkenden Häusern«, »ekelerregenden Texten« und »verlaus-
        ten Ecken der Gesellschaft« die Rede ist, wenn mit entmenschlichenden Formulierungen
        gegenüber den Andersdenkenden operiert wird, sollte Widerspruch laut werden.

        www.zeit.de/audio Illustration: Javier Jaén für DIE ZEIT Foto: Andreas Müller/Visum
        Wo große Gefühle inszeniert werden müssen, werden oft genug auch Gefühle verletzt

        Bernd Stegemann ist Dramaturg und Autor. Sein neues Buch »Die Öffentlichkeit und ihre
        Feinde« ist im Februar bei Klett-Cotta erschienen

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               Donnerstag, 06. Mai 2021, Berliner Zeitung /

               Abschied vom Kulturbesitz
               In den spektakulären Fällen von Kunstrückgaben an
               ihre rechtmäßigen Besitzer äußert sich auch ein neues
               Erbeverständnis

                   Artefakt aus dem Ethnologischen Museum in BerlinImago

               HARRY NUTT

               I
                        n der vergangenen Woche kam es zu gleich zwei kulturpolitischen
                        Entscheidungen, die bereits jetzt als Präzedenzfälle einer neu zu
                        justierenden internationalen Museumspolitik gelten können. Dabei
                        ist deutlich geworden, dass sich insbesondere bei der Rückgabe von
               Kunstwerken die Aufmerksamkeit vom juristisch zu bewertenden Einzel‐
               fall verlagert hat zu einer Frage der gesellschaftlichen Legitimität. Was legal
               ist, darf deswegen noch nicht auf soziale Anerkennung hoffen.

               In diesem Sinne geht aus der Entscheidung der Ratsversammlung der
               Stadt Düsseldorf vom Donnerstag ein spürbarer Wandel der Betrachtungs‐
               weise hervor. Diese hatte beschlossen, das auf circa 14 Millionen Euro ge‐
               schätzte Gemälde „Die Füchse“ von Franz Marc an die Erben seines jüdi‐
               schen Vorbesitzers Kurt Grawi zurückzugeben.

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               Dem Beschluss war ein jahrelanger Rechtsstreit vorausgegangen, in dem
               die Stadt Düsseldorf zunächst den Nachweis als nicht erbracht ansah, dass
               Grawi zum Verkauf des Gemäldes gezwungen gewesen sei. Diesem war
               1939 die Flucht vor den Nazis nach Chile gelungen, der Verkauf der „Füch‐
               se“ erfolgte 1940 in New York. Die Rechtsauffassung aber hat sich später
               deutlich verschoben zu einem auch nach ethischen Maßstäben zu bewer‐
               tenden Rechtsverständnis. Zuletzt hatte die Beratende Kommission für
               Raubkunstfälle mit einer Zweidrittelmehrheit, wenngleich nicht einstim‐
               mig, für die Rückgabe gestimmt, der sich die Stadt Düsseldorf nun ange‐
               schlossen hat.

               Die Entscheidung ist insofern bedeutend, weil sich die Formulierung „ver‐
               folgungsbedingt“ hier auch auf einen Verkauf bezieht, der sich außerhalb
               des unmittelbaren Machtbereichs des nationalsozialistischen Regimes
               vollzogen hat.

               Leihaktivität gegen Besitzerstolz

               Von ganz anderer Dimension und nicht minder großer Tragweite ist die
               zweite Nachricht über ein Rückgabe-Votum, das vor knapp einer Woche
               von der sogenannte Benin-Dialog-Gruppe getroffen wurde, einem Gremi‐
               um aus nigerianischen und deutschen Kulturpolitikern und Experten. Es
               ist das bislang markanteste Beispiel einer Entwicklung, die gerade auch
               hinsichtlich der lange vernachlässigten Kunst aus kolonialen Kontexten
               nach einer Neuerschließung der Bestände und Depots verlangt.

               Von 2022 an werden deutsche Museen, so das Ergebnis, damit beginnen,
               die sogenannten Benin-Bronzen zurückzugeben, die nach dem Raub
               durch die Briten aus dem Königspalast in Benin Ende des 19. Jahrhunderts
               auf den europäischen Kunstmarkt gelangten. Allein in Deutschland befin‐
               den sich rund 1000 Objekte, von denen viele zur Ausstellung im erst kürz‐
               lich eröffneten Humboldt-Forum in Berlin vorgesehen waren. Aber bereits
               bei dessen digitaler Eröffnung im Dezember 2020 wurde deutlich, dass
               hinsichtlich des Umgangs mit Kunstwerken aus kolonialen Kontexten ein
               Strategiewechsel bevorsteht.

               Bei der Übertragung war der Versuch, Kolonialismuskritiker mit einzube‐
               ziehen, nicht zu übersehen, hatte aber auch etwas anrührend Naives und
               vermochte nicht darüber hinwegzutäuschen, dass zuvor lange eher defen‐
               siv bis abweisend auf die Ansprüche zum Beispiel aus afrikanischen Län‐
               dern reagiert worden war. Dass Deutschland sich nun in einer Vorreiterrol‐
               le eines neu zu etablierenden Kulturaustausches sieht, bedarf erst noch ei‐
               ner akzeptierten Praxis. Wie auch immer diese aussehen mag, fällt auf,
               dass an die Stelle des Besitzerstolzes, der oft hartnäckig mit Rechtsmitteln
               verteidigt wurde, nun gesteigerte Leihaktivitäten treten sollen. An generöse

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               Rückgabegesten könnten sich bilaterale Leihabkommen anschließen, die
               das Potenzial für eine neue Museumskultur bergen. Erfolgte die Präsentati‐
               on von Kunst über viele Jahrhunderte nicht zuletzt aus einem mitunter
               sehr hässlichen imperialen Gestus heraus, so zeichnen sich Willensbekun‐
               dungen ab, denen zufolge der Weltkulturkomplex im Geiste der Verständi‐
               gung und gegenseitiger Anerkennung gepflegt und gelöst werden möge.
               Wo Macht- und Gewaltverhältnisse herrschten, sollen wechselseitige
               Schau-Beziehungen walten.

               Die Zweifel, ob dies gelingen kann, sind trotz der wortreichen Bemühun‐
               gen nicht verringert worden. Den Verdacht, dass sich insbesondere die
               Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) eher aus Kalkül denn aus restloser
               Überzeugung auf die Pfade neuer Kooperationen begeben hat, vermochte
               diese bislang nur bedingt zu zerstreuen. Die Entstehungsidee des Hum‐
               boldt-Forums war anfangs auch gewiss nicht vom Gedanken einer umfas‐
               senden Dekolonisierung beseelt, die nun immer stärker und keineswegs
               nur von wild entschlossenen Aktivisten auf die Agenda gesetzt wird.

               Zur holprigen Genese des Humboldt-Forums als ambitioniertes Berliner
               Weltkulturprojekt gehört leider auch der Hinweis, dass es der pragmati‐
               schen Überlegung hervorgegangen ist, für eine noch zu findende Zweckbe‐
               stimmung des wieder zu errichtenden Berliner Schlosses bereits über das
               passende Inventar zu verfügen. Trotz einer sich rasant verändernden De‐
               batte, in die die Vertreter indigener Kulturen – das sollten auch die ärgsten
               Kritiker anerkennen – schon vor Jahren mit einbezogen wurden, wirkt das
               Gesamtarrangement des Humboldt-Forums noch immer wie eine auto‐
               chthone Trutzburg. Und es ist keineswegs allein den Folgen der Pandemie
               zuzuschreiben, dass der pompöse Kulturtempel in Berlin-Mitte bislang
               nicht als Anlaufstelle eines offenen und diversen Weltkulturverständnisses
               wahrgenommen worden ist.

               Zu einer Neuorientierung, für die es nicht zu spät ist, sollte die Loslösung
               von der tradierten Vorstellung gehören, dass der Besitz von Kulturgütern
               ausschließlich als schmückendes Beiwerk gesellschaftlicher Repräsentati‐
               on zu verstehen sei. Wie stark diese anthropologisch verankert ist, hat der
               Ethnologe Werner Muensterberger in seinem Buch „Sammeln. Eine un‐
               bändige Leidenschaft“ gezeigt, in dem er auf die Wurzeln kultureller An‐
               eignung verwiesen hat, die bereits in Bedeutung des Wortes Besitz auf‐
               scheinen. So wurden in archaischen Kulturen die Schädel getöteter Feinde
               in einem buchstäblichen Sinn besessen, auf dass deren Kräfte auf den Be‐
               zwinger übergehen mögen. Auch wenn im Prozess der Zivilisation später
               andere Formen der kulturellen Selbstdarstellung bevorzugt wurden, ist die
               demonstrative Bezugnahme auf die jeweils eigene Rolle in der Geschichte
               ein stets gegenwärtiges Motiv.

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               Dabei sollte nicht übersehen werden, dass die immer öfter erfolgenden
               Rückgaben von Kunstwerken, die nicht zuletzt auf den Ergebnissen einer
               intensivierten wissenschaftlichen Provenienz-Forschung beruhen, auf
               Konzepten eines ethnischen oder nationalen Kulturbesitzes beruhen, der
               nun selbst an seine Grenzen gerät. Wie im Ausstellungsbereich der Vor‐
               wurf des Eurozentrismus zu begegnen sei, hatte der Berliner Ethnologe
               Karl-Heinz Kohl bereits 2009 in einem Aufsatz in der Zeitschrift Merkur er‐
               läutert. „Ethnografische Artefakte“, hieß es darin, „sind deplatzierte Objek‐
               te. Ob im Krieg geraubt oder von ihren Eigentümern gegen geringes Geld
               erworben – in den europäischen Sammlungen nehmen sie einen Platz ein,
               an den sie nicht gehören.“

               Dieser verblüffend einfachen Erkenntnis zum Trotz war Kohl skeptisch,
               was eine nachhaltige Überwindung des Eurozentrismus angeht. Er schlug
               daher für das Humboldt-Forum einen weißen Kubus vor, in dem die Meis‐
               terwerke indigener Kunst kontextfrei und ohne weitschweifige didaktische
               Erläuterungen ausgestellt werden. Von der Haupthalle aus sollten die Be‐
               sucher dann in die verschiedenen Abteilungen geführt werden, von denen
               jede für eine frühere Epoche der Geschichte der Beschäftigung mit außer‐
               europäischen Kulturen stehe. Kulturgeschichte in seinen unterschiedli‐
               chen Etappen der Ent- und Aneignung.

               Dem Leiden eine Geschichte geben

               In diesem Sinne könnte das Humboldt-Forum auch die Spielstätte werden
               für einen Versuch, in dem sich eine Gesellschaft bemüht, ihre engen Be‐
               sitzvorstellungen in wissensbasierte Tauschbeziehungen zu transformie‐
               ren und die Idee eines Kulturerbes zu entwickeln, das sich vom bloßen Ge‐
               danken materieller Weitergabe emanzipiert. Aber selbst dann werden die
               Ansprüche auf kulturelles Eigentum und die sehr unterschiedlichen Rück‐
               gabeforderungen weiterhin sehr genau zu betrachten sein, vor allem, um
               dem dahinter liegenden Leiden eine Geschichte zu geben.

               Ein gewandeltes Verständnis von Kulturbesitz indes könnte helfen, dem
               umstrittenen Begriff von kultureller Aneignung, der zu einem Schlüsselbe‐
               griff der sogenannten Cancel Culture avanciert ist, einen offeneren Klang
               zu verleihen.

               ;In diesem Sinne könnte das Humboldt-Forum auch die Spielstätte werden
               für einen Versuch, in dem sich eine Gesellschaft bemüht, ihre

               engen Besitzvorstellungen in wissensbasierte Tauschbeziehungen zu
               transformieren.

https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/937742/16-17                                                 4/4
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       Die Kinder von Marx und Macintosh

       Streit ums Ur he ber recht: Ist die di gi ta le Kul tur die Fort set zung der Pop ge schich te oder ihr En de?

       VON A N DR I A N K R E Y E

       Der Pro test der mehr als 1 200 deut schen Pop stars und Bands ge gen die Ur he ber rechts re form ver gan ge ne Wo che
       ist ei ne gu te Ge le gen heit, sich an den Wut an fall des Schrift stel lers und Rock stars Sven Re ge ner zu er in nern. Er
       selbst tut das ja nicht so ger ne. Aber die fünf Mi nu ten, in de nen er auf die Fra ge des Ra dio re dak teurs der BR-
       Sen dung „Zünd funk“ nach Ur he ber rech ten in Zei ten des In ter nets ex plo dier te, be stim men den Ton der De bat te
       ei gent lich noch im mer. „Ei ne Ge sell schaft, die so mit ih ren Künst lern um geht, ist nichts wert“, tob te er da. Es
       ging ihm um Geld, klar, aber auch um Re spekt, An stand, Kunst. Er drück te sich da nicht so gewählt aus, aber
       deut lich. Acht Jah re ist das nun her. Viel hat sich nicht verän dert, auch wenn es nun ei ne EU-Richt li nie für Re for-
       men der Ur he ber rech te gibt, die die Mit glied staa ten bis An fang Ju ni um set zen müs sen.

       Der Streit wä re viel ein fa cher, wenn es nur um Geld gin ge. Die Fron ten wä ren auch viel kla rer, wenn es ei nen Ge -
       ne ra tio nen kon flikt gä be, wie er in den Nul ler jah ren mal be schwo ren wurde. „Di gi tal Na tives“ ge gen „Di gi tal Im -
       mi grants“, jun ge di gi ta le Ein ge bo re ne, die mit dem In ter net auf gewach sen sind, ge gen die di gi ta len Einwan de -
       rer der äl te ren Ge ne ra tio nen. Das stell te sich als ei nes die ser fehl ge lei te ten Denk mus ter heraus, die Kri te rien
       des 20. Jahr hun derts auf das di gi ta le Zeit al ter anwen den. Ge ne ra tio nen kon flik te wa ren zwar der Mo tor des Pop
       im 20. Jahr hun dert. Hin ter dem Streit um die Ur he ber rech te ste hen je doch zwei grundverschie de ne Kul tur be -
       grif fe – und ein Miss verständ nis.

       Daran ist Ador no schuld. Mal wie der. Der Phi lo soph gei ßel te die Mas sen- und Pop kul tur. Erst in sei ner „Dia lek-
       tik der Auf klä rung“ und dann im mer wie der bei Vorle sun gen, im Ra dio oder Fern se hen. Jazz und Folk wa ren ihm
       ein Gräuel. Da mit sprach er ei nem Bil dungs- und Klein bür ger tum aus der See le, das sich mit ge sell schaft lichen
       Er neue run gen schwertat.

       Da bei steht der Pop ei gent lich in ei ner wun der ba ren Tra di tion der Forde rung des Mar xis mus, weil er die Pro -
       duk tions mit tel der Kul tur fürs Volk erober te. Mit gewal ti gen Ne benwir kun gen. Das be gann in den Fünf zi ger jah -
       ren mit der Ent de ckung der Gi tar re. Die wurde zum zen tra len In stru ment der Pop kul tur, weil sie bil li ger, mo bi-
       ler und vor al lem leich ter zu be die nen war als ein Klavier, das bis da hin die Mas sen kul tur be stimmt hat te. So
       konn te man sich auf die Din ge kon zen trie ren, die bald wich ti ger wurden als die Mu sik selbst.

       Bot schaf ten zum Bei spiel. Woo dy Gut hrie ahn te das schon früh und schrieb in in den Vier zi ger jah ren „This ma -
       chi ne kills fa scists“ auf sei ne Gib son. Er war der Vorläu fer der Folk-Bewe gung, die mit Jo an Ba ez An fang der
       Sech zi ger jah re ih ren ers ten Su perstar fand. Die schot tisch-mexi ka ni sche New Yor ke rin führ te im mer wie der vor,
       wie gut sich ei ne Gi tar re für Pro test märsche und Kund ge bun gen eig ne te. Und welt weit erschau der te das Bür ger-
       tum an ge sichts ei ner Ju gend, die sich mit Min der hei ten und Un terdrück ten so li da ri sier te, die ih ren Platz in der
       Ge sell schaft forder ten.

       Jo an Ba ez ent deck te dann auch den jun gen Mann, der die De mo kra ti sie rung der Kul tur pro duk tions mit tel für
       sei ne Ge ne ra tion den nächs ten Schritt voran trieb. Es war 1965 auf dem Folk Fes tival in New port, als sich Bob Dy-
       lan für drei Stücke ei ne elek tri sche Gi tar re um schnall te. Da mit, so war schon bald klar, konn te man sehr viel
       mehr Men schen er reichen. Gan ze Sport sta dien, wenn es sein muss te, so wie es die Beat les und die Sto nes schon
       ge tan hat ten. Auch wenn die den Bür ger kin dern we ni ger den po li ti schen Geist als die vor- und au ßerehe liche
       Ero tik na he brach ten. Denn auch für ein deu ti ge Hüft bewe gun gen eig ne te sich die Gi tar re sehr viel bes ser als ein
       Kon zert flü gel. Da war sie al so, die wei te re Ver fla chung der Kul tur in der Mas se, vor der Ador no im mer gewarnt
       hat te.

       Die Gi tar re blieb die nächs ten fünf zehn Jah re erst ein mal das zen tra le Kul tur pro duk tions mit tel des Pop. Kon ti-
       nu ierlich senk ten Rock mu si ker die Zu gangs schwel len zur Kul tur. Ei ne jun ge Dich te rin na mens Pat ti Smith re du-
       zier te Mu sik im New York der Sieb zi ger jah re auf die Es senz der Hal tung. Drei Ak korde sind ge nug, pro kla mier-
       ten die Bands in ih rem Kielwas ser. Gleich zei tig ent deck ten ein paar Halb star ke im New Yor ker Ar menvier tel
       South Bronx Plat ten spie ler als In stru ment. Teen ager mit Fan ta sie na men wie Kool Herc oder Grand mas ter Flash
       ent wickel ten ei ne Tech nik, mit der sie die Mu sik von meh re ren Schall plat ten zu neuer Mu sik zu sam men misch -

https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/806739/9                                                                          1/2
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       ten. Jetzt wa ren gar kei ne Ak korde mehr nö tig, und auch kei ne Ton lei tern. Ein Ge spür für Mu sik und Rhyth mus
       reich te.

       Mit den DJs des Hip-Hop be gann das Zeit al ter des di rek ten Zi tats. Die Beat les und die Sto nes hat ten sich den
       Blues noch zu ei gen ge macht. Grand mas ter Flash setz te die Mu sik von Ja mes Brown, Bob Ja mes oder der In credi ‐
       b le Bon go Band ein fach neu zu sam men.

       Mit dem Ein zug der di gi ta len Tech no lo gie in die Mu sik ging es dann Schlag auf Schlag. 1987 erschien der ers te
       mas sen markt rei fe Sam pler E-mu SP-1200. Der kos te te we ni ger als zwei tau send Dol lar und konn te vier Mu sik-
       fra ge men te von jeweils zweiein halb Se kun den verar bei ten. Mit dem Sam pling, al so dem Col la gie ren frem der
       Mu sik zu neuen Stücken, be gann auch der Streit ums Ur he ber recht. Ver hand lun gen, ob ein Pop star ei nen an de -
       ren um ei ne Idee be klaut hat te, gab es schon vor her (und im mer noch). Die di rek te Über nah me ei ner frem den
       Auf nah me in kur zen, aber wie derer kenn ba ren Mo men ten war ei ne neue Di men sion.

       Hip-Hop war aber nicht nur ein tech ni scher Wen de punkt, son dern ein Mo ment der Selbst er mäch ti gung für Mil-
       lio nen, der die De mo kra ti sie rungs wir kung von Folk und Rock noch über traf. Mit der Ver brei tung erschwing li-
       cher Lap tops und bil li ger Pro duk tions-Soft ware konn ten Mar gi na li sier te in al ler Welt Mu sik auf dem sel ben Ni-
       veau pro du zie ren wie die Stars aus den USA. Ly rik wurde zum Aus druck. Mu sik zum Ve hi kel.

       In zwi schen be kommt man mit je dem Smart pho ne Pro gram me mit ge lie fert, die Au dio, Vi deo und Bil der pro du-
       zie ren kön nen, für die man frü her Ton stu dios, Pro duk tions fir men und Gra fik bü ros brauch te. Zu min dest in der
       Kul tur ist die Erobe rung der Pro duk tions mit tel voll zo gen. Gleich zei tig ist das Zi tat nicht mehr Ele ment, son dern
       Kern der di gi ta len Kul tur geworden. Das gilt nicht nur für Mu sik, son dern auch für Vi de os und Bil der. Für Tex te
       sowie so.

       Die se Frei heit der Kunst gilt es nun für vie le ge gen die Be sitz stands wah rer zu ver tei di gen, die auf ei nem Ur he -
       ber recht be har ren, das noch in den Ver viel fäl ti gungs tech no lo gien des 19. und 20. Jahr hun derts wur zelt. Ist es
       nicht auch das re ak tio nä re Bür ger tum, das ein mal mehr ge gen die Ju gend kul tur wet tert? Ge gen Me mes, On line-
       Vi de os und Com pu terspie le? Das ist die Angst der Al ten vor dem Kon trollverlust. So wie Sex und Mas sen kul tur
       einst die Ju gend ent fes sel ten, sind auch die Schlüs sel rei ze aus den Ma schi nen, die zu rausch haf ten Kul turerleb -
       nis sen füh ren kön nen, un heim liche Phä no me ne aus ei ner Kul tur, die auch Äl te ren fremd bleibt, die sich in den
       Net zen frei und kun dig bewe gen.

       Doch da be ginnt das Miss verständ nis. Die De mo kra ti sie rung der Kul tur pro duk tions mit tel von der Gi tar re bis
       zum Smart pho ne war im mer nur die ei ne Sei te. Was nie de mo kra ti siert wurde, wa ren die Ver triebs we ge. Die aber
       sind der Fla schen hals. Und egal ob Nacht clubs, Schall plat ten fir men oder Ra dio sen der: Die Kon trol le lag im mer
       bei Ver bre chern und Kon zer nen. Die nicht im mer zu un terschei den sind. Ge gen die war das Ur he ber recht oft der
       ein zi ge, nicht im mer wirk sa me He bel der Künst ler.

       Das In ter net schien zu nächst ein Aus weg. Ein Ver triebs weg für al le. Bis auch dort die Fla schen häl se ein ge führt
       wurden. Mit Fol gen. Plat ten fir men wa ren Aus beu ter, doch Di gi tal kon zer ne sind Frei beu ter. Für die Kon zer ne,
       die di gi ta le Ver triebs we ge un ter hal ten und da mit Mil li arden um sät ze er wirt schaf ten, wa ren In hal te im mer nur
       der Schmierstoff, der die Ma schi ne am Lau fen und die Nut zer am Schirm hielt. Ur he ber rech te wa ren da ähn lich
       wie na tio na le Ge set ze, das Steuer recht und sons ti ge Verant wort lich kei ten Stör fak to ren. Bugs.

       Wenn Pop stars und Bands nun al so für Ur he ber rech te kämp fen, wenn sie ei nen An teil am Gewinn und Kon trol le
       über ih re Wer ke fordern, stel len sie sich nicht ge gen ei ne Kul tur, in der die di gi ta le Ko pie, die Parodie oder Col la -
       ge zum zen tra len Aus druck wurde. Sie stel len sich ge gen ei ne In dus trie, die sich um die Kul tur, die sie ver treibt,
       nicht schert. Jeff Be zos woll te nie bloß Bücher ver kau fen, Steve Jobs in teres sier te sich nicht für Mu sik, Mark Zu-
       cker berg sam melt kei ne Bil der. Und doch wa ren es ge nau die se Kul tur gü ter, die ih re Platt for men groß und sie
       selbst zu den reichs ten Män nern der Welt ge macht ha ben. War um al so sol len sich Pop stars und Bands nicht weh -
       ren? De tail fra gen, ob sich ih re Forde run gen mit Eu ro pa recht, mit tech ni schen Fein hei ten oder in ter na tio na lem
       Han dels recht verei nen las sen, sind Ne bel ker zen in ei nem Kon flikt, in dem es eben nicht um die De mo kra ti sie -
       rung der Kul tur geht, son dern um die Ent eig nung der Künst ler.

https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/806739/9                                                                           2/2
6.5.2021                                               Apple: Wer wird Nachfolger von Tim Cook? | W&V

                  Lea: Erster Popstar mit Toniebox-Figur

  Musiker, die heutzutage ihre Songs veröffentlichen wollen, haben die Wahl zwischen den
  verschiedensten Formaten – vom Streaming und der CD bis hin zu Vinyl und der guten alten
  Musikkassette. Das Marketing von Sony Music hat nun eine ganz neue Vertriebsform entdeckt:
  Lea, Sängerin aus Kassel mit deutschem Poesiealbum-Pop, ist der erste Musikstar mit eigener
  Hörfigur für die Toniebox. Die meist jungen Lea-Fans können sich ab 13. Mai eine Mini-Lea auf
  den beliebten Hörspiel- und Musikplayer stellen, die dann eine Stunde lang 15 Hits wie
  "Treppenhaus", "Leiser", "Immer, wenn wir uns sehn" oder "110" abspielt.

  "Lea ist unser erster Popstar-Tonie, mit dem wir definitiv neues Terrain betreten", freut sich
  Markus Langer, Produktchef des Düsseldorfer Unternehmens. Und Singer-Songwriterin Lea-
  Marie Becker (28) geht davon aus, dass die Toniefigur ein prima Medium für ihre Fans ist: "Viele
  meiner Freunde mit Kindern sind richtige Tonie-Fans und lieben die Toniebox. Es ist daher ein
  unglaubliches Gefühl, mich nun selbst als Tonie in der Hand zu halten." Der Lea-Tonie wird für
  Kinder ab 8 Jahren empfohlen und kostet 14,99 Euro.

  Große Lea mit kleiner Lea – und mit einer ganz neuen Musik-Idee.
                                        Foto: Sony/Calvin Müller

https://www.wuv.de/tech/apple_wer_wird_nachfolger_von_tim_cook
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           KULTUR                                                                                     SEITE 10 | DONNERSTAG 6. MAI 2021

           Keine Angst vor Ohrwürmern
           Till Brönner wird 50 Jahre alt. Deutschlands bekanntester Jazz-Trompeter hat mehr als 20
           durchaus unterschiedliche Alben aufgenommen – sein erstes 1992 in Berlin

           Von Esteban Engel

           Vor ein paar Tagen nahm Till
           Brönner den Lift in die Vergangen-
           heit. „Unlängst war ich zu einem
           Interview im legendären Berliner
           Hansa Studio, wo David Bowie
           seine Alben gemacht hat.“ In dem
           Haus hatte Brönner 1992 sein al-
           lererstes Album „Generations of
           Jazz“ mit Ray Brown am Kontra-
           bass aufgenommen. „Das Gefühl,
           dort durch die Tür zu gehen, mit
           demselben Aufzug raufzufahren,
           kriegt mich heute noch wie da-
           mals“, erinnert sich der damalige
           Debütant. Wenn der längst bundes-
           weit bekannte Jazz-Musiker an die-
                                                  GROSSER AUFTRITT: Till Brönner
           sem Donnerstag seinen 50. Ge-
                                                  auf der Bühne des Sommerpro-
           burtstag feiert ... nein, feiern wolle
                                                  gramms der Stiftung Schloss
           er diesmal nicht, sagt er. Also:       Neuhardenberg. Pleul dpa
           Wenn Brönner 50 Jahre alt wird,
           will er auch ein wenig zurückbli-
           cken. Mit 30 oder 40 traue man sich ja so etwas noch nicht.
           Dabei gehört Brönner längst zur deutschen Jazz-Nachkriegsgeschichte –
           auch wenn er sich lediglich als privilegierter „Träger von Information“ be-
           zeichnet über all jene Künstler, mit denen der Trompeter und Komponist
           schon gespielt hat. „Denn ich war natürlich kein Zeitgenosse, gemessen an
           Leuten wie Herbie Hancock, Dave Brubeck, Ray Brown oder Hildegard
           Knef, aber ich habe noch mit ihnen zusammengearbeitet und musiziert“,
           sagt er nicht ohne Stolz.

https://emag.morgenpost.de/titles/bmberlinermorgenpost/10120/publications/919/articles/1347243/10/1                                       1/3
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           Brönner hat mehr als 20 Alben aufgenommen, er singt und fotografiert,
           saß auch bei TV-Castingshows („X Factor“) in der Jury. Vor einigen Mo-
           naten hat er eine neue Platte herausgebracht. „On Vacation“ nennt sich das
           Album, und mit von der Partie war Bob James, der schon Sarah Vaughan
           am Klavier begleitete, mit Chet Baker spielte und für Frank Sinatra Songs
           arrangierte. „Bob James ist lebendige Jazzgeschichte“, sagt Brönner.
           „Während der Aufnahmen in Südfrankreich war ich mindestens so sehr
           damit beschäftigt, ihm die spannendsten und lustigsten Geschichten aus
           dieser Zeit zu entlocken, wie mit ihm zu musizieren.“
           Der in Viersen (Nordrhein-Westfalen) geborene Musiker bleibt sich treu.
           Etwa im Jahresrhythmus bringt Brönner eine CD heraus, am liebsten Kon-
           zept-Alben, die eine Geschichte erzählen. Diesmal war es der Urlaub. Man
           habe etwas gegrübelt, ob der Titel in Pandemie-Zeiten unpassend oder gar
           weltfremd wirkt. „Wir haben uns dann doch entschlossen, es vor allem ge-
           nau deswegen zu veröffentlichen. Denn Musik im besten Sinne ist ja auch
           Trost und eine Reise zu einem besseren Ort.“ Tatsächlich hört sich „On
           Vacation“ an wie eine Sommerfahrt im offenen Cabrio.
           „Chattin’ with Chet“, eine Hommage an sein Vorbild Chet Baker, oder das
           „Jazz Album“ mit Bassbariton Thomas Quasthoff – Brönner ist ein musi-
           kalischer Seitenspringer und er hat kein Problem damit. „Was Bob James
           über viele Jahre gemacht hat – darin erkenne ich mich zum Teil auch
           selbst wieder, etwa bei Fragen der Vielseitigkeit als Musiker, die im Kreis
           von Jazz-Puristen immer kontrovers diskutiert wird.“ Ohrwürmer oder
           Avantgarde – Berührungsängste mit Musik habe er nie gehabt. „Bekannt
           geworden bin ich natürlich eher mit Musik, die viele Leute hören. Wen
           wundert’s.“

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6.5.2021                                                                 Berliner Morgenpost

           In „Oceana“ (2006) hat er Bebop und Cool Jazz gemischt, wie sie in den
           1950er- und 1960er-Jahren an der Westküste der USA gespielt wurden, bei
           „Rio“ verfiel er 2008 dem Bossa Nova. Ob das jetzt alles streng genom-
           men Jazz ist – die Antwort überlässt Brönner anderen. Der Musiker hat
           kein Problem damit, auch als Entertainer wahrgenommen zu werden. „Für
           mich war es immer wichtig, auch ein kleiner Jazz-Missionar zu sein, weil
           ich in meiner Schulzeit während der 1980er-Jahre durchaus mit Ableh-
           nung konfrontiert war.“ Wer mit zwölf, 13 Jahren dazu steht, dass er Jazz
           mag, könne erwarten, dass Altersgenossen dafür nur Hohn und Belusti-
           gung übrighaben. „Das hat mich angespornt“, gibt er im Nachhinein zu.
           Versteht Kritik an #allesdichtmachen nicht
           Seit Ausbruch der Corona-Pandemie meldet sich Brönner immer wieder
           zu Wort. Eine Wutrede auf Video zur Lage der Musiker wurde im Oktober
           ein Internet-Hit. „Solidarität mit Berufsgruppen wie Künstlern, die uns in
           guten Zeiten schmücken, doch nun zu Tausenden und zum Schutz der All-
           gemeinheit schon seit 14 Monaten ohne Arbeit und angemessene Unter-
           stützung sind – das hat die Kulturszene für immer verändert“, sagt er
           heute.
           Deswegen könne er das Ausmaß der Kritik am Schauspielerprotest
           #allesdichtmachen nicht verstehen. „Man kann Menschen wie Ulrich Tu-
           kur oder Jan Josef Liefers nicht unterstellen, dass sie alle abgedriftet sind,
           sondern darf durchaus neugierig sein, warum gerade sie mit von der Partie
           waren.“ Die Kunst und insbesondere die Musik hätten in der Pandemie
           sehr vielen Menschen geholfen. „Mich selbst hat die Musik in den dun-
           kelsten Situationen immer wieder gerettet“, gibt er zu.
           Und wie sollen die kommenden zehn Jahre aussehen? „Es klingt ein biss-
           chen pathetisch, aber ich habe mir vorgenommen, aktiver gesund zu blei-
           ben und meine Prioritäten ein bisschen energischer zu setzen, damit ich sie
           noch intensiver erleben kann.“ Nach einem Sohn habe er nun auch eine
           kleine Tochter. „Weniger beruflich reisen wäre daher ganz schön, denn da-
           von hatte ich schon ganz schön viel im Leben“, sagt Brönner und lacht da-
           bei. dpa

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