11/12 2021 DSO-Nachrichten Konzertprogramm mit Zeitbezug - Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
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75 Jahre DSO Jubiläumskonzerte mit Robin Ticciati Mitsuko Uchida spielt Beethoven Neues vom Tage Konzertprogramm mit Zeitbezug DSO-Nachrichten 11/12 2021
2 Inhalt Editorial 3 Liebe Leserin, lieber Leser, am 15. November 1946, vor 75 Jahren, wurde das DSO ge- 3 Editorial gründet. In seinen drei Namen – erst RIAS-, dann Radio-, heute Deutsches Symphonie-Orchester Berlin – spiegeln 4 Marin Alsop im Gespräch sich Stationen einer bewegten Geschichte, die wir Ihnen aus den unterschiedlichsten Perspektiven in den DSO-Nach- 10 Ihr Konzertbesuch im November und Dezember richten und auf unserem Jubiläumsblog erzählen. Mit zwei 12 75 Jahre DSO – Jubiläumskonzerte Konzerten, die Robin Ticciati am 19. und 20. November diri- giert, wollen wir den Geburtstag gebührend feiern. 16 Oper im Kühlhaus 18 Marie Jacquot und Gautier Capuçon Auch darüber hinaus haben die Monate November und De- zember einiges zu bieten. Die Dirigentinnen Marin Alsop und 22 Mstislaw Rostropowitsch Marie Jacquot, die Pianistin Mitsuko Uchida, die Geigerin 24 rbbKultur-Kinderkonzerte Lisa Batiashvili und die Cellisten Gautier Capuçon und She- ku Kanneh-Mason versprechen großartige Konzerterleb- 26 Konzertkalender nisse. Mit ›Neues vom Tage‹ wagen Robin Ticciati und der 31 Kammerkonzerte Geiger Pekka Kuusisto das Experiment des tagesaktuell ku- ratierten Programms, mit der Kammeroper ›The Bear‹ und 32 Silvester und Neujahr dem ›Debüt‹-Konzert kommt der künstlerische Nachwuchs 34 Neues vom Tage und Casual Concert zum Zuge. Und den Jahreswechsel begehen wir endlich wie- der, zauberhaft und spektakulär, gemeinsam mit dem Circus 37 Impressum Roncalli im Tempodrom. 38 Baalbek und Athen Wir freuen uns sehr, trotz weiterhin bestehender Einschrän- 40 Debüt im Deutschlandfunk Kultur kungen auch in der Jubiläumssaison für Sie spielen zu dür- 42 Gedenken in Babyn Jar fen. Feiern Sie mit uns und kommen Sie ins Konzert. Wir freuen uns auf Sie! 44 Robin Ticciati und Mitsuko Uchida Herzliche Grüße 48 Kammermusik in Spandau Ihr Deutsches Symphonie-Orchester Berlin 50 Jubiläumsblog
Im Gespräch 5 So 5.12. Marin Alsop Das große Blind Date Marin Alsop gehört zu den wichtigsten Dirigent*innen un- serer Zeit. Seit 2019 steht sie als Chefdirigentin dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien vor, im Sommer 2020 ernannte sie das Baltimore Symphony Orchestra nach 14 Jahren an seiner Spitze zur Ehrendirigentin. Neben weltwei- ten Gastdirigaten engagiert sich die in New York geborene Musikerin besonders für die Förderung des Pultnachwuch- ses – als Studiengangsleiterin an der Johns Hopkins Univer- sity, mit der von ihr gegründeten Taki Concordia Conducting Fellowship oder als Musikdirektorin des National Orchestral Institute + Festival (NOI+F). Am 5. Dezember steht sie erst- mals am Pult des DSO. Marin Alsop, Sie haben zwei intensive Lehrjahre mit Leo- nard Bernstein verbracht. Können Sie sich noch an das erste Zusammentreffen mit ihrem Mentor erinnern? Ja, ich habe ihn 1987 beim Schleswig-Holstein Musik Fes- tival getroffen. Es gibt eine Dokumentation des Dirigenten- wettbewerbs auf YouTube, die diese erste Begegnung zeigt. Er war sehr großzügig zu mir, ein wunderbarer Lehrer! Er war mein Idol und mein Held. Mit ihm arbeiten zu können, war ein einmaliges Ereignis in meinem Leben. Lenny war wie ein großes Hündchen, das um dich herumläuft und voller Freude anspringt – wie ein großer Hund, der nicht weiß, dass er groß ist (lacht). Er hatte überhaupt kein Gefühl für soziale Distanz, überhaupt nicht, null! Ich habe einige Vi- deoaufnahmen zuhause, wo er aufspringt, zum Pult rennt und kurzerhand meine Partitur an sich reißt. Er war einfach äußerst enthusiastisch, in allem, was er tat, und dabei über- aus ansteckend.
6 Im Gespräch 7 Heute sind Sie selbst Mentorin für viele junge Dirigentin- Frauen. Plötzlich hieß es: Oh mein Gott, was ist passiert? nen und Dirigenten. Was raten Sie ihnen, wenn diese ihre Die können das auch! Ich meine: Hallo?! Seit Anbeginn der ersten Schritte tun? Zeiten leben Frauen auf diesem Planeten. Versuche immer, Du selbst zu sein. Sei immer gut vorbe- reitet. Lass Dich von der Musik leiten, um die richtigen Sie haben 14 Jahre das Baltimore Symphony Orchestra Entscheidungen zu treffen. Und vor allem: Nimm nichts zu geleitet. Was hat sich in dieser Zeit verändert? persönlich! Nun, ich habe sehr hart gearbeitet, um das Orchester zum Erfolg zu führen und die Verbindung zwischen Orchester Was meinen Sie: Welche der fünf folgenden Attribute und Publikum zu intensivieren. Es klingt vielleicht etwas würden Ihren Charakter wohl am besten beschreiben? seltsam, aber ich habe versucht, eine Kultur der Freude zu Direkt, geradlinig, fokussiert, integrativ, authentisch? schaffen. Das war kein einfacher Weg. Wir brauchten eini- Ja, klingt gut! Wobei »direkt« und »geradlinig« in etwa das- ge Jahre, um dahin zu kommen. Am Anfang rieten mir so- selbe beschreiben, oder? Ich glaube, das beste Wort wäre gar einige Bekannte davon ab. Aber ich flüchte vor keiner »empathisch«, auch wenn es in Ihrer Liste nicht vorkommt. Herausforderung. Ich versuche immer, meinem Herzen zu Es passt aber gut zum letzten Attribut »authentisch«. Das folgen, um einer Aufgabe und einer neuen Position gerecht ist so ziemlich das Wichtigste für mich. So bin ich. zu werden. Das Ziel ist, eine Win-win-Situation zu schaffen, von der ersten Minute an. Denn das Leben ist wirklich zu Und welchen Charakterzug mögen Sie gar nicht? kurz, um es mit Nebensächlichkeiten zu füllen. Ich mag meinen Perfektionismus nicht. Ich glaube, viele Musiker*innen leiden darunter. Denn dann bist du niemals Beim Konzert im Dezember dirigieren Sie zum ersten Mal zufrieden, drängst immer nach vorne. Ich versuche mir klar das DSO. Auf was sind Sie bei diesem Orchester am meis- zu machen, dass Perfektion ein wenig überbewertet wird. ten neugierig? Und für das Publikum ist diese Art von extremer Perfektion Ich freue mich schon sehr darauf! Es sind eigentlich immer auch gar nicht so wichtig. Natürlich wollen sie Exzellenz und dieselben Dinge, auf die ich neugierig bin, wenn ich zum ers- hohe musikalische Qualität, aber ohne Leidenschaft macht ten Mal mit einem Orchester arbeite. Welche Persönlichkeit das keinen Sinn. strahlt es aus, wie klingt es, sind die Musiker flexibel und neugierig? Es ist wie ein großes Blind Date. Und wir spielen »Der Taktstock wiegt nicht mehr als 35 Gramm«, haben ein wundervolles Programm an diesem Abend. Sie einmal gesagt. Eine schöne Metapher und Klarstel- lung, dass Frauen sehr wohl ein Orchester führen können. Unter anderem Samuel Barbers Erste Symphonie. Was Das ist einfach ein Fakt. Wenn jemand behauptet, du könn- mögen Sie an diesem Werk? test eine Sache nicht schaffen, einfach weil du physisch oder Es ist eine perfekte Mischung meiner Haltung zur Musik mental nicht in der Lage seist, dann ist das Unsinn. Frauen als Amerikanerin, spiegelt aber auch meine Leidenschaft haben beides, und sie haben auch die musikalischen Vor- für das große romantische symphonische Repertoire wi- aussetzungen dazu. Aber das Thema muss man nicht wei- der – eine Quintessenz amerikanischer Musik. Eigentlich ter vertiefen. Die Institutionen hatten ein Problem, nicht die besteht es aus vier Sätzen, wird jedoch durchgespielt. Es
8 Im Gespräch 9 Musik – weil sie oft so zugänglich ist. Das ist widersinnig, oder? Aber Kunstmusik muss ja sperrig sein. Nun ja … ich spiele sie trotzdem! Zum Abschluss dirigieren Sie ›Daphnis et Chloé‹, die Suite Nr. 2 von Maurice Ravel. Sie beginnt mit dem wun- derschönen Sonnenaufgang. Ravel war bekanntermaßen kein Frühaufsteher. Auf die Frage, warum ihm die Kompo- sition so gut gelungen sei, antwortete er: »Ich habe meine Vorstellungskraft benutzt …« (Lacht laut) Der war gut! Er muss ein lustiger Typ gewesen sein. Und wissen Sie was: Das hat Ravel mit Leonard Bern- stein gemein. Der ging erst zu Bett, wenn die Sonne aufging. Entsprechend spät ist er aus den Federn gekommen. Und wie ist das bei Ihnen? Ich liebe den frühen Morgen! Bevor irgendjemand wach ist, bevor die E-Mails reinkommen, sitze ich schon an den Mit dem britischen Shootingstar Sheku Kanneh-Mason Partituren und bin alleine mit der Musik. Spätestens um gibt einer der spannendsten Cellisten unserer Zeit am sechs Uhr stehe ich auf. Niemand stört mich, ich bin ganz 5. Dezember sein Debüt beim DSO. Er eröffnet den Abend fokussiert. Ich liebe das. Ich habe dann auch die Zeit, ein mit dem e-Moll-Konzert von Edward Elgar – dem ebenso wenig Deutsch zu lernen. Eine wirklich fantastische, aber leidenschaftlichen wie ergreifend melancholischen Ab- auch herausfordernde Sprache. Sie folgt manchmal einer schiedswerk des Komponisten. abstrusen Logik. Was ist das lustigste deutsche Wort, das Sie bislang ist brillant komponiert, auch wenn es mit ganz wenig mu- gelernt haben? sikalischem Material auskommt. Barber hat es 1936 ge- Hmm, … »Ausfahrt«! Das Schild sehen wir immer an der Au- schrieben. Ich glaube, sein Gesamtwerk wird im höchsten tobahn. Es bedeutet: Jetzt aber aufpassen! Grade unterschätzt, seine Musik wird selbst in Amerika selten gespielt. Das muss man sich mal vorstellen! Viele Das Gespräch führte HELGE BIRKELBACH. amerikanische Komponisten des 20. Jahrhunderts wer- den einfach unterschlagen, wie etwa John Corigliano, Christopher Rouse oder Joan Tower – allesamt einzigarti- ge Stimmen Amerikas. Generell, so scheint es mir, gibt es einen Unwillen gegenüber amerikanischer symphonischer Konzertkalender S. 28
Corona 11 Information Corona Ihr Konzertbesuch im November und Dezember Wir freuen uns sehr, Sie, unser Publikum, auch in den Mo- naten November und Dezember wieder in der Philharmonie und an unseren anderen Veranstaltungsorten begrüßen zu dürfen. Trotz der positiven Entwicklung und der steigenden Zahl von Impfungen werden uns Einlass- und Abstands- regeln, Maskenpflicht und kurzfristige Änderungen sicher noch einige Zeit begleiten. Deswegen gelten weiterhin fol- gende Regularien: Vor dem Einlass in die Philharmonie werden die Kontaktda- ten per App oder Papierformular erfasst, neben dem Ticket sind ein tagesaktueller, negativer Coronatest beziehungs- weise ein Impf- oder Genesenennachweis und ein Lichtbild- ausweis Voraussetzung für den Einlass. Eine FFP2-Maske muss im Gebäude und auch während des Konzerts getragen werden, im Saal sind dafür wieder alle Plätze besetzt. Auf- grund der Einlasskontrollen möchten wir Sie um rechtzeiti- ges Erscheinen ersuchen. Wir bitten um Nachsicht und Verständnis dafür, dass sich viele dieser Bedingungen kurzfristig ändern können – in die eine wie die andere Richtung. Stets aktuelle Infor- mationen rund um Ihren Konzertbesuch beim DSO fin- den Sie einfach und bequem auf unserer Website unter → dso-berlin.de/update
Jubiläumskonzerte 13 Die Zeiten ändern sich, und mit ihnen die Art des Feierns. Jubiläumskonzerte folgten einer fast rituellen Ordnung: Feierliche Ouvertüre, Festre- de(n), beeindruckendes Hauptwerk mit namhafter Solistenbeteiligung, Symphonisches mit »optimisti- schem« Ende. Das DSO hinterfragte diese Praxis schon früher. Seinem Jubiläumspublikum präsentierte es Wer- ke, die nicht unter den ersten zehn der Klassik-Charts gelistet sind, aber dafür ihr Auditorium durch Ansprüche ehren, die sie stellen. Robin Ticciati und das DSO nehmen das diesjährige, 75. Jubiläum zum Anlass, über Grundlagen und Ziele ih- res Tuns und Wirkens musikalisch nachzudenken. Le- bendige Orchesterkultur braucht ständige Entwicklung und Veränderung, und sie fußt auf einer langen Tradition. Im Prinzip des Variierens spiegelt sich dies wider. Die Spannung zwischen verbindlicher Überlieferung und per- manentem Wandel trug Ralph Vaughan Williams in sei- nen Variationen über ein Thema von Thomas Tallis, dem Renaissancemeister, aus. Der britische Zeitgenosse von Zemlinsky, Skrjabin, Reger, Schönberg und Ravel, den Impulsgebern und Gründervätern der Moderne, gewann im letzten Jahrzehnt durch Sir Roger Norringtons Auf- führung seines symphonischen Œuvres mit dem DSO im Berliner Kulturleben größere Aufmerksamkeit; er ist ein Stück DSO-Geschichte geworden. Fr 19.11. / Sa 20.11. Robin Ticciati Die Kunst der Improvisation Variieren gehörte in den Aufbruchzeiten des bürgerlichen Jubiläumskonzerte Musiklebens zur Kunst des Improvisierens, mit der bedeu- tende Virtuosen ihr Publikum verzauberten. Es bringt den ›75 Jahre DSO‹ Augenblick, die gelebte Situation ins Spiel. Gemeinsam praktiziert, verlangt es von allen Konzentration, Sensibi- lität und Vertrauen. Robin Ticciati arbeitete mit dem DSO an dieser Musizierform, noch ehe das »Improviso«, das
14 Jubiläumskonzerte 15 Unvorhergesehene, durch die Pandemie mit der Gewalt eines Donnerschlags das gesellschaftliche und kulturelle Leben erschütterte. Sir George Benjamin, erster Träger des Schönberg-Preises, den das DSO Anfang des Jahrhunderts vergab, verleiht in ›Sudden Time‹ dem Erlebnis des plötz- lich Hereinbrechenden, das lange nachzittert, ästhetische Gestalt. Improvisieren, die Fähigkeit, aus dem Unvorherge- sehenen den Impuls zu überzeugender Kunst zu gewinnen, wurde in der Corona-Zeit zum Überlebenselixier. Die schnel- le, unmittelbare Reaktion auf die gesellschaftliche Situati- on wird für Chefdirigent und Orchester auch in Zukunft ein Thema bleiben, etwa bei ›Neues vom Tage‹ → S. 35. Beziehung zu den USA Das DSO verdankt sich amerikanischer Initiative: Der Rund- funk im amerikanischen Sektor rief es 1946 ins Leben. Die besondere Beziehung zu den USA schlug sich in der Ein- ladung amerikanischer Komponisten, in einer Präferenz NS-Exilierter für dieses Orchester nieder, sie regte immer wieder die Programmplanungen an. Antonín Dvořák steht sinnbildlich für die europäisch-amerikanische Verbindung. Er lehrte an einem New Yorker Konservatorium und suchte Antwort auf die Frage, was eine spezifisch amerikanische Musik auszeichnen könnte. Das DSO kombiniert eines sei- Lisa Batiashvili ner beliebtesten Werke mit dem Jazz, dem populären Reim- port aus den USA, in dem die Kunst des Improvisierens in alle Schattierungen des Klangs – von der stolzen Pose der virtuose Höhen geführt wird. Hörner über schmeichelnde und spöttische Töne der Holz- bläser bis zum verführerischen »Gesang« der Solovioline. Das Virtuosität, der Glanz, aber auch die Versonnenheit des ganze Orchester wird von dieser Brillanz in breitester Emotio- Musizierens, bestimmen den Schlussteil des Jubiläumspro- nalität erfasst. »Der Jugend Feuerpulse«, von denen die Par- gramms. Mit Lisa Batiashvili freut sich das DSO auf eine So- titur spricht, zeichnen dieses Glanzstück und das Musizieren listin, mit der es großartige Konzerterlebnisse verbindet. Mit des DSO mit seinem jungen Chefdirigenten aus. Ernest Chaussons ›Poème‹ schlägt sie einen deutsch-franzö- sische Bogen, der für das DSO gerade in den letzten Dekaden HABAKUK TRABER große Bedeutung gewann. Das Schlussstück aber gibt dem Orchester, was des Orchesters ist: Strauss’ ›Don Juan‹ nutzt Konzertkalender S. 27
Oper im Kühlhaus 17 ohne ihr vorher noch die Verwendung ihrer Pistole zu erklä- ren – als die Auseinandersetzung eine überraschende wie pikante Wendung nimmt. Nachwuchsförderung ist Chefsache Der britische Komponist William Walton hat Anton Tsche- chows kammerspielartige Komödie ›Der Bär‹ im Auftrag der Koussevitzky Foundation in den Sechzigerjahren in eine schräg-skurrile »Extravaganza« verwandelt. Wortwitz und eine abwechslungsreiche Musiksprache sorgen in diesem leichtfüßigen Operneinakter mit drei Gesangspartien für ein kurzweiliges Bühnenvergnügen. Am 28. November ist ›The Bear‹ unter der Leitung von Robin Ticciati im Kühlhaus Berlin am Gleisdreieck zu erleben. Das kleine Ensemble bilden – bereits zum zweiten Mal nach dem großen Erfolg So 28.11. Robin Ticciati von Brittens ›The Rape of Lucretia‹ 2018 – Studierende der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin, der Robin Ticciati seit 2020 als Honorarprofessor für Musikalische Leitung im »You Sir, are a Bear« Fachbereich Gesang verbunden ist. Die Inszenierung im Industrie-Ambiente des Galeriesaals Ein Jahr ist seit dem Tod ihres geliebten, doch noto- übernimmt erneut Andrea Tortosa Baquero. Das Kammer- risch untreuen Gatten vergangen. Jelena Ivanovna orchester setzt sich aus den Akademistinnen und Aka- Popova (Dominika Kościelniak, Mezzosopran) hat demisten sowie Mitgliedern des DSO zusammen. Seit sich in ihrem Dasein als Witwe eingerichtet und lässt seinem Amtsantritt engagiert sich Robin Ticciati für die sich auch von ihrem Diener Luka (Shokri Francis Raoof, Ferenc-Fricsay-Orchesterakademie, studiert mit ihren Bass) nicht überreden, das Landgut zu verlassen und end- Mitgliedern Ensemblestücke und Musiktheaterprojekte lich einmal wieder auszugehen. Mitten in die Szenerie platzt ein. Das Programm, das ursprünglich für März 2020 geplant plötzlich ein ebenso ungebetener wie ungehobelter Besu- war, dann aber dem ersten Corona-Lockdown zum Opfer cher: Es ist der Gutbesitzer Smirnov (Oliver Boyd, Bariton), fiel, eröffnet der DSO-Chefdirigent mit einem Instrumen- ein Gläubiger des verstorbenen Gemahls, der mit Nach- talstück: der Tanzfolge von Julian Andersons ›Khorovod‹. druck, aber ziemlich erfolglos eine unbezahlte Haferrech- nung einzutreiben versucht. Zwischen Popova und Smirnov CHRISTOPH EVERSMEYER entbrennt ein heftiger Streit samt wüster Beschimpfungen. Der ebenso erboste wie amourös entflammte Futterliefe- rant fordert seine Schuldnerin schließlich zum Duell, nicht Konzertkalender S. 27
Jacquot / Capuçon 19 Fr 5.11. Marie Jacquot Zukunftshoffnung, süffig instrumentiert Sich mit Hilfe von Musik an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen – das versuchen die Komponisten dieses Konzerts unter Leitung von Marie Jacquot. Mit einer Or- chestersuite aus Francis Poulencs Ballett ›Les animaux modèles‹ widmet sich die junge französische Dirigentin einem Werk, das in ihrer Heimat zuletzt einige Auffüh- rungen erlebte, in Deutschland aber weithin unbekannt ist. »Weshalb wir diese köstliche Musik nicht öfter hören, ist ein Rätsel«, schrieb vor einigen Jahren der englische Musikkritiker Jeremy Nicholas in der Zeitschrift ›Gramo- phone‹ und mutmaßte sarkastisch: »Zuviele gute Melo- dien, vermutlich.« Tatsächlich ist diese Musik melodienselig und süffig instrumentiert, ohne dabei heute noch unter Populis- mus-Verdacht zu geraten. Denn es war zweifellos große Kunst, solche Melodien »in den dunkelsten Tagen des Sommers 1940 zu komponieren«. Mit diesen Worten erinnerte Poulenc sich später an die fieberhafte Schaf- fenszeit in jenen Monaten, als die deutsche Besatzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg begann. »Ich versuch- te damals, einen Anlass zur Zukunftshoffnung für mein Land zu finden.« Entsprechend bediente sich Poulenc bei literarischen Stoffen, die für die nachfolgende Generation gedacht waren: bei den Geschichten von Jean de La Fon- taine, dem großen französischen Nationaldichter aus der Epoche Ludwigs XIV. De La Fontaines anschauliche Fa- beln von großen und vor allem von kleinen Tieren, die sich
20 Jacquot / Capuçon 21 nach Stalins Tod einsetzte. Schostakowitsch knüpft stilis- tisch an die Sturm-und-Drang-Zeit seiner frühen Jahre an und nimmt auch die solitäre Stellung des Solo-Cellos nicht so genau – verknüpft er die Partie doch mit einem eben- so solistisch geführten Horn aus dem Orchester. Solist des Konzerts mit dem DSO ist Gautier Capuçon. Er tritt in die Fußstapfen des jungen Mstislaw Rostropowitsch, der bei der Uraufführung des Konzerts 32 Jahre alt war. Dem le- gendären russischen Cellisten – den mit Berlin nicht wenig verbindet und der mehrfach beim DSO gastierte → S. 22 – widmete der Komponist einst sein Konzert. Ballett für die Ewigkeit Acht Aschenbrödel-Ballette entstanden im Verlauf des 19. Jahrhunderts – und acht verwies das Märchenballett Gautier Capuçon ›Cinderella‹ aus dem Jahr 1945 für vermutlich alle Zeiten in die Archive. Dabei komponierte Sergei Prokofjew ›Cinde- gegen ihre feindliche Umwelt behaupten, ersetzten im fran- rella‹ unter schwierigsten Bedingungen – wurde doch das zösischen Schulunterricht in den Jahrhunderten nach ihrer Leningrader Kirow-Theater, wo das Werk herauskommen Entstehung die langatmigen lateinischen Heldengeschich- sollte, bereits 1941 aufgrund des herannahenden Krieges ge- ten des Sprach- und Rhetorikunterrichts. Entsprechend be- schlossen. Die Umstände von Weltkrieg und Diktatur konn- gegnen wir in Poulencs Ballett ›Les animaux modèles‹ unter ten auch diesen Komponisten nicht daran hindern, eines der anderem einem verliebten Löwen und zwei Kampfhähnen. bekanntesten Stücke des Ballettrepertoires zu schaffen. Deren Ballettnummer unterlegte Poulenc 1940 mit einem Die Suite aus ›Cinderella‹, die am 5. November erklingt, hat französischen Kriegslied – was in der Uraufführung im Au- Marie Jacquot zusammengestellt. Nach ihrem erfolgreichen gust 1942 ein gewisses Risiko darstellte, schließlich saßen ›Debüt im Deutschlandfunk Kultur‹ vor drei Jahren und zwei im Theater in Paris etliche NS-Funktionäre. aufgrund der Pandemie abgesagten Konzerten kehrt die französische Dirigentin nun endlich in einem Abo-Konzert Musikalischer Aufbruchsgeist und einem Kinderkonzert → S. 24 ans Pult des DSO zurück. Zuversicht in schwierigen Zeiten verschaffte sich auch Dmitri Schostakowitsch – allein durchs Komponieren neuer MATTHIAS NÖTHER Stücke. 1959 war das Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 das erste von insgesamt vier Werken, mit denen er sei- nen noch aus der Stalin-Ära herrührenden lethargisch-de- pressiven Zustand überwand. Man meint förmlich die Ent- krampfung zu hören, die in der sowjetischen Musikszene Konzertkalender S. 26
Rostropowitsch 23 11.10.1966 Mstislaw Rostropowitsch beim DSO Das Konzert am 11. Oktober 1966 muss eine ziemliche Sensation gewesen sein. »Der Bei- fall«, resümierte ›Der Kurier‹, »nahm zum guten Ende des Konzerts tumultöse Formen an«, und die Morgenpost pries das Musizieren des Solis- ten als »das Schönste und Vollkommenste, was die Welt heute bieten kann«. Mstislaw Rostropowitsch hieß der Cellist, der hier an der Seite des DSO (damals RSO) und un- ter der Stabführung von Lukas Foss im Großen Sendesaal im Haus des Rundfunks gefeiert wurde: für die Aufführung des gerade entdeckten C-Dur-Cellokonzerts von Haydn – mit Kadenzen von Benjamin Britten – und die Deutsche Erstaufführung des ihm gewidmeten Zweiten Cellokonzerts von Schostakowitsch. Nach dem Konzert hinterließ er dem Orchester die nebenstehend abgebildete Widmung in den Autogrammbüchern des DSO-Musikers Heinrich Köhler. Im April 1985 kam Rostropowitsch dann ohne Instrument und dirigierte die Vierten Symphonien von Beethoven und Schostakowitsch. Bei den Jubiläumskonzerten zum 40. Ge- burtstag des RIAS sorgte er am 5. Mai 1986 als Cellist in Strauss’ ›Don Quixote‹ für Furore und dirigierte wenige Tage später an der Seite von Anne-Sophie Mutter Brahms’ Violin- konzert und Auszüge aus Prokofjews ›Romeo und Julia‹. Am 20. Mai 1999 leitete er beim DSO schließlich die Urauffüh- rung der ›Seligpreisungen‹, die ihm sein Schüler Alexander Knaifel gewidmet hatte. Sie sahen neben dem Dirigat für den bewunderten Lehrer auch noch Klavier- und Cellopar- tien vor – eine Verbeugung vor dem Ausnahmekünstler.
24 Kinderkonzerte 25 So 7.11. / So 28.11. rbbKultur-Kinderkonzerte und die Schuhe, damit sie auch sie auf den Ball des Prinzen gehen kann. Und der tanzt sogar mit ihr. Doch dann muss Cinderella Hals über Kopf fliehen. Ob der Prinz sie wieder- Märchenhafter findet? Darum geht es am 7. November im 88. rbbKultur- Kinderkonzert. Das DSO leitet die französische Dirigentin Neustart Marie Jacquot. Sie hat aus der Ballettmusik von Prokofjew die schönsten Stücke ausgewählt. Und es gibt sogar ein Bal- lett: Lea Hladka tanzt mit einem Partner besondere Momente Nach fast zwei Jahren Pandemiepause aus ›Cinderella‹. starten die rbbKultur-Kinderkonzerte mit dem DSO wieder durch. Gleich Die Märchenoper ›Hänsel und Gretel‹ steht immer vor Weih- zwei Märchen mit Musik gibt es im nachten auf den Spielplänen der Musiktheater. Am 28. No- November zu hören: ›Cinderella‹ mit vember bringt das Blechbläserquintett der Ballettmusik von Sergei Prokof- des DSO eine ganze besondere jew und, in einer Fassung für Blech- Fassung mit Auszügen aus die- bläserquintett, ›Hänsel und Gretel‹ ser Oper auf die Bühne – mit von Engelbert Humperdinck. Trompeten, Horn, Posau- ne und Tuba. Christian »Rucke di guh, rucke di guh! Blut ist im Schruff erzählt Euch Schuh. Der Schuh ist zu klein, Die rech- beide Märchen zur te Braut sitzt noch daheim!« Das rufen die Musik für Kinder ab 6 Tauben dem Prinzen zu, der überall nach der schö- Jahren. Und er hat in nen Prinzessin sucht, mit der er auf dem großen Ball getanzt jedem Konzert Über- hatte. Mitten im Walzer war sie weggelaufen, und der Prinz raschungen parat. wusste nicht, wohin. Sie hatte aber einen Schuh verloren, Da im November das und nun sucht der Prinz im ganzen Land nach seiner Besit- ›Open House‹ leider zerin. Das ist Aschenputtel, wie sie im Märchen der Brüder noch nicht stattfinden Grimm heißt. In Russland heißt sie Soluschka, in Italien Ce- kann, stellen wir Euch vor nerentola, in Frankreich Cendrillon und englisch Cinderella. dem Konzert verschiedene Di Auch die Märchen unterscheiden sich in jedem Land. Immer Orchesterinstrumente auf der eD irig aber ist die Heldin ein Mädchen, dessen Mutter stirbt und Bühne vor. Alle Infos findet Ihr un- enti n Marie Jacquot dessen Vater wieder heiratet. So bekommt Cinderella eine ter → dso-berlin.de/ kinderkonzerte Stiefmutter und zwei Stiefschwestern. Und die behandeln sie schlecht, lassen sie nur die Drecksarbeit machen. Natürlich CHRISTIAN SCHRUFF dürfen nur die bösen Stiefschwestern auf den Ball gehen. Doch eine gute Fee gibt Cinderella ein wunderschönes Kleid Konzertkalender S. 26 / 27
26 Konzertkalender 27 November Fr 19.11., Sa 20.11. / 20 Uhr / Philharmonie Jubiläumskonzerte ›75 Jahre DSO‹ Vaughan Williams Fantasie über ein Thema von Thomas Tallis Fr 5.11. / 20 Uhr / Philharmonie Benjamin ›Sudden Time‹ Poulenc Auszüge aus der Suite Dvořák Scherzo capriccioso für Orchester – mit ›Les animaux modèles‹ Jazz-Improvisationen für Klavier und Violoncello Schostakowitsch Violoncellokonzert Nr. 1 Es-Dur Chausson ›Poème‹ für Violine und Orchester Prokofjew Suite aus dem Ballett ›Cinderella‹, Strauss ›Don Juan‹ zusammengestellt von Marie Jacquot ROBIN TICCIATI MARIE JACQUOT Lisa Batiashvili – Violine Gautier Capuçon – Violoncello Rolf Zielke – Klavier Stephan Braun – Violoncello So 7.11. / 12 Uhr / Haus des Rundfunks Kinderkonzert ›Das Orchester erzählt ein Märchen‹ So 28.11. / 12 Uhr / Haus des Rundfunks Prokofjew Suite aus dem Ballett ›Cinderella‹, Kinderkonzert ›Die Blechbläser knuspern‹ zusammengestellt von Marie Jacquot Humperdinck Auszüge aus ›Hänsel und Gretel‹ MARIE JACQUOT BLECHBLÄSERQUINTETT DES DSO Christian Schruff – Moderation Christian Schruff – Moderation Fr 12.11., Sa 13.11. / 20 Uhr / Philharmonie So 28.11. / 20 Uhr / Kühlhaus Berlin Anderson ›The Crazed Moon‹ Ensemblekonzert der Orchesterakademie Beethoven Klavierkonzert Nr. 4 G-Dur Anderson ›Khorovod‹ für 15 Instrumente Rachmaninoff Symphonie Nr. 3 a-Moll Walton ›The Bear‹ – Extravaganza in einem Akt ROBIN TICCIATI (szenische Aufführung) Mitsuko Uchida – Klavier ROBIN TICCIATI Gesangsstudent*innen der Hochschule für Musik So 14.11. / 17 Uhr / Villa Elisabeth Hanns Eisler Berlin Kammerkonzert Mitglieder des DSO Originalwerke und Bearbeitungen für Nonett von Akademist*innen des DSO Brahms, Foerster und Hába Andrea Tortosa Baquero – Regie ENSEMBLE DES DSO
28 Konzertkalender 29 Dezember So 19.12. / 20 Uhr / Philharmonie ›Neues vom Tage‹ Das Programm mit tagesaktuellem Bezug wird kurzfristig bekannt gegeben. So 5.12. / 20 Uhr / Philharmonie ROBIN TICCIATI Elgar Violoncellokonzert e-Moll Pekka Kuusisto – Violine Barber Symphonie Nr. 1 Ravel ›Daphnis et Chloé‹ – Suite Nr. 2 Mo 20.12. / 20.30 Uhr / Philharmonie MARIN ALSOP Casual Concert ›Neues vom Tage‹ Sheku Kanneh-Mason – Violoncello Das Programm mit tagesaktuellem Bezug wird kurzfristig bekannt gegeben. Fr 10.12. / 22 Uhr / Pergamonmuseum ROBIN TICCIATI Kammerkonzert ›Notturno‹ Originalkompositionen und Bearbeitungen von Fr 31.12. / 15 + 19 Uhr / Tempodrom Bott, Britten, Debussy, Händel, Harrison, Marais, Silvesterkonzerte Meyer und Ortiz Das Programm wird im Dezember bekannt gegeben ENSEMBLE DES DSO JAMES GAFFIGAN Jess Gillam – Saxophon So 12.12. / 20 Uhr / Philharmonie Artist*innen des Circus Roncalli ›Debüt im Deutschlandfunk Kultur‹ Januar Mussorgsky Vorspiel zur Oper ›Chowanschtschina‹ Mendelssohn Bartholdy Violinkonzert e-Moll Desenclos ›Incantation, thrène et danse‹ für Trompete und Orchester Hindemith Konzertmusik für Streichorchester und Sa 1.1. / 18 Uhr / Tempodrom Blechbläser ›Bostoner Symphonie‹ Neujahrskonzert RUTH REINHARDT Das Programm wird im Dezember bekannt gegeben Diana Adamyan – Violine JAMES GAFFIGAN Selina Ott – Trompete Jess Gillam – Saxophon Artist*innen des Circus Roncalli
Kammerkonzerte 31 So 14.11. Kammermusik in der Villa Elisabeth Nonette für Bläserquintett und vier Streicher präsentiert das Kammerkonzert am 14. November, prominent besetzt mit überwiegend Orchestersolist*innen des DSO. Von Alois Hába, dem tschechischen Schreker-Schüler, Avantgardis- ten und Mikrointervall-Apologeten, ist das Vierte Nonett von 1964, von dessen Landsmann Josef Bohuslav Foerster eines von 1931 zu hören. Johannes Brahms’ Erste Orchester- serenade, die 1859 zunächst in einer heute verlorenen No- nettfassung erklang, kehrt in der Bearbeitung von Matthias Pflaum wieder in ihrer ursprünglichen Besetzung zurück. Fr 10.12. ›Notturno‹ im Pergamonmuseum Die Reihe ›Notturno‹, die das DSO gemeinsam mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz veranstal- tet, ist nach wie vor ein Publikumsmagnet. Das erste Konzert der zwölf- ten Saison findet am 10. Dezember im Pergamon- museum statt. Vor der Fassade des Wüstenpa- lastes von Mschatta er- Detail der Mschatta-Fassade Der Perfekte Ein- oder Ausklang kundet ein Ensemble aus Musikern des DSO mit Gästen an Vibraphon, Theorbe und ist 3 Minuten von der Philharmonie Entfernt. Oud unter dem Titel ›Metamorphosen zwischen Orient und Okzident‹ Originalwerke und Bearbeitungen von Britten, Debussy, Händel, Marais, Ortiz u. a. und setzt sich auch im- provisatorisch mit deren Musik auseinander. QIU Lounge im the Mandala Hotel am Potsdamer Platz Konzertkalender S. 26 / 28 Potsdamer Strasse 3 | Berlin | 030 / 59 00 5 00 00 | www.qiu.de
32 Silvester und Neujahr 33 Fr 31.12. / Sa 1.1. James Gaffigan Comeback in der Manege Mit dem neuen Jahr nahen auch die zauberhaften Silves- ter- und Neujahrskonzerte des DSO im Tempodrom mit den Artistinnen und Artisten des Circus Roncalli. Nach dem ersten, pandemiebedingten Ausfall in der inzwischen über 15-jährigen Erfolgsgeschichte trifft zum kommenden Jahreswechsel endlich wieder musikalisches Zauberwerk auf Weltklasse-Akrobatinnen und -Unterhaltungskünst- ler. Unter der Leitung von James Gaffigan – seit Septem- ber Chefdirigent des Orquestra de la Comunitat Valencia- na –, der nach zehn Jahren wieder am Pult des DSO steht, sorgen die Musikerinnen und Musiker für kurzweilige mu- sikalische Unterhaltung auf höchstem Niveau. Als Solistin ist erstmalig Jess Gillam dabei, die mit ihrem Saxophon und viel frischem Wind durch die Konzertsäle der Welt wirbelt. Seit dem Anstoß ihrer steilen Karriere im Jahr 2016 spielt sie sich regelmäßig bei den BBC Proms in die Herzen des Publikums und schoss mit ihren beiden Alben auf Platz 1 der UK Classical Charts. Spannungsreiche Klas- siker und populäre Klänge, atemberaubende Kunststücke, magische Showeinlagen und humorvolle Clownereien las- sen den Jahreswechsel wieder zu einem sprühenden Feuer- werk für Augen und Ohren werden. Manege frei! Konzertkalender S. 29
Neues vom Tage 35 So 19.12. / Mo 20.12. Robin Ticciati ›Neues vom Tage‹ Die Krise als Chance – für das DSO ist das mehr als eine Plattitüde. Flexibilität, Wi- derstandsfähigkeit und Kreativität, die das Orchester seit 75 Jahren als Reaktion auf existenzielle Herausforderungen auszeichnen, haben sich in den Coronajahren wieder einmal als tonangebende Eigenschaften erwiesen. Aus der Not eine Tugend machen, aus dem engen Korsett strenger Regeln ungeahnte Freiheiten gewinnen, das Genie des Augenblicks nicht nur kurz aufblitzen lassen, sondern für die eigene Fortentwicklung nut- zen – dies sind einige der Lehren, die Robin Ticciati und das Deutsche-Symphonie-Orchester Berlin aus der Pandemie gezogen haben. Was in den ver- gangenen eineinhalb Jahren an innovativen Radio- konzerten, Filmproduktionen und Outreach-Pro- jekten entstand, wäre in dieser Dichte, Komplexität und Verschiedenheit niemals zustande gekommen, hätte man all diese Ideen mit dem üblichen Vorlauf von etwa zwei Jahren planen wollen. Die ungewohnte Erfahrung, binnen Tagen ein Kon- zertprogramm auf die Beine stellen zu müssen und zu können, hat sich für das DSO als veritabler In- novations- und Kreativmotor erwiesen. Mit dem Konzertformat ›Neues vom Tage‹ bekommt dieser seine eigene Spielwiese, auf der das Orchester und
36 Impressum 37 sein Künstlerischer Leiter kurzfristig auf aktuelle Themen reagieren wollen. »In gewisser Weise kehren wir damit aber auch an die Wurzeln unserer Kunstform, in die Wiener Klas- Momente eines Livekonzerts sik, zurück«, erzählt Ticciati, »als beispielsweise Mozart erst in der Kutsche zum Konzertsaal sein Klavierkonzert vollen- Entdecke unseren neuen dete, oder er seine Kompositionen ganz kurzfristig an die zur Instagram-Filter und teile Verfügung stehende Besetzung anpasste.« deine ganz persönlichen Konzerteindrücke. Musik am Puls der Zeit Nur wenige Tage vor Weihnachten, am 19. Dezember, diri- Verlinke @dsoberlin, und giert Robin Ticciati das erste Konzert der neuen Reihe. Das wir teilen deinen Post in Programm wird erst wenige Tage vorher zusammengestellt unserer Story. und veröffentlicht. Es wird sich mit dem aktuellen Zeitge- schehen beschäftigen, mit einem Thema, das die Menschen ganz akut bewegt, das relevant ist, und zu dem die Musik etwas beizutragen hat. Mit dem furchtlosen Finnen Pekka Impressum Kuusisto hat Ticciati den perfekten Violin-Partner dafür ge- Deutsches Symphonie-Orchester Berlin Das Deutsche Interim-Management Symphonie-Orchester funden. Der denkt nicht in Schubladen und lebt seine vie- Benjamin Dries (V. i. S. d. P.), Thomas Schmidt-Ott Berlin ist ein Ensemble len Talente lustvoll aus – er geigt und dirigiert, komponiert, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Rundfunk konzipiert und improvisiert, bewegt sich mühelos zwischen Daniel Knaack, Anna Nolte Orchester und Chöre Bach und zeitgenössischer Musik, Folklore, Jazz und elek- Redaktion Maximilian Rauscher, Benjamin Dries GmbH Berlin. tronischen Klängen, und scheut keine Experimente. Redaktionelle Mitarbeit Daniel Knaack, Anna Nolte Geschäftsführer Marketing Tim Bartholomäus Anselm Rose Casual Concert am 20.12. Art- und Fotodirektion Stan Hema Gesellschafter Teile des kreativen Spontanprogramms stehen auch auf dem Layout und Satz peick kommunikationsdesign Deutschlandradio, Spielzettel des Casual Concert tags darauf, bei dem Robin Redaktionsschluss 14.10.2021, Bundesrepublik Änderungen vorbehalten Deutschland, Ticciati ein weiteres Mal in die Rolle des Musikvermittlers © Deutsches Symphonie-Orchester Berlin 2021 Land Berlin, Rundfunk schlüpft und die Werke des Abends kenntnisreich und un- Berlin-Brandenburg terhaltsam vorstellt, live mit dem Orchester Hörbeispiele Abbildungen / Fotos gibt und schließlich das Programm im Zusammenhang er- Jörg Brüggemann / Ostkreuz (S. 1, 12), Adriane White (S. 4), Jake Turney klingen lässt. Karten gibt es wie gewohnt zum günstigen (S. 8), janis – stock.adobe.com (S. 10), André Josselin (S. 15), Janine Escher Einheitspreis, die Platzwahl ist frei und der Dresscode ist (S. 16), Werner Kmetitsch (S. 18, 25), Fabien Monthubert / Erato Warner Classics (S. 20), Archiv DSO (S. 23, 38), Dorothee Mahnkopf (Grafik wie immer »casual«. S. 24), bpk / Museum für Islamische Kunst, SMB / Johannes Kramer (S. 31), Roncalli (S. 33), Felix Broede (S. 34), Meyerson ricostudios (S. 40), Anton Fedorov / The Gate Agency for BYHMC (S. 43), Justin Pumfrey (S. 44), Konzertkalender S. 29 Marco Borggreve (S. 46), Stadtgeschichtliches Museum Spandau (S. 48)
38 Baalbek und Athen 39 August 1963 Baalbek und Athen Zeit für Ausflüge nach Beirut oder Damaskus ließ, dem Orchester aber ein enormes Repertoire abverlangte. Den Antike Kulissen Auftakt vor den Stufen des gewaltigen Bacchus-Tempels schlug Dmitri Chorafas mit Tschaikowskys ›Romeo und Julia‹, Beethovens ›Eroica‹ und dem Ersten Klavierkon- zert von Liszt, das José Iturbi interpretierte. Im zweiten Seit 1956 findet im Libanon – mit bürgerkriegs- Konzert (Bild) dirigierte Wolfgang Sawallisch Strauss’ bedingten Unterbrechungen – in den monu- ›Don Juan‹, Mozarts ›Jupiter‹-Symphonie und die Vierte mentalen Ruinen der römischen Tempelanla- von Brahms. Zudem lieferte das Orchester die Musik zu gen das Baalbeck International Festival statt. vier Abenden mit insgesamt sechs Balletten – darunter Auf einer seiner ersten großen Tourneen ins Strawinskys ›Le sacre du printemps‹ – und dem Ensem- Ausland machte das DSO vom 14. bis zum 24. ble des Théâtre Royal de la Monnaie aus Brüssel unter August 1963 dort Station. Der der Leitung des legendären Choreographen Blick in den Reiseplan ent- Maurice Béjart. hüllt ein dicht gepacktes Programm, das zwar Direkt nach dem letzten Auftritt ging es dann frühmorgens nach Athen, wo im römischen Hero- des-Atticus-Odeon schon das nächste Konzert folgte, unter anderem mit Beethovens Fünf- tem Klavierkonzert und der So- listin Gina Bachauer. Nach zwei weiteren Ballettabenden ende- te das mediterrane Gastspiel mit Strauss’ ›Till Eulenspie- gel‹, Tschaikowskys Fünfter und Opernarien mit der Mez- zosopranistin Grace Bumbry. Zwei Tage später spielte das Orchester schon wieder auf der Berliner Funkausstellung. Geprobt hatte man in Athen.
Debüt 41 den Weg auf die Solopodien, im vergangenen Jahr gewann sie zudem den Chatschaturjan-Wettbewerb, der pandemie- bedingt nur per Livestream stattfinden konnte. Auch die Österreicherin Selina Ott hat 2018 die Musikwelt im Sturm erobert, als sie mit 20 Jahren als erste Frau über- haupt den Internationalen Musikwettbewerb der ARD im Fach Trompete gewann. Nach ihrem Studium in Karlsruhe und Wien veröffentlichte sie 2020 ihre Debüt-CD mit dem Radio-Symphonieorchester Wien. Diese enthält neben Kon- zerten von Arutiunian und Peskin auch das Werk, mit dem sie sich in Berlin vorstellt: ›Incantation, thrène et Danse‹, So 12.12. Ruth Reinhardt ein bunt schillerndes Bravourstück von Alfred Desenclos. Debüt auf großer Ruth Reinhardt (Bild) gestaltet den programmatischen Rahmen mit dem Vorspiel zu Modest Mussorgskys unvoll- Bühne endeter Oper ›Chowanschtschina‹ und Paul Hindemiths Konzertmusik für Streichorchester und Blechbläser, die er 1930 zum 50. Geburtstag des Boston Symphony Orchest- ra schrieb. Den USA ist die 1988 in Saarbrücken geboren Auch nach 62 Jahren wird das Konzept nie langweilig: Jun- Dirigentin, die zu den interessantesten Nachwuchskräf- ge, spannende Künstlerpersönlichkeiten, die gerade erste ten ihrer Zunft gehört, selbst eng verbunden. Nach ei- Wettbewerbe gewonnen und mit einer eigenen Stimme nem Geigen- und Dirigierstudium in Zürich erwarb Rein- auf sich aufmerksam gemacht haben, sind bei ›Debüt im hardt einen Master in Dirigieren bei Alan Gilbert an der Deutschlandfunk Kultur‹ eingeladen, gleich ganz oben ein- Juilliard School in New York. Sie war Stipendiatin beim zusteigen – an der Seite des DSO, auf der großen Bühne der Seattle Symphony Orchestra, beim Tanglewood Music Philharmonie und vor noch größerem (Radio-)Publikum. Das Center und bei Marin Alsops ›Taki Concordia‹-Programm Konzert am 12. Dezember sollte ursprünglich im Juni 2020 → S. 5, später Dudamel-Fellow des Los Angeles Philhar- stattfinden – nun wird es endlich nachgeholt. monic und zwei Jahre lang Assistant Conductor beim Dal- las Symphony Orchestra. Neben der Zusammenarbeit mit Mit Felix Mendelssohn Bartholdys wunderbarem Violinkon- zahlreichen US-Orchestern steht sie mehr und mehr auch in zert stellt sich die armenische Geigerin Diana Adamyan dem Europa am Pult – und gibt am 12. Dezember ein Debüt beim Berliner Publikum vor. 2000 in eine Musikerfamilie hinein- DSO, auf das man überaus gespannt sein darf. geboren, begann sie ihre Ausbildung in Jerewan und studiert seit Oktober 2018 bei Ana Chumachenco in München. Der Erste Preis beim Menuhin-Wettbewerb 2018 eröffnete ihr Konzertkalender S. 28
42 Babyn Jar 43 Rückblick Gedenkkonzert Tal der Tränen Konzert am 6. Oktober in Kyjiw zum Gedenken an die Opfer von Babyn Jar Babyn Jar, die »Altweiberschlucht« vor den Toren der Stadt Kyjiw, wurde in nur 36 Stunden am 29. und 30. Septem- ber 1941 zum Schauplatz des größten Einzelmassakers des Zweiten Weltkriegs. Das SS-Sonderkommando 4a, Wehrmachtssoldaten und Angehörige von Polizeieinheiten zwangen an jenen Tagen 33.771 Jüdinnen und Juden, sich zu versammeln, Geld und Dokumente abzugeben, sich zu ent- kleiden, in das tiefe Tal hinabzusteigen, sich mit dem Gesicht auf die Erde oder auf die Menschen unter ihnen zu legen, Heute ist Babyn Jar ein Park inmitten der ukrainischen und sie erschossen sie, ohne Unterbrechung im Akkord, im Hauptstadt, und auf den ersten Blick erinnert nichts an die Schichtbetrieb. Frauen, Kinder, Babys und Alte waren es Geschehnisse vor 80 Jahren. Neben Einzeldenkmälern, die zum überwiegenden Teil. Bis zum Ende des Krieges sollten seit der Unabhängigkeit des Landes errichtet wurden, wird insgesamt wenigstens 100.000 Menschen in der unwirtli- hier ab 2016 der Aufbau der größten Gedenkstätte Europas chen Senke grausam hingerichtet werden. vorangetrieben. Auf Einladung des ›Babyn Yar Holocaust Memorial Center‹ und mit Unterstützung des Auswärtigen Als die deutschen Truppen 1943 von der Roten Armee zu- Amtes spielte das DSO am 6. Oktober zur offiziellen Gedenk- rückgedrängt wurden, nötigten sie Zwangsarbeiter, die veranstaltung. Unter der Leitung von Thomas Sanderling Leichen zu exhumieren, sie aufeinanderzuschichten und und mit Beteiligung von Bassbariton Albert Dohmen sowie zu verbrennen. Sie zerstreuten die Asche in alle Winde und der Herren des Kiev Municipal Chamber Choir brachte das zermalmten selbst noch die Knochenreste, um Spuren ihrer Orchester vor rund 500 geladenen Ehrengästen, zu denen Gräueltaten zu beseitigen. Nach dem Krieg wollte auch die auch die Präsidenten der Ukraine, von Israel und Deutsch- sowjetische Staatsführung nichts von den Opfern wissen, land zählten, Schostakowitschs Dreizehnte, die sogenannte vielmehr wurde der Versuch unternommen, die Schlucht mit ›Babi Jar‹-Symphonie, zur Aufführung. Das Konzert wurde Schlamm zu füllen. Er missglückte gewaltig: Die errichteten von der Deutschen Welle live bei YouTube übertragen und Dämme brachen, und der in Wohnviertel flutende Schlick von Deutschlandfunk Kultur am selben Abend ausgestrahlt. forderte weitere 1.500 Menschenleben. Auch dieses Ver- Beide Sendungen sind noch bis zum 6. November über den brechen versuchte man zu vertuschen. DSO PLAYER abrufbar: → dso-berlin.de/player
Ticciati / Uchida 45 Fr 12.11. / Sa 13.11. Robin Ticciati Mit tiefem Gefühl Im 19. Jahrhundert durfte man vom Konzertpubli- kum durchaus Sitzfleisch erwarten, doch ein vier- stündiges Programm musste auch die wohlwoll- endsten Kritiker verstimmen. »Da haben wir denn auch in der bittersten Kälte von halb sieben bis halb elf ausgehalten und die Erfahrung bewährt gefunden, dass man auch des Guten – und mehr noch, des Starken – leicht zu viel haben kann«, berichtete der Komponist und Autor Johann Friedrich Reichardt von einem Konzert, das Bee- thoven am 22. Dezember 1808 in Wien veranstaltet hatte. Auf dem Programm standen – neben einer Konzertarie, einer Solofantasie und Auszügen aus der C-Dur-Messe – Uraufführungen der Fünften und Sechsten Symphonie, der Chorfantasie und des Vierten Klavierkonzerts. Dessen »Ad- agio, ein Meistersatz von schönem, durchgeführtem Gesan- ge, sang er wahrhaft auf seinem Instrumente mit tiefem, melancholischem Gefühl, das auch mich dabei durchström- te«, schwärmte der Rezensent dann doch. Das größte Konzert Bis heute gehört Beethovens G-Dur-Konzert, das so lyrisch und zart mit dem Klavier allein beginnt, und das wie kein anderes zuvor die Symphonie und das »concertare« zu ei- nem wunderbaren Ganzen verschmilzt, zum geliebten Kern des Repertoires. Ein Blick in die Orchestergeschichte för- dert Namen wie Walter Gieseking, Wilhelm Backhaus, Cla- ra Haskil, Claudio Arrau, Annie Fischer, Van Cliburn, Rudolf
46 Ticciati / Uchida 47 Mysterium, das nicht erst seit der Romantik den künstle- rischen Blick auf unseren Erdtrabanten umflorte, nimmt bei ihm eine düstere Wendung. Inspiration war ihm, wie er schreibt, ein Gedicht von W.B. Yeats, »in dem er eine be- ängstigende Vision des ›Mondes, der durch viele Geburten verrückt geworden ist / und durch den Himmel taumelt‹ be- schreibt. Dieses Bild in Verbindung mit der wunderschönen Mondfinsternis, die im März 1996 zu beobachten war« bil- dete den Ausgangspunkt seiner Himmelsbetrachtung. Abseits der Moderne Mit Sergei Rachmaninoffs Dritter Symphonie widmet sich Ticciati nach der Pause dann einem Werk, das mehr noch als die 2018 von ihm dirigierte Zweite im Schatten der enorm populären Klavierkonzerte steht. Die vernichtende Kritik an seiner Ersten Symphonie hatte den Komponisten 1897 in Buchbinder, Vladimir Ashkenazy, Nelson Freire, Lars Vogt eine tiefe Schaffenskrise gestürzt, auch der Erfolg der Zwei- oder Martin Helmchen zutage, die »Beethovens vielleicht ten 1908 konnte seine Selbstzweifel nicht lindern. Nach der größtes Klavierkonzert« (Robert Schumann) seit 1950 beim »ungnädigen« Aufnahme der Dritten 1936 in Philadelphia DSO interpretierten. Am 12. und 13. November gesellt sich notierte er verbittert: »Immer schmerzhafter wird mir der Mitsuko Uchida zu ihnen. Beethoven ist für sie, neben Bach, Gedanke zur Gewissheit: von mir […] wird es keine weitere Mozart und Schubert, einer ihrer »vier Heiligen«. Mit Mo- Symphonie mehr geben. Persönlich bin ich fest überzeugt, zarts Klaviersonaten begann die Weltkarriere der in Japan dass dieses Werk gut ist. Aber manchmal können auch Kom- geborenen Musikerin, die ab ihrem 12. Lebensjahr in Wien ponisten irren!« Und manchmal hilft einfach nur die histo- studierte und seit den Siebzigerjahren in London lebt. Heute rische Distanz. Im Umfeld von Jazz und der musikalischen gehört Dame Mitsuko Uchida zu den größten Pianist*innen Moderne mag sie wie ein spätromantisches Relikt gewirkt der Gegenwart. Dass ihr Repertoire viel mehr als nur die haben, doch mit ihrem Klangfarbenreichtum und dem nos- »Heiligen« umfasst, hat sie nicht nur bei ihrem gefeierten, talgischen, im Herzen der russischen Musiktradition ver- späten DSO-Debüt im April 2019 mit Ravels G-Dur-Konzert bundenen Gestus ist die Dritte heute unbedingt wieder eine bewiesen. Auf ihre Rückkehr zum Orchester darf man also Entdeckung wert. überaus gespannt sein. MAXIMILIAN RAUSCHER Mondmusik Dem klaviersymphonischen Kraftzentrum des Abends baut Robin Ticciati einen kontrastreichen Rahmen, angefangen mit Julian Andersons ›Crazed Moon‹. Das sehnsuchtsvolle Konzertkalender S. 26
Kammermusik 49 der gewaltigen Renaissancefestung. Unter dem Titel ›Die Posaunen von Jericho‹ präsentiert am 29. Oktober zum Auftakt im Archäologischen Fenster der Zitadelle ein Po- saunenensemble Werke von Mendelssohn Bartholdy und Bruckner sowie traditionelle Volksweisen im Kontext der jü- dischen Geschichte Spandaus, verbunden mit der Film- und Live-Performance ›No Mad‹, die der DSO-Posaunist Tomer Maschkowski und der Bewegungskünstler Oren Lazovski im Gotischen Saal gestalten. Am 1. Dezember geht es mit Streichtrio, Oboe und der Tän- zerin Anna Rose in der Ausstellung ›Enthüllt – Berlin und seine Denkmäler‹ auf eine bewegte Reise durch die Stadtge- schichte, bei der steinerne Zeugen der Vergangenheit durch Konzertreihe Ensembles des DSO tänzerische Umarmung zu neuem Leben erwachen. Ein Gesprächskonzert mit gemischtem Quintett und Habakuk Traber befasst sich am 15. Januar im Gotischen Saal mit dem Forte Kultur – Barock und seinen Folgen in der Musikgeschichte. Mit Don- ner, Blitz und Lichtarrangements entstehen am 20. Februar Kammermusik in der vor den Kanonen der Exerzierhalle ganz neue Klangwelten zwischen Schlagzeug, Perkussion und Marimbaphon. Im Zitadelle Spandau März lädt ein Quartett-Programm zu musikalischen Bild- betrachtungen ins Zentrum für Aktuelle Kunst, bevor im Mai ein Wandelkonzert mit Blechbläsern und elektronischer Seit vier Jahrzehnten ist Kammermusik ein fester Bestand- Musik, das die unbekannten Ecken der alten Festung auch teil im Programm des DSO. Seine Mitglieder, die sonst im unter freiem Himmel erkundet, die erste Saison der neuen großen Orchester aufgehen, können hier eigene Akzente Reihe beschließt. Sie verspricht spannende und erkenntnis- setzen, unbekanntes Terrain erkunden und neue Konzert- reiche Konzerterlebnisse. formate ausprobieren. In der Saison 2021 / 2022 erweitern die Musikerinnen und Musiker das Angebot um die Reihe Weitere Informationen zu Programmen, Besetzungen und ›Forte Kultur‹, die zu kammermusikalischen Begegnungen Kartenbuchung unter → dso-berlin.de/fortekultur in der Zitadelle Spandau einlädt, von den Ensembles selbst konzipiert und vom Kulturamt Spandau veranstaltet wird. ›Forte Kultur‹ ist eine Veranstaltung des In sechs Konzerten verbinden sie hier Musik mit anderen performativen Ausdrucksformen, erkunden historische Zu- mit Unterstützung der sammenhänge und bespielen auf kreative Weise die Räume Senatsverwaltung für Kultur und Europa
Blog 51 Online Jubiläumsblog Orchestergeschichte zum Nachlesen Wir freuen uns, Ihnen in den DSO-Nachrich- ten immer wieder spannende Einblicke in die Orchestergeschichte geben zu dürfen. Wenn Sie Spaß an unseren historischen Exkursionen haben und mehr darüber lesen möchten, laden wir Sie herzlich ein, unseren neuen Blog ›75 Jahre DSO‹ zu erkunden. Dort finden Sie Woche für Woche neue Beiträge rund um Geschichten, Menschen und Fundstücke aus siebeneinhalb Jahrzenten Orchesterhistorie. Blättern Sie mit uns in den Autogrammbänden, die der Cel- list Heinrich Köhler für das Orchester geführt und dabei von unzähligen großen Künstlerinnen und Künstler, die von Anfang an den Weg des DSO begleitet haben, persönliche, herzliche und bisweilen auch humorvolle Widmungen erhal- ten hat. Stöbern Sie mit uns im Archiv, begleiten Sie uns auf Tourneen in alle Welt, lesen Sie die Geschichten, die sich hinter einzelnen Bildern verbergen, oder sehen Sie sich an, wie sich die Programmhefte und Plakate in einem Dreivier- teljahrhundert verändert haben. Unsere Beiträge werfen Schlaglichter auf große Komponisten, bedeutende Dirigen- ten und herausragende Solistinnen, auf ungewöhnliche Pro- gramme, die von Anfang an durch Entdeckerfreude gekenn- zeichnet waren, auf ein breites Tonträgerangebot, das die musikalische Neugierde des DSO dokumentiert und vieles mehr. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Lesen! → dso-berlin.de/blog
Tickets Besucherservice des DSO Charlottenstraße 56, 2. OG 10117 Berlin, am Gendarmenmarkt Mo bis Fr 9–18 Uhr T 030 20 29 87 11 → tickets@dso-berlin.de → dso-berlin.de Ein Ensemble der
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